Countdown - Spiel um dein Leben 2 - Florian Lafani - E-Book

Countdown - Spiel um dein Leben 2 E-Book

Florian Lafani

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Beschreibung

Ein Spiel auf Leben und Tod – und du entscheidest, wer stirbt …

Ein Psychopath entführt in London fünf Menschen. Bald darauf tauchen Videos der Geiseln im Netz auf. Sie sind Teil eines grausamen Spiels: Jeder von ihnen wird live im Internet gezeigt, und die Internetuser entscheiden per Mausklick, wer getötet wird. Um zu beweisen, dass er es ernst meint, bringt der Psychopath den ersten Gefangenen vor laufender Kamera um. Als Tom via Facebook einen Hilferuf seines Freundes Erasmus erhält, denkt er zunächst an einen schlechten Scherz. Doch bald wird ihm klar: Wenn er seinen Freund jemals lebend wiedersehen will, muss er sich auf die Jagd nach dem Killer machen …

Dieses E-Book ist der zweite von vier Teilen von »Countdown. Spiel um dein Leben« und die Fortsetzung des nervenzerreißenden Wettlaufs mit der Zeit! Wie es weitergeht, erfahren Sie im dritten Teil ...

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Seitenzahl: 143

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Was bisher geschah

Colin, Professor an der Universität von Tokio, wird beschuldigt, eine seiner Studentinnen umgebracht zu haben, mit der er eine außereheliche Affäre hatte. Er erwartet, dass seine Frau sein Alibi bestätigt, doch stattdessen belastet diese ihn schwer. Da es keine Beweise gibt, reicht dies allerdings nicht für seine Verurteilung. Obwohl er freigesprochen wird, ist Colin danach vernichtet. Als er herausfindet, dass seine Frau ihm offenbar eine Falle gestellt hat, fehlt ihm die Kraft, für die Wiederherstellung seiner Ehre zu kämpfen. Von allen verlassen, ohne jegliche Hoffnung, begibt er sich an die Klippen von Tojimbo, um sich das Leben zu nehmen.

In London wundert sich Tom, der ständig in sozialen Netzwerken unterwegs ist, über den seltsamen Facebook-Status seines Freunds Erasmus. Eine Art Hilferuf, den er anfangs für ein Spiel hält. Doch als er auf Facebook Freund von einem gewissen Alban M. wird, entdeckt er ein Video, das zeigt, dass Erasmus als Geisel festgehalten wird …

Autoren

Gautier Renault ist 1981 geboren und lebt in Luxemburg. Seit seinem Studium in den USA ist er ein großer Fan amerikanischer Spannungsliteratur. Countdown – Spiel um dein Leben ist sein zweiter Roman bei Blanvalet.

Florian Lafani, 1980 geboren, hat 2009 seinen ersten Roman, La Toile, online geschrieben. Countdown – Spiel um dein Leben ist sein zweiter Roman bei Blanvalet.

Florian Lafani und Gautier Renault

Countdown

Spiel um dein Leben

Thriller

EPISODE 2

Aus dem Französischen von Babette Schröder

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Die Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel Trouble(s) bei Librairie Générale Française/Éditions de l’Epée, Paris.

E-Book-Ausgabe Oktober 2015 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, MünchenCopyright © der Originalausgabe 2014 bei Libraire Générale Française/Editions de l‘EpéeCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2015 by Verlagsgruppe Random House GmbH, MünchenUmschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.comRedaktion: Alexandra BaischBS · Herstellung: samSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN: 978-3-641-18134-5

www.blanvalet.de

2

London – Agentur Artandco11:30 Uhr

Facebook-Freunde von Alban M.: 850

Auf Toms Bildschirm lief das Video in Endlosschleife. Nervös spielte der junge Mann mit seiner Maus, schaffte es jedoch nicht, das Unbehagen, hervorgerufen durch die düsteren Bilder, abzuschütteln. Die Szene war geschickt inszeniert: das fehlende Licht, kein Ton, die knienden Gestalten, die verschlossene Miene von Erasmus … Ein Anblick, der ihn erschütterte, selbst wenn er sich weigerte zu glauben, was dort gezeigt wurde. Die Facebook-Freunde von Erasmus tauschten sich unablässig aus, um zu begreifen, was hier vor sich ging. Die Optimisten unter ihnen hielten es für einen Scherz, die äußerst Besorgten hatten bereits die Polizei verständigt.

Aufgrund seines Berufs suchte Tom nach Hinweisen auf einen Marketing-Gag. Sein Freund hatte nie viel von diesen Tricks gehalten, und Tom bezweifelte ernsthaft, dass er sich auf eine so düstere Werbekampagne eingelassen hätte. Tom kannte Unternehmen, die nicht zögerten, die Öffentlichkeit zu schockieren, um ihre Neugier zu wecken, sie zu überraschen und eine Reaktion hervorzurufen. Noch letzte Woche hatte er selbst eine Analyse von Werbekampagnen vorgestellt, die mit der Neugier der Internetnutzer spielten, indem sie geheimnisvolle Filme im Netz verbreiteten, ohne den kommerziellen Aspekt ihrer Botschaften offenzulegen. Doch auch nachdem er den Film zum zehnten Mal gesehen hatte, gelang es Tom nicht, ein Logo, einen Slogan oder ein Detail auszumachen, durch das sich das von diesem Alban M. gepostete Video einer Marke zuordnen ließe. Welches Unternehmen würde es wagen, einen so beängstigenden Filmausschnitt online zu stellen? Durch diesen Inhalt würde es in enormen Verruf geraten, es sei denn, es würde ein heiteres Ende folgen. Im vorliegenden Fall gab es nichts Derartiges. Blieb die Hypothese, dass es sich um den Teaser einer Fernsehserie handelte, doch Licht und Atmosphäre deuteten nicht auf eine Serie im Stil von »24« hin.

Nach und nach nahm der Gedanke, dass das Leben seines Freundes tatsächlich auf dem Spiel stand, immer mehr Gestalt in Toms Gedanken an, als plötzlich eine neue Statusmeldung von Alban M. erschien:

»Jede rituelle Praxis, jede mythische Bedeutung hat ihren Ursprung in einem wahren Mord.« (René Girard)

In dem Moment schloss sich Tom dem Lager der Besorgten an. Das war nicht die Sprache der Werbung, mit der er es den ganzen Tag über zu tun hatte. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass diese Geschichte stimmte, bei eins zu einer Million lag, war Tom gern bereit, sich bei den 999 999 anderen Malen lächerlich zu machen. Innerhalb weniger Sekunden gründete er eine Facebook-Gruppe, um alle Reaktionen und Informationen zu sammeln, die irgendwo zirkulierten: »Für alle, die mehr über Alban M. wissen möchten«. Er kopierte den Link der Gruppe und postete ihn an der Pinnwand von Erasmus sowie an der einiger ihrer gemeinsamen Freunde, dann lud er so viele Personen wie möglich in die Gruppe ein.

Die Reaktionen ließen nicht auf sich warten. Kaum zwei Minuten später wurde die erste Nachricht an der Pinnwand gepostet.

Laura Greast:»Ich habe die Polizei angerufen, aber die haben mir kaum zugehört. Der Polizist schien keine Ahnung zu haben, wie Facebook funktioniert. Oder was es mit Mark Zuckerberg auf sich hat. Es war unmöglich, mit jemandem zu sprechen, der kompetenter war. Meiner Meinung nach sollten wir alle zum Telefon greifen und 999 oder 112 wählen, damit die begreifen, dass das ernst ist. Man muss die bedrängen.«

Tom zögerte und versuchte, sich noch von einer weniger beunruhigenden Version zu überzeugen als von jener, die sich vor seinen Augen abspielte. Die Mitglieder der Gruppe teilten die Seite so oft, dass ihre Reichweite exponentiell anstieg. Während er alle Suchmaschinen durchforstete, um Informationen über das Video zu erhalten, erschrak er plötzlich. Jemand hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt.

»He, hast du jetzt genug Youtube-Videos geguckt? Man erwartet uns im Meeting«, foppte ihn sein Kollege, immer darauf bedacht, ihm eins auszuwischen.

Tom musste den Schreibtisch verlassen, doch da er sich nicht konzentrieren konnte und es nicht schaffte, den Blick von seinem Handy zu lösen, wurde er zur Ordnung gerufen.

Facebook-Freunde von Alban M.: 1992

Facebook-Gruppe: 1681

London, JustizpalastClara Capland, 35 Jahre

»Sie sind nicht befugt, sich der Methoden derer zu bedienen, die Sie verfolgen, Ms. Capland. Das Gericht ist der Ansicht, dass Sie nicht das Recht hatten, sich in das E-Mail-Konto von Mr. Andy Wood, Journalist bei der Morning Tribune, zu hacken, weil Sie ihn verdächtigen, einen Polizisten bestochen zu haben. Auch als Geheimagentin im Dienste des Königreichs müssen Sie in einer modernen Welt, in der die Technik eine zunehmende Rolle spielt, unter allen Umständen das Gesetz achten und im vorliegenden Fall die Privatsphäre im Internet. Die Beweise, die Sie dem Gericht vorgelegt haben, können nicht für zulässig erklärt werden und rechtfertigen keine Ihrer Handlungen. Das Gericht spricht Mr. Andy Wood deshalb von den Vorwürfen frei und akzeptiert seine Klage als Nebenkläger. Das Gericht befindet Ms. Clara Capland für schuldig, sich Zugang zu Dokumenten verschafft zu haben, indem sie die Privatsphäre des Klägers verletzt hat. Da die Gesellschaft von Polizei und Geheimdienst, dem Sie angehören, zu Recht eine Vorbildfunktion erwartet, und um die Unabhängigkeit der Presse in unserem Land zu stärken, verurteilt das Gericht Ms. Clara Capland zu 15 000 Pfund Sterling Schadenersatz an Mr. Andy Wood.«

Clara hielt sich gut, sie richtete ihre ganze Konzentration darauf, sich ihre Wut nicht anmerken zu lassen. Während sich der Saal leerte, verharrte sie fünf Minuten reglos in ihrem nachtblauen Kostüm, das sie sich eigentlich für angenehmere Momente hatte aufheben wollen. Ihr Anwalt hatte sie von vornherein gewarnt: Die Wahrung der Privatsphäre sei zu einem Pulverfass geworden, kein Richter würde es riskieren, bei diesem Thema Milde walten zu lassen. Ihre Angelegenheit war besonders heikel, da sie die Pressefreiheit und den Schutz der persönlichen Daten im Internet betraf. Darüber hinaus hatten die Zeitungen voller Häme mit dem Finger auf die Methoden des Geheimdienstes gedeutet, der auf die neuen Informationstechniken spezialisiert war. Die Verkündung des Urteils klang ihr noch in den Ohren. Das Gericht war der Ansicht gewesen, dass sie sich weder ihres Amtes noch ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft als würdig erwiesen hatte! Kein Wort über die gelösten Fälle und den Fortschritt bei der Bekämpfung der Cyberkriminalität, kein Wort über ihr Team, das die britische Regierung als wichtiges Mittel gegen die neuen Formen des Terrorismus erachtete.

Clara Capland leitete eine Gruppe, die einige Jahre zuvor gegründet worden war, als man in der Downing Street 10 beschlossen hatte, der Kriminalpolizei Mittel zur Bekämpfung der neu im Internet um sich greifenden Straftaten bereitzustellen. Um rasch zu handeln, hatte die Regierung direkt auf das Know-how der Geheimdienste zurückgegriffen, genauer gesagt auf das des GCHQ – des Government Communication Headquarters. Es stellt das Äquivalent zur amerikanischen NSA dar, der National Security Agency, und hat seinen Ursprung zum Teil in dem Zweig des Geheimdienstes, der seit 1919 mit dem Abhören und der Entschlüsselung der Kommunikation im Ausland beauftragt war. Bekannt wurde es, weil es die geheimen Nachrichten der deutschen Maschine Enigma entschlüsselte. Offiziell existiert es aber erst seit 1983. Diese, irgendwo versteckt im Westen Englands befindliche Geheimdienststelle, hatte den Auftrag, die britische Regierung und andere Geheimdienste des Landes – den MI5 und den MI6 – mit Informationen aus dem Telekommunikationsnetz der ganzen Welt zu versorgen.

Clara gehörte zu den Ersten, die man im GCHQ angesprochen hatte, um ein Londoner Büro unweit der Kriminalpolizei einzurichten. Obwohl sie sich auf diesem Gebiet nicht auskannte, hatte sie die Stelle angenommen, überzeugt, dass sie an ehrgeizigen Missionen mitarbeiten würde und ihre Fähigkeiten in einem noch sehr männlich geprägten Umfeld beweisen könnte.

Während der ersten Monate hatte sie das Büro nicht verlassen, sondern am Computerbildschirm geklebt und kostbare Zeit damit verloren, planlos im Internet zu surfen. Die Aufgabe erschien ihr schwierig. Sie war dazu ausgebildet, die Interessen des Landes im weitesten Sinn zu schützen, doch hier war der Auftrag unklar. Es gehörte ebenso zu ihren alltäglichen Aufgaben, kleine Internetdelikte wie Kreditkartenbetrug und Verleumdung in den sozialen Medien zu verfolgen, wie Netzwerke von Pädophilen oder Terroristen zu zerschlagen. Und all das schien ihr wenig greifbar. Clara hatte sehr schnell das Nötige getan, um eine Verbindung zur Wirklichkeit herzustellen. Und so begleitete sie regelmäßig Polizeibeamte vor Ort, um sich der harten Realität zu stellen.

Als sie ohne ihren Anwalt den Gerichtssaal verließ, traf sie auf ein paar Journalisten, die über die Affäre berichteten und eine erste Reaktion erwarteten. Sie stieß sie grob zurück und bahnte sich entschlossen ihren Weg, während Andy Wood vor den Mikrofonen und Kameras bei den riesigen Eingangstüren aus Eiche paradierte. Er bedachte sie mit einem provozierenden Lächeln, für das sie nur Verachtung übrig hatte. Sie straffte die Schultern und sah zu, direkt an ihm vorbeizukommen, um ihn daran zu erinnern, dass sie ihn um mindestens zwei Köpfe überragte. Während sie davonschritt, drangen einige Worte an ihr Ohr: Justiz, Respekt, Inkompetenz, Meinungsfreiheit … Das erschütterte sie mehr, als sie zugeben mochte. Als würde alles in Frage gestellt, woran sie seit Jahren glaubte. Sogar ihre Berufung.

Durch ihr Studium der Rechtswissenschaften besaß sie einen äußerst analytischen und aufrichtigen Geist. Ihre Arbeit beim GCHQ hatte ihre Prinzipien gemäßigt, da sie in Situationen geraten war, in denen die Grenzen fließend waren. Nie hätte sie gedacht, dass sie einmal gegen Cyberkriminalität ermitteln würde.

Als sie ins Büro kam, war sie nicht überrascht, zum Direktor gerufen zu werden, dem sie seit fünf Jahren unterstand. Inoffiziell gratulierte James McLain ihr, dass es ihr gelungen war, den Nachweis von bestechlichen Polizeibeamten zu erbringen, die vertrauliche Informationen an sensationslüsterne Journalisten verkauft hatten. Offiziell war er gezwungen, sie zu maßregeln, damit seine Vorgesetzten ihn in Ruhe ließen, die sich um das Bild des Geheimdienstes in der Öffentlichkeit sorgten: Er suspendierte sie für einen Monat vom Dienst. Clara nahm es ihm nicht übel, sie wusste genau, dass er ihr voll und ganz vertraute. Hatte er anfangs Vorbehalte gegenüber ihrer Befähigung geäußert, weil er einen Mann für geeigneter hielt, diese Missionen zu erfüllen, so hatte sie sich mittlerweile bewährt. Niemand bestritt mehr ihre Position als vollständiges Mitglied des Geheimdienstes, vielmehr galt sie als aufstrebende Person, der man Verantwortung übertrug.

Als Claire das Büro des Direktors verließ, wandte sie sich an ihr Team und nutzte ihre physische Erscheinung, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen. Sie stand in ihrem Kostüm vor ihnen und zog mit einer Hand mechanisch das Jackett straff, während sie mit der anderen eine Haarsträhne zurückstrich. Auch, wenn sie es ihrem Chef nicht verübeln konnte, machte es sie wahnsinnig, dass sie ihren Posten vorübergehend räumen musste, und mit leidenschaftlichem Blick verschlang sie die sich stapelnden Aktenberge.

»Wir wissen alle, dass wir im Recht sind. Wir konnten nicht zulassen, dass die Presse sich vertraulicher Informationen bemächtigt, um uns zu diskreditieren. Das wirft man uns nun vor. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass wir uns der neuen Kriminalität anpassen müssen, dass wir ohne Unterlass gegen Pädophilie, Piraterie, illegale Sportwetten und Neonazis kämpfen müssen. Und wir müssen dabei neue Vorgehensweisen ausprobieren und das Risiko eingehen, uns zu täuschen. Ja, ich achte die Freiheit ebenso wie die Vertraulichkeit. Ich mache niemandem einen Vorwurf, aber wir müssen fortan ein Team bilden, und ich dulde keine Verfehlungen.«

Claires voller Überzeugung vorgetragene Ansprache verfehlte ihre Wirkung nicht, alle kehrten mit dem Gefühl an ihre Arbeit zurück, einer Sache zu dienen. Ein Webanalyst war in eine andere Abteilung versetzt worden, nachdem er Informationen an den Journalisten Andy Wood gegeben hatte. Als die Liaison zwischen Clara und einem ihrer Vorgesetzten in die Schlagzeilen geraten war, angeblich um einen Mangel an Unabhängigkeit zwischen den Dienststellen zu beweisen, hatte eine Computerüberwachung zu jenem Analysten geführt. Der Artikel von Wood hatte auch ein paar gefährliche Kontakte erwähnt, die von der Gruppe gegen Cyberkriminalität geschützt würden, und dadurch ihre gesamte Arbeit in Misskredit gebracht. Clara war sich der Risiken durchaus bewusst gewesen und hatte die Verantwortung übernommen, als sie jenseits der Legalität ermittelten: Sie hatte sich nicht zurückhalten können und Dany gebeten, sich in das E-Mail-Postfach dieses Journalisten zu hacken.

Dany, 25 Jahre

Hatte Dany auch eingewilligt, seine »illegalen« Fähigkeiten in die Dienste des Gesetzes zu stellen, so hatte er sich sein jugendliches Aussehen bewahrt und wirkte, als wäre er eben erst volljährig geworden. Diese Unsicherheit hatte Claire angesprochen, als sie ihn vor zwei Jahren in ihre Abteilung genommen hatte, um ihn vor dem Gefängnis zu bewahren – damals war er aus Spaß ins Netz der Staatsministerien eingedrungen, um zu zeigen, wie wehrlos diese gegen derlei Hackerangriffe waren. Wie alle guten Hacker liebte er die Herausforderung und die Aufregung, der Erste zu sein, der gewisse Schutzmauern durchbrach. Seine Mitarbeit in der Abteilung hatte im Übrigen die Rekrutierung der Computeragenten revolutioniert: Er hatte die Idee gehabt, einen Wettbewerb zu veranstalten, bei dem ein Code geknackt werden musste. So konnte man den Wert eines Kandidaten beurteilen. Nur jene, die es schafften, den Code zu knacken, erhielten eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. An höherer Stelle hielt man diese Technik der Rekrutierung für politisch nicht korrekt, doch Clara hatte die Sache persönlich in die Hand genommen und erklärt, man müsse sich um gleichwertige Fähigkeiten bemühen, wenn man Ergebnisse erzielen wolle. Die traditionelle Presse und die Kommentatoren im Internet hatten sich schließlich über diese Art der Rekrutierung amüsiert. Die Operation war ein Erfolg. Dany war ihr Küken! Clara ließ ihm genügend Freiheit, sodass er seinen Schwung und seine Wendigkeit nicht verlor.

Zunächst hatte Dany Schwierigkeiten gehabt, seinen Platz in der Abteilung zu finden und war in der ersten Zeit mit einem unguten Gefühl nach Hause gegangen. Er hatte den Eindruck gehabt, nicht am richtigen Platz zu sein. Hinzu kam, dass er sich nur schwer in einem Umfeld behaupten konnte, in dem Beziehungen manchmal über eine ganze Karriere bestimmten. Clara hatte ihn nicht im Stich gelassen, ihm erlaubt, Fortschritte zu machen und ihm mehr Selbstbewusstsein gegeben. Fast zehn Jahre waren sie auseinander, dennoch verband sie eine enge Freundschaft. Zu eng, fanden manche, die darin Anzeichen für eine heimliche Affäre zu sehen meinten. Clara war für Dany eine Bezugsperson, die er auf seine vorsichtige, schüchterne Art in beruflichen Gesprächen beiläufig auch zu persönlichen Angelegenheiten um Rat fragte. Im Gegenzug konnte sie sich darauf verlassen, dass er sie stets über die neuesten Entwicklungen im Computerbereich auf dem Laufenden hielt – sein Wissen wurde von Tag zu Tag ausgefeilter –, damit auch sie auf diesem Gebiet, in dem sich Gewohnheiten und Techniken alle drei Monate änderten, nie den Anschluss verlor.