D&O - Versicherung und Managerhaftung - Dr. Rocco Jula - E-Book

D&O - Versicherung und Managerhaftung E-Book

Dr. Rocco Jula

0,0

Beschreibung

Auf eine D&O-Versicherung möchte heute kein Manager mehr verzichten. Sie ist seine Rettungsweste und soll ihn vor den Folgen persönlicher Haftung schützen. Leider ist diese Weste aber oft nicht passgenau geschneidert und selbst dann schützt sie ihn nicht umfassend. Dieses Handbuch erläutert die D&O-Versicherung und die Haftungsrisiken der Manager. Es enthält zahlreiche Beispiele, Tipps und Gestaltungsempfehlungen. In der Praxis herrscht bei einem (drohenden) Haftungsfall häufig eine große Unsicherheit, ob der geltend gemachte Anspruch zu einer Haftung führt und ob er im Streitfall versichert ist. Dieses Handbuch unterstützt die Praxis bei der Einschätzung, kann indes die individuelle Beratung und Bewertung im Einzelfall nicht ersetzen. Zielgruppe dieses Werks sind Geschäftsführer, Vorstände, Aufsichtsräte sowie ihre Gesellschaften. Das Buch richtet sich aber auch an externe Berater der Manager bzw. ihrer Gesellschaften, also z.B. an Rechtsanwälte und Steuerberater. Auch für Versicherungsvermittler und Mitarbeiter von Versicherungsunternehmen soll dieser Ratgeber als Beratungs- und Entscheidungsgrundlage dienen. Der Autor ist Rechtsanwalt in Berlin. Er verfügt als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Versicherungsrecht über eine jahrelange praktische Erfahrung im Umgang mit Schadens- und Haftungsfällen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 327

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dr. Rocco Jula

D&O – Versicherung und Managerhaftung

Versicherungsschutz und Haftung der Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte

© 2021 Dr. Rocco Jula

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

 

Paperback:

978-3-347-27444-0

Hardcover:

978-3-347-27445-7

e-Book:

978-3-347-27446-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Vorwort

Die D&O-Versicherung gehört heute zum Standard der Ausstattung von Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern. Ohne diesen Versicherungsschutz besteht heute häufig keine Bereitschaft mehr zur Übernahme dieser haftungsträchtigen Ämter.

Der Ratgeber erläutert die D&O-Versicherung und das Haftungsrisiko der Manager. Es enthält zahlreiche Beispiele, Tipps und Gestaltungsempfehlungen. In der Praxis besteht bei einem (drohenden) Haftungsfall meist eine große Unsicherheit, ob der geltend gemachte Anspruch zu einer Haftung führt und ob er im Streitfall versichert ist. Dieses Handbuch unterstützt die Praxis bei der Einschätzung, kann indes die individuelle Beratung und Bewertung im Einzelfall nicht ersetzen.

Zielgruppe dieses Werks sind Geschäftsführer, Vorstände, Aufsichtsräte sowie ihre Gesellschaften. Das Buch richtet sich aber auch an externe Berater der Manager bzw. ihrer Gesellschaften, also z.B. an Rechtsanwälte und Steuerberater. Auch für Versicherungsvermittler und Mitarbeiter von Versicherungsunternehmen soll dieser Ratgeber als Beratungs- und Entscheidungsgrundlage dienen.

Der Autor ist Rechtsanwalt in Berlin. Er verfügt als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Versicherungsrecht über eine jahrelange praktische Erfahrung im Umgang mit Schadens- und Haftungsfällen.

Kritik und Hinweise sind willkommen und können an [email protected] gerichtet werden.

Berlin, den 17. März 2021           Dr. Rocco Jula        www.jula-partner.de

Inhaltsübersicht

A. Einführung

B. Beispielsfälle

C. Ausgangssituation

D. Überblick über die Konstruktion der D&O-Versicherung

I. Deckungsbausteine in der Praxis

II. Deckungsumfang/erfasste Ansprüche

III. Direktanspruch gegen D&O-Versicherer

IV. Kosten- und Prozessrisiko der Gesellschaft

E. Versichertes Risiko/Versicherungsfall

I. Überblick

II. Anspruchserhebungsprinzip/Claims-Made-Prinzip

III. Bei Ausübung der versicherten Tätigkeit

IV. Verstoß gegen gesetzliche Haftpflichtbestimmungen

V. Vermögensschäden

VI. Zwischenfazit und Ausblick

F. Versicherter Personenkreis

G. Abschluss des D&O-Versicherungsvertrags

I. Zuständigkeit für den Abschluss der D&O-Versicherung

II. Auswahl des geeigneten Deckungskonzepts

III. Einschaltung eines Versicherungsmaklers

IV. Sorgfalt bei der Beantwortung der Antragsfragen

V. Ausreichende Deckungssumme

VI. Kosten der D&O-Versicherung und Steuern

VII. Regelungen im Anstellungsvertrag

VIII. Laufzeit/versicherter Zeitraum

H. Haftung der Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte

I. Überblick

II. Mehrere Geschäftsleiter -Gesamtverantwortung und Ressortprinzip

III. Innenhaftung

IV. Außenhaftung

I. Ausnahmen vom Versicherungsschutz/Einwendungen des Versicherers

I. Ausschlüsse

II. Gefahrerhöhungen

III. Arglistanfechtung und vorvertragliche Anzeigeobliegenheit

IV. Sonstige Obliegenheiten, insbesondere Aufklärungsobliegenheit

V. Leistungsfreiheit wegen Prämienzahlungsverzugs

J. Leistungen im Schadensfall

I. Wahlrecht des Versicherers

II. Gehaltsfortzahlung im Schadensfall

K. Weitere Deckungen

I. Versicherung des Selbstbehalts

II. Rechtschutzversicherungen

L. Weiterführende Literatur

M. Literaturverzeichnis

N. Abkürzungsverzeichnis

O. Stichwortregister

Inhaltsverzeichnis

A. Einführung

B. Beispielsfälle

C. Ausgangssituation

D. Überblick über die Konstruktion der D&O-Versicherung

I. Deckungsbausteine in der Praxis

1. Hauptdeckung (Side A)

2. Sog. Eigenschadensdeckung bei Freistellung (Side B)

3. Separate Policen für den Aufsichtsrat

4. Persönliche Policen der Organmitglieder

5. Sublimits und zusätzliche Deckungsbausteine

6. Rechtsschutzversicherungen

II. Deckungsumfang/erfasste Ansprüche

III. Direktanspruch gegen D&O-Versicherer

IV. Kosten- und Prozessrisiko der Gesellschaft

E. Versichertes Risiko/Versicherungsfall

I. Überblick

II. Anspruchserhebungsprinzip/Claims-Made-Prinzip

III. Bei Ausübung der versicherten Tätigkeit

IV. Verstoß gegen gesetzliche Haftpflichtbestimmungen

V. Vermögensschäden

VI. Zwischenfazit und Ausblick

F. Versicherter Personenkreis

G. Abschluss des D&O-Versicherungsvertrags

I. Zuständigkeit für den Abschluss der D&O-Versicherung

1. Bei der GmbH

a. Überblick

b. Vereinbarung mit dem Geschäftsführer zur D&O-Police

2. Bei der AG

II. Auswahl des geeigneten Deckungskonzepts

III. Einschaltung eines Versicherungsmaklers

IV. Sorgfalt bei der Beantwortung der Antragsfragen

V. Ausreichende Deckungssumme

VI. Kosten der D&O-Versicherung und Steuern

VII. Regelungen im Anstellungsvertrag

VIII. Laufzeit/versicherter Zeitraum

1. Laufzeit

2. Nachhaftung und Rückwärtsversicherung

3. Nachhaftung für ausgeschiedene Geschäftsführer

H. Haftung der Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte

I. Überblick

II. Mehrere Geschäftsleiter -Gesamtverantwortung und Ressortprinzip

III. Innenhaftung

1. Organhaftung des Geschäftsführers gemäß § 43 GmbHG

a. Einleitung

b. Pflichtverletzung des Geschäftsführers

c. Verschulden

d. Kausalität und Schaden

e. Beweislastverteilung

f. Mehrere Geschäftsführer

g. Verjährung

h. Entlastung des Geschäftsführers

i. Haftungsausschließende Weisungen und Zustimmung der Gesellschafterversammlung

j. Ausschlussfrist und haftungsabschwächende und haftungsausschließende Vereinbarungen

k. Beschluss der Gesellschafterversammlung

2. Organhaftung des Vorstands gemäß § 93 II AktG

3. Organhaftung des Aufsichtsrats gemäß § 116 AktG

a. Überblick

b. Fehlerhafte Überwachung

c. Fehler bei der Bestellung bzw. Auswahl der Vorstände bzw. beim Abschluss der Anstellungsverträge

d. Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht

e. Verstoß gegen sonstige Pflichten, z.B. die Treuepflicht oder § 114 AktG bei Beratungsverträgen

f. Durchsetzung des Anspruchs aus der Organhaftung

g. Beweislastverteilung

h. Verjährung

4. Haftung wegen Auszahlungen bei Insolvenzreife

a. Überblick/Vorschrift in § 15b InsO

b. Eintritt der Insolvenzreife

aa. Einleitung

bb. Zahlungsunfähigkeit

cc. Überschuldung

c. Haftung gemäß § 15b InsO

aa. Verbotene Auszahlungen

bb. Verschulden

cc. Rechtsfolge: Erstattung der Zahlungen

dd. Ausnahmen

5. Haftung im Konzern bzw. aus § 117 AktG

IV. Außenhaftung

1. Überblick und Garantenstellung

2. Haftung bei unerlaubten Handlungen

a. Überblick

b. Haftung aus der Generalklausel gemäß § 823 I BGB

c. Verstoß gegen Schutzgesetze

aa. Überblick

bb. § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB (Betrug)

cc. § 823 II BGB i.V.m. § 264 StGB (Subventionsbetrug)

dd. § 823 II BGB i.V.m. § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug)

ee. § 823 II BGB i.V.m. § 266 StGB (Untreue)

ff. § 823 II BGB i.V.m. § 266a StGB (Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeträgen)

gg. § 823 II BGB i.V.m. § 15a InsO

hh. § 823 II BGB i.V.m. einer sonstigen Strafnorm

3. Haftung für vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB)

4. Haftung für Wettbewerbsverstöße und Verletzung von Immaterialgüterrechten

5. Sonstige Anspruchsgrundlagen, z.B. Haftung aus Vertrauen

6. Haftung für Steuerschulden

I. Ausnahmen vom Versicherungsschutz/Einwendungen des Versicherers

I. Ausschlüsse

1. Überblick

2. Ausschluss und Abwehrdeckung

3. Bindungswirkung des Haftpflichturteils und Ausschluss

4. Mehrere versicherte Personen und Ausschlusstatbestand

5. Vorsätzliche Schadensherbeiführung oder wissentliche Pflichtverletzung

a. Überblick

b. Definition des Vorsatzes

c. Vorsatz und Zusammenhang mit Pflichtverstoß und Schaden

d. Vorsätzliche und wissentliche Pflichtverletzung

e. Unbedingter und bedingter Vorsatz

f. Bedingungspraxis und Reichweite des Ausschlusses

g. Einzelheiten des Ausschlusses der wissentlichen Pflichtverletzung

h. Zusammenhang zwischen wissentlicher Pflichtverletzung und Schaden

i. Zusammentreffen wissentliche Pflichtverletzung mit sonstiger Pflichtverletzung

j. Beweislastverteilung

k. Vereinbarkeit mit dem AGB-Recht

6. Ausschluss von Geldbußen und Strafen

7. US-amerikanisches Recht bzw. angloamerikanischer Rechtskreis

8. Unzureichender Versicherungsschutz

9. Produkt- und Umwelthaftungsrisiken

10. Einschränkungen im Insolvenzfall der Gesellschaft

11. Beschränkung der Innenhaftung

12. Weitere Ausschlüsse

II. Gefahrerhöhungen

III. Arglistanfechtung und vorvertragliche Anzeigeobliegenheit

IV. Sonstige Obliegenheiten, insbesondere Aufklärungsobliegenheit

V. Leistungsfreiheit wegen Prämienzahlungsverzugs

J. Leistungen im Schadensfall

I. Wahlrecht des Versicherers

II. Gehaltsfortzahlung im Schadensfall

K. Weitere Deckungen

I. Versicherung des Selbstbehalts

II. Rechtschutzversicherungen

1. Überblick

2. Strafrechtsschutzversicherung

3. Anstellungsvertrags-Rechtsschutzversicherung

4. Vermögensschadens-Rechtsschutzversicherung

L. Weiterführende Literatur

M. Literaturverzeichnis

N. Abkürzungsverzeichnis

O. Stichwortregister

A. Einführung

Dieser Ratgeber unterstützt Geschäftsführer,1Vorstände und Aufsichtsräte, ihre Gesellschaften sowie ihre Berater. Generell ist es möglich, die Mitglieder der Leitungs- oder Kontrollorgane, aber auch leitende Angestellte gegen die Haftungsrisiken aus ihrer Tätigkeit zu versichern. Die Policen, die die Versicherungswirtschaft hierfür bereithält, werden als D&O-Versicherungen bezeichnet. D&O steht für „Directors and Officers“, meint also die aufsichtsführenden und geschäftsführenden Organe. Bei einer D&O-Versicherung handelt es sich um eine sog. Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung. Versicherungsnehmerin ist dabei die GmbH, versicherte Person ist hingegen das Organmitglied. Mit Organmitglied wird der GmbH-Geschäftsführer, der Vorstand einer AG oder Genossenschaft oder das Aufsichtsratsmitglied bezeichnet. Vorstände und Geschäftsführer werden auch unter dem Begriff des Geschäftsleiters zusammengefasst.

In Deutschland wird die D&O-Versicherung seit 1986 angeboten. Zunächst haben nur zwei Tochtergesellschaften US-amerikanischer Versicherungsunternehmen das Produkt in Deutschland vertrieben. Mitte der 90er-Jahre kam es zu einem Einstieg deutscher Versicherungsgesellschaften und zu einer deutlichen Ausweitung des Geschäfts, wobei auch zahlreiche weitere ausländische Versicherer in den deutschen Markt eintraten. Heute ist die D&O-Versicherung bei den meisten Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Häufig fordern Manager, bevor sie das Amt übernehmen, den Abschluss einer D&O-Versicherung. Auch sind immer weniger Personen bereit, Aufsichtsratsmandate zu übernehmen, wenn nicht ein entsprechender Versicherungsschutz besteht.

Gleichwohl zeigt die Praxis, dass die D&O-Versicherung nur einen unzureichenden Versicherungsschutz gewährleistet, weil viele Schäden nicht abgedeckt sind. Dieser Ratgeber soll die Beteiligten über die Funktionsweise der in Deutschland verbreiteten Versicherungspolicen informieren und ihnen zuverlässig Auskunft über die Reichweite des jeweiligen Versicherungsschutzes geben. Es werden die Haftungstatbestände anhand von zahlreichen Beispielen dargestellt und jeweils korrespondierend der Versicherungsschutz erläutert. Hierbei werden nützliche Tipps und Empfehlungen gegeben.

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern die männliche Form verwendet. Sie gilt gleichermaßen für alle Geschlechter.

B. Beispielsfälle

Zur Einstimmung werden zunächst einige Haftungsfälle vorgestellt, bei denen es um Ansprüche geht, die im Versicherungsumfang der D&O-Versicherung enthalten sein können.

„Die versäumte Option“

Eine Aktiengesellschaft, die ein Computer-Systemhaus betreibt, das IT-Dienstleistungen aller Art für Firmenkundschaft anbietet, ist in einem Bürokomplex ansässig, wobei der Mietvertrag in Kürze ausläuft. Es gibt jedoch eine Option der AG zur Verlängerung des Mietvertrags, wonach dieser für weitere fünf Jahre zu einem vereinbarten Preis von 12 Euro den Quadratmeter fortgesetzt werden kann. Das zuständige Vorstandsmitglied der AG versäumt es jedoch, die Option zu ziehen. Als dies auffällt und man an den Vermieter herantritt, ist dieser zwar zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bereit, möchte nun aber eine um 5 Euro höhere Miete pro Quadratmeter. Dies ergibt bei der gemieteten Fläche von 2.000 m2 immerhin einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 10.000 Euro pro Monat. Bezogen auf die fünf Jahre der weiteren Laufzeit müsste die AG daher 600.000 Euro zusätzlich an Miete netto entrichten.

Der Aufsichtsrat der AG beschließt, das Vorstandsmitglied wegen der versäumten Geltendmachung der Option gemäß § 93 AktG in die Haftung zu nehmen. Der Fall wird dem D&O-Versicherer vorgelegt. Dieser prüft die Angelegenheit und regt zunächst an, sich mit dem Vermieter abschließend zu einigen. Schließlich stünde der Schaden noch nicht abschließend fest, ggf. könne man ein günstigeres Ausweichquartier beziehen. Nach Verhandlungen mit dem Vermieter ist dieser schließlich bereit, da die AG mit dem Auszug droht und ein Nachfolgemieter zu der Wunschmiete des Vermieters schwer zu gewinnen sein wird, sich mit einer Mieterhöhung von 2,50 Euro den Quadratmeter zufrieden zu geben. Damit muss die AG insgesamt 300.000 € mehr Miete in fünf Jahren entrichten als bei Ausübung der Option. Daher einigen sich die AG und der Vorstand auf einen sofort fälligen Vergleichsbetrag in Höhe von 250.000 Euro zum Ausgleich des Haftungsanspruchs. Dieser Vergleich wurde vor dem Abschluss mit dem D&O-Versicherer abgestimmt. Der D&O-Versicherer stellt das Vorstandsmitglied von seiner Haftung gegenüber der AG frei und übernimmt die Zahlung des Betrags von 250.000 Euro.

„Das Fake Angebot“

Malte Martin (M) arbeitet seit 20 Jahren als Ingenieur der Verfahrenstechnik in einer GmbH, die Süßwarenfabriken betreibt. Nun wird er Mitglied der Geschäftsführung und zuständig für die Produktion. Es sollen künftig im Hause die Kakaobohnen auch geröstet und gemahlen werden, weshalb entsprechende Maschinen angeschafft werden sollen. M holt mehrere Angebote ein. Eines ist deutlich günstiger, verlangt aber zur Sicherung des Angebots eine Anzahlung von 30.000 Euro. M veranlasst die Anzahlung. Daraufhin passiert jedoch nichts, es erfolgt keine Reaktion. Das Angebot erweist sich als Fake-Angebot. Der Internetauftritt, über den M das Angebot angefordert hatte, war von einem taiwanesischen Anbieter komplett kopiert worden. Der Name des Anbieters, der sich als EU-Importeur des Herstellers ausgegeben hat, sowie die E-Mail-Anschrift wurden verfälscht, so dass die Anfrage bei dem Betrüger auflief. Die Rückforderung der Anzahlung bleibt erfolglos. Eine Strafanzeige führt zu keinem Ergebnis hinsichtlich des Verbleibs der Anzahlung. Das Konto gehörte einer Person, die aus Unwissenheit ihre Daten zur Verfügung gestellt hat. Von diesem Konto wurde die Anzahlung noch am Tage ihres Eingangs ins Ausland weitergeleitet.

Die GmbH verzichtet wegen der 20-jährigen Tätigkeit auf eine Kündigung ihres Geschäftsführers, sie begehrt aber von M Schadensersatz wegen der erfolgten Anzahlung in Höhe von 30.000 Euro. Bereits eine Handelsregisterabfrage bzw. die Einholung einer Auskunft bei einer Auskunftei hätte ergeben, dass das Unternehmen, das die Offerte unterbreitet hat, gar nicht existiert. Mindestens diese Informationen hätte M vor dem Vertragsschluss nach Auffassung der Gesellschafterversammlung einholen müssen. M übersendet den Beschluss der Gesellschafterversammlung, der seine Inanspruchnahme vorsieht, dem D&O-Versicherer. Dieser reguliert nach eingehender Prüfung den Schaden durch Zahlung an die GmbH. Der D&O-Versicherer geht zwar davon aus, dass das Verhalten des M grob fahrlässig gewesen ist. Grobe Fahrlässigkeit wird jedoch in der D&O-Versicherung wie auch in jeder anderen geläufigen Haftpflichtversicherung mitversichert.

„Angebot über alle Phasen“

Malte Martin (M) aus dem vorgenannten Beispiel ist weiter für die GmbH tätig. Ein Jahr später soll ein neues Produktionsgebäude auf einem hinter dem Betrieb der GmbH gelegenen, ihr gehörenden Grundstück errichtet werden. M ist federführend für die Errichtung des neuen Gebäudes zuständig. Er lässt sich zunächst ein Angebot eines Architekten vorlegen. Dieses Angebot sollte sich eigentlich nach der Vorstellung von M und der im Vorfeld eingebundenen Gesellschafterversammlung nur auf die Leistungsphasen bis zur Genehmigungsplanung, also bis zu der Erteilung der Baugenehmigung erstrecken, es umfasst jedoch alle Leistungsphasen über die Ausführungsplanung bis zur Objektüberwachung und Objektbetreuung durch den Architekten. Dies hat M übersehen. Er war der Ansicht, die Phasen könne man optional dazu wählen, hat aber nicht überblickt, dass diese schon fest vereinbart gewesen sind. Die GmbH kämpft mit Umsatzausfällen, so dass die Betriebserweiterung jetzt doch nicht durchgeführt werden soll. Die Baugenehmigung liegt bereits vor. Der Architekt möchte seine Arbeit mit den weiteren Leistungsphasen fortsetzen. Da das Vorhaben absehbar nicht mehr realisiert werden soll, kündigt die GmbH den Architektenvertrag. Der Architekt berechnet hierfür eine Entschädigung in Höhe von 500.000 Euro. Die GmbH weigert sich zu zahlen, wird aber in einem anschließenden Gerichtsprozess hierzu verurteilt. Nach Ausgleich des Urteilsbetrags zuzüglich Kosten möchte die GmbH M wegen ihres gesamten Schadens, der durch Kosten und Zinsen auf 600.000 Euro angewachsen ist, in Rückgriff nehmen.

Der Anspruch der GmbH gegen den Geschäftsführer aus der sog. Innenhaftung besteht gemäß § 43 II GmbHG. Der Geschäftsführer hat pflichtwidrig und fahrlässig gehandelt, als er das Angebot über alle Leistungsphasen unterschrieben hat. Dadurch ist der GmbH der vorgenannte Schaden entstanden. Hierfür genösse M auch Versicherungsschutz in der D&O-Versicherung. Der D&O-Versicherer müsste hier den Geschäftsführer von dessen Haftung freistellen und den Schaden gegenüber der GmbH ausgleichen.

„Unterbrechung mit Folgen“

Die GmbH hält trotz des zweiten Haftungsfalls weiter an M fest. Auch der D&O-Versicherer gewährt weiterhin Versicherungsschutz, wobei allerdings die Prämien wegen der Schadenquote für die Zukunft kräftig erhöht wurden. Erneut zieht ein Jahr ins Land und es ereignet sich bei Bitumenschweißarbeiten auf dem Dach der bisherigen Produktionshalle ein schwerer Brand. Die Produktionshalle brennt bis auf die Grundmauern ab. Auch die Produktionsanlagen sind völlig zerstört. Die GmbH gerät dadurch schwer in die Krise. Sie kann allerdings über ihren zweiten Standort einen Teil des Produktionsausfalls auffangen und damit die Insolvenz vermeiden. Der Wiederaufbau gestaltet sich allerdings recht langwierig, zumal auch Bodensanierungen vorzunehmen sind. Nach fast drei Jahren steht das neue Fabrikgebäude. Die GmbH hat über den Feuer-Versicherer den Neuwert der Produktionshalle sowie einen neuwertigen Maschinenpark erhalten. Allerdings wurde bisher der Unterbrechungsschaden, d.h. der entgehende Gewinn und die fortlaufenden Kosten, noch nicht reguliert. Der Unterbrechungsversicherer, bei dem eine Haftzeit von 24 Monaten vereinbart ist, hat gleich zu Beginn seine Verantwortlichkeit abgelehnt, da er der Ansicht ist, dass Schutzvorkehrungen bei der Durchführung der Schweißarbeiten nicht eingehalten worden sind und daher der Schadensfall grob fahrlässig herbeigeführt wurde. M hat für die GmbH diese Ansprüche nicht weiterverfolgt.

Nach mehr als drei Jahren konsultiert er nunmehr einen Rechtsanwalt und legt diesem die Unterlagen vor. Der Rechtsanwalt meint, dass bei grober Fahrlässigkeit nur eine Kürzung in Betracht käme und der Betriebsunterbrechungsversicherer wenigstens anteilig zahlen müsse; außerdem könne man sich auch über die grobe Fahrlässigkeit streiten. Er gehe davon aus, dass nur einfache Fahrlässigkeit vorliege und daher vollständig reguliert werden müsse. Zwischenzeitlich ist allerdings die Verjährungsfrist von drei Jahren verstrichen, so dass sich der Unterbrechungsversicherer weiterhin auf vollständige Leistungsfreiheit beruft. Eine anschließende Klage gegen den Unterbrechungsversicherer wird daher schon wegen der Verjährung abgewiesen. Bei vollständiger Regulierung hätte die GmbH 12 Mio. Euro erhalten. Wäre nur anteilig wegen einer Kürzung von z.B. 50% aufgrund der Bejahung der groben Fahrlässigkeit reguliert worden, wäre dies ein Betrag von 6 Mio. Euro gewesen.

Die Gesellschafterversammlung beschließt, den Geschäftsführer, der den Anspruch zu spät verfolgt hat, in die Haftung zu nehmen. Der D&O-Versicherer weist darauf hin, dass die Versicherungssumme nur 5 Mio. Euro betrage, mehr werde ohnehin nicht geleistet. Nach zähen Verhandlungen mit dem Versicherer einigt man sich schließlich auf Zahlung eines Betrags in Höhe der Deckungssumme von 5 Mio. Euro. Künftig ist allerdings der D&O-Versicherer nicht mehr bereit, den Vertrag fortzuführen, er kündigt diesen anlässlich des Schadensfalls.

Die Versicherungsbedingungen enthielten nicht, wie dies etwa bei den Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) der Fall ist, einen Ausschluss des Versicherers bei unzureichendem Versicherungsschutz. Solche Ausschlüsse kann der Versicherer vereinbaren. Dadurch wird erreicht, dass Defizite bei versicherungsrechtlichen Ansprüchen nicht durch die D&O-Versicherung ausgeglichen werden.

„Das sonnige Gemüt“

Eine AG betreibt Bauträgergeschäfte. Im dreiköpfigen Aufsichtsrat sitzt ein Professor für Schiffbau, dessen Name auch als Aushängeschild für die AG benutzt wird. Der Professor kümmert sich indes um nichts, er nimmt an den Aufsichtsratssitzungen nicht teil und lässt sich auch sonst nicht informieren. Die AG vereinnahmt über einen Zeitraum von 15 Monaten Anzahlungen von Kunden, die die beiden Vorstandsmitglieder zweckwidrig verwenden, im großen Stil sogar eigenmächtig entnehmen. Der Vorstand beantragt, nachdem er sich „seine Taschen vollgesteckt hat“, die Einleitung des Insolvenzverfahrens und taucht ab. Das Insolvenzverfahren wird eröffnet, der Vorstand und die Gelder bleiben verschwunden.

Der Insolvenzverwalter meint, der Aufsichtsrat hätte nach spätestens sechs Monaten bereits anhand der Zahlen des Rechnungswesens merken müssen, dass Gelder abfließen. Von den drei Aufsichtsratsmitgliedern ist nur noch der Professor greifbar. Diesen will nun der Insolvenzverwalter in die Haftung nehmen, weil er meint, dass dann, wenn dieser rechtzeitig eingegriffen hätte, 2 Mio. Euro nicht mehr unberechtigt entnommen worden wären. Der Fall wird dem D&O-Versicherer gemeldet, der offen lässt, ob ggf. eine Leistungsfreiheit wegen wissentlicher Pflichtverletzung besteht. Sie käme – so der Versicherer - in Betracht, wenn am Ende eine rechtskräftige Verurteilung deshalb erfolge, weil der Aufsichtsrat jegliche Überwachungstätigkeit unterlassen habe. Einstweilen gewährt der D&O-Versicherer aber erst einmal Abwehrdeckung. Im Prozess ergeht am Ende ein Urteil, in dem die Klage gegen den Professor abgewiesen wird. Das Gericht ist zu der Überzeugung gekommen, dass die Entnahmen so geschickt in der Buchhaltung kaschiert wurden, dass der Aufsichtsrat dies bis zur Insolvenzantragstellung nicht hätte merken müssen. Da die Insolvenzmasse unzulänglich ist, werden die Anwaltskosten auf Seiten des Professors nicht erstattet, so dass das verklagte Aufsichtsratsmitglied dankbar dafür ist, dass der D&O-Versicherer diese Kosten übernommen hat.

C. Ausgangssituation

Die vorgenannten Beispiele zeigen, dass die Tätigkeit des GmbH-Geschäftsführers oder des Vorstands einer AG erheblichen Haftungsrisiken unterliegt. Dies gilt ebenso für die Aufsichtsratstätigkeit, auch wenn hier weit weniger Haftungsfälle in der Praxis auftreten.

Im Ergebnis sind die Leitungsmitglieder (Geschäftsführer/Vorstände) und Aufsichtsratsmitglieder dem Risiko der persönlichen Haftung sowohl gegenüber der Gesellschaft als gegenüber Dritten ausgesetzt. Hier kann eine D&O-Versicherung helfen, diese Risiken abzusichern. Hierbei besteht die D&O-Versicherung im Verbund mit weiteren Versicherungslösungen. So dient die Betriebshaftpflichtversicherung der Absicherung von Personen- und Sachschäden, wobei sich in der Praxis auch Vermögensschäden einschließen lassen. Die D&O-Versicherung betrifft vom Organmitglied verursachte Vermögensschäden. Rechtsschutzversicherungen können statt der D&O-Versicherung oder zusätzlich zu dieser Kostenrisiken absichern.

Schaubild: Versicherungsschutz

Die Manager müssen zudem strafrechtliche Verfolgung befürchten, wenn sie im Rahmen ihrer Amtstätigkeit Straftaten begehen, wie z. B. eine fahrlässige Körperverletzung bei dem Inverkehrbringen fehlerhafter Produkte. Die strafrechtlichen Risken werden nicht vom Kernbereich der D&O-Versicherung umfasst. Die D&O-Versicherung deckt nur die Haftpflichtrisiken ab. In der Praxis wird jedoch häufig die D&O-Versicherung um eine Strafrechtsschutzversicherung erweitert, entweder als Baustein oder durch eine eigenständige Police.

Ferner trifft jedes Leitungsmitglied das sog. Abberufungs- und Kündigungsrisiko, nämlich dass es ggf. unberechtigt mit sofortiger Wirkung gekündigt, abberufen und ggf. freigestellt wird, so dass es ohne Gehalt dasteht. Auch diese Risken sind nicht von der D&O-Versicherung abgedeckt. Der Manager kann aber - um dem entgegenzuwirken - für sich privat eine sog. Anstellungsvertrags-Rechtsschutzversicherung abschließen. Es gibt auch Deckungskonzepte, die Gehaltsforderungen des Geschäftsführers einschließen, die durch Aufrechnung wegfallen.

Die Beteiligten müssen sich vergegenwärtigen, dass der Haftungssituation typischerweise ein komplexer Sachverhalt zu Grunde liegt und es häufig keine klare Regulierungslage gibt, weshalb in der Praxis meist auch nicht zeitnah mit Leistungen seitens des Versicherers gerechnet werden kann. Aus Sicht der versicherten Personen sowie der Gesellschaften, die die Versicherungsverträge abgeschlossen haben, erschließt sich diese Situation jedoch meist erst nach intensiver Auseinandersetzung mit derselben. Die Erwartungshaltung der Beteiligten, der Versicherer möge seine Eintrittspflicht anerkennen und zügig regulieren, wird meist nicht erfüllt. Der Versicherer fordert vielmehr eine Vielzahl von Unterlagen an, bei komplizierten Fällen holt er ggf. rechtliche gutachterliche Stellungnahmen ein. Die Vorstellung der Parteien, dass Versäumnisse des Managers zwingend zu Schadensersatzansprüchen führen müssen, ist oft rechtlich unzutreffend oder nicht durchsetzbar. Gelegentlich scheitert es auch schon an der detaillierten Darlegung des Schadens. Die versicherten Personen sowie die Gläubiger, vor allem aber die Gesellschaften, die häufig selbst durch ihre Leitungs- und Organmitglieder geschädigt wurden, erwarten eine schnelle Regulierung. Der Versicherer hingegen agiert zunächst immer zurückhaltend und wirkt auf eine Abwehr der Ansprüche hin, wenn er nicht zuvor bereits die Auffassung vertritt, der geltend gemachte Schaden sei gar nicht in der D&O-Versicherung versichert, zum Beispiel weil ein Ausschluss eingreift.

D. Überblick über die Konstruktion der D&O-Versicherung

I. Deckungsbausteine in der Praxis

1. Hauptdeckung (Side A)

Die in der Praxis anzutreffenden Deckungskonzepte sind im Kern recht ähnlich. Sie unterscheiden sich lediglich beim Umfang der Deckung, insbesondere bei der Anzahl und der Art der Ausschlüsse. Die sog. gesellschaftsfinanzierte D&O-Deckung, bei der die Gesellschaft Versicherungsnehmerin und Prämienzahlerin und die Organpersonen versicherte Personen sind, werden in der Praxis in einem Deckungskonzept zusammengefasst, das auch als Side A bezeichnet wird. Side A enthält die vollständige Deckung für die D&O-Versicherung und kann daher allein vereinbart werden (sog. Stand-alone Side A). Dieser klassische Baustein (Side A) deckt sowohl die Innenhaftung des Organmitglieds gegenüber der Gesellschaft als auch die Außenhaftung gegenüber Dritten ab.

Schaubild: Side A

Der weitere Deckungsbaustein (coverage) Side B ergänzt diese Deckung um die sog. Eigenschäden der Gesellschaft. Die zusätzliche Deckung Side C gehört nicht mehr zur D&O-Deckung, sondern beinhaltet eigene Deckungen des Unternehmens. Side C ist eine reine Unternehmensdeckung (sog. „entity coverage“), die Schadensersatzansprüche wegen Vermögensschäden im Zusammenhang mit dem Handel von Wertpapieren gegen das Unternehmen betrifft. Der Baustein Side D hat sich unter dieser Bezeichnung noch nicht einheitlich durchgesetzt. Er kann unterschiedliche weitere Unternehmensdeckungen, so z.B. die sog. „faute non séparable des fonctions“, enthalten. Dies sind Grundsätze des französischen Rechts, die sich auch in anderen Rechtsordnungen finden, wonach statt der Organe das Unternehmen haftet. Teils wird aber auch die Deckung von Fremdmandaten als Side D bezeichnet.

2. Sog. Eigenschadensdeckung bei Freistellung (Side B)

Side B ergänzt Side A und gewährt der Gesellschaft ausnahmsweise einen eigenen Anspruch gegen den D&O-Versicherer, wenn das Unternehmen aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung ihr Organmitglied freigestellt hat, so dass dieses nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Den Betrag, den die Gesellschaft hierbei verauslagt hat, der nunmehr einen Eigenschaden der Gesellschaft darstellt, kann nun durch die ergänzende Deckung im Side B vom D&O-Versicherer zurückverlangt werden. Diese Deckung wird auch als Company Reimbursement bezeichnet.

Eine solche Eigenschadensklausel kann z.B. wie folgt formuliert sein:

Der Versicherer gewährt versicherten Unternehmen Versicherungsschutz für Schäden aufgrund von Pflichtverletzungen von versicherten Personen

• soweit deren Haftung ausgeschlossen ist, weil die versicherten Unternehmen sie vor Begehung einer Pflichtverletzung von einer Haftung rechtswirksam freigestellt haben oder auf die Geltendmachung und/oder Durchsetzung von Ansprüchen (z.B. im Rahmen eines Aufhebungsvertrages) rechtswirksam verzichtet haben, oder

• soweit ein Anspruch auf Grund einer Entlastung nicht mehr besteht oder nicht mehr durchgesetzt werden kann, oder

• soweit für sie eine Haftungsprivilegierung nach § 31a I BGB oder eine

• vergleichbare ausländische Rechtsvorschrift gilt, oder

• falls sie zugleich über einen Arbeitsvertrag mit einem anderen versicherten Unternehmen verfügen und insoweit von diesem eine Haftungsfreistellung verlangen können, oder

• sofern sich der Aufenthaltsort der versicherten Person, der die (behauptete) Pflichtverletzung vorgeworfen wird, nicht ermitteln lässt oder falls über das Vermögen der versicherten Person das Insolvenzverfahren eröffnet, die Verfahrenseröffnung mangels Masse abgewiesen oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde oder wenn nach dem Tod einer versicherten Person, der oder die Erben die Erbgemeinschaft gemäß § 1945 BGB oder vergleichbarer ausländischer Rechtsordnungen ausgeschlagen haben.

Der Versicherungsfall gilt als eingetreten, sobald das versicherte Unternehmen den Schaden beim Versicherer geltend macht. Soweit der Versicherer Zahlungen leistet, verzichtet er unwiderruflich auf eventuelle Regressansprüche gegen versicherte Personen.

Beispiel:               „Vertrauen auf Studie“

Der Geschäftsführer eines großen Herstellers von Baustoffen verhandelt mit einem Kunden über einen Großauftrag. Am Abend vor der Besprechung übergibt ihm ein Mitarbeiter einen Bericht über eine Studie eines Baubiologen über ein Produkt eines Mitbewerbers. In dem Schriftstück wird ausgeführt, dass die Baustoffe des Konkurrenten gesundheitsgefährdend seien. Es ist davon die Rede, dass bei den Bauteilen toxische Gase freiwerden, die zu einer Erbgutschädigung und Krebserzeugung führen können. Der Bericht ist eine Fälschung des Mitarbeiters, der seinem Chef einen Denkzettel verpassen möchte, weil dieser ihn ständig nach seinem Empfinden mobbt. Der Geschäftsführer verkündet das Ergebnis der Studie auf der Besprechung mit dem Kunden, weshalb die GmbH den Großauftrag erhält. Er übergibt sogar eine Kopie des Berichts. Der Konkurrent erfährt von dem Kunden von dem gefälschten Bericht und konfrontiert die GmbH und den Geschäftsführer damit. Der Konkurrent droht eine Klage auf Schadensersatz direkt gegen den Geschäftsführer in Höhe von 1 Mio. Euro an und beruft sich auf § 824 I BGB. Dort heißt es: Wer der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, hat dem anderen den daraus entstehenden Schadenauch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss.

Der Geschäftsführer verhandelt mit dem Konkurrenzunternehmen über eine Lösung. Da ihm dieses am Ende abnimmt, dass er selbst getäuscht wurde, einigt man sich auf einen Schadensersatz in Höhe von 300.000 Euro. Die GmbH stellt den Geschäftsführer von diesem Vergleichsbetrag frei und zahlt ihn an den Konkurrenten. Nunmehr verlangt die GmbH Erstattung vom D&O-Versicherer und beruft sich auf die vereinbarte Eigenschadensklausel.

Side B - Eigenschadensklausel

Auch durch die Eigenschadensklausel bleibt es beim versicherten Umfang der Organhaftungsansprüche. Grundsätzlich gilt: Hatte der Geschäftsführer als versicherte Person vor der Freistellung durch die GmbH keinen Versicherungsschutz, ändert sich dies auch nicht dadurch, dass die Gesellschaft den Schaden gegenüber den Dritten ausgleicht. Die GmbH kann nur Erstattung verlangen, wenn sie einen von der D&O-Versicherung gedeckten und dort versicherten Anspruch befriedigt hat. Dies dürfte im vorgenannten Fall zutreffen. Der Geschäftsführer hat einen Vermögensschaden verursacht und nicht wissentlich seine Pflichten verletzt. Zu prüfen wäre, ob die Eigenschadensklausel voraussetzt, dass die Vereinbarung über die Freistellung vor der Begründung des Schadensersatzspruchs bestanden haben muss. Die vorgenannte Klausel lässt auch einen nachträglichen Aufhebungsvertrag zu, damit könnte die Freistellung auch erst nachträglich vereinbart werden. Zu entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen zur Abschwächung der Haftung einschließlich der Freistellung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer und zu einer Vereinbarung zum Abschluss einer D&O-Versicherung einschließlich einer Klausel zur Freistellung siehe die Ausführungen mit Formulierungsbeispiel unten bei G I 1 b. Bei einer AG stoßen solche Vereinbarungen auf Schwierigkeiten, da die Organhaftung zu Lasten der Gläubiger nicht abgeschwächt werden kann (siehe dazu unten unter H III 2).

Auch ohne Eigenschadensklausel könnte man hier das vorgenannte Ergebnis erzielen. Der Geschäftsführer könnte aus der D&O-Versicherung seinen Freistellungsanspruch an die GmbH abtreten, die dann - soweit sie den Dritten befriedigt hat -, ggf. direkt Erstattung vom Versicherer verlangen könnte. Bei diesem Verfahren ist jedoch problematisch, ob dann, wenn auch die GmbH gesamtschuldnerisch nach außen gegenüber dem Kunden haftet, was über § 31 BGB der Fall sein dürfte, die GmbH tatsächlich beim Versicherer Rückgriff nehmen könnte. Dies wäre dann insoweit nicht möglich, wenn es im Innenverhältnis einen Anspruch des Geschäftsführers gegen die GmbH auf Ausgleich gäbe, falls dieser den geschädigten Dritten befriedigt hätte. Hätte der Geschäftsführer aus seinen Mitteln im letztgenannten Beispiel die 300.000 Euro an den Dritten bezahlt, könnte es sein, dass er gegen die GmbH einen Erstattungsanspruch - ggf. sogar in voller Höhe - hätte, wenn er gegenüber der GmbH durch die Verwendung des falschen Berichts keine Pflichten schuldhaft verletzt hätte. Dies kommt in Betracht, wenn er keine Zweifel an der Echtheit des Berichts haben musste. Die GmbH hätte dann den Anspruch gegenüber dem Dritten nur deshalb befriedigt, weil sie eine eigene Schuld gegenüber dem Dritten trifft, nicht weil sie den Geschäftsführer freistellen möchte, der ihr gegenüber aus dem Innenverhältnis gar nicht zum Ausgleich verpflichtet wäre. Jedenfalls räumt die Eigenschadensklausel etwaige Unsicherheiten aus. Mit ihr wird die Gesellschaft in den Versicherungsschutz einbezogen.

3. Separate Policen für den Aufsichtsrat

Seit 2013 werden für den deutschen Markt separate Policen für den Aufsichtsrat angeboten. Der Spezialmakler, der die Police einführte, brachte diese unter der Bezeichnung Two-Tier Trigger Policy („TTTP“) auf den Markt. Den Vorstand bzw. die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat jeweils separat zu versichern, kann vorteilhaft sein. Die Aufsichtsräte werden zeitlich ggf. erst nach dem Vorstand in Anspruch genommen, wenn nämlich feststeht, dass der Vorstand haftet und der Aufsichtsrat diesen ggf. nicht richtig überwacht hat. Doch für den Versicherungsschutz des Vorstandes kann ggf. die Deckungssumme schon weitgehend aufgebraucht worden sein.

4. Persönliche Policen der Organmitglieder

Schließt die Gesellschaft keinen D&O-Versicherungsvertrag ab bzw. erhält sie am Markt keine Police, könnte das jeweilige Organmitglied versuchen, eine persönliche D&O-Versicherung abzuschließen. Ein Motiv könnte auch sein, dass der Geschäftsführer im Falle der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter vermeiden möchte, dass dieser durch die gesellschaftsfinanzierte D&O-Police gerade zu einer Inanspruchnahme tendiert, während er ohne dieselbe vom Geschäftsführer „ablassen“ würde. Von einer „persönlichen“ Police, die das Gesellschaftsvermögen nicht belastet hat, muss der Insolvenzverwalter nichts wissen. Der Markt ist eng und ob ein Versicherer das Risiko zeichnet, ist im Einzelfall zu prüfen. Bei der persönlichen D&O-Deckung wird der Geschäftsführer versicherte Person und gleichzeitig Versicherungsnehmer und damit Prämienschuldner. Solche Produkte werden in der Praxis nur mit kleineren Deckungssummen angeboten. Ein wichtiger Zusatzbaustein der persönlichen D&O-Police kann die Gehaltsfortzahlung im Schadensfall sein, wenn die Gesellschaft das Gehalt wegen des Schadensfalls zurückhält bzw. gegen Schaden aufrechnet (siehe dazu die Ausführungen unter J II). Ein Spezialfall ist die Selbstbehaltspolice, die nur den Selbstbehalt versichert, den die AG mit dem D&O-Versicherer vereinbaren muss (siehe dazu die Ausführungen unten unter K I).

5. Sublimits und zusätzliche Deckungsbausteine

Grundsätzlich bildet die Versicherungssumme die Höchstleistung der Entschädigung. Soweit meist Deckungserweiterungen mit geringeren Beträgen als die Versicherungssumme versichert werden, handelt es sich um sog. Entschädigungsgrenzen bzw. „Sublimits“. Dieser erweiterte Versicherungsschutz für einzelne Positionen ist nur innerhalb des Betrags des Sublimits versichert. Grundsätzlich, sofern nicht abweichend vereinbart, werden die Sublimits auf die Versicherungssumme angerechnet, d.h. auch hier bildet die Versicherungssumme die Höchstgrenze der Entschädigung. Die Anrechnung aller Kosten bzw. Leistungen auf die Versicherungssumme kann dazu führen, dass diese bereits durch die bei der Abwehrdeckung entstandenen Kosten ganz oder teilweise verbraucht sein könnte. Es stünden dann – wenn die Abwehr nicht erfolgreich war - keine ausreichenden Beträge mehr für die Freistellung und Befriedigung der Schadensersatzansprüche zur Verfügung. Sofern das Sublimit nicht auf die Versicherungssumme angerechnet werden soll, wird teils der Begriff des „Zusatzlimits“ verwendet, um dies deutlich zu machen. Aber selbst bei der Verwendung dieses Begriffs ist darauf zu achten, ob dadurch tatsächlich die Versicherungssumme überschritten werden darf, also die Beträge „on top“ geleistet werden.

Beispiel für ein Abwehrkostenzusatzlimit:

In Höhe von bis zu 2 Mio. Euro der Versicherungssumme, steht den versicherten Personen für den Fall, dass die Versicherungssumme dieses Grundvertrages und aller sich daran anschließenden Exzedentenverträgedurch Zahlung vollständig verbraucht ist, für Abwehrkosten in einem weiteren Versicherungsfall ein zusätzliches Limit zur Verfügung (Zusatzlimit), das nicht auf die Versicherungssumme angerechnet wird.

Der Umstand, dass in der Praxis die Kosten auf die Versicherungssumme angerechnet werden, weicht vom Gesetz ab. § 101 II 1 VVG legt fest: Ist eine Versicherungssumme bestimmt, hat der Versicherer die Kosten eines auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreits und die Kosten der Verteidigung nach Absatz 1 Satz 2 auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit den Aufwendungen des Versicherers zur Freistellung des Versicherungsnehmers die Versicherungssumme übersteigen.

Die Praxis weicht hiervon ab, z.B. durch folgende Kostenanrechnungsklausel:

Die im Versicherungsschein bezifferte Versicherungssumme stellt die Höchstleistung des Versicherers pro Versicherungsfall und für alle Versicherungsfälle innerhalb einer Versicherungsperiode insgesamt dar, inklusive der Abwehrkosten und sonstiger Versicherungsleistungen. Eigene Abwehrkosten des Versicherers werden nicht auf die Versicherungssumme angerechnet. Abwehrkosten sind z.B. Aufwendungen zur Abwehr oder Minderung, Gerichts-, Anwalts-, Zeugen-, und Sachverständigenkosten. Sonstige Versicherungsleistungen sind z.B. alle auf die Forderungen des Anspruchstellers zu entrichtenden Zinsen.

Da eine solche Klausel vom Gesetz abweicht, ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob diese Klausel wegen des Verstoßes gegen das AGB-Recht unwirksam ist, etwa weil man sie für unangemessen benachteiligend hält, da sie dem Leitbild des Gesetzes widersprechen oder ggf. intransparent sind.2 Es wird vertreten, dass solche Anrechnungsklauseln unwirksam sein können3. Eine BGH-Entscheidung steht indes noch aus.

Tipp!

Auf eine ausreichende Versicherungssumme und etwaige Sublimits sollte geachtet werden. Verbreitet sind Exzedentendeckungen bei weiteren Versicherern, die auf der Grunddeckung des ersten Versicherers aufbauen, durch die der Gefahr vorgebeugt wird, dass die Versicherungssumme aus der Grunddeckung nicht ausreicht. Auch eine ergänzende Vermögensschaden-Rechtsschutzversicherung für etwaige Abwehrkosten kann die Versicherungssumme aus der D&O-Versicherung „schonen“.

Beispiele für Entschädigungsgrenzen/Sublimits aus der D&O – Versicherung4:

• Neue Tochtergesellschaften (zu deren Einbeziehung in den bestehenden Versicherungsschutz die Zustimmung des Versicherers erforderlich ist): 2 Mio. Euro je Versicherungsfall

• Fremdmandate, die nicht automatisch von der Versicherungssumme erfasst sind: 2 Mio. Euro je Versicherungsfall

• Kosten bei einer Firmenstellungnahme für die rechtliche Beratung der Versicherungsnehmerin oder einer Tochtergesellschaft: 2 Mio. Euro je Versicherungsfall

• Kosten bei aufsichtsrechtlichen Sonderuntersuchungen für dierechtliche Beratung der Versicherungsnehmerin oder einer Tochtergesellschaft: 500.0 Euro je Versicherungsfall

• Kosten des Krisenmanagements für die Tätigkeiten eines PR-Beraters für die Versicherungsnehmerin oder eine Tochtergesellschaft: 500.000 Euro je Versicherungsfall (siehe dazu die Ausführungen unter J II).

• Abwehrschutz und Gehaltsfortzahlung für versicherte Personen bei Aufrechnung oder Zurückbehaltung im Zusammenhang mit Gehaltsansprüchen: 250.000 Euro je versicherte Person und Versicherungsfall

• Kosten eines PR-Beraters für versicherte Personen bei Reputationsschäden: 250.000 Euro je Versicherungsfall

• Kosten psychologischer Unterstützung für versicherte Personen 50.000 Euro je Versicherungsfall.

Bei der Haftpflichtversicherung betreffen die Entschädigungsgrenzen häufig zusätzliche Positionen, die in der Grunddeckung nicht enthalten sind. Diese sollen aber nicht bis zur Höhe der Versicherungssumme, sondern mit geringeren Beträgen versichert werden.

Die Vereinbarung von Deckungserweiterungen ist in der Praxis weit verbreitet, solche zusätzlichen Einschlüsse steigern die Attraktivität des Produkts und haben einen nicht zu unterschätzenden Marketingeffekt. Wenn für den Entscheider gerade diese Erweiterung wichtig ist, kann dies den Ausschlag für die Wahl des Produkts geben. Einige Beispiele für derartige zusätzliche Bausteine wurden soeben genannt. Weitere Erweiterungen, die in der Praxis vereinbart werden, betreffen z.B. Rechtskosten in strafrechtlichen und behördlichen Verfahren, welche im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Pflichtverletzung geführt werden, bis hin zu Kosten für die Stellung von Kautionen und die Übernahme von Kosten für die Organisation von Auslieferungsverfahren. Auch Sublimits für die Erstattung von Reisekosten versicherter Personen, die etwa im Vorfeld zu einer auswärtigen Anhörung fahren müssen, werden vereinbart.

Ein wichtiger Anwendungsbereich der Sublimits sind vorbeugende Rechtskosten, die noch vor Eintritt des Versicherungsfalls ausgelöst werden können. Dies sind z.B. die Kosten, die aufgewandt werden müssen, um einer vorzeitigen Abberufung von der Organtätigkeit oder einer fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrags entgegenzutreten. In dem Prozess, in dem über die Wirksamkeit der Kündigung gestritten wird, geht es oft um die Pflichtverletzungen des Geschäftsführers, ohne dass wegen dieser schon Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden müssen. Eine echte Erweiterung ist ein Sublimit für Gehaltszahlungen, die im Hinblick auf den Schadensfall seitens der Gesellschaft nicht erfolgen, weil diese meint einen Schadensersatzanspruch zu haben, der sich am Ende aber als unbegründet erweist. Hier lassen sich Gehaltszahlungen versichern, die am Ende nicht auf den Haftungsanspruch, der ja gar nicht besteht geleistet wurden. Der D&O-Versicherer zahlt hier als eigene versicherte Position das Gehalt des Organmitglieds (siehe dazu die Ausführungen unter J II).

Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, sich bereits gegen die Ankündigung der Androhung des Haftungsanspruchs zu wehren, auch insoweit finden sich Sublimits in der Praxis (siehe dazu das obige Beispiel „Abwehrschutz und Gehaltsfortzahlung für versicherte Personen bei Aufrechnung oder Zurückbehaltung im Zusammenhang mit Gehaltsansprüchen“). Dies können z.B. Kosten im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen eine Abmahnung im Rahmen des Anstellungsverhältnisses sein oder Schritte gegen Kürzungen oder das Zurückstellen der vereinbarten Leistungen aus dem Anstellungsvertrag, also gegen Maßnahmen, die bereits im Hinblick auf eine Pflichtverletzung erfolgen. Dazu gehören auch Kosten für die Verteidigung bereits gegen Auskunfts- und Unterlassungsansprüche noch bevor ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird.

Auch Kosten für eine vorgezogene interne Untersuchung lassen sich in der Praxis mit einem Sublimit versichern, ebenso Kosten für Mediationsund Schlichtungsverfahren werden versichert. Die Bandbreite der möglichen erweiterten Kostenpositionen ist groß und kann hier erschöpfend nicht dargestellt werden.

6. Rechtsschutzversicherungen

Rechtsschutzversicherungen können den Versicherungsschutz ergänzen. Die Gesellschaft selbst, aber auch die Organmitglieder, haben z.B. einen entsprechenden Bedarf, wenn der D&O-Versicherer die Leistung verweigert. Hier kann eine sog. Deckungsklage-Rechtsschutzversicherung helfen (siehe unter D III). Soweit keine D&O-Versicherung abgeschlossen werden soll oder kann, z.B. weil der Gesellschaft die Prämien zu hoch sind oder sie meint, man bräuchte keine oder weil sie wegen eines harten Markts keine Police erhält, könnte wenigstens zur Abdeckung des Kostenrisikos auf Seiten der Organmitglieder eine Vermögensschadens-Rechtsschutzversicherung abgeschlossen werden (siehe dazu unter K II 4). Auch in Ergänzung zur D&O-Versicherung, z.B. zur Schonung der Deckungssummen in der D&O-Versicherung, werden Rechtsschutzversicherungen angeboten (siehe dazu ebenfalls die Ausführungen unter K II 4).

II. Deckungsumfang/erfasste Ansprüche

Die D&O-Versicherung versichert sowohl die sog. Innenhaftung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH als auch die Außenhaftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten. Im Verhältnis zur GmbH ist der Geschäftsführer für jeden pflichtwidrig und schuldhaft verursachten Schaden am Gesellschaftsvermögen eintrittspflichtig. Insbesondere etwaige Schäden, die auf Missmanagement beruhen, fallen unter den Versicherungsschutz, sofern kein Vorsatz oder keine wissentliche Pflichtverletzung im Spiel ist oder ein anderer Ausschluss eingreift.

Schaubild: Organhaftung

Im Außenverhältnis gegenüber Dritten haftet der Geschäftsführer z.B.

■ im Falle von Insolvenzverschleppung oder

■ gegenüber dem Finanzamt für Steuerschulden oder

■ im Verhältnis zu den Sozialversicherungsträgern für nichtabgeführte Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung oder

■ für (weitere) unerlaubte Handlungen, an denen er mitgewirkt hat bzw.soweit ihm eine Garantenstellung trifft.

Sofern die Verstöße nur vorsätzlich begangen werden können, wie das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen, besteht grundsätzlich kein Versicherungsschutz. Dieser Straftatbestand des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen kann nur vorsätzlich, nicht jedoch fahrlässig verwirklicht werden. Allerdings könnte sich der Vorwurf ja als unbegründet erweisen. Der Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung liegt indes auf der Hand. Dies gilt jedenfalls für den Geschäftsführer, der für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge zuständig ist. Bei einem Mitgeschäftsführer kann tatsächlich kein wissentlicher Verstoß vorliegen, zumindest für eine gewisse Zeit. Soll auch dieser haften, käme eine Abwehrdeckung in Betracht, die allerdings rückwirkend entfällt, wenn am Ende der Vorsatz bzw. die wissentliche Pflichtverletzung rechtkräftig festgestellt wird (siehe dazu die Ausführungen unten bei I I 2). Können Delikte wie die Insolvenzverschleppung sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig begangen werden, kommt bei fahrlässigen Verstößen grundsätzlich Versicherungsschutz in Betracht. Stehen Vorsatz oder eine wissentliche Pflichtverletzung im Raum, wird erst einmal nur eine einstweilige Abwehrdeckung gewährt. In der Haftpflichtversicherung ist jede Form der Fahrlässigkeit nicht jedoch der Vorsatz hinsichtlich der Schadensherbeiführung versichert. Zusätzlich wird der Ausschluss der wissentlichen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung vereinbart (siehe dazu die Ausführungen unter I I 5). Stets sind indes sowohl die einfache als auch die grobe Fahrlässigkeit mitversichert. Verletzt also z.B. der Geschäftsführer grob fahrlässig steuerliche Pflichten und muss er hierfür gegenüber dem Finanzamt haften, besteht grundsätzlich Versicherungsschutz.

III. Direktanspruch gegen D&O-Versicherer

Die versicherte Person hat einen vertraglich eingeräumten Direktanspruch gegen den Versicherer. Es handelt sich bei der D&O-Versicherung um eine Versicherung auf fremde Rechnung. Bei dieser stehen den versicherten Personen die Rechte zu (§ 44 I VVG).5 Zur Geltendmachung der Rechte bedarf das betreffende Organmitglied weder der Police noch der Zustimmung der Gesellschaft. Insofern ist die Vorschrift in § 44 II VVG durch die in der Praxis verwendeten Bedingungen abbedungen. Die versicherte Person muss vorher nicht einmal Kenntnis von der D&O-Versicherung gehabt haben, was bei Geschäftsführern von Tochtergesellschaften nicht selten der Fall ist. Auch in der Insolvenz der Gesellschaft ändert sich daran nichts, der Insolvenzverwalter darf über den Anspruch aus der Versicherung seinerseits nicht verfügen.6