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Was ist "Christliche Hospiz und Palliativkultur"? Die Frage besitzt Bedeutung über den Binnenraum von Theologie und Kirche hinaus: Von einer reflektierten Identität christlicher Akteure profitieren letztlich alle Beteiligten in Hospiz und Palliative Care. Es gilt, eine anschlussfähige Theologie christlicher Praxis in Hospiz und Palliative Care zu formulieren. Aus vier Blickwinkeln ergibt sich ein reichhaltiges Gesamtbild: Biographische Skizzen bedeutender Protagonisten heben die christlichen Wurzeln der neuzeitlichen Hospizbewegung neu ans Licht. Der Blick auf 'weltanschaulich neutrale' Positionen beschreibt allgemein anerkannte Prinzipien palliativer Praxis. Die Auswertung kirchlicher Dokumente ergibt ein differenziertes Bild systematischer Positionen und theologischer Erkenntnisprozesse. Die Analyse von Mitarbeiterinterviews wirft Schlaglichter auf Herausforderungen der Praxis. Am Ende entsteht eine ideale "Leitvision" christlicher Hospiz und Palliativkultur in Form von differenzierten Qualitätskriterien.
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Seitenzahl: 777
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Studienzur Theologie und Praxisder Seelsorge90
Herausgegeben vonErich Garhammer und Hans Hobelsbergerin Verbindung mitMartina Blasberg-Kuhnke und Johann Pock
Benno Littger
Grundlagen, Erfahrungenund Herausforderungen
Univ.-Diss., Regensburg/Passau
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
© 2014 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter-verlag.de
ISBN 978-3-429-03692-8 (Print)
978-3-429-04750-4 (PDF)
978-3-429-06164-7 (ePub)
Vorbemerkung
Dank
Teil 1: Christliche Hospiz- und Palliativkultur – Zugänge und Konturen
1. Einführung: Fragestellung und Erkenntnisinteresse dieser Arbeit
1.1 „Christliche Hospiz- und Palliativkultur” – ein ambivalentes Schlagwort
1.2 Ziel: Kommunizierbare Theologie von Hospiz und Palliative Care
1.3 Forschungsgewinn: Wer profitiert von dieser Untersuchung?
1.4 Grenzen und Abgrenzungen der Untersuchung
2. Das Feld christlicher Hospiz- und Palliativkultur: Ein erster Überblick
2.1 Wo findet sich christliche Hospiz- und Palliativkultur? Orte, Organisationsformen und -strukturen
2.2 Wer ‚kultiviert‘ christliche Hospiz- und Palliativkultur?
2.3 Konsequenzen für den Zugang zum Thema
3. Impulse aus der Organisationstheorie: Modelle zum Kulturbegriff
3.1 Ansätze zu Operationalisierung von Organisationskultur
3.2 Fazit: Ein für diese Arbeit brauchbares Modell von Organisationskultur
3.3 Konsequenzen für den Zugang zum Thema
4. Methodische Zugänge zum Thema
4.1 Christliche Hospiz- und Palliativkultur als caritaswissenschaftliche Fragestellung
4.2 Konvergenzargumentation als methodischer Zugang zum Thema
5. Aufbau der Arbeit: Schritte zur Beschreibung christlicher Hospiz- und Palliativkultur
Teil 2: Historisch-biographische Zugänge
1. Zielsetzung und Vorgehen
1.1 Quellen: Auswahl der Personen und Art der Texte
1.2 Zur Methodik: Narrative Darstellung und Frageraster als Leitfaden
2. Sisters of Charity
2.1 Wurzeln der Ordensgemeinschaft
2.2 Die Sisters of Charity in der Londoner Hospizlandschaft
2.3 Grundlagen und Umsetzung der Hospizarbeit im St. Joseph’s Hospice
2.4 Bilanz: Die Bedeutung des Werkes der Sisters of Charity für eine christliche Hospiz- und Palliativkultur
3. Dame Cicely Saunders
3.1 Lebenslauf
3.2 Saunders’ Bedeutung für die Hospizbewegung
3.3 Saunders’ religiöses Selbstverständnis und dessen Verwirklichung in Hospiz- und Palliativkultur
3.4 Bilanz: Die Bedeutung von Cicely Saunders Werk für eine christliche Hospiz- und Palliativkultur
4. Heinrich Pera
4.1 Lebenslauf
4.2 Peras Bedeutung für die Hospizbewegung
4.3 Peras religiöses Selbstverständnis und dessen Verwirklichung in Hospiz- und Palliativkultur
4.4 Bilanz: Die Bedeutung von Heinrich Peras Werk für eine christliche Hospiz- und Palliativkultur
5. Paul Türks
5.1 Biographische Basis
5.2 Türks’ Bedeutung für die Hospizbewegung
5.3 Türks’ theologische Begründung der Hospizarbeit
5.4 Konsequenzen für eine christliche Hospiz- und Palliativkultur
5.5 Bilanz: Die Bedeutung von Paul Türks Werk für eine christliche Hospiz- und Palliativkultur
6. Fazit: Orientierungen und Herausforderungen im Vermächtnis der Gründer
6.1 Übereinstimmungen und Akzentuierungen
6.2 Trends und Herausforderungen für die heutige Praxis
Teil 3: Die qualitative Inhaltsanalyse als Methode, Texte zur Hospiz- und Palliativkultur deskriptiv und normativ zu erschließen
1. Zur Methodik der qualitativen Inhaltsanalyse
2. Deskriptiver Zugang mit induktiven und deduktiven Kategorienansätzen
3. Normativer Zugang mit Kategorien diakonaler Qualität
3.1 Der Qualitätsbegriff im Kontext christlichen Handelns
3.2 „Christlichkeit” als Qualitätsmerkmal von Organisationen
3.3 Dimensionen diakonischer Qualität
3.4 Fazit: Qualitätskriterien als Schlüssel zur normativen Darstellung
4. Deskriptive und normative Zugänge zu den Quellen: Ein Überblick
Teil 4: Hospiz- und Palliativkultur im Licht weltanschaulich neutraler Texte
1. Quellen
2. Zur Methodik: Deduktive Kategorienanwendung
3. Deskriptive Auswertung: Zentrale Prinzipien allgemein anerkannter Hospiz- und Palliativkultur
4. Normative Auswertung: Allgemein anerkannte Qualitätskriterien von Hospiz- und Palliativkultur
Teil 5: Christliche Hospiz- und Palliativkultur im Licht theologischkirchlicher Texte
1. Quellen
2. Zur Methodik: Induktive und deduktive Kategorienanwendung
3. Deskriptive Auswertung: Zentrale Elemente christlicher Hospiz- und Palliativkultur in kirchlichen Texten
4. Normative Auswertung: Qualitätskriterien christlicher Hospiz- und Palliativkultur in kirchlichen Texten
Teil 6: Zwischenbilanz: Christliche Hospiz- und Palliativkultur im Spiegel der Positionen von Gründerfiguren, allgemeinen Standards und kirchlichen Dokumenten
1. Die Positionen von Gründerpersönlichkeiten und christlichen Kirchen im Vergleich
2. Die Positionen von weltanschaulich neutralen und christlichen Dokumenten im Vergleich
Teil 7: Christliche Hospiz- und Palliativkultur im Licht praxisbezogener Texte
1. Vorbemerkungen zu Entstehungskontext und Auswahl des Materials
2. Christliche Hospiz- und Palliativkultur in leitbildartigen Texten caritativer Einrichtungen
2.1 Beschreibung des Materials
2.2 Zur Methodik: Deduktive Kategorienanwendung
2.3 Deskriptive Auswertung: Elemente christlicher Hospiz- und Palliativkultur in leitbildartigen Texten
2.4 Normative Auswertung: Qualitätsmerkmale christlicher Hospiz- und Palliativkultur in den leitbildartigen Texten
2.5 Würdigung und Diskussion der Beobachtungen
3. Christliche Hospiz- und Palliativkultur im Verständnis von Mitarbeiterinnen von Caritaseinrichtungen
3.1 Verortung im Stand der Forschung
3.2 Beschreibung der Text-Stichprobe
3.3 Zur Methodik: Deduktive Kategorienanwendung
3.4 Deskriptive Auswertung: Elemente christlicher Hospiz- und Palliativkultur in den Aussagen von Mitarbeitern und Führungskräften
3.5 Normative Auswertung: Qualitätsmerkmale christlicher Hospiz- und Palliativkultur in den Aussagen von Mitarbeiterinnen und Führungskräften
3.6 Würdigung und Diskussion der Beobachtungen
Teil 8: Ertrag und Perspektiven
1. Zentrale Ergebnisse der einzelnen Zugänge zum Thema
2. Qualitätsmerkmale christlicher Hospiz- und Palliativkultur – Eine ideale Leitvision
3. Christliche Hospiz- und Palliativkultur – Eine formale Definition
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Anmerkungen
Bei der Erstellung dieser Arbeit lernte ich die exzellenten elektronischen Serviceangebote der großen Münchner Bibliotheken (Bayerische Staatsbibliothek, Bibliothek der LMU) zu schätzen. Weitere technische Hilfsmittel waren die Anwendungen Office 2010, Citavi 3, MAXQDA 10, FreeMind 0.9.
Aus Rücksicht auf eine flüssige Lesbarkeit verzichtet die vorliegende Arbeit auf eine durchgehende Nennung weiblicher und männlicher Berufs- und Rollenbezeichnungen. Beide Formen wechseln in unregelmäßiger Folge. Selbstverständlich ist dabei das jeweils andere Geschlecht gedanklich miteinbegriffen.
Diese Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne die breit angelegte Unterstützung durch die Erzdiözese München und Freising: Dass ich große Teile der Arbeit im Rahmen einer beruflichen Freistellung erstellen konnte, empfinde ich als persönliches Privileg, aber auch als Zeichen für den Stellenwert, den die Förderung christlicher Hospiz- und Palliativkultur im Bewusstsein der Verantwortlichen besitzt. An erster Stelle gilt mein Dank Herrn Dr. Thomas Hagen, der frühzeitig die Relevanz des Themas erkannte, mir zahlreiche Türen öffnete und sich als unermüdlicher Geburtshelfer im Entstehungsprozess dieser Arbeit erwies. Dankbar bin ich auch den zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, die mir bereitwillig und sehr ehrlich von ihren Wahrnehmungen der in der Krankenhaus-, Hospiz- und Palliativseelsorge berichteten. Viele Impulse verdanke ich dem kollegialen Austausch in der Fachgruppe Hospiz- und Palliativseelsorge, sowie dem Gespräch mit Seelsorgern der evangelischen Kirche.
Ebenfalls unersetzlich war die vertrauensvolle Unterstützung, mit der der Caritasverband der Erzdiözese München und Freising das Projekt begleitete: Die Steuerungsgruppe und der wissenschaftliche Beirat des Diözesanprojekts „Christliche Hospiz- und Palliativkultur“ ermöglichten mir den umfassenden Zugang zu Daten und Ergebnissen der projektbegleitenden Evaluation. Besonderer Dank gilt hier Frau Prof. Dr. Constanze Giese für ihren konstruktiven Blick auf die konzeptionellen Entwürfe dieser Arbeit, Frau Daniela Lindemann für ihr solidarisches Interesse an meiner Perspektive auf das Themenfeld, und besonders Herrn Benjamin Strasser für seine integrative und zuvorkommende Vernetzungsarbeit.
Wertvolle Informationen und Literaturhinweise verdanke ich Personen, die mir großzügig Einblick in ihre eigene wissenschaftliche Tätigkeit gewährten: Herrn Prof. Dr. Andreas Heller (Klagenfurt), Frau Melanie Miehl (Bibliothek des Oratorium des Hl. Philipp Neri, Aachen), Herr Alexander Laske (Bergen auf Rügen), Diakon Hanno Weinert-Sprissler (Köln), sowie den Teilnehmern der Qualitativen Forschungswerkstatt an der LMU und der Doktorandenkolloquien um Prof. Dr. Isidor Baumgartner.
Für die konstruktiven Anregungen zur Darstellung von Methodik und Ergebnissen danke ich den Gutachtern dieser Dissertation: Prof. Dr. Isidor Baumgartner (Passau), Prof. Dr. Hans Mendl (Passau) und Prof. Dr. Heinz-Günther Schöttler (Regensburg). Von ihren Anregungen werden auch die Leser dieser Arbeit profitieren.
Prof. Isidor Baumgartner schulde ich ganz besonderen Dank: Er übernahm die Betreuung dieser Arbeit zu einem Zeitpunkt, an dem bereits klar war, dass sich das Projekt über die Dauer seiner aktiven Lehrtätigkeit hinaus erstrecken würde. Er begleitete den Entstehungsprozess als souveräner Coach, dessen wohlwollendes Interesse immer sowohl dem Thema als auch der Person galt.
Dankbar bin ich den Teams der Palliativstationen in der onkologischen Fachklinik Bad Trissl und im Klinikum Großhadern für das Vertrauen und die Offenheit, die ich dort als Seelsorger erfahren durfte.
Die Veröffentlichung dieser Arbeit wäre mir kaum möglich gewesen ohne die großzügige Unterstützung der Erzdiözese München und Freising sowie meiner Eltern Maria und Dr. Klaus Walter Littger.
Dankbarkeit ist eine beständige – wenn auch nicht die einzige – Empfindung, die ich in den vergangenen drei Jahren gegenüber meiner Familie empfunden habe. Meine Frau Annette, Adam und Luzia trugen mich durch all die verschiedenen Zustände des Arbeitens hindurch mit einer Geduld, Zuversicht und Vitalität, die eine ganz eigene Motivationskraft entfalteten.
Was ist „Christliche Hospiz- und Palliativkultur“? Zunächst ein Begriff, der verschiedenste Assoziationen wecken kann: Von historischen Herbergen über befreiende oder bedrückende Krankenhausbilder bis hin zu möglicherweise eigenen Erfahrungen mit Abschied und Sterbebegleitung. Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, christliche Hospiz- und Palliativkultur als theologisches Konzept und praktische Realität zu erfassen, charakteristische Fundamente und Qualitätskriterien zu erarbeiten und ihre Bedeutung für Kirche und Gesellschaft zu beschreiben. Die Untersuchung bewegt sich dabei auf biographisch-narrativen, deskriptivanalytischen und normativ-kritischen Wegen.
Einleitend sollen zunächst Fragestellung und Erkenntnisinteresse der Arbeit näher entfaltet werden, gefolgt von der Beschreibung der inhaltlichen und methodischen Zugänge zum Thema.
Christliche Hospiz- und Palliativkultur – eine Selbstverständlichkeit?
Christliche Hospiz- und Palliativkultur ist ein Thema, das in Theologie und Kirche zunehmend Aufmerksamkeit gewinnt: In den vergangenen zwei Jahrzehnten beschäftigen sich allein in Deutschland über ein Dutzend Dokumente der großen christlichen Kirchen mit Aspekten der Sterbe- und Trauerkultur. Die theologische Literatur zu Hospiz und Palliative Care wird in den letzten Jahren unübersehbar, insb. unter den Perspektiven von historischer Entwicklung, Trauerbegleitung und Spiritual Care. Caritasverband und Diakonisches Werk thematisieren auf allen Ebenen die „hospizlich-palliative Kultur in diakonischen Einrichtungen und Diensten“1. In den bayerischen Diözesen (2006-07) und in der Erzdiözese München und Freising (2009-12) führte der Caritasverband jeweils Implementierungsprojekte unter dem Schlagwort „Christliche Hospiz- und Palliativkultur“ durch. Empirische Untersuchungen belegen die hohe Identifikation hospizlicher und palliativer Praxis mit christlichen Werten und Organisationen: 55% der ambulanten Hospiz- und Palliativdienste in Deutschland bezeichnen sich ausdrücklich als „christlich“.2 Sogar in der Fremdwahrnehmung der christlichen Religion durch in Deutschland lebende Muslime erscheinen Hospiz und Palliative Care als typisch kirchliches Kulturmerkmal: „Bei denen, die die Hospizbewegung kennen, herrscht die Meinung vor, diese sei ‚eine Sache der Kirche, wo die alten Menschen abgegeben werden‘“3.
Wozu also noch eine weitere Untersuchung zu diesem Thema? Legen die beschriebenen Beobachtungen doch eher den Eindruck nahe, beim Thema „Christliche Hospiz- und Palliativkultur“ handle es sich inzwischen um eine Selbstverständlichkeit, der Begriff selbst sei geradezu zum Pleonasmus geworden.
Christliche Hospiz- und Palliativkultur – alles andere als selbstverständlich?
Sicher ist: In Hospiz und Palliative Care finden sich weitreichende Überschneidungen mit Christentum und Kirchen. Dass diese Kongruenz jedoch nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden kann, zeigt sich bereits an einigen Schlaglichtern:
Die Journalistin Beata Lakotta, die die Hospizbewegung seit langem publizistisch begleitet, stellt fest:
„In Talkshows sitzt dann, je nach aktuellem Anlass, ein Sterbehilfe-Befürworter, ein Kirchenvertreter, ein unheilbar Kranker, vielleicht noch ein Anwalt und ein Palliativmediziner. Und die deutsche Hospizbewegung? Kommt in all diesen Debatten nicht vor. Hat sie dazu nichts zu sagen? Das sicher nicht. Aber sie leistet sich keine Repräsentanten und keine breitenwirksame Öffentlichkeitsarbeit. Keine Stimme, die sich einmischt. (…) Es sei denn, ein anderer vertritt sie.“4
Unabhängig von ihrer primären Stoßrichtung zeigt diese Beobachtung: Der „Kirchenvertreter“ steht in diesem Setting für andere Interessen als die der Hospizbewegung. Die christliche Religion und ihre Vertreter werden wie selbstverständlich nicht mit der Hospizidee und deren Vertretern identifiziert, in der öffentlichen Wahrnehmung und medialen Inszenierung ebenso wenig wie im Selbstverständnis der Hospizbewegung selbst. Die historischen und ideellen Wurzeln, die beide Bewegungen verbinden, sind an der Oberfläche heutiger Hospiz- und Palliativkultur nicht mehr unmittelbar wahrzunehmen. Cicely Saunders, überzeugte Christin und aus dieser Motivation heraus Protagonistin der neuzeitlichen Hospizbewegung, konstatiert rückblickend:
„Grundsteine sieht man oft nicht.“5
Gleichzeitig mehren sich Hinweise auf eine gewisse Sprachlosigkeit auch innerhalb christlicher Einrichtungen selbst, wenn es um die Frage geht, was denn nun das charakteristisch ‚Christliche‘ der eigenen Praxis sei:
„Das moderne Krankenhaus ist ein guter Ort für eine Berücksichtigung und Umsetzung individueller spiritueller Bedürfnisse. Dem stehen jedoch andere Erfahrungen entgegen: in den Teams, aber auch in den einzelnen Krankenhäusern (auch nicht in vielen Häusern in konfessioneller Trägerschaft!) gibt es kein einheitliches und kein gemeinsames Verständnis z.B. von Heilung und dessen Ermöglichung oder z.B. über das spezifisch Christliche.“6
Diese Beobachtungen widerlegen jede idealisierende Illusion: „Christliche Hospiz- und Palliativkultur“ ist keine Selbstverständlichkeit. Das Christliche droht außen unsichtbar zu werden – und innen unsagbar.
Christliche Hospiz- und Palliativkultur – eine Anmaßung kirchlicher Akteure?
Die klassische Frage „Wer hat’s erfunden?“ wird auch in Hospiz und Palliative Care gestellt – und von den einzelnen Professionen und Akteuren durchaus gern zur Profilierung des eigenen Images beantwortet.7 Die Rede von christlicher Hospiz- und Palliativkultur kann daher schnell in den Verdacht kommen, exklusivistische Urheberansprüche der Kirchen proklamieren zu wollen. Ein überzeugendes Konzept von christlicher Hospiz- und Palliativkultur muss die Verdienste christlicher Akteure und die Bedeutung christlicher Spiritualität und Theologie in diesem Feld keineswegs verschweigen. Gerade deshalb wird es sich inhaltlich aber an einer offenen, integrativen Zielperspektive orientieren:
„Wenn hier von christlichem Profil die Rede ist, dann sicher nicht profilneurotisch mit jener neidvollen Exklusivität, die die eigene Identität nur behaupten kann, wenn sie den anderen abgesprochen wird. Vielmehr werden die Kirchen über jeden nichtkirchlichen Wohlfahrtsverband froh sein, der ähnliche Ziele im Kontext durchaus anderer konzeptioneller und religiöser ‚Sprachspiele‘ praktisch verfolgt. Nur: Die Kirche selbst kann um ihrer eigenen christlichen Identität willen, auf die sie sich beruft, auf keinen Fall darauf verzichten, diese Ziele selbst vehement zu betreiben.“8
Dezidiert christliche Fundamente zu benennen ist zur Vergewisserung der eigenen Identität unverzichtbar. Dies entspricht jedoch keinesfalls einer Herabwürdigung anderer Motivationen und Zugänge, die hospizliches und palliatives Engagement anderer Akteure leiten. Über eine bloß der Pluralität bzw. der ‚political correctness‘ geschuldete Toleranz hinaus legitimieren sich Kooperationen christlicher mit nichtchristlichen Akteuren hier aus der gemeinsamen Zielperspektive:
„Ein von dem Symbol ‚geheimnisvoller Mehrwert des Menschen‘ geleiteter Helfer wird anders mit dem Patienten umgehen als ein reiner Funktionsberuf. (…) Das ‚Mehr‘ der Palliativ-Perspektive besteht nicht in einem Mehr-Machen, sondern im Anerkennen eines ‚Mehr‘ im Wesen des Menschen und seines Schicksals“9.
Diese teleologische Perspektive fordert geradezu Allianzen christlicher und nichtchristlicher Akteure: Gemeinsamen stehen sie Trends gegenüber, die ihre ursprünglichen Leitwerte zu instrumentalisieren versuchen oder ihnen direkt widersprechen. Zu nennen wären die oft beklagte Re-Medikalisierung palliativer Praxis10 ebenso wie eine bloßer Konsumlogik folgende „Bewirtschaftung des Lebensendes“11.
Christliche Hospiz- und Palliativkultur – Ein Anachronismus, der kirchlichem Wunschdenken entspringt?
Christentum und Kirchen können längst kein Monopol mehr auf Hospizwesen und Sterbebegleitung beanspruchen. Pluralisierung und (vermeintlicher oder tatsächlicher) Monopolverlust begegnet den Kirchen in diesem speziellen Bereich ebenso wie auf allgemein gesellschaftlicher Ebene.12 Als Reaktion rufen diese Herausforderungen vielfach restaurative Reflexhandlungen innerhalb der Kirchen hervor. Vor diesem Hintergrund kann das Insistieren auf christlicher Hospiz- und Palliativkultur schnell in den Verdacht geraten, Ausdruck eines anachronistischen Wunschdenkens zu sein. Zumal sich mit hospizlichem Engagement nicht nur innerkirchlich „Punkte machen“ lassen:
„Freilich sollten die Kirchen ihr Engagement für die Sterbebegleitung auch ein wenig selbstkritisch beleuchten. Darin steckt nämlich durchaus auch die Versuchung, gesellschaftlichen Relevanzverlust zu kompensieren. (…) Die Volkskirche sollte nicht, um das Diktum von Josuttis abzuwandeln, ihre Lebendigkeit nur noch dadurch unter Beweis stellen, dass sie sich als Marktführer auf dem neu entstehenden und inzwischen bereits umkämpften Markt der Sterbebegleitung zu positionieren versucht.“13
Im Hintergrund dieser Zuspitzung – wie auch der anderen genannten Entwicklungen – zeichnet sich eine entscheidende Systemfrage ab: Erlaubt das herrschende Gesundheitswesen prinzipiell die Integration christlicher Werte und Ziele?14 Diese für die ganze soziale Arbeit der Kirchen kritische Frage entfaltet sich im kirchlichen Engagement in Hospiz und Palliative Care quasi in Reinkultur – mit einem bemerkenswerten Unterschied: In allgemein-systemischer Perspektive finden sich durchaus negative Antworten, auch unter Theologen.15 Je näher die Kommentatoren jedoch die konkrete Realität in Hospiz und Palliative Care in den Blick nehmen, desto eher neigen sie zu Bewertungen, die für positive Antwortansätze offen sind.16 Einig sind sich die optimistischen Antworten dabei in einem entscheidenden Kriterium: Authentisch und gesellschaftlich relevant kann nur ein Christentum sein, das die Zeichen der Zeit in der Gesellschaft sucht und ernst nimmt, das sich seiner eigenen Identität bewusst ist und permanente Prozesse dieser Bewusstwerdung strukturell in die eigene Glaubens- und Hilfepraxis integriert.
Die bisher angedeuteten Spannungsfelder lassen erahnen, wo der wissenschaftliche und praktische Reiz der Frage nach christlicher Hospiz- und Palliativkultur liegen kann. Ziel, möglicher Forschungsgewinn und Grenzen der Untersuchung sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.
Die Zielsetzung der weiteren Untersuchung ergibt sich aus den skizzierten Problemanzeigen: Allgemein zeigt sich der Bedarf an Identitätsvergewisserung christlicher Praxis und aufmerksamer Wahrnehmung gesellschaftlicher Realitäten. Die konstruktive Zusammenschau beider Dimensionen eröffnet schließlich Wege zu einer allgemein kommunizierbaren, gesellschaftlich relevanten und damit prophetisch-heilsamen Präsenz christlichen Wirkens. Für den Kontext Hospiz- und Palliativkultur ergeben sich daraus folgende Ziele:
Leitziel ist, eine fundierte17, kommunizierbare18 und fruchtbare19 Theologie christlicher Praxis in Hospiz und Palliative Care zu formulieren. Daraus ergeben sich einzelne Teilziele:
• Als Beitrag zum Dialog aller beteiligten Akteure muss die Untersuchung einen möglichst umfassenden Blick auf „Christliche Hospiz- und Palliativkultur“ erarbeiten, der Impulse aus den Perspektiven möglichst vieler beteiligter Disziplinen integriert.
• Als Beitrag zum Dialog aller beteiligten Akteure muss die inhaltliche Erarbeitung und formale Darstellung der Ergebnisse in Kirche, Theologie und Gesellschaft gleichermaßen nachvollziehbar und kommunizierbar sein.
Bereits aus der Problem- und Zielbeschreibung wird deutlich: Die Frage nach christlicher Hospiz- und Palliativkultur ist ein theologisches Thema, das Bedeutung über den Binnenraum von Theologie und Kirche hinaus besitzt: Von einer reflektierten Identität und Auskunftsfähigkeit christlicher Akteure profitieren letztlich alle Beteiligten in Hospiz und Palliative Care.
a) Kirchen, Seelsorge, diakonische Organisationen und deren Mitarbeiter
Für die Kirchen bedeutet die Auseinandersetzung mit Hospiz und Palliative Care eine theologische Selbstvergewisserung ihres Sendungsauftrags in diesem Feld diakonischer Praxis: „Was nicht als christlicher Verantwortungsbereich angenommen wird, kann auch nicht entsprechend der Reich-Gottes-Perspektive so weit wie möglich umgestaltet werden“20. Eine entsprechend konsequente Profilierung und Prioritätensetzung kommt allen zugute, die von der Not des Sterbens betroffen sind.
• Für caritative Einrichtungen und deren Mitarbeiter erschließt die theologische Reflexion ihres Handelns konstruktive Optionen im permanenten Prozess der Integration von Theologie, christlichem Glauben und eigener sozialer Praxis.21 Die Glaubwürdigkeit von Einrichtungen und die Loyalität der Mitarbeiter werden gestärkt, wenn „diakonisches Denken den Kontakt zum diakonischen Handeln“22 nicht verliert.
• Kirchliche Seelsorger haben vielfältige Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten in hospizlichen und palliativen Organisationen.23 Ihr praktisches Erfahrungswissen wird durch die theologische Reflexion gewürdigt. Gleichzeitig kann die systematische Darstellung christlicher Hospiz- und Palliativkultur Seelsorger in ihrem Handeln bestärken und dieses mit neuen Impulsen bereichern.
• Kirchliche Einrichtungen und Repräsentanten gewinnen fundierte Möglichkeiten, die Qualität ihrer caritativen Praxis zu fördern und diese profiliert und anschlussfähig darzustellen.24
• Das gegenseitige Verhältnis von Gesellschaft, Staat und Kirchen ist im dynamisch sich entwickelnden Feld von Hospiz und Palliative Care immer wieder neu zu justieren. Die Beschreibung christlicher Hospiz- und Palliativkultur kann einen Beitrag zu Rollenklärung und gegenseitigem Lernen sein.25
• Für die ökumenische Zusammenarbeit der christlichen Kirchen kann die theologische Durchdringung christlicher Hospiz- und Palliativkultur vertiefende Klärungen und Anstöße bieten.26
b) Sterbende, Hospizbewegung und Gesellschaft
• Subjekte hospizlichen und palliativen Handelns sind die Sterbenden und deren Nahestehende. Sie profitieren von einer kommunizierbaren Reflexion christlicher Hospiz- und Palliativkultur: Die Formulierung von Qualitätskriterien, wie sie „ ‚in christentümlicher Zeit‘ für überflüssig gehalten“27 wurde, kommt direkt ihrer Begleitung zu Gute. Die Offenlegung verbindlicher Leitlinien kann darüber hinaus dazu beitragen, ungerechtfertigte Ängste und Vorbehalte gegenüber christlichen Akteuren in Hospiz und Palliative Care zu entkräften.28
• Die Hospizbewegung findet in Akteuren christlicher Hospiz- und Palliativkultur, die über ihre Fundamente und Ziele Auskunft geben können, einen verlässlichen und profilierten Partner im Engagement für gemeinsame Anliegen.29 Hier eröffnen sich weitere Schritte auf dem Weg zu der vielbeschworenen „Vision, dass von der Hospizbewegung als Bürgerbewegung ein Schulterschluss mit anderen Bewegungen ausgehen könnte.“30
• Christliche Hospiz- und Palliativkultur hat den Anspruch, positive Impulse in gesellschaftlichen Diskussionen und Haltungen beizutragen. Die Gesellschaft als Ganze profitiert u.a. von der Formulierung christlich fundierter Argumentationsformen als Angebot für ein „ethisches Vakuum“31 im Umfeld kritischer Sterbesituationen. Auch als konsequentes Zeugnis für ein christliches Menschen- und Gemeinschaftsbild wirkt christliche Hospiz- und Palliativkultur über ihre eigenen Grenzen hinaus in die ganze Gesellschaft: „Sie vermittelt die Botschaft, dass sich Menschen in für sie existenziellen Krisensituationen auf die vorbehaltlose Hilfe anderer verlassen können“32.
c) beteiligte Einrichtungen, Professionen und Disziplinen
• Alle Einrichtungen des Hospiz- und Palliativwesens können von der Erarbeitung christlicher Leitwerte und Qualitätskriterien profitieren: Ganz allgemein, indem sie das christliche Profil zum Anlass nehmen, die eigene Einrichtungskultur zu reflektieren und weiterzuentwickeln.33 Speziell im Hinblick auf eine würdevolle und stützende Begleitung christlicher Patienten, Bewohner und Angehöriger, auf deren Bedürfnisse christliche wie nichtchristliche Einrichtungen adäquat eingehen können sollten. Und nicht zuletzt durch die Möglichkeit, mit Kirchen, kirchlichen Diensten und Seelsorgern in konstruktiven Dialog über gegenseitige Erwartungen34 und Bedürfnisse treten zu können.
• In der Kooperation derbeteiligten Professionen können Rollenklarheit und gegenseitige Akzeptanz gefördert werden: Ziele und Methoden der Seelsorge als Begleiter und Partner im Spektrum der beteiligten Humanwissenschaften lassen sich klar benennen, gegenseitige Vorbehalte35 können benannt und nach Möglichkeit beseitigt werden.
• Die interdisziplinäre Forschung ergänzt die vorliegende Untersuchung um eine Perspektive, die in der bisherigen wissenschaftlichen Reflexion kaum beachtet wird: Die Bedeutung religiöser Identität als kultur- und identitätsstiftender Faktor für Organisationen ist in der Palliative-Care-Forschung nicht als eigenes Thema wahrnehmbar.36
Die Frage nach „christlicher Hospiz- und Palliativkultur“ eröffnet ein weites Spektrum an möglichen Zugängen. Die folgenden Hinweise sollen das Feld der Untersuchung näher eingrenzen, so dass die Ziele und Methoden der Ausarbeitung klare Konturen gewinnen.
• Zielsetzung: Die Untersuchung setzt sich mit der Bedeutung des „Christlichen“ in Hospiz und Palliative Care auseinander. Sie zielt jedoch nicht auf die Erarbeitung eines konkreten Leitfadens zur Implementierung christlicher Hospiz- und Palliativkultur in Organisationen und Einrichtungen.
• Reichweite: Christliche Hospiz- und Palliativkultur hat ihren primären Ort in christlichen Einrichtungen, darf aber nicht auf diese beschränkt werden. Als Gesamtkonzept oder in einzelnen Aspekten ist sie in allen hospizlichen und palliativen Kontexten verwirklichbar und wahrzunehmen. Die weitere Untersuchung muss diese universale Perspektive aus pragmatischen Erwägungen auf ausgewählte Zugänge begrenzen: Die systematisch-theologische Darstellung beschränkt sich mit wenigen Ausnahmen auf Texte der deutschen Kirchen sowie auf Dokumente vatikanischer Institutionen. Die praktische Bestandsaufnahme basiert auf Daten aus Einrichtungen in katholischer Trägerschaft.
• Zuordnung von Seelsorge und Diakonie: Die Untersuchung basiert auf einem diakonisch-pastoralen Gesamtkonzept von christlicher Hospiz- und Palliativkultur. Sie beschränkt sich daher nicht auf die Beschreibung christlicher Seelsorge in der Sterbebegleitung: Seelsorge ist ein bedeutender Aspekt des Themas, christliche Hospiz- und Palliativkultur umfasst aber prinzipiell mehr.37
• Terminologie: Das zu beschreibende Konzept von Hospiz- und Palliativkultur wird dezidiert als „christlich“ bezeichnet. Aus allen theoretisch denkbaren Alternativen (katholisch, ökumenisch, kirchlich) wird diesem Attribut bewusst der Vorzug gegeben. Dafür spricht zum einen die faktisch zunehmende Etablierung des Begriffs „Christliche Hospiz- und Palliativkultur“. Inhaltlich schließt sich die Terminologie der unmittelbar einleuchtenden Argumentation der „Christlichen Patientenvorsorge“ an: Sie wird als christlich bezeichnet, „weil sie sich von den Überzeugungen des christlichen Glaubens leiten lässt“38.
Die Auseinandersetzung mit christlicher Hospiz- und Palliativkultur setzt voraus, dass diese Kultur an konkreten Orten auffindbar ist: Organisationen, Personen und Strukturen gestalten und tragen sie in ihrer Geschichte und aktuellen Praxis. Eine theologische Perspektive, die den Rahmen gesellschaftlicher Pluralität konstruktiv integriert, wird davon ausgehen, dass christliche Hospiz- und Palliativkultur grundsätzlich überall verwirklicht werden kann, wo Hospiz- oder Palliativkultur als solche gefördert und gepflegt wird.39 Das entsprechende Feld soll im Folgenden überblicksartig entfaltet werden. Dazu bietet sich eine Differenzierung nach institutionalisierten Organisationsstrukturen einerseits und inhaltlich gestaltenden Akteuren andererseits an.
Die Ausdifferenzierung hospizlicher und palliativer Strukturen ist im internationalen Vergleich geprägt von grundlegenden Parallelen wie auch von nationalen Besonderheiten, v.a. im Hinblick auf sozialpolitische Grundsatzentscheidungen, die Geschwindigkeit einzelner Projekte und deren finanzielle Verankerung. Basis der folgenden Darstellung ist der aktuelle Stand des Differenzierungsprozesses in Deutschland. Die für das deutsche Pflege- und Gesundheitswesen nach wie vor maßgebliche Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung bestimmt dabei die Grundstruktur der einzelnen Hospiz- und Palliativangebote.
Neben diesen offiziell benennbaren Organisationsstrukturen ist davon auszugehen, dass Elemente christlicher Hospiz- und Palliativkultur ‚inoffiziell‘ an zahlreichen weiteren Orten praktiziert werden, ohne ausdrücklich von dieser Terminologie erfasst zu werden. Zu verweisen wäre z.B. auf traditionelle und neue Formen der Nachbarschaftshilfe, Besuchsdienste, familiäre Unterstützungssysteme oder Wohngemeinschaften.
Krankenhäusern40 stehen zwei Organisationsformen für Palliative-Care-Angebote zur Verfügung: Die Palliativstation41 und der palliativmedizinische Dienst. Die Kosten beider Angebote werden vollständig von den Krankenkassen getragen.
Palliativstationen sind konzipiert als eigene „Abteilungen in oder an einem Krankenhaus. Sie sind spezialisiert auf die Behandlung, Betreuung und Begleitung von Palliativpatienten, die einer Krankenhausbehandlung in einer spezialisierten Abteilung bedürfen. Palliativstationen arbeiten interdisziplinär und multiprofessionell; das multiprofessionelle Team von Palliativstationen ist aus hierfür qualifizierten Ärzten, Pflegekräften, Sozialarbeitern / Sozialpädagogen, Seelsorgern, Psychologen und weiteren Therapeuten zusammengesetzt, ergänzt durch ehrenamtliche Hospizhelfer. Ziel ist es, krankheits- und therapiebedingte Beschwerden zu lindern und wenn möglich, die Krankheits- und Betreuungssituation der Betroffenen so zu stabilisieren, dass sie wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden können.“42
Gegenüber dem regulären Krankenhausbetrieb zeichnen sich Palliativstationen neben der Abkehr vom Therapieziel einer Heilung auch durch die geforderte interdisziplinäre Teamarbeit strukturell ab. Aus christlicher Sicht bedeutungsvoll ist dabei nicht zuletzt die rechtlich vorgegebene Einbeziehung und (Re)Finanzierung professioneller Seelsorge.
palliativmedizinische Dienste (auch: palliativmedizinische Konsile) stehen als Konsiliardienste Patienten auf Nicht-Palliativstationen zur Verfügung, die einer palliativen Betreuung bedürfen. Auch sie „arbeiten interdisziplinär und multiprofessionell; sie sind zusammengesetzt aus qualifizierten Ärzten, Pflegekräften und Sozialarbeitern / Sozialpädagogen. Im Bedarfsfall werden Seelsorger und weitere Therapeuten hinzugezogen. Die Integration ehrenamtlicher Hospizhelfer ist anzustreben.“43
Stationäre Hospize bieten als eigenständige Einrichtungen hospizliche und palliative Betreuung an.44 Dabei steht i.d.R. der hospizliche Grundansatz im Vordergrund. Strukturell wird dies u.a. sichtbar am hohen Anteil ehrenamtlicher Arbeit in allen Tätigkeitsfeldern, an der üblichen Bezeichnung „Gast“ (statt „Patient“) sowie – zumindest in Deutschland – an der Tatsache, dass einem Hospiz-Behandlungsteam rechtlich kein palliativmedizinisch qualifizierter Arzt angehören muss.
Tageshospize sind i.d.R. an stationäre Hospize angegliedert. Durch die kurzzeitige Unterstützung Kranker und die damit einhergehende Entlastung pflegender Angehöriger tragen sie dazu bei, dass Menschen länger in ihrer gewohnten Umgebung leben können.
Hospize bieten ihre Leistungen für die Empfänger kostenlos an, diese werden – im Gegensatz zu stationären Palliative-Care-Angeboten – jedoch von den Krankenkassen nur zu 90% (Kinderhospize: 95%) erstattet. Die Finanzierungslücke von 10% muss von Spenden o.ä. getragen werden. Ziel dieser rechtlich bewusst verankerten Unterfinanzierung ist, einen Wettbewerb im Bereich der Sterbebegleitung zu verhindern. Stationäre Hospize werden daher i.d.R. von gemeinnützigen Organisationen getragen.
Das Ziel, möglichst vielen Menschen ein professionell begleitetes Sterben in ihrem vertrauten Umfeld zu ermöglichen, wirkt sich unmittelbar aus auf stationäre Einrichtungen, in denen betreuungsbedürftige Menschen dauerhaft leben: Vielen Alten- und Behinderteneinrichtungen fördern daher bewusst die Verankerung und Pflege von Hospiz- und Palliativkultur in den eigenen Organisationsstrukturen. Die konkrete Umsetzung dieses Anspruchs fällt in den einzelnen Einrichtungen dabei sehr unterschiedlich aus, nicht zuletzt weil diesbezüglich keine verpflichtenden rechtlichen Vorgaben bestehen. Neben der Qualifikation eigener Mitarbeiter und der Gewährleistung organisatorischer Rahmenbedingungen45 spielt hier besonders die Einbindung in lokale Hospiznetzwerke eine Rolle.
In den über 1500 ambulanten Hospiz- und Palliative-Care-Einrichtungen in Deutschland finden sich zahlreiche Unterschiede bzgl. Struktur, Größe und Leistungsangebot. Allgemein anerkannt ist die Klassifizierung in vier „Stufen“46 von Diensten:
• Ambulante Hospizinitiative u. Hospizgruppe (rein ehrenamtliche Initiative; Anteil ca. 65%).
• Ambulanter Hospizdienst (hauptamtl. Koordinationskraft, mind. 10 Ehrenamtl.; Anteil ca 19%).
• Ambulanter Hospiz- u. Palliativ-Beratungsdienst (hauptamtl. Palliative-Care-Pflegekraft und entspr. Angebote).
• Ambulanter Hospiz- u. Palliativ-Pflegedienst (hauptamtl. Palliative-Care-Pflegekräfte im Umfang von mind. 3 Vollzeitstellen; Anteil Stufen 3 und 4: ca. 15%)
Breite und Qualifikation der jeweiligen Angebots wirken sich dabei unmittelbar auf den Anteil ehrenamtlicher und hauptamtlicher Mitarbeiter aus: „Je höher der Organisationsgrad und das palliativ-pflegerische Leistungsniveau sind, desto mehr sind Hauptamtliche tätig.“47 In diesem Zusammenhang finden sich auch deutliche Unterschiede zwischen ländlichem und städtischem Umfeld.48 Träger dieser Dienste sind i.d.R. gemeinnützige Organisationen (Hospizvereine), oft in enger Anbindung an kirchliche Hilfswerke oder andere Wohlfahrtsverbände. Bemerkenswert ist, dass sich die Mehrheit (insg. 55%)49 dieser Organisationen als christlich ausgerichtet versteht.
Je nach Komplexität der erforderlichen palliativen Unterstützung wird ambulante Palliativversorgung durch unterschiedliche Strukturen angestrebt:
Allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV) „kümmert sich um Patienten und ihr soziales Umfeld, bei denen sich das Lebensende abzeichnet und deren ausgeprägtes Leiden einen regelmäßigen und hohen Zeitaufwand in der pflegerischen, ärztlichen, psychosozialen und spirituellen Betreuung sowie in der Kommunikation mit ihnen und ihren Angehörigen erfordert.“50 Diese Unterstützung wird von den vor Ort bestehenden ambulanten Hospiz- und Palliativorganisationen angeboten bzw. vermittelt.
Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) ergänzt das allgemeine ambulante Versorgungsangebot in den geschätzt 10% der Fälle, in denen mit dessen Mitteln „keine befriedigende Symptomkontrolle oder Leidensminderung erreicht werden kann, da eine besonders aufwändige Versorgungssituation vorliegt, die die Kapazitäten der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV) übersteigt.“51 Als Grundstruktur52 fordert das SAPV-Konzept ein Team von palliativ qualifiziertem Arzt und Pflegekraft – die Kooperation mit Psychologen, Sozialdiensten, Seelsorgern wird ausdrücklich empfohlen,53 eine Finanzierung dieser zusätzlichen Leistungen ist jedoch nicht vorgesehen.54 SAPV agiert subsidiär und integrativ innerhalb einer vorausgesetzten „multiprofessionell vernetzten Versorgungsstruktur im regionalen Gesundheits- und Sozialsystem“55. Das SAPV-System befindet sich derzeit in der Aufbauphase, so dass sich regional sehr unterschiedliche Formen der Ausgestaltung (insb. der Finanzierung) und Versorgungsdichte finden. Rechtlich treten diese Dienste entweder als eigenständige Organisation oder angegliedert an andere Hospiz- bzw. Palliativeinrichtungen auf.
Als ‚Kultur‘ lässt sich christliche Hospiz- und Palliativkultur etymologisch auf den lat. Begriff ‚colere‘ zurückführen, der das Bebauen, Bestellen, Bepflanzen von Land umschreibt. Mit den Organisationsstrukturen wurden in diesem Bild die verfügbaren, abgesteckten ‚Beete‘ im ‚Garten‘ des Hospiz- und Palliativwesens beschrieben. Im Folgenden soll entfaltet werden, welche ‚Gärtner‘ diese Beete beackern, bepflanzen und pflegen – und damit kultivieren. Dabei werden zunächst Akteure genannt, die unmittelbar in der hospizlichen und palliativen Praxis tätig sind. Über diese Mikroebene hinaus sollen auch neben- und übergeordnete Organisationen der Meso- und Makroebene berücksichtigt werden, die diesen Bereich aktiv prägen und gestalten.
Die gesamte moderne Hospizbewegung wie auch fast alle einzelnen Hospiz- und Palliativ-Care-Einrichtungen gehen auf das Engagement bestimmter Persönlichkeiten zurück. Die persönliche Motivation und Grundhaltung dieser Personen prägt Kulturen, Traditionen und Strukturen der jeweiligen Organisation oft tief und langfristig. Bedeutsam für die Fragestellung dieser Arbeit ist dabei die Beobachtung, dass Handeln und Denken der großen Mehrheit dieser Protagonisten nachweislich auf christlichen Überzeugungen beruht.
Leitungsaufgaben sind in Hospiz- und Palliativ-Organisationen strukturell sehr unterschiedlich verortet. Führungskräfte sind in vielen Einrichtungen auch Mitglieder von Behandlungsteams. Krankenhäuser mit ihren unterschiedlichen Trägerstrukturen, gemeinnützige Vereine oder eigenständige SAPV-Teams bieten hier kaum vergleichbare Voraussetzungen. Dabei stellt gerade der interdisziplinär-kooperative Grundansatz von Palliative Care große Herausforderungen an die Gestaltung von Leitung,56 insb. dort, wo übergeordnete Strukturen traditionell hierarchisch organisiert sind. Unabhängig davon beinhaltet die Leitungsrolle immer den Anspruch, die Ziele und Überzeugungen des Unternehmens im wahrnehmbaren Leitungshandeln persönlich glaubwürdig zu verwirklichen.57 Im Hinblick auf christliche Hospiz- und Palliativkultur bedeutet dies, dass die persönliche Haltung von Führungskräften einen entscheidenden Einfluss darauf hat, wie ‚Christlichkeit‘ im Handeln einer Organisation und ihrer Mitarbeiter erfahrbar werden kann: als pragmatisches Zugeständnis an äußere Umstände, als belastende Hypothek, als ökonomisch interessantes Alleinstellungsmerkmal, als Instrument zu fragwürdigen Formen der Mitarbeiterführung und -selektion, als praktisch irrelevant, oder doch als tragende und glaubwürdige Motivation des hospizlichen Handelns. Als Bindeglied zu den Einrichtungsträgern kommt Führungskräften gleichzeitig die Aufgabe zu, diese gegebenenfalls auf Situationen hinzuweisen, in denen der Anspruch auf Christlichkeit bestehende Strukturen und Prozesse in Frage stellt.
Hospiz- und Palliative-Care-Arbeit geschieht wesentlich als Teamarbeit. Ziel ist die interdisziplinäre Kooperation von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Während in palliativ ausgerichteten Kontexten (Krankenhaus, SAPV) überwiegend hauptamtliche Fachkräfte tätig sind, wird die Arbeit im Hospizbereich (stationär, v.a. ambulant) zu einem großen Anteil von Ehrenamtlichen getragen.58 Sowohl Ehren- als auch Hauptamtliche sind i.d.R. speziell für ihre Tätigkeit geschult59 und haben Zugang zu regelmäßiger professioneller Begleitung und Weiterbildung. Inhaltlich ist die Tätigkeit Hauptamtlicher unmittelbar von deren jeweiliger Fachausbildung60 bestimmt. Ehrenamtliche Arbeit wird in den einzelnen Einrichtungen auf unterschiedlichsten Einsatzfeldern und Ebenen geleistet.61
Ehren- und hauptamtliche Mitarbeiter haben durch die Art und Weise, wie sie ihre Arbeit leisten, maßgeblichen Einfluss auf die Frage, ob und wie christliche Hospiz- und Palliativkultur vor Ort gepflegt und wahrgenommen wird. Entscheidende Faktoren sind dabei neben der persönlichen Religiosität und Haltung auch die Rahmenbedingungen, die das organisatorische und kollegiale Umfeld für die Umsetzung christlicher Überzeugungen ermöglicht.62
Die Frage nach christliche Hospiz- und Palliativkultur ist unmittelbar verbunden mit der Frage nach der Rolle von Mitarbeitern aus dem Bereich der Seelsorge. Ob und in welcher Weise christliche Seelsorger in Teams und Einrichtungen präsent sind, wirkt sich ohne Zweifel auf deren religiöse Kultur aus. Gleichzeitig geht die vorliegende Arbeit jedoch von einem Verständnis von Christlichkeit aus, dessen Umsetzung weit über die formale Delegation an eine einzelne Berufsgruppe hinausgeht und tatsächlich die gesamte, von allen Akteuren gepflegte Kultur umfasst.
Die kranken Menschen und deren unmittelbares soziales Umfeld stehen im Zentrum hospizlichen und palliativen Engagements. In deren Umgebung bestehen bereits ganz bestimmte ‚Kulturen‘ des Umgangs mit Krankheit, Sterben und Tod, lange bevor Hospiz- oder Palliativeinrichtungen in die Begleitung eingebunden werden. Der Anspruch, alle Angebote und Maßnahmen darauf auszurichten, dass Sterbende so weit wie möglich ‚Subjekt‘ des Geschehens bleiben, setzt den Respekt vor deren individuellen weltanschaulichen Überzeugungen voraus. Die religiösen Einstellungen und Wünsche des Sterbenden sind daher der primäre Maßstab dafür, was ihm an dezidiert ‚Christlichem‘ angeboten werden kann und muss. Patienten und deren Angehörige nehmen damit eine Schlüsselrolle für die christliche Kultur hospizlicher und palliativer Dienste ein: Einerseits können von ihrem persönlichen Glaubens- und Lebenszeugnis Impulse für die religiöse Prägung einzelner Mitarbeiter und ganzer Teams ausgehen. Andererseits können dem Christentum fernstehende Patienten Mitarbeiter und Teams vor die Herausforderung stellen, ihren Dienst aus christlicher Motivation glaubwürdig zu leisten, ohne den anderen dabei missionierend oder wertend gegenüberzutreten.
Wie verschieden die Träger hospizlicher und palliativer Einrichtungen sind, wurde bereits deutlich. Im Einzelnen übernehmen diese Funktion gemeinnützige Vereine, gGmbHs, GmbHs, Orden, Stiftungen kirchlichen und bürgerlichen Rechts, kommunale, private und freigemeinnützige Krankenhausträger und Wohlfahrtsverbände. Als Träger ist ihnen gemeinsam, dass sie unmittelbaren Einfluss auf die Kultur ausüben, die in ihrer Organisation gepflegt wird. Auch wenn die genaue Reichweite dieses Einflusses oft nicht eindeutig bestimmbar ist, wirkt sich zumindest die Festlegung auf konzeptionelle, weltanschauliche oder anthropologische Grundpositionen immer auf die ganze Einrichtung aus. Unmittelbare Relevanz hat z.B. die Festlegung auf bestimmte Tarif- und Rahmenordnungen für die Anstellungsverhältnisse der eigenen Mitarbeiter. Gleichzeitig können Träger aus christlicher Überzeugung Einfluss auf sozialpolitische, gesellschaftliche und kirchliche Entscheidungsprozesse ausüben. Christliche Grundausrichtungen finden sich faktisch unter allen Trägerformen, denen eine weltanschauliche Positionierung möglich ist. Dies zeigt sich
• Institutionell/korporativ: an der ausdrücklichen Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche (z.B. als Caritas-/Diakonie-Einrichtung, Pfarreiprojekt, Ordenseinrichtung);
• Nominell: an der bewussten Aufnahme eines entsprechenden Attributs in den Namen der Organisation (z.B. christlich, ökumenisch, Patronat);
• Personell: an der individuellen Orientierung verantwortlicher Personen (z.B. Krankenhausinhaber, Anteilseigner, Vorstandsmitglied).
Hospiz- und Palliativarbeit besteht zu einem großen Teil in der gezielten Vernetzung von Organisationen und Systemen. Das gemeinsame Anliegen, subsidiär Sterben in Würde zu ermöglichen, erfordert die jeweils individuelle Koordination verschiedener Kooperationspartner. Dazu gehören vor Ort bestehende medizinische, therapeutische, pflegerische und soziale Dienste ebenso wie soziale Systeme wie Vereine, Nachbarschaftshilfe, religiöse Gruppierungen und Pfarreistrukturen u.v.m. Die Kultur des Umgangs mit Sterben und Sterbebegleitung wird in diesen Systemen selten einheitlich sein. Als Kooperationspartner geben sie der erfahrbaren Hospiz- und Palliativkultur vor Ort ihr jeweils individuelles Gesicht. Eine christliche Hospiz- und Palliativkultur ist daher einerseits auf die entsprechende Orientierung bzw. Offenheit der beteiligten Einrichtungen angewiesen. Andererseits kann über Koordination und Auswahl von Kooperationspartnern u.U. gezielt Einfluss auf die Ausrichtung der angebotenen Dienste ausgeübt werden.
Wer in Hospiz und Palliative Care tätig ist, ist speziell für dieses Aufgabenfeld geschult. Dabei spielt neben spirituellen Aspekten der Sterbebegleitung i.d.R. auch die Reflexion der persönlichen Motive und Ressourcen für diese Tätigkeit eine bedeutende Rolle. Aus- und Fortbildungsträger können daher Selbstverständnis und Prägung von Mitarbeitern durchaus beeinflussen: Durch inhaltliche Schwerpunktbildung ebenso wie durch die Haltung, aus welcher Wissen und Praxis personal vermittelt werden. Explizit sichtbar werden christliche Akteure, wo Theologen bzw. kirchliche Seelsorger als Referenten auftreten oder kirchliche Einrichtungen als Fortbildungsträger fungieren.
In Hospiz und Palliativ Care tätige Personen und Einrichtungen sind in zahlreichen Interessensverbänden auf Landes-, Bundes- und internationaler Ebene organisiert:
• Die einzelnen Berufsverbände der beteiligten Professionen setzen sich mit fachbezogenen Aspekten von Hospiz- und Palliative-Care-Arbeit auseinander, entwickeln Ausbildungsstandards und positionieren sich öffentlich zu entsprechenden Themen.
• Als gemeinsamer Fachverband der in Hospiz und Palliativ Care professionell tätigen Personen63 und Einrichtungen versteht sich die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP). Auf Bundes- und z.T. auf Länderebene fördert sie intra- und interdisziplinären Austausch, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit in zahlreichen Sektionen, Arbeitskreisen und -gruppen und beteiligt sich aktiv an politischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen. Aus christlicher Perspektive bedeutsam sind hier insb. die Themen, die unter dem allgemeinen Überbegriff ‚Spiritualität‘ diskutiert und veröffentlicht werden.
• Der Deutsche Hospiz- und Palliativverband e.V. (DHPV, urspr. Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz e.V. / BAG) vertritt mit seinen weiteren Mitglieds- und Landesverbänden „die Belange schwerstkranker und sterbender Menschen, ist die bundesweite Interessensvertretung der Hospizbewegung sowie der zahlreichen Hospiz -und Palliativeinrichtungen"64. Die inhaltliche Weiterentwicklung hospizlicher Handlungsfelder wird in verschiedenen Fach- und Arbeitsgruppen (u.a. ‚Spiritualität in der Hospizarbeit‘) geleistet.
Neben traditionell gewachsenen Schwerpunktsetzungen legen DHPV und DGP zunehmend Wert auf verbandsübergreifende Kooperationen und Positionsbestimmungen. Als weltanschaulich neutrale Organisationen stehen sie – dem Selbstverständnis von Hospizidee und Palliative Care entsprechend – christliche motivierten Initiativen und Positionen grundsätzlich offen gegenüber. Beide Verbände bieten damit grundsätzlich auch eine politische und gesellschaftliche Plattform, um christlichen Maßstäben entsprechende Rahmenbedingungen in Hospiz und Palliative Care zu fördern.
Mit Fragen eines dezidiert christlichen Hospiz- und Palliativkultur setzen sich naturgemäß die Dachverbände der kirchlichen bzw. christlichen Trägereinrichtungen auseinander. Zu nennen sind hier insb. der Deutsche Caritasverband, der Diakonie-Bundesverband, der Katholische Krankenhausverband Deutschlands, der Deutsche Evangelische Krankenhausverband, der Malteser Hilfsdienst und die Dachorganisationen weiterer Orden.
Als Kostenträger vieler hospizlicher und palliativer Leistungen besitzen die Krankenkassen und deren Dachverbände unmittelbaren Einfluss auf die Rahmenbedingungen dieser Arbeit. Deren Kalkulation dürfte jedoch kaum von religiös motivierten Argumenten geleitet sein. Nachdem Seelsorge auf Palliativstationen als Kassenleistung abrechenbar ist, tragen Krankenkassen faktisch einen zunehmenden Anteil an der Finanzierung kirchlicher Seelsorge in Palliative Care.
Die Kirchen verstehen sich seit jeher als Anwälte und Garanten christlich geprägter Sterbekultur. Das Ziel, Bedingungen für ein würdevolles Sterben zu schaffen, teilen sie mit der Hospizbewegung. Nach anfänglicher Skepsis würdigen und fördern die christlichen Kirchen seit Jahrzehnten die Verwirklichung von Palliative-Care- und Hospizidee. Indem sie finanzielle und personelle Ressourcen bereitstellen, Trägerfunktionen übernehmen, Forschung initiieren, politisch Einfluss nehmen und das Thema in der Öffentlichkeit positionieren, versuchen sie den Bestrebungen, aktive Sterbehilfe zu legitimieren, substanzielle Alternativen entgegenzusetzen. Gleichzeitig bietet das Engagement in Hospiz und Palliative Care ein bedeutendes Potenzial zu ökumenischer Kooperation.
Neben den bereits beschrieben Caritas-, Diakonie- und Ordensstrukturen beauftragen die beiden großen Kirchen weitere Personen und Gremien mit der Begleitung und Entwicklung von Hospiz und Palliative Care:
• Die katholische Kirche sieht vor, dass in jeder Ortskirche ein ‚Diözesanbeauftragter für Hospizarbeit‘65 benannt ist. Deren gemeinsame Bundeskonferenz ist innerhalb der DBK dem Bereich Pastoral beratend zugeordnet.
• Die evangelischen Landeskirchen benennen jeweils ‚Beauftragte für Hospizarbeit und Palliativmedizin‘.66
Welche gesellschaftlichen Ressourcen und Rahmenbedingungen für Hospiz- und Palliativkultur zur Verfügung stehen, wird in politischen Prozessen ausgehandelt. Die maßgebliche Gesetzgebung findet in Sozial- und Gesundheitsbereich statt. Grundsätzlich wird die Hospiz- und Palliative-Care-Idee in Deutschland von allen großen Parteien unterstützt. Eine dezidiert christliche Begründung dieser Position ist dabei jedoch nur bei den ‚C‘-Parteien zu erwarten. Gleichzeitig finden sich Christen als Mitglieder in allen Parteien. Aus christlicher Perspektive notwendige Rahmenbedingungen für Hospiz- und Palliativarbeit erscheinen daher politisch durchsetzbar, wenn sie in weltanschaulich neutraler Begründung plausibel formuliert werden können.
Zusammenfassend lässt sich feststellen:
Christliche Hospiz- und Palliativkultur ist ein vielschichtiger Begriff, der von verschiedensten Personen, Gruppen und Organisationen in unterschiedlichen Strukturen und Funktionen gestaltet wird. Die hier vorgelegte schematisierende Aufschlüsselung kann der komplexen Realität christlich motivierter und getragener Hospiz- und Palliativkultur daher nur annähernd gerecht werden.
Christliche Hospiz- und Palliativkultur wird von kirchlichen Organisationen gezielt gefördert und weiterentwickelt. Sie kann jedoch prinzipiell auch jenseits kirchlicher Einrichtungen vorgefunden und verwirklicht werden.
Christliche Hospiz- und Palliativkultur ist immer eingebunden in komplexe Netzwerke, Sub- und Metasysteme. Für das Verständnis dieser systemischen Dimension bietet sich der Rückgriff auf Theorien der Organisationskultur an.
Der vorangehende Überblick über das Forschungsfeld zeigt: Christliche Hospiz- und Palliativkultur findet sich an unterschiedlichen Orten und Strukturen. Diese verbindet in formaler Hinsicht die Gemeinsamkeit, dass es sich immer um Organisationen handelt, in denen Elemente dieser Kultur existieren. Christliche Hospiz- und Palliativkultur sollte sich daher in den formalen Kategorien eines Modells von Organisationskultur erfassen lassen. Um entsprechende ‚kulturelle Qualitäten‘ angemessen zu verorten und zu verstehen, verspricht der Blick auf organisationstheoretische Modelle hilfreiche Impulse.
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