Dangerous Affair: Doppeltes Spiel - Ava Cross - E-Book
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Dangerous Affair: Doppeltes Spiel E-Book

Ava Cross

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Beschreibung

June Gold lebt gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Julie sowie ihrer Cousine Faith ein privilegiertes Leben als Mitglied der Houstoner High Society. Als sie nach einer Party ihren Autoschlüssel nicht mehr findet, hackt Faith das Bordsystem des Fahrzeugs. Aus einer Laune heraus schließen die drei daraufhin eine Wette ab, wem es am schnellsten gelingt, ein Auto kurzzuschließen. Sie finden zunehmend Spaß an der Sache und die Suche nach dem nächsten Adrenalinkick lässt sie zu geschickten Autodiebinnen werden. Ryan Davis arbeitet bei der Houston Police und versucht seit Wochen erfolglos, eine Bande von Oldtimerdieben zu überführen. Als er ihnen eine Falle stellt, wacht er mit einer Platzwunde am Hinterkopf im Krankenhaus auf, kann sich jedoch nicht mehr daran erinnern, wie es dazu gekommen ist. Sein einziger Anhaltspunkt ist June, die ihn bewusstlos aufgefunden, den Notarzt gerufen hat und schließlich einfach verschwunden ist. Als der attraktive Cop und die junge Frau sich zum ersten Mal begegnen, können sie die gegenseitige Anziehungskraft nicht leugnen. Trotz der Tatsache, dass nicht alle Puzzleteile zusammen passen und Ryan fürchten muss, sie stünden auf verschiedenen Seiten des Gesetzes, bittet er June um ein Date. Während sich die beiden immer näher kommen, überschlagen sich plötzlich die Ereignisse und schon bald werden die zwei vor eine Entscheidung gestellt, die ihr ganzes Leben verändern könnte.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Danksagung

Ava Cross

Dangerous Affair: Doppeltes Spiel

© 2020 Written Dreams Verlag

Herzogweg 21

31275 Lehrte

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.weebly.com)

ISBN ebook: 978-3-96204-301-8

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlags weitergegeben werden.

Widmung

Für Fabian, Julian und Pia. Ich liebe euch!

Kapitel 1

June

Das Loft des Gastgebers hatte zwar gefühlt die Ausmaße eines Flugzeughangars, dennoch war es brechend voll. Ich nippte an dem ausgezeichneten Champagner und überlegte fieberhaft, wie ich meinem Gegenüber diplomatisch mitteilte, dass er nicht der unwiderstehliche Typ war, für den er sich offenbar hielt.

Es war eine dieser Schickimickipartys der gesellschaftlichen Oberschicht von Houston und wie so oft langweilte ich mich. Ein Blick zu meiner Zwillingsschwester Julie und unserer Cousine Faith bestätigte mir, dass es ihnen ebenso erging wie mir. Sie standen ein paar Meter weiter und wurden von drei jungen Kerlen angegraben.

„Die Aktien unseres Unternehmens sind im letzten Monat um zwei Prozent gestiegen, was natürlich auch im Zusammenhang mit der globalen Wirtschaftslage steht“, erklärte der Typ neben mir, dessen Name mir entfallen war. Seine Pupillen waren riesig und leicht gerötet, ein sicheres Zeichen dafür, dass er sich irgendetwas eingeschmissen hatte. Ich verdrehte innerlich die Augen, denn Drogen bedeuteten für mich ein absolutes No-Go.

„Bitte entschuldige mich, aber ich muss nach meiner Schwester sehen.“ Mit diesen Worten ließ ich ihn sitzen und ging zu Julie und Faith.

„Hoppla, ich glaube, ich sehe doppelt. Dabei habe ich noch gar nicht so viel getrunken“, lallte einer der drei Kerle und grinste Julie und mich breit an. Er hieß Andrew Tanner und war der Gastgeber dieser üppigen Veranstaltung. Meine Schwester und ich warfen uns einen genervten Blick zu, denn den Spruch hörten wir nicht zum ersten Mal. Wir sahen uns tatsächlich zum Verwechseln ähnlich, doch wer sich Mühe gab und genauer hinsah, konnte auch kleine Unterschiede entdecken. „Da ich heute Geburtstag habe, dürft ihr mir keinen Wunsch abschlagen. Wie wäre es, wenn ihr euch ein bisschen locker macht und wir zu dritt Spaß haben?“ Er griff in seine Hosentasche und holte ein Tütchen mit bunten Pillen heraus.

„Findest du es nicht traurig, dass du die Frauen erst mal mit Drogen vollpumpen musst, bevor du sie ins Bett bekommst? Denk mal darüber nach“, entgegnete Julie und machte auf dem Absatz kehrt. Faith und ich warfen uns einen kurzen Blick zu, ehe wir meiner Schwester folgten. Auch ohne Worte waren wir uns einig, dass wir keine Minute länger hierbleiben wollten.

„Liegt es an uns oder sind die Jungs in unserem Alter einfach nur unreif?“, fragte meine Cousine, während wir den Fahrstuhl ansteuerten, wo Julie bereits auf uns wartete.

Ich schüttelte frustriert den Kopf. „Entweder sind sie sterbenslangweilig oder total schwanzgesteuert.“

„Je mehr Männer ich kennenlerne, desto toller finde ich Hunde“, seufzte meine Schwester und brachte uns damit zum Lachen. Wir stiegen in die Kabine und der Aufzug rauschte in Rekordzeit die einundzwanzig Stockwerke nach unten. Als sich die Türen in der Tiefgarage öffneten, kramte ich in der Handtasche nach dem Autoschlüssel, hatte ihn jedoch noch immer nicht gefunden, als wir vor unserem Tesla X standen.

„Julie, hast du den Wagen vorhin abgeschlossen?“, erkundigte ich mich, aber sie schüttelte den Kopf.

„Nein, du bist gefahren. Guck nochmal nach, so groß ist deine Clutch ja nicht.“

Ich zog eine Grimasse und schüttete den Inhalt der hübschen Dior auf den Boden. Lippenstift, die schwarze Kreditkarte, mein Smartphone der neuesten Generation und der Haustürschlüssel fielen heraus, doch der Autoschlüssel war nicht darunter. Wie konnte das sein?!

Nun begannen auch Faith und meine Schwester in ihren Taschen zu wühlen, aber sie kamen zum gleichen Ergebnis. Hatte uns jemand auf der Party den Schlüssel geklaut?

„Was machen wir jetzt?“, fragte ich in die Runde.

„Jetzt knacken wir unser eigenes Auto“, schlug Julie vor und kicherte. „Ich habe irgendwo gelesen, das soll kinderleicht sein.“

„Bei Oldtimern vielleicht, doch dieser Wagen hat unter anderem eine elektronische Wegfahrsperre“, gab ich zu bedenken.

„Aber wir können auch nicht einfach ein Taxi rufen, schließlich könnte dann jeder, der den Schlüssel findet, mit dem Auto wegfahren“, überlegte unsere Cousine laut.

„Wir sollten uns hier verstecken und auf den Dieb des Autoschlüssels warten. Das wäre aufregender als die langweilige Party da oben“, erklärte Julie. Sie war schon immer abenteuerlustig gewesen und hatte als Kind Faith und mich oft in brenzlige Situationen gebracht.

„Vielleicht sollten wir nochmal nach oben fahren und den Schlüssel suchen. Möglicherweise ist er mir aus der Tasche gefallen.“ Mir war bewusst, dass ich nicht sehr überzeugend klang.

„Ich hätte da eine Idee, die ich unbedingt mal ausprobieren wollte.“ Faith sah uns mit geröteten Wangen erwartungsvoll an.

„Immer, wenn du so guckst wie jetzt, machst du mir Angst“, sagte ich, denn unsere Cousine war nicht nur abenteuerlustig wie Julie, sondern besaß auch eine gewisse kriminelle Energie. Schon als Kind hatte sie Freude daran gehabt, den Erwachsenen Dinge zu stehlen, die sie dann irgendwo versteckte, um sie zu ärgern.

Später brachte sie uns zur Verzweiflung, indem sie die Pincodes unserer Smartphones herausfand und heimlich änderte. Sie behauptete, das nur zu tun, um uns aufzuzeigen, wie schlecht diese Geräte gesichert waren. Daher wunderte es niemanden, als sie nach der Highschool verkündete, Informatik zu studieren.

„Ich könnte mich über das integrierte WLAN des Wagens in das System hacken“, erklärte sie stolz und riss mich damit aus meinen Gedanken.

„Das geht?“, hakte Julie verblüfft nach.

„Ich werde ein paar Minuten brauchen, aber ja, ich bekomme das hin.“

„Das will ich sehen“, forderte ich sie heraus und stellte fest, dass mir die ganze Sache irgendwie Spaß machte.

Während Faith begann, wie besessen auf der Tastatur ihres Blackberrys herumzutippen, überlegte ich, dass wir genaugenommen schon lange nichts Aufregendes mehr erlebt hatten.

Meine Schwester und ich hatten vor zwei Jahren unseren Master in Betriebswirtschaftslehre gemacht und waren in das Familienunternehmen eingestiegen. Solar Gold war einer der führenden Hersteller für Photovoltaikanlagen und vor knapp dreißig Jahren von meinem Vater und seinem Bruder gegründet worden. Während Julie inzwischen den Import und Export leitete, war ich für den Personalbereich zuständig. Faith hatte vor sechs Monaten ebenfalls ihren Abschluss geschafft und arbeitete in der IT-Abteilung der Firma. Unsere Zukunft war von Beginn an durchgeplant gewesen und die Versuche, uns dagegen aufzulehnen, wurden mit zunehmendem Alter weniger. Letztendlich waren wir uns des privilegierten Lebens bewusst und genau wie meine Schwester und ich, hatte sich auch Faith in die ihr zugeschriebenen Rolle gefügt.

Gespannt warteten wir und ich rechnete damit, dass jeden Moment die Alarmanlage des Autos losgehen würde, doch stattdessen klickte es leise. Julie und ich starrten unsere Cousine an, die lediglich mit den Schultern zuckte und zufrieden grinste.

„Einsteigen, bitte.“ Faith öffnete die Fahrertür und hielt sie mir auf.

Ich warf einen kurzen Blick in das Fahrzeuginnere, wo die Instrumententafel hell leuchtete und das riesige Display zum Leben erwacht war. Beeindruckt glitt ich auf den Fahrersitz, während auch die beiden anderen einstiegen.

„Das ist doch absolut verrückt“, murmelte ich und fuhr aus der Parklücke. „Wie kann das sein?“

„Erinnerst du dich, dass der Wagen für eine Rückrufaktion letzte Woche in die Werkstatt sollte?“, fragte Faith, die hinter mir saß.

„Ich hatte keine Zeit und habe abgesagt.“

„Das war eben unser Glück. Tesla hat die Sicherheitslücke entdeckt und alle betroffenen Modelle zurückgerufen, um eine neue, besser verschlüsselte Software aufzuspielen“, erklärte sie und ich konnte nur staunen, denn ich hatte mit diesem ganzen Computerkram nichts am Hut.

„Du bist genial, Cousinchen“, stellte Julie fest und drehte sich grinsend zu ihr um.

„Tja, derjenige, der den Schlüssel gefunden hat, wird jedenfalls vergeblich nach unserem Wagen suchen.“

„Ich werde den Verlust morgen trotzdem der Polizei sowie der Versicherung melden“, sagte ich, während ich auf die Interstate Richtung Südwesten fuhr.

„Ich wette, wenn wir einen Oldtimer fahren würden, hätte ich ihn mit einer Haarnadel schneller geknackt.“ Julie hielt besagtes Einbruchswerkzeug demonstrativ in die Luft.

„Das glaube ich erst, wenn ich es gesehen habe“, gab Faith zurück und lachte.

„Außerdem warst du von uns beiden schon immer die Grobmotorikerin. Ich bin mir sicher, ich wäre schneller als du, Sis.“ Selbstsicher grinste ich zu ihr rüber. Allerdings gefiel mir der Gesichtsausdruck meiner Schwester gar nicht. Ihre Augen funkelten und ihr Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln.

„Nein, sag es nicht“, riefen Faith und ich gleichzeitig, aber wir wussten, dass es zu spät war.

„Wette angenommen“, erklärte Julie und lehnte sich zufrieden in ihrem Sitz zurück.

Verflixt! Das war doch nicht ihr Ernst?!

Als Kinder hatten wir oft Wetten abgeschlossen, um unsere Grenzen auszutesten, und es gab eine goldene Regel, die nie gebrochen werden durfte. Wurde eine Wette angenommen, musste sie durchgeführt werden, egal, wie riskant oder lächerlich sie war.

„Was bekomme ich von euch, wenn ich gewinne?“, fragte Julie herausfordernd.

„Das Auto, das du geknackt hast?“, meinte ich ironisch und spürte plötzlich ein nervöses Kribbeln im Körper, denn mir wurde bewusst, dass ich ebenfalls ein Fahrzeug kurzschließen musste.

„Ich habe vier Minuten und siebenundfünfzig Sekunden gebraucht“, verkündete Faith und beugte sich nun zu uns vor. „Diejenige, die es unter dieser Zeit schafft, einen Wagen ihrer Wahl zu öffnen und den Motor zu starten, darf ganz allein über das Ziel unserer nächsten Reise bestimmen.“

Julie und ich wechselten einen kurzen Blick. „Einverstanden“, entgegneten wir gleichzeitig und mussten lachen, denn es kam sehr häufig vor, dass wir zeitgleich dasselbe sagten.

„Ich zähl auf dich, June. Noch so ein Urlaub, bei dem ich jeden Tag fast an einer Überdosis Adrenalin sterbe, überlebe ich nicht.“ Faith rutschte wieder auf ihren Sitz zurück.

Ich wusste, worauf sie anspielte. Während unseres Trips in die Rocky Mountains hatte uns meine Schwester zu einigen Aktionen überredet, über die ich heute noch innerlich den Kopf schüttelte. Von Bungee-Jumping über Zip-Line-Fahren bis hin zu einer Klettertour an einer hunderte Meter hohen Steilwand, war alles dabei gewesen. Im Nachhinein war ich stolz auf mich, dass ich mich all diese Dinge getraut hatte, doch unter Urlaub und Entspannung stellte ich mir etwas anderes vor. Ich war eher der Typ für Sonne, Strand und Meer.

Als wir die große Einfahrt zu unserem Anwesen passierten, überlegte ich bereits fieberhaft, an welchem Auto ich üben konnte, um die Wette zu gewinnen. Das Garagentor fuhr hoch, mein Blick fiel auf den alten VW-Bus des Gärtners und ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Malediven, wir kommen!

Kapitel 2

Ryan

Der Montagmorgen hätte nicht schlimmer beginnen können. Ich hatte verschlafen und die Kaffeemaschine gab ein röchelndes Geräusch von sich, bevor sie offenbar für immer das Zeitliche segnete. Zu allem Übel blieb die verdammte Dusche mal wieder kalt, weil ich am Wochenende nicht dazu gekommen war, den Boiler zu reparieren.

Als ich schlecht gelaunt in den alten Cadillac Deville meines Grandpas stieg, brauchte der Achtzylinder drei Versuche, bis er zum Leben erwachte. Hoffentlich lag es nur an der Batterie, denn ein neuer Anlasser war nicht nur teuer, sondern für dieses äußerst seltene Fahrzeug auch schwer zu bekommen. Trotz allem liebte ich das Auto. Mein Dad hatte ihn von seinem Vater geerbt und ihn vor zwei Jahren an mich weitergereicht. Der Gedanke an meine Familie ließ mich das letzte Wochenende Revue passieren, während ich mich durch die morgendliche Rushhour quälte.

Meine Eltern waren vor fünf Jahren nach Florida gezogen und genossen dort ihren Ruhestand. Ich wünschte mir zwar, sie wären hier in Houston in meiner Nähe geblieben, doch der Sonnenstaat war schon immer ihre Wahlheimat gewesen. Einmal im Monat flog ich zu ihnen, was mich eine Stange Geld kostete, aber das war es mir wert. Ich war ihr einziges Kind und wir hatten ein sehr gutes Verhältnis.

Der Rückflug war diesmal nur um neunzig Minuten verspätet und die Stewardess ein echter Hingucker gewesen. Ich war mir sicher, dass ich die Kleine dazu gebracht hätte, mit mir noch etwas Trinken zu gehen, doch es war schon spät. Die Aussicht auf einen One-Night-Stand war nicht so verlockend wie die auf ein paar Stunden Schlaf. Ich schüttelte den Kopf über mich, denn früher hätte ich mich definitiv anders entschieden. Die Erkenntnis, dass ich langsam alt wurde, trug nicht zur Besserung meiner Laune bei, weshalb ich genervt auf das Lenkrad schlug, als die Ampel kurz vor mir auf rot schaltete.

Als ich dreißig Minuten darauf den Wagen in der Tiefgarage des Houstoner Police Departements abstellte, war ich bereits zehn Minuten zu spät. Ich fuhr mit dem Aufzug in die dritte Etage, wo die Sonderermittlungseinheit für Autodiebstähle untergebracht war. Mein erster Gang führte mich zu dem Kaffeeautomaten im Flur. Die widerliche Plörre konnte man eigentlich nicht trinken, doch ohne Koffein würde ich diesen Morgen nicht überstehen.

Ich hatte eben das Großraumbüro betreten, als am anderen Ende die Tür vom Büro des Captains aufflog.

„Davis! In mein Büro! Sofort!“, brüllte er quer durch den Raum und für einen Moment herrschte unheimliche Stille, bis die Kollegen ihre Gespräche wieder aufnahmen und die übliche Geräuschkulisse erklang. Was zum Teufel war dem denn über die Leber gelaufen? Unser Chef galt im Allgemeinen als ruhig und ausgeglichen. Er war ein großgewachsener Mann, dessen rundliche Figur nicht über seinen messerscharfen Verstand hinwegtäuschen konnte. Wir alle respektierten ihn ebenso, wie er uns.

Ich erntete noch ein paar mitleidige Blicke, bevor ich das Büro meines Vorgesetzten betrat und die Tür hinter mir schloss. Auf einem der beiden Freischwinger vor dem Schreibtisch saß ein Typ mittleren Alters, der mich stark an Tommy Lee Jones in Men in Black erinnerte. Ich nickte ihm kurz zu und setzte mich auf den freien Stuhl.

„Sie sind zu spät, Davis“, blaffte Captain Adkins, was sonst gar nicht seine Art war. Ich vermutete, dass es mit dem Griesgram neben mir zu tun hatte.

„Entschuldigung, Sir“, brummte ich und hoffte, dass das reichte, um ihn milder zu stimmen.

„Sergeant Davis, das ist Sergeant Ford. Er wird ab sofort Ihr neuer Partner sein und bevor Sie versuchen, sich mal wieder aus der Affäre zu ziehen, vergessen Sie es.“ Sein Tonfall machte deutlich, dass jede Widerrede zwecklos war. Verdammt! Und ich hatte geglaubt, dass der Montag nicht noch schlimmer werden konnte.

Es war jetzt sechs Monate, zwei Wochen und drei Tage her, dass mein ehemaliger Partner Ray bei einem Einsatz, den ich leitete, ums Leben gekommen war. Obwohl mich keine Schuld traf, fühlte ich mich für seinen Tod verantwortlich. Seitdem bearbeitete ich nur einfache Fälle von Autodiebstahl, hinter denen keine Bande vermutet wurde. Sobald auch nur der Verdacht aufkam, dass mehr hinter einem Diebstahl steckte, schaltete sich die Abteilung für organisiertes Verbrechen ein, was mir mittlerweile gehörig auf den Sack ging. Daher war es in letzter Zeit öfter zu handfesten Streitigkeiten zwischen den Ermittlungsteams gekommen.

Mir war klar, warum mir ausgerechnet jetzt ein Partner zugewiesen wurde. Er sollte dafür sorgen, dass Ruhe einkehrte und mich ruhigstellen. Das konnte er vergessen! Ich hatte es nicht bis zum Sergeant geschafft, um den Rest meines Berufslebens am Schreibtisch Routinearbeit zu erledigen. Trotzdem setzte ich eine freundliche Miene auf und reichte dem Spießer die Hand. Es wäre unklug, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und die offene Konfrontation zu suchen. Außerdem bestand noch ein Fünkchen Hoffnung, dass er vielleicht netter war, als er aussah.

„Freut mich“, sagte ich höflich und er ergriff meine dargebotene Hand. „Dann werde ich Sie mal dem Rest der Truppe vorstellen.“ Ich erhob mich und verließ das Büro. Er folgte mir schweigend, offenbar war er kein Freund vieler Worte, was mir nur recht war. „Leute, hört mal kurz her. Das ist mein neuer Partner, Sergeant Ford. Heißt ihn bitte herzlich willkommen.“

Einzelne Willkommensrufe schallten durch den Raum, anschließend konzentrierten sich alle wieder auf ihre Aufgaben. Ich stellte ihn meinen Kollegen nach und nach vor und erntete Blicke, die mehr sagten, als tausend Worte. Keiner von ihnen nahm mir die Show ab. Sie kannten mich zu gut und wussten, dass ich Ray nicht einfach durch einen x-beliebigen Typ ersetzen lassen würde. Dennoch zwang ich mich weiterhin zur Ruhe und arbeitete Ford in meine aktuellen Fälle ein. Dabei handelte es sich vorwiegend um unspektakuläre Diebstähle, wo bereits bei der Aufnahme vermutet wurde, dass es der pubertierende Sohn gewesen war, der sich das Fahrzeug ausgeliehen hatte. Hier reichte es oft schon, wenn wir zuhause auftauchten und uns den Möchtegernganoven ordentlich zur Brust nahmen.

Die Krönung der Langeweile stellten zwei Akten dar, die am Wochenende auf meinem Schreibtisch gelandet waren. Ein älterer Herr über neunzig hatte vergessen, wo sein Auto parkte und wir sollten es jetzt suchen. Das I-Tüpfelchen war die Anzeige einer jungen Frau, die ihren Autoschlüssel als vermisst meldete. Die Kollegen rieten ihr, die Schließanlage umprogrammieren zu lassen, dennoch musste ich einen knappen Bericht dazu verfassen und ins System einpflegen. Ehrlich, im Moment hasste ich meinen Job.

Mein neuer Partner machte die Situation nicht erträglicher, denn er wies mich auf Rechtschreibfehler in den Akten hin, bemängelte die, seiner Meinung nach, schlampige Bearbeitung einiger Fälle. Ich atmete jedes Mal, wenn er den Mund aufmachte, tief durch und riss mich zusammen, was mir ein großes Maß an Selbstbeherrschung abverlangte.

Als wir endlich Dienstschluss hatten, folgte er mir wie ein Hund in die Tiefgarage, wo er wohl ebenfalls sein Auto geparkt hatte. Er ging ohne ein Wort des Abschieds auf einen älteren Ford Taurus zu.

„Hey, Ford, cooler Wagen“, versuchte ich einen Spaß, aber er grinste noch nicht einmal. Ich verkniff es mir, ihm einen schönen Feierabend zu wünschen und stieg stattdessen in meinen Cadillac ein, dessen Motor diesmal bereits beim zweiten Versuch ansprang.

Ich fuhr zum nahegelegenen Elektromarkt, kaufte eine neue Kaffeemaschine und verbrachte den restlichen Nachmittag damit, den Boiler zu reparieren, bevor ich an diesem Abend früh ins Bett ging. Der nächste Tag konnte nur besser werden.

Kapitel 3

June

Es war genau eine Woche her, seit wir die Wette abgeschlossen hatten, und ich wartete nervös vor dem hausinternen Eingang zur Garage auf die anderen beiden. Es war drei Uhr morgens und ich hatte mich versichert, dass sowohl unsere Eltern, als auch das Personal schliefen. Faith wollte sich um die Überwachungskameras kümmern, denn diese vollkommen blödsinnige Aktion sollte kein unnötiges Aufsehen erregen.

Statt meines ursprünglichen Plans, am VW-Bus des Gärtners zu üben, sah ich mir unzählige Youtube-Videos an. Es war wirklich erstaunlich, welche Informationen jedermann frei zugänglich waren. Heutzutage musste man als Verbrecher kein einfallsreicher Kopf sein, sondern sich lediglich im Internet ein paar Bilder ansehen. Bei meinen Recherchen war ich sogar auf Bauanleitungen für Molotow-Cocktails gestoßen.

Ich erschrak beinahe zu Tode, als Julie und Faith um die Ecke bogen. Sie trugen schwarze Klamotten und hatten die Kapuzen ihrer Hoodies tief in die Stirn gezogen. Bei ihrem Anblick musste ich automatisch kichern, denn ich war identisch gekleidet. Dieser Look unterstrich noch einmal, dass wir uns außerhalb des Gesetzes bewegten. Obwohl ich wusste, dass es sich im Grunde genommen um unser eigenes Fahrzeug handelte, spürte ich das Adrenalin durch meinen Körper rauschen.

„Die Überwachungskamera läuft in Dauerschleife“, flüsterte Faith und reckte den Daumen nach oben.

Julie öffnete so leise wie möglich die Tür zur Garage. Wir schlichen am Tesla X, Papas Elektroporsche und zwei strombetriebenen Mercedes SUVs vorbei. Unsere Eltern waren absolute Verfechter der Elektromobilität und der Überzeugung, mit gutem Beispiel vorangehen zu müssen. Daran war grundsätzlich nichts falsch, aber mir fehlten ab und zu doch das zufriedene Blubbern eines Achtzylinders und der typische Benzingeruch.

Als wir vor dem VW-Bus standen, war ich so nervös, dass meine Hände zitterten. Ich griff in die Tasche meines Hoodies und zog den Draht hervor, den ich, wie in einem Video gesehen, mittig mit einer Schlaufe versehen hatte.

„Bereit?“, fragte Faith aufgeregt.

Ich nickte lediglich.

„Gut, die Zeit läuft … ab jetzt!“

Plötzlich empfand ich eine seltsame Ruhe und rief mir die einzelnen Schritte ins Gedächtnis, die ich mir in den letzten Tagen gefühlt eintausend Mal angesehen hatte. Konzentriert setzte ich den Draht zwischen Tür und Rahmen an und begann, ihn hinter dem Dichtungsgummi nach unten zu ziehen. Das funktionierte überraschend einfach, womit ich nicht gerechnet hätte. Etwas schwieriger war es, die Schlaufe über den Entriegelungsknopf zu stülpen, was mir aber nach einigen Versuchen gelang. Ich zog an den Enden des Drahtes, nur einen Moment später klickte es und die Tür war entriegelt.

Stolz drehte ich mich zu den Mädels um und deutete einen stummen Jubelschrei an, was die beiden kichern ließ. Jetzt kam allerdings der komplizierte Teil. Die meisten Videos, die das Kurzschließen zeigten, waren entweder im Dunkeln gedreht worden oder stark verwackelt. Ich setzte mich auf den Fahrersitz und beugte mich vor, um hinter der Lenkradverkleidung nach den Kabeln zu suchen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich mir sicher war, das Richtige erwischt zu haben. Ich zog an dem Stecker, nahm die kleine Zange zur Hand, die ich mitgebracht hatte und löste die Kabel. Doch der vermeintlich einfache Part, die Ummantelung zu entfernen, stellte sich als echte Herausforderung dar. Offenbar war meine Wahl auf das falsche Werkzeug gefallen.

„Du hast noch knapp zwei Minuten“, informierte mich Faith.

Ich ging nicht darauf ein und mühte mich weiter ab, die Kabel freizulegen, was mir schlussendlich gelang. Allerdings musste ich jetzt den anderen Stecker finden und die Anschlüsse miteinander verbinden. Ich spürte, wie mir der Schweiß auf der Stirn stand und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Verdammt, ich würde es nicht schnell genug hinbekommen. Endlich ertastete ich das gesuchte Teil und zog kräftig daran, dann steckte ich die freigelegten Drähte in die, im Video gezeigten, Öffnungen. Als der Motor des alten Autos lautstark ansprang, erschreckte ich mich fast zu Tode und auch Faith und Julie zuckten zusammen.

Wie erstarrt blieb ich sitzen und es fiel mir schwer, zu glauben, dass ich soeben tatsächlich ein Auto kurzgeschlossen hatte.

„Fünf Minuten und sechsunddreißig Sekunden“, verkündete unsere Cousine und hielt die Stoppuhr so, dass wir sie alle sehen konnten. Langsam kam ich wieder zu mir und zog die Drähte aus dem Stecker. Der Motor erstarb augenblicklich und die nun plötzlich vorherrschende Stille legte sich wie ein Vorhang aus Blei über uns.

„Und jetzt?“, fragte ich leise.

„Jetzt müssen wir alles zurück in den Urzustand bringen, damit keiner etwas merkt“, schlug meine Schwester vor.

„Na toll, ich weiß zwar nun, wie man ein Auto kurzschließt, aber darüber, wie ich das Ganze wieder rückgängig mache, habe ich kein Video gesehen“, zischte ich.

„Du hast das geschafft, ohne auch nur einmal geübt zu haben?“, fragte Julie erstaunt. Ich nickte und bemühte mich, den zweiten Stecker an seinem angestammten Platz zu montieren. Es dauerte eine gefühlte Stunde, bis alles wie vorher aussah, dabei waren laut Faith kaum zehn Minuten vergangen.

Wir schlichen aus der Garage und meine Schwester und ich gingen in mein Zimmer, während unsere Cousine die Treppe in den Keller nahm, um die Überwachungskamera wieder einzuschalten. Kurze Zeit später gesellte sie sich zu uns und grinste breit.

„Noch bestimme ich über das nächste Urlaubsziel“, erklärte sie selbstzufrieden.

„Das wird sich morgen Vormittag ändern“, ließ Julie verlauten und zog die Kapuze des Hoodies vom Kopf.

„Du willst den VW-Bus am helllichten Tag knacken?“, hakte ich ungläubig nach.

„Nein, ich habe mich für ein anderes Auto entschieden. Ihr kennt doch die Scheune, wo die landwirtschaftlichen Maschinen untergestellt werden. Ich habe einen alten Buick gekauft und ihn dort untergebracht.“

Faith und ich tauschten erstaunte Blicke aus.

„Was haltet ihr von Schlittenhunderennen in Alaska? Oder mit einer Karawane durch die Sahara? Oder von der Besteigung des K2?“ Julie war sich ihrer Sache offenbar sehr sicher.

„Noch hast du nicht gewonnen“, murrte unsere Cousine.

Julie lachte und ich musste zugeben, dass mir das Ganze riesigen Spaß machte. Wir verabredeten uns für zehn Uhr vor dem Haus und während meine Schwester in ihr Zimmer ging, das direkt neben meinem lag, verschwand Faith in die andere Richtung, wo die Gästezimmer lagen. Sie übernachtete öfter hier als daheim, weil sie sich dort immer einsam fühlte. Ihr Vater arbeitete ebenso wie unser Dad von früh bis spät in der Firma und ihre Mutter vertrat das Familienunternehmen im Ausland, weshalb sie unter der Woche nur selten zuhause war.

Während ich mich auszog und im angrenzenden Badezimmer Zähne putzte, ging ich in Gedanken unser nächtliches Abenteuer noch einmal durch. Der Adrenalinkick war unglaublich gewesen. Jetzt überkam mich jedoch die Müdigkeit und da wir uns bereits in sechs Stunden treffen wollten, sollte ich lieber versuchen, wenigstens ein bisschen zu schlafen. Es dauerte allerdings, bis mir endlich die Lider zufielen.

Pünktlich um zehn Uhr stiegen Julie und Faith zu mir in den Tesla. Die beiden sahen genauso müde aus, wie ich mich fühlte. Wir ließen unser Wohnviertel Estates of Silver Ridge hinter uns und nur wenig später bog ich auf einen Waldweg ab, von dem ich wusste, dass er direkt zu unserem Ziel führte. Nach etwa zwei Meilen tauchte die Scheune vor uns auf und ich parkte genau davor.

Julie sprang aus dem Auto, ging auf das große Scheunentor zu, schloss es auf und schob es soweit auf, dass wir hindurchschlüpfen konnten. Wir folgten ihr in das Innere des Gebäudes, wo es nach Stroh und frisch gemähtem Gras roch. Durch die schmutzigen Scheiben der wenigen Fenster fiel gedämpftes Licht. Der Buick stand hinter einem riesigen Mähdrescher und hatte definitiv schon bessere Zeiten gesehen.

„Faith, hast du die Stoppuhr?“, fragte Julie und wirkte jetzt doch etwas nervös, was mich schmunzeln ließ. Ich erinnerte mich genau daran, wie ich mich letzte Nacht gefühlt hatte. Allerdings war es bei mir eher die Angst davor gewesen, erwischt zu werden. Meine Schwester musste lediglich befürchten, die Wette zu verlieren.

„Und … los!“ Unsere Cousine startete die Zeit und im selben Moment zog Julie bereits den Draht erfolgreich hinter den Türgummi. Ich konnte kaum glauben, wie rasch sie es schaffte, die Schlaufe um den Knopf zu legen und ihn hochzuziehen. Es klickte und nur einen Augenblick später saß sie schon auf dem Fahrersitz und angelte nach den Kabeln für das Zündschloss, die sie deutlich schneller als ich fand. Einzig das Entfernen der Isolierung bereitete ihr ebenso wie mir Schwierigkeiten. Ein kurzer Blick zu Faith bestätigte mir, dass auch sie völlig verblüfft war. In diesem Moment erwachte der lautstarke Motor des Buick zum Leben und die Luft war von Benzingestank erfüllt.

Julie löste die Kabel wieder voneinander und sofort erstarb das Motorengeräusch. „Und? Wie lange habe ich gebraucht?“, fragte sie aufgeregt.

Unsere Cousine hielt uns die Stoppuhr hin, sodass wir das unglaubliche Ergebnis sehen konnten.

„Zwei Minuten und sieben Sekunden“, hauchte ich ehrfürchtig.

„Yeah!“ Meine Schwester stieß eine Faust in die Luft. „Also ich wäre ganz stark für den Wüstentrip.“

Faith und ich verdrehten die Augen, mussten jedoch gleich darauf lachen.

„Wir sind total verrückt, wisst ihr das?“ Ich nahm die beiden in die Arme und drückte sie an mich.

„Zumindest wissen wir nun, dass wir außer Solar Gold noch andere berufliche Perspektiven haben“, scherzte meine Schwester und zwinkerte uns zu.

„Das hat riesigen Spaß gemacht. Was wirst du jetzt mit dem Buick tun?“, erkundigte Faith sich neugierig.

„Der Landwirt, dem die Scheune gehört, hat Interesse angemeldet. Ich mache ihm einen guten Preis, schließlich durfte ich das Auto eine ganze Woche hier unterstellen.“

„Irgendwie schade, dass es nun vorbei ist“, seufzte unsere Cousine und strich verträumt über das Dach des Wagens. „Wisst ihr noch, wie wir früher die Sachen der Erwachsenen geklaut und dann versteckt haben?“ Ihre Augen funkelten. Sie heckte irgendetwas aus.

„Ja, und ich kann mich auch noch an den Streit zwischen Grandma und Mom erinnern, weil sie dachte, unsere Mutter hätte ihr das Armband gestohlen. Das gab damals riesigen Ärger“, entgegnete ich ernst.

„Das lag daran, dass du es so versteckt hast, dass sie es nicht finden konnte. Das ist mit einem Auto schwierig.“

„Mit einem Auto?“, hakten Julie und ich mal wieder gleichzeitig nach.

„Wie wäre es, wenn wir aus Spaß die Fahrzeuge von Freunden und Verwandten klauen und umparken? Ich stelle mir gerade vor, wie blöd dieser Mark Tanner gucken würde, wenn er seinen Mercedes jedes Mal woanders finden würde.“

Meine Schwester lachte auf. „Die Idee gefällt mir. Das müsstest allerdings du übernehmen, weil der Wagen elektronisch gesichert ist.“

„Wartet, das geht mir zu schnell. Ihr habt ernsthaft vor, Autos zu stehlen? Aber euch ist schon bewusst, dass ihr dafür ins Gefängnis kommen könnt?“ Ich konnte nicht glauben, dass die beiden tatsächlich eine Karriere als Autodiebinnen anstrebten.

„Ach was, wir stehlen die Fahrzeuge ja nicht, wir parken sie lediglich um.“ Faith grinste verschmitzt.

„Sie hat Recht, June, wir wären das perfekte Team. Unser Cousinchen kümmert sich um die modernen Modelle oder eventuell vorhandene Sicherheitssysteme, ich knacke die Oldtimer und du fährst unser Fluchtauto.“ Meine Schwester strahlte, als hätte sie soeben ein großartiges Geschenk ausgepackt.

„Ihr habt doch den Schuss nicht gehört“, empörte ich mich und verließ die Scheune.

„Ach komm schon, Sis, es hat dir auch Spaß gemacht. Lass es uns wenigstens nur einmal durchziehen. Wir könnten zum Beispiel deinen blöden Ex damit ärgern.“

Verdammt! Meine Schwester wusste genau, wie sie mich ködern konnte. Allein der Gedanke an Petes ratloses Gesicht, während er seinen heißgeliebten Mustang suchte, zauberte mir automatisch ein Lächeln auf die Lippen.

Ich drehte mich zu den beiden um, die mich nun erwartungsvoll ansahen. „Gut, einverstanden.“

Julie quietschte auf und fiel mir um den Hals, bevor Faith es ihr nachmachte. Ich liebte die zwei und auch wenn sie ein bisschen verrückt waren, würde ich lieber mit ihnen zusammen im Gefängnis landen, als sie im Stich zu lassen. Und den Fluchtwagen fahren … das konnte ich.

Kapitel 4

Ryan

Vier Monate später

Es war zum Haareraufen. Etwas Merkwürdiges ging in dieser Stadt vor, doch ich kam nicht hinter das Geheimnis der Autodiebstähle. Anfangs dachte ich, dass die Autobesitzer, die einen vermeintlichen Diebstahl meldeten, lediglich vergessen hatten, wo ihr Wagen abgestellt worden war, denn wir fanden die Autos oft bloß eine Querstraße weiter unversehrt vor.

Als sich die Anzeigen jedoch häuften und eindeutig ein Muster dahinter zu erkennen war, schenkte ich den Fällen mehr Aufmerksamkeit. Mein neuer Partner war sehr schnell der Meinung, eine organisierte Bande würde dahinterstecken, doch dagegen sprach, dass die Fahrzeuge recht leicht wiedergefunden werden konnten. Es gab keine Gemeinsamkeiten, weder bezüglich des Modells, der Farbe, des Standorts oder des Alters. Wir mussten hilflos mitansehen, dass es zu immer mehr Vorfällen dieser Art kam. Offensichtlich machte es jemandem da draußen Spaß, die Leute zu verarschen und eine Ostereiersuche mit ihren Autos zu veranstalten.

Ich war auf Drängen von Sergeant Ford fast versucht, die Fälle an die Abteilung für organisiertes Verbrechen weiterzuleiten, als für eine Woche Ruhe eintrat. Bei den in diesem Zeitraum angezeigten Eigentumsdelikten handelte es sich offenbar um echte Delikte, da die Fahrzeuge nicht an der nächsten Kreuzung wiedergefunden wurden. Vielleicht hatten der- oder diejenigen den Spaß an der Sache verloren.

Viel Zeit zum Aufatmen blieb uns aber nicht, denn schon kurz darauf beschäftigten uns mehrere Diebstähle von Oldtimern. Diesmal war allerdings ein ganz klares Muster zu erkennen. Es handelte sich ausnahmslos um sehr seltene Liebhaberstücke reicher Geschäftsmänner und -frauen, die allesamt den Ruf genossen, für einen guten Deal über Leichen zu gehen. Obwohl diese Fahrzeuge in den meisten Fällen durch neueste Überwachungstechnik gesichert waren, gelang es den Tätern, im Durchschnitt zwei dieser exklusiven alten Modelle pro Woche zu stehlen. Das wirklich Merkwürdige daran war nur, dass weder die Autos noch Teile davon zum Kauf angeboten wurden.

Auch wenn es keinen offensichtlichen Zusammenhang zwischen den umgeparkten Wagen und den gestohlenen Oldtimern gab, wurde ich das Gefühl nicht los, dass dieselben Verbrecher dahintersteckten.

„Was bringt Sie zu dieser Annahme?“, fragte Ford, nachdem ich ihm von meinem Verdacht erzählt hatte. Er klang gelangweilt und blickte noch nicht einmal von seinen Unterlagen auf. Je länger ich mit diesem Starrkopf zusammenarbeitete, desto mehr nervte mich seine überhebliche Art. Auch mit den Kollegen wurde er nicht richtig warm, was vor allem daran lag, dass er mit Kritik nicht sparte. Inzwischen munkelte man, er wäre von der Internen beauftragt worden, die Effektivität unserer Einheit zu überprüfen.

„Es ist mehr so ein Bauchgefühl“, erklärte ich und überlegte, wie ich jemandem wie ihm so etwas näherbringen konnte.

Er sah nun auf, klappte die Akte, die er zuvor studiert hatte, seufzend zu und verschränkte die Hände vor sich auf dem Tisch. Auch wenn mich seine Art ankotzte, zumindest schien er nun bereit, mir zuzuhören.

„Soso, ein Bauchgefühl also“, wiederholte er meine Worte und machte keinen Hehl daraus, wie wenig er von meiner Aussage hielt.

„Ja, verdammt“, platzte es aus mir heraus und ich schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. Augenblicklich herrschte Stille im gesamten Büro und ich hatte plötzlich die geballte Aufmerksamkeit meiner Kolleginnen und Kollegen. „Habt ihr nichts zu tun?“, motzte ich und atmete tief durch.

Der Geräuschpegel um uns herum stieg wieder an und ich fixierte Ford mit meinem Blick. Mein Geduldsfaden war soeben gerissen und ich nicht länger bereit, mich ihm gegenüber für alles rechtfertigen zu müssen.

„Als mein Partner ist es Ihre verdammte Pflicht, sich meine Vermutungen anzuhören und hinter mir zu stehen“, knurrte ich ihn wütend an.

„Ach, so wie Sie hinter Ihrem ehemaligen Partner gestanden und ihm Feuerschutz gegeben haben?“

Bevor ich darüber nachdachte, was ich tat, sprang ich vom Stuhl auf, stürzte mich auf Ford, bekam ihn am Revers seines Hemds zu packen und verpasste ihm einen rechten Haken. Sein Kopf flog zur Seite und hätte ich ihn nicht festgehalten, wäre er von seinem Drehstuhl gefallen. „Wagen Sie es nicht, zu behaupten, ich wäre ein schlechter Partner für Ray gewesen. Ich hätte mein Leben für ihn gegeben, genauso wie er seines für mich, aber davon haben Sie offenbar nicht den blassesten Schimmer.“

Rasch ließ ich ihn los und trat einen Schritt zurück, während Ford mich wütend anfunkelte und sich die getroffene Stelle am Kinn rieb.

„Das wird Konsequenzen für Sie haben“, grollte er.

„Davis! Was zum Teufel ist in Sie gefahren?“, brüllte der Captain in diesem Moment. Fuck!

„Es tut mir leid, Captain Adkins, aber ich kann nicht länger mit Sergeant Ford zusammenarbeiten“, presste ich hervor und bemühte mich gleichzeitig, meine Wut in den Griff zu bekommen.

„Das sehe ich genauso.“

Ich sah meinen Chef angesichts seiner Antwort erstaunt an. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass er mir Vorhaltungen machen würde.

„Sie packen jetzt Ihre Sachen und nehmen sich ein paar Tage frei.“ Der Captain starrte mich mit undurchdringlicher Miene an.

„Sie suspendieren mich?“, hakte ich ungläubig nach.

Er atmete tief durch. „Ich glaube nur, dass Ihnen ein wenig Urlaub guttun wird. Sergeant Ford ist mit Ihren Fällen vertraut und wird Sie gut vertreten. Das ist mein letztes Wort, Davis. Tun Sie, was ich sage, sonst muss ich doch noch Ihre Marke und die Dienstwaffe einziehen.“

Ich warf meinem Partner einen vernichtenden Blick zu, bevor ich meinen Kram zusammenpackte, die Lederjacke überzog und wutentbrannt aus dem Büro stapfte. Warum hatte ich mich nicht besser im Griff gehabt?

Als ich hinter dem Steuer meines alten Cadillacs saß, war ich nach wie vor außer mir. Ich bereute allerdings kein bisschen, was vorgefallen war. Dieses Arschloch hatte den Kinnhaken verdient.

Die Razzia, bei der Ray erschossen wurde, war von langer Hand geplant gewesen.

---ENDE DER LESEPROBE---