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Seid ihr mir gefolgt, meine lieben Leser, in das unermessliche Weltmeer, wenn ich euch zeigte, wie Kolumbus, kämpfend mit tausendfachem Ungemach, es durchschiffte bis zu den Inseln Amerikas, so folgt mir auch jetzt in ein heimliches, stilles Stübchen, in dem ein Liebling des deutschen Volkes lebte und dichtete, ein Mann, geliebt, geachtet, verehrt vom Palast bis zur Hütte. Wie wenige vor ihm und nach ihm; ein Mann, fromm und treu und segensreich durch sein Wort, wie durch sein Tun, – ich meine den edlen Christian Fürchtegott Gellert, den Dichter der frommen Gotteslieder, die wir in unseren Gottesdiensten singen, und der lehrreichen Fabeln, die uns mit ihren darin verborgenen guten Lehren vor manchem Abwege schützen, vor dem Unrechten warnen und zum Guten ermahnen; ein Mann, der selbst in seinem Leben uns ein schönes Vorbild der Treue, der frommen Ergebung, der Demut und opferfähigen Christenliebe darstellt.
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Seitenzahl: 128
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Christian Fürchtegott Gellert
Dichter und Philosoph
W. O. von Horn
© 1. Auflage 2018 ceBooks.de im Folgen Verlag, Langerwehe
Autor: W. O. von Horn
Cover: Caspar Kaufmann
ISBN: 978-3-95893-239-5
Verlags-Seite und Shop: www.ceBooks.de
Kontakt: [email protected]
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Titelblatt
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
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Seid ihr mir gefolgt, meine lieben Leser, in das unermessliche Weltmeer, wenn ich euch zeigte, wie Kolumbus, kämpfend mit tausendfachem Ungemach, es durchschiffte bis zu den Inseln Amerikas, so folgt mir auch jetzt in ein heimliches, stilles Stübchen, in dem ein Liebling des deutschen Volkes lebte und dichtete, ein Mann, geliebt, geachtet, verehrt vom Palast bis zur Hütte.
Wie wenige vor ihm und nach ihm; ein Mann, fromm und treu und segensreich durch sein Wort, wie durch sein Tun, – ich meine den edlen Christian Fürchtegott Gellert, den Dichter der frommen Gotteslieder, die wir in unseren Gottesdiensten singen, und der lehrreichen Fabeln, die uns mit ihren darin verborgenen guten Lehren vor manchem Abwege schützen, vor dem Unrechten warnen und zum Guten ermahnen; ein Mann, der selbst in seinem Leben uns ein schönes Vorbild der Treue, der frommen Ergebung, der Demut und opferfähigen Christenliebe darstellt.
Das Pfarrhaus in dem Städtchen Hainichen bei Freiberg im sächsischen Erzgebirge war um das Jahr 1715 ein Bild kläglichen Verfalles. War die Stadtkasse zu arm, oder nahm der Magistrat so wenig Anteil an dem Wohl und Wehe seines treuen, frommen zweiten Pfarrers, Christian Gellert, dass er nicht besser sorgte, ich weiß es nicht; aber soviel weiß ich, dass fünfzehn Stützen es unterfingen, damit es nicht auf unliebsame Einfälle käme, wie man scherzend sagte. Und dennoch war Raum genug in diesem alten, gebrechlichen Hause für eine große Familie, für ein reines, stilles, frommes, bescheidenes Glück, für ein Familienleben nach dem Herzen Gottes in glaubensfrommer Liebesgemeinschaft. –
Eine schöne Anzahl Kinderchen umspielte schon die glücklichen Eltern, als am 4. Juli des Jahres 1715 der fünfte Sohn ihnen geschenkt wurde. Da hätte es manchem anderen Vaterherzen bange werden mögen, besonders wenn ein nur so kümmerliches Einkommen da war, wie das des frommen Pfarrers Gellert, welches kaum ausreichte, für so viele zum täglichen Brot und zur Kleidung und Erziehung. Ihm aber bangte es nicht, denn er hielt sich an das erhebende Wort Luthers: „Wo viele Kinder sind, da werden viele Vaterunser gebetet, und wo viel gebetet wird, da ist viel Gottessegen“, und dies Wort hat sich hier, wie überall, wo es so ist, wie das Wort sagt, herrlich bewährt. Voll Glaubens und Dankes schrieb er ins Kirchenbuch, als er des Kindleins Geburts- und Tauftag nebst seinem Namen eintrug, die tiefgefühlten Worte: „Ach, Herr, höre mein Gebet auch für diesen Sohn, lass ihn wohlgeraten hienieden, fromm und einst ewig selig werden!“ Und dieses Gebet eines frommen, treuen Vaterherzens wurde herrlich erhört.
Noch am Tag der Geburt seines Söhnleins pflanzte Gellert eine Linde in den Garten, dass sie mit dem Kleinen aufwachse und ihm einmal Schatten gebe, – eine Sitte jener Tage, so schön wie sinnig, die leider untergegangen ist, wie so manche gute Vätersitte. Diese Linde wuchs und grünte, grünte noch, als der längst moderte, für den sie gepflanzt war, und steht noch in Hainichen als die berühmte Gellertslinde; denn das Andenken an den, für welchen sie gepflanzt war, grünt auch noch fröhlich dort, wo er das Licht der Welt erblickte, wie auch anderwärts im Vaterland.
Es war auch eine schöne Sitte und in Sachsen ist sie noch nicht ganz verschwunden, in dem Namen des Kindes irgendeine christliche, treufromme Mahnung durchklingen zu lassen, die den Träger des Namens bedeutsam mahne an seinen heiligen Christenberuf. Darum nannte der Vater seinen Neugeborenen Christian Fürchtegott, und die Mahnung, welche in diesem Namen enthalten, ist fürs ganze Leben dem Kind und Manne bedeutsam geblieben.
Wie schon gesagt, das Familienleben in dem armen Pfarrhaus, das auf eigenen Beinen nicht mehr stehen konnte, war ein in Liebe geheiligtes, ein wahrhaft gottesfürchtiges, durch Gebet geweihtes, in dem der Vater ein durch Liebe gemildertes Regiment führte und die treffliche Mutter, Johanna Salome, geborene Schütz, wie ein Engel des Friedens und der Liebe waltete.
Der jüngste aber war ein schwaches Büblein, dünn und fadenscheinig, und hatte keine Aussicht, wie weiland König Saul, eines Kopfes Länge über ganz Israel hinauszusehen, oder wie Simson die Säulen eines Gebäudes einzureißen, oder was hier nötig hätte werden können, die Stützen zu ersetzen, die sein altermüdes Vaterhaus vor dem Einfall schützten. Er war schwächlich und blieb es bis zum Grab; aber aus seinen hellen Augen blitzte ein klarer Geist, und daneben sah eine Gutmütigkeit heraus, die jeden anzog, und ihm geneigt machte, und so kam es, dass er schon als Kind vieler Leute Liebling war, im höchsten Maße natürlich der der Elternherzen, die das schwächliche Kind besonders lieb hatten, gleichsam als habe der liebe Gott im Himmel es ihnen eingegeben, weil ja ein schwächliches Kind der Sonnenwärme und des Lebenshauches der Liebe mehr bedarf zu seinem Gedeihen, als ein kräftiges, dessen Natur sich wohl schon selbst seine Bahn bricht.
In solchem Sonnenschein und Lebenshauch der Liebe gedieh jedoch das zarte Büblein, wenn auch nicht ganz so frisch und kräftig, wie neben dem Haus seine Linde, im Sonnenschein des Himmels und im Lebenshauch der Luft.
Es muss einen segensreichen Einfluss auf sein jugendliches Gemüt gehabt haben, – und sein Mannesleben gibt reichlich Zeugnis dafür, wie tief dieser Einfluss und Eindruck war – dass seine treffliche Mutter, wie kärglich auch das Pfarreinkommen war, dennoch stets übrig hatte für Arme und Notleidende, deren keiner ohne milde Gabe und Liebeswort von der Schwelle des Hauses ging, ja, dass sie im Städtchen die Armen, Kranken und Notleidenden aufsuchte und Trost und Labung in die Hütten trug wie ein helfender Engel. Solch ein Vorbild prägt sich tief in das weiche Kindesherz und ist eine Mitgabe und eine Erbe, gesegneter, als des Reichtums Fülle. –
Wenn wir Gellert im späteren Leben seinen Notpfennig mit den Armen teilen sehen, ja ihn als hingebenden und lieber selbst darbenden Samariter wieder finden, so haben wir nicht nötig, zu fragen, wo die Wurzeln solchen christlichen Liebelebens seien. Sie waren im Herzen einer Mutter, wie ich sie jedem Kind wünschen möchte. – Wie viele Keime, die später sich entfalten, liegen in dem Leben des Vaterhauses, im Beispiel der Eltern! Ach, dass es nur allezeit gute wären!
Hier waren es Saaten des Heiligen und Göttlichen, die gestreut wurden, und nicht allein im Leben Christian Fürchtegott Gellerts, sondern auch in dem seiner zwölf Geschwister zeigte sich dieselbe Frucht jener Saat; denn sie alle gerieten wohl und der Segen des Vaterhauses begleitete sie.
Dreizehn Kinder, ein volles sogenanntes Schweizerdutzend, wimmelten und hantierten in dem armen Pfarrhaus zu Hainichen, aber sie gerieten, wie gesagt, alle wohl und machten den Eltern Freude und Ehre, und als aus dem fünfzehnfach gestützten Hause später der Vater in das Wohnhaus der ersten Pfarrstelle zog, gab der liebe Gott auch ein besseres Auskommen für die Tage, da die erwachsenen Kinder größere Ausgaben heischten; denn es bleibt wahr: Kleine Kinder, kleine Sorgen; große Kinder, große Sorgen.
Bedingung aber, eins fällt mir dabei ein, und ein anderes kann ich nicht wohl unterdrücken bei solchem Gedankengange: Wer sein festes Brot, wenn auch in beschränkten Lebensverhältnissen, hat und statt des Überflusses nur ein karges Maß erhält, meine doch ja nicht, dass das ein Unheil sei. Ach wie oft habe ich es in meinen Tagen – und in einem halben Jahrhundert und darüber fehlt es an Gelegenheit zur Beobachtung nicht – erlebt und beobachtet, dass ein Jugendleben im Überfluss ein Unglück für die war, die später sich durch die Welt drücken mussten und doch die Fleischtöpfe Ägyptens im Vaterhause nicht vergessen tonnten. Wie oft habe ich es erfahren, – und wenn ich offen sein soll, die Erfahrung liegt mir so nahe, wie das Hemd am Leibe, dass die beschränkten Verhältnisse des Vaterhauses im Gegenteil ein reicher Segen sind; denn der bescheidene, anspruchslose, demütige Sinn geht dann mit uns durch dick und dünn, durch gute und böse Tage des Lebens, und wohl dem, der, gelernt hat, wie Sankt Paulus, Mangel leiden und Überfluss haben und sich genügen lassen an dem, was da ist, und was Gottes Barmherzigkeit gibt! Das ist ein großer Segen.
Wie schwer gewöhnt der sich ans Entbehren, der aus einem Leben des Überflusses im Vaterhaus, aus einem solchen, wo das Kind seine Wünsche erfüllt sieht, fast ehe es sie ausspricht, in die Wüsten und Steppen des Lebens hinein muss, wo das Entbehren zur Notwendigkeit wird! Wer das Entbehren früh gelernt hat, dem wird's nicht schwer, wenn er's üben musst; aber wie bitter wird es dem, und wie schwer findet der sich hinein, der, an üppige Jugendtage gewöhnt, im späteren Leben sich allem versagen muss!
Das sehr einfache, entbehrungsreiche Leben des Vaterhauses wurde ein bleibender Segen für Christian Fürchtegott Gellert. – Er war und blieb bescheiden in seinen Ansprüchen, demütig in seinem Verhalten, freigebig gegen Arme und Leidende und hatte stets ein offenes Herz für fremde Not und ein zufriedenes für eigene, wenn es bei ihm selber, was nicht selten vorkam, knapp herging.
Die Grundlage seiner Bildung, den ersten Unterricht empfing er in den Schulen seiner Vaterstadt; aber die waren nicht weit her, was so viel heißt wie: nicht sonderlich. Der Haselstock führte sein scharfes Regiment, und war so ziemlich die Hauptsache in der Schule. Nun an Gehorsam gewöhnt zu werden, hat auch sein Gutes und Gellert hat dem frühen Gehorsamlernen im späteren Leben noch manchmal eine Lobrede gehalten und ebenso auch dem Fleiß, an den er in dieser Weise gewöhnt wurde, wenn auch der geistige Erwerb und Gewinn in der Schule nicht sonderlich hoch anzuschlagen war. Seinen Lehrern hat er bis an sein Ende ein dankbares Andenken bewahrt. Sie gaben halt, was sie hatten.
Das ist ein Zug aus der Denkweise des edlen Mannes, den man hoch anschlagen muss, und er lässt den Schluss zu, dass er auch als Knabe seine Lehrer hochgeachtet habe und ihnen zugetan war. Wie ist das in unseren Tagen so selten! Wie häufig hört man von Knaben harte Urteile über ihre Lehrer, wegwerfende, geringschätzende selbst über die treuesten, achtungswürdigsten! Wie zeigt sich der schnöde Undank und die Keckheit und Verderbtheit darin so klar! Und die Lehrer gerade, denen wir die meisten Mühen und Sorgen gemacht, die ersten Lehrer, die uns das Lesen lehrten, wie selten ernten sie den Dank, den sie vorzugsweise verdienen als die, welche uns für jeden höheren Unterricht den Weg bahnten, den Grundstein zu allem künftigen Erkennen legten.
Frühzeitig wurde Gellert an eine erwerbende Tätigkeit gewöhnt. Als Knabe schon, der kaum elf Jahre zählte, musste er mithelfen zur Aufrechthaltung des Hauswesens und zur Deckung der Ausgaben, welche eine so große Kinderzahl erheischte. Für körperliche Anstrengung zu schwach, musste er mit Schreiben etwas verdienen, und da kam ihm denn eine saubere, deutliche Handschrift recht zu statten.
Bei den Ämtern wurde in jenen Tagen noch viel mehr geschrieben als in den unsrigen, und es fehlte nicht selten an Leuten, um die Abschriften zu machen. Da war denn der kleine Gellert recht am Platz, und in den freien Stunden, welche andere Knaben seines Alters zum Spielen und Herumschweifen in Wald und Wiese, Berg und Thal verwendeten, saß der kleine Bursche da und schrieb trockene Akten ab, jedoch ohne Unmut, in williger Hingabe an des Vaters Willen und der Familie Bedürfnis. Leider mag dadurch der Grund zu einem Übel gelegt worden sein, das seine späteren Tage trübte und zur Ursache seines frühen Heimganges wurde. Die sitzende Lebensweise in so zartem Alter trug unzweifelhaft dazu bei, dass seine leibliche Entwicklung zurückblieb, – ein Unheil, an das seine liebevollen Eltern gewiss nicht dachten, weil sie es sonst würden verhütet haben. Dass er aber sehr viel schrieb, geht daraus hervor, dass er in seinem späteren Leben wohl scherzend zu sagen pflegte: Seine Vaterstadt habe in ihren Kaufbüchern, Kaufbriefen und Verträgen mehr Werke der Feder aus seiner Jugendzeit aufzuweisen, als die Welt in allen Werken seines späteren Lebens, und er war zu wahrheitsliebend, als dass man annehmen könnte, er habe hierin übertrieben.
Wer aber den Fleiß in Gellerts späterem Leben beobachtet, die nie rastende Tätigkeit des Mannes, der wird nun dessen Quelle leicht zu finden wissen.
Wer sich früh an eine bestimmte nützliche Tätigkeit gewöhnt, der kann müßiges Lungern nie lieb gewinnen und wird alle Zeit fern bleiben von dem Laster, von welchem das Sprichwort so wahr spricht: Müßiggang ist des Teufels Ruhebank.
Ich will gewiss nicht das Tun der Eltern Gellerts zur Nachahmung empfehlen, weil sicherlich bei schwächlichen Kindern das viele Sitzen im Hause ein Unglück ist; aber auf das frühe Gewöhnen an geregelte Arbeitsamkeit muss ich hinweisen, weil es ein Damm ist gegen vieles Unselige und Verderbliche, und weil es viele Eltern gerade daran fehlen lassen, wie auch an der strengen Zucht, die allemal ein Segen ist, der sich erst zeigt, wenn wir der elterlichen Zucht längst entwachsen und sie selbst vielleicht schon droben bei dem Herrn sind. Der alte Sirach wusste das auch und mancher andere.
Dass in dem kleinen, feinen Christian etwas stecke, das unter Gottes gnädigem Walten so gewiss herauskommen werde, wie aus der Knospe die Blüte und Frucht, das dachten viele, die den sinnigen Knaben beobachteten und lieb hatten. Seine Eltern glaubten und hofften es auch. Dass aber ein Dichter in ihm stecke, der einst zu seines Gottes und Herrn Preis so schöne und erbauliche Lieder dichten, der in so schönen Fabeln die Wege des Guten lehren werde, dachte doch eigentlich niemand. Was in des Knaben Seele vorging, wusste ja keiner; aber es rang sich doch schon so etwas früh bei ihm heraus, wie etwa ein bescheidenes und demütiges Schneeglöcklein sich herausdrängt, wenn kaum die Erde der Fesseln des Frostes los und ledig geworden ist.
Ob es das erste wahr, was er in Versen bildete, als er kaum erst dreizehn Jahre alt, zu seines lieben Vaters Geburtstag ein Gedicht machte, – es ist nicht ganz klar erwiesen; aber jedenfalls war es das erste seiner Gedichte, das anderen und zunächst seinen Liebsten unter die Augen kam. Es war sehr eigentümlich, wenn auch mangelhaft in der Ausdrucksweise.
Ich kann mir nicht versagen, hier zur Bestätigung des bereits Gesagten eine Stelle aus einem trefflichen Aufsatz des verehrten Dr. Gotthilf Heinrich von Schubert in München wörtlich mitzuteilen.