Corridor Street: Straße ins Verderben - Sven Theiner - E-Book

Corridor Street: Straße ins Verderben E-Book

Sven Theiner

0,0
9,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ethan Hunter zieht von New York in das beschauliche Kansas, in die Corridor Street. Alles scheint perfekt zu sein. Nette Nachbarn, die sich scheinbar sehr gut untereinander verstehen. Dazu noch die Abgeschiedenheit der Großstadt. Doch wenig später nach seinem Einzug stellt er fest, dass nicht wirklich alles so perfekt ist. Seltsame Dinge geschehen. Katzen werden tot aufgefunden. Nach und nach bröckelt auch die Fassade der Bewohner. Als auch noch ein Streit unter Nachbarn ausbricht treten Geheimnisse zu Tage, die niemand für möglich gehalten hat.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sven Theiner

Corridor Street: Straße ins Verderben

Ethan Hunter zieht von New York in das beschauliche Kansas, in die Corridor Street. Alles scheint perfekt zu sein. Nette Nachbarn, die sich scheinbar sehr gut untereinander verstehen. Nach und nach bröckelt die Fassade der Bewohner.

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Impressum

© 2024 by Sven Theiner, Flurstraße 34, 40885 Ratingen

Umschlagsgestaltung: Sven Theiner

Satz: Sven Theiner

Veröffentlicht über: Tolino Media

Lektorat: Jan Andresen

Printed in Germany

Nachdruck, Kopie, Verkauf oder Vervielfältigung

nur durch Genehmigung des Autors

WIDMUNG

Dieses Buch ist allen gewidmet, die an Demokratie und Frieden glauben.

DANKSAGUNG

Ich danke allen, die mich beim Schreiben stets unterstützt haben.

1

 

Ethan Hunter wischte sich den Schweiß von der Stirn, als er den letzten Umzugskarton in sein neues Zuhause in der Corridor Street in Parkerfield, Kansas, trug.

Es war Mitte Juni, und die Sonne hing schwer am wolkenlosen Himmel. Die Hitze lag wie eine drückende Decke über der Stadt, die Temperaturen kletterten auf über 30 Grad. Ethan spürte, wie sein graues T-Shirt unangenehm am Rücken klebte und vom Schweiß durchtränkt war.

Der Umzug, den er allein bewältigt hatte, war anstrengender als erwartet. Als er das Haus betrat, hielt er kurz inne und atmete die kühle, aber noch leere Luft ein. Es roch nach frischem Holz und dem feinen Staub, den die Renovierungsarbeiten hinterlassen hatten.

Das Haus war still. Die Wände schienen noch das letzte Echo der Abwesenheit zu tragen, als Ethan durch die Räume ging. Er beschloss, sich im Schlafzimmer ein frisches T-Shirt zu holen, vielleicht würde das die Hitze etwas lindern.

Das Schlafzimmer war kahl. Nur das Bett stand an seinem Platz, wie eine Insel in einem Meer von leeren Räumen. Der Boden knarrte unter seinen Schritten, als er einen Karton öffnete. Die kühle Textur seines neuen T-Shirts fühlte sich erfrischend an, und als er ins Bad ging, um sich im Spiegel zu betrachten, sah er etwas Vertrautes: Ein müdes, aber zufriedenes Gesicht.

Die blonden Haare hingen ihm verschwitzt in die Stirn, aber unter der Erschöpfung blitzte ein Funke auf, der Tatendrang verriet. Seine blauen Augen funkelten, obwohl sie von einem langen Tag geschattet waren, im Widerschein des Spiegels. Der Neuanfang in Parkerfield war ein befreiender Schritt.

Er spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, das wie eine angenehme Schockwelle über seine Haut lief. Gerade als er sich das frische Hemd überzog und nach dem Deo griff, durchbrach ein plötzliches Klopfen an der Tür die Stille des Hauses. Es war unerwarteter Besuch - er hatte noch niemandem von seinem Umzug erzählt. Wer konnte das sein?

Als er die Tür öffnete, stand eine junge Frau vor ihm. Sie war etwa dreißig Jahre alt und hatte lange, glänzende braune Haare, die ihr weich über die Schultern fielen. Ihre Augen, katzengrün und aufmerksam, musterten ihn mit einer Mischung aus Freundlichkeit und leicht spürbarer Unruhe. Sie trug ein luftiges, cremefarbenes Sommerkleid, das in der Nachmittagshitze sanft im Wind flatterte.

„Guten Tag, Mr. Hunter“, begann sie, ohne Luft zu holen. „Ich habe von den Nachbarn gehört, dass Sie hier eingezogen sind. Das Haus stand eine Weile leer, und ich war neugierig, wer der neue Bewohner ist“.

Ohne eine Einladung abzuwarten, trat sie ein, was Ethan einen Moment innehalten ließ. Sie bewegte sich durch den Raum, als wäre sie mit der Umgebung vertraut, als hätte sie schon oft darüber nachgedacht, wie es wäre, hier zu leben.

Ethan strich sich verlegen durchs Haar und lächelte gezwungen. „Da muss ich Sie leider enttäuschen. Meine Möbel kommen erst morgen, also ist es hier noch ziemlich leer, Miss...?“. Er ließ die Frage offen.

„Oh! Verzeihung, wo sind meine Manieren?“. Sie lachte kurz, ihr Lachen klang ein wenig zu hell, als sollte es eine nervöse Energie überdecken. „Samantha Riley. Mein Lebensgefährte Weston und unsere drei Töchter wohnen gleich nebenan. Wir freuen uns, Sie als neue Nachbarn begrüßen zu dürfen“. Sie reichte ihm die Hand, und Ethan war überrascht über den festen Händedruck, den er bei ihrer zierlichen Gestalt nicht erwartet hatte.

„Freut mich, Sie kennen zu lernen“, erwiderte er und versuchte, ihre Leichtigkeit nachzuahmen. Aber ihre Neugier war unübersehbar.

„Vielleicht kann ich das wieder gutmachen, indem ich Sie übermorgen zu uns zum Grillen einlade?“, bot Samantha an, und ihre Augen funkelten neugierig, fast fordernd. „Wir laden die Nachbarn ein, und es wäre doch eine gute Gelegenheit, sich besser kennen zu lernen“.

Ethan zögerte. Ihre Art war ihm etwas zu forsch, aber er lächelte höflich. „Hört sich gut an. Ich würde mich freuen, die Nachbarn kennenzulernen“.

Samantha lächelte übertrieben strahlend. „Gut, dann sehen wir uns übermorgen Nachmittag um vier“. Bevor er antworten konnte, drehte sie sich auf dem Absatz um und verschwand so schnell, wie sie gekommen war, durch die Tür.

Ethan stand einen Moment still und lauschte der plötzlichen Stille, die sich wieder über das Haus legte. Kopfschüttelnd ging er zurück ins Bad, um sich fertig zu machen.

Nachdem er sich die Haare gekämmt und etwas Deodorant aufgesprüht hatte, schnappte er sich seine Autoschlüssel und verließ das Haus. Dabei stieß er mit einer älteren Dame zusammen, die ihn erschrocken ansah.

„Oh! Entschuldigen Sie, junger Mann“, begann sie hastig, „ich war so in Gedanken, dass ich Sie gar nicht gesehen habe“. Ihre Stimme war rau, aber freundlich. Sie trug ein schlichtes Kleid und hielt ein kleines, altes Lederband in der Hand - vielleicht ein Amulett oder ein Erbstück.

Ethan lächelte beruhigend. „Kein Problem, es ist nichts passiert. Ihnen hoffentlich auch nicht?“

„Nein, nein. Es ist nur ... Ich suche meine Katze, Jinny. Sie kommt immer um die Mittagszeit nach Hause, aber heute ist sie nicht aufgetaucht. Ich hoffe, ihr ist nichts passiert“, sagte sie und biss sich nervös auf die Lippen. „Nicht wie der armen Katze von Mrs. Hemsworth“.

Er hob eine Augenbraue. „Was ist mit der Katze passiert?“

„Sie war drei Tage lang verschwunden“, flüsterte die Frau, „bis sie tot hinter dem Haus der Rileys gefunden wurde. Erschossen, mit Schrotkugeln. Kannst du dir das vorstellen?“.

Ethan spürte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. „Wer tut so etwas?“, fragte Ethan entsetzt und spürte, wie sich eine seltsame Beklemmung in seiner Brust ausbreitete.

Die alte Dame, deren graues Haar im milden Licht der Abendsonne fast silbern schimmerte, zuckte nur mit den Schultern. Ihr Gesicht war von Jahren und Sorgen gezeichnet, doch ihre blauen Augen blieben wachsam und scharf, als suchten sie in Ethans Blick nach einer Antwort, die auch sie nicht kannte.

„Niemand hat etwas gesehen oder gehört. Aber es ist nicht das erste Mal, dass hier eine Katze verschwindet oder Schlimmeres passiert. Das passiert immer wieder, und jedes Mal heißt es, es sei ein Unfall gewesen. Aber wie oft kann es ein Unfall sein, wenn es immer die gleichen Häuser sind, hinter denen man die Tiere findet?“. Ihre Stimme war ruhig, fast tonlos, aber es lag etwas Dunkles in ihr, etwas, das Ethan unwillkürlich an eine alte Wunde erinnerte, die nie richtig verheilt war.

Sie senkte den Blick und schüttelte den Kopf, als wolle sie die Erinnerung abschütteln. „Entschuldigen Sie mich, ich will meine Jinny finden, bevor es dunkel wird“. Ihre eben noch so lebhaften Augen wirkten plötzlich müde und ihre Schultern sanken ein wenig nach vorne. „Ich wohne zwei Häuser weiter“, fügte sie hinzu und straffte sich. „Wenn Sie möchten, lade ich Sie am Samstag zum Tee ein. Dann können wir uns in Ruhe unterhalten, ohne diese ganze Aufregung“. Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen.

Ethan nickte langsam. „Danke, das klingt nett. Kommen Sie übermorgen zum Grillfest der Rileys?“. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Frage eine so heftige Reaktion hervorrufen würde.

Die alte Dame erstarrte für einen Moment, als würde der bloße Gedanke an die Einladung eine unangenehme Erinnerung wachrufen. Ihre Augen weiteten sich leicht, und ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als sie sagte: "Oh nein, da gehe ich nicht hin. Sie blickte sich flüchtig um, als wolle sie sich vergewissern, dass niemand mithörte. „Ihr Mann, ja, er ist ein guter Mensch, arbeitet hart und ist immer höflich. Aber sie ...“. Ihre Stimme wurde noch tiefer, und Ethan musste sich etwas näher beugen, um sie zu verstehen. „Seine Frau hat etwas Böses in den Augen. Ein Schatten, der immer dann auftaucht, wenn sie glaubt, dass niemand hinsieht. Nein, ich bleibe lieber zu Hause bei meiner Katze“.

Mit diesen Worten verabschiedete sie sich hastig, fast so, als wolle sie dem Gespräch entfliehen, und setzte ihre Suche fort. Ethan beobachtete sie, wie sie mit schleppenden Schritten die Straße entlang ging, die Schultern leicht gebeugt, als trüge sie die Last all der Geschichten dieser Straße auf ihrem Rücken.

Er sah ihr nach, spürte die seltsame Spannung, die diese Begegnung in ihm ausgelöst hatte, und fragte sich, ob er in seiner neuen Nachbarschaft wirklich so viel Glück erwarten konnte, wie er anfangs geglaubt hatte. Zwei Einladungen am ersten Tag und doch fühlte sich alles unbehaglich und fremd an.

Gerade als er in sein Auto steigen wollte, hörte er laute Stimmen aus dem Haus der Rileys, die die ruhige Abendluft durchschnitten. Samantha Rileys Stimme war schrill und wütend, und Ethan konnte die harten Worte deutlich verstehen. „Bella, habe ich dir nicht gesagt, du sollst dein Zimmer aufräumen? Es sieht hier aus wie in einem Saustall. Und das Geschirr hast du auch noch nicht abgewaschen!“.

Ethan blieb stehen, die Hand auf der Türklinke. Seine Stimme klang ganz anders als das fröhliche, fast übertriebene Lächeln, das Samantha ihm vorhin geschenkt hatte. Jetzt lag ein schneidender Ton darin, eine Wut, die durch die Wände ihres Hauses drang und das Bild der freundlichen Nachbarin, das sie ihm noch vor wenigen Minuten präsentiert hatte, zerschmetterte.

Kopfschüttelnd stieg er schließlich in seinen Wagen und fuhr los. Während er durch die vertrauten Straßen der Stadt fuhr, in der er aufgewachsen war, kreisten seine Gedanken immer wieder um seine neuen Nachbarn. Die alte Dame mit ihren Geschichten über verschwundene Katzen, die Andeutungen über Samantha und der laute Streit, den er gerade gehört hatte - alles vermischte sich zu einem mulmigen Gefühl. Hatte er wirklich den richtigen Ort gewählt?

*

 Die Nachmittagssonne senkte sich langsam über das viktorianische Haus, dessen verwitterte Fassade und kunstvoll geschnitzte Holzornamente Geschichten von Jahrzehnten erzählten.

Hazel war eine stolze Frau von mittlerer Statur, die trotz ihrer 70 Jahre nichts von ihrer inneren Stärke verloren hatte. Ihr schneeweißes Haar, das sie in einem einfachen Knoten trug, leuchtete im Abendlicht, und ihre blauen Augen funkelten vor Stolz auf ihre Arbeit.

Seit Jahren lebte sie allein mit ihrer Tochter Eliana und deren Familie in dem großen Haus, und obwohl sie sich oft zurückgezogen hatte, fand sie in ihrem Garten einen Ort der Ruhe und des Stolzes.

Hazel kniete im Vorgarten, wo sie mit ruhiger Entschlossenheit eine Reihe blühender Begonien pflanzte. Der Geruch der Erde vermischte sich mit dem zarten Duft der Blumen, während die goldenen Sonnenstrahlen den Garten in warmes Licht tauchten. Ihre Hände, von feinen Linien durchzogen und von unzähligen Stunden Arbeit in der Erde gezeichnet, bewegten sich so präzise und sicher, als hätten sie nie etwas anderes getan.

Eliana, eine junge Frau Anfang fünfzig mit glattem, kastanienbraunem Haar, das sie zu einem praktischen Knoten gebunden hatte, und einem strengen Gesichtsausdruck, stieg aus ihrem Auto. Ihre tiefbraunen Augen musterten ihre Mutter besorgt.

„Mutter, das hätte ich doch nachher für dich machen können“, sagte sie besorgt, aber bestimmt, während sie ihre Einkäufe aus dem Auto holte.

Hazel, richtete sich auf und warf ihrer Tochter einen scharfen Blick zu. „Ich bin zwar alt, aber was ich wann und wie mache, dass entscheide immer noch ich selbst!“. Ihre Augen funkelten trotzig, ein Hauch von Lächeln umspielte ihre Lippen.

Seit dem Tod ihres Mannes lebte Hazel zurückgezogen allein mit ihrer Tochter, deren Mann Grayson und den drei Enkelkindern in dem großen Haus. Seit Jahren litt sie an einer schweren Schilddrüsenüberfunktion, die sie ohne Medikamente stark zittern ließ.

Eliana seufzte und sagte in sanfterem Ton: „Mutter, ich meine es gut. Du bist doch nicht mehr die Jüngste!“. Sie warf ihrer Mutter einen liebevollen Blick zu, während sie die Haustür öffnete und den Einkaufskorb abstellte.

Hazel setzte sich auf die Gartenbank, wischte sich die schmutzigen Hände an einer alten Schürze ab und entgegnete: „Ich weiß. Aber zur Abwechslung ist heute mal schönes Wetter, und die frische Luft tut mir gut“.

Eliana schüttelte den Kopf und ging ins Haus, wo ihr Mann Grayson gerade Kaffee kochte. Grayson, ein großer, kräftiger Mann mit gepflegtem Bart und sanften grauen Augen, blickte auf, als sie die Küche betrat. „Du bist schon zu Hause?“, fragte sie ihn überrascht.

Er nickte und lächelte müde. „Ja, ich habe heute früher Feierabend gemacht. Aber du siehst aus, als könntest du einen starken Kaffee vertragen“.

Grayson reichte ihr eine Tasse, und Eliana stieß einen tiefen Seufzer aus, während sie ihre Einkaufstasche auf den Küchentisch stellte.

„Sieht man mir das so deutlich an?“, fragte sie mit einem schwachen Lächeln.

Ihr Mann grinste. „Oh ja, und man merkt es an deiner Stimme!“.

Sie nahm einen Schluck Kaffee und sagte dann: „Hast du gesehen, dass Mutter im Vorgarten sitzt und Blumen pflanzt?“.

Er nickte. „Ja, ich habe es gesehen. Warum stört dich das? Lass ihr doch die Freude. Es ist besser, als dass sie wieder den ganzen Tag in ihrem Wohnzimmer sitzt und die Wände anstarrt“.

Eliana seufzte erneut, tiefer diesmal. „Ich stimme dir zu, aber heute Abend dürfen wir uns dann wieder ihr Gejammer anhören, wie schlecht es ihr geht und dass sie keine Lust mehr hat, irgendetwas zu machen. An wem, meinst du, bleibt dann die ganze Arbeit hängen? An mir. Dann habe ich nicht nur unseren Haushalt, um den ich mich kümmern muss, sondern auch noch ihren“.

Ihr Mann nahm einen Schluck von seinem Kaffee und sah sie ruhig an. „Lass ihr die Freude, Eliana. Sie braucht das. Es ist besser, als dass sie drinnen sitzt und den ganzen Tag an den Tod deines Vaters denkt oder die Wände anstarrt“.

Eliana lehnte sich an die Theke, die Tasse fest in ihren Händen haltend. „Ich weiß, du hast recht. Aber du weißt auch, wie es endet. Ich werde am Ende des Tages alles erledigen müssen. Es bleibt immer an mir hängen“. Ihr Gesicht spiegelte die Erschöpfung wider, die sich in ihr angesammelt hatte.

Grayson stellte die Kaffeetasse sanft auf den Tisch und legte seine Hand warm auf Elianas Schulter, sein Daumen strich beruhigend über ihren Arm. „Ach komm, es wird schon nicht so schlimm sein“, sagte er mit einem aufmunternden Lächeln. „Übrigens, Samantha Riley war vorhin hier. Sie hat nach ihrer Tochter Bella gesucht und uns ganz nebenbei zu einer Grillparty für übermorgen eingeladen“.

Eliana schnaubte leise und verzog das Gesicht, während sie mit den Händen durch die Einkaufstüten fuhr. „Schon wieder eine Feier bei den Rileys?“. Ihre Stimme triefte vor Ungeduld. „Es scheint, als wüssten sie nicht, wie sie ihre Zeit sonst verbringen sollen. Seitdem sie hier sind, haben sie bestimmt schon zehn oder zwölf Partys geschmissen. Immer dasselbe“.

Grayson lachte, dieses tiefe, brummende Lachen, das immer einen Hauch von Gelassenheit in die Situation brachte. „Ja, genau das habe ich mir auch gedacht. Sie kam mit ihrer typisch aufgesetzten Freundlichkeit – wahrscheinlich ist die Sache mit ihrer Tochter nur ein Vorwand gewesen, um uns einzuladen. Du kennst ja Samantha“.

Eliana grinste spöttisch und schüttelte leicht den Kopf. „Weston ist ja in Ordnung, auch wenn er gerne angibt. Aber sie…“. Sie hielt inne, als ob sie nach den richtigen Worten suchte. „Sie ist einfach dumm. Bei jedem Gespräch, sei es über Politik, Kultur oder etwas Tiefgründigeres, habe ich das Gefühl, dass sie keine Ahnung hat. Es ist, als würde ich ständig gegen eine Wand reden".

Grayson zog sie näher an sich, seine Arme schlossen sich schützend um ihre Schultern, und er lachte leise in ihr Haar. „Ja, Samantha ist ein Fall für sich. Aber es wäre trotzdem eine gute Gelegenheit, mal wieder rauszukommen. Und hey, es sind auch noch andere Nachbarn da. Du wirst sicher jemanden finden, mit dem du dich besser unterhalten kannst“.

Eliana seufzte, doch diesmal lag ein weiches Lächeln auf ihren Lippen. „Na gut“, sagte sie und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange. „Weil du es bist“.

Sie begann, die Einkäufe auszupacken, und plötzlich fiel ihr etwas ein. „Hat Weston eigentlich die Schubkarre zurückgebracht, die er sich ausgeliehen hat?“.

Grayson seufzte und schüttelte den Kopf. „Nein, bisher nicht. Aber die Grillparty wäre eine gute Gelegenheit, ihn daran zu erinnern“. Er hob beschwichtigend die Hände, als er Elianas Blick sah, der sich für einen Moment verhärtete.

„Vergiss es nicht wieder“, sagte sie streng, während sie die Butter in den Kühlschrank stellte. „Er hat sich schon öfter Dinge bei uns ausgeliehen und sie erst nach mehrfacher Erinnerung zurückgebracht“.

„Ich weiß“, antwortete Grayson und rieb sich nachdenklich das Kinn. „Als er sich den Akkuschrauber geliehen hat, musste ich ihn dreimal daran erinnern. Jedes Mal sagte er mir, er hätte so viel zu tun, dass er es vergessen hätte“.

Eliana fischte eine Gemüsepackung aus der Tasche und warf sie entschlossen in die Gemüsekiste. „Ja, aber was macht er eigentlich den ganzen Tag? Ich sehe ihn immer nur wie ein aufgescheuchtes Kaninchen durch den Garten hoppeln. Und ehrlich gesagt frage ich mich manchmal, womit er eigentlich sein Geld verdient“.

Grayson lachte und hob die Schultern. „Das frage ich mich auch. Aber egal, wenn wir ihn auf der Grillparty sehen, werde ich ihn definitiv daran erinnern“.

In diesem Moment trat Hazel ins Haus. Ihre Hände waren noch mit Erde beschmiert, doch ihre Augen leuchteten zufrieden. Sie strich sich die schmutzigen Hände an ihrer alten Schürze ab, bevor sie ihre Tochter und ihren Schwiegersohn ansah. „Na, ihr zwei scheint ja gut drauf zu sein. Was gibt es denn so Lustiges?“. Ihre Stimme klang warm, doch die Müdigkeit der vergangenen Jahre schwang leise darin mit.

Eliana und Grayson tauschten einen schnellen Blick aus, bevor Eliana antwortete: „Ach, nichts, Mutter. Wir haben nur über das Grillfest bei den Rileys gesprochen. Hast du vielleicht Lust mitzukommen?“.

Hazel lächelte sanft, aber auch ein wenig wehmütig. „Ach, meine Lieben“, sagte sie leise, während sie sich vorsichtig hinsetzte. „Ich denke, ich werde lieber zu Hause bleiben. Die jungen Leute sollen ihren Spaß haben. Außerdem kann ich hier auf das Haus aufpassen“.

Eliana beugte sich zu ihrer Mutter hinunter und küsste sie zärtlich auf die Wange. „Wie du möchtest, Mutter. Aber du weißt, dass wir immer für dich da sind, oder?“.

Hazel sah ihre Tochter mit einem liebevollen, fast melancholischen Blick an. „Ich weiß, mein Schatz. Danke“.

Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch in den einfachen Worten lag eine tiefe Dankbarkeit, die das stille Band zwischen ihnen stärkte. Sie sah ihre Familie an und für einen Moment schien es, als wäre das große Haus, in dem sie lebten, trotz all seiner Ecken und Kanten, ein sicherer Hafen in einer sich ständig verändernden Welt.

 

*

Der Abend hatte die Landschaft in ein samtiges, dunkles Blau getaucht, als Weston Kaczmarek die knarrende Tür zu Caleb Stuarts Cottage öffnete. Ein Hauch von Feuchtigkeit und Moos schlich sich ins Haus, während die Umgebung draußen immer stiller wurde.

Das Haus selbst stand einsam am Rande eines tiefen Waldes, dessen Bäume wie uralte Wächter über die Geheimnisse der Wildnis wachten. Die Hütte war eine seltsame Mischung aus behaglicher Zuflucht und bedrohlichem Unterschlupf. Im Hintergrund loderte die prasselnde Wärme des Kamins, doch die Schatten an den Wänden schienen tiefer zu sein als die der knorrigen Bäume draußen. Jagdtrophäen mit stummen, leeren Augen hingen an den rauen Holzwänden, Zeugen von Calebs Leben in der Wildnis.

Caleb, groß wie die alten Eichen, die den Wald säumten, stand an der massiven Theke aus grobem Holz. Sein Gesicht, vom Wetter gegerbt, mit tiefen Furchen, die von Jahren in der Wildnis erzählten, war so unbeweglich wie eine steinerne Statue. Doch seine Augen, scharf wie die eines Raubtiers, fixierten Weston, während er wortlos zwei Flaschen Bier öffnete. Der Geruch von Holzrauch und Leder lag in der Luft, während draußen der Wind das Rascheln der Blätter verstummen ließ.

Weston, mit seiner auffallend lässigen Art, ließ sich schwer auf das abgewetzte Ledersofa fallen. Ein halbherziges Lächeln umspielte sein Gesicht, doch in seinen dunklen Augen blitzte etwas Gefährliches auf. „Du kommst doch morgen zu unserer Grillparty, oder?“, fragte er beiläufig, als wäre es nicht wichtig. Doch seine Haltung, zu entspannt, seine Worte, zu glatt, verrieten etwas anderes.

Caleb nahm einen tiefen Schluck aus seiner Flasche, die Finger fest um den Bierhals geschlungen. Die Dämmerung draußen schien tiefer zu werden, als würde der Wald die Dunkelheit gierig verschlingen.

„Das kann ich dir noch nicht genau sagen“, antwortet Caleb nach einer langen Pause, seine Stimme tief und rau. „Es gibt viel zu tun“. Die Müdigkeit in seinen Worten war unüberhörbar, aber darunter lag noch etwas anderes - ein Hauch von Unsicherheit.

Weston, jetzt mit hochgezogenen Augenbrauen, musterte Caleb. Sein Lächeln war verschwunden, und für einen kurzen Moment schien die behagliche Wärme des Raumes zu erkalten. „Du bist mir noch einen Gefallen schuldig, Caleb. Vergiss das nicht“. Die Worte kamen leise, aber sie hingen schwer im Raum, wie eine unsichtbare Last, die sich auf die Schultern der Männer legte.

Calebs Gesicht verhärtete sich, seine Stirn legte sich dabei in tiefe Falten. „Ich habe dir bereits mehr als einen Gefallen getan“, erwiderte er mit ruhiger, aber spürbar angespannter Stimme. „Oder hast du die Sache von neulich schon vergessen?“. Die Wut, die in Calebs Stimme mitschwang, war beherrscht, aber seine Hände schlossen sich um die Flasche.

Weston lachte kurz, kalt, fast mechanisch. Er lehnte sich zurück und legte die Arme lässig auf die Lehne des Sofas, als hätte er die Situation bereits vollkommen unter Kontrolle. „Nein, Caleb, ich habe es nicht vergessen. Ich bin dir auch dankbar“. Aber die Art, wie seine Augen funkelten, verriet etwas anderes. Es war keine Dankbarkeit, es war Berechnung, vielleicht sogar Verachtung.

Calebs Blick verfinsterte sich noch mehr. „Dann sind wir uns ja einig. Und ehrlich gesagt halte ich es für keine gute Idee, dass ich zum Barbecue komme. Samantha würde das nicht gutheißen“. Seine Worte waren wohlüberlegt, aber jedes einzelne fiel wie ein Stein in die Stille des Raumes.

Für einen Moment verhärtete sich Westons Gesicht, als ob der Name seiner Frau etwas in ihm berührte, dass er nicht kontrollieren konnte. Doch dann setzte er wieder sein gewohnt charmantes Lächeln auf. „Überlassen Sie Samantha mir“, sagte er fast zu leichtfertig. „Die Sache von neulich habe ich längst geklärt.“

Caleb hob skeptisch eine Augenbraue, seine Stimme klang schärfer als zuvor. „Ach ja? Wie du die Sache mit dem Kaninchen geregelt hast, nehme ich an?“. Seine Worte trafen wie scharfe Pfeile, und die Spannung zwischen den beiden Männern war mit Händen zu greifen.

Westons Lächeln verwandelte sich in ein hasserfülltes Grinsen. „Samantha fand es nicht besonders lustig, aber ich habe es genossen". Seine Stimme klang kalt, und in seinen Augen funkelte etwas Dunkles, das Caleb unbehaglich machte.

„Du hast ihr also nicht gesagt, dass es deine Idee war, den Hund mitzubringen?“, fragte Caleb mit gefährlich ruhiger Stimme. „Und dass du darauf bestanden hast, ihn auf die Tiere loszulassen?“. Wut brodelte in Calebs Brust, aber er zwang sich, ruhig zu bleiben.

Weston zuckte nur gleichgültig die Schultern. „Kleinigkeiten“, sagte er in einem Ton, der jede Verantwortung von sich wies. „Ich habe mich darum gekümmert. Samantha muss nicht alles erfahren. Vor allem nicht, wie sehr mich diese Viecher anwidern“.

Caleb atmete tief durch und trank einen weiteren Schluck Bier, als würde der Alkohol die aufsteigende Wut in ihm dämpfen. „Du zahlst einen hohen Preis für deinen Frieden, Weston“, murmelte er, seine Stimme dunkel und rau wie der Wald draußen.

Weston ließ sich Zeit, bevor er antwortete, die Augen immer noch kalt und berechnend auf Caleb gerichtet. „Manchmal muss man etwas riskieren, um zu gewinnen“, sagte er leise, fast wie eine Feststellung, aber die Drohung darin war unüberhörbar.

Das Schweigen, das folgte, war dicht und schwer, als wäre der Raum selbst Zeuge einer Vereinbarung, die keiner der Männer laut aussprechen wollte. Draußen heulte der Wind durch die Bäume, und es war, als würde der Wald atmen - unruhig, bedrohlich.

„Sieger? Du hast eine seltsame Definition für dieses Wort, Weston“, sagte Caleb und schüttelte den Kopf. Seine Stimme klang rau, als spräche er nicht nur zu Weston, sondern zu einem unsichtbaren Gewicht, das den Raum beschwerte. „Was ist mit Mrs. Reed und ihrem Sohn? Mit denen teilt ihr euch ein Haus. Und du glaubst ernsthaft, du gewinnst, indem du sie vergraulst?“. Calebs Augen fixierten Weston, scharf und wachsam wie die eines Jägers, der den wahren Feind wittert.

Westons Augen funkelten im schwachen Licht des Raumes, eine Mischung aus Berechnung und Stolz. „Ich habe bereits einen Plan. Bis Ende des Jahres habe ich sie so weit, dass sie freiwillig ihre Wohnung verkaufen“, sagte er mit einer Stimme, die gleichzeitig selbstsicher und kalt klang, als wäre das Schicksal der Reeds nur eine weitere Herausforderung auf dem Spielfeld seines Lebens.

Calebs Blick verfinsterte sich. „Und wenn sie nicht verkaufen?“. Seine Stimme klang jetzt scharf, fast bedrohlich, als wüsste er genau, wohin dieses Gespräch führen würde.

Westons Lächeln verschwand und ein dunkler Schatten trat in seine Augen. „Samantha will das ganze Haus, und sie wird bekommen, was sie will“, sagte er mit Nachdruck, aber die Worte hatten eine andere Schärfe. Nicht nur für Samantha.

Calebs Gesicht blieb ausdruckslos, aber seine Stimme war leise und voller Erkenntnis. „Nicht für Samantha“, sagte er fast im Flüsterton. „Sondern für deine Kinder. Du willst nicht, dass sie durchmachen müssen, was du durchgemacht hast, als deine Eltern sich getrennt haben“. Die Worte trafen Weston tief, auch wenn sein Gesicht das nicht verriet. Caleb wusste, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte.

Westons Gesicht verhärtete sich, seine Kiefermuskeln spannten sich an, seine Augen wurden hart wie Stahl. „Das ist meine Sache. Nicht deine“, knurrte er, die Hände zu Fäusten geballt. Jeder Muskel in seinem Körper war angespannt, als würde er gleich explodieren.

Caleb ließ sich nicht einschüchtern, obwohl er die gefährliche Spannung im Raum spürte. „Es könnte dich eines Tages alles kosten“, sagte er, und in seiner Stimme lag die Schwere eines Mannes, der schon zu viele falsche Entscheidungen getroffen hatte. Seine Worte schwebten zwischen ihnen wie ein drohendes Omen, während draußen der Wind gegen das Fenster schlug und die Bäume im Wald wie geisterhafte Schatten tanzten.

Das war zu viel für Weston. Mit einem Ruck sprang er von seinem Stuhl auf, die Hände zu Fäusten geballt, die Knöchel weiß vor Anspannung. „Ich werde gewinnen!“, fauchte er, sein Gesicht eine Maske aus Wut und Frustration. „Ich habe noch ein Ass im Ärmel, Caleb. Und glaub mir, wenn es sein muss, werde ich ihn gegen Samantha ausspielen“. In seiner Stimme schwang unterdrückter Wahnsinn mit, und in diesem Moment wurde Caleb klar, wie weit Weston zu gehen bereit war.

Caleb starrte seinen alten Freund an, suchte nach einem Funken Menschlichkeit in seinen Augen, fand aber nur Entschlossenheit und eine beunruhigende Leere. „Du machst einen Fehler, Weston. Irgendwann wird es dich alles kosten“, sagte er schließlich, und seine Stimme klang fast resigniert, als wüsste er, dass er Weston nicht mehr aufhalten konnte.

Weston lachte, aber es war ein kaltes, humorloses Lachen, eher ein spöttisches Aufblitzen. „Nicht solange sie die Mutter meiner Kinder ist“, sagte er, und sein Lächeln war eine Mischung aus Spott und Verachtung. Dann drehte er sich abrupt um, als sei die Diskussion beendet. „Also, was ist mit dem Barbecue?“, fragte er beiläufig, als hätten sie gerade über das Wetter gesprochen.

Caleb spürte die Anspannung in seinen Schultern und atmete tief durch, um den aufsteigenden Ärger zu unterdrücken. „Ich werde darüber nachdenken“, sagte er schließlich und zwang sich, ruhig zu bleiben. Es war nicht die Zeit für weitere Diskussionen, nicht mit einem Mann, der bereit war, alles und jeden zu opfern, um zu bekommen, was er wollte.

Sie verabschiedeten sich kurz, und Weston verließ das Haus, seine Schritte schwer und entschlossen. Caleb blieb am Fenster stehen und sah Weston nach, wie er in die mondbeschienene Nacht hinaustrat, die kühle Herbstluft umwehte ihn, während seine Gestalt langsam im Schatten der Bäume verschwand. Die gepflasterte Straße lag in einem unheimlichen Licht, und die langen, dunklen Schatten des Waldes schienen bis zum Haus zu reichen, als wollten sie es verschlingen.

„Worauf habe ich mich nur eingelassen?“, murmelte Caleb leise zu sich selbst, während draußen der Wind heulte. Er wandte sich vom Fenster ab und ging ins Bad. Das Licht reflektierte sein müdes Gesicht im beschlagenen Spiegel. Seine Augen sahen schwer und ausgebrannt aus, wie die eines Mannes, der mehr Last trägt, als er zugeben will. Mit kaltem Wasser versuchte er, die Sorgen und den Schmutz des Tages abzuwaschen, doch das mulmige Gefühl in seinem Bauch blieb, fest wie ein Fels.

Zurück im Wohnzimmer griff Caleb nach einem alten Fotoalbum, dessen vergilbte Seiten von einer Zeit erzählten, in der das Leben noch einfach gewesen war. Er blätterte mechanisch durch die Bilder, ohne wirklich hinzusehen, während draußen ein Hund heulte und der Wind durch die Bäume pfiff. Ein Schatten legte sich über Calebs Gedanken, und für einen Moment fragte er sich, ob es einen Weg zurück gab, aus dieser Dunkelheit, die Weston mit sich gebracht hatte.

 

2

 

Es war noch früh am Morgen, als Cora Hughes die letzte Schaufel Erde glattstrich und sich erhob. Der Garten lag still da, nur die schwache Brise ließ die Blätter leise flüstern. Cora, mit ihren scharfen Zügen und dem konzentrierten Blick, wirkte wie eine stille Regentin inmitten ihres Reichs.

Die kastanienbraunen Strähnen, die sich aus dem lockeren Knoten gelöst hatten, tanzten sanft im ersten Hauch der Morgendämmerung. Die Sterne verblassten am Horizont, während die ersten zaghaften Sonnenstrahlen die Dunkelheit verdrängten. Sie atmete tief durch, spürte die Kühle der Nacht auf ihrer Haut und das leise Pulsieren des erwachenden Tages.

Der verwilderte Garten, einst stolzes Schmuckstück des alten Herrenhauses, war wie ein ungezähmtes Biest, dass sie nach und nach zu zähmen versuchte. Jede Pflanze, jeder Strauch schien ein Geheimnis zu verbergen, als ob die Vergangenheit des Hauses in seinen Wurzeln eingeschlossen wäre.

Es war Zeit, das Werkzeug wegzuräumen und sich zurückzuziehen, bevor die Nachbarn erwachten und das vertraute Geräusch von Rasenmähern und Autotüren die nächtliche Stille zerriss.

Hinter ihr erhob sich majestätisch das Haus, ein Bauwerk aus vergangenen Zeiten. Die verwitterten Ziegel, die einst in warmen Rottönen geleuchtet hatten, wirkten nun wie blasse Schatten ihrer selbst. Es hatte eine Aura der Vergänglichkeit, aber auch eine stille Würde, die in jeder Ritze und in jedem knarrenden Balken steckte.

Cora betrat das Bad und wusch sich die erdigen Hände. Ihr Spiegelbild blickte ihr entgegen, grüne Augen unter langen Wimpern, ein Gesicht, das trotz der Erschöpfung Zufriedenheit ausstrahlte.

Sie wusste, dass der Garten ihr etwas gab, was das hektische Tageslicht nicht bieten konnte: Ruhe und Zeit für sich. Als sie die Fenster ihres Schlafzimmers öffnete, wehte eine kühle Brise herein, die den Duft von feuchtem Gras und taufrischen Blumen mit sich trug, wie ein leises Versprechen des Tages.

„Was für ein herrlicher Tag“, murmelte Cora, während ihr Blick über den Garten schweifte. Die Vögel draußen begannen mit ihrem zaghaftes Morgenlied, und in diesem Moment war alles in perfektem Einklang, zumindest für einen flüchtigen Augenblick.

Mit einem leichten Seufzen machte sie sich auf den Weg in den Keller, ihrem Zufluchtsort, ihrem Reich – das Fotolabor. Der Raum, kühl und still, war wie ein Paralleluniversum. Die gedämpfte Beleuchtung legte sich sanft auf die unzähligen Fotografien, die die Wände zierten.

Es waren keine bloßen Bilder, sondern eingefangene Momente voller Leben: lachende Kinder, die im Sonnenlicht tanzten, sternenklare Nächte, die viele unendliche Geschichten erzählten, und alltägliche Szenen, die in ihrer Einfachheit berührten. Jedes Bild war ein Fragment von Coras Seele, ein Zeugnis ihrer unermüdlichen Suche nach Schönheit und Bedeutung im Banalen.

Als sie vor dem Entwicklerbecken stand, war es, als halte sie den Atem an. Die Chemikalien tanzten ihre unsichtbaren Tänze, und nach und nach enthüllten sich die Bilder, als würden sie aus einer anderen Welt auftauchen. Der scharfe, metallische Geruch des Fixiermittels vermischte sich mit der kühlen Kellerluft, und das gleichmäßige Ticken der Uhr dehnte die Zeit. Doch die Harmonie wurde jedoch jäh unterbrochen, als das schrille Klingeln der Türglocke die Stille zerriss.

Cora zuckte zusammen. „Wer mag das wohl sein?“, fragte sie sich, während sie sich die Hände hastig an ihrer Schürze abwischte. Ihr Herz schlug schneller, ein unangenehmes Gefühl kroch in ihr hoch. Sie eilte die knarrende Treppe hinauf und öffnete die Tür.

Vor ihr stand Mrs. Greenberg, die von Angst und Sorgen gezeichnet waren. Ihr zerzaustes Haar und die hastig übergeworfene Strickjacke verliehen ihr das Aussehen einer verlorenen Seele. „Haben Sie in den letzten Tagen vielleicht meine Ginny gesehen?“, fragte sie mit zittriger Stimme, und die Verzweiflung in ihrem Blick schnitt tief.

Cora fühlte einen schmerzhaften Stich in ihrer Brust. „Tut mir leid, Mrs. Greenberg“, antwortete sie sanft, während sie versuchte, den Schmerz der alten Frau zu mildern. „Ich habe keine Katze gesehen. Vielleicht ist sie unbemerkt an mir vorbeigeschlichen, aber ich werde die Augen offenhalten“.

Mrs. Greenberg seufzte schwer, als ob die Last der Welt auf ihren Schultern ruhte. „Ich weiß nicht, was ich ohne meine Ginny machen soll. Sie ist alles, was ich noch habe“. Ihre Stimme brach, und Cora konnte die Einsamkeit in ihren Augen sehen, eine Einsamkeit, die tiefer ging, als Worte ausdrücken konnten.

Cora erinnerte sich an die Geschichten, die man über Mrs. Greenberg erzählte: Ihr Mann war vor Jahren gestorben, und die Kinderlosigkeit hatte sie in eine Stille gehüllt, die nur ihre Katze zu durchbrechen vermochte. Jetzt, ohne Ginny, schien die Dunkelheit nun endgültig über sie und die Corridor Street hereinzubrechen.

„Das tut mir wirklich leid“, sagte Cora mit aufrichtiger Stimme. „Ich verspreche Ihnen, ich halte Ausschau nach ihr“.

„Danke“, flüsterte Mrs. Greenberg und ging langsam zurück zu ihrem Haus, ihre gebeugten Schultern wirkten noch ein wenig kleiner als zuvor. Cora blickte ihr nach, bis sie in der Ferne verschwand. „Arme Mrs. Greenberg“, murmelte sie leise, bevor sie die Tür schloss.

Zurück in der Küche ließ sie sich eine Tasse Kaffee einschenken. Der heiße Dampf stieg auf, füllte die Luft mit einem Hauch von Behaglichkeit, und für einen Moment ließ Cora sich von der Wärme einhüllen. Doch als sie in ihr Fotolabor zurückkehrte, schien die Stille plötzlich schwerer zu wiegen. Ihre Hände waren ruhig, aber ihre Gedanken wirbelten.

Plötzlich fiel ihr Blick auf ein Bild, das ihr zuvor entgangen war. Sie hielt es hoch, ihre Augen weiteten sich. Im Hintergrund des Bildes, fast versteckt, war eine schemenhafte, gespenstische Gestalt zu erkennen. Eine unheimliche Kälte breitete sich im Raum aus. Cora spürte, wie ihr Herz schneller schlug, als sie das Bild genauer betrachtete und versuchte, die Bedeutung dieses Details zu entschlüsseln. 

*

 

Das einst düstere Haus Nr. 1 in der Corridor Street war kaum wiederzuerkennen. Wo zuvor blätternde Farbe und verwitterte Fensterläden das Bild prägten, glänzte nun eine moderne, schiefergraue Fassade.

Die alten, knorrigen Eichen, deren Äste zuvor wie gespenstische Finger in den Himmel ragten, waren sorgfältig beschnitten und durch zeitgenössische Gartenanlagen ersetzt worden. Die dichten, wilden Büsche wurden durch geometrische, gepflegte Hecken und minimalistische Skulpturen ersetzt, die dem Garten ein kunstvolles und dennoch aufgeräumtes Aussehen verliehen

Große Fenster öffneten das Haus nach außen, ließen Licht herein und verwandelten die früher düstere Atmosphäre in ein helles, offenes Raumkonzept. Die klaren, modernen Linien hatten die alte, verschnörkelte Architektur abgelöst, und Solarpaneele auf dem Dach betonten den nachhaltigen, zukunftsorientierten Charakter des Gebäudes.

Im Inneren setzte sich der Wandel fort: Polierter Beton ersetzte die knarrenden Dielen, und neutrale Wände bildeten die perfekte Leinwand für moderne Kunstwerke.

Der Eingangsbereich war nun von einem stilvollen Glasvorbau geschmückt, der die Räume vom Garten abtrennte und gleichzeitig einen großzügigen Blick auf die neu gestaltete Landschaft ermöglichte.

Die alte, schwerfällige Eingangstür wurde durch eine elegante, schlanke Tür aus Glas und Edelstahl ersetzt, die mit modernen Schlüssel- und Sicherheitssystemen ausgestattet war. Im Inneren des Hauses setzten sich die modernen Umgestaltungen fort.

Die Küche mit Quarzarbeitsplatten und mattschwarzen Schränken war eine Mischung aus Funktionalität und stilvoller Eleganz. Das Wohnzimmer bot mit minimalistischen Möbeln und einem schlichten schwarzen Kamin eine gemütliche und moderne Atmosphäre.

Insgesamt hatte das Haus seine geheimnisvolle Aura der Vergangenheit gegen einen eleganten Stil eingetauscht, der zeitgemäß war. Aus dem alten Gebäude, das wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten wirkte, war ein modernes Meisterwerk geworden, das die Vergangenheit in neuem Licht erstrahlen ließ.

Doch trotz der umfassenden Renovierungen und der modernen Ausstrahlung trug das Haus immer noch ein Geheimnis in sich, das darauf wartete, entdeckt zu werden.

Die Familie Gray bestehend aus Eloise, Enzo und ihr Sohn Gael, hatte das alte Haus vor einigen Monaten geerbt, aber der Ort war ihnen immer noch fremd. Das Erbe war unerwartet gekommen, fast wie ein Schatten aus der Vergangenheit, und das Haus selbst war voller Geheimnisse.

Eloise Gray, eine Frau Anfang vierzig, stand am Fenster und ließ ihren scharfen Blick über den einst verwilderten Garten schweifen. Ihr kurzes blondes Haar war akkurat geschnitten, doch in ihrer Haltung lag eine gewisse Unruhe, als warte sie innerlich auf etwas. Sie wirkte stets beherrscht, fast kühl, aber ihre elegante Kleidung und der schwarze Mantel, den sie oft trug, wirkten wie eine Maske, die eine tiefere Unsicherheit verbarg.

Enzo Gray hingegen strahlte eine ganz andere Energie aus. Der große, kräftige Mann mit dem gemütlichen Bart wirkte auf den ersten Blick wie der ruhende Pol der Familie, aber auch in ihm steckte eine subtile Anspannung, die er durch seine ständige Geschäftigkeit zu verbergen suchte.

Er stand im Wohnzimmer und räumte dabei gedankenverloren auf, seine Hände zitterten leicht. Die Atmosphäre des Hauses schien auch auf ihn zu wirken, so sehr er es auch leugnen wollte.

Dann war da Gael, der fünfjährige Sohn, der sich oft still in den Hintergrund zurückzog. Mit seinen melancholischen, tiefen Augen und der ständigen Dunkelheit unter ihnen wirkte er weitaus älter, als er war. Gael sprach wenig, und wenn er es tat, schwang in seiner Stimme eine Nachdenklichkeit mit, die für sein Alter ungewöhnlich war.

Sein leicht zerzaustes Haar und die schlichte Kleidung verstärkten den Eindruck eines Kindes, das in einer eigenen Welt lebte – einer Welt, die ihn mehr zu beschäftigen schien als die Realität um ihn herum.

An diesem Nachmittag hatten die Grays Besuch. Samantha und Weston Kaczmarek, ein Paar, das ebenso mysteriös wie das Haus selbst wirkte. Samantha, mit ihren scharfen Gesichtszügen und dem silbernen Schmuck, der im schwachen Licht des Raumes funkelte, hatte eine neugierige, beinahe boshaft funkelnde Aura.

Ihre Augen wanderten wachsam durch den Raum, als ob sie versuchte, jedes Detail des alten Hauses in sich aufzusaugen, als könnte es ihr ein Geheimnis verraten. Sie schien von der Geschichte des Hauses fasziniert, aber da war auch etwas Dunkleres in ihrem Blick, ein Verlangen, mehr zu erfahren, als vielleicht gut für sie war.

Weston, groß und schlank, stand stets in ihrer Nähe. Sein analytischer Blick erfasste alles in der Umgebung, als würde er jede Bewegung, jedes Flüstern im Raum in seinem Gedächtnis festhalten. Der Kontrast zwischen seinem maßgeschneiderten Anzug und den weißen Turnschuhen verstärkte die Ambivalenz seiner Persönlichkeit, er war sowohl penibel als auch unkonventionell, ein Mann, der das Spiel der Wahrnehmung beherrschte.

Im großen Wohnzimmer des Hauses, dessen Wände von prächtigen Porträts gesäumt waren, saß die Familie Gray fast verloren zwischen den imposanten, antiken Möbeln. Das Licht, das durch die hohen Fenster strömte, fiel sanft in den Raum und ließ die Bilder in warmem Glanz erstrahlen.

Doch selbst die goldenen Sonnenstrahlen konnten die dichte, unausgesprochene Spannung im Raum nicht auflösen. Die Ruhe war trügerisch, als ob hinter den eleganten Fassaden der Möbel und Gemälde ein unausweichliches Geheimnis lauerte.

Eloise führte ihre Gäste an einen gedeckten Tisch. Der Tee dampfte leise, und die kleinen Sandwiches waren sorgfältig angerichtet, doch die Atmosphäre blieb kühl. Sie setzte sich und lächelte höflich, doch ihr Blick war wachsam, als sie sagte: „Wir haben uns sehr auf euren Besuch gefreut. Wie findet ihr unser Haus?“.

Samantha und Weston tauschten einen kurzen Blick, ihre Augen funkelten. „Es ist faszinierend“, sagte Samantha unverblümt und ließ die Worte mit einer gewissen Schärfe fallen. „Das Haus hat eine interessante Geschichte. Uns interessiert besonders, wie es zu der Erbschaft kam. Soweit ich weiß, hatte die Vorbesitzerin keine Kinder“.

Enzo, der in einer Ecke des Zimmers stand und nervös an seiner Teetasse nippte, verschränkte die Arme. „Wir wissen selbst nicht genau, warum sie es uns vererbt hat. Die alte Dame war sehr zurückgezogen, fast schon... geheimnisvoll“.

Weston trank einen Schluck aus seiner Bierflasche und nickte langsam. „Alte Häuser haben oft ihre eigenen Geschichten. Vielleicht habt ihr einfach Glück gehabt“.

Eloise warf ihrem Mann einen kurzen, fast warnenden Blick zu, bevor sie sich wieder an die Gäste wandte. „Wir kannten sie kaum. Die Erbschaft kam ganz überraschend“.

Gael, der bis dahin still dagesessen hatte, stand plötzlich auf. „Mama, ich gehe in mein Zimmer“, sagte er leise und ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er den Raum.

Eloise warf ihm einen besorgten Blick nach. „Ich komme gleich nach, Schatz. Putz dir schon mal die Zähne“.

Samantha ließ nicht locker. „Seltsam, dass sie das Haus euch hinterlassen hat, wenn ihr sie kaum gekannt habt“.

Enzo lachte kurz, ein nervöses, gezwungenes Lachen. „Alte Menschen sind manchmal eigenartig“.

Die Spannung im Raum war spürbar, aber Eloise verstand es, das Gespräch auf neutralere Themen zu lenken. Weston jedoch schien nicht locker zu lassen, sein Blick wanderte immer wieder neugierig durch den Raum, als suche er etwas, das nur er erkennen könne.

Als die Zeit verstrich, schaute Weston auf seine Uhr. „Wir sollten aufbrechen“, sagte er kühl. „Samanthas Mutter passt auf die Kinder auf“.

Eloise stand auf. „Bevor ihr geht, soll ich euch noch das Haus zeigen?“.

Westons Augen funkelten kurz auf. „Ja, gerne“.

Eloise führte ihre Gäste durch die Räume, doch mit jedem Zimmer schien die Atmosphäre dichter zu werden. Die Möbel erzählten stumme Geschichten, und die Schatten an den Wänden schienen tiefer, je länger sie blieben.

Als Samantha und Weston schließlich das Haus verließen, blieb ein merkwürdiger Nachklang in der Luft zurück. Enzo stellte die Bierflasche auf den Tisch und murmelte: „Ein seltsames Paar, findest du nicht?“.

Eloise lächelte vage. „Ich fand sie nett“.

„Sei trotzdem vorsichtig“, warnte Enzo. „Sie haben zu viele Fragen gestellt“.

Eloise sah ihn durchdringend an. „Was soll schon passieren? Das Haus gehört uns“.

„Man weiß nie, welche Geschichten in solchen Wänden verborgen sind“, sagte Enzo leise. „Und wer weiß, was die Vergangenheit noch ans Licht bringt“.

Eloise sah nachdenklich aus dem Fenster in die tiefe Dunkelheit des Gartens. Die Schatten bewegten sich sanft im Wind, aber es fühlte sich an, als würden sie auf etwas warten, etwas, das noch nicht ganz erwacht war.

 

*

 

Die Abendstimmung im Wintergarten von Samantha und Weston Kaczmarek war von einer trügerischen Ruhe erfüllt. Die großen Fenster öffneten den Blick auf den in sanftes Licht getauchten Garten, wo zarte Lichterketten zwischen den Ästen der Bäume wie Sterne funkelten.

Der Duft von frisch gemähtem Gras und feuchter Erde mischte sich mit dem leisen Summen der Grillen, die die Stille des Abends durchbrachen. Die Kinder schliefen tief und fest in ihren Betten, und Samanthas Mutter war längst nach Hause gefahren. Es war eine Nacht, die friedlich hätte wirken können, doch unter dieser Oberfläche entstanden düstere Pläne.

Weston saß entspannt zurückgelehnt am Tisch, ein Glas Wodka in der Hand. Seine Augen glitten über den Wintergarten, während er nachdenklich sagte: „Das Haus der Grays ist schön geworden, besonders nach den ganzen Umbauten“. In seiner Stimme lag Bewunderung, doch auch etwas Kälteres, ein kalkulierendes Interesse.

Samantha stimmte mit einem leichten Nicken zu. Ihre Augen leuchteten im schummrigen Licht der Lampe, doch ihr Blick war unruhig, fast fiebrig. „Ich wünschte, wir könnten unser Haus genauso umgestalten“, seufzte sie, während ihre Finger nervös auf der Tischplatte trommelten.

Weston legte eine beruhigende Hand auf ihre. „Du weißt, dass es nicht so einfach ist. Mrs. Reed und ihr Sohn halten immer noch die Fäden in der Hand. Solange wir sie nicht loswerden, gehört uns das Haus nicht allein“.

Samantha straffte sich, eine unnachgiebige Entschlossenheit spiegelte sich in ihrem Blick wider. „Das mag stimmen“, sagte sie, ihre Stimme fest, „aber wir werden schon einen Weg finden. Wenn die Grays es geschafft haben, sich dieses Haus anzueignen, ohne die alte Dame richtig zu kennen, dann schaffen wir es auch. Wir müssen nur rausfinden, wie sie es gemacht haben“.

Weston schüttelte langsam den Kopf, ein nachdenkliches Lächeln umspielte seine Lippen. „Da gibt es nur ein kleines Problem: Mrs. Reeds Sohn. Er ist das Hindernis“.

Samanthas Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, ihre Lippen verzogen sich zu einem giftigen Lächeln. „Dann müssen wir ihn eben... irgendwie loswerden. Danach hätten wir freie Bahn“.

Er lachte, ein dunkles, kehliges Lachen, das den Raum zu erfüllen schien. „Dein Ehrgeiz ist bewundernswert, aber die beiden sind wie Pech und Schwefel. Sie lassen sich nicht so leicht trennen“.

Sie verschränkte die Arme, ihre Gedanken rasten. „Gib mir Zeit“, sagte sie leise, fast gefährlich. „Ich finde eine Lösung“.

Weston nahm einen weiteren Schluck Wodka, während er das Glas gedankenverloren drehte. „Erinnere dich, unser letzter Versuch, die beiden auseinanderzubringen, war ein Reinfall. Die alten Bauarbeiten auf der Straße haben uns einen Strich durch die Rechnung gemacht“.

Samantha funkelte ihn an, ihre Worte scharf wie ein Messer. „Ja, weil du nicht aufgepasst hast! Hätte die alte Schachtel das nicht bemerkt, hätten wir dem Sohn den Stromausfall in die Schuhe schieben können“.

„Stimmt“, gab er zu und grinste höhnisch. „Und ich hatte mir solche Mühe mit den falschen Zetteln gegeben, die überall im Haus verteilt waren“.

Sie schnaubte. „Dumm nur, dass niemand sie bemerkt hat“.

Weston lehnte sich vor, seine Augen fixierten ihre. „Das war doch deine Idee, Samantha. Mach mich nicht allein dafür verantwortlich“.

„Keine Sorge“, erwiderte sie mit einem süffisanten Grinsen. „Unser nächster Plan wird perfekt“.

„Hoffentlich“, murmelte Weston. „Es darf nichts mehr schiefgehen. Unser Versuch, Logans Vater zu manipulieren, hat uns schon zu viel Zeit gekostet“.

Samantha sah ihn mit großen Augen an und dachte innerlich: „Daraufhin hatte ich mir etwas anderes ausgedacht, etwas Besonderes, was funktioniert hat“. Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Solange dein Freund Caleb uns nicht wieder dazwischenfunkt, sehe ich keinen Grund, warum unser nächster Plan schiefgehen sollte“.

Er beugte sich näher zu ihr, seine Stimme wurde zu einem leisen, verschwörerischen Flüstern. „Caleb ist kein Problem mehr. Ich habe ihn in der Hand. Er weiß nicht, was ich über ihn weiß. Das Strafverfahren gegen uns wurde nicht ohne Grund eingestellt“.

Sie lächelte, zufrieden mit seiner Antwort, und küsste ihn lange und intensiv. „Gut, dass er die Sache mit dem Hasen nie durchschaut hat. Wer weiß, ob wir ihn sonst auf unsere Seite bekommen hätten“.

Er lehnte sich mit einem breiten Grinsen zurück. „Armer Caleb, hat keine Ahnung, dass alles ein abgekartetes Spiel war. Aber du, Samantha, bist eine verdammt gute Schauspielerin“.

Sie lachte, diesmal ein raues, diabolisches Lachen. „Das Reisen als Schauspielerin würde mich nur nerven. Ich mag es, hier zu sein und die Dinge von zu Hause aus zu regeln“.

„So wie die Sache mit den beiden im Haus gegenüber mit ihrem Campingwagen?“, fragte Weston sie mit einem Augenzwinkern.

Samantha lächelte kalt. „Es war leicht, sie um den Finger zu wickeln. Ein paar freundliche Worte, ein gemeinsames Abendessen, ein kleiner Gefallen hier und da. Sobald ich ihre Schwachstellen kannte, waren sie leichte Beute“.

Weston nahm einen großen Schluck aus seinem Glas, seine Augen schimmerten vor Zufriedenheit. „Sie glauben uns alles. Das wird uns helfen, die Reeds loszuwerden. Danach lassen wir sie fallen wie eine heiße Kartoffel!“.

Sie nickte, und ein Schatten huschte über ihr Gesicht. „Ja, sobald die Reeds aus dem Spiel sind, brauchen wir sie nicht mehr. Mich nervt dieses ständige Fitnessgerede von ihm. Ihre Stimme kann ich auch nicht mehr ertragen. Aber was tut man nicht alles, um ans Ziel zu kommen“.

Weston gähnte und streckte sich. „Es wird spät. Lass uns ins Bett gehen. Morgen ist ein langer Tag“.

Samantha erhob sich, zog ihren seidigen Morgenmantel enger um sich und nickte. „Morgen werde ich Eloise ausfragen. Vielleicht verrät sie mir endlich, wie sie an das Haus gekommen sind“.

Sie löschten das Licht und gingen Hand in Hand in Richtung Schlafzimmer. Draußen, im dunklen Garten, flackerten die Lichter wie ein trügerisches Versprechen. Die Nacht schien schwer von Geheimnissen, und tief in den Schatten des Gartens lauerten Wahrheiten, die nur darauf warteten, ans Licht zu kommen.

 

3

 

 Ethan Hunter war an diesem Morgen noch früher als sonst aufgestanden. Der Himmel trug noch die letzten Spuren der Nacht, ein tiefes Blau durchsetzt mit den fahlen Überresten der Sterne, als er lautlos in seine Laufschuhe schlüpfte und das Haus verließ.

Die kühle Morgenluft umhüllte ihn wie ein Frischehauch, der die letzten Spuren des Schlafes von ihm wischte. Mit langen, gleichmäßigen Schritten glitt seine athletische Figur durch die stillen Straßen, in denen noch alles schlief. Nur hin und wieder mischte sich das Zwitschern eines frühen Vogels in die friedliche Stille, die von dem sanften Rascheln des Windes durchbrochen wurde.

Als er nach Hause zurückkehrte, war die Stadt langsam erwacht. In seiner modernen Küche summte der Kühlschrank leise, während der Duft von frisch gebrühtem Kaffee den Raum durchströmte und sich mit dem milden Aroma des getoasteten Brotes vermischte, dass er sich mit geschickten Händen schmierte.

Das sanfte Klicken des Toasters und das leise Brummen der Kaffeemaschine wirkten fast beruhigend, doch Ethans Gedanken kreisten bereits um das bevorstehende Meeting am Nachmittag. Es war ein wichtiges Treffen, das über den weiteren Verlauf seiner Karriere entscheiden könnte, und er wollte jede freie Minute nutzen, um sich darauf vorzubereiten.

Mit einer Tasse dampfendem Kaffee trat er an das große Küchenfenster. Die Morgensonne begann gerade, ihre ersten goldenen Strahlen über die Dächer der Nachbarschaft zu werfen. Draußen, vor dem Nachbarhaus, bemerkte er Hazel, die ihren Müll nach draußen brachte.

Neben ihr stand ihre Enkelin. Ein sommersprossiges Mädchen mit einem verschmitzten Lächeln. Ihre roten Locken leuchteten im sanften Sonnenlicht, während sie sich fröhlich mit einer älteren Nachbarin unterhielt, die auf dem Bürgersteig stand. Ansonsten war die Straße ruhig und friedlich.

Ethan trank hastig seinen Kaffee aus und sah kurz auf die Uhr. Es war Zeit aufzubrechen. Er schnappte sich seine Aktentasche und ging zur Tür. Kaum hatte er sie geöffnet, stieß er fast wieder mit Mrs. Greenberg zusammen. Die ältere Dame, die sonst ein warmes Lächeln auf den Lippen trug, hatte tiefe Sorgenfalten auf der Stirn.

„Guten Morgen, Mrs. Greenberg“, begrüßte er sie freundlich und trat beiseite, um ihr Platz zu machen.

Mrs. Greenberg blickte überrascht auf. „Oh, Mr. Hunter, entschuldigen Sie, ich habe Sie gar nicht bemerkt. Ihnen auch einen guten Morgen“.

 Ethan lächelte, doch ihm entging nicht, dass etwas sie beschäftigte. „Sind Sie immer noch auf der Suche nach Ihrer Katze?“, fragte er mitfühlend.

Ihre Augen weiteten sich leicht, und sie schlug die Hände zusammen. „Zum Glück nicht! Sie ist heute Morgen zurückgekommen. Ich war so erleichtert. Aber...“. Sie zögerte, bevor sie weitersprach, ihre Stimme wurde leiser. „Es gibt da etwas anderes, das mich beunruhigt“.

„Ist etwas passiert?“. Ethans Stirn legte sich in Falten, als er ihre besorgte Miene bemerkte.

„Mrs. Fenschor, meine Nachbarin, ist ganz außer sich. Ihr Kater wurde gestern im Vorgarten gefunden. Schwer verletzt, stark blutend. Ein Nachbarsjunge hat ihn entdeckt. Stellen Sie sich vor, jemand hat auf das arme Tier geschossen!“.

 Ethan spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. „Wie schrecklich. Wissen Sie, wie es der Katze jetzt geht?“.

„Mrs. Fenschor ist sofort zum Tierarzt gefahren. Zum Glück konnte er dem Kater helfen, aber...“. Ihre Stimme zitterte leicht. „Das ist nicht das erste Mal. Es ist schon die dritte Katze in der Nachbarschaft, die auf diese Weise verletzt wurde“.

 Ethan runzelte die Stirn. „Das klingt wirklich merkwürdig. Aber was meinen Sie mit ‚die dritte Katze‘?“.

„Vielleicht haben Sie noch nicht von Mrs. Reed gehört, Sie sind ja noch nicht lange hier. Sie wohnt in der oberen Etage des Hauses der Rileys. Ihr Mann ist vor einigen Monaten plötzlich gestorben, und seitdem scheint sie immer mehr zurückgezogen zu leben. Es gab Gerüchte, dass auch ihre vorherige Katze plötzlich verschwand. Aber das ist noch nicht alles“. Sie blickte sich vorsichtig um, als wolle sie sicherstellen, dass niemand mithörte, bevor sie weitersprach. „Seit die Rileys hier eingezogen sind, passieren seltsame Dinge. Katzen verschwinden, Dinge werden gestohlen. Und niemand hat ihnen jemals offiziell die Schuld gegeben, aber... es fällt schwer, dass alles als Zufall abzutun“.

 Ethan spürte, wie seine Neugier geweckt wurde. „Sie glauben also, dass die Rileys damit etwas zu tun haben könnten?“.

Mrs. Greenberg nickte langsam. „Ich weiß es nicht, aber ich traue dieser Familie nicht. Sie sind... eigenartig. Aber gehen Sie morgen doch zu der Grillparty, die die Rileys veranstalten. Danach werden Sie sicher selbst eine Meinung haben“.

Bevor Ethan antworten konnte, verabschiedete sich Mrs. Greenberg und ging die Straße hinunter, ihre schmalen Schultern leicht gebeugt. Ethan blickte ihr nach, verwundert über das, was er gerade gehört hatte. Er fragte sich, ob an den Worten der älteren Frau tatsächlich etwas dran sein könnte.

Als Ethan sich umdrehte, hörte er eine vertraute Stimme. „Guten Morgen, Mr. Hunter.“ Samantha Riley stand plötzlich vor ihm. Ihre Augen funkelten, aber auf eine Weise, die fast ein wenig zu intensiv wirkte, als ob hinter ihrem charmanten Lächeln mehr lauerte, als sie preisgab. „Sie kommen doch morgen zur Party, oder?“.

„Mrs. Riley“, sagte er überrascht. Er erwiderte das Lächeln, doch innerlich verspürte er eine seltsame Anspannung. „Natürlich, ich habe Ihre Einladung nicht vergessen“.

Samantha lächelte nun noch breiter, beinahe mechanisch, als ob sie eine perfekt einstudierte Maske trug. „Das freut mich. Dann sehen wir uns morgen Abend. Bis dahin, Mr. Hunter“.

Sie drehte sich um und ging mit bedächtigen Schritten auf das Haus der Grays zu. Ethan sah ihr nach, und ein unangenehmes Gefühl breitete sich in ihm aus. „Sie ist... seltsam“, murmelte er, während er in sein Auto stieg.

Ethan konnte nicht genau sagen, was ihn an Samantha störte, aber es war mehr als nur ihre übertrieben freundliche Art. Etwas in ihren Augen hatte einen scharfen, kühlen Glanz – wie eine Beobachterin, die alles und jeden um sich herum genau im Blick behielt.

Was ihn noch mehr beunruhigte, waren die Gerüchte, die jemand kürzlich über die Rileys fallen ließ. Es schien, als verbargen die ruhigen Fassaden der Häuser weit mehr, als es auf den ersten Blick schien und hinter der idyllischen Stille könnten dunkle Geheimnisse lauern.

 

*

 

„Das ist aber eine nette Überraschung“, sagte Eloise, als sie die Haustür öffnete. Ihre Augen funkelten neugierig im sanften Morgenlicht, das durch das Glas der Tür strömte.

Samantha lächelte strahlend, ihre Augen blitzten vor Freundlichkeit. „Ich wollte mich noch für den wunderbaren Abend gestern bedanken. Es war wirklich schön“.

Eloise winkte ab, als sei der Dank überflüssig. „Ach, das war doch nichts. Komm doch bitte rein, es gibt Kaffee“.

„Gern“, erwiderte Samantha und trat ohne Zögern über die Schwelle. „Ich hoffe, ich störe nicht...“.

„Überhaupt nicht“, beruhigte Eloise sie. „Enzo ist arbeiten, und Gael ist im Kindergarten“. Sie führte Samantha durch das geschmackvoll eingerichtete Wohnzimmer, das in sanften Erdtönen gehalten war und mit eleganten Möbeln sowie kunstvoll arrangierten Accessoires geschmückt war. Der Raum wirkte warm und einladend.

Als sie hinaus in den Garten traten, erblickte Samantha eine wahre Oase der Ruhe und Schönheit. Der Garten war ein kunstvoll gestaltetes Paradies: gepflegte Blumenbeete in leuchtenden Farben und ein Teich, dessen sanftes Plätschern eine fast meditative Atmosphäre erzeugte.

Kleine Schmetterlinge tanzten über die Rosen, und die Luft war erfüllt vom zarten Duft der Blumen und dem feinen Aroma des frisch gebrühten Kaffees, das von innen nach draußen zog.

Samantha seufzte tief und ließ ihren Blick über die Blumenbeete gleiten. „Ich wünschte, unser Garten würde so aussehen“.

Eloise, die inzwischen mit einem Tablett zurückkam, auf dem eine Kanne Kaffee und zwei Tassen standen, lächelte verständnisvoll. „Es ist tatsächlich eine Menge Arbeit, aber es lohnt sich. Wenn du willst, kann ich dir gerne bei eurem Garten helfen. Enzo ist tagsüber beschäftigt, und ich könnte Gael mitbringen. Er könnte ja dann mit Betty spielen“.

Samanthas Augen leuchteten auf. Ihre Tochter Betty war ungefähr im gleichen Alter wie Gael. „Das ist ein großartiges Angebot. Vielen Dank! Habt ihr euch denn schon gut eingelebt?“.

Eloise nickte, während sie den Kaffee einschenkte. „Wir fühlen uns sehr wohl hier. Allerdings hatten wir bisher noch nicht allzu viel Kontakt zu den Nachbarn“.

Samantha lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und lächelte schmallippig. „Da habt ihr auch nicht viel verpasst“.

Eloise hob eine Augenbraue und wurde neugierig. „Warum sagst du das?“.

Samantha machte eine einladende Handbewegung. „Nun, zum Beispiel Mrs. Greenberg. Sie grüßt kaum jemanden, ist ziemlich unfreundlich und ist ständig auf der Suche nach ihrer Katze. Dann gibt es da noch Cora Hughes. Sie ist nur nachts unterwegs. Nett ist sie, keine Frage, aber manchmal frage ich mich, was sie tagsüber so treibt. Weston vermutet, dass sie als Callgirl arbeitet“.

Eloise blickte sie überrascht an, ihre Augen weit aufgerissen. „Wirklich?“.

„Man weiß ja nie“, sagte Samantha und zuckte mit den Schultern. „Dann sind da noch diese schreckliche Lydia Reed und ihr Sohn, mit denen wir uns das Haus teilen müssen. Sie ist eine alte Schreckschraube, und ihr Sohn... nun, er ist nicht der Rede wert. Und Hazel Miller, die etwas verschrobene Nachbarin, und ihre Familie. Ach, ich könnte dir noch so viele Geschichten erzählen, aber ich will dich nicht langweilen“.

Eloises Augen funkelten vor Neugier. „Gar nicht, erzähl mir mehr. Jetzt bin ich richtig gespannt“.

Samantha lächelte verschwörerisch. „Lass uns lieber über etwas anderes reden. Was macht dein Mann eigentlich beruflich?“.

„Er ist selbstständig und führt sein eigenes Bauunternehmen“, erklärte Eloise stolz, während sie sich zurücklehnte und sich eine Lockensträhne aus der Stirn strich. „Manchmal helfe ich ihm bei der Büroarbeit, aber er schafft das auch gut alleine“.

„Das klingt sehr faszinierend“, bemerkte Samantha, ihre Neugier deutlich spürbar. „Ihr scheint wirklich gut aufgestellt zu sein“.

„Ja, Enzo und ich können uns ein gutes Leben leisten, sonst könnten wir uns diesen schönen Garten und das Haus nicht leisten“, sagte Eloise und machte eine ausladende Geste, die das gesamte Gartenparadies umfasste.

Samantha bewunderte die Umgebung und konnte ihre Neugier nicht länger zügeln. „Ihr habt hier wirklich ein wahres Meisterwerk geschaffen. Es ist kaum vorstellbar, wie dieses Haus vorher ausgesehen hat!“.

Eloise nickte stolz, ihre Augen funkelten vor Freude. „Mein Mann hat jede freie Minute hier investiert. Wir sind wirklich stolz auf das, was wir erreicht haben“.

Samantha beugte sich ein wenig vor, ihre Stimme wurde vertraulicher. „Ich muss gestehen, ich bin wirklich neugierig, wie es zur Erbschaft kam“.

Eloise zögerte kurz, dann beugte sie sich ebenfalls vor. „Enzo möchte zwar nicht, dass ich darüber spreche, aber ich denke, ich kann dir vertrauen. Also, es ist so: Mein Vater und die alte Mrs. Patterson haben früher einmal in derselben Firma gearbeitet. Als Kind habe ich oft in diesem Haus verbracht. Nachdem Enzo und ich sie ein paar Mal besucht hatten, fand Enzo das Haus so schön, dass er es unbedingt haben wollte. Wir wussten, dass sie alleinlebend und nicht mehr die Jüngste war. Daher haben wir ihr angeboten, ihr im Haushalt zu helfen und Einkäufe zu erledigen. Die alte Dame war sehr dankbar“.

Sie machte eine bedeutungsvolle Pause, als ob sie überlegen müsste, wie sie weiterreden sollte. „Es war alles andere als einfach und erforderte viel Fingerspitzengefühl. Doch am Ende hat sich unser Einsatz bezahlt gemacht“.

Samantha freute sich innerlich über diese Information. Sie wusste genau, wie sie sie nutzen konnte. Sie sah auf ihre Uhr. „Oh, es ist schon so spät. Bella kommt gleich aus der Schule und hat sicher Hunger“.

„Ja, ich muss auch bald Gael abholen“, sagte Eloise. „Lass mich wissen, wenn du Hilfe im Garten brauchst“.

„Das Angebot nehme ich gerne an. Vielleicht schon morgen, vor der Grillparty?“.

Eloise nickte. „Ich habe morgen noch nichts vor, das passt gut“.

„Perfekt. Dann sehen wir uns morgen Mittag“, sagte Samantha freudestrahlend.

Die beiden verabschiedeten sich herzlich. Als Samantha nach Hause ging, pfiff sie fröhlich vor sich hin. Es schien, als würde sie irgendetwas im Schilde führen.

 

*

 

Hazel hatte gerade den letzten Handgriff in ihrem Garten erledigt, als Mrs. Greenberg vorbeikam. Die Nachmittagssonne tauchte den Garten in ein warmes, goldenes Licht, während Hazel sich den Schweiß von der Stirn wischte und freundlich lächelte. „Guten Tag, Mrs. Greenberg. Wie geht es Ihnen heute?“.

Mrs. Greenberg, deren Gesicht von Erleichterung erhellt wurde, erwiderte mit zitternder Stimme: „Jetzt, wo meine Jinny wieder da ist, geht es mir viel besser“.

Hazel hob eine Augenbraue und runzelte die Stirn. „War sie denn weg?“, fragte sie überrascht, ihre Stimme ließ keine Zweifel an ihrem Staunen.