Dangerous Pleasure - Gefährliche Küsse - Stella Cameron - E-Book
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Dangerous Pleasure - Gefährliche Küsse E-Book

Stella Cameron

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Beschreibung

Ein atemloser Tanz am Rande des Vulkans: Der Hot-Romance-Roman »Dangerous Pleasure – Gefährliche Küsse« von Stella Cameron als eBook bei dotbooks. Die junge Rechtsanwältin Phoenix ist mit allen Wassern gewaschen – doch als ihre beste Freundin April vermisst wird, muss sie über sich hinauswachsen: Weil die Polizei ratlos ist, ermittelt Phoenix undercover. Eine Spur führt sie zum überaus diskreten Peak Club, in dem reiche Männer ungestört ihrem Verlangen nachgehen können – und viele Geheimnisse gehütet werden. Als Masseurin getarnt taucht Phoenix tief ein in eine Welt, in der Leidenschaft, Manipulation und Gefahr untrennbar miteinander verbunden sind … und lernt so auch Roman Wilde kennen. Vom ersten Moment an spürt Phoenix, dass der muskulöse Ex-Navy-Seal mit dem markanten Gesicht etwas anderes im Peak Club sucht als die Befriedigung seiner dunklen Lust – aber wieso scheint er mehr über April zu wissen, als er zugibt? Es gibt nur einen Weg, dies herauszufinden … »Wenn Sie einen Roman von Stella Cameron lesen, wird er sie atemlos zurücklassen, höchst zufrieden … und hungrig auf mehr!« New-York-Times-Bestsellerautorin Elizabeth Lowell Jetzt als eBook kaufen und genießen: der prickelnde Spannungsroman »Dangerous Pleasure – Gefährliche Küsse« der USA-Today-Bestsellerautorin Stella Cameron verbindet Nervenkitzel und Romantik zu einem provokant sinnlichen Vergnügen. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 538

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Über dieses Buch:

Die junge Rechtsanwältin Phoenix ist mit allen Wassern gewaschen – doch als ihre beste Freundin April vermisst wird, muss sie über sich hinauswachsen: Weil die Polizei ratlos ist, ermittelt Phoenix undercover. Eine Spur führt sie zum überaus diskreten Peak Club, in dem reiche Männer ungestört ihrem Verlangen nachgehen können – und viele Geheimnisse gehütet werden. Als Masseurin getarnt taucht Phoenix tief ein in eine Welt, in der Leidenschaft, Manipulation und Gefahr untrennbar miteinander verbunden sind … und lernt so auch Roman Wilde kennen. Vom ersten Moment an spürt Phoenix, dass der muskulöse Ex-Navy-Seal mit dem markanten Gesicht etwas anderes im Peak Club sucht als die Befriedigung seiner dunklen Lust – aber wieso scheint er mehr über April zu wissen, als er zugibt? Es gibt nur einen Weg, dies herauszufinden …

»Wenn Sie einen Roman von Stella Cameron lesen, wird er sie atemlos zurücklassen, höchst zufrieden … und hungrig auf mehr!« New-York-Times-Bestsellerautorin Elizabeth Lowell

Über die Autorin:

Die New-York-Times- und USA-Today-Bestsellerautorin Stella Cameron hat über 70 Liebes- und Spannungsromane geschrieben, die sich allein in ihrer US-amerikanischen Heimat über vierzehn Millionen Mal verkauft haben. Die mehrfach – unter anderem von den »Romance Writers of America« –preisgekrönte Autorin wurde außerdem mit dem »Pacific Northwest Achievement Award« für herausragende schriftstellerische Leistungen ausgezeichnet. Stella Cameron ist außerdem Mutter von drei Kindern und lebt heute gemeinsam mit ihrem Mann in Washington.

Mehr Informationen über die Autorin finden sich auf ihrer Website www.stellacameron.com und auf Facebook: www.facebook.com/stellacameron

Bei dotbooks veröffentlichte Stella Cameron ihre drei Regency-Romane »Verführt von einem Earl«, »Die Geliebte des Viscounts« und »Die Leidenschaft des Dukes« sowie das Hot-Romance-Highlight »Heaven & Hell – Gefährliche Leidenschaft«.

***

eBook-Neuausgabe September 2021

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1995 unter dem Originaltitel »Sheer Pleasures« bei Zebra Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2001 unter dem Titel »Nackte Lügen« bei Droemer Knaur.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1995 by Stella Cameron

Published by Arrangement with Stella Cameron

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2001 Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock/Just dance, IuliaIR sowie pixabay/lumpi, Abhardphoto

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts-tw)

ISBN 978-3-96655-667-5

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

Besuchen Sie uns im Internet:

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www.instagram.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Stella Cameron

Dangerous PleasureGefährliche Küsse

Roman

Aus dem Amerikanischen von Kerstin Winter

dotbooks.

Prolog

Männer wie Roman Wilde wussten die Nacht zu schätzen.

Und diese Nacht war vollkommen. Der mexikanische Himmel verschmolz mit dem mexikanischen Land, und weder Mond noch Sterne verrieten die Gestalt in dunkler Tarnkleidung.

Roman suchte das Gebiet durch sein Nachtsichtgerät ab. Das Einzige, was sich regte, war eine schlaflose Wüstenechse, die einen Unterschlupf suchte. Es herrschte absolute Stille.

Dann hörte er den Motor. Tief, kraftvoll, gedrosselt.

Er zog das winzige Mikrofon an seinem Kragen an die Lippen. »Nasty?«

»Ich höre ihn«, drang die Antwort durch den Kopfhörer. Zwischen Nasty Ferrito und Roman bedurfte es nicht vieler Worte. In den acht Jahren, die sie bei den SEALs waren, hatten sie zusammen schon genug Zwei-Mann-Misssionen durchgestanden, um die Gedanken des anderen über brennende saudi-arabische Ölfelder, einen Flugplatz in Panama oder über einige Meilen mexikanischer Wüste hinweg lesen zu können.

Roman schob die schwere Ausrüstung auf seinem Rücken zurecht und begann vorwärtszurobben. Seine Hand griff nach der Beretta, die an seinem Oberschenkel befestigt war.

Die Stiefelspitzen in den Sand gestemmt und das Nachtglas vor den Augen, positionierte er sich am Rand einer Böschung, packte die Beretta mit beiden Händen und streckte die Arme aus. Unter ihm lag die Stelle, an der die Zielperson einen gewissen Gentleman abfangen wollte, den die Vereinigten Staaten nur ungern verlieren würden. Nasty und er sollten also nur das neue Empfangskomitee bilden und ihr Land glücklich machen, indem sie den Herrn wieder nach Hause begleiteten.

Der Wagen kam näher.

Roman spähte nach rechts und runzelte die Stirn. Aufgeblendetes Scheinwerferlicht tanzte über den Staub. Idioten! Oder wollten sie einfach besonders schlau sein? Immerhin – wer würde bei so viel Licht schon vermuten … Er justierte das Nachtsichtgerät, um sich den Wagen genauer anzusehen. Shit! Irgendein Vollidiot in einem Wohnmobil. Verdammt! Roman drückte sein Gesicht in den warmen Sand. Wenn die Zielperson die Aktivität bemerkte, würde sie ihr Vorhaben mit Sicherheit schleunigst abblasen!

»Nasty«, sagte Roman ins Mikro. »Bleib ruhig. Nicht unser Mann.«

»Okay.«

Das Motorengeräusch veränderte sich. Roman blickte wieder hinunter. Im gleichen Moment wurde der Camper gedrosselt. Er verzog das Gesicht. Vielleicht ein kurzer Kartencheck? Bist du sicher, dass wir hier richtig sind, Mabel? – »Aber ja doch, Artie. Sieh doch nur, der hübsche Kaktus da … genau wie der, der auf der Landkarte eingezeichnet ist!«

Die Scheinwerfer verloschen.

Roman schloss die Augen. Als Nächstes würden sie ein Lagerfeuer entzünden und Marshmallows aufspießen. Er zog das Mikro an seinem Kragen näher an die Lippen und … erstarrte.

Ein Geräusch drang an seine Ohren. Ein erstickter Schrei. Die Tür des Wohnmobils öffnete sich, und gedämpftes Licht fiel heraus. Eine gebückte Gestalt zerrte etwas aus dem Inneren des Wagens und hievte es über die Schulter. Ein weiterer Schrei ertönte. Er klang mehr wie der eines Tieres und ging in ein Stöhnen über, das nicht enden wollte. Am Rand eines Grabens schüttelte der Fahrer seine Last ab und versetzte ihr einen Fußtritt. In dem Bündel befand sich eine Person. Und diese Person war nicht tot – noch nicht.

Einen Augenblick später heulte der Motor des Gefährts auf, und die Scheinwerfer durchschnitten das Dunkel. Der Kerl setzte zurück. Sand und Kies spritzten auf, als er den Wagen wendete und in die Richtung davonjagte, aus der er gekommen war. So kurz der Stopp auch gewesen war – Romans Mann würde den fremden Wagen längst auf einem Scanner ausgemacht und die Mission abgebrochen haben.

Roman sprach ins Mikro. »Schluss für heute, Nasty.« Erklären würde er es später. »Sag den Jungs, sie sollen sich bereit machen, um uns aufzulesen.«

Was immer da im Graben lag, ging ihn nichts an. Er hatte nur seine Aufträge auszuführen und sonst nichts. In seinem Job durfte man das niemals vergessen.

Das Motorengeräusch war inzwischen zu einem fernen Summen verebbt.

Roman zögerte, dann schaltete sich sein Instinkt ein, und er schob die Beretta ins Holster zurück. Geduckt verließ er rückwärts die Böschung.

Das nächste Geräusch war weder ein Schrei noch ein Stöhnen. Das verzweifelte Schluchzen traf ihn irgendwo tief in der Magengrube. »Verdammte Scheiße«, flüsterte er. Beinahe lautlos und die Beretta wieder in den Händen, hastete er zum Graben hinüber und spähte hinein. Unten entdeckte er eine dunkle Masse, die sich bewegte.

Wenn das eine Falle für ihn und sein Team sein sollte, dann war es geschickt gemacht. Er blickte sich um, sah aber niemanden herankommen. Die Waffe auf den Körper unter ihm gerichtet, sprang er hinab und richtete sich breitbeinig auf. »Wer sind Sie?«, presste er zwischen den Zähnen hervor.

Das Wimmern ließ ihn zusammenfahren.

Mit der Waffe in der einen Hand bückte Roman sich und löste einen von den Stricken, die um das Bündel festgezurrt waren. Dann schlug er das schwere Öltuch zurück. Das Nachtglas verlieh dem blonden, blutverklebten Haar einen grünlichen Schimmer.

Der Kopf der Frau, deren Gesicht kaum noch zu erkennen war, rollte von einer Seite zur anderen. Ihre Augen waren zugeschwollen.

Roman schob das Nachtsichtgerät auf den Kopf, steckte die Waffe zurück und befreite sie aus dem Tuch. »Es ist alles in Ordnung«, flüsterte er der Frau ins Ohr. »Es ist alles okay.« Das Licht seiner winzigen Taschenlampe glitt über sie. Es war nichts okay.

Das plötzliche Aufbäumen ihres Körpers lenkte seine Aufmerksamkeit von ihrem Gesicht ab. Welche Farbe das Kleid früher auch einmal gehabt haben mochte – jetzt war es rot. Blutrot. Blut überall.

Mit geübtem Griff fühlte er nach ihrem Puls an der Kehle. Ihr Atem war flach. Er musste herausfinden, aus welcher Wunde sie das meiste Blut verlor, und den Fluss stoppen. Im Licht der Lampe entdeckte er frisches Blut, das durch den Stoff an ihrem Unterleib sickerte. Roman verengte die Augen, hob den langen, durchtränkten Rock an – und stieß geräuschvoll den Atem aus.

»Billy!«

»Ich bin nicht Billy.« Er blickte von den Messerwunden in ihrem Bauch zu ihren farblosen Lippen. »Wer sind Sie? Wie heißen Sie?«

Ihr Körper verkrampfte sich wieder. Roman legte ihr behutsam eine Hand auf die Wunden und spürte, wie die nächste Wehe ihren gewölbten Bauch zusammenzog.

Der Kopf des Babys war schon zu sehen.

Er empfand einen plötzlichen Hass, der ihm Übelkeit verursachte. Noch nie war es ihm gelungen, das Entsetzen oder den Abscheu, den er über die Grausamkeit anderer Menschen verspürte, zu verbergen. Der Wunsch, die Opfer zu rächen, drohte ihn stets zu überwältigen.

»Sie machen das gut«, murmelte er. »Wir haben es bald geschafft.«

Sie verharrte reglos und schlug mühsam die zugeschwollenen Augen auf. Die Berührung ihrer Finger auf seinem bloßen Unterarm ließ ihn zusammenzucken. »April«, sagte sie klar und deutlich. Blut rann aus ihrem Mundwinkel. »Sie heißen April?« Er lächelte und betete, dass die Dunkelheit sein rußgeschwärztes Gesicht verbarg.

»April«, flüsterte sie wieder. Ihr Körper bäumte sich unter einer weiteren Wehe auf. »Helfen Sie mir. Helfen Sie meinem Baby. Bitte!«

Roman riss seinen Blick von ihrem schmerzverzerrten Gesicht los und umfasste vorsichtig den Kopf des Babys. Die nächste Wehe brachte winzige Schultern zu Tage.

»Weiter«, sagte er. »Sie machen das ganz fantastisch.«

Sie gab etwas von sich, was er verblüfft als Lachen identifizierte.

»So ist es gut«, sagte Roman, während er einen Fluch unterdrückte. Die Bauchwunden bluteten unaufhörlich. »Halten Sie sich bereit. Sie müssen noch einmal pressen, dann ist der Bursche hier draußen.«

Er spürte, dass die Frau den Atem anhielt.

»Sehr gut. Braves Mädchen.« Vage erinnerte er sich an die Anweisungen, die sie für solche Fälle erhalten hatten. Vielleicht war manches einfach eine Frage des Instinkts. Er konnte es nur hoffen. »Und jetzt pressen!«

Sie tat es und das Baby rutschte in seine Hände. Ein Schwall frischen Blutes folgte.

»Sie haben es geschafft«, flüsterte er. Sie würde verbluten. »April?«

»Ja. Das Baby?«

Nachgeburt. Was zum Teufel sollte er wegen der Nachgeburt unternehmen? Das Baby begann zu schreien.

»Ein Mädchen«, sagte er automatisch. »Ein wunderschönes kleines Mädchen.«

Hastig legte er das Baby bäuchlings auf die Brust der Mutter und trennte die Nabelschnur mit einem Stück Zwirn durch, das er bei sich hatte.

So viel Blut.

Er rollte das Öltuch zusammen und schob es unter Aprils Hüften. Und dann fiel ihm wieder ein, was bei exzessiven vaginalen Blutungen nach Abtreibungen – und vermutlich auch nach Geburten – zu tun war.

Er schluckte und blickte einen Moment zur Seite. Sie hatte genug Schmerzen erleiden müssen. Und litt immer noch.

»Past Peak.«

Er sah aufmerksam in ihr Gesicht. »Was? Was haben Sie gesagt?« Ihre Augen waren wasserblau.

»Die Stadt. Past Peak. In Washington.«

In seinem Kopfhörer knisterte es. Nastys Stimme meldete sich. »Wo zum Teufel bleibst du?«

Roman wandte den Kopf ab. »Warte auf mich. Geh nicht ohne mich. Ich werde Hilfe brauchen.«

»Was?«

»Out«, fauchte er und unterbrach die Verbindung.

»Ich muss die Blutung stoppen«, sagte er. »Es wird nicht leicht werden, April. Sie müssen mir vertrauen.«

»Kümmern Sie sich um mein Baby.«

»Sie kümmern sich selbst um Ihr Baby.« Mit zusammengebissenen Zähnen senkte er sein Knie auf ihren Bauch und übte Druck aus.

Sie bäumte sich auf. Mit beiden Händen packte sie ihr Kind und presste es sich an den Körper.

»Es tut mir Leid«, flüsterte Roman.

»Sie … Sie müssen sich um mein Baby kümmern.«

»Mach ich. Aber im Moment halten Sie es doch bitte für mich fest.« Er gab mehr Druck.

»Er hat gelogen!«

»Wer?« Bitte, Gott, mach, dass ich das Richtige tue. Mach, dass sie überlebt. »Wer hat gelogen, April?«

»Past Peak. Der … Club. Billy!«

Er spürte die klebrige Feuchtigkeit durch sein Hosenbein. Die Blutung hörte nicht auf.

»Past Peak.« Ihre Stimme versagte. »Club … Seien Sie vorsichtig. Billy!« Sie ließ das Baby los.

Roman packte das Kind, bevor es zu Boden rutschte, knöpfte sein Hemd auf und schob es an seine Brust. »Ich bringe Sie weg von hier«, sagte er zu April.

Er packte die Ecken des Öltuchs, das noch immer unter ihr lag, und begann, sie anzuheben. »Kommen Sie schon, Mama. Sie sind stark. Und tapfer.« Roman kam so behutsam wie möglich auf die Füße. »Ich bringe Sie zu einem Arzt.«

»Kümmern Sie sich um sie.«

»Wir kümmern uns beide um sie, bis Sie es allein schaffen.« Wenn er sie erst einmal aus diesem Graben geholt hatte. »Ich hieve Sie jetzt hoch, okay, Mädchen?«

Roman spürte, wie das Gewicht in seinen Armen schwerer wurde. Sie war ohnmächtig geworden. Umso besser.

Er blickte auf sie herab. Ihr Kopf war zurückgefallen, ihr Mund stand offen.

Roman leckte sich nervös über die Lippen. Nein. Er durfte sie nicht bewegen. Sie hatte schon zu viel Blut verloren. Sehr vorsichtig legte er sie wieder hin und leuchtete ihr ins Gesicht.

Etwas krampfte sich in seiner Brust zusammen. Noch während er nach ihrem Puls suchte, wusste er, dass er nichts mehr finden würde.

Er legte seine Lippen auf ihre und hauchte ihr seinen Atem ein. Mit beiden Händen übte er Druck auf ihr Herz aus. Er atmete und pumpte. Atmete und pumpte. Das Baby wimmerte leise an seiner Brust.

Schweiß trat auf seine Stirn.

»Komm schon, April!«

»Roman?«, brüllte Nasty ihn über Kopfhörer an. »Wir müssen hier weg!«

Roman sank auf die Fersen zurück. »Ja.« Sie war tot. »Ich komme.«

Kleine Arme und Beine zappelten in seinem Hemd. Das winzige Gesicht presste sich an seine Brust.

»Roman! Du musst dich beeilen, Kumpel.«

»Ja doch!« Er zog das Öltuch über den leblosen Körper vor. »Bin schon unterwegs.«

Kapitel 1

»Meine Freunde nennen mich Phoenix.« Und wenn einer von ihnen sie nun gesehen hätte, hätte er sie zweifellos als lebensmüde Vollidiotin bezeichnet. Sie schloss leise die Bürotür und wartete darauf, dass die Person im Zimmer reagierte.

Die Frau erhob sich majestätisch aus dem cremefarbenen Sessel. Ihr schwarzes langes Haar glänzte wie lackiert. Ihre schräg stehenden Augen schienen keine Pupillen zu haben. Der sorgsam aufgetragene Lippenstift konnte nicht ganz über die dünnen Lippen hinwegtäuschen, ließ jedoch ihren porzellanweißen Teint beinahe durchscheinend wirken.

Phoenix war plötzlich an Morticia von der Addams Family erinnert und unterdrückte ein nervöses Grinsen.

»Wie sind Sie hierher gekommen … Phoenix?«

Jetzt kam es. Jetzt würde sich entscheiden, ob man sie sofort hinauswerfen würde oder noch Schlimmeres mit ihr anstellen. »Ich habe von dem Club gehört«, erwiderte sie munter. »Na ja, in gewisser Hinsicht sozusagen. Jedenfalls, ähm … liebe ich den Staat Washington und möchte unbedingt in diesem Teil des Landes bleiben. Aber in so einem Ort wie Past Peak gibt es nicht gerade viele Arbeitsplätze für eine Masseuse.«

Das graue Seidenkostüm der Frau raschelte leise, als sie wie beiläufig um Phoenix herumging. »Wissen Sie, wer ich bin?«

Manche Dinge konnte man nicht vortäuschen. »Nein«, gab Phoenix zu.

»Das dachte ich mir schon. Ich bin die Gräfin von Leiden.« Neugierig betrachtete Phoenix sie. Sagte man einfach ›Hi, Gräfin‹ oder musste man einen Knicks machen oder vielleicht sogar salutieren? »Freut mich, Sie kennen zu lernen, Ma’am.«

»Gräfin.«

Das beantwortete die eine Frage. »Freut mich, Sie kennen zu lernen, Gräfin.«

»Und mich würde es freuen, wenn Sie mir eine Erklärung geben würden. Wir stellen keine Leute ein, die unangemeldet hier eindringen.«

»Ich wollte ja anrufen, aber ich konnte die Nummer in keinem Telefonbuch finden. Also bin ich einfach von der Straße eingebogen und –«

»Man kann nicht einfach von der Straße einbiegen. Es gibt Wachhunde und verschlossene Tore.«

»Ja, das ist mir aufgefallen. Ist es nicht schlimm, was man heutzutage alles unternehmen muss, um den Pöbel draußen zu halten? Man kann wirklich keinem Menschen mehr trauen, nicht wahr? In meiner letzten Wohnung …«

»Wie sind Sie durchs Tor gekommen?«

Phoenix verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Zufällig wollte gerade jemand kurz vor mir durch.« Dieser Jemand war zwei Stunden, nachdem Phoenix sich auf die Lauer gelegt hatte, eingetroffen. »Ich bin einfach hinterhergegangen.«

»Man hätte Sie aufhalten müssen. Diese Nachlässigkeit ist unverantwortlich.«

Phoenix hatte sich auf schlichtes Glück verlassen, und es hatte geklappt. »Ich hoffe nur, dass ich Ihnen keine Ungelegenheiten bereitet habe, ähm, Gräfin. Als ich dem netten Mann am Enpfang sagte, dass ich wegen eines Termines gekommen bin, führte er mich zu Ihnen.« Sie lächelte gewinnend. »Wahrscheinlich hat er geglaubt, ich hätte bereits einen Termin mit Ihnen ausgemacht. Oje, darüber hab ich mir gar keine Gedanken gemacht!« Mit der naiven Tour ging sie sich langsam selbst auf die Nerven.

Die Gräfin sah sie ausdruckslos an. »Wer hat Ihnen vom Peak Club erzählt?«

Phoenix betete, dass sie nicht in Schweiß ausbrechen würde. »Mort und Zelda, denk ich mal.«

Die Gräfin zog die glatte Stirn zusammen. »Mort und Zelda?«

»Ihnen gehört das Round the Bend. Sie wissen schon. Der trendigste Laden im Westen.« Sie rollte die Augen und lachte. Vielleicht war es doch nicht so klug, die leicht Beschränkte zu spielen.

»Sie meinen das schäbige Etablissement am alten Eisenbahndepot?«

Es sah nicht so aus, als würde die Gräfin jemals zu Phoenix’ dicksten Freundinnen gehören. »Man kann das Depot von dort aus sehen. Mort und Zelda waren früher beim Zirkus. Trapezkünstler. Überall hängen die alten Zirkusposter, die …«

»Und Mort und Zelda haben über den Peak Club geredet?«, unterbrach die Gräfin.

Phoenix befeuchtete die Lippen. »Sie haben ihn mal erwähnt. Ihr Neffe hat diese Fernfahrerraststätte außerhalb der Stadt. Auf der Strecke nach Fall City. Die kennen Sie sicher.«

»Wohl kaum.«

»Man kann sie nicht verfehlen. Len – das ist der Neffe – war früher Jockey, bis ein böser Sturz seine Karriere zerstört hat.«

»Faszinierend.«

»Auch Len hat den Club erwähnt.«

»Und in welchem Zusammenhang?« Die Nasenflügel der Gräfin blähten sich. »Was sagen diese Leute denn?«

Sie hätte auf Mort hören sollen. Er, Zelda und Len hatten sie angefleht, ihren Plan aufzugeben. »Sie sagten, dass es sich um einen sehr exklusiven und schicken Club handelt. Ich habe für Mort und Zelda gearbeitet, aber ich brauche mehr Geld, als sie mir zahlen können, also dachte ich, ich komme mal vorbei und schaue, ob Sie nicht noch jemanden brauchen.«

»Leider finden sich bei uns weder Burger noch Fernfahrer.«

Phoenix spürte, wie sie rot wurde. »Ich wollte fragen, ob Sie eine Masseuse brauchen.«

Das Lächeln der Gräfin war kein beruhigender Anblick.

Ihre Augen verengten sich, und Phoenix erhaschte einen kurzen Blick auf spitz zulaufende Eckzähne.

»Sie entsprechen zumindest dem Klischee der temperamentvollen Rothaarigen. Es gibt Männer, die so etwas mögen. Wo haben Sie gelernt?«

Phoenix schluckte. »In Schweden.« Sie hatte einem Masseur in Stockholm drei Monate lang den Haushalt geführt und dabei mehr über Massage gelernt, als ihr lieb gewesen war.

»Tatsächlich?« Die exakt nachgezogenen Brauen hoben sich. »Und was machen Sie hier in Past Peak?«

Das Lügen fiel ihr nicht leicht. »Ich suche nach einem Ort, an dem ich mich niederlassen kann. Einem ruhigen Ort. Der jedoch auch ein bisschen Aufregung zu bieten hat.« Sie warf der Gräfin einen bedeutungsvollen Blick zu. »Na ja, ich will sagen, dass ich meine Fähigkeiten dort einsetzen möchte, wo man sie zu schätzen weiß – und das an einem Ort, den ich schätze! Und mir ist es wichtig, das Geschäftliche von den anderen Bereichen meines Lebens zu trennen.«

In den zwei Jahren, die vergangen waren, seit sie Oklahoma City verlassen hatte – und das Anwaltsbüro, in dem sie als junge Rechtsanwältin eine strahlende Zukunft vor sich gehabt hätte –, hatte sie alles in ihrer Macht Stehende getan, um nicht zu vergessen, dass man arbeitete, um zu leben – nicht umgekehrt. Sie hatte sich an dem Gesetz, für das sie gearbeitet hatte, die Finger verbrannt, und die Wunden waren noch nicht vernarbt.

Phoenix zuckte zusammen, als die kalten Finger der Gräfin ihre Wange berührten. »Hmm«, machte die Frau und drehte den Kopf der Jüngeren zur Seite. »Vielleicht …« Ihr Mund blieb leicht geöffnet, als sie über Phoenix’ Wange strich.

Phoenix hatte Mühe zu atmen. »Vielleicht?«

»Wir sind hier im Peak Club sehr wählerisch. Unsere Mitglieder sind einflussreich – ausgesprochen einflussreich. Sie zahlen viel Geld und erwarten dementsprechend viel. Wir können uns keine Fehler erlauben – am wenigsten in der Personalwahl! Wer hier arbeitet, gehört zu einem Elite-Team.«

Und was, wenn sie meine Angst wittern kann? Phoenix starrte der Frau mit unbewegter Miene in die dunklen Augen. »Brauchen Sie eine gute Masseuse? Die beste Masseuse, die Sie sich vorstellen können?«

»Und Sie sind diese beste Masseuse?« Dieses Mal waren es die Fingerknöchel, die über Phoenix’ Gesicht glitten.

»Ich bin gut.«

»Hmm. Nun, das muss sich zeigen. Normalerweise betreiben wir bei der Rekrutierung unseres Personals einen enormen Aufwand. Aber … nun ja. Warum sich eine gute Gelegenheit entgehen lassen?« Schweigend ertrug Phoenix die streichelnden Finger. »Selbstverständlich werden wir Ihre Referenzen genauestens prüfen.«

»Selbstverständlich.« In Oklahoma City war gerade ein alter Freund dabei, diese »Referenzen« – zwar widerwillig, aber doch gewissenhaft – zusammenzustellen.

»Woher kommen Sie?«

»Ursprünglich aus New York. Aber die letzten Jahre war ich überall.«

»Fällt es Ihnen schwer, sich irgendwo niederzulassen?«

Feine Falten kräuselten die Stirn der Gräfin.

»Sagen wir, ich hatte einen Punkt erreicht, an dem ich mich auf den Weg machen musste, wenn ich jemals die Welt sehen wollte. Das habe ich nun hinter mir.«

»Das klingt –« Die Finger glitten an Phoenix’ Hals abwärts. »Das klingt, als hätten wir noch eine Menge zu bereden. Ja … ja, ich denke, Sie und ich könnten uns noch eine ganze Weile unterhalten. Lebt Ihre Familie noch immer in New York?«

Nur unter Anstrengung gelang es Phoenix, sich ihren Widerwillen nicht anmerken zu lassen. »Ich fürchte, ich bin das schwarze Schaf der Familie.« Das war beinahe wahr. »Wir haben keinen Kontakt mehr.« Ganz und gar wahr.

Die Frau bedachte Phoenix mit einem weiteren spitzzahnigen Lächeln. »Sie stehen also praktisch allein?«

»Ja. Und das gefällt mir.«

»Starke Frauen sprechen mich an, Phoenix.«

»Das freut mich.«

»Glatte Haut. Und so viele Sommersprossen.«

Phoenix konnte nicht verhindern, dass sie wieder errötete. »Tja, auch so ein typisches Charakteristikum von Rothaarigen.«

»Faszinierend.«

Phoenix atmete den Shalimar-Duft der Frau ein, als diese die Sommersprossen aus nächster Nähe musterte. »Makellose Haut. Herrlich glatt. Wo haben Sie sie noch?«

Phoenix schluckte. »Wie bitte?«

»Die Sommersprossen. Wo haben Sie sie noch? Auf den Brüsten?«

Roman war zu sehr damit beschäftigt, die Hängeregister durchzugehen, als dass er Vanessas Gespräch mit einer offenbar leicht minderbemittelten Frau mehr als nur flüchtig verfolgt hätte. Doch die letzte Frage der Gräfin weckte seine Aufmerksamkeit.

Er drückte die Schublade, die er gerade durchsucht hatte, behutsam zu und blickte zu der Reihe von Monitoren und Lautsprechern, die oberhalb eines Tisches voller elektronischem Schnickschnack angebracht waren. Der Tisch nahm die ganze Breite des Raumes ein, in dem sich ansonsten nur Aktenschränke befanden – einmal abgesehen von der Treppe, die zu der Falltür in der Decke führte.

Es hatte ihn ganze zwei Monate gekostet, diese verdammte Tür zu finden; so lange hatte er gebraucht, bis ihm klar geworden war, dass diese exklusive Villa zwischen zwei Räumen entweder eine Wand von etwa zwölf Fuß Dicke besaß oder dass sich zwischen eben diesen Räumen noch ein weiterer befinden musste, zu dem es keinen sichtbaren Zugang gab.

»Ist die Frage Ihnen peinlich?« Vanessas humorloses Lachen hatte den üblichen Effekt auf Roman: Er hatte das Gefühl, als würden sich ihm die Zehennägel aufrollen. »Nun, vergessen Sie es. Wo wohnen Sie?«

Roman schob den Stuhl zu dem Lautsprecher, aus dem das Gespräch drang. Per Knopfdruck ließ er das Bild auf dem Schirm heranzoomen und grinste, als er das Mausoleum erkannte, das Vanessa als ihr Büro bezeichnete. Er war überzeugt gewesen, dass es irgendwo in diesem Club eine solche Überwachungsstation geben musste. Und nun hatte er nicht nur etwas gefunden, das dem Paradies eines Voyeurs verdammt nahe kam, sondern wurde auch noch Zeuge eines Gesprächs, das ganz bestimmt nicht für seine Ohren gedacht war – ein solches Glück gleich zweimal an einem Abend konnte einem Menschen den Glauben an den Weihnachtsmann zurückgeben.

»Rose Smothers?«, sagte Vanessa gerade. »Es kommt mir vor, als hätte ich den Namen schon mal gehört.«

Geoffrey Fullerton – Sir Geoffrey Fullerton, ehemals Welsh Guards, würde es vermutlich nicht mögen, mit dem Weihnachtsmann verglichen zu werden, doch er hatte Roman unbeabsichtigt in diese verwunschene Höhle geführt. Ganz offensichtlich hatte er Vanessa beobachtet und vergessen, den Lautsprecher auszuschalten, bevor er wieder ging.

Die Rothaarige war nicht mehr so jung, wie er gedacht hatte. Vielleicht um die dreißig. Sehr intelligent wirkte sie nicht.

»Rose Smothers ist ein echter Schatz. Wirklich lieb«, sagte sie nun. »Etwas verrückt, aber ein echter Schatz.«

Romans Finger glitten über die Tastatur und holten sich das Gesicht der Rothaarigen näher heran. Sie hatte Angst. Er sah es in ihren grünen Augen. Verdammt, Vanessa von Leiden war ein Vampir. Welche Befriedigung zog sie daraus, mit diesem Hühnchen zu spielen, das sich versehentlich in ihre Gruft verirrt hatte?

»Und wo kann man diese Rose Smothers finden?«

»Tja … sie mag keine Fremden.« Aber da war noch etwas anderes in diesen schräg stehenden grünen Augen. »Obwohl … wenn ich bei ihr bin, würde sie wahrscheinlich mit anderen reden. Es ist schon komisch, aber sie vertraut mir, obwohl ich erst seit einem Monat da wohne. Mort und Zelda meinten, ich sollte mal hingehen und nach einem Zimmer fragen. Ich habe eine kleine süße Wohnung oberhalb der Garage. Sie hat da einen Wagen stehen, der nie bewegt wird, können Sie sich das vorstellen?«

Roman schüttelte leicht den Kopf. Da stimmte irgendetwas nicht. Diese Frau wollte etwas, und er hätte einen Jahreslohn gewettet, dass es nicht der Job war – jedenfalls nicht allein.

Er beugte sich vor, um den Zoom zurückzufahren, bis er Vanessa, die sich mit ihrem breiten Hintern auf dem Schreibtisch niedergelassen hatte, wieder im Bild hatte. Die Gräfin von Leiden streckte den Arm aus, drehte die Handfläche nach oben und bewegte die Finger. »Ich will Ihre Hände sehen.« Sie wartete, bis die jüngere Frau gehorchte. »Gut. Kräftig. Ich mag kräftige Hände. Man kann sehr schöne Dinge damit tun, nicht wahr?«

Roman erlebte gleichzeitig zwei Reaktionen. Die sexuelle Erregung angesichts der Rothaarigen war in Ordnung. Der bittere Geschmack der Galle, die ihm hochkam, war es nicht. Vanessa von Leiden verursachte ihm Übelkeit. Nicht, dass ihre kleinen Hobbys ihn etwas angingen.

»Ein Aston Martin. Ein DB2. Können Sie sich das vorstellen?

Ein wunderschöner Aston Martin DB2, und er ist nicht bewegt worden, seit er geliefert wurde. Sie kauft alles, was sie braucht, aus dem Katalog. Ihre ganzen Klamotten – alles. Sie geht niemals aus, redet aber unheimlich gerne. Verrückt, aber –«

»Ein echter Schatz, ja«, beendete Vanessa den Satz. »Sie sind ihre erste, ähm, Mieterin?«

»Oh, nein, nein. Das bin ich nicht.«

Roman zoomte ihr Gesicht erneut heran und betrachtete die grünen Augen und die vollen, ungeschminkten Lippen, die kaum merklich bebten. Er verengte die Augen. Mochte Vanessa das Spiel auch genießen, sie kaufte der Rothaarigen nicht ab, was diese ihr zu vermitteln versuchte.

Die Frau lächelte.

Und Roman schluckte.

Das Lächeln eines Engels. Breit, mit hochgezogenen Mundwinkeln und Grübchen in weichgeschwungenen Wangen. Was hatte sie hier zu suchen? Was wollte sie in einem Etablissement wie dem Peak Club, in dem nichts so war, wie es zu sein schien?

»Rose meinte, dass die ehemalige Mieterin vielleicht zurückkommt, aber darüber mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist.«

»Sehr klug. Nun … meine Partner und ich haben es uns zur Regel gemacht, niemanden ohne eine Überprüfung seines Könnens einzustellen.« Vanessa lachte kurz und humorlos. »Es war ein langer, sehr anstrengender Tag. Warum schauen wir nicht, ob Sie mich entspannen können?«

Phoenix’ Hände lagen immer noch in Vanessas. »Sie meinen, ich soll Sie massieren?«

»Vielleicht. Aber zuerst möchte ich noch mehr über Ihre Unterkunft wissen. Wir laden nicht oft dazu ein, auf diesem Gelände hier zu wohnen, aber wenn wir einen Angestellten besonders schätzen und er keine geeignete Unterkunft hat, nun …«

In der Pause, die dem folgte, betrachtete Roman die Neue ausgiebiger. So weit er es beurteilen konnte, entsprach die schlanke Rothaarige mit ihren sanften Rundungen nicht unbedingt dem Geschmack der Gräfin, die jungenhafte, muskulöse Typen bevorzugte.

Phoenix machte keine Anstalten, die strategischen Lücken in dem Vortrag der Gräfin zu füllen, und Roman konnte Vanessas Verärgerung förmlich spüren. Er musste ihre Augen nicht sehen, um zu wissen, dass sie langsam zu blitzen anfingen.

»Wie steht es mit Männern?«

Roman grinste und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er konnte sich denken, wie das Gespräch nun weitergehen würde.

»Ich mag Männer.«

Roman stützte sich auf die Armlehnen und beugte sich interessiert vor. Eine solche Bemerkung hatte er nicht erwartet.

Vanessas Givenchy-Kostüm spannte plötzlich an den Schultern. »Sie mögen Männer«, wiederholte sie tonlos.

»Sehr sogar.« Die Rothaarige nickte heftig. »Im Grunde genommen war es meine Rettung, Masseuse zu werden.« Roman beugte sich noch ein Stück vor.

»Würden Sie das etwas näher erläutern?«, fragte Vanessa. »Na ja … ich habe Sie doch nicht schockiert, oder?«

Roman gluckste und schüttelte den Kopf. Nun hätte er doch gerne Vanessas Gesicht gesehen.

»Sie faszinieren mich, Phoenix. Bitte fahren Sie fort.«

Phoenix zog ihre rötlichen Brauen zusammen und senkte ihre Stimme zu einem vertraulichen Ton. »Dadurch habe ich ein Ventil für meinen, nun ja, manchmal sehr extremen Sexualtrieb gefunden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mir gut tut, meine Energie darauf zu verwenden, Männern Vergnügen zu bereiten. So muss ich nicht immer nur daran denken. Sie wissen schon.«

»Ich bin mir nicht sicher. Erklären Sie es mir doch bitte.«

»Ja«, murmelte Roman, »bitte.«

Phoenix entzog Vanessa die Hände und schob ihr lockiges Haar zurück. Ihre Brüste unter dem dunklen, weiten T-Shirt hoben sich. Hübsche Brüste. Kein BH.

Sie lachte ein wenig verlegen und sagte: »Ich halte Sex für gesund, Sie nicht auch?«

»Doch«, antwortete Roman im gleichen Moment wie Vanessa.

»Und manche Leute brauchen eben mehr davon. Ich habe ziemlich viel über Sexsucht gelesen und denke manchmal, ich finde mich da wieder.«

»Willkommen in deinem ganz privaten Paradies«, flüsterte Roman lautlos und dachte flüchtig daran, wie es wohl sein müsste, Phoenix in ihrer Sucht zur Verfügung zu stehen.

Vanessa derweil schien offenbar einen raren Moment der Sprachlosigkeit zu durchleben.

»Aber Sie können mir glauben«, beeilte Phoenix sich mit ernsthafter Miene zu beteuern, »dass ich in einer solchen Anstellung die perfekte Besetzung bin. Sehen Sie, ich weiß, wie man andere verwöhnt – ehrlich. Und es ahnt ja niemand, wie viel Spaß ich selbst dabei habe – wenn Sie wissen, was ich meine. Es sei denn natürlich, ich habe das Gefühl, dass es dem Betreffenden wichtig ist …«

Dieses Mädchen war wirklich ein Fall für sich.

Das Pfeifen aus dem Lautsprecher musste von Vanessas Atem herrühren. »Was ist mit Frauen?«

»Oh, es macht mir nichts aus, auch Frauen zu massieren.«

Roman erstickte ein Lachen, bis ihm einfiel, dass er nicht leise zu sein brauchte. Er hatte den Raum bereits nach Wanzen abgesucht.

»Und verschafft es Ihnen …« Vanessa stand auf und drehte sich direkt der Kamera zu. »Erregt es Sie sexuell, wenn Sie mit Frauen arbeiten?«

Vanessas Augen verengten sich. Roman sah die Zungenspitze zwischen ihren Zähnen und das seltsame Funkeln in ihren Augen, das er zu verabscheuen gelernt hatte.

Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Phoenix zu, die ihre Hände zu Fäusten geballt hatte. Er runzelte die Stirn. Entweder hatte sie Mühe, ihren Abscheu zu verbergen, oder sie litt ganz plötzlich an einem akuten Brechdurchfall. Jedenfalls sah die Frau aus, als wäre ihr schlecht.

»Frauen?«, wiederholte Vanessa.

Phoenix wischte sich die Hände an ihrer Jeans ab. »Ich mag Frauen.«

Aber nicht als Bettgefährtinnen, dachte Roman.

»Was bedeutet das genau? Mögen?«

»Ich bewundere schöne weibliche Körper. Und mir macht es selbstverständlich nichts aus, an einem weiblichen Körper zu arbeiten. Aber Frauen sind keine … Lösung für mein Problem.«

Vanessa, die Phoenix noch immer den Rücken zugekehrt hielt, lächelte dünn. »Haben Sie schon mal mit einer Frau geschlafen?«

»Nein!«

»Zu schnell, meine Liebe«, murmelte Roman.

Vanessas Lächeln wurde diabolisch. »Gut. Wie ich Ihnen schon sagte – wie suchen unsere Leute hier sehr sorgfältig aus.«

Roman wusste, was Vanessa mit »sorgfältig« meinte. Und er ahnte, dass sie sich gerade überlegte, wie sich Phoenix’ sexuelle Erfahrung erweitern ließ. Vanessa schlief mit Männern und Frauen, aber sie machte keinen Hehl aus ihrer Vorliebe für Letztere – die sie wiederum besonders genoss, wenn sie noch keine diesbezüglichen Erfahrungen gesammelt hatten.

»Vielleicht sollten wir ja noch einmal offiziell einen Termin ausmachen? Wenn es Ihnen besser passt?«

Phoenix, die Nymphomanin, verlor offenbar die Nerven. Roman sah sie sich noch einmal genauer an. Intelligente Augen. Irgendetwas stimmte da nicht. Jahrelange Erfahrung darin, seinen Instinkten zu vertrauen, gekoppelt mit der härtesten Ausbildung der Welt, hatten ihm ein beinahe untrügliches Gespür für Täuschungen und Schauspielerei verschafft. Phoenix war nicht wirklich das, was sie zu sein vorgab. Sie spielte ihnen etwas vor.

»Ich denke, wir können schon einen Schritt weitergehen«, meinte Vanessa und drehte sich endlich wieder zu ihrem Gast um. »Ich vertraue gewöhnlich meiner guten Menschenkenntnis, und mein Instinkt sagt mir, dass Sie genau das sein könnten, wonach wir suchen.«

Roman spürte ein seltsames Unbehagen.

»Ja, Sie könnten genau die Richtige für uns sein. Ich muss zwar noch mit meinen Partnern darüber sprechen, aber ich ergreife gerne Gelegenheiten beim Schopf.«

Roman bleckte die Zähne. »Lauf, Baby, lauf«, knurrte er. Mit Hilfe sehr überzeugender »Spenden« war er kürzlich vom einfachen Clubmitglied zu Geoffreys und Vanessas neuster Partner-Errungenschaft geworden. Der Ehrenwerte Miles Wilberton, ehemaliger Captain der English Horse Guards, und Pierre Borges, Ex-Offizier des erlesenen Schweizer Alpin-Corps und Sohn des französischschweizerischen Bankiers Borges, vervollständigten die exklusive Gesellschaft der fünf Geschäftspartner, doch Geoffrey und Vanessa standen ihnen allen vor. Roman hatte bereits einmal erlebt, wie man sich auf eine neue Angestellte geeinigt hatte. Die Kandidatin, eine Kartenlegerin aus Las Vegas, hatte sich willig auf einige ausgesprochen interessante und lukrative Glücksspielchen eingelassen … und hatte mit Bravour bestanden. Phoenix – wer immer sie auch sein mochte – war aus anderem Holz geschnitzt.

»Wie ernst ist es Ihnen damit, hier zu arbeiten, Phoenix?«

»Sehr ernst.«

»Gut. Wird man Sie vermissen, wenn Sie heute Nachmittag nicht in die Stadt zurückkehren?«

Ein oder zwei Herzschläge lang zögerte Phoenix, dann sagte sie: »Nein.«

»Fein. Das macht alles viel einfacher.« Vanessa war nun wieder ganz Geschäftsfrau. »Überlegen Sie sich, ob Sie nicht sogar hier übernachten wollen. Dann könnten wir gleich alles regeln!«

Die Aussicht, eine bekennende Sexsüchtige zur lesbischen Liebe zu bekehren, hatte Vanessa unvorsichtig gemacht. Sie wollte diese Frau, und sie war in ihrer Gier zu schnell vorgegangen.

»Klingt toll.« Phoenix’ Miene machte deutlich, dass sie log.

»Aber ich muss heute Abend bei Rose vorbeischauen. Sie macht sich Sorgen, wenn ich es nicht tue.«

»Ich dachte, Sie sagten, sie wäre eine alte Irre, die Sie kaum kennen.« Vanessas sonst so gepflegte Ausdrucksweise litt, wenn sie verärgert war.

»Nein, sie ist nur ein wenig verrückt«, erwiderte Phoenix schnell. »Aber lieb.«

»Dies hier ist wichtiger.« Vanessa trat an die Wand hinter ein Standbild aus zwei kopflosen, geschlechtslosen, aber in ausgesprochen intimer Umarmung verschlungenen Körpern und öffnete ein Türchen in der Holztäfelung. Sie warf einen Blick auf Phoenix und wählte einen der knöchellangen Sarongs und eins von den rückenfreien Tops mit Spaghettiträgern aus, die die weiblichen Angestellten des Clubs gewöhnlich trugen. »Grün müsste Ihnen gut stehen.« Sie schloss die Klappe und kehrte zu Phoenix zurück.

»Rose wird nervös werden, wenn ich mich nicht blicken lasse.«

»Warum? Und was kümmert Sie das?«

Vanessa schob ihr die Kleider in den Arm, und Phoenix hielt sie vor sich wie einen Schutzschild. »Na ja, ich habe meine ganzen Sachen und meinen Kater da.«

»Nun, dann holen Sie Ihre Sachen eben morgen früh.«

Phoenix schien zu überlegen. »Hören Sie, ich fühle mich wirklich geschmeichelt. Und ich will den Job unbedingt. Aber ich denke, ich werde meine Wohnung behalten. Mel – das ist mein Kater – isst nur, wenn ich ihn füttere. Und Rose erinnert mich an die einzige Tante, die ich hatte. Sie war sehr gut zu mir. Sie starb vor einiger Zeit.« Vanessa stieß einen ungeduldigen Laut aus.

»Rose sagt, dass ihre vorherige Mieterin bestimmt irgendwann zurückkommen wird. Wissen Sie … irgendwas an der Sache ist komisch.«

»Aha?«

»Ja. Sie scheint praktisch gar nichts mitgenommen zu haben, als sie ging. Ich musste in Schubladen und Schränken Platz für meine Sachen machen, und im Badezimmer habe ich ihre Toilettensachen und Make-up gefunden. Und Schmuck, den andere Leute wegschließen würden.« Romans Gedanken wanderten zurück zu den Aktenschränken. Bei den kläglichen Hinweisen, die er besaß, würde er zwangsläufig jede einzelne Akte durchsehen müssen. Die Arbeit würde mühsam werden, doch er war ein geduldiger Mensch … zumindest dann, wenn ihm so viel an einer Sache lag wie an dieser Mission, der er sich selbst verschrieben hatte.

»Rose redet sich da was ein, da bin ich mir sicher.«

Er hörte kaum noch hin. Falls Geoffrey zurückkommen würde, musste er eine gute Ausrede parat haben.

»Einreden? In welcher Hinsicht?«, fragte Vanessa.

»Dass die Mieterin zurückkommen wird. Sie ist immerhin schon anderthalb Jahre fort.«

Roman drehte sich langsam zum Bildschirm zurück.

Vanessa ließ sich wieder auf die Tischkante nieder. »Achtzehn Monate? Und sie hat nichts von ihr gehört?«

Phoenix zögerte einen Moment. Dann: »Ich glaube nicht. Aber Rose hat sich irgendwie in den Kopf gesetzt, dass das Mädchen eines Tages wiederkommmen wird.«

Vanessa stützte die Hände hinter ihrem Rücken auf die Tischplatte. »Aber Sie glauben das nicht?«

»Ich weiß nicht genau. Rose redet die ganze Zeit von ihr. Eine blonde Schönheit sei sie gewesen, sagt sie. Aber sie weiß eigentlich gar nichts über sie, außer, dass sie aus einer reichen Familie stammt und nur aus Vergnügen arbeitet. Und dass sie April Clark heißt.«

Kapitel 2

Sie verlor langsam die Nerven. Anders war es nicht zu erklären, wieso sie in einem so ungeschickt gewählten Moment mit Aprils Namen herausgeplatzt war. Sie hatte unbedingt irgendeinen Hinweis erhalten wollen, der sie auf die Spur ihrer Freundin führen würde.

Ihre Wangenmuskeln drohten unter dem Dauerlächeln zu ermüden. »Die Hauptsache aber«, sagte sie, ohne die Gräfin aus den Augen zu lassen, »ist Mel. Ohne ihn gehe ich nirgendwo hin. Ich nehme meine Fürsorgepflicht sehr ernst. Ich finde, dass man Menschen danach beurteilen kann, wie sie mit Tieren umgehen. Das ist übrigens eine Sache, die ich an den Briten so bewundere. Sie –«

»Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, bei uns vorbeizuschauen«, unterbrach die Gräfin sie, als hätte sie Phoenix’ Gestammel nicht gehört. »Ich denke, wir werden uns schon einigen.«

Phoenix hatte Mühe, das Lächeln beizubehalten. Entweder versuchte die Gräfin verbissen, das Gespräch in der Hand zu behalten, oder sie war ein ausgesprochen wechselhafter Mensch. Nun troff ihre Stimme förmlich vor Freundlichkeit.

»Selbstverständlich sollen Sie sich in Bezug auf die Unterkunft in erster Linie wohl fühlen. Uns wird noch eine befriedigende Lösung einfallen. Was Sie da von der ehemaligen Mieterin – dieser April – erzählen, ist wirklich seltsam. Hat Ihre Vermieterin noch irgendetwas über sie gesagt?«

Freundlichkeit stand der Gräfin nicht. Je breiter das Lächeln, desto mehr erinnerte sie Phoenix an eine fauchende Raubkatze. Aber wenigstens wusste sie jetzt mehr. Die Nennung von Aprils Namen hatte definitiv Wirkung gezeigt.

»Nicht wirklich«, antwortete Phoenix. »Und es steht mir ja auch nicht zu, Fragen zu stellen. Aber manchmal überlege ich, ob man nicht die Polizei benachrichtigen sollte.« Ihr Herz hämmerte immer heftiger.

»Ach, das denke ich nicht. Wenn es einen Grund gäbe, sich Sorgen zu machen, dann hätte diese reiche Familie bestimmt schon alle notwendigen Schritte unternommen.«

Die reiche Familie, die nur erfunden war. Als Pflegekind aufgewachsen in einem lieblosen Zuhause, war April weggelaufen, sobald es ihr möglich gewesen war. Phoenix war die einzige Konstante in ihrem Leben gewesen, der einzige Mensch, an den sie sich geklammert hatte, auch wenn die Perioden, in denen sie keinen Kontakt gehabt hatten, oftmals sehr lang gewesen waren. Und dann war da dieser letzte Anruf gewesen, bei dem April ihr aufgeregt erzählt hatte, sie habe endlich die Liebe ihres Lebens getroffen – den Mann, der sie vollkommen und für immer und ewig glücklich machen würde.

Der Anruf war aus Past Peak gekommen. Ungefähr in der Zeit, als April hier zum letzten Mal gesehen worden war. Dann nichts mehr.

Phoenix klammerte sich an Rock und Top, die die Gräfin ihr gegeben hatte. Innerlich bebte sie. Mort und Zelda und auch Len machten sich ernsthafte Sorgen um April. Sie glaubten, dass sie hier im Peak Club jemanden getroffen hatte, über den sie nicht hatte sprechen wollen. Und dieser Jemand würde etwas über ihr Verschwinden wissen.

Oder besser – ihr augenscheinliches Verschwinden. Phoenix rief sich immer wieder in Erinnerung, dass April schon oft genug für eine Weile untergetaucht war. Allerdings noch nie so lange, und die vorherigen Male hatte sie ihrer Freundin wenigstens eine Nachricht zukommen lassen. Wenn Phoenix nicht von Land zu Land gehetzt wäre, um zu vergessen, dass sie wegen Aufrichtigkeit gefeuert worden war, hätte sie sich schon viel früher auf die Suche nach April gemacht.

»Oh, das hätte ich fast vergessen.« Der Lärm ihres Herzschlags wurde ohrenbetäubend. Sie hatte versprochen, sehr vorsichtig vorzugehen. »April Clark ist manchmal im Bend gewesen, um einen Kaffee zu trinken. Zelda erinnert sich an sie, weil sie so hübsch war.«

»Ah.«

»Habe ich schon erwähnt, dass mich das auf den Gedanken gebracht hat, mal vorbeizuschauen und zu fragen, ob Sie mich brauchen können?« Mort wusste, wo sie war. Wenn sie sich heute nicht mehr blicken ließ, würde er sie suchen komme, das wusste sie.

Die Tür ging auf, und ein großer, dunkelhaariger Mann trat ein.

»Ich habe dich nicht klopfen hören!«, fauchte die Gräfin.

»Ich bin beschäftigt.«

Wenn sich der Mann durch den Tadel getroffen fühlte, so zeigte er es nicht. Er schloss die Tür und stellte sich gut gelaunt neben die Gräfin. »Bob sagte, dass du ein Bewerbungsgespräch hättest.« Er lächelte Phoenix gewinnend an. »Ich dachte, das seh ich mir mal an.«

Und das tat er dann ausgiebig. Er verschränkte die braun gebrannten, muskulösen Arme vor der Brust, verlagerte sein Gewicht auf ein Bein und musterte Phoenix von Kopf bis Fuß. Dabei lächelte er.

Phoenix hatte in der Vergangenheit erfahren müssen, dass man attraktiven Männern nicht über den Weg trauen durfte. Und dieser Kerl dort wäre noch in einer kompletten Mannschaft aus Traummännern aufgefallen.

»Bob hat übrigens nicht gesagt, für welche Stelle Sie vorsprechen«, sagte er nun.

»Sie ist Masseuse«, erwiderte die Gräfin knapp. »Bob konnte das auch nicht wissen. Das ist Phoenix. Ich denke, dass sie für unseren Club eine Bereicherung sein könnte.«

»Tatsächlich?« Seine Augen hatten dieselbe Farbe wie die von Phoenix’ Katze. Mel war ein schlanker schwarzer Kater, dessen hellblaue Augen einen siamesischen Vorfahren im Stammbaum verrieten. Mel war ihr zugelaufen, kurz nachdem sie einen der »Lethal Weapon«-Filme gesehen hatte. Damals war sie mit angenehmen Visionen von unglaublich blauen Augen unter dichten, dunklen Wimpern aus dem Kino gekommen.

»Eine Masseuse also, hm?« Kräftige, weiße Zähne und ein breiter Mund. Feste, volle, aber nicht zu volle Lippen. Der Kerl hatte seinen Teil an Lebenserfahrung gesammelt, und nicht alle Erlebnisse waren schön gewesen.

Seine Gesichtszüge waren ausgeprägt und hart, die Falten und die Grübchen in den Wangen markant.

Er musste um die eins neunzig groß sein, und seine Schultern wirkten so breit, als ob er nicht durch jede Tür hindurchpasste. Das dunkelblaue Polohemd stand am Hals offen und zeigte eine Brustbehaarung, die genauso dunkel war wie das Haar, das er kurz und aus der Stirn gekämmt trug. Hemd, ausgewaschene Jeans und die Sportschuhe hätten bei manchen Männern für eine entspannte Ausstrahlung gesorgt, doch Phoenix dachte bei ihm ganz und gar nicht an Ruhe und Gelassenheit. Dieser Mann wirkte, als wäre er jederzeit bereit anzugreifen.

»Recht schweigsam«, bemerkte er, immer noch lächelnd. »In manchen Situationen kann das höchst nützlich sein, Vanessa.«

Phoenix riss sich zusammen. Sie hatte den Weg einmal eingeschlagen und konnte ihn jetzt ebenso gut weiterverfolgen. Blieb nur zu hoffen, dass sie früh genug merkte, wann sie sich zu weit vorwagte. »Ich bin noch ziemlich neu in der Branche«, sagte sie. »Ich habe bisher nur hin und wieder in einem Laden in der Stadt gearbeitet, aber man sagte mir, ich könnte es vielleicht hier versuchen.«

»Das ist Roman Wilde.« Die Gräfin hatte sich wieder ein wenig gefasst. »Er ist einer meiner Partner. Junior-Partner. Sie werden ihn später noch näher kennen lernen.« Sie betonte das Wort »später«.

Kein allzu unangenehmer Gedanke, fand Phoenix. Offenbar unterhöhlte ihr denkwürdiger Einfall, auf Sexsucht zu plädieren, ihre gewöhnliche Reserviertheit Männern gegenüber. »Die Leute, denen der Laden unten gehört, haben mir erzählt, dass sie jemand anderen kannten, der hier gearbeitet hat.«

»Das haben Sie noch gar nicht erwähnt.«

Phoenix sah die Frau mit aufgesetztem Erstaunen an. »Oje! Hab ich das tatsächlich vergessen!« Sie kicherte verlegen und schlug sich die Hand vor den Mund. »Es ging um April. Eben dieses Mädchen, das vor mir bei Rose gewohnt hat! Wahrscheinlich find ich all dies hier –« Sie deutete mit einer umfassenden Geste auf die Einrichtung. »– doch viel beeindruckender, als ich dachte.«

Roman Wilde rieb sich mit einer Hand den Nacken und streckte sich. »Von wem ist die Rede, Vanessa?« Die Ausdehnung seiner Brust war eine Sache, die man gesehen haben musste.

Die Gräfin hatte die Brauen zusammengezogen. »So wie ich das sehe, ist von einem Mythos die Rede«, antwortete sie. »Irgendeine Frau, die Phoenix gekannt hat. Sie hat nie hier gearbeitet.«

»Aber –«

»Nein!«, unterbrach die Gräfin Phoenix. »Ich kann Ihnen versichern, dass wir hier noch nie eine April Clark hatten. Im Übrigen scheint mir, dass es sich um eine sehr unzuverlässige Person handelt, und unzuverlässige Personen stellen wir sowieso nicht ein.«

Das Lächeln auf Roman Wildes kantigem Gesicht schwand. »Wir stellen die Leute sogar erst dann ein, wenn sie verdammt noch mal bewiesen haben, dass sie zuverlässig sind!« Er sah Phoenix mit einem durchdringenden Blick an. »Hatten Sie einen Termin bei uns?«

Bei dem leicht drohenden Unterton stellten sich Phoenix’ Nackenhaare auf. »Nein.« Aber sie dachte nicht daran, sich einschüchtern zu lassen. »Ich wusste nicht, wie ich es hätte anstellen sollen, bei Ihnen einen Termin zu kriegen. Aber das, was ich mache, kann ich verflixt gut, und ich würd mich freuen, wenn Sie mich einstellen. Und alles, was ich über April Clark weiß, ist, dass sie die Wohnung, in der ich jetzt wohne, vor mir hatte und dass sie 'ne Menge Leute hier in Past Peak gekannt hat.«

Seine Mundwinkel zuckten und seine Grübchen erschienen wieder. »Temperamentvoll«, bemerkte er, an die Gräfin gewandt, die ihre Hände fest verschränkt hielt. »Habt ihr schon darüber geredet, wie eine Anstellung in diesem Club aussieht?«

»Noch nicht wirklich. Ich hatte ihr allerdings bereits gesagt, dass wir – die Partner, meine ich – uns einig sein müssen, bevor wir neues Personal einstellen.« Die Gräfin wanderte zu der Marmorstatue und streichelte die kalten Körper. »Miles und Pierre sind in Paris, sodass wir ein paar Tage warten müssen, um die Formalitäten zu erledigen. Ich werde jetzt ein wenig Zeit mit Phoenix allein verbringen, dann können wir anschließend bereden, wann sie wiederkommt.«

Roman warf Phoenix einen gleichgültigen Blick zu. »Warst du nicht mit Geoffrey verabredet? Ich dachte, ich hätte gehört, dass heute Abend irgendetwas Besonderes sein sollte.«

Die Gräfin runzelte die Stirn und trat an den Tisch, um in einem aufgeschlagenen Buch nachzusehen. »Sehr untypisch, dass ich es vergessen haben sollte. Phoenix, lassen Sie mir Ihre Telefonnummer da. Ich melde mich.«

»Ich habe kein Telefon«, log Phoenix. »Rose mag keine modernen Erfindungen.«

»Moderne Erfindungen?« Die Gräfin von Leiden rümpfte die Nase. »Das ist ja wohl ein Scherz. Nun, dann müssen wir eben einen Termin ausmachen und …« Sie brach ab und drehte sich zu Roman Wilde um. »Es sei denn, du hättest Zeit, die Sache für mich zu übernehmen, Roman.« Er schlenderte durch den Raum und pustete ein imaginäres Stäubchen von einer Speckstein-Skulptur, die irgendetwas Unidentifizierbares darstellte.

»Roman?«, drängte die Gräfin.

»Und an was genau hast du gedacht?«

»Ich bin sicher, dass du dir das schon denken kannst«, erwiderte sie und schenkte ihm ein verkniffenes Lächeln. »Eine vorläufige Bewertung ist alles, was wir benötigen. Du weißt, was ich meine?«

Er lächelte schwach und verbeugte sich. »Allerdings. Das Vergnügen wird ganz auf meiner Seite sein.«

Phoenix empfand plötzlich reine Panik. Am liebsten wäre sie weggelaufen, doch sie wusste, dass sie nicht weit kommen würde, wenn diese beiden es nicht wollten. Die Gräfin von Leiden glättete erst ihren Rock, dann ihr Haar. »Ich sollte jetzt besser gehen. Roman.« Sie winkte Wilde näher heran, schob einen Arm unter seinen und zog ihn ein Stück von Phoenix fort. »Es gibt da etwas, das ich dir unbedingt sagen sollte.« Sie stellte sich auf Zehenspitzen und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

Er blickte über von Leidens schwarzen Kopf hinweg auf Phoenix und hob plötzlich die Augenbrauen. »Ernsthaft?« »Ja. Und ich muss dich ja sicher nicht daran erinnern, dass es von unserer Seite kein unprofessionelles Verhalten geben darf.«

»Nein, sicher nicht.«

Das Glitzern in diesen erstaunlich blauen Augen ließ das Blut in Phoenix’ Wangen steigen. Sie brauchte nicht erst zu raten, was die Gräfin ihm ins Ohr geflüstert hatte. Der Mann war tatsächlich vor sexuellen Übergriffen gewarnt worden. Vor ihr – Phoenix!

Die Gräfin sah Romans gleichermaßen neugierigen wie amüsierten Blick. »Das Äußere kann täuschen. Man sollte nie zu voreilig urteilen. Wenn du meinst, dass du der Sache nicht gewachsen –«

»Schon gut, mach dir keine Gedanken«, erwiderte er. »Ich werde das schon schaffen.«

Zu leicht, dachte Roman. Fast reibungslos. Er führte Phoenix durch die Korridore, deren Wände mit zitronengelber Seide bespannt waren. Ein weicher, elfenbeinfarbener Teppich schluckte jeden Laut.

Geoffrey hatte sich nicht einmal umgesehen, als er den geheimen Raum verlassen hatte. Wäre es nicht logisch gewesen, sich zu vergewissern, dass er nicht beobachtet worden war? Hatte er Roman möglicherweise absichtlich auf die Spur geführt und den Lautsprecher keinesfalls aus Nachlässigkeit angelassen? Hatte Roman nicht bloß schlichtes Glück gehabt, sondern war in eine geschickt angelegte Falle getappt?

»Wohin gehen wir?«

»In eins der Behandlungszimmer«, erwiderte er knapp. Sie konnte ein Köder sein. Ein Test, um festzustellen, wie er auf die Nennung von Aprils Namen reagierte. Und wenn dem so war, dann gab es jemanden, der Grund hatte zu glauben, dass Roman nicht der war, der er zu sein vorgab. Jemand, der ahnte, dass Roman nur deswegen Partner in diesem Club geworden war, um dem Mörder von April – oder dem, der den Mord in Auftrag gegeben hatte – auf die Spur zu kommen.

Die Fenster neben der Treppe, die hinabführte, boten einen Ausblick auf den Snoqualmie River und die massiven grauen Felsen, die mit hellgrünem Moos und hohen Kiefern bewachsen waren. Auf den Berggipfeln lag noch Schnee, der sich blendend weiß gegen den sich verdunkelnden Abendhimmel abhob.

Unten angekommen, blieb er stehen und bedeutete ihr voranzugehen. Mit einem raschen, misstrauischen Blick gehorchte sie und blickte kein einziges Mal über die Schulter zurück, was sie einiges an Beherrschung kosten musste.

Aber was, wenn Geoffrey es nur eilig gehabt hatte? Das wichtige »Meeting« war schließlich nicht erfunden. Roman hatte den Hubschrauber landen sehen. Er hatte beobachtete, wie eine untersetzte Gestalt geduckt auf den Eingang des unterirdischen Baus zugehastet war, der eine Abteilung des Clubs beherbergte, die nur wenigen Eingeweihten zugänglich war.

Sir Geoffrey Fullerton und die Witwe Vanessa Gräfin von Leiden hatten den Club ins Leben gerufen, um reiche Amerikaner mit interessanten Persönlichkeiten zusammenzubringen, die ihnen wiederum exklusive Nervenkitzel – und absolute Diskretion! – garantierten.

Monatelange Ermittlungen hatten Roman letztendlich zu dem Club geführt. Ein dankbarer Bekannter aus dem Mittleren Osten hatte ihm eine Mitgliedschaft besorgt. Roman hatte schnell erkannt, dass er nur weiterkommen würde, wenn er sich mitten hinein begab.

Nachdem er die Partner – eine Gräfin, zwei adelige ExMitglieder prestigeträchtiger britischer Militärabteilungen und ein Schweizer, der sowohl über Bank- als auch militärische Verbindungen verfügte – genau unter die Lupe genommen hatte, wusste Roman, wie er sein Ziel erreichen konnte. Zunächst war sein Antrag zurückgewiesen worden; das »Management« suchte keinen neuen Partner. Doch mit Geduld und Hartnäckigkeit hatte er sie schließlich davon überzeugt, dass er in seiner Rolle als hochrangiges, geheimnisumwittertes Ex-Mitglied der berühmt-berüchtigten Navy SEALs viele Männer und Frauen anziehen würde, die von der Illusion der heimlichen Macht, die der Truppe anhaftete, fasziniert waren.

So weit, so gut. Die Army zu verlassen hatte Zeit gekostet und war die schwerste Entscheidung gewesen, die er je getroffen hatte, doch als alles erledigt war, hatte er eine Art Frieden verspürt – und das wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben. Sein neues Dasein erfüllte ihn auf eine Art und Weise, die das alte ihm niemals hatte bieten können. Auch als Zivilist hatte man seine Schlachten zu schlagen.

»Hier sind wir«, sagte er, griff an Phoenix vorbei und öffnete eine Tür. »Wir geben uns sehr viel Mühe, dass unsere Mitglieder jeden erdenklichen Komfort – und noch ein bisschen mehr – vorfinden.«

Vorsichtig trat sie ein, als erwartete sie, dass jeden Moment ein Schurke hinter der Tür hervorspringen würde. Misstrauisch betrachtete sie die Massageliege, die mit echtem Zobelfell bezogen war.

Roman schloss die Tür und verriegelte sie.

Ihre Arme schlossen sich enger um das Stoffbündel aus Seide, das Vanessa ihr in die Hand gedrückt hatte.

»Wir testen immer unter Arbeitsbedingungen«, kündigte er an. Es war anzunehmen, dass die Kamera hier direkt über der Liege befestigt war. »Falls vom jeweiligen Mitglied nicht anders gewünscht, werden die Türen während der Sitzungen abgeschlossen. Die Privatsphäre unserer Gäste hat absoluten Vorrang. Es sind wichtige Personen. Aus unterschiedlichen Welten, aber alle wichtig. Und wir stellen auch keine Fragen, es sei denn, jemand möchte über sich reden.«

»Sie kommen her, um sich fit zu halten«, meinte Phoenix, während sie die goldgerahmten Spiegel betrachtete, die in die Holztäfelung eingelassen waren.

Roman musterte sie nachdenklich. Wenn sie spielte, tat sie es gut. »Sie kommen her, um sich unterhalten zu lassen«, erwiderte er. »Um das abzuschütteln, was sie sonst darstellen müssen. Sie wollen hier ihren Körper benutzen oder aber ihn benutzen lassen. Und zwar so, wie sie es nur können, solange ihnen absolute Diskretion sicher ist. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Phoenix hatte die helle Haut, die echten Rothaarigen eigen ist. Nun überzog eine tiefe Röte ihre Wangen.

»Sie wollen doch nicht behaupten, dass Sie den Club hier für ein schickes Fitness-Institut gehalten haben, oder?« Sie zog die Schulter hoch und lachte. »Nein, natürlich nicht.«

Er war nicht überzeugt, ging aber nicht weiter darauf ein. »Die Leute kommen her, um ihre Fantasien auszuleben.« Vorsicht, ermahnte er sich. Geh langsam vor, denn alles wird aufgezeichnet. »Sie zahlen verdammt viel. Wir sorgen dafür, dass sie für ihr Geld einen Gegenwert bekommen, und mein augenblicklicher Job ist es, sicherzustellen, dass Sie in unser Programm hineinpassen. Wie alt sind Sie?«

»Dreißig. Und Sie?«

Er grinste. »Ich stelle hier die Fragen.«

»Es ist gegen das Gesetz, einen Bewerber nach dem Alter zu fragen.«

»Diese Frage war inoffiziell. Ich bin sechsunddreißig. Sind Sie verheiratet?«

»Nein.«

»Waren Sie es schon mal?«

»Nein. Sie?«

»Wollen Sie diesen Job hier?«

»Ja.«

»Wie sehr?«

Sie leckte sich die Lippen. »Wirklich sehr gerne.«

»Fein. Dann stelle ich auch weiterhin die Fragen, während Sie antworten.« Geoffrey und Vanessa würden so etwas mögen. »Wo haben Sie zuletzt gearbeitet? Als Masseuse?«

»In Stockholm. Ich bin erst seit vierzehn Monaten zurück in den Staaten und war noch nirgendwo lange genug, um etwas anderes als Gelegenheitsjobs zu machen.«

»Ich habe gehört, dass Sie gerne massieren.«

In ihren grünen Augen flackerte es kurz. Sie wusste, was Vanessa ihm ins Ohr geflüstert hatte.

»Die Gräfin meinte, Sie hätten ihr versichert, dass Sie Ihren … – Appetit unter Kontrolle halten könnten?«

Die Röte vertiefte sich. »Ich hatte noch niemals in meinem Leben Schwierigkeiten, mich unter Kontrolle zu halten.«

»Tatsächlich? Und ich dachte, Sie hätten gerade in diesem Bereich Probleme.«

Sie wandte sich von ihm ab, wobei sie offenbar vergaß, dass er sie in den Spiegeln beobachten konnte. Aber vielleicht war es auch nur eine gute Show, wie sie sich nun die Faust gegen die Lippen presste und die Augen schloss.

»Nun, dann sehen wir doch mal, wie Sie arbeiten. Ich bin relativ groß, aber das sind viele unserer Mitglieder auch. Und außerdem ziemlich verspannt. Kommen Sie damit klar?«

Sie ließ die Faust sinken und nickte. »Ja, sicher.«

Er zog sich das Hemd über den Kopf. »Ich mag es fest und tief. Viel Druck. Kann ich von Ihnen kriegen, was ich will?«

»Wo finde ich die Tücher?«

»Wir brauchen hier keine Tücher.«

»Okay«, sagte sie, ohne zu zögern. Sie straffte die Schultern und legte das Kleiderbündel auf ein Regalbrett neben die Gläser mit Massageöl. »Möchten Sie Musik?« Statt zu antworten, klappte er einen Spiegel beiseite und bediente die Stereoanlage, die sich dahinter befand. Whitney Houston ertönte. »Die Gräfin kann Größen gut einschätzen. Die Sachen müssten passen.«

Phoenix blickte zu den abgelegten Kleidern. Dann schob sie entschlossen ihr Kinn vor. Als sie begann, ihr T-Shirt über den Kopf zu ziehen, zwang er sich, sich darauf zu konzentrieren, seine Jeans auszuziehen. Er war auch nur ein Mann. Und zwar einer, der schon viel zu lange nicht mehr mit einer Frau nach seinem Geschmack zusammen gewesen war.

Als er wieder aufschaute, zog sie gerade das Top nach unten. Ihre Brustspitzen drückten sich durch das dünne Material. Sie schlang den Sarong um die Hüfte und streifte dann die Jeans ab, sodass er einen kurzen Blick auf lange, weiße, schlanke Beine erhaschte.

»Schöne Beine«, bemerkte er.

Sie betrachtete die Etiketten auf den Gläsern. »Danke.« »Ist das eine neue Methode?«

»Hm?«

»Intuitive Behandlung?«

Sie nahm, offenbar zufrieden, ein Schraubglas in die Hand und öffnete es. »Was meinen Sie?«

»Ich dachte immer, ein Masseur sollte sich seinen Kunden erst einmal ansehen.« Er legte sich bäuchlings auf die Liege und stützte sein Kinn auf die übereinander gelegten Hände. Was er nun tun würde, gefiel ihm nicht, aber welche Wahl hatte er schon? Angriff war die beste Verteidigung. Er würde sie locken, verführen und versuchen, sie aus der Fassung zu bringen. Wenn sie ihm standhielt, dann hatten sie beide wenigstens ihren Spaß gehabt, die Kleine hätte sich bewährt, und er hätte seinen Job erledigt, ohne seine Deckung aufzugeben. Und wenn nicht, würde er dafür sorgen, dass sie den Club unbeschadet verlassen und niemals wiederkommen würde.

Doch was auch geschah, er würde sich an sie kleben wie ein zweiter Schatten. Natürlich durfte sie nicht merken, dass er ständig da war, doch zum Glück war das immer schon Romans Spezialität gewesen.

Phoenix schraubte den Deckel wieder fest, stellte das Glas zurück und nahm sich ein anderes.

Sie versuchte, Zeit zu schinden.

»Was ist? Ihre Marke nicht dabei?«

»Ich mache mich immer erst mit dem Handwerkszeug vertraut.«

Na, sicher. Stunden später …

Das clubeigene System, neue Leute einzustellen, war erschreckend narrensicher. Wenn der jeweilige Kandidat erst einmal mitten in dem Spielchen steckte, das sich Geoffrey und Vanessa ausgedacht hatten, war die versprochene Belohnung so verlockend und die Bedrohung einer öffentlichen Bloßstellung derart abschreckend, dass es keiner weiteren Argumente bedurfte. Soweit Roman wusste, hatte es noch nie einen Ausreißer gegeben.

Bis auf April.

Seine Überzeugung, dass April in diesem Club gearbeitet hatte und zu einer Bedrohung für die Eigner geworden war, festigte sich immer mehr. Er würde das, was aus diesem Grunde mit ihr geschehen war, sein ganzes Leben nicht vergessen.