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Eine kenntnisreiche und unterhaltsame Annäherung an Amerikas Master of Crime. »Wenn's wie geschrieben klingt, schreib ich's neu.« Elmore Leonard • Assoziative Lebensgeschichte eines Kultautors • Unterhaltsames Lesebuch und Werkschau • Lebendige Krimi- und Filmgeschichte Ein lustvoller Ausflug in die Krimi- und Filmgeschichte, ein spannendes Lesebuch, eine packende Werkschau und ein assoziativer Lebensroman über einen Autor, der bis zu seinem Tod mit 87 Jahren der »coolste Hipster der Kriminalliteratur« (New York Times) war. Elmore Leonard hat 44 Romane und zahlreiche Drehbücher geschrieben. Für die TV-Serie »Justified« lieferte er die Vorlage, und viele seiner Bücher wurden verfilmt, darunter »Schnappt Shorty« mit John Travolta, »Out of Sight« mit George Clooney und Jennifer Lopez oder »Jackie Brown« von Quentin Tarantino. Für die New York Times war er der »vielleicht beste Krimiautor aller Zeiten«. Göhre und Mayer erzählen von Leonards Anfangsjahren in einer Werbeagentur, ersten Erfolgen als Westernautor, seinem Aufstieg zu einem der bestbezahlten Krimi- und Drehbuchautoren. Sie berichten von Dreharbeiten, lassen Zeitzeugen zu Wort kommen und beleuchten in Zitaten, Anekdoten, Bekenntnissen und Nacherzählungen die Romane, Filme und das Leben des Kultautors. Arrangiert wie eine große und vergnügliche Jamsession. Als Leseabenteuer. Als Lebensroman. Die Elmore-Leonard-Story.
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Seitenzahl: 255
eBook-Ausgabe: © CulturBooks Verlag 2019
Gärtnerstr. 122, 20253 Hamburg
Tel. +4940 31108081, [email protected]
www.culturbooks.de
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Buxsdesign, München
eBook-Herstellung: CulturBooks
Erscheinungsdatum: März 2019
ISBN 978-3-95988-137-1
Ein lustvoller Ausflug in die Krimi- und Filmgeschichte, ein spannendes Lesebuch, eine packende Werkschau und ein assoziativer Lebensroman über einen Autor, der bis zu seinem Tod mit 87 Jahren der »coolste Hipster der Kriminalliteratur« (New York Times) war.
Elmore Leonard hat 44 Romane und zahlreiche Drehbücher geschrieben. Für die TV-Serie »Justified« lieferte er die Vorlage, und viele seiner Bücher wurden verfilmt, darunter »Schnappt Shorty« mit John Travolta, »Out of Sight« mit George Clooney und Jennifer Lopez oder »Jackie Brown« von Quentin Tarantino. Für die New York Times war er der »vielleicht beste Krimiautor aller Zeiten«.
Göhre und Mayer erzählen von Leonards Anfangsjahren in einer Werbeagentur, ersten Erfolgen als Westernautor, seinem Aufstieg zu einem der bestbezahlten Krimi- und Drehbuchautoren. Sie berichten von Dreharbeiten, lassen Zeitzeugen zu Wort kommen und beleuchten in Zitaten, Anekdoten, Bekenntnissen und Nacherzählungen die Romane, Filme und das Leben des Kultautors. Arrangiert wie eine große und vergnügliche Jamsession. Als Leseabenteuer. Als Lebensroman. Die Elmore-Leonard-Story.
Frank Göhre, Jahrgang 1943. Wurde für seine Krimis und Drehbücher mit diversen Preisen ausgezeichnet, etwa mit dem Deutschen Krimi Preis. Bei CulturBooks erschien zuletzt mit Alf Mayer: »Cops in the City. Ed McBain und das 87. Polizeirevier«.
Frank Göhre & Alf Mayer
King of Cool
Die Elmore-Leonard-Story
Nach Romanen und Drehbüchern von Elmore Leonard
In seinen Romanen Wörter zu finden, die man streichen könnte, darauf lohnt sich beinahe, ein Preisgeld auszusetzen. Aber schließlich war das die zehnte und wichtigste seiner Schreibregeln: Versuche den Teil draußen zu lassen, den die Leser eh überfliegen.
Zehn Jahre, sagte er einmal, habe es gebraucht, bis er seinen Sound gefunden hatte: »Das sind eine Million Wörter.« Elmore Leonard (1925 bis 2013) wettete darauf, dass Dialoge nicht überflogen werden. Seine Figuren reden, quasseln, tönen, flüstern, flöten, schwatzen, plaudern, erfinden, verraten, verheimlichen, erzählen uns im Dialog ihre Story. Und vom Schlamassel, in dem sie gerade stecken. »Leonards Reiz ist der Reiz der Umstände«, hat Jean-Patrick Manchette erkannt.
Nie schrieb er eine Geschichte zweimal. Nur sehr wenige seiner vielen bunten und lebensprallen Figuren schafften es in einen zweiten oder gar dritten Roman. Immer wieder erfand er sich neu, wechselte Milieus, Settings und Plots. Seine Geschichten sind wenig vorhersehbar. Immer wieder rollt die Erzählkugel in eine Kurve, die staunen lässt, saust vom Todernst zur Komödie und zurück, entwickelt eine Haltung zum Thema. Und die ist, Regel eins bis zehn: möglichst ultracool.
Als Elmore »Dutch« Leonard mit siebenundachtzig Jahren starb, immer noch am Schreiben, das letzte, nun unvollendet gebliebene Projekt ein Roman aus dem privatisierten Strafvollzug, war er unbestritten »der coolste Hipster der Kriminalliteratur« (New York Times). Der King of Cool. Ganze Generationen von Autoren und Autorinnen, von Leserinnen und Lesern verehren ihn. Aber es gibt kaum Sekundärliteratur.
Über ihn zu schreiben war eine Herausforderung. Wir haben all seine vierundvierzig Romane und mehr als fünfzig Geschichten (wieder) gelesen, die mehr als dreißig Filme geschaut, die mit seinem Namen verbunden sind. So hatten wir das schon mit Ed McBain und dessen fünfundfünfzig Cop-Romanen gemacht – siehe unseren Report »Cops in the City. Ed McBain und das 87. Polizeirevier«, CulturBooks, 2016.
Diesmal aber war es anders. Dutch hat keinen durchgängig agierenden Ermittler, weder Privat Eye noch Cop, kein schlagkräftiges Team, keine spezielle Einheit. Seine Protagonisten sind allein auf sich gestellte U.S. Marshals, männlich und weiblich, Farmer, windige Autoverkäufer, Turmspringer, Hollywoodagenten, Witwen, Richter, Fotografen, Geldeintreiber und Gauner, immer wieder auch mal ein psychotischer Killer. Seine Geschichten haben Detroit (seine Heimatstadt) oder Atlantic City, Miami, die amerikanische Provinz ebenso wie Lateinamerika, Italien, den Nahen Osten und das Horn von Afrika zum Schauplatz.
Ähnlich vielstimmig ist unser Buch geworden. Ein Mix aus vielen Interviewäußerungen, Textpassagen, Nacherzählungen, Schlaglichtern, Bekenntnissen, Anekdoten, dazu Songs und Stimmen von außen, all das seinem Werk entlang aufgefächert, arrangiert wie eine große und vergnügliche Jamsession. Ein Leseabenteuer. Ein Lebensroman. Die Elmore-Leonard-Story.
Bewusst haben wir darauf verzichtet, die Zitate als solche in den jeweiligen Kapiteln kenntlich zu machen, siehe dazu dann die Quellennachweise. Es lohnt auch die kommentierte Bibliografie.
Und eine Empfehlung haben wir natürlich: Elmore Leonard lesen!
Frank Göhre und Alf Mayer
Hamburg, Bad Soden, Februar 2019
Schreibe nie einem Kritiker.
Elmore Leonards Rat an Autorinnen und Autoren
Franks Konterfei war in einer Anzeige der Detroit Free Press zu besichtigen, auf der die freundlichen Verkäufer von Red Bowers Chevrolet abgelichtet waren. Unter seinem Foto stand: Frank J. Ryan.
Detroit.
Die Großstadt im Bundesstaat Michigan/USA.
Direkt an der kanadischen Grenze, am Detroit River.
Detroit, die Autostadt …
Got a two-ton hammer
Got beat by the pound
I’m a hard workin’ driver man
Six feet solid from the ground …
Motor City. Motor des ganzen Landes.
General Motors, Ford und Chrysler.
Tagtäglich rollen Tausende Wagen vom Band …
Work my hammer for the factory
Foreman always wanna fight
Swallowed-up some TV dinner
Swing my hammer strong at night
Der Puls der Stadt, der Antrieb. Der Sound, das Label.
Motown. Das sind Diana Ross und die Temptations, Marvin Gay und Stevie Wonder, die Marvelettes und die Supremes …
When I was a schoolboy
Teachers said study as hard as you can
It didn’t make no difference
I’m just a hard workin’ driver man
— Captain Beefheart, Hard Workin’ Man
Harte Arbeit, gutes Geld.
Heiße Rhythmen, Lebenslust.
Das ist Detroit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Eine Stadt im Aufschwung.
Der Detroit River sah aus wie jeder Großstadtfluss, mit Industriewerken und Lagerhäusern entlang der Ufer, mit Erzkähnen und Ozeanfrachtern, die vorbeizogen, dem Blick auf Windsor auf der anderen Seite, die riesige Canadian-Club-Leuchtreklame über der Brennerei. Und ein Stück weiter rechts ragten die wuchtigen dunklen Glasröhren des Renaissance Center empor, fünf Türme, der höchste über zweihundert Meter hoch. Von da an zeigte das Flussufer klare, elegante Linien in Beton, moderne Konstruktionen. Nach Norden hin sah man über die vielen Parkplätze zwischen den Bürogebäuden aus den Zwanzigerjahren und Bauten aus neuerem Beton, vorbei an Greektown und an den neun Stockwerken des Polizeipräsidiums, groß und hässlich, mit einem kurzen Blick auf die obersten Stockwerke des Wayne-County-Gefängnisses dahinter bis zu der schlank emporragenden Frank Murphy Hall of Justice – Detroit.
Das ist Detroit.
Der Mann, der später als »Dickens von Detroit« oder »Mark Twain des 20. Jahrhunderts« gepriesen wird, erblickt am Sonntag, dem 11. Oktober 1925, in New Orleans das Licht der Welt und wird auf den Namen Elmore John Leonard getauft. Ein Sonntagskind, Sternzeichen Waage.
Dem Sternzeichen ist das Element Luft zugeordnet als alles verbindender Urstoff des Lebens. Es steht für starke Intellektbetonung und Kontaktfreude.
Im Zeichen der Waage Geborene werden in Horoskopen häufig als gerecht, anmutig, feinsinnig und ausgleichend charakterisiert.
Elmore Johns Eltern sind römisch-katholisch und haben bereits eine Tochter.
Der Vater arbeitet für die General Motors Company.
General Motors, 1908 in Detroit gegründet, beginnt nur ein Jahr später mit der Massenproduktion von Automobilen. Das Unternehmen entwickelt sich schnell zum Marktführer. Es ist am Aufbau der Fernbuslinien von Greyhound beteiligt und ersetzt die Überlandstraßenbahnen durch Busse.
Die Leonards sind nur vorübergehend in New Orleans. Der Vater ist als Scout der Company im ganzen Land unterwegs, hält Ausschau nach geeigneten Standorten für neue Autohäuser. Sein Traum ist ein eigenes Geschäft.
Doch erst einmal geht es zurück in die Zentrale des Unternehmens.
Er musste an die Sonntage zu Hause denken. Sie hatten in einer kleinen Altbauwohnung ganz oben im vierten Stock gelebt. Er schlief auf der Esszimmercouch. Seine schmutzigen Hemden, Socken und Unterhosen legte er in die unterste Schublade des Wohnzimmersekretärs. Tagsüber hockte er am Esstisch und erledigte seine Hausaufgaben. Aus dem Wohnzimmer dröhnte der Fernsehapparat.
Es ist das Jahr 1935, und Elmore Leonard ist zehn Jahre alt.
Er hört die Fernsehstimmen, er hört die Dialoge.
»Sie haben mich amputiert.«
»Sei froh, dass du so weggekommen bist. – Es könnten auch beide Beine sein, Franz. Wegeler hat den rechten Arm verloren. Das ist viel schlimmer. Du kommst ja auch bald nach Hause.«
»Meinst du?«
»Natürlich.«
»Meinst du?«
»Sicher, Franz. Du musst dich nur erst von der Operation erholen.«
»Ich glaube es nicht.«
»Meinst du?« – »Meinst du?« Die wiederholt zweifelnde Frage. Die eigene, resignierende Antwort: »Ich glaube es nicht.« Eine Dialoggestaltung.
Der zehnjährige Elmore Leonard übt.
Er schreibt nach der amerikanischen Filmversion von »Im Westen nichts Neues« aus dem Jahr 1930 (Regie Lewis Milestone, Oscar als bester Film des Jahres) ein Theaterstück und inszeniert es im Klassenraum der Schule.
Das Kino ist ohnehin seine große Leidenschaft.
Vor seinen Mitschülern und zu Hause improvisiert er Szenen aus Errol-Flynn- und Gary-Cooper-Filmen: »Unter Piratenflagge«, »Murder at Monte Carlo«, »Geheimagent 13«, »Treffpunkt: Paris!« und anderen.
Aber auch als Sportler fällt er auf. Er ist ein hervorragender Baseball- und Footballspieler und wird nach dem legendären Profi-Baseballspieler Emil »Dutch« Leonard von Freunden und später Kollegen zumeist »Dutch« genannt.
1943 schließt Dutch die Highschool ab und tritt seinen Militärdienst bei der Navy an.
Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor Anfang Dezember 1941 und dem Beginn des Pazifikkriegs steht für die Führung der US Navy außer Frage, dass im Kriegsgebiet neue Basen und Stützpunkte errichtet werden müssen. Ein entsprechendes Bauregiment wird aufgestellt. Die Rekrutierung dieser »Seabees« beginnt im Januar 1942. Trainingscenter sind Camp Allen und Camp Bradford, nahe Norfolk im Bundesstaat Virginia.
Elmore Leonard ist einer der jungen Männer, die dort ausgebildet werden. Er wird im Südpazifik eingesetzt, aufgrund seiner Kurzsichtigkeit aber bleiben ihm Kampfeinsätze erspart.
1946 beginnt er ein Englisch- und Philosophiestudium an der University of Detroit. Sein Vater verlässt ein Jahr später General Motors und kauft ein Autohaus in Las Cruces, New Mexico.
Sei immer höflich bei deinem Job.
Sag Bitte und Danke.
Frank Ryans Regel bei Raubüberfällen
In Detroit/Highland Park rollt als erster Wagen das Ford Modell T vom Band. Die Branche boomt. Immer mehr Arbeitskräfte werden gebraucht, Einwanderer wie Iren, Italiener, Deutsche und Osteuropäer und dann auch – vermehrt – Afroamerikaner aus dem Süden. Es kommt zu mehreren Rassenunruhen.
1967 werden nach den Tumulten dreiundvierzig Todesopfer registriert.
Seit den späten Sechzigerjahren hat die Stadt mit Bevölkerungsschwund und hohen Kriminalitätsraten zu kämpfen.
Auf den Straßen fahren:
ein AMC Hornet. »… nachtschwarz, keine Verzierungen außen, Überrollbügel, Gabriel-Strider-Spezialreifen, Halterung für eine Schrotflinte, Super Fireball mit Magnethalterung, eine elektrische Federal-PA-Sirene, im Kofferraum ein Schermuly-Gewehr, ein Gummiknüppel, eine M-17-Gasmaske.«
Ein Buick.
Ein Buick Electra. »… Sie sahen ihn einsteigen und abhauen. Anderthalb Meilen später holten sie ihn schließlich an einer roten Ampel ein. Der Arzt verriegelte die Türen und schloss die elektrisch betriebenen Fenster.«
Ein Cadillac.
Ein rot-weißer Cadillac,
ein schwarzer Cadillac, ein weißer Cadillac Seville,
ein Cadillac Seville mit Autotelefon, ein Fleetwood Cadillac,
ein Cadillac deVille. »… Er bog von der Woodward in einen stillen Seitenweg und drosch dort mit der Schaufel auf den linken Scheinwerfer und den Kotflügel.«
Ein Camaro.
Ein brauner 73er Camaro.
Ein Chevi.
Ein knallgrüner Chevi Nova,
ein giftgrüner Lieferwagen. »… Er blieb, den Ellbogen lässig zum Fenster hinausgelehnt, in seinem Wagen sitzen: ›Du willst wohl mitgenommen werden?‹«
Der Bus für Stadtrundfahrten der Gray Line näherte sich dem Beginn der Woodward Avenue, als Bobby Shy im hellgrauen Straßenanzug und Sonnenbrille durch den Mittelgang an den sechsunddreißig Personen vorbeiging, die er von seinem hinteren Sitz aus gezählt hatte. Es waren vorwiegend Paare, Teilnehmer an irgendeinem Treffen mit ihren Ehefrauen, Männer mittleren Alters oder älter, beinahe durch die Bank Brillenträger und alle mit Namensschildchen an den Aufschlägen der Jacketts.
Wagen an Wagen ziehen an dem Bus vorbei: ein Chevrolet Impala, eine funkelnagelneue Corvette.
Ein dunkelbrauner Chrysler Corboda.
Ein Ford.
Ein ungekennzeichneter schwarzer Ford, ein Ford Sedan,
ein brauner Ford Lieferwagen, ein Ford Pinto ohne Klimaanlage.
Ein Jaguar. »… für den Fall, dass dir jemand folgen und sich überzeugen will, dass du wirklich zum Flughafen fährst.«
Ein hellblauer Lincoln, ein weißer Lincoln, ein silberner Lincoln. »… Als er auf der Höhe des Wagens war, sah er das Gesicht dieses Jigs und dass er am Seitenfenster den Mittelfinger emporstreckte.«
»Dieses schöne Bauwerk zu Ihrer Linken ist das Gebäude der Stadtverwaltung«, sagte der Fahrer in das vor seinem Mund angebrachte Mikrofon. »Die Statue davor stellt den weltbekannten ›Spirit of Detroit‹ dar. Der sitzende Mann, den Sie dort sehen, ist sechzehn Fuß hoch und wiegt mehr als sechzehntausend Pfund.«
Ein Mercedes, ein grauer Mercedes-Benz. »… Ich will nicht, dass der Wagen vor dem Haus steht.«
Ein silbergrauer Mercedes 450 SEL, ein uralter weißer Mercedes, ein weißes Mercedes Coupé.
Ein braun-weißer Mercury Cougar, 70er Baujahr, ein 76er Mercury Montego.
Ein 74er Olds Cutlass Supreme.
Ein blau-weißer Plymouth, ein 72er Plymouth Duster.
Ein zweitüriger Pontiac Catalina, ein weißer Pontiac Grand Prix,
ein dunkelblauer Pontiac Grand Prix, ein bronzefarbener Pontiac Grand Prix. »… Soll er doch nach Hause kommen und alle seine Sachen auf einem Haufen auf dem Rasen vorfinden und sie in diesen Ozeandampfer einladen.«
»Vor uns haben wir jetzt den Detroit River. Dahinter liegt das schöne Windsor, Ontario. Sie können Kanada über die Brücke oder durch den Tunnel erreichen. Früher gab’s mal eine Fähre, aber die ist irgendwann eingestellt worden. Das Erstaunliche ist, dass sich Kanada hier südlich der Vereinigten Staaten befindet.«
Ein Pontiac Firebird mit rot-gold geflammter Kühlerhaube.
Ein taubengrauer Porsche mit einem eleganten, blassen, orangefarbenen Nadelstreifen an der Seite. »… Eine Frau, die wusste, was sie wollte. Palm Beach, Aktienportfolios, Hochleistungsblech.«
Ein 80er Riviera mit roten Rallyestreifen.
Ein Rolls-Royce Silver Shadow.
Ein weißer Thunderbird. »… auf dem Parkplatz hinter dem Berkley-Kino und der Twelve Mile Road. Sie zogen ihre Freizeitjacken an, nahmen die Krawatten ab und holten die Revolver aus dem Handschuhfach.«
The show goes on.
Bobby Shy war jetzt vorn im Bus angekommen und zog den Kopf ein, um hinausblicken zu können. Als er sich wieder aufrichtete, hatte er einen .38er Cold Spezial aus seiner Jackentasche gezogen, dessen Lauf er jetzt an die Schläfe des Fahrers setzte.
»Ladys und Gentlemen, Sie haben wohl schon alle begriffen, ja? Ich bin sicher, dass auch Sie möchten, dass keinem was passiert. Denn ich kann Ihnen versichern, wenn hier jemand den Helden spielen will, dem puste ich die Rübe weg. Und während wir mit der Besichtigung fortfahren, wird meine Assistentin Ihre Beiträge abkassieren.«
Ooh, ooh-ooh-ooh, ooh-ooh-ooh-ooh
I was the third brother of five
Doing whatever I had to do to survive
I’m not saying what I did was all right
Trying to break out of the ghetto was a day-to-day fight …
— Bobby Womack, Across 110th Street
Am 25. Dezember 1997 bringt Miramax »Jackie Brown« in die Kinos, Quentin Tarantinos Adaption von Elmore Leonards Thriller »Rum Punch« (dt. Jackie Brown, 1998).
Jackie (im Roman Jackie Burke) fliegt an fünf Tagen pro Woche auf die Bahamas und zurück.
»Sie ist cool«, bemerkt der Bundesagent.
»Sieht auch gar nicht mal so übel aus«, ergänzt der Staatspolizist. »Für ’ne Frau ihres Alters. Ist sie vierzig?«
»Vierundvierzig. Sie fliegt seit neunzehn Jahren.«
Jackie Burke trägt die beigefarbene Islands-Air-Uniform und zieht eine braune Nylontasche auf Rädern hinter sich her. Sie hat dunkelblondes, lockeres, nicht zu langes Haar.
Dunkelblond? Das hat Tarantino in Leonards Roman überlesen. Er ist bis zur letzten Drehbuchfassung davon überzeugt gewesen, diese Stewardess einer kleinen Fluglinie sei eine Farbige. Und das, weil er von Anfang an seinen Film als eine Hommage an das Blaxploitation-Kino der Siebziger vor Augen hatte. Das Kino seiner Jugend. Es wurde von schwarzen Schauspielern und weißen Produzenten geprägt, die den Markt der schwarzen Kinobesucher erschließen wollten. Der erfolgreichste Film dieser Ära ist »Shaft«, die Actionstory des von dem weißen Autor Ernest Tidyman kreierten schwarzen Privatdetektivs, der zu dem legendären Titelsong von Isaac Hayes in Harlem agiert. Ein weiterer Star dieser Zeit ist Pam Grier, Backgroundsängerin bei Bobby Womack und später unter anderem Darstellerin in einigen »Miami Vice«-Folgen.
Bei Tarantino ist Pam Grier dann Jackie Brown.
Jackie Brown wird bei einem illegalen Geldtransfer verhaftet und lässt sich auf einen Deal mit der Polizei ein. Als der Kautionsvermittler Max Cherry sich ihrer annimmt, entschließt sie sich allerdings, sowohl die Ermittler als auch ihren bisherigen Auftraggeber auszutricksen.
Betrügerische und legale Tricks – ein Lieblingsmotiv des Autors Elmore Leonard. Und es geht fast immer um Geld.
Jackie ist Geldkurier für den Gangster Ordell Robbie.
»Ich war mal Neger, Farbiger, Schwarzer, aber jetzt bin ich Afroamerikaner«, stellt er sich in Leonards Roman vor.
Bei Tarantino bezeichnet er sich und seine »Brüder« zumeist als »Nigga«.
»Wer zum Geier ist da?«
»Dein Märchenprinz, Nigga. Ich muss mit dir reden.«
»Komm rauf, Nigga.«
Interviewfrage: »Einige Leute haben die Verwendung bestimmter Wörter in Ihren Filmen wie vor allem ›Nigger‹ kritisiert, und Sie haben immer geantwortet, dass kein Wort so viel Macht in unserer Kultur haben sollte.«
Quentin Tarantino: »Es gibt kein Wort, das schlimmer ist als ein anderes Wort. Es ist alles Sprache, es ist alles Kommunikation. In ›Pulp Fiction‹ wird ›Nigger‹ von verschiedenen Leuten zu verschiedenen Zeiten gesagt, und jedes Mal ist es anders gemeint. Es geht nur um den Kontext, in dem es verwendet wird … Wenn Sie einen schwarzen Dialekt schreiben, gibt es bestimmte Wörter, die Sie brauchen, um es musikalisch zu machen. ›Nigga‹ ist eins von ihnen … Außerdem bin ich ein weißer Typ, der keine Angst vor diesem Wort hat, ich fühle einfach nicht diese ganze weiße Schuld.«
Elmore Leonard lächelt milde.
Er hat im Verlauf seiner langjährigen Tätigkeit als Roman- und Drehbuchautor für Hollywood schon viel gehört und gesehen. Er sitzt im Arbeitszimmer seines Hauses in Birmingham, einem »dieser wohlhabenden Vororte von Detroit«. Der Michigan Highway 1 verbindet als meist schnurgerade Straße Birmingham mit der zwanzig Kilometer entfernten City.
Es ist zehn Uhr morgens, ein klarer Herbsttag. Es ist sehr ruhig im Haus.
Seine Frau ist im Obergeschoss. Seine Lhasa-Apso-Hündin Emma bellt nur, wenn jemand hustet. Und er selbst ist still, spricht leise, hört aufmerksam zu – immer wachsam hinter den großen, runden Brillengläsern.
Dutch mag Tarantinos Verfilmung. Ihm gefällt vor allem die von Samuel L. Jackson grandios dargestellte Figur des Ordell. 1978 hat er diesen Gangster erstmals agieren lassen.
Ordell Robbie, ein hellhäutiger Schwarzer, und Louis Gara, ein dunkelhäutiger Weißer. Beide ursprünglich aus Detroit, wo sie sich in einer Kneipe kennengelernt hatten, ins Gespräch gekommen waren und herausgefunden hatten, dass sie beide in Southern Ohio im Knast gesessen hatten und einige Ansichten teilten. Bald darauf war Louis nach Texas gegangen, wo er erneut verhaftet wurde. Als er wieder nach Hause zurückkehrte, machte ihm Ordell einen Vorschlag: die Frau eines Typen entführen, der illegal verdientes Geld auf die Bahamas beiseitegeschafft hatte, und damit eine Million Dollar machen.
Es ist die Geschichte der Mickey Dawson, verheiratet mit Frank, einem angesehenen Mitglied des lokalen Golfclubs. Frank gönnt sich, vor allem nach einem Turnier und am Wochenende, zu viele Drinks und wird dann gegenüber seiner Frau ausfallend.
Um zwanzig nach vier hörte Mickey ihren Mann aufstehen, offenbar wollte er auf die Toilette. Sie hörte ein rumpelndes, schleifendes Geräusch, hob den Kopf und sah Frank – eine schemenhafte Gestalt in der Finsternis – keuchend und mühsam die Kommode von der Wand wegschieben. Dann zwängte er sich zwischen das Möbel und die Wand. Nach wenigen Sekunden vernahm sie ein leises und stetiges Plätschern, als der Sieger im First-Flight-Turnier des Deep Run Country Clubs an die Wand und auf das Eichenparkett pinkelte.
Während Mickey ihren Mann mehr und mehr zum Kotzen findet, klärt Ordell seinen Kumpel Louis darüber auf, wie der Typ reich geworden ist. Er zeigt ihm mehrere Apartmenthäuser an der Woodward Avenue in einer seltsam verlassenen Gegend, mitten im Zentrum von Detroit.
»Er hat die Klitschen billig gekauft und sie dann noch billiger renoviert, mit Material und Sanitäreinrichtungen und Gott weiß was von der konkurrenzlosen Klau- und Lieferfirma Ordell Robbie. Kommst du mit? Er macht die Apartments zurecht und vermietet sie dann – nicht an arme Nigger und Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, von wegen! –, er vermietet an Zuhälter und die Ladys mit den prallen Ärschen, die dir so gefallen.«
Mit einem rechtsradikalen Waffennarren als Dritten im Bunde kidnappen sie Mickey in ihrem Zweihundertsechzigtausend-Dollar-Bungalow in Bloomfield Hills und übermitteln dem Ehemann ihre Forderungen. Doch dem ist nicht nur scheißegal, was aus Mickey wird, er ist vielmehr total happy, sie los zu sein, um sich voll und ganz an seine bisherige Geliebte zu binden – die allerdings eigene Pläne hat.
Und damit ist das Spiel eröffnet: Wer macht hier den besten Schnitt und trickst dabei wann und wo wen aus? Unterm Strich gibt es dann nur eine deutliche Gewinnerin: Mickey Dawson hat sich emanzipiert und wechselt die Fronten.
»Es hat zehn Jahre gebraucht, bis es wirklich gut lief und ich als Autor wahrgenommen worden bin«, schreibt Elmore Leonard in einem Beitrag zum Thema Dankbarkeit. »Ich bin dankbar für das, was ich tue, und dafür, dass ich immer alles verkaufen konnte, was ich geschrieben habe. Schreiben ist für mich ein richtiger Beruf, ich kann davon gut leben. Es ist einfach das Schönste, was es für mich gibt. Ein Achtzigjähriger zu sein, das ist kein Schimpfwort. Ich bin jetzt fünfundachtzig, und ich schreibe immer noch. Ich habe fünf Kinder, dreizehn Enkel, drei Urenkel, mehr als vierzig Kurzgeschichten und dreiundvierzig Romane geschrieben. Das kann man nicht toppen.
Ein literarischer Autor bin ich nicht, dafür habe ich nicht genügend Wörter. Oder solch einen Anspruch. Ich schreibe nur, weil ich es einfach mag. Ich bin damit vollauf zufrieden. Seit 1984 stehe ich regelmäßig auf der Bestsellerliste der New York Times, ich habe ein Haus mit Tennisplatz und Swimmingpool. Ich bin glücklich. Und ich bin dankbar.
Verwende Dialekte und Slang nur spärlich.
Elmore Leonards siebte Schreibregel
Alle Arten von Coolness sieht der Filmkritiker und Thrillerautor Stephen Hunter (»Der 47. Samurai«, »Dirty White Boys«) im Film »Jackie Brown« zelebriert. Eine ganze Sinfonie von Cool-Tönen erlebt er darin, unterlegt von Hipster-Elementen, Synkopen von Siebzigerjahrerock (sehr cool) und gelegentlichem Mündungsfeuer (noch cooler).
Das verdammt coolste Ding.
Urban-Street-Coolness: Samuel L. Jackson spielt Ordell Robby, der so cool ist, dass er Angst macht. Mit dem geflochtenen Kinnbart, dieser großen Auswahl von Hüten, Sonnenbrillen und magentaroten Klamotten und seiner à la Miles Davis frisierten rötlichen Mähne sieht er eher aus wie ein Sax-Mann als ein Auftragskiller und Waffenhändler. Mood Indigo, Ordell? Nein, seine Stimmung ist Überleben. Er hat die kehlige Stimme eines Saxofonspielers und einen straßentauglichen Intellekt, der drei Finten vorausdenkt. Er ist kein Psycho, er killt geschäftsmäßig. Meistens die, die ihn betrügen werden, und das, bevor sie sich dazu entschließen. Sein wahres Ausdrucksmedium aber ist die Sprache, besonders das N-Wort, aus dem seine Sprüche zu fünf Achteln bestehen. Immer mit einem poetischen Anflug, der sticht wie eine Peitschenzunge. Er ist die Zielscheibe Nummer eins des Films, die ATF-Agenten jagen ihn wegen Waffendelikten – und das führt zu …
... Schöne-schlaue-Frauen-Coolness: Männer sind solche Narren. Sie reagieren auf Frauen mit ihren Lenden und ihren Herzen, und Frauen setzen bei Antworten ihr ausgebufftes Köpfchen ein. So ist das auch mit Jackie Brown (Pam Grier), der Stewardess, die sich mit ein paar Schmuggeljobs für Ordell ein Zubrot verdient. Keiner, der auf Jackie ein Auge wirft – Körper wie von einem Bildhauer, Bewegungen wie aus Tausendundeiner Nacht –, kann sich vorstellen, dass sie klug ist. Aber sie ist die Schlaueste von allen. Sie bekommt es hin, dass sie in Wirklichkeit das große Ding dreht, von dem alle glauben, sie hätten darüber die Kontrolle – und das bringt uns zur …
... Rücksichtslose-Cop-Coolness: Ray Nicolette (Michael Keaton), dessen halbwilde Augen und leeres Gesicht knapp die brodelnde Wut dahinter verbergen, will Ordell schnappen und glaubt, dass er Jackie dafür benutzen kann. Klassische Cop-Aktion. Benutze Leute, um an die größeren Brocken zu kommen und genieße währenddessen die Jagd, das Hetzen und das Töten. Ray aber glaubt wie so viele, er sei der Puppenspieler, wo er doch auch nur Marionette ist. Cool an ihm ist seine Geduld, lange Zeit wirkt er nur wie ein Typ im Hintergrund, beinahe wie ein Niemand. Aber er wird größer und größer, und am Ende schließlich, die Pistole in einem beidhändigen Griff, ist er »Das Gesetz/Der Bulle«, aber hat keine Ahnung, wie er hierher geriet – so etwas weiß nur …
... Alte-Hasen-Coolness: Das ist Robert Forster, der eine jener ruinierten Karrieren hatte, die Tarantino so gern repariert. Forster ist als Kautionsvermittler Max Cherry in Jackie verknallt, aber schlau genug zu merken, wie schlau sie ist. Neben seiner Loyalität ist das Coolste an ihm, dass er sich selbst gut genug kennt. Es macht ihm nichts aus, dass er sechsundfünfzig ist, ein Haartransplantat hat und weiß, dass es kaum besser wird. Er ist das Zentrum des moralischen Anstands in diesem Film. Er ist der Kerl, von dem man hofft, dass er den Film überlebt. Und möglicherweise auch diese …
... Abgefuckte-White-Trash-Coolness: Robert De Niro. Man wundert sich, was er hier treibt. Er war ein Zellengenosse von Ordell, als Louis Gara ist er der neue Mann in der Bande, aber es ist komisch, wie unbeteiligt er herumsitzt. Er ist die Gleichgültigkeit in Person. Wenn Ordell mit seinem ganzen Predigerfeuer und seiner Zuhälterbegeisterung für Manipulation ihm etwas erklärt, kann man förmlich sehen, wie nichts davon bei Louis ankommt. Er hat schon so viel Kikikram gemacht, dass seine Augen tote Geldstücke geworden sind und sein Gehirn Löcher wie Schweizer Käse hat. Es bringt ihn nur hoch, wenn er mit Melanie (Bridget Fonda) kifft, die auch nichts auf die Reihe kriegt. Wenn er endlich in Aktion tritt, fällt er so donnernd auf die Schnauze, dass er das komische Zentrum des Films wird, der ultimative Ausdruck des ganzen nichtsnutzigen Tarantino-Universums. Ein Ort von großen Plänen, kaputten Nerven, Raubzügen, die schiefgehen und existentialistischem Elend überall. Und Raubtieren wie …
... Surfer-Bimbo-Coolness: Sie ist schön, jung, smart und fies. Bridget Fondas Melanie ist so schön und verflucht, dass sie alles und jeden hasst. Sie hängt in einem Bikini und mit Zehenringen herum, ernährt sich von Hasch, Evian und alten Filmen im Nachmittagsprogramm. Sie ist wie eine Harpyie, eines jener schrecklichen Ungeheuer der alten Griechen. Sie schleudert Blitze des Leids auf alle hoffnungslosen Wichser, die ihr verfallen. Vermutlich ist sie jedes Mädchen, das nie mit dem Regisseur ausgehen wollte, als er noch ein Videothekenangestellter war. Tarantino dosiert die Angst, die sie verbreitet, perfekt. Denn er ist die…
... Zum-Regisseur-gewordene-Video-Nerd-Coolness: Er nervt. Er redet zu viel und zu schnell. Er streckt sein Kinn zu weit hervor. Jemand wie er sollte nicht mit Mira Sorvino ausgehen dürfen. Er hat sein Talent viele Jahre hinter ziemlichem Schrott versteckt. Aber dank Elmore Leonard hat er den Anschluss wiedergefunden, und sein Film gehört zu den zwei besten des Jahres 1997, ein paar flaue Stellen unbenommen. Jetzt ist er wieder da, wo er sein sollte: hinter der Schreibmaschine und dann hinter der Kamera. Ta-ran-ti-no.
Vermeide Prologe.
Elmore Leonards zweite Schreibregel
»Ich musste den langen Weg von Tallahassee in Florida nach Motorcity Detroit machen, um meine große Liebe zu finden«, lässt Quentin Tarantino die Darstellerin der Alabama in seinem Filmscript »True Romance« sagen.
Nach Detroit, wo Elmore Leonard zu Hause ist.
Der Fünfzehnjährige mit dem schmalen Gesicht und der Elvis-Tolle hängt wie an so vielen Nachmittagen in L.A. zu Hause vor dem Fernseher ab, zieht sich eine Folge »The Partridge Family« rein und stellt fest, dass er soeben die letzte Coke gekillt hat. Also hievt er sich von der Couch hoch und trabt rüber in den Supermarkt. An der Kasse steht so ein Drehständer mit den neuesten Paperbacks. Eines der Cover zeigt eine attraktive Blondine, bekleidet mit langer weißer Hose, rosa Hemdbluse und einem dunklen Jackett, die Hände auf den Schultern von zwei lässig dastehenden Typen: »›The Switch‹. A rip-roaring novel, about the wildest con-game – with a surprising pay-off. By the author of ›Fifty-Two Pickup‹ Elmore Leonard.«
Der Junge sackt das Buch heimlich ein, wird aber beim Verlassen des Supermarkts geschnappt. Es ist Quentin Tarantino. Er bekommt einen Riesenkrach mit seiner alleinerziehenden Mutter, doch der Gewinn der Aktion steht in keinem Verhältnis dazu. Er liest und liest, und er liest alles, was er von Elmore Leonard in die Finger bekommt. Und er schreibt.
»Als ich mein erstes Drehbuch ›True Romance‹ schrieb, war ich voll auf dem Elmore-Leonard-Trip«, sagt Tarantino. »In gewisser Weise habe ich versucht, einen Elmore-Leonard-Roman als Film zu schreiben, womit ich nicht behaupten will, dass er genauso gut ist. Aber Leonard öffnete mir die Augen für die dramatischen Möglichkeiten der Alltagssprache.«
»True Romance«, der Film.
»I’m leavin«, der Song. Der Song von Elvis.
Well I know, if I’d arrived in time to know you
You’d have taken the time to show me
I wouldn’t be lonely
Where will I go, who will I have to lie beside me
Is it something that’s inside me
I’m so lonely …
Clarence (Christian Slater) steht auf Elvis, Kung-Fu-Filme und Comics, arbeitet in einem Comic-Heft-Laden und lernt im Kino während einer Dreifachvorstellung von Sonny-Chiba-Filmen die ihm überaus zugetane Alabama (Patricia Arquette) kennen. Sie verlieben sich, und Alabama gesteht, dass sie ein Geburtstagsgeschenk von Clarences Chef ist. Clarence ist ihr vierter Kunde als Callgirl. Ihr Zuhälter ist ein mieser Typ namens Drexl. Das ist Clarence erst einmal egal. Scheißegal.
Er heiratet Alabama.
Doch da meldet sich direkt aus dem Rock-’n’-Roll-Himmel Elvis himself und raunt, he, Mann, das Schwein verdient es nicht weiterzuleben. Alle Zuhälter auf der Welt sollten erschossen werden, mit zwei Schüssen in ihren Schweinekopf.
Und so geschieht es. Clarence legt den Zuhälter und dessen Handlanger bei einem spektakulären Kampf um und schnappt sich einen Koffer, von dem er denkt, dass er Klamotten von Alabama enthält. Er ist allerdings randvoll mit Kokain.