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Wenn Gott zum Kaffee kommt, wartet bei Annette Jantzen schon Gottes Lieblingsbecher - nämlich der von der Tombola beim Feuerwehrfest mit der Aufschrift "Wenn's mal brennt". Im zweiten Band ihrer Gespräche mit Gott lernt die Autorin Gott nun auch von der Kaffee-to-go-Seite kennen. Die beiden sind wieder viel unterwegs, sie sprechen über alles, was so ansteht - über den Ukrainekrieg, Corona und auch darüber, dass Gott sich ein Schild an jeder Kirche wünschen würde, das die Hineingehenden daran erinnert, dass sie keine Schafe sind. → Gespräche mit Gott bei Kaffee und Gebäck
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Seitenzahl: 81
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Annette Jantzen
Coffee to go mit Gott
Annette Jantzen
Der Umwelt zuliebe verzichten wir bei diesem Buch auf Folienverpackung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage 2023
© 2023 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.de
Umschlag: Vogelsang Design, Jens Vogelsang, Aachen
Umschlagfoto: ©Julia Würtz
Innengestaltung: Crossmediabureau
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
ISBN
978-3-429-05853-1
978-3-429-05249-2 (PDF)
978-3-429-06598-0 (ePub)
Einleitung
Auftakt
Christkönig
Advent
Die Sache mit der Liebe
Osterhoffnung
Keine Schafe
Unterwegs
Bäume für den Jugendsonntag / Ukrainekrieg I
Corona und Spiritualität / Ukrainekrieg II
Gewaltfreiheit
Weltfrauentag / Ukrainekrieg III
Überall der gleiche Himmel / Ukrainekrieg IV
Abwägungssachen
BDKJ-Hauptversammlung 2022
Kinderkirche
Vom Vergessen
Katholik*innentag
Die Welt retten
Jugendsonntag II / Ukrainekrieg V
Dreifaltigkeit
BDKJ-Diözesanversammlung 2022
Verabschiedung
Zwischenbilanz: Kirche nach Corona
Lichtfeiern
Out in Church
Gottesbilder
Reich Gottes
Spirituelle Autonomie
Advent
Zum Schluss
Glossar
Ein Jahr ist es nun her, dass mein Buch „Wenn Gott zum Kaffee kommt“ erschienen ist, in dem ich von meinen ersten Gesprächen mit Gott erzähle. Auch danach war ich mit solchen Zwiegesprächen unterwegs: Als Zeitschriftenbeiträge, als Impulse bei Kinder- und Jugendverbänden, für die ich bis Sommer 2022 Geistliche Leiterin war, bei Andachten oder Tagungen. In diesem Band spiegeln sich nun komprimiert die Ereignisse von Herbst 2021 bis Winter 2022 wider: vom ungewissen Corona-Winter zum Ukrainekrieg, mit Debatten über Klimaschutz und die fortdauernde notwendige Beschäftigung mit dem Skandal der sexuellen Gewalt in der Kirche und der schwierigen Aufarbeitung.
Wie im ersten Band auch sind die Geschichten für konkrete Themen, Anlässe und Gruppen geschrieben, sie verhandeln theologische Themen in Bezug auf die Aktualität dieser Anlässe und Gruppen und sprechen doch auch über diese Aktualität hinaus und können beim Lesen, Zitieren, Weiterverwenden in neue Zusammenhänge gebracht werden.
Die Anordnung der Geschichten folgt auch diesmal annähernd der Reihenfolge ihres Entstehens. Ob für Gott männliche oder weibliche grammatikalische Formen gelten, ist weiter offen. Darum kommen solche eindeutigen Formen in der Verschriftlichung der Gespräche auch nicht vor.
„Coffee to go?“, fragt Gott.
„Ja, gern“, sag ich. „Wie gut, dass ich neulich gleich zwei von den Pfandbechern gekauft hab.“
„Das stimmt“, sagt Gott. „Vorbereitet zu sein kann echt nützlich sein.“
„Wo soll es denn hingehen?“, frag ich.
„Durch Aachen natürlich“, sagt Gott. „Und wo du sonst noch so rumturnst. Da vorne ist ein Laden mit Kaffee.“
„Kaffee ist voll dein Ding, oder?“, sag ich.
„Ich kann auch anders“, sagt Gott und lächelt. „Aber ich muss nicht. Und ich stell mich gern auf dich ein.“
„Das ist nett von dir“, sag ich. Wir gehen in die nächste Bäckerei und ich bestelle uns zwei Kaffees. Mit den Bechern gehen wir an den Elisenbrunnen und setzen uns auf die Stufen.
„Das ist jetzt eher ein Coffee to sit“, sag ich.
Gott lacht.
„Manchmal kommt es anders“, sagt Gott. „Immerhin sind wir zusammen und der Kaffee ist o. k.“
„Du wünschst dir, dass wir glücklich sind“, sag ich.
„Ja“, sagt Gott. „Auch das kommt manchmal anders.“
„Aber du bist dann da“, sag ich.
„Ja“, sagt Gott.
„Ändert das was?“, frag ich.
„Das zu überprüfen dürfte einigermaßen unmöglich sein“, sagt Gott. „Zumindest für dich.“
„Schade“, sag ich.
„Och“, sagt Gott. „Ich glaube nicht, dass euer Glück von so einer Untersuchung abhängt.“
„Da magst du recht haben“, sag ich. „Ich bin jedenfalls gern mit dir unterwegs. Den Becher kannst du behalten, auch wenn er leider nicht von der Feuerwehr ist.*“
„Danke“, sagt Gott. „Bis bald mal wieder.“
„Ja, bis bald mal wieder“, sag ich. „Und Amen.“
*Siehe „Christkönig“: Gottes Lieblingskaffeebecher ist von der Tombola vom Feuerwehrfest. Das ist aber eben ein Porzellanbecher und kein Pfandbecher für unterwegs.
„Christkönig“ wird in der katholischen Kirche seit 1925 gefeiert, und zwar immer am letzten Sonntag vor dem Advent. An diesem Fest, das eine Eigenart der katholischen Kirche ist und von anderen Konfessionen nicht gefeiert wird, machen sich für mich – und vermutlich nicht nur für mich – Erfahrungen der eigenen Kirchenbiographie fest: die frühe Prägung, die Bereitschaft, sich auf ein religiöses Vokabular einzulassen, das seinen Anhalt in der Lebenserfahrung einer vergangenen Epoche hat, der Anspruch der Kirche auf Deutungshoheit über die eigenen Erfahrungen und das Gefühl von Verlust, wenn die Gebetstexte des Tages schließlich nicht nur fremd, sondern gegenläufig zu den eigenen religiösen Werten sind, weil Patriarchat statt Gleichberechtigung und Geltungsanspruch statt Bewahrheitung ins Wort gebracht werden.
„Ich glaube, jetzt musst du mal wieder von mir und dir erzählen“, sagt Gott. „Anders kommst du diesem Fest nicht bei.“
„Oh, guten Morgen, Gott“, sag ich. „Du bist aber früh auf heute. Kaffee?“
„Espresso“, sagt Gott.
„Doppelt, wie immer“, sag ich.
„Ja“, sagt Gott.
Ich stehe vom Schreibtisch auf und gehe zur Kaffeemaschine. Gott kommt mit und setzt sich auf den Tisch, wie immer.
„Christkönig war mal mein Lieblingsfest“, sag ich und suche den „Wenn’s mal brennt“-Becher von der Tombola beim Feuerwehrfest aus dem Küchenschrank heraus, der immer noch Gottes Lieblingskaffeebecher ist.
„Ich weiß“, sagt Gott. „Warum?“
„Ich hab das gemocht“, sag ich über das Rumoren der Kaffeemühle hinweg. „Schon den Namen. Das Absolute. Christus Sieger, Christus König, Christus Herr in Ewigkeit. An eine ganz andere Art von Herrschaft glauben. Zu einem König gehören. Der Glanz dabei. Gold im Novembergrau und so.“
„Und jetzt suchst du nach Worten“, sagt Gott.
„Ja“, sag ich. „Weil es so billig wäre, auf unseren Pomp und unsere Herrschaftsstrukturen hinzuweisen, auf Macht und Gold und unsere blinden Flecken, wo es um die geht, die daran zerbrochen sind.“
„Das versteh ich“, sagt Gott.
Wir schauen zu, wie der Espresso in die Becher läuft.
„Dass du das aushältst, das alles“, sag ich.
„Ach“, sagt Gott. „Das gehört beim Gottsein eben dazu.“
Ich balanciere die beiden Becher zum Tisch, setze mich neben Gott und lege meinen Kopf an Gottes Schulter. Gott streicht mir kurz über die Wange.
„Noch nicht, Herzchen“, sagt Gott leise.
Ich setze mich wieder auf. Draußen wird der Himmel allmählich heller.
„Ich fände ein Christfeminist-Fest schön“, sag ich.
Gott lächelt.
„Schokolade?“, fragt Gott und hält mir einen Riegel aus einer etwas ramponierten Packung hin. „Schokolade ist gut zu Espresso.“
„Gern“, sag ich. „Danke.“
„Und sonst so?“, fragt Gott.
„Corona*“, sag ich.
„Oh“, sagt Gott. „Ja.“
„Wir suchen nach einem Weg in dieser Kack-Pandemie“, sag ich und lasse die Schokolade im Espresso anschmelzen. „Nach einem Ausweg. Vielleicht auch ein bisschen nach dir.“
„Ich seh das“, sagt Gott.
„Nach Schuldigen suchen wir auch“, sag ich.
„Ich weiß“, sagt Gott.
„Du vergisst uns nicht, oder?“, sag ich.
„Never“, sagt Gott.
„Dann ist es ja gut“, sag ich. „Bleibst du noch ein bisschen da?“
„Ja“, sagt Gott. „Eine Kaffeelänge. Wie immer.“
„O.k.“, sag ich. „Wie immer. Und Amen.“
*Ein Jahr später könnte man hier „Energiekrise“ einsetzen.
Das Gespräch fand zu Beginn des Advent 2021 statt, im zweiten Corona-Winter.
„Hey, du sitzt ja voll im Dunkeln“, sagt Gott und stellt mir von hinten einen Becher Punsch auf den Schreibtisch. „Möchtest du dir kein Licht anmachen?“
„Ach ja, stimmt“, sag ich und stehe auf, um zum Lichtschalter zu gehen. „Ist mir gar nicht aufgefallen. Und hallo erstmal.“
„Hallo“, sagt Gott.
Ich schalte das Licht an.
„Schon besser“, sagt Gott.
Gott setzt sich auf die Fensterbank und guckt herunter auf die Weihnachtsmarkt-Buden vor dem Haus.
„Soll ich fragen, wie es dir geht?“, fragt Gott.
„Lass mal lieber“, sag ich.
„Und der Advent so?“, fragt Gott.
„Ach“, sag ich.
„Die Kerze auch noch“, sagt Gott und wendet sich wieder zu mir. „Kerzen tun gut.“
„O.k.“, sag ich und krame in der Schreibtischschublade nach den Streichhölzern.
„So muss das“, sagt Gott, als die Kerze aufflackert. „Prost.“
Gott hat auch einen Becher Punsch in der Hand.
„Hast du den vom Glühweinstand entführt?“, frag ich.
„Kein Kommentar“, sagt Gott.
„Danke“, sag ich.
Wir schauen in die Kerze und ich nippe an dem noch sehr heißen Punsch.
„Der Weihnachtsmarkt findet statt“, sag ich. „Aber zusammen singen geht noch nicht wieder. Ich würde das so gerne tauschen.“
„Ja, das versteh ich“, sagt Gott.
„Zusammen singen wäre so viel besser, als sich auf dem Weihnachtsmarkt zu verlieren“, sag ich. „Ich vermisse das Singen so sehr. Das Zusammensein dadurch vor allem.“
„Es ist gerade schwieriger als es auch schon so war, oder?“, sagt Gott.
„Ja“, sag ich. „Wir versuchen, es zu haben wie immer, aber es klappt nicht. Weil die Welt nicht wie immer ist.“
„Das wäre aber in anderen Jahren auch so gewesen“, wendet Gott ein. „Nur bei dir halt nicht. Oder es waren gute Veränderungen.“
„Da magst du recht haben“, sag ich. „Obwohl es auch Jahre mit schlechten Veränderungen gab. Aber das war dann nicht überall, verstehst du?“
„Ich glaub wohl“, sagt Gott. „Du findest es schwerer, wenn nicht punktuell mal was passiert, sondern euch allen.“
„Ja“, sag ich. „Letztes Jahr war es schon so drückend. Aber da hatten wir gehofft, dass es nach dem Winter besser würde. Und jetzt ist alles so unabsehbar. Ob das jemals aufhört und wie schlimm es wohl wird und überhaupt.“
Gott schaut mich an.
„Eigentlich ist das gar kein so falsches Setting für Advent“, sag ich nach einer Weile. „Weil, frohe Erwartung ist ja leicht, wenn man schon weiß, dass bald alles tutti wird. Und jetzt wissen wir das halt nicht.“
„Nein“, sagt Gott. „Das wisst ihr nicht. Und Advent ist auch was anderes als ‚jährlich grüßt das Murmeltier‘.“
„Wie meinst du das?“, frag ich.
„Ich bin dafür da, dass etwas Neues in die Welt kommt“, sagt Gott.
„Ich hätte gerade lieber das Alte zurück“, sag ich. „Von vor Corona.“
„Das versteh ich“, sagt Gott.
„Und du bist auch nicht dafür da, für uns alles gut zu machen“, sag ich.
„Na jaaa“, sagt Gott gedehnt. „Das ist schon auch meine Sache.“