Crazy America - Michaela Haas - E-Book

Crazy America E-Book

Michaela Haas

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Beschreibung

2017 ist das denkwürdige Jahr, in dem ein fluchender Fernsehstar ins Weiße Haus eingezogen ist. Spätestens jetzt stellt sich die Frage: Haben die Amis sie noch alle? Fakt ist: Trumps Erfolg ist nur möglich, weil es in Amerika so viele Verrücktheiten gibt. Da können wir Europäer nur staunen! So gibt es eine Stadt, in der der Besitz einer Waffe Pflicht ist. In acht US-Staaten ist es erlaubt, sich einen Tiger als Haustier zu halten. Und die Sheriffs schreiten zwar ein, wenn eine Frau am Strand ihr Bikinioberteil ablegt – aber nicht, wenn sie sich eine Knarre kaufen will! Total verrückt, die Amerikaner! Dieses Buch ist ein witziger und grandioser Streifzug durch ihr durchgeknalltes Universum.

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Seitenzahl: 311

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Das Buch

Was ist denn bloß in Amerika los?

In Deutschland, in Europa und überall auf der Welt wundern sich die Menschen, wie es ein politisch völlig unerfahrener Egomane schaffen konnte, in das höchste Amt der Welt aufzusteigen. Fakt ist, dass sich der ungehobelte Milliardär nur deshalb mit wilden Sprüchen ins Weiße Haus rüpeln konnte, weil Amerika tief gespalten ist und viele Verrücktheiten zum Alltag gehören, die in Europa undenkbar wären. Im Mittelpunkt von Crazy America stehen Phänomene, die es in Europa so nicht gibt und die uns helfen können, Amerika besser zu verstehen: von der Stadt, in der Waffenbesitz Pflicht ist, der Renaissance des Hitlergrußes bis zur Legalisierung von Cannabis und den Spleens der Schönen und Reichen. Wussten Sie, dass es in acht amerikanischen Staaten legal ist, sich einen Tiger oder Löwen als Haustier zu halten? Dass die Sheriffs einschreiten, wenn eine Frau am Strand ihr Bikinioberteil ablegt, aber nicht, wenn Sie sich eine AK 47 kaufen? Was halten Sie davon, dass die Polizei die Macht hat, Ihr Bargeld und Ihre Wertsachen zu beschlagnahmen, auch wenn Sie keine Straftat begangen haben?

Ein unterhaltsamer Streifzug durch das verrückteste Land der Welt!

Die Autorin

Dr. Michaela Haas, erfolgreiche Sachbuch-Autorin und freie Korrespondentin in den USA, erforscht die Macken und Tücken, die Amerika einzigartig machen. Sie fragt sich immer öfter, ob Amerikaner und Europäer nicht vielleicht doch von verschiedenen Planeten stammen. Die renommierte Reporterin ist die Autorin der erfolgreichen Amerika-Kolumne »Wild Wild West« im SZ-Magazin und schreibt unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, Geo und DieZeit.

Michaela Haas

Crazy America

Eine Liebeserklärung

an ein durchgeknalltes Land

Originalausgabe

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und

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Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch

unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder

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Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text

enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt

der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten.

Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss.

Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage

Originalausgabe Juni 2017

Copyright © 2017 by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München,

unter Verwendung von Motiven von FinePic®, München

Lektorat: Doreen Fröhlich

DF · Herstellung: kw

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-21345-9V001

www.goldmann-verlag.de

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Inhalt

Das Beste zuerst

Einleitung: Warum ich eigentlich nie nach Amerika wollte, aber nun nicht wieder wegwill

1. Make Amerika Great Again!

Die richtigen Antworten auf die Fragen, die Ihnen garantiert gestellt werden: Wie geht es Ihnen? Was ist los? Wie schmeckt’s?

2. Willkommen im Land der Freien und Tapferen!

Warum der amerikanische Staat 178 Fingerabdrücke von mir hat und was Sie bei der Einreise auf keinen Fall machen dürfen

3. Reisen: Ride Like the Wind

Wie Sie einem happigen Strafzettel entkommen, wo der Stau am schönsten ist und wie in Amerika Parken funktioniert

4. Geschmackssache: Bitte Nachschlag!

Wo Sie ganz großartig essen können und was Sie lieber nicht bestellen

5. Gesundheit! Zahlen Sie Cash?

Wenn Sie das Pech haben, in Amerika krank zu werden, sollten Sie Bargeld dabei haben, viel Bargeld

6. Eat, Pray, Cut: Wer schön sein will, muss schneiden (oder reiben)

Wie Sie mit Nacktschnecken so sexy werden wie Julia Roberts

7. Die besten Kinder der Welt

Haben Sie Ihr Kind schon optimiert?

8. Dollarzeichen: Alles auf Pump

Warum Sie erst kreditwürdig sind, wenn Sie Schulden haben, wieso das Geld in Amerika extrem ungleich verteilt ist und wo die Außerirdischen leben

9. Law & Order: Alles, was Recht ist

Warum in den meisten amerikanischen Staaten die Polizei kommt, wenn eine Frau am Strand ihr Bikini-Oberteil ablegt, aber nicht, wenn sie sich eine AK 47 kauft

10. Bis der Tod uns scheidet

Acht Gründe, die Todesstrafe abzuschaffen. Ein Besuch im Todestrakt von Texas

11. Oh Gott! Ein Halleluja für einen Sex-Club

Wo zieht Amerika die Grenzlinie zwischen echten Göttern und falschen Götzen?

12. Stadt, Land, Schuss

In Amerika werden mehr Menschen von Kleinkindern erschossen als von Terroristen. Ein Gruselmärchen

13. High Society: Pot Bless America

In vielen Staaten ist Cannabis inzwischen legal. Was das für Reisende bedeutet, welche Drogen sonst verbreitet sind und weshalb die Amis Weltmeister im Pillen-Schlucken sind

14. Klassengegensätze: Schwarz auf Weiß

Warum es die Amerikaner unglücklich macht, immer dem Glück hinterherzujagen

15. Feuerdonner bei den Sioux

Ein Besuch bei den Ureinwohnern Amerikas

16. Unterwegs im Trump-Land: In der Welt der Winner und Loser

Exklusive Breaking News aus todsicheren Quellen

17. Tierisch amerikanisch: Gut gebrüllt, Löwe!

In Amerika ist es einfacher, sich einen Tiger zu kaufen als ein Auto

18. Wild Wild West: Randsportart Umweltschutz

Die Spielregeln des doppelten Dosenpfand-Saltos im Braunglas-Weitwurf

Das Wichtigste zuletzt: Von A wie Airstream bis Z wie Zombies

Danke!

Endnoten

Das Beste zuerst

Dies ist das beste Buch, das Sie je über Amerika lesen werden. Ach was, es ist das beste Buch. Punkt. Von der besten Autorin, über das beste Land, den großartigsten Kontinent. Gratuliere!

Gemeinsam können wir noch großartiger werden.

Diese Autorin hat die besten Worte. Sie erfreut sich übrigens auch der besten Gesundheit (körperlich und mental!), der sich je eine Autorin erfreut hat. Da können Sie fragen, wen Sie wollen: Überall auf der Welt wird sie geliebt. Von allen. CEOs, Entscheider, Weise, alle Wichtigen reißen sich um sie. Sie schwitzt übrigens auch nie. Andere Autoren schwitzen (und schwätzen). Diese Autorin könnte nun Namen nennen, sie könnte auspacken, welchen anderen Autoren ein Buch den Schweiß auf die Stirn treibt, in welche Skandale sie verwickelt sind, wer es mit wem treibt, ja, sogar Analphabeten befinden sich darunter, manche von ihnen sollte man einsperren, aber das wäre unter ihrer Würde, zumindest im Augenblick. Vielleicht morgen.

Schon bei der Veröffentlichung dieses Buches war das Publikum größer als bei der Veröffentlichung jedes anderen Buches. Glauben Sie mir!

Das sollten Sie mal sehen, wie wichtig diese wichtige Autorin im wichtigen Amerika empfangen wird!!!!! Sie ist perfekt, sogar die perfekteste. Sie hat auch den besten Charakter. Andere Autoren haben andere Charaktere, die sich an dem Charakter dieser Autorin nicht messen können. Diese Autorin will niemanden runtermachen, aber der witzelnde Watzlawick und der trunkene Hemingway können da einfach nicht mithalten. Glauben Sie mir!

Wenn diese Autorin diese schönen, tollen Sätze schreibt – und ihre Sätze sind wirklich großartige Sätze, geradezu unglaublich großartig –, dann weiß jeder, mit wem er es zu tun hat.

Auch Sie können an dieser Großartigkeit teilhaben. Lassen Sie uns Amerika gemeinsam großartig machen! Größeln Sie!

Sie schreibt Sätze für die Zukunft. Grammatik ist was für Loser. Die Autorin weiß, was Sache ist, weil sie es weiß. Sie wird den Grammatik-Sumpf austrocknen.

Wenn Sie in diesem Buch Fehler finden, dann liegt das an der Tastatur. Oder dem Assistenten der Autorin. Die Autorin hat keinen Assistenten, aber wenn etwas falsch läuft, ist es seine Schuld. Oder die ihrer schlechteren Hälfte. Oder ihres Labradors. Oder des Wetters. Das Mikrofon war manipuliert.

Sie hätte schon 1998 den Literaturnobelpreis erhalten sollen, aber das Komitee war geschmiert. Deshalb wird diese Autorin eine Mauer bauen, eine Sprachmauer, und Wladimir Putin wird dafür bezahlen.

Diese Autorin hat J. D. Salinger überlebt. Sie hat sich länger gehalten als Barack Obama. Hemingway ist Geschichte. Das sind Loser.

Sie haben nun die Wahl: Wollen Sie zu den Gewinnern zählen oder zu den Verlierern?

Wenn Sie an diesem Buch etwas auszusetzen haben, dann sind Sie ein Loser. Sollten Sie nicht freiwillig dem Fanclub beitreten, dann werden demnächst alle anderen Bücher abgeschafft. Sie werden dann schon sehen, was Sie davon haben.

Seien Sie ein Winner! Gewinnen Sie mit der gewinnendsten, besten Autorin der Welt! Sie müssen nur lesen. Das können Sie doch, oder?

Ihre

Beste

Einleitung

Warum ich eigentlich nie nach Amerika wollte, aber nun nicht wieder wegwill

»In America you have a right to be stupid, if you want to be. And I think that’s something worth fighting for.«1

John Kerry

Was ist denn bloß in Amerika los? In Deutschland und überall auf der Welt fragen sich die Menschen, wie es ein unberechenbarer Milliardär (Spitzname: Agent Orange) ohne politische Erfahrung schaffen konnte, zum mächtigsten Mann der Welt aufzusteigen. Wie kann es sein, dass ein Fernsehstar, der Behinderte verunglimpft, Veteranen beleidigt und Frauen als Schweine beschimpft, 62 Millionen Stimmen bekommt? Aber Donald Trumps Erfolg war nur möglich, weil so viele Verrücktheiten in Amerika zum Alltag gehören, die in Europa undenkbar wären.

Amerika ist ein bipolarer Patient: Das Land bringt es fertig, gleichzeitig sexbesessen und prüde zu sein, religiös und materialistisch, extrem arm und unermesslich reich. Amerikaner fliegen zum Mond und senden Sonden zum Mars, haben aber eine Säuglingssterblichkeitsrate wie in der dritten Welt. Sie stemmen sich gegen Einwanderer, stammen aber zum Großteil selbst aus Immigrantenfamilien. Amerika ist ein Melting Pot, ein Schmelztiegel, in dem sich Rassen und Religionen vermischen, aber gleichzeitig sind die alten Wunden des Rassismus nie verheilt. Es sind diese Gegensätze, die mich faszinieren.

Sie können in Amerika durch fünfzig äußerst verschiedene Staaten reisen. Wer auf den Spuren der Roots-Musik durch New Orleans tourt, entdeckt ein ganz anderes Land als ein Star-Chaser in Hollywood. Wer im Bibelgürtel betet, taucht in eine komplett andere Welt ein als der Strandurlauber in Hawaii. Selbst innerhalb der einzelnen Bundesstaaten sind es oft nur ein paar Schritte oder Kilometer, bis man über die nächste Subkultur stolpert. Oder man fährt nur einige Meilen aus einem Moloch wie Los Angeles oder New York hinaus und steht mitten in unberührten Weiten, in denen Berglöwen und Adler jagen. Diese Gegensätze sind viel krasser und unmittelbarer als in Europa.

Im Mittelpunkt von Crazy America stehen Phänomene, die es in Europa so nicht gibt und die uns helfen können, Amerika besser zu verstehen: von der Stadt, in der Waffenbesitz Pflicht ist, den Stau- und Parkgewohnheiten der Amis und der Renaissance des Hitlergrußes bis zur Legalisierung von Cannabis und den Spleens der Schönen und Reichen. Wussten Sie, dass es in acht amerikanischen Staaten legal ist, sich einen Tiger oder Löwen als Haustier zu halten? Dass die Sheriffs einschreiten, wenn eine Frau am Strand ihr Bikinioberteil ablegt, aber nicht, wenn Sie sich eine AK 47 kaufen? Was halten Sie davon, dass die Polizei die Macht hat, Ihr Bargeld und Ihre Wertsachen zu beschlagnahmen, auch wenn Sie keine Straftat begangen haben? »In Amerika hast du das Recht, dumm zu sein«, sagte Außenminister John Kerry bei einem Besuch in Berlin. »Und wir tolerieren das. Ich halte das für eine Tugend, für die es sich zu kämpfen lohnt.«

Als Reporterin habe ich das große Privileg, in Gegenden reisen zu dürfen und mit Menschen zu sprechen, auf die Kurzbesucher nur in Ausnahmefällen stoßen. Als Tourist will man das Schöne sehen, die Highlights, in diesem Buch dagegen beleuchte ich auch einige der Täler, ohne die es die Gipfel nicht geben könnte. In den letzten zehn Jahren war ich in mehr als der Hälfte der amerikanischen Staaten und habe die Macken und Tücken ihrer Einwohner lieben, aber auch fürchten gelernt. Zu meinen intensivsten Erlebnissen, die mein Bild von Amerika prägen, zählen meine Streifzüge durch die Gegenden, in die Touristen selten vorstoßen: Indianerreservate in den Dakotas, die Skid Row, also das Armenviertel von Downtown Los Angeles, die unendlichen Weiten der Rocky Mountains in Colorado.

Es wird Sie vielleicht überraschen, aber ehrlich gesagt habe ich mir nie gewünscht, in Amerika zu leben. Viele Jahre zog es mich immer in die andere Richtung: Bali, Sri Lanka, Indien. Das schien mir aufregend und exotisch. Amerika, fand ich, kannte ich ja schon aus dem Kino und von der gemeinsamen Nordamerika-Reise, die mir meine Eltern zum Abitur schenkten. Da staunte ich vor Ort über die Wolkenkratzer, die Riesenschlitten, das gigantische Feuerwerk am 4. Juli, die überdimensionalen Softdrink-Becher im Fastfood-Drive-Thru, die blinkenden Neon-Reklametafeln, die riesigen Büffel, die sich in den Nationalparks räkelten, und die gemütlichen, familiengeführten Bed & Breakfast-Unterkünfte. Was sollte es darüber hinaus noch groß zu entdecken geben?

Beruflich zog es mich jedoch immer wieder nach New York. Ich kaufte mir Roller Blades und schlitterte damit ungelenk durch den Central Park. Ich interviewte Richard Gere in Manhattan, schlenderte mit den anderen Touristen durch die Läden, um mir billige Jeans zu kaufen, ließ mich von amerikanischen Freunden zu meinem ersten Besuch in einer angesagten S&M-Bar überreden, wo Cher neben mir tanzte – und war dann eigentlich immer wieder froh, heim ins überschaubare München zu dürfen.

Und dann? Fand ich die Liebe meines Lebens in Kalifornien.

Wir lernten uns auf einer Benefiz-Veranstaltung in Boulder, Colorado, kennen. »Warum warst du noch nie in Kalifornien?«, fragte mein Darling, und ich antwortete ehrlich: »Das hat mich nie gereizt.«

Diese Antwort nimmt mir meine bessere Hälfte bis heute übel.

Ach, lag ich falsch! Aber so was von! Heute vergeht kaum ein Tag, an dem mich Amerika nicht überrascht, fasziniert, schockiert, anwidert oder provoziert.

Amerika und ich, wir sind nun schon seit mehr als zehn Jahren befreundet. Jetzt will ich nicht wieder weg.

Und wie das so ist mit wirklich guten Freunden, kennen wir auch unsere Schattenseiten. Amerika ist ein Freund, um den ich mir Sorgen mache; ein Freund, der einige Krankheiten verschweigt; ein Freund, der großspurig mit seinem Reichtum protzt, aber die Stromrechnung nicht bezahlen kann.

Lange dachte ich, die Amerikaner seien die SUV-Version des Europäers: im Prinzip ähnlich gebaut wie wir, nur eben größer, lauter, breiter. Wenn man die Cowboy-Boots, den Akzent und die Knarre wegrechnet, könnten wir Geschwister sein.

Aber inzwischen bin ich trotz der eindeutigen wissenschaftlichen Beweislage davon überzeugt, dass wir unmöglich die gleichen Ahnen haben können. Wir leben nicht nur auf verschiedenen Kontinenten, sondern wir müssen von unterschiedlichen Planeten stammen. Je länger ich hier bin, desto mehr fremdle ich.

Dies ist kein Reiseführer. Im Gegenteil, hier lesen Sie von den Phänomenen, die Reiseführer verschweigen. Crazy America beruht auf den Reportagen, die ich in den letzten zehn Jahren für die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, Brigitte und andere Medien geschrieben habe, vor allem aber auf meinen wöchentlichen Wild Wild West-Kolumnen für das SZ-Magazin. Für dieses Buch habe ich sie aktualisiert, vertieft und gerade aufgrund des Trump-Sieges die neue politische Landschaft gesichtet. Crazy America ist eine subjektive Einführung in die Eigenheiten der Amis. Es sind nicht die Grundsatzdiskurse des Polit-Korrespondenten, sondern die Streifzüge einer Nomadin durch die Unvereinigten Staaten.

Natürlich ist das Leben der meisten Amerikaner nicht viel anders als das der Europäer: Sie fahren ihre Kinder zur Schule, hoffen, dass ihre Ehe hält, und ackern sich dafür ab, ihre Raten abzuzahlen. Aber die extremen Gegensätze, die Amerika zerreißen, machen auch vor »normalen« Amis nicht halt, und ebenso wenig vor Reisenden. Auch wenn Sie zum Beispiel selbst keine Waffen tragen: Sie sind in den USA mit dem Bewusstsein unterwegs, dass der Autofahrer neben Ihnen vermutlich bewaffnet ist. Ein bisschen verrückt ist völlig normal.

Es ist ja kein Zufall, dass Donald Trump mit dem Slogan Make America Great Again! angetreten ist. Die Amerikaner halten sich für die beste Nation der Welt. Und wissen gleichzeitig, dass sie das in vielen Disziplinen nicht (mehr) sind. Wenn es denn unbedingt ein Superlativ sein muss: Ich halte sie für die durchgeknallteste. Aber es ist natürlich gut möglich, dass das an mir liegt und ich die eigentlich Verrückte bin. Urteilen Sie selbst …

1. Make Amerika Great Again!

Thumbs up!

In diesem Kapitel erfahren Sie alles über

• Ein wichtiges Wort, mit dem Sie (fast) überall durchkommen

• Die einzig richtige Antwort auf die allgegenwärtige Frage: Wie geht es Ihnen?

• Worin Amerika tatsächlich einsame Spitze ist

Amerikanisch für Anfänger und Fortgeschrittene

Was den Wortschatz betrifft, so brauchen Sie in Amerika vor allem ein Adjektiv: great! (Also: großartig!) Fortgeschrittene können enthusiastisch hinterherhauchen: Fabulous! Awesome! Amaaazing! (Beachten Sie die dringend notwendigen Ausrufezeichen!)

Dies sind die einzig möglichen Antworten auf die allgegenwärtige Frage: »How are you? Wie geht es Ihnen?« Oder die noch lässigere Variante: »What’s up? Was ist los?« Von jüngeren Amerikanern wird die Einstiegsformel zu einem coolen »’Sup?« verkürzt.

Während in Deutschland eine ehrliche Antwort auf diese Frage völlig akzeptabel ist – ja, das Jammern durchaus zum sozialen Ritual gehört (»Nun, der Flug war ein wenig turbulent, und die Lufthansa-Lasagne schmeckte wie alte Pappe«) –, will in Amerika keiner hören, wie es Ihnen wirklich geht. Eine ehrliche Antwort ist ein grober Fauxpas.

Natürlich war der Flug in der Holzklasse lang und anstrengend, aber hey, wenn Sie einer fragt: Es war GREAT!

Auch wenn Sie von zu Hause erzählen, von Ihren Kindern, Angela Merkel, der Flüchtlingskrise, was auch immer: Great!

Würden Sie in Europa so oft in den höchsten Tönen schwärmen, wären Sie sofort als Angeber verschrien, aber alles andere gilt in Amerika als miesepetrig.

Ich brauche jeweils etwa eine Woche Akklimationszeit, um verbal und emotional den Optimismusschalter umzulegen, wenn ich von einem Kontinent zum anderen fliege. Eine Art mentaler Jetlag.

Steige ich in Los Angeles aus dem Flieger und erzähle, in Deutschland sei alles prima gelaufen – die Eltern wohlauf, die Zeit mit Freunden sehr erholsam, die Konferenz voll innovativer Ideen –, verfinstern sich die Mienen meiner amerikanischen Freunde einfühlsam: Geht’s dir nicht gut? War’s nicht schön?

Dann knipse ich sofort wieder die innere Strahlelampe an und erinnere mich daran, laut zu brüllen: »Great! Totally awesome!!!«

Umgekehrt halten sie mich in Deutschland für durchgeknallt, wenn ich kurz nach der Landung strahlend rufe: »Hey, Daaarlings, alles suuuper???«

»Was ist denn mir dir los?«, fragt dann meine Mutter. »Hast du im Flugzeug zu viel Wein getrunken? Bist du auf Drogen?«

Nein, ich bin nur amerikanisiert.

Ehrlich gesagt, das Sunshine-Getue hat Vorteile. Es ist einfach netter, wenn die Kassiererin freundlich gurrt, »Sweeeeetie, wie läuft’s heute?«, anstatt im Aldi-Format »Macht sechs fuffzich« zu knurren.2 Im Land des Small Talks gehört es dazu, sich gegenseitig zu versichern, wie nett/großartig/toll der andere ist. Andererseits habe ich nicht immer Lust zum Plaudern. Als mich meine beste Freundin Bea in Kalifornien besuchte und ich sie zu Fisch-Tacos am Strand einlud, war sie völlig sprachlos, weil der blond gelockte Surfer-Dude hinter dem Tresen lachend fragte: »Und, was habt ihr beide heute noch so vor?« Sie starrte ihn böse an und flüsterte mir erschüttert zu: »Das geht den gar nichts an!«

Sie ist Französin, und in Frankreich ginge das nicht als Flirt, sondern als plumpe Anmache durch. Dabei ist diese lockere Freundlichkeit hier einfach Standard. Der Surfer erwartet ja auch keine ernsthafte Antwort. »Wir genießen einfach den Tag« reicht da als Small-Talk-Antwort völlig aus. Oder eben: »All great! Alles großartig!« Das geht immer. Sie werden sich wundern, wie weit Sie damit kommen. Wenn Sie um Ihre Meinung gebeten werden, egal ob es um ein Outfit, den neuesten Film oder Amerika selbst geht, sagen Sie bitte nie die Wahrheit, wenn Ihnen etwas nicht gefällt. Im Zweifel müssen Sie sich eben was einfallen lassen. Das Outfit passt gut zu den Augen der Trägerin, der Film ist der ungewöhnlichste, den Sie je gesehen haben, und Amerika ist die großartigste Nation der Welt. Die Amis werden Sie für supernett halten, also für awesome.

Alle sind hier immer beste Freunde – überall, nur nicht in Wirklichkeit. Es ist gut möglich, dass auch nach Jahren das Gespräch nie über Wetter, Golf und Kinder hinausgeht.

Hin und wieder unterläuft mir immer noch der Fehler, dass ich in ein Geschäft gehe und freundlich sage: »Hallo, bitte einmal die Bluse reinigen.« Dann setzt die Dame hinter dem Tresen einen Schritt zurück, sagt betont locker: »Hey, honey, wie läuft’s heute? Prima Wetter, oder?«

Ich muss dann antworten: »Alles super.«

Sie: »Wow, das Kleid, das du anhast, sieht klasse aus! Das bringt deine Figur unheimlich toll zur Geltung.«

Ich: »Danke, deines auch.«

Und dann darf ich endlich meine Bluse auspacken.

Die amerikanischen Rechtsanwältinnen haben gerade gerichtlich durchgesetzt, dass sie vor Gericht nicht mehr als »Honey« oder »Schätzchen« angeredet werden dürfen. Sie empfanden das als Herabsetzung. Ich bin zwar immer für den Schulterschluss mit meinen Girlfriends zu haben, meiner Erfahrung nach wird aber mit den Honigbomben in alle Richtungen geworfen, niemand bleibt verschont. Als ich meine bessere Hälfte zum ersten Mal beim Telefonat mit dem Versicherungsmakler belauschte, schlackerten mir die Ohren: Honey hier, Darling da. »Mit wem hast du denn da gerade telefoniert?«, fragte ich vorsichtig.

»Na, mit dem Versicherungsmakler!«, kam die Antwort.

»Und den nennst du Honey?«

»Aber klar, den kenne ich doch schon seit drei Jahren!«

Natürlich sind ohnehin alle gleich per Du, denn es gibt ja kein förmliches »Sie«. Das ist einerseits enorm unkompliziert, weil jeder sofort »Call me Bill« sagt, selbst wenn es Clinton ist. Andererseits trägt gerade das Fehlen verbaler Eckpfosten zur Verwirrung im sozialen Geflecht bei. Wenn nun der Präsident der Uni, an der ich unterrichte, seine E-Mail mit »Wärmstens, Henry« unterzeichnet, darf ich ihm dann auch »Hallo, Henry« zurückschreiben? Oder verbaue ich mir meine Chance auf den Aufstieg, wenn ich ihn nicht trotzdem weiterhin wärmstens als Mister Präsident, Herr Professor oder Dr. Whittaker adressiere? Darauf wissen auch Amerikaner keine einhellige Antwort. Sehen Sie, Einfachheit ist manchmal ungeheuer kompliziert.

Ähnlich verwirrend ist, dass »Komm vorbei!« oder »Ich ruf dich an!« ebenfalls nicht ernst gemeint sind. Auch das sagen die Amerikaner ständig: »Ihr müsst unbedingt mal bei uns vorbeikommen! Ich zeige euch meine Bibliothek/meinen Swimmingpool/meine neuen Busenimplantate.« (Auch den letzten Satz habe ich tatsächlich schon gehört.)

Glauben Sie dann um Himmels willen nicht, Sie seien wirklich eingeladen. Es wäre enorm unhöflich, ein konkretes Datum vorzuschlagen oder gar später vor der Tür zu stehen. Wenn es der Amerikaner ernst meint, wird er Sie mit einem festen Termin locken, dreimal nachdrücklich nötigen und die Einladung zur Sicherheit noch einmal schriftlich wiederholen. Nur dann gilt’s.

Diese Gewohnheit hat mich am Anfang auf die völlig falsche Fährte geführt. Wenn ich erzähle, was ich beruflich mache (bin Journalistin, schreibe Bücher), reagieren die Amerikaner fast immer mit dreifachen Bravo-Saltos und doppelten Begeisterungspirouetten. »Wow! Komm unbedingt in meinem Rotary Club vorbei!«

Ein Deutscher würde vielleicht höflich entgegnen: »Aha, interessant.« Die Amerikaner werfen stattdessen mit unschlagbaren Angeboten um sich, und zwar ungefragt; ohne Androhung von Repressalien versprechen sie von sich aus, die dollsten Dinge zu tun: »Du, das ist unbedingt was für meinen Podcast! Da machen wir an der Uni eine ganze Wochenendkonferenz drüber! Ruf mich morgen an, damit wir da ernsthaft drüber reden können!«

Übersetzt heißt das: Von mir hören Sie nie wieder.

Alles nicht ernst gemeint. Aber hey: trotzdem awesome!

Ich dich auch.

Das Land der Superlative

Donald Trump gewann mit dem Slogan: Make America Great Again! Also großartig. Großartiger. Am besten: großartigst. Wer länger als fünf Minuten in Amerika ist, wird einen Amerikaner finden, der schwört, Amerika sei die großartigste Nation der Welt.3Welcome to the greatest nation on earth! schreien schon die Anzeigetafeln, kaum ist man aus der Flughafenhalle raus. Ich finde natürlich auch, dass Amerika großartig ist. Sonst wäre ich nicht hier. Aber das großartigste Land der Welt? Da drängt sich der Verdacht auf, die Amerikaner beteuern das so nachdrücklich, weil sie insgeheim wissen, dass sie das in vielen Disziplinen nicht (mehr) sind.

Seit ich in Amerika lebe, haben mir Amerikaner schon erzählt, Amerikaner hätten das Auto erfunden, die Elektrizität und das Telefon. Wussten Sie, dass Bill Gates den Computer entwickelt hat und Steve Jobs das Internet? Ich auch nicht! Außerdem sei Amerika die älteste Demokratie der Welt. Das verkünden Amerikaner im Brustton der Überzeugung. Wenn man sie fragt, wo sie diese Weisheiten herhaben, dann beteuern sie, das lernten sie so in der Schule.

Sorry, Folks, das war nicht Henry Ford, der das erste benzingetriebene Auto baute, das waren die Deutschen Karl Friedrich Benz und Gottlieb Daimler.4 Es war auch nicht Bill Gates, der den Computer entwarf, sondern der Brite Charles Babbage. Und nicht Thomas Watson hat das Telefon erfunden, sondern Alexander Graham Bell, ebenfalls ein Brite. Sein amerikanischer Assistent Watson war allerdings der Erste, der einen Telefonanruf entgegennahm, so viel Ehre muss sein. Und die älteste Demokratie der Welt? Nun ja, das Gerücht hält sich hartnäckig, sogar der Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan5, und die ehrwürdige Washington Post haben es schon verbreitet, aber es wird dadurch nicht wahrer. Darlings, ihr müsst jetzt alle ganz tapfer sein: Amerika hat zwar schon 1776 seine Unabhängigkeit erklärt, Schwarze dürfen aber erst seit 1879 wählen (und bis 1965 auch nicht alle) und Frauen erst seit 1920. Wenn nur einige weiße Männer entscheiden dürfen, ist das noch keine Demokratie.

Habe ich all diese Dinge aufgezählt, googeln die amerikanischen Gesprächspartner immer hektisch, um dann mit hochrotem Kopf wieder vom Smartphone aufzutauchen. Tatsächlich, die Amis waren in all diesen Disziplinen nicht die Ersten. Aber es war natürlich, so verkünden sie dann – entschlossen, die Ehre ihres Landes zu retten –, ein Landsmann, der die Klimaanlage erfand: der New Yorker Willis Carrier. Vermutlich deshalb benutzen die Amis die Klimaanlage so intensiv wie sonst keine andere Nation! Im Sommer kann man kein Kaufhaus betreten, ohne sofort zu denken, man habe sich versehentlich in einen gigantischen Gefrierschrank verirrt.

Das Gefühl der eigenen Überlegenheit wurzelt auch in der Weigerung, andere Länder zu erkunden: Mehr als die Hälfte der Amerikaner waren noch nie im Ausland, nur sechsunddreißig Prozent besitzen laut State Department überhaupt einen Reisepass. Die wenigsten Amis wissen aus eigener Erfahrung, dass das Baguette in Frankreich tatsächlich besser schmeckt und die Gesundheitsversorgung in Skandinavien erstklassig funktioniert. Warum sollten sie auch? Amerika ist das meistbesuchte Land gleich nach Frankreich, die Welt kommt also zu den Amerikanern. Kein Wunder, dass sie sich für den Mittelpunkt des Globus halten. Dass der Nabel der Welt, rein touristisch gesehen, eigentlich der Eiffelturm ist, schmerzt wie ein Stein im Sneaker.

Wenn ich mir ein Traumland basteln dürfte, würde ich das kalifornische Wetter wählen, die Weite des Yosemite Parks, das texanische Barbecue und die Innovationskraft des Silicon Valley – aber eben auch die skandinavische Sozialversorgung, den deutschen Umweltschutz, die asiatische Weisheit, den Merlot der Franzosen und die Genussfreude der Italiener.

Der Drang, überall Nummer 1 zu sein, ist historisch gewachsen und in Amerika stärker ausgeprägt als in anderen Nationen. Ja, er definiert das amerikanische Selbstverständnis.

Nie machte die TV-Serie The Newsroom mehr Schlagzeilen als mit der Episode, in der der Protagonist, Newsroom-Moderator Will McAvoy (gespielt von Jeff Daniels), bei einer Podiumsdiskussion von einer Studentin gefragt wird, was Amerika zum großartigsten Land der Welt macht. Die anderen Panelisten bieten die üblichen Schlagworte: Freiheit, Vielfalt, Chancen.

Aber Will McAvoy, optisch die amerikanische Fernsehversion von Claus Kleber, setzte zu einer Tirade an, die in ganz Amerika zu erhitzten Diskussionen führte: »Wir sind nicht die großartigste Nation der Welt. Wir sind Nummer 7 in Alphabetisierung, 27 in Mathe, 22 in den Wissenschaften, 49 in der Lebenserwartung, 178 in Kindersterblichkeit, 3 im Haushaltsdurchschnittseinkommen, 4 in der Arbeitskraft und ebenfalls 4 in Exporten. Wir führen die Welt nur in drei Kategorien an: der Zahl der eingesperrten Häftlinge, der Zahl der Erwachsenen, die an Engelswesen glaubt, und Ausgaben für den Verteidigungshaushalt.«

Mit der Freiheit, der Vielfalt und den Chancen ist es also nicht wirklich so weit her. Ach, gab das einen Aufschrei! Ein Amerikaner (wenn auch nur ein fiktiver im Fernsehen) hat es gewagt, Amerika nicht für die großartigste Nation der Welt zu halten! Ein Skandal!

Dabei gibt es eine ganze Reihe von Disziplinen, in denen Amerika tatsächlich ganz weit vorne liegt. Superlative? Gibt es hier im Überfluss. Hier sind zehn Disziplinen, in denen Amerika einsame Spitze ist.

Der amerikanische Zehnkampf

1. Amerika ist derzeit immer noch die größte Volkswirtschaft der Welt (jedenfalls wenn man das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab nimmt), außerdem leben hier die meisten Milliardäre. Derzeit sind es 585. (China, Russland und Deutschland folgen auf Rang 2 bis 4.)6

2. Aus Amerika stammen die größten Konzerne und die bekanntesten Marken der Welt: Google (Alphabet), Apple, Exxon, Microsoft, McDonald’s, Coca-Cola. Und die meistbesuchten Webseiten: Google, Facebook, YouTube, Yahoo.

3. Bei der Olympiade 2016 in Rio wieder die meisten Medaillen gewonnen? Check. Wer schwimmt am schnellsten? Die Amis, jedenfalls in Goldmedaillen.

4. Nirgendwo gibt es mehr Tornados (mehr als 1000 pro Jahr).

5. Amerikaner sind auch Weltmeister im Fernsehen. (Amerikaner gucken 293 Minuten pro Tag, damit schlagen sie die Deutschen um mehr als eine Stunde.)

6. Das führt direkt zu Übergewicht: Die Amis sind die Dicksten (Deutschland liegt abgeschlagen auf Platz 14).7Mehr als zwei Drittel der Amerikaner (70,7 Prozent) sind übergewichtig und schon 17 Prozent der Kinder. Die Amerikaner machen sich zwar gerne darüber lustig, dass die Deutschen das Bier aus Maßkrügen trinken, aber die überdimensionalen Colabecher in den USA sind deutlich größer.

7. Dass Amerika mehr Geld für den Militärhaushalt ausgibt als die nächsten fünf Staaten zusammen,8 mag direkt damit zusammenhängen, dass die Amerikaner auch das ängstlichste Volk der Welt sind.9 Fast jeder fünfte Ami hat mindestens einmal im Jahr so gravierende Angstzustände, dass Psychiater sie als klinisch bezeichnen würden.

8. Vielleicht deshalb rüsten die Amerikaner auch zu Hause auf. Amerika hat mehr Waffen (88 Waffen pro 100 Einwohner)10 und gleichzeitig mehr Waffentote als jedes andere Land der Welt. Dies wiederum bringt mehr Menschen ins:

9. Gefängnis. Land der Freiheit? Kein Land sperrt mehr Menschen ein als die USA.11 Im Augenblick sitzen dort 2,2 Millionen Menschen im Knast – viermal so viel wie in China oder Russland. Das liegt nicht wirklich daran, dass in Amerika viermal so viele Verbrechen begangen werden, sondern an den drakonischen Strafen, die auch für Bagatelldelikte verhängt werden. So stellen die Vereinigten Staaten zwar nur fünf Prozent der Weltbevölkerung, aber ein Viertel der Häftlinge weltweit.

10. Was bleibt einem da anderes übrig, als zum Hochprozentigen zu greifen? Niemand gibt mehr Geld für Scotch aus als die Amerikaner.12 Nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten stieg der Alkoholkonsum noch einmal sprunghaft an, vor allem an den Küsten.

Wenn man all diese Rekorde zusammennimmt, erklärt sich prächtig, warum Amerika auch den schönsten, besten, tollsten Präsidenten wählte. Trump tut so, als sei er der Reichste, schwimme in Geld, habe die »besten Worte«, die »beste Gesundheit«; er wurde durch seine Fernsehserie weltberühmt und will Amerika weiter aufrüsten. Trump wirbelt wie ein Tornado durch die USA, seine wichtigste Strategie ist die Angstmache – und man braucht viel Scotch, um ihn sich schön zu trinken.

2. Willkommen im Land der Freien und Tapferen!

Gesichter von amerikanischen Immigranten

In diesem Kapitel wird enthüllt,

• Warum der amerikanische Staat 178 Fingerabdrücke von mir hat

• Warum Sie Ihre Kleidung am besten gleich zerwühlt in den Koffer werfen, bevor Sie zum Flughafen fahren

• Was Sie bei der Einreise auf keinen Fall machen dürfen

Bitte nicht lächeln!

Die überbordende Freundlichkeit der meisten Amerikaner wird mühelos wettgemacht von der Unfreundlichkeit der Einwanderungsoffiziere. Die haben irgendwie den Grundkurs in Höflichkeit geschwänzt und behandeln jeden, der es wagt, sich ihnen auf zwei Metern zu nähern, von vornherein wie eine akute Bedrohung. Das Assessment-Center der Einreisebehörden möchte ich sehen: Dort scheint ein grimmiger Gesichtsausdruck das wichtigste Einstellungskriterium zu sein. Besonders stark herabhängende Mundwinkel werden mit Extraboni prämiert. Dem Rest wird das Lächeln chirurgisch entfernt.

Sogar im internationalen Vergleich schneiden die Amerikaner bei der Einreise mit Abstand am schlechtesten ab. Das konnte ich in Eigenerfahrung überprüfen, denn ich bin natürlich nicht gleich Hals über Kopf mit Hab und Pack in die Staaten gezogen. Meine Familie, meine Redaktionen und meine Coaching-Firma sind weiterhin in Deutschland, deshalb pendle ich oft zwischen München und Los Angeles. Seither kenne ich die Ankunftshallen der Flughäfen in MUC, LAX und einige dazwischen wie meine Jackentasche.

Ich erinnere mich mit Schaudern an den Multi-Nationen-Vergleich, den ich dank eines Lufthansa-Streiks unfreiwillig durchführte, als die Direktflüge von München nach Los Angeles annulliert wurden. Also Billigflug von München mit Zwischenlandungen in Frankfurt und London Heathrow auf dem Weg nach Los Angeles, Panoramarundreise durch die Temperamentsunterschiede dreier Länder gratis mit inbegriffen.

In MUC waren die Sicherheitsleute professionell, in FRA gehetzt, in LHR geriet ich an ein Team extrem sympathischer Frauen, die wie Comedians bei dem Massenandrang erst zu Hochform aufliefen. Die Heathrower Sicherheitsdame bot mir lachend eine Rückenmassage an, während sie mir die Rückseite abtastete, quetschte zweimal wie eine professionelle Masseuse meine verspannten Schultern, und als ich ihr für ihre Herzlichkeit ein Kompliment machte, lächelte sie zurück und sagte: »Wir wissen ja selbst, dass diese ganzen Sicherheitskontrollen für Reisende lästig sind, also versuchen wir wenigstens, die Prozedur so angenehm wie möglich zu gestalten.« Kudos! Ich meine: Great!

Aber sobald man amerikanischen Flughafenboden betritt, verflüchtigt sich der Humor schlagartig.

(Tipp einer viel fliegenden Viel-Leidenden: Vermeiden Sie eine internationale Zwischenlandung in Amerika wie die Pest. Buchen Sie nie, nie, nie eine Zwischenlandung an einem gigantischen amerikanischen Drehkreuz wie Charlotte, Philadelphia oder Boston auf dem Weg zu Ihrer Endstation. Sie müssen nämlich auch bei einer Zwischenlandung aus dem Ausland kommend Ihr ganzes Gepäck aufsammeln und es meilenweit über endlose Flughafengänge durch Zoll und Sicherheitskontrollen schleppen, bevor Sie es wieder einchecken dürfen. Sie werden bei diesem Gepäck-Marathon im Halbschlaf um drei Uhr morgens mehr schwitzen, als hätten Sie den berüchtigten Ironman auf Kauai absolviert. Glauben Sie’s mir, probieren Sie’s bloß nicht aus!

Es ist übrigens auch völlige Zeitverschwendung, Ihr Fluggepäck fein säuberlich zu packen, die T-Shirts auf Kante zu legen und die Blusen zu bügeln, denn die amerikanischen Flugbehörden durchwühlen Ihre Koffer sowieso. Sparen Sie sich die Zeit! Schmeißen Sie einfach alles drunter und drüber in den Sack. Das kommt bei der Ankunft auf das Gleiche hinaus.)

Die USA haben inzwischen die treuherzigen grünen Einreiseformulare abgeschafft, die bisher ganz direkt fragten: »Sind Sie ein Terrorist?« Merkwürdigerweise haben Terroristen trotz des einfachen Multiple-Choice-Formats darauf Jahrzehnte lang nicht ehrlich geantwortet. Inzwischen muss man nur noch versichern, dass man kein Obst, keine Milch, keine Samen und keine Tierprodukte einführt, denn damit könnte man ja die kontaminierte amerikanische Landwirtschaft noch weiter kontaminieren. Ein uniformierter Beagle in der Ankunftshalle wird die bayerischen Weißwürste attackieren, die Sie für Tante Clarita eingepackt haben.

Auch hat sich inzwischen hoffentlich herumgesprochen, dass selbst ironisch gemeinte Anspielungen auf versteckte Bomben im Handgepäck mit Verhaftung, stundenlangem Verhör und saftigen Geldstrafen geahndet werden. Ein bombiger Scherz kostete einen Arzt am Flughafen von Miami 90.000 Dollar.13 Also Obacht: Machen Sie im Flughafen keine Witze! Über gar nichts, aber am wenigsten über den Sprengsatz in Ihrem Koffer.

Willkommen fühlt man sich am Flughafen trotz der Willkommensschilder noch lange nicht. Sie klettern also nach zwölf Stunden Holzklasse wie geschreddert aus der Legehennenbatterie, wackeln schlaftrunken kurz nach Mitternacht in eine lange Schlange, freuen sich schon darauf, die ersten Palmen zu sehen, und werden stattdessen am Schalter unsanft von einem militärischen Kommandoton geweckt: »Was wollen Sie hier?!« Das frage ich mich in einem solchen Moment schlagartig selbst.

Jetzt kommt das volle Programm: Fingerabdrücke – nein, den Daumen fester auf die Maschine drücken, dann den Zeigefinger nach links –, jetzt bitte trotz der rot gequollenen Economy-Class-Augen direkt in die Kamera starren für die Mug Shots, nein, nicht lächeln – und so weiter. ICH SAGTE: NICHT LÄCHELN!!!, brüllt es, und man fragt sich, ob die Maschine wohl noch am Gate steht und man damit einfach wieder zurückfliegen könnte.

Die amerikanischen Einwanderungsbehörden halten Unfreundlichkeit für ein probates Mittel, Terroristen (und Touristen) abzuschrecken. Ich habe viele Freunde, die sich über die rabiate Behandlung so geärgert haben, dass sie nicht mehr nach Amerika reisen. Das gilt für die Müllers und Haberls, aber ganz besonders für meine Freundin Martina, die einen Deutschen mit dem arabischen Nachnamen Abadi geheiratet hat. Trotz deutscher Pässe sind die beiden noch nie unter mindestens vier Stunden Kreuzverhör aus einem amerikanischen Flughafen gekommen.

Aber auch für Lieschen Schmidt-Kunz gilt: Beim kleinsten Fehler wird man zur Mücke gemacht. Das fehlerlose Bewältigen der Flughafenkontrollen ist indes gar nicht so leicht, denn jeder amerikanische Flughafen handhabt die Bestimmungen ein wenig anders. Bei manchen muss man für die Sicherheitskontrolle den Laptop aus der Tasche nehmen, bei anderen nicht. Bei manchen muss man alle Flüssigkeiten wegschütten, bei anderen nicht. Bei manchen darf man Schuhe und Jacke anlassen, bei anderen muss man sich bis auf das Unterhemd ausziehen. Aber wehe, Sie können nicht hellsehen!

Deshalb hier der Vorschlag: Sehen Sie’s gelassen! Nehmen Sie’s sportlich! Als Hindernisparcours auf dem Weg in das Land der begrenzten Unmöglichkeiten.

Sosehr ich meinen eigenen Rat beherzigen möchte, das gelingt mir leider selbst nicht immer.

Meine Amerikanisierung vollzog sich schrittweise zuerst mit einem Touristen-, dann mit einem Journalisten-, schließlich mit einem Professorenvisum. Nach der Heirat mit meiner amerikanischen Liebe beantragte ich eine Green Card. Ich erspare Ihnen die erbärmlichen Details, aber im Schnelldurchgang: Dazu gehören mehrere persönliche Interviews, das Ausfüllen Dutzender detaillierter Formulare, das Beibringen von 495 Seiten Dokumentation inklusive Kontoauszüge der letzten Jahre, Steuererklärungen, persönliche Fotos, Bluttests und natürlich Fingerabdrücke, viele, viele Fingerabdrücke, immer wieder neue Fotos, das Überweisen von 850 Dollar, das neuerliche Überweisen von 450 Dollar, die abermalige Überweisung von 120 Dollar und so weiter. Habe ich die Fingerabdrücke schon erwähnt?

Trotz all dieser Berge an Privatdaten, die auf den Computern der Einreisebehörden inzwischen Gigabytes einnehmen: Nachdem man den Antrag auf die Green Card gestellt hat und während man auf die Genehmigung wartet, die immerhin ein Jahr Bearbeitungszeit in Anspruch nimmt, darf man nicht einfach wie ein beliebiger Tourist ein- und ausreisen. Ich muss für die Rückreise nach Deutschland extra eine Genehmigung beantragen, komplett mit Brief vom deutschen Verlag, in dem mein Verleger beim Leben seiner Mutter schwört, dass meine Anwesenheit bei der Buchpremiere unabdingbar ist. Allein die Begründung, meine Eltern möchten gelegentlich ihre einzige Tochter umarmen, würde nicht