Cops in the City. Ed McBain und das 87. Polizeirevier. Ein Report - Frank Göhre - E-Book

Cops in the City. Ed McBain und das 87. Polizeirevier. Ein Report E-Book

Frank Göhre

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Beschreibung

Der ultimative Reader zum 10. Todestag des Autors Ed McBain, dem unumstrittenen Großmeister des Polizeiromans. Mit einem Vorwort von Thomas Wörtche. Ed McBain wurde 1926 als Salvatore Albert Lombino in New York geboren, 1952 nahm er offiziell den Namen Evan Hunter an. Mit seinem Debütroman »Die Saat der Gewalt« und der Verfilmung wurde er international bekannt, Alfred Hitchcock engagierte ihn als Drehbuchautor für »Die Vögel«. Als Ed McBain veröffentlichte er ab 1956 fünf Jahrzehnte lang insgesamt 55 Romane über das fiktive 87. US-Polizeirevier. Ed McBain starb am 6. Juli 2005. Aus Anlass seines 10. Todestages haben die Autoren Frank Göhre und Alf Mayer diesen umfangreichen erzählenden Essay geschrieben. Es ist eine Reise durch fünf Jahrzehnte auf den Spuren der Detectives vom 87. Revier. Die Ermittler und ihre Fälle werden vorgestellt, die Veränderung einer Stadt und ihrer Kriminalität aufgezeigt. Polizistenmorde, Bandenkriege und Heckenschützen sind Thema, wie auch die klassischen »7 Todsünden«: Eitelkeit, Habgier, Wollust, Rachsucht, Maßlosigkeit, Eifersucht und Ignoranz. Frank Göhre und Alf Mayer lassen Werk und Leben des Ausnahme-Autors Ed McBain lebendig werden, erzählend und dokumentierend, spannend und unterhaltsam. Ein vielschichtiges amerikanisches Sittenbild entsteht.

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Über das Buch

Ed McBain wurde 1926 als Salvatore Albert Lombino in New York geboren, 1952 nahm er offiziell den Namen Evan Hunter an. Mit seinem Debütroman »Die Saat der Gewalt« und der Verfilmung wurde er international bekannt, Alfred Hitchcock engagierte ihn als Drehbuchautor für »Die Vögel«. Als Ed McBain veröffentlichte er ab 1956 fünf Jahrzehnte lang insgesamt 55 Romane über das fiktive 87. US-Polizeirevier.

Ed McBain starb am 6. Juli 2005. Aus Anlass seines 10. Todestages haben die Autoren Frank Göhre und Alf Mayer diesen umfangreichen erzählenden Essay geschrieben. Es ist eine Reise durch fünf Jahrzehnte auf den Spuren der Detectives vom 87. Revier. Die Ermittler und ihre Fälle werden vorgestellt, die Veränderung einer Stadt und ihrer Kriminalität aufgezeigt. Polizistenmorde, Bandenkriege und Heckenschützen sind Thema, wie auch die klassischen »7 Todsünden«: Eitelkeit, Habgier, Wollust, Rachsucht, Maßlosigkeit, Eifersucht und Ignoranz.

Der ultimative Reader zum 10. Todestag des Autors Ed McBain, dem unumstrittenen Großmeister des Polizeiromans.

Frank Göhre und Alf Mayer lassen Werk und Leben des Ausnahmeautors Ed McBain lebendig werden, erzählend und dokumentierend, spannend und unterhaltsam. Ein vielschichtiges amerikanisches Sittenbild.

Zum Todestag erscheinen außerdem fünf Romane des 87. Polizeireviers als eBook-Neuauflage, darunter der erste und der letzte bisher übersetzte.

Über die Autoren

Frank Göhre, 1943 geboren in Tschechien, aufgewachsen in Bochum, Buch- und Kunsthändler, Werbetexter, Mitarbeiter in einem Verlagskollektiv.

Seit 1981 freier Schriftsteller und Drehbuchautor. Veröffentlichungen bei CulturBooks »Hot Stuff«, »Du fährst nach Hamburg, ich schwör’s dir«, »Die Härte, der Reichtum und die Weite«. Frank Göhre lebt in Hamburg.

Alf Mayer, Jahrgang 1952, freier Journalist, Bad Soden/a. Ts. Buntscheckiger Lebenslauf, halb frei, halb angestellt, letztlich lieber vogelfrei: Textchef bei Manufactum, Direktor der Filmbewertungsstelle (FBW), Chef vom Dienst bei IG Metall und dem Werberblatt »horizont«, Filmredakteur der legendären Medienzeitschrift »medium«. Seit 1984 Krimikolumne »Blutige Ernte« im Frankfurter »strandgut«, Mitarbeiter bei CULTurMAG/CrimeMag.

Frank Göhre & Alf Mayer

COPS IN THE CITY

Ed McBain und das 87. Polizeirevier

Ein Report

Impressum

eBook-Ausgabe: © CulturBooks Verlag 2015

Gärtnerstr. 122, 20253 Hamburg

Tel. +4940 31108081, [email protected]

www.culturbooks.de

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Jan Karsten

Umschlaggestaltung: Magdalena Gadaj

eBook-Herstellung: CulturBooks

Erscheinungsdatum: 15.06.2015

ISBN 978-3-944818-94-8

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Thomas Wörtche
Der Polizeiroman
Ich bin viele. Eine Selbstaussage
Saat der Gewalt. Der Film
Pro Wort ein halber Cent. Eine Selbstaussage
Die Cops und ihr Revier
Ein Cop, der über Cops schreibt. Eine Selbstaussage
Ein Blick zurück. Pulp
Erste Sätze. Von »Cop Hater« bis »Ax«
Die Fälle (1957–1959)
Alfred Hitchcock, die Erste
Spot on. Die Sechziger
Die Fälle (1960)
J. A. Konrath. Angefixt
Alfred Hitchcock, die Zweite
Die Fälle (1961–1962)
Neun im Fadenkreuz (1963)
Todesarten
Erste Sätze. Von »Ax« bis »Ghost«
»I want the money!« – Fernsehspiel eben
Preisvergabe. Eine Selbstaussage
Die Fälle (1964–1970)
Risiko und Routine. Eine Selbstaussage
Stephen King. Ein feiner Kerl
Brutale Stadt. Die Siebziger
Die Fälle (1971–1975)
Max Allan Collins. Mein Favorit
Kino
Die Fälle (1976–1980)
Erste Sätze. Von »Heat« bis »Merely Hate«
Bert Kling stürzt ab
Jean-Patrick Manchette. Paris, Oktober 1980
Die Fälle (1981–1985)
Böser Bulle, guter Bulle. Ein Zeitbild
Die Fälle (1986–1991)
Candyland. Das Psychogramm eines amerikanischen Mannes
Die Fälle (1992–1995)
Kurosawa. Zwischen Himmel und Hölle
Die Fälle (1997–2000)
9/11. Das 21. Jahrhundert
Money, Money, Money. Der 51. Polizeirevierroman
Fat Ollie’s Book. Der 52. Polizeirevierroman
The Fruminous Bandersnatch. Der 53. Polizeirevierroman[95]
Hark! Der 54. Polizeirevierroman[97]
Fiddlers. Der 55. Polizeirevierroman[99]
Einfach nur Hass. Eine Zugabe
Letzte Sätze. Von »Mereley Hate« bis »Cop Hater«
Let’s talk. Letzte Worte
Lawrence Block. Ein guter Freund
Frank Sinatra bindet sich eine Fliege
Die 87. Polizeirevierromane
Ed McBain/Evan Hunter in Film und Fernsehen
Hidden Track: Ein kurzer Abriss der Geschichte des Polizeiromans

Vorwort von Thomas Wörtche

Ed McBain ist eine der zentralen Gestalten der Kriminalliteratur. Insofern auch eine zentrale Gestalt der Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Salvatore Albert Lombino – so sein Geburtsname – ist als Evan Hunter mit der Filmgeschichte unserer Zeit (»Saat der Gewalt«, »Die Vögel«) ebenso eng verbandelt, wie er als Curt Cannon oder Hunt Collins oder als Richard Marsten eine wichtige Figur der hackwriters/pulp/noir-Szene war.

Die Romane um das 87. Polizeirevier allerdings sind in seinem Lebenswerk zentral. Ed McBain hat den Polizeiroman nicht erfunden, aber er hat ihn zu einem wesentlichen Teil der Kriminalliteratur gemacht. Die Sittengeschichte von New York City, das hier nicht New York City heißt, von den 1950er bis zu den 2000er Jahren fixiert in fünfundfünfzig cop novels – das ist ein Projekt vergleichbar mit Balzac, mit Zola. McBain hat die cop novel als das geeignete ästhetische und erkenntnistheoretische Medium (oder Organon?) etabliert, mit dem man eine solche Chronik plausiblerweise in erzählende Literatur fassen kann, die spannend, unterhaltsam, »barrierefrei« (ohne die Schwelle von Hochliteratur), aber auch ohne selbst auferlegte ästhetische Bescheidenheit verfährt.

Dazu sind McBains Texte noch viel mehr: Sie beschreiben Gewalt und Verbrechen nur sehr bedingt als abschließbare »Fälle«, sondern zunehmend als Kontinuum, als basso continuo jeder gesellschaftlichen Entwicklung. Das riesige Personal und die Standardfiguren verhindern, dass eine dominante Zentralperspektive aufkommt, und mit den Jahren entwickelt auch Ed McBain ein Gefühl für die erkenntnistheoretische und erzählerische Wichtigkeit von Komik. Vermutlich reagierte er damit auf seinen Kollegen Joseph Wambaugh, der diesen entscheidenden Aspekt in seinen Romanen aus seiner Megalopolis Los Angeles dem Genre eingeimpft hat. McBain reagiert auf Wambaugh, der auf McBain reagiert.

Denn Ed McBain hat in der Tat deutlich beobachtbare Rezeptionsketten initiiert. Sjöwall/Wahlöö reagieren auf McBain und politisieren (oder ideologisieren?) ihn, und David Simons Grundkonzeption von »Homicide« (und später von »The Wire«) folgt McBains Blaupause. Weitere Beispiele finden Sie in Hülle und Fülle in unserem Buch. Ohne McBain sähe die Kriminalliteratur anders aus. Und weil wir die Realitäten auch durch die Augen von Kunst betrachten, die diese Realitäten zum Thema hat, hat sich auch unser Blick, unsere Wahrnehmung von Ed McBain verändern lassen.

Weil das ganze Unternehmen schließlich Spaß machen und sich nicht in dürren Analysen erschöpfen soll, haben Frank Göhre und Alf Mayer ihre Freude an der Beschäftigung mit McBain und Co. in ein wunderbares, proppenvolles Fanbuch umgesetzt. Natürlich sind die beiden Herren publizistische Top-Profis, was in diesem Fall das Wort »Fan« nur aufwertet. Sie wissen, warum sie – professionelle – Fans von McBain sind und können das sehr überzeugend an die Leser weitergeben. Und sie benutzen die unangestrengte, unterhaltsam-elegant montierte, eher aufs Zeigen als aufs Erklären erpichte Art, sich mit ihrem Gegenstand auseinanderzusetzen, eben auch als Hommage ans intelligente Fandom, das schon immer für viele Bereiche der populären Kultur die Grundlagenarbeiten geleistet hat, bevor die offiziellen Sekundärmaschinen ihr Mahlwerk begonnen haben.

Das Kaleidoskopische, Pointilistische, nicht strikt Diskursive der Methode Göhre/Mayer hat zudem den Vorteil, Abschweifungen, Rhythmus und Wechsel der Perspektive und damit den ganzen komplexen Gegenstandsbereich »Ed McBain« in Bewegung zu halten und daraus helle Erkenntnisfunken zu schlagen. Gleichzeitig ist damit ein ernstzunehmender publizistischer Beitrag zu Ed McBain entstanden, der in seinem Perspektiven- und Nuancenreichtum in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine gewichtige Stimme in vielen Debatten zum Thema haben wird.

Thomas Wörtche

Der Polizeiroman

Polizeiromane sind Romane über Städte, zuallererst, noch bevor sie Polizeiromane sind, oder: Sie sind Polizeiromane erst dann, wenn sie Romane über die Städte sind.

Frei zitiert nach Wolf-Eckart Bühler und Felix Hofmann, Polizei. Filmkritik, 1974

Zuerst sieht man nur die Skyline der Stadt, die klare Silhouette der Gebäude, die den Himmel zu berühren scheinen.

Es verschlägt einem den Atem.

Die Stadt ist riesig. Eine gigantische Big City, von pulsierendem Leben erfüllt. Ein Hexenkessel.

Und mittendrin das 87. Polizeirevier.

Es ist Ende Juli, Mitte der Fünfzigerjahre. Eine lähmende Hitze lastet auf der Stadt. Es wird gestöhnt und, es wird geflucht. Aber die Männer vom 87. Polizeirevier machen dennoch ihre Arbeit.

Zwei Kollegen sind ermordet worden.

Dem einen wurden vor einem abbruchreifen Kino zwei Kugeln in den Kopf gejagt.

Den anderen hat es gleich nach Dienstschluss auf dem Heimweg erwischt.

Der eine ist ein Weißer, der andere ein Farbiger.

Beide sind mit derselben Waffe getötet worden. Mit einer Remington, Kaliber .45.

Polizisten hassen Cop-Killer. Sie wollen sie schnellstmöglich zu fassen kriegen, sie festnageln und sie ein für alle Mal zur Hölle schicken. Doch das braucht mitunter Zeit.

Das 87. Polizeirevier ist angesichts der Größe seines Zuständigkeitsbereichs völlig unterbesetzt. Nur sechzehn Detectives stehen Chef Lieutenant Peter Byrnes für den Stadtteil der Iren und der Italiener, der Juden in der dritten und der Puerto-Ricaner der ersten Generation zur Verfügung, für den riesigen Park und die fünfunddreißig Stadtstraßen, die unzähligen Gassen und Hinterhöfe und für die Hochhäuser im Süden mit den exklusiven Wohnungen und Lofts.

Neunzigtausend Menschen leben in diesem Bezirk. Sie lieben und betrügen, sie hassen und sie töten. Einhundertsechsundachtzig Polizisten sind in drei Schichten rund um die Uhr auf Streife.

Steve Carella ist einer der Detectives des 87. Er ist ein großer kräftiger Mann, hat braunes, kurz geschnittenes Haar, braune Augen und schmale Lippen. Seine Augenwinkel sind leicht nach unten gezogen und geben ihm etwas Orientalisches. Er ist dreiunddreißig Jahre alt und hat bislang an über drei Dutzend Mordfällen mitgearbeitet.

Steve Carella ist immer elegant gekleidet. In der Nacht des ersten Polizistenmordes trägt er einen blauen Anzug, ein weißes Hemd und eine graue Krawatte. Das hat Stil. Das ist der Italiener in ihm.

Sein Kollege Hank Bush tritt längst nicht so gepflegt auf. Er hat wildes und ungekämmtes rotes Haar und auf seinem rechten Arm eine von einem Messerstich herrührende Narbe.

Hank ist seit zehn Jahren mit Alice verheiratet, und ihr Anblick erregt ihn wie am ersten Tag. Sie ist blond, hat starke Brüste und lange schlanke Beine. Sie ist ein rattenscharfes Weib, keine Frage, aber seit einiger Zeit blockt sie sein allabendliches Begehren ab.

Alice nämlich hat einen Lover, den sie angestiftet hat, ein paar Cops umzubringen – einzig und allein, um dann den Mord an ihrem Mann als eine weitere Polizistenhassertat erscheinen zu lassen. Sie hat Hank satt bis zum geht nicht mehr, und ihr Lover tut, wie ihm geheißen. Er knallt den Detective Hank Bush ab.

Es ist der dritte Polizistenmord innerhalb weniger Tage.

Steve Carella stellt kurz darauf den Cop-Killer und erfährt die Wahrheit über die Frau des toten Kollegen.

»Warum gaben Sie ihm keine Chance?«, fragt er sie.

»Gab er mir denn jemals eine? Eingeschlossen in diese verdammte Wohnung, immer auf ihn warten zu müssen, bis er vom Dienst heimkam. Was ist denn das für ein Leben für eine Frau?«

»Sie wussten, als sie ihn heirateten, dass er ein Cop war«, sagt Carella.

Sie antwortet nicht.

Sie und ihr Lover werden zum Tod auf den elektrischen Stuhl verurteilt. Das ist geltendes Recht in dieser Stadt, in diesem Land, und das schon seit langer Zeit.

Der erste Fall der Cops vom 87. ist abgeschlossen. Steve Carella fährt in Urlaub und heiratet am 9. August die taubstumme Theodora »Teddy« Franklin.

Die Schlagzeile des Tages lautet: »Ende der Hitzeperiode.«[1]

Es ist Herbst.

Roger Havilland ist Police Detective dritten Grades des 87. Polizeireviers.

Er ist ein Meter achtzig groß und hat den Körper eines Ringers.

Er war einmal ein netter Mensch. Doch dann hat ihm irgend so ein Scheißkerl mit einem Bleirohr den Arm an vier Stellen gebrochen.

Es hat lange gedauert, bis Havilland wieder fit für den Dienst im 87. war. Aber da war er nicht mehr der nette Bulle.

Er ist zum bösen Bullen geworden, zu einem zornigen.

Und der Zorn hat ihn brutal werden lassen.

Ein anderer Brutalo zieht nächtens um die Häuser. Er überfällt Frauen, entreißt ihnen die Tasche und schlägt sie zusammen. Dann macht er eine tiefe Verbeugung und verabschiedet sich mit den Worten »Clifford dankt Ihnen, Madame«.

Detective Havilland kann den Mann stellen. Doch der versucht zu entkommen. Pech für ihn. Denn das gibt Havilland die Gelegenheit, das zu tun, was er am liebsten tut. Er donnert dem Kerl voll in die Fresse.

Havillands Partner bei dieser Aktion ist Hal Willis. Er ist der kleinste Detective des Reviers. Bei ihm hat es gerade zur vorgeschriebenen Mindestgröße gereicht. Aber wehe, wer glaubt, mit Willis habe man ein leichtes Spiel. Hal Willis ist Judoexperte und legt jeden noch so schweren Brocken aufs Kreuz.

Roger Havilland und Hal Willis profilieren sich als die Kampfmaschinen des Reviers. Der eigentliche Held in diesen Herbsttagen aber ist der Streifenpolizist Bert Kling. Er ist bei der Jagd nach dem Cop-Killer versehentlich angeschossen worden. Nach einem öden Krankenhausaufenthalt wird er von seinem Chef zu einer weiteren Woche Genesungsurlaub verdonnert. Das schmeckt ihm nun gar nicht. Also lässt er sich nicht allzu widerstrebend von einem alten Bekannten und dessen Frau überreden, ein familiäres Geheimnis aufzudecken: Die siebzehnjährige Schwester der Frau verhält sich merkwürdig. Sie ist äußerst wortkarg und wirkt verstört.

Kurze Zeit später wird sie tot aufgefunden.

Bert Kling ist vierundzwanzig Jahre alt. Er ist ein großer, gut aussehender Mann mit breiten Schulter und strohblondem Haar. Der typische American Boy aus dem Mittelwesten. Kling hat in Korea gekämpft und alle Schrecken des Krieges gesehen. Er sehnt sich nach lieben Mädels und trifft bei seinen Nachforschungen auf Claire Townsend.

Claire ist im Daniel-Woodrell-Land, in den Ozarks, groß geworden und macht es Kling nicht leicht.

Der einfache Streifenpolizist findet schließlich heraus, dass die Siebzehnjährige von ihrem Schwager schwanger war und auch von ihm getötet wurde. Den Fall aufgeklärt zu haben ist Klings Ticket in Chef Lieutenant Byrnes Abteilung als Detective dritten Grades.

Steve Carella kommt aus seinem Hochzeitsurlaub zurück: »Ein neuer Arbeitstag begann.«[2]

»Der Winter brach herein wie ein Anarchist mit einer Bombe.«

Schnee und klirrende Kälte also. Keine gute Zeit, sich in einem Kellerloch aufzuknüpfen. Doch Detective Steve Carella glaubt nicht an den Selbstmord des jungen Puerto-Ricaners. Er hat Bert Kling unter seine Fittiche genommen und ermittelt gemeinsam mit ihm in Sachen Mord. Noch wissen sie nicht, dass ihr Chef Lieutenant Peter Byrnes gewaltig unter Druck steht. Ein anonymer Anrufer hat Byrnes verklickert, dass sein Sohn ein Junkie ist. Und nicht nur das: Er soll dem Erhängten auch den »Goldenen Schuss« verabreicht haben.

Es ist ein übles Spiel, das mit Byrnes getrieben wird. Aber er muss sich auch vorwerfen, sich nie richtig um seinen Sohn gekümmert zu haben. Um ihn vom Stoff zu entwöhnen, sperrt er ihn zu Hause ein.

»Oh, Himmel, ich und krank. Ja, stimmt, ich bin krank, weil ich das alles hier satt habe. Ich bin krank von der Art, wie hier alle mit mir umgehen. Ich hab dir gesagt, dass ich nicht süchtig bin. Ich kann jederzeit los von dem Stoff. Was muss ich tun, um es dir zu beweisen?«

»Du bist süchtig und du hängst fest.«

»Ich bin süchtig, bin süchtig. Ist das alles, was du zu sagen weißt? Himmel, wie konnte ich nur an so einen biederen Vater geraten!«

»Tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss.«

»Geht das schon wieder los? Der enttäuschte Vater als Märtyrer. Das habe ich seit meinem achten Lebensjahr immer wieder im Kino gesehen. Komm mir bloß nicht damit, auf diesem Ohr bin ich taub.«

Es ist Steve Carella, der den wahren Mörder des puerto-ricanischen Dealers stellt – und von ihm niedergeschossen wird.

Byrnes eilt zu dem lebensgefährlich Verletzten ins Krankenhaus.

Carellas Frau Teddy kommt ihm auf dem Flur entgegen.

»Steve? Geht es ihm besser?«

Sie las die Worte von seinen Lippen. Dann nickte sie, zuerst verhalten und dann voll überquellender Freunde. Sie warf sich Byrnes in die Arme. Er hielt sie fest und hatte plötzlich das starke Empfinden, sie sei seine Tochter. Die Tränen auf seinem eigenen Gesicht überraschten ihn. Vor dem Krankenhaus läuteten die Kirchenglocken. Es war Weihnachten und die Welt wieder in Ordnung.[3]

... Jingle bells, jingle bells, jingle all the way.

O, what fun it is to ride in a one-horse open sleigh ...

Die Fußnoten zu diesem Kapitel finden Sie hier.

Ich bin viele. Eine Selbstaussage

Vor der Cooper Union gibt es einen kleinen Park. Während des Semesters tummeln sich hier eine Menge junger Leute, die Ingenieurwesen studieren oder Künstler werden wollen. Mädchen in mit Farbe beklecksten Kitteln, die hektisch ihre Zigaretten paffen, als wären es ihre letzten Züge, bevor das Exekutionskommando antritt. Es ist nett, den jungen Dingern zuzusehen, denn sie inhalieren viel mehr als den Zigarettenrauch – sie inhalieren das Leben ...

Ed McBain, Die Gosse und das Grab

Ich bin freier Schriftsteller.

Ich schreibe unter mehreren Pseudonymen.

Ich schreibe Mysteries, ich schreibe Mann-auf-der-Flucht- und Frau-in-Gefahr-Geschichten, ich schreibe Detective- und Love-Stories. Ich schreibe alles, was gewünscht wird.

Ich würde sagen, dass ich ein Routinier bin.

Natürlich habe ich einen Agenten. Er verschafft mir Aufträge und handelt das Honorar aus. Ich könnte es auch selbst, ich habe in einer Literarischen Agentur gearbeitet, aber so ist es besser, und es spart Zeit. Nicht nur in dieser Hinsicht bin ich ein typischer New Yorker.

Ich bin am 15. Oktober 1926 in NYC geboren, genauer gesagt in dem Viertel zwischen First und Second Avenue, in der 120. Straße, und zwar auf dem Küchentisch. Meine Tante war Hebamme. Sie half bei meiner Geburt kräftig nach, und für den Rest ihres Lebens nannte sie mich nur »my Baby«.

Getauft wurde ich auf den Namen Salvatore Albert Lombino.

Meine Eltern waren Amerikaner, auch meine Großmutter ist in Amerika geboren. Aber mein Großvater stammte aus Italien.

Bis heute reise ich immer wieder gern dorthin. Ich reise überhaupt sehr gern.

Meine Jugend verbrachte ich auf der Straße. Man nannte die Gegend Italienisch-Harlem, und es gab dort alles, was man auch in einer italienischen Kleinstadt finden konnte, die kleinen Bäckereien und Metzgereien, die Obst- und Gemüsestände, den Schneider, den Friseur – das Geschrei der Händler, die lauten Begrüßungsrufe, das ständige Palavern. Ich habe es geliebt. Ich denke, das hat mich nachhaltig geprägt.

Später wurde es das Viertel der Puerto-Ricaner.

Während meiner Highschoolzeit hatte ich den großen Wunsch, bildender Künstler zu werden. Ich wollte malen, ich wollte bildhauern, ich wollte etwas erschaffen. Etwas Sichtbares.

Ich nahm an einem Wettbewerb teil, der von der Stadt ausgeschrieben war und gewann ein Stipendium für die New Yorker Art Students League.

Dann wurde ich nach einer ziemlich strengen Aufnahmeprüfung von der Cooper Union aufgenommen.

Kurz vor meinem achtzehnten Geburtstag ging ich freiwillig zur Marine, um nicht zur Army zu müssen. Jeder musste in diesen Jahren damit rechnen, mit der Army nach Italien geschickt zu werden, wo einem womöglich der Arsch abgeschossen wurde. Das Risiko war mir zu groß. Ich liebte und liebe mein Leben.

Bei der Navy war ich Radarmann, Offiziersbursche und zuletzt Radarinstrukteur. Wir sind ziemlich weit herumgekommen.

Wir waren in Pearl Harbour und dann auch in Japan. Von Japan habe ich viel zu sehen bekommen. Alles in allem war ich zwei Jahre dabei.

Die ganze Zeit über korrespondierte ich mit einem Mädchen, in das ich mich auf der Highschool verknallt hatte. Sie besuchte die Universität von Wisconsin. Ich wollte auch dort studieren, und ich wollte nach Princeton. Mein Girlfriend hatte einen Abschluss in Englisch und wollte Schriftstellerin werden. Aber bei aller Liebe, sie war unglaublich schlecht. Ihre Briefe waren entsetzlich!

Also dachte ich mir, das kann ich besser, weitaus besser, und schrieb an Bord des Schiffes meine erste Kurzgeschichte.

Im Juli 1946 war ich wieder zu Hause und ging auf das Hunter College. Ich war dort einer der ersten Männer. Auf dem College habe ich dann meine Frau Anita kennengelernt. Wir haben zwei Tage nach meinem 23. Geburtstag geheiratet.[4] Es wurde gelästert, ich sei vom Feiern noch total besoffen gewesen.

Das ist Unsinn. Es war mir ernst.

Ich nahm dann einen Job als Lehrer an. Ich musste Geld verdienen.

Die Fußnoten zu diesem Kapitel finden Sie hier.

Saat der Gewalt. Der Film

One two three o’clock four o’clock rock five six seven o’clock eight o’clock rock nine ten elven o’clock twelve o’clock rock we’re gonna rock around the clock tonight ...

Bill Haley

Der Weltkriegsveteran Richard Dadier nimmt eine Stelle als Englischlehrer an einer Highschool an. An dieser Schule haben die Schüler das Sagen, und die Lehrer haben es aufgegeben, die Schüler unter Kontrolle zu bringen und ihnen den Lernstoff zu vermitteln. Doch der junge Mr Dadier, dessen Frau ein Kind erwartet, ist voller Idealismus. Er will den Schülern etwas beibringen. Anfangs verhalten die sich – wie zu erwarten – respektlos und aggressiv gegenüber dem Neuen. Dadier sieht jedoch in dem jungen Farbigen Miller eine Persönlichkeit, die ihm nicht nur lernwillig erscheint, sondern die auch fähig ist, die Mitschüler zu motivieren. Miller weigert sich anfangs, geht in seinem Widerstand jedoch nicht so weit wie der Bandenführer West, der dem neuen Lehrer das Leben so schwer wie möglich macht und andere Schüler gegen ihn aufhetzt. Das führt sogar dazu, dass Dadier von der Bande zusammengeschlagen wird und seine Frau eine Frühgeburt erleidet, nachdem West ihr gegenüber anonym behauptet, ihr Mann habe eine Affäre.

Trotz einiger Ausrutscher besinnt sich Dadier immer wieder auf seine Ideale und gibt den Versuch nicht auf, aus seiner Klasse eine Gruppe ordentlicher Schüler zu machen und ihnen etwas beizubringen. Durch intensive Gespräche schafft Dadier es, Miller auf seine Seite zu bringen, sodass der ihm in einer Art Showdown, als West versucht, Dadier im Klassenzimmer zu erstechen, beisteht. Dadier überwältigt West, und die anderen Schüler wenden sich von West ab und beschließen, künftig den Unterricht nicht weiter zu boykottieren.

Der Film Blackboard Jungle (»Saat der Gewalt«), 1955, mit Glenn Ford und Sidney Poitier in der Regie Richard Brooks, nach dem Roman von Evan Hunter, beginnt und endet mit dem Song Rock Around The Clock von Bill Haley.

In den vergangenen dreißig Jahren waren die Kinder der Arbeiterklasse, in Amerika wie in England, aus der Schule gekommen mit einem eingepflanzten Gefühl der Unterlegenheit. Sie würden vielleicht irgendeinen Job ohne Zukunft bekommen, man würde sie vielleicht losschicken, einen Krieg zu gewinnen, oder sie würden vielleicht irgendwann um Arbeitslosenunterstützung Schlange stehen müssen. Was auch geschehen mochte, Aussicht auf besonders viel Spaß hatten sie jedenfalls nicht.

Im Vergleich dazu waren die Fünfzigerjahre fette Jahre. Natürlich blieb immer die Möglichkeit, dass die ganze Welt durch die H-Bombe in die Luft flog, aber diese Vorstellung war zu gewaltig, um noch erschreckend zu wirken. Wenigstens gab es jetzt keine Depression mehr, keine Luftangriffe, keine Lebensmittelrationierung. Es war jetzt nicht mehr die Hauptsache, sich irgendwie über Wasser zu halten – nein, die Teenager konnten endlich ihre Ansprüche anmelden.

Der einzige Haken: Als sie losgingen und nach Sachen suchten, für die sie ihr frisch erworbenes Geld ausgeben konnten, fanden sie absolut nichts. Sie hatten keine eigene Musik, keine eigene Mode, keine eigenen Clubs – eben keine Stammesidentität.

Alles mussten sie mit den Erwachsenen teilen.

Mist.

Nach all den Jahren hatten es die Teenager endlich geschafft, sie waren im gelobten Land, aber leider war das Land unfruchtbar.

Das war echt frustrierend. Sie hatten all dieses Geld, konnten nichts mit ihm anfangen, und sie gingen leer aus.

Der Augenblick der höchsten Revolte kommt immer gerade dann, wenn die Zeiten anfangen besser zu werden, wenn die erste Liberalisierung beginnt. Als die Jungen überhaupt nichts hatten, da konnten sie es irgendwie akzeptieren. Jetzt, wo das Leben einfacher war, da machten sie Krawall ... [5]

... we’re gonna rock rock rock till broad daylight we’re gonna rock gonna rock around the clock tonight ...

Die Fußnoten zu diesem Kapitel finden Sie hier.

Pro Wort ein halber Cent. Eine Selbstaussage

Er hatte das Gefühl, dass jeder Mensch zumindest das Recht haben sollte, sich seinen eigenen beschissenen Namen auszusuchen.

McBain, Graffiti

Bei der Navy gab es an Bord des Schiffes einen Offizier, der Philosophiedozent war. Er hat mir beim Schreiben meiner ersten Stories sehr geholfen. Ich schickte sie an verschiedene Magazine, aber keine Geschichte wurde gekauft. Sie waren gut, wirklich gut, und eine habe ich später tatsächlich verkaufen können, aber damals kam nichts dabei rum. Inzwischen kenn ich den Grund. Lombino? Ein Italiener? Was hat der uns schon zu erzählen!

Aber ich schrieb weiter.

Die Arbeit als Berufsschullehrer in New York war hart. Sie frustrierte mich durch und durch. Ich hatte das Gefühl, diesen Jugendlichen etwas bieten zu müssen. Ich hatte eine gute Ausbildung. Ich war intelligent, ich war humorvoll, ich liebte die englische Sprache, und ich wollte sie ihnen beibringen.

Die Kids zeigten nicht das geringste Interesse. Ich gab buchstäblich mein Letztes. Vergeblich. Mir war jeden Tag zum Heulen zumute. Ich hielt es nicht mehr aus.

Ich kündigte.

Ich machte Telefonjobs.

Ich verkaufte per Telefon frischen Hummer aus Maine und aus Italien importiertes Olivenöl. Und nach wie vor schrieb ich. Ich schrieb in jeder freien Minute.

Dann meldete ich mich auf eine Anzeige. Die Literarische Agentur von Scott Meredith suchte einen Redakteur.

Ich bewarb mich und wurde genommen.

Jetzt hatte ich mit Zeitschriften und Buchverlagen zu tun. Ich lernte Lektoren und Herausgeber kennen. Das literarische Leben spielte sich ja weitgehend in New York ab. Die Filmleute saßen in Hollywood.

Ich knüpfte Kontakte. Und – ich änderte meinen Namen offiziell in Evan Hunter. Salvatore Lombino existierte nicht mehr. Ich habe mich nie wegen des Namens geschämt. Aber für das Geschäft war es besser, einen guten amerikanischen Namen zu haben. Ich hatte auch schon eine Menge Stories unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlicht. Ich schrieb so viel, dass ich in manchen Ausgaben mehrere Stories hatte. Die Herausgeber hatten keine Ahnung, dass alle von mir waren.

Ich bekam pro Wort einen halben Cent. Um auf fünfhundert Dollar oder mehr zu kommen, musste man schon viel Text abgeliefert haben. Doch ich versuchte, mich als freier Autor zu etablieren. Im Mai 1953 hörte ich bei Meredith auf.

Ich hatte über meine Zeit als Lehrer einen Roman geschrieben, der von Simon & Schuster angenommen worden war und im Oktober ’54 erscheinen sollte: Blackboard Jungle.

Er brachte mir Anerkennung und auch einiges an Geld.

Doch das reichte immer noch nicht, um auf Dauer meine Familie ernähren zu können. Anita hatte Zwillinge zur Welt gebracht.[6]

Wir wohnten draußen auf Long Island in einem kleinen Einfamilienhaus.

Wir lebten sehr bescheiden.

Ich schrieb unermüdlich.

Ich schrieb als Curt Cannon über ein halbes Dutzend Kriminalromane.

Ich schrieb als Hunt Collins Science-Fiction.

Ich schrieb als Richard Marsten Jugendbücher und Krimis.

Und ich schrieb auch als Evan Hunter.

1956 wurde zu einem Wendepunkt.

Mein Agent hatte dem Herausgeber der Pocket Books Herb Alexander einen von mir unter Pseudonym geschriebenen Kriminalroman geschickt. Herb las ihn und irgendwas fiel ihm auf. Er rief meinen Agenten an: »Hey, das liest sich wie ein Evan Hunter. Ist er das?« Mein Agent legte die Karten offen auf den Tisch und Herb sagte, er wolle mit mir essen gehen. Business Lunch in Manhattan.

Also trafen wir uns.

Unsere Unterhaltung drehte sich eigentlich darum, dass Earl Stanley Gardner langsam alt wurde, und Gardner war die Säule des Geschäfts bei Pocket Books. Sie brachten ihn nach wie vor heraus, sogar die alten Titel in neuen Umschlägen, und der Verkauf war gleichbleibend gut.

Aber – aber sie waren auf der Suche nach einem Ersatz.

Herb fragte mich, ob ich einen Einfall für einen neuen Serienhelden hätte. Ich musste darüber nachdenken. Aber dann hatte ich es.

Ich machte ihm einen Vorschlag, der mir grandios erschien.

Polizeiromane waren vorher auch schon geschrieben worden. Doch ich war mir sicher, dass es noch nie einen Polizeiroman gegeben hatte, in dem die Hauptrolle ein Team von Polizisten ist.

Wo eigentlich der gesamte Bereitschaftsraum Held des Romans war.

Herb sagte, großartig, das ziehen wir durch. Er gab mir einen Vertrag über drei Bücher und meinte, wir werden ja sehen, wie es läuft.

Die Fußnoten zu diesem Kapitel finden Sie hier.

Die Cops und ihr Revier

Polizei, Polzei, Plotzei, Platzei, Platzerei, Plackei, Plackerei.

Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft B, 1768–1771

Big City Süd, Zehnte Straße. Dicht gedrängt die Wohnhäuser, rostige Feuerleitern. Radios an Verlängerungskabeln, die in die Wohnungen reichen, die Musik durchflutet die Straße. Krüge mit Limonade, vor Kälte beschlagene Bierdosen und Milchflaschen voll mit Eiswasser auf den Treppenstufen, die Kids in Blue Jeans und Petticoats ...

... Elvis & Pat Boone, The Diamonds & The Platters, Paul Anka, Sam Cooke und Guy Mitchell mit den Hits der Fünfzigerjahre.

Der Mann liegt in einer Seitenstraße in Riverhead, ein Bündel zuckenden, blutenden Fleisches ... »Was haben Sie gesehen?« – »Wer will das wissen?«

Der River Highway führt am Fluss entlang. Weiter südwärts die protzige Geschäftsstraße The Stem, die Ainsley Avenue und die Culver Street mit vernachlässigten Gebäuden, fast leeren Kirchen und überfüllten Bars ...

Mord in einem Schnapsladen ... Scherben auf dem Boden, Whiskeylachen ... die Gedärme quellen aus dem Bauch. Eine dunkelbraune Limousine biegt um die Ecke, ein Dodge, im Handschuhfach ein Colt, Government Model, Kaliber .45, fast ein Kilo schwer, sieben Schuss im Magazin, einen im Lauf ...

... noch ist es Nacht, ein offenes Fenster, gedämpftes Licht, eine Blondine in Slip und BH raucht eine letzte Zigarette ...

... dann folgen die Mason Avenue, den Puerto-Ricanern als »La Via de Putas«, den Polizisten als »Hurenstraße« bekannt ... Dollarscheine verschwinden in den Händen korrupter Cops ... ein heiseres Lachen ... eine brutal niedergemetzelte Prostituierte ... »Ich hab Schlimmeres gesehen, drüben in Korea.«

Es ist schön, wieder über die Hall Avenue zu gehen, schön, Männer mit Aktenmappen zu sehen, die einer sauberen Beschäftigung nachgehen, schön, sauber gewaschene Mädchen in Schneiderkostümen oder Rock und Bluse zu beobachten, wie sie in ihre Büros eilen oder ihre Einkäufe machen. Es ist der schönste Teil der Stadt; er spürt, dass dieser Teil sich wirklich danach anfühlt, als sei man in einer großen Metropole ...

»Ich bin nicht hergekommen, um mir Ihr Geschwätz anzuhören. Ich bin gekommen, um zu kassieren.« Hypermoderne Modesalons, Buchhandlungen, Drugstores, Autosalons, Hotels und das neue riesige Sportstadion umgeben den Square ... Trickbetrug, Raubüberfall, Erpressung und Nötigung ...« Schon mal ’n Dutzend eigener Zähne verschluckt?«

Alltag, schmutziger Alltag in der großen Stadt ... eine Flasche Nitroglyzerin, genug, um damit das gesamte Polizeirevier in die Luft zu sprengen!

Links und rechts vom Portal hängen zwei große grüne Glaskugeln mit den weiß aufgemalten Ziffern 87. Sieben graue Steinstufen führen zur Eingangstür. Hinter einem hohen Schreibtisch thront der wachhabende Sergeant. Eine Metalltreppe führt in den ersten Stock ... durch ein vergittertes Fenster fällt das blassgraue Morgenlicht auf den schmalen Absatz zwischen den Stufen ... die restlichen sechzehn Stufen zur zweiten Etage hinauf ... an den Bänken vorbei, an der Herrentoilette, an der Schreibstube und schließlich durch eine hölzerne Barriere in den Bereitschaftsraum der Kriminalpolizei.

Unter der Leitung von Chef Leutnant Peter Byrnes – kleine blaue Augen in einem vernarbten und verwitterten Gesicht, verheiratet, ein Sohn – arbeiten:

Steve Carella, Detective zweiten Grades, verheiratet mit der taubstummen Theodora »Teddy« Franklin. Hat nach eigener Aussage bislang zwei große Fehler gemacht: Er ist im Zweiten Weltkrieg in Italien auf eine Handgranate gesprungen, und er hat sich letztes Weihnachten anschießen lassen.

Cotton Hawes, Detective zweiten Grades. Er kommt vom 30. Revier, ist eins achtzig groß und wiegt 85 Kilo. Er ist rothaarig mit einer weißen Strähne, wonach er immer wieder gefragt wird.

Hawes ist ledig und lässt keine Gelegenheit aus, eine hübsche Zeugin oder andere nette Mädel flachzulegen.

Meyer Meyer, Detective dritten Grades, ein kahlköpfiger Jude. Dass Meyer auch sein Vorname ist, verdankt er seinem Vater, für den das ein gigantischer Witz war. Meyer Meyer hat Jura studiert, war Soldat und ging dann zur Polizei. Er ist siebenunddreißig Jahre alt, seit fast dreizehn Jahren mit Sarah verheiratet und hat mit ihr drei Kinder: Alan (elf), Susie (zehn) und Jeff (acht).

Bert Kling, Detective dritten Grades, ehemaliger Streifenpolizist. Er ist frisch verliebt in Claire Townsend, Studentin der Sozialpädagogik. Er verliert sie auf tragische Weise und findet nie mehr das große Glück.

Roger Havilland, Detective dritten Grades, ein Brutalo mit einem vierfach gebrochenen Arm.

Hal Willis, Detective dritten Grades, der mit knapp über einen Meter siebzig kleinste Mann des Reviers, ein Judoexperte. Er hat schwarz gelocktes Haar und sanfte braune Augen. Kommt später anlässlich einer Überwachung seiner Kollegin Eileen Burke in einem Schlafsack körperlich näher. Und dann verknallt er sich in eine Exhure.

Arthur Brown, Detective zweiten Grades, Anfang dreißig, ein Farbiger, oft mürrisch und übellaunig. Dann hat man Angst vor »dem bösen schwarzen Mann«. Er ist verheiratet mit Caroline und hat mit ihr die Tochter Connie.

Andy Parker, Detective dritten Grades, ist fast so groß wie Detective Cotton Hawes. Aber während Hawes blaue Augen und rotes Haar hat (ausgenommen die weiße Strähne über der linken Schläfe), wirkt Parker dunkel, fast finster: Und offen gesagt unterscheiden sie sich in ihrem Wesen mehr voneinander, als ihrem Äußeren zu entnehmen ist. Hawes ist ein Polizist, der noch lernt. Parker ist ein Polizist, der schon alles zu wissen glaubt.

Eileen Burke, Detective zweiten Grades, rotes Haar und grüne Augen, irische Wurzeln, was sonst? Sie wird oft als Lockvogel eingesetzt.

Bob O’Brien, ein schwergewichtiger Cop, vom Pech verfolgt. Wenn O’Brien bei einem Einsatz dabei ist, kommt es hundertprozentig zu einer Schießerei. Niemand weiß, warum.

Alf Miscolo