Heaven & Hell - Gefährliche Leidenschaft - Stella Cameron - E-Book
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Heaven & Hell - Gefährliche Leidenschaft E-Book

Stella Cameron

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Beschreibung

Wer mit dem Feuer spielt, muss sein Herz riskieren: Der Hot-Romance-Roman »Heaven & Hell – Gefährliche Küsse« von Stella Cameron als eBook bei venusbooks. Sie wird ihn finden, sie wird ihn bloßstellen, sie wird Rache an ihm üben … Seit die Journalistin Angelica ahnt, dass sich hinter der blütenweißen Weste des Millionärs Sin Breaker ein blutrotes Geheimnis verbirgt, ist sie wild entschlossen, ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Tatsächlich gelingt es ihr, eine Einladung auf seine Privatinsel inmitten des Pazifiks zu bekommen – doch so sehr sie ihn bisher auch verabscheut hat, fühlt sie nun von seinem charmanten Lächeln und seinem glühenden Blick angezogen. Während Angelica immer weniger glauben kann, dass Sin wirklich der skrupellose Bad Boy ist, für den sie ihn bisher gehalten hat, geschehen auf der Insel merkwürdige Dinge. Spielt Sin etwa ein dunkles Spiel mit ihr? Jetzt als eBook kaufen und genießen: der prickelnde Spannungsroman »Heaven & Hell – Gefährliche Leidenschaft« der New-York-Times-Bestsellerautorin Stella Cameron verbindet Nervenkitzel und Romantik zu einem provokant sinnlichen Vergnügen. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 579

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Über dieses Buch:

Sie wird ihn finden, sie wird ihn bloßstellen, sie wird Rache an ihm üben … Seit die Journalistin Angelica ahnt, dass sich hinter der blütenweißen Weste des Millionärs Sin Breaker ein blutrotes Geheimnis verbirgt, ist sie wild entschlossen, ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Tatsächlich gelingt es ihr, eine Einladung auf seine Privatinsel inmitten des Pazifiks zu bekommen – doch so sehr sie ihn bisher auch verabscheut hat, fühlt sie sich nun von seinem charmanten Lächeln und seinem glühenden Blick angezogen. Während Angelica immer weniger glauben kann, dass Sin wirklich der skrupellose Bad Boy ist, für den sie ihn bisher gehalten hat, geschehen auf der Insel merkwürdige Dinge. Spielt Sin etwa ein dunkles Spiel mit ihr?

Über die Autorin:

Die New-York-Times- und USA-Today-Bestsellerautorin Stella Cameron hat über 70 Liebes- und Spannungsromane geschrieben, die sich allein in ihrer US-amerikanischen Heimat über vierzehn Millionen Mal verkauft haben. Die mehrfach – unter anderem von den »Romance Writers of America« –preisgekrönte Autorin wurde außerdem mit dem »Pacific Northwest Achievement Award« für herausragende schriftstellerische Leistungen ausgezeichnet. Stella Cameron ist außerdem Mutter von drei Kindern und lebt heute gemeinsam mit ihrem Mann in Washington.

Mehr Informationen über die Autorin finden sich auf ihrer Website www.stellacameron.com und auf Facebook: www.facebook.com/stellacameron

Bei venusbooks veröffentlichte Stella Cameron ihre drei Regency-Romane »Verführt von einem Earl«, »Die Geliebte des Viscounts« und »Die Leidenschaft des Dukes« sowie das Hot-Romance-Highlight »Dangerous Pleasure – Gefährliche Küsse«.

***

eBook-Neuausgabe September 2021

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 1994 unter dem Originaltitel »Breathless« bei Avon Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 1999 unter dem Titel »Verbotenes Paradies« bei Goldmann.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1994 by Stella Cameron

Published by Arrangement with Stella Cameron

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1999 Goldmann Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Copyright © der Neuausgabe 2021 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock/ArtOfPhotos, Fly_and_Dive, Kichigin, DeltaOFF sowie pixabay/lumpi

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts-tw)

ISBN 978-3-96655-901-0

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

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Stella Cameron

Heaven & HellGefährliche Leidenschaft

Roman

Aus dem Amerikanischen von Sabine Ivanovas

venusbooks

Kapitel 1

»Du warst immer schon ein elender Wilder, Sinjun.« Sinjun Breaker knöpfte sein Hemd auf und streifte es ab. »Weil ich es nicht leiden kann, wenn irgendwer unangemeldet in meinem Schlafzimmer herumlungert? Ich bin zutiefst getroffen, Lorraine. Und ich dachte, ich wäre ein wahrer Gentleman … unter den gegebenen Umständen.« Er wartete schließlich auf seinen Killer. Keine typische Beschäftigung für einen zivilisierten Mann. »Was tust du hier?«

»Auf dich warten.« Ein einzelner, langer Fingernagel wanderte über seine Wirbelsäule. »Das ist das erste Mal, daß wir allein sind – richtig allein –, seit wir auf der Insel angekommen sind. Ich bin verrückt nach dir, Sin. Ein vollendeter Gentleman weiß, was eine Dame will, und sieht zu, daß sie es auch bekommt«, flüsterte Lorraine Hart dicht an seiner Schulter.

Draußen, vor den offenen französischen Fenstern lag ein kleiner Innenhof, ins letzte zarte Indigograu eines noch jungen und trügerisch stillen pazifischen Abends getaucht, mit einem Hauch von rotem Sonnenuntergang dazu. Palmen neigten die zerzausten Köpfe, filigrane schwarze Silhouetten vor dem zinnfarbenen Himmel. Weniger als zwei Flugstunden östlich von Sinjuns privater Inselfestung machte sich Hawaii bereit zur nächsten Nacht als Touristenparadies. »Hmm«, sagte Sinjun und horchte konzentriert nach dem Geräusch von Hubschrauberflügeln. Was zum Teufel hielt Chuck so lange auf? Er hätte schon seit Stunden von Kauai zurück sein sollen.

»Hmm was?« Lorraine schlang ihm die Arme um die Taille. »Soll das bedeuten, du entschuldigst dich dafür, daß du mich vernachlässigt hast?« Sie drückte ihre Brüste an seinen Rükken, und er spürte, wie sie tief Atem holte.

»Hmm, du hast recht. Ein vollendeter Gentleman weiß wahrscheinlich, was eine Dame will, und sieht zu, daß sie es auch bekommt.«

»Also?« Ihre erfahrenen Hände breiteten sich aus, strichen nachdrücklich über seinen Bauch, und sie schob ihre Finger unter den Bund seiner Jeans. »Also?« wiederholte sie.

»Ich denke darüber nach.« Er brauchte die Frau nicht anzusehen, die so versessen darauf war, ihn ins Bett zu kriegen – oder sonstwohin, wo sie ihre legendären sexuellen Gelüste kurzfristig befriedigen konnte. Lorraine Hart hatte ein unvergeßliches Gesicht und einen Körper, der den gesunden Menschenverstand von mehr als einem normalen, erfolgreichen Mann auf dem Gewissen hatte.

Man sagte Sinjun Breaker eine Menge Dinge nach – manche waren alles andere als schmeichelhaft –, doch es war ihm noch nie vorgeworfen worden, mehr als nur ein gesunder Mann mit gesunden männlichen Instinkten zu sein.

»Denkst du immer noch nach?« Kurz zog Lorraine ihre Hände zurück – gerade lange genug, um ihr Bikinioberteil aufzuhaken und auszuziehen. »Komm schon, Sin, bevor Chuck zurückkommt und alles verdirbt.« Ihre erregten Brustwarzen flirteten mit seiner angespannten Haut. Sie rieb sich an ihm hin und her und schob ihre Fingerspitzen noch tiefer in seine Jeans.

»Da hast du deine Antwort«, sagte er. Während sein Gehirn konstant wachsam war, machte sich die unvermeidliche körperliche Reaktion schnell bemerkbar. Er biß die Zähne zusammen und fügte hinzu: »Eine Dame nutzt nicht die Abwesenheit ihres Liebhabers aus, um zu versuchen, seinen Boß zu verführen.«

»Diese Dame schon. Aber nur mit dir, Sin. Du weißt, daß du der einzige Mann bist, den ich will. Acht Monate! Seit acht Monaten ertrage ich jetzt Chuck – und bin zusätzlich noch auf dieser gottverdammten Insel eingesperrt –, weil ich dich so begehre. Und keinmal haben wir Gelegenheit gehabt, allein zu sein. Bis jetzt.« Sie drückte mit offenem Mund heiße Küsse auf seinen Rücken.

»Chuck muß jeden Augenblick kommen«, erklärte er knapp. »Er hat sich sowieso schon verspätet.«

»Du hast reichlich lange gebraucht, bis du mich entdeckt hast. Mach dir keine Sorgen wegen Chuck. Du bist der Boß. Sag ihm, daß ich dir gehöre, dann zieht er den Schwanz ein. Nur sehr ungern natürlich, aber er wird nicht riskieren, dich zu verärgern. Bitte, Sin. Tu das, was wir beide so sehr wollen. Nimm mich, Liebster.«

Sie griff zu, schloß die Hand um den Teil von ihm, der unleugbar für sie bereit war und lachte atemlos. »O Mann, ich bin ja so froh, daß ich gerade heute abend hergekommen bin. Mein armer Darling, so bedürftig!«

»Genug jetzt!« Sinjun griff sich ihre Handgelenke und riß sie aus seiner Hose. Er zog sie im Bogen um sich herum nach vorn. »Geh zurück in Chucks Haus«, befahl er, verärgert, daß sein Körper verriet, wie sehr es ihr gelungen war, ihn in Fahrt zu bringen. »Und versuch das nicht noch mal.«

Lorraine lachte laut. Ein warmer Wind vom Meer blies die leichten, weißen Vorhänge ins Zimmer und ihr schwarzes Haar nach vorn. Es war dunkel, doch der gerade aufgehende Mond sorgte dafür, daß Sinjun das Glitzern in ihren violetten Augen sah – und die vollen Rundungen ihrer Brüste, die dort heller waren, wo ihr Badeanzug sie vor der Sonne geschützt hatte.

»Geh, Lorraine.« Er ließ sie los, hob ihr Bikinioberteil vom Boden auf und drückte es ihr in die Hände.

Sie hielt geschickt seine Hände über ihren Brüsten fest. »Du willst doch gar nicht, daß ich gehe.« Zum ersten Mal, seit er sie in seinem Bett gefunden hatte, klang ihre Stimme unsicher.

»Gute Nacht, Lorraine.« Er machte sich aus ihrem Griff los, nicht ohne noch einmal einen Schauer der Erregung zu spüren.

»Das sage ich Chuck«, erklärte sie.

Jetzt lachte Sinjun. »Ja klar. Damit riskierst du nur, daß er dich mit deinem hübschen Hintern von der Insel wirft, Baby. Mir ist sowieso nicht ganz klar, was du eigentlich von Chuck Gill willst, aber ich glaube nicht, daß du es schon gekriegt hast.« Er wünschte wie jeden Tag, er könnte seinen alten Freund und langjährigen Angestellten dazu überreden, diese gierige Nymphomanin fallenzulassen.

»Blöder Typ!« kreischte sie plötzlich und holte aus, um ihn zu ohrfeigen. Sinjun wich ihr erfolgreich aus. »Du weißt doch, daß ich Chuck gar nicht will. Ich bleibe bei ihm, damit ich in deiner Nähe sein kann. Du weißt, daß ich deinetwegen schon eine Beziehung abgebrochen habe, die mich zu einer reichen Frau hätte machen können!«

»Weil du dir, als wir uns trafen, überlegt hast, daß ich mehr Geld habe als Garth Lieber – und in dem Punkt hast du recht«, sagte Sinjun humorlos. »Viel mehr.«

»Das ist eine Lüge. Es ist nicht das Geld. Wir haben uns zum erstenmal gesehen – du und ich, meine ich – und wußten beide sofort, was wir wollten. Das brauchst du gar nicht abzustreiten. Ich weiß nicht, warum du ewig hinauszögerst, was doch irgendwann geschehen wird. Ich weiß, daß du mich begehrst.«

Ungeduld und Abscheu erfüllten ihn. Garth Lieber und die Lieber Enterprises waren ein Thema, das er heute abend lieber vergessen würde. Und Lorraine Hart war das andere. »Hör mir gut zu –« Aus der Ferne ertönte das wohlbekannte Schopp-schopp des Hubschraubers. »Das wird Chuck sein.«

»Es ist immer noch genug Zeit.« Ich kann aus dem Fenster entwischen, und er wird nie erfahren, daß wir zusammen waren.«

Sinjun hielt sie sich vom Leib und griff nach dem Hemd, das er zur Seite geworfen hatte. »Reiß dich zusammen. Und geh mir aus dem Weg.« Er gab ihr einen leichten Schubs, drängte sie zur Seite und ging zur Tür.

»Fuck you!« Ihre Stimme durchdrang scharf die süß nach Mango duftende Abendluft. »Fuck you, Sinjun Breaker.«

Er ging die Stufen zum Swimmingpool hinunter. »Das hättest du wohl gerne, meine Dame.«

Auf halbem Weg zum Hubschrauber-Landeplatz hatte Sinjun seine Meinung geändert und war zum Haus zurückgegangen. Chuck blieb gern nach einem Flug ein paar Minuten mit seinem geliebten Hubschrauber allein, und Sinjun versuchte normalerweise, Chucks Art zu respektieren. Aber jetzt waren schon fünfundvierzig Minuten vergangen, und Sinjun wurde es langsam langweilig, mit auf die Schreibtischkante gelegten Füßen in seinem Arbeitszimmer zu warten und so zu tun, als studiere er konzentriert irgendeinen Bericht.

Schließlich flog die Tür auf mit dem üblichen Schwung, mit dem Chuck Gill alles tat, was er anfing. »Scheiße«, sagte er statt einer Begrüßung. »Wie oft soll ich dir noch sagen, daß du aufhören sollst, deine eigene Armee darstellen zu wollen? Ich hoffe, dieses Weib ist wirklich so harmlos, wie du denkst. Denn wenn nicht, gehst du da ein mächtiges Risiko ein.«

Sinjun warf den geöffneten Ordner auf den Tisch. »Hatte der Herr heute einen schlechten Tag?« Er schwang die Füße auf den Boden und streifte dabei seinen riesigen, hauptsächlich irischen Wolfshund. »Beweg dein haariges Fell mal’n bißchen zur Seite, Swifty.«

»Verschwende bloß nicht deine verdammten schlauen Redekünste an mich.« Blond, blauäugig und gebräunt kam Chuck näher, das khakifarbene Hemd aufgeknöpft, so daß seine muskulöse, haarige Brust bis zum Bauchnabel sichtbar war. Seine Fäuste – Fäuste so groß wie Kamelhufe – waren in seine schmalen Hüften gestemmt. »Das ist nur anstrengend für uns beide.«

Da gab es noch mehr anstrengende Dinge. »Bevor wir weiter von deinem schweren Arbeitstag reden«, sagte Sinjun und bereitete sich innerlich auf eine Auseinandersetzung vor, »hätte ich gern eine andere Sache kurz erwähnt.«

»Muß das jetzt sein, Himmel noch mal?« Chuck wirkte frustriert.

Sinjun hatte ein Gefühl von jetzt oder nie. »Lorraine ist nicht gut für dich«, sagte er schnell. »Ich glaube, daß es eine schlechte Idee ist, wenn sie hier auf Hell bleibt.«

Chuck ließ seine Hände sinken. »Lorraine geht dich gar nichts an, verdammt.«

»Doch, solange sie hier ist.«

»Weil dir alles gehört, was hier ist? Glaubst du, ich gehöre dir auch? Glaubst du, du kannst mich behandeln wie einen Welpen und entscheiden, welche Leckerbissen ich kriege und welche nicht?«

»Nein, es ist nur –«

»Gar nichts ist«, knurrte Chuck. »Wir sind keine Kinder mehr. Hier ist nicht Montana, und du versuchst nicht, dafür zu sorgen, daß ich mit meinem Vater zurechtkomme – oder sonstwem.«

»Ich weiß –«

»Ich brauche dich nicht mehr, um Entscheidungen für mich zu treffen.« Ein großer, stumpfer Finger deutete anklagend auf Sinjun. »Ich weiß, daß du Lorraine nicht ausstehen kannst. Du verstehst sie einfach nicht. Wenn es so wäre, dann könntest du nachvollziehen, warum ich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich verliebt bin. Laß es sein, Kumpel. Und wenn du Wert legst auf unsere Freundschaft, dann versuche nicht noch einmal, dich bei Lorraine und mir einzumischen.«

Sinjun wußte, wann es bei Chuck an der Zeit war, aufzugeben. »Also gut, wie du willst.« Schade, daß ausgerechnet Lorraine die Frau ist, bei der Chuck den Kopf verloren hatte. »Entschuldige, die Sache geht mich sowieso nichts an. Aber ich mag dich eben.«

»Danke.« Chuck klang absolut nicht dankbar. »Ich bleibe nur auf Hell, wenn Lorraine ebenfalls bleibt.«

Das hatte Sinjun erwartet. »Soll das heißen, du willst nur bei mir bleiben, wenn ich mich entschließe, Lorraine zu lieben?«

Chuck sagte nur: »Lassen wir die Sache einfach, wie sie ist, o. k.?«

»Okay.«

»Wir haben schon so genügend Probleme, ohne daß wir zwei uns auch noch angiften.«

Sinjun grinste halb. »Allerdings.«

»Du packst das hier einfach nicht richtig an«, sagte Chuck. Er erwiderte Sinjuns Lächeln nicht. »Vielleicht wird es sich irgendwann als dein größter Fehler erweisen, daß du diese Journalistin hereinläßt. Wenn du das nächste Mal deinen dummen Hals in die Schlinge stecken willst, der du an diesem Platz angeblich aus dem Weg gehst, dann tu das allein. Schick mich nicht, den Henker abzuholen.«

Sinjun unterdrückte ein Lächeln. »Wir hatten doch festgestellt, daß Miss Dean wahrscheinlich genau das ist, was sie zu sein vorgibt – eine gelangweilte Journalistin, die mal was Neues machen will. Hast du sie gefunden?«

»Habe ich.« Chuck schlenderte über den mit Halamatten belegten Koaholzboden und angelte den Stöpsel aus einer Kristallkaraffe, die auf einem Silbertablett auf Sinjuns schwarzlackierter Anrichte stand. Er goß ein hohes Glas voll bis zum Rand mit Whisky, ließ einen einzigen Eiswürfel hineinfallen und fluchte, als das Glas überlief.

Sinjun wartete.

»Ich hatte Schwierigkeiten mit der Maschine, verdammt.« Chuck beugte sich vor, saugte Scotch aus dem Glas, bis das Eisstück kein Problem mehr war, und schlackerte mit den nassen Fingern. »Ich hab’ drei Stunden gebraucht, bis ich starten konnte.«

»Und jetzt?«

»Ich werde wohl ein paar weitere Stunden dransetzen, um alles noch mal zu überprüfen.«

»Ah so, Miss Dean ist also derart interessant?«

»Ha, ha. Ich hatte ’n vollen Tag heute, Sin. Für solche Witze hab’ ich kein Verständnis mehr.« Chuck Gill war ein großer Mann – nicht ganz so groß wie Sinjun, aber beinahe. Er warf seinem alten Freund und Boss einen scharfen Blick zu und ließ seine lange Gestalt in einen alten Stuhl aus Rohr und Mahagoni fallen. Sein Glas stützte er auf die geschnitzte Armlehne.

»Paß auf den Stuhl auf«, warnte Sinjun. »Das verdammte Ding ist aus England, siebzehntes Jahrhundert, hat soviel gekostet, wie du in einem Jahr verdienst.«

»Darüber wollte ich sowieso mit dir reden«, sagte Chuck, stützte aber das Glas auf ein Knie. »Ich habe dir schon gesagt, daß ich glaube, es ist ein Fehler, wenn die Dean hier auf der Insel ist. Jemand hat versucht, dich fertigzumachen, Sin. Wir sind hergekommen, um irgendwie Licht in die Sache zu bringen, wenn’s geht. Bisher sind wir kein Risiko eingegangen. Und jetzt ist diese Tussi da.«

»Ja, richtig.« Sinjun stupste seinen Hund mit einem Zeh. »Ganz genau. Und wenn sie unser Mann ist – besser gesagt unsere Frau –, dann wollen wir sie schließlich bei uns haben.«

Chuck lehnte seinen Kopf nach hinten und wandte sein wettergegerbtes, gutaussehendes Gesicht den wirbelnden Holzrotorblättern des Ventilators an der Decke zu. »Drei Versuche in drei Monaten. Dreimal hat in Seattle jemand versucht, dich umzubringen, und wenn sie es hingekriegt hätten, wäre keinem vernünftigen Polizisten was anderes eingefallen als ›Unfall‹ zu rufen. Wenn diese Tussi … und ich sage nur, wenn sie dich verfolgt und nach der nächsten passenden Gelegenheit sucht, dich fertigzumachen, dann würden wir ein paar Augen mehr brauchen, um sie unter Kontrolle zu behalten.«

»Hell ist mein Revier«, sagte Sinjun ruhig. Er war nicht leicht zu beunruhigen, doch inzwischen war selbst er wachsam geworden. »Hell ist meine Insel. Keiner kommt hierher, ohne daß ich davon weiß, und keiner geht von hier weg, ohne daß ich davon weiß. Wer auch immer mich umbringen will, wird herkommen müssen, um es zu tun, und das habe ich voll unter Kontrolle. Wenn Miss Angelica Dean es darauf abgesehen hat, mir zu schaden, dann wird sie sich einen Weg überlegen müssen, mich von Hell herunterzukriegen, zum Beispiel nach Hawaii, um das zu bewerkstelligen.«

»Warum?«

»Das haben wir doch schon durchgekaut. Wenn sie – oder wer auch immer – die Absicht hat, nur mich, also nicht auch dich, Lorraine und das restliche Personal umzulegen und dann zu verschwinden, kann es einfach nicht klappen.«

»Davon mußt du mich erst überzeugen.«

Sinjun betete um Geduld. »Man kann hier mit nichts anderem als einem Hubschrauber landen. Wenn man die entsprechende Reichweite berücksichtigt, muß jemand, der schnell herkommen und schnell verschwinden will, von Kauai aus einen Hubschrauber benutzen und darf nicht über’s Meer kommen – das würde selbst dann zu lange dauern, wenn das Riff nicht wäre.

Bill Braden kontrolliert alle Hubschrauberflüge von den Inseln aus. Unser eigener Radar ist ebenfalls sehr gut. Das heißt, man kann eigentlich nicht durchkommen, ohne daß wir es wissen.«

»Was willst du damit sagen?« fragte Chuck. »Meinst du etwa, wir haben den ganzen Scheißaufwand umsonst getrieben und alles, was du bei KB am Laufen hattest, aus Spaß zurückgelassen? Du glaubst tatsächlich, diese Mörderbande ist uninteressiert an dir?«

»O nein, ich glaube, sie werden kommen. Sie werden sicher einen Weg finden. Aber dann kriegen wir sie.« Er schob seine Hände in die Taschen seiner Jeans. »Diese Dean ist ganz bestimmt kein gedungener Killer.« Sinjun redete sich eigentlich eher selbst als Chuck gut zu.

»Biographie«, murmelte Chuck und kippte noch einen Schluck Scotch hinunter.

Sinjun stand auf. »Kaum zu glauben, daß jemand auf die Idee kommen könnte, eine Biographie über den Partner deiner jugendlichen Sünden zu schreiben, nicht wahr. Aber die Dame besteht darauf, daß es genau das ist, worüber sie mit mir reden will.«

»Ich glaube, das ist es, was mich so unruhig macht. Es erscheint einfach hirnrissig.«

»Ich bin ein faszinierender Mann.« Sinjun grinste zynisch und ging zum Tablett mit den Getränken. »Das sagen alle. Sieh es ein. Es gibt nicht eine Klatschtante im ganzen Land, verdammt, auf der ganzen Welt, die nicht darauf besteht, daß ich der Alberto Tomba der Hochfinanz bin. Sinjun Breaker, der böse Bube, der ganze Staaten manipuliert. Ein blutrünstiger Geier, der das schwache Glied in vorher soliden Firmen findet und sie aufbricht, um die Reste danach billig einzukaufen. Und dann ist da noch das Heer von schönen Frauen, das ich angeblich ausgenutzt habe und weinend hinter mir zurücklasse. Mein berüchtigtes Liebesleben ist bestimmt auch ein paar Seiten wert.«

»Ja klar, logisch.«

Was für ein Liebesleben? Sinjun goß sich ein Glas Soda auf Eis und warf ein Scheibchen Limette dazu. »Ich gebe zu, daß auch ich skeptisch bin, aber ihre Papiere scheinen einwandfrei zu sein. Drei Jahre lang Auslandskorrespondentin bei Verity. Aufträge rund um die Welt. Und nicht eine einzige Verbindung zu irgendwem, der mich vielleicht gern aus dem Weg räumen würde.«

»Soweit du weißt.«

»Richtig. Soweit ich weiß. Aber genau deswegen will ich sie hier haben. Nicht weil ich unbedingt meine Lebensgeschichte für irgendeine Biographie erzählen will – sondern weil ich mir nicht leisten kann, sie nicht zu überprüfen. Wie hat sie auf die Verzögerung reagiert?«

»Ziemlich cool.«

»Wie ist sie so?«

Chuck stemmte die Hände auf die Schenkel und zog die Schultern hoch. »Ganz in Ordnung, schätze ich. Wenn man zierliche, blonde Frauen mit großer Klappe mag.«

Sinjun schnaubte. »Klingt ansprechend. Ich denke, Journalisten müssen Drängeltypen sein.«

»Dann ist diese womöglich eine besonders gute Journalistin. Sie hat schon angefangen, mich über dich auszuquetschen, als mein Finger noch auf der Klingel lag.«

»Wann gehst du morgen wieder hin?«

»Hä?«

»Morgen. Wann fliegst du morgen nach Kauai, um sie abzuholen? Oder hat sie sich über das Platzen des heutigen Termins so geärgert, daß sie beschlossen hat, lieber gar nicht zu kommen?«

»Wovon redest du, Sin?«

»Noch mal zum Mitschreiben.« Sinjun schwenkte sein Glas. »Da es heute für unsere Verabredung zu spät war, müssen wir wohl neue Termine machen. Ich bin davon ausgegangen, daß du das selbständig erledigt hättest.«

»Scheiße. Ich hab’ was Besseres zu tun, als irgend so ’ne oberschlaue Journalistin jeden Tag von Kauai hierher und wieder zurück zu fliegen. Ich hab’ sie mitgebracht. Sie ist in einem von den Häusern am Strand.«

Sinjun verschluckte sich heftig an seinem Soda.

»Mann, ich hatte nicht erwartet, daß du sauer sein könntest. Ich habe ihr gesagt, sie soll was zum Übernachten mitnehmen, es sich heute abend in dem Haus gemütlich machen und davon ausgehen, daß du sie morgen anrufst. Mir spart es Zeit, und dir tut es nicht weh. Mrs. Midgely war erst eingeschnappt, hat dann aber versprochen, sie würde schon irgendwas Eßbares für sie auftreiben, das Campbell ihr dann runterbringt. Keine große Sache.«

Sinjun spreizte seine freie Hand und stellte mit der anderen das Glas scheppernd auf den Tisch. »Du hast sie nicht mehr alle.« Er richtete den Blick auf seine nackten Füße und verwarf sofort den Gedanken, in sein Zimmer zu gehen, um Schuhe anzuziehen. »Ich bin ziemlich sicher, daß sie harmlos ist. Aber vielleicht ist sie es auch nicht. Immerhin besteht die Möglichkeit – eine winzige Möglichkeit –, daß die Dame ein Stilett an ihren Oberschenkel geschnallt trägt oder vielleicht Giftpfeile im Höschen versteckt hat. Eventuell war es doch eine verdammt blöde Idee, sie abends herzubringen und sich einfach selbst zu überlassen?«

Chuck beugte sich vor und schoß dann aus seinem Sitz hoch. »Ach Scheiße«, knurrte er mit finsterer Miene. »Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Du bleibst hier, und ich gehe und sehe nach, ob sie wirklich mit einem Buch im Bett liegt.«

»Nein, das tust du nicht.« Sinjun preßte seinem Freund eine Hand an die Brust und drückte ihn zurück auf den Stuhl. Er nahm seine Beretta aus einer Schublade im Schreibtisch und überprüfte die Sicherung. »In welchem Haus ist sie?«

»In dem an der Lagune unten.«

Sinjun schüttelte den Kopf. »Klar. Das ist am weitesten weg und das einzige, an das man nicht herankommt, ohne gesehen zu werden.«

»Ich habe einfach nicht darüber nachgedacht, Sin. Ich hab’ mich zu sehr über den Ärger mit der Maschine aufgeregt. Laß mich –«

»Nein.« Sinjun unterbrach Chuck. »Ich kümmere mich um unseren Gast. Trink du in Ruhe deinen Scotch. Und dann geh zu dieser … Geh zu Lorraine. Sie wartet wahrscheinlich sehnsüchtig darauf, daß du sie wärmst.« Wenn Chuck Glück hatte, würde Lorraine immer noch mehr als warm sein – und nur allzu bereit, mit ihm eine heiße Nacht zu verbringen. Eines wenigstens hatte Sinjun heute abend gelernt: Er würde nicht so schnell wieder versuchen, seinem Freund die Augen über seine Liebste zu öffnen.

Der Mond war sein Gegner.

Sinjun glitt aus der Deckung eines dichten Hibiskusstrauches und hielt sich, so gut er konnte, an den schmalen Streifen Schatten am Rand des grasbewachsenen Hangs, der sanft zum Lagunenbungalow hinunter abfiel. Eine Gruppe von uralten Halabäumen, schief auf die Zelte ihrer Luftwurzeln gestützt, gab ihm die nächste Deckung. Er schoß mit einem Sprung durch einen Lichtstreifen und landete an einem harten Stamm.

Dann stand er da und kam sich blöd vor. Vermutlich könnte er in aller Ruhe hinübergehen und an der Tür klopfen, um dann einer kurzsichtigen Frau im Flanellnachthemd gegenüberzustehen, die das eine Ende einer Waffe nicht vom anderen unterscheiden konnte.

Andererseits …

Etwas Kaltes, Nasses berührte sein Handgelenk. »Was zum –« Er ballte die Fäuste und wirbelte herum.

Im selben Augenblick schob sich eine geduckte haarige Gestalt aus der Dunkelheit. Sinjun stellte sich breitbeinig hin und flüsterte eindringlich: »Sitz, Swifty.« Zu spät. Achtzig Pfund unmanierlicher Hund legten die Vorderpfoten selig auf Sinjuns Brust und drückten ihn an den Baum.

»Runter, verdammt.« Mit beiden Händen wehrte er den Hund ab. »Bleib unten. Platz. Elender, nutzloser Köter. Runter mit dir. Geh nach Hause!«

Swifty winselte und schlich dann tief enttäuscht davon.

Sinjun drehte sich wieder um und musterte im Schutz des Baumes die Umgebung. Das kleine Haus stand auf einem niedrigen, aber senkrecht abfallenden Vorsprung oberhalb der kleinen Lagune. Aus Sinjuns Perspektive stand das Haus zwischen ihm und dem Meer. Glas mit hölzernen Läden dahinter bildete den größten Teil der ihm zugewandten Seite.

Die Läden waren offen … alle. Helle Lichter im Wohnzimmer, das diesen ganzen Teil des Hauses einnahm, ließen jede Einzelheit genau erkennen.

Jede Einzelheit einschließlich der Rattanmöbel, Tapa-Wandbehänge und des weißen Tonkamins mit den Holzscheiten darin, den Büchern auf einem Glastisch, holzgeschnitzten mythischen Götterfiguren – einfach alles.

Außer einer Frau. Kurzsichtig oder nicht.

Sinjun wartete … und spielte an der Beretta herum, die er in den Bund seiner Jeans gesteckt hatte.

Diese Sache war wirklich ein Witz.

Aber nichts bewegte sich.

Gar nichts.

Die Muskeln in seinem Bauch spannten sich an. Er zog sich vorsichtig zurück. Sie war erst seit einer halben Stunde hier – höchstens fünfundvierzig Minuten. Da legte man sich doch nicht gleich gemütlich ins Bett. Selbst wenn, dann würde sie bestimmt nicht die Festbeleuchtung im Wohnzimmer angelassen haben.

Sie erwartete vielleicht, daß er kam.

Sie hockte womöglich irgendwo hier in der Finsternis und wartete darauf, ihn zu Gesicht zu bekommen.

Die Logik legte ihm nahe, einfach zur Tür zu gehen und sich vorzustellen. Die Vorsicht verdrängte den Gedanken.

Bänder von zinnfarbenen Wolken schoben sich über den Mond und tauchten Hell in absolute Dunkelheit.

Sinjun verließ die Deckung der Bäume und tastete sich mit gesenktem Kopf behutsam voran.

Die Wolke verzog sich. Die Gegend war wieder in Silber getaucht.

Es gelang Sinjun, in den schmalen Schatten des Gebüsches zu huschen und die Ecke des Hauses zu erreichen. Dort blieb er stehen und wartete, bis seine Atmung sich beruhigt hatte.

Es war überhaupt die dümmste aller Ideen gewesen, allein hierhergekommen zu sein. Egal wie sicher er sich fühlte – er hätte Chuck als Rückendeckung mitnehmen sollen. Oder noch besser Sinjuns stets einen kühlen Kopf bewahrenden Kumpel und persönlichen Diener, Enders Lloyd-Worthy, ein Engländer, der Chucks »vulgäre Ausbrüche« verachtete. Er wäre der ideale Begleiter für diese Gelegenheit gewesen.

Dann gab es noch Willis, den täuschend friedlichen Samoaner, der sich liebevoll um die Gärten kümmerte. Willis war Sinjun zutiefst dankbar, denn der hatte ihm einmal das Leben gerettet. Und jeder, der Willis’ Wohltäter bedrohte, würde sich als nächstes wünschen, er hätte länger darüber nachgedacht, statt die Aufmerksamkeit dieses körperlich kräftigsten Mannes zu erregen, den Sinjun je gesehen hatte.

Unglücklicherweise war jedoch die Gelegenheit zur sorgfältigen Vorgehensplanung vorbei. Nach Chucks Aussage hatte er sowieso mit nicht mehr als einer einzigen, klug daherredenden Frau zu tun. Sinjun stand gerade so weit auf, daß er auf der Höhe des Fensterbrettes durch die Jalousien sehen konnte.

Die ganze Anstrengung würde sich bestimmt als unnötig erweisen.

Wenn Chuck ihm nicht gesagt hätte, daß er die Frau hier abgesetzt hatte, hätte Sinjun angenommen, jemand vom Personal hätte die Lichter angelassen.

Er runzelte die Stirn und ließ seinen Blick erneut durchs Zimmer schweifen. Schließlich entdeckte er, was er gesucht hatte: ein Ding, das nicht hierhergehörte. Gleich neben der Eingangstür stand ein kleiner, dunkelgrauer Koffer.

Und er war noch zu.

Er stand an einer Stelle, wo ihn sich jemand greifen konnte, wenn er hastig verschwinden wollte.

Sinjun rannte gebückt unterhalb der Höhe der Fensterbretter an der Eingangstür vorbei und weiter, bis er um eine Ecke kam und zu der Außentür, die in die Küche führte.

Gespannt drückte er sein Ohr ans Holz. Von innen war kein Geräusch zu hören. Er drehte langsam den Türknopf nach links. Die Tür öffnete sich geräuschlos, und er betrat den dunklen Raum.

Mondlicht fiel in dünnen Streifen durch Oberlichter und Rückfenster und malte weiße Vierecke auf die bleichen Fliesen und die Edelstahlspüle. Sinjun lächelte grimmig, schloß die Tür sachte hinter sich und zog die Waffe aus dem Hosenbund. Auf Zehenspitzen schlich er durch den kleinen Flur in Richtung Wohnzimmer. Welchen Grund sie auch haben mochte, die zierliche Blonde mit der schnellen Schnauze hockte hier irgendwo und glaubte, sie könnte ihn kriegen.

Er lugte in das einzige Schlafzimmer des Hauses, das jedoch leer war, genauso wie die Besenkammer, das kleine Badezimmer, eine Sauna, eine Rumpelkammer und die Dusche.

Sinjun sah aus dem Fenster der Rumpelkammer zu der schmalen Fläche zwischen Haus und dem Vorsprung über der Lagune. Das Haus – das ein Mann gebaut hatte, der Sinjun die Insel vererbt hatte – stand nur wenige Meter entfernt von der Steilkante über der seltsamen, tiefen kleinen Lagune.

Er begann zu glauben, daß die Frau nicht hier war. Vorsichtig trat er aus dem Hinterausgang und stand horchend da. Ein Chor von Ochsenfröschen erklang in der Nähe, und das harte Rascheln der Palmblätter über ihm, das leise Rauschen der Brandung, die über das Riff in die Lagune schäumte, waren die einzigen Geräusche, die er hörte. Der Nachtwind trug vom Meer schweren Salzduft herüber, gemischt mit dem süßen Aroma von Frangipani.

Sinjun atmete langsam aus, nachdem er eine Weile den Atem angehalten hatte, und ging hinüber zu der Kante, wo der Rasen abrupt endete. Die Spannung ließ etwas nach, aber seine Muskeln blieben einsatzbereit. Zum Teufel mit Chuck. Er hatte Angelica Dean hier blöderweise allein gelassen, und sie war schon zur Jagd aufgebrochen. Wenn er Glück hatte, wollte sie nur ein paar unbekannte Informationen über sein Privatleben. Wenn er nicht so viel Glück hatte, hoffte sie, ihn persönlich zu finden – und diesen sowieso schon beknackten Tag endgültig dadurch zu ruinieren, daß sie sich als Agentin für genau die Person herausstellte, die seinen Tod wollte.

Wer war das, der seinen Tod wollte?

Diese Frage hatte er sich in den sechs Wochen seit seinem ersten ›Unfall‹ schon unzählige Male gestellt. Damals wäre er beinahe das Opfer von Schüssen aus einem vorbeifahrenden Auto geworden. Wie immer begann er, seine Geschäftsverhältnisse zu durchleuchten, samt den Leuten, die mit diesen Geschäften zu tun hatten und die vielleicht einen Grund haben könnten, ihm nicht gerade Wohlwollen entgegenzubringen. Unglücklicherweise waren das nicht wenige. Investmentmagnaten waren nicht dafür bekannt, sich bei ihren Geschäften Freunde zu machen, selbst wenn sie dabei so bemüht moralbewußt vorgingen wie Sinjun.

Er trat einen Schritt zurück und erstarrte. Eine Bewegung am Rand der Kante war ihm aufgefallen. Er sah, wie lange Finger auftauchten und herumtasteten, bis sie einen Halt an der Erdkante fanden.

Der Herr der Wolken hatte einen schlechten Sinn für Humor. Plötzlich war wieder alles in Finsternis getaucht.

Die Augen scharf auf die Stelle gerichtet, wo die Finger sich festgekrallt hatten, wartete Sinjun.

Ein mühsames Ächzen ging dem Auftauchen eines Kopfes voran. Dann folgten verkrampfte Schultern, die mit langem, nassem Haar bedeckt waren, und schließlich den Rest eines Körpers, der in einem durchsichtigen, weißen Badeanzug steckte. Offensichtlich hatte Angelica Dean vorgezogen, sich erst einmal – allein – kopfüber zum Schwimmen ins nächtliche Meer zu stürzen, anstatt sich auf die Lauer zu legen, um auf Sinjun zu warten.

Sie schaffte es, sich hochzuziehen und hockte dann da wie ein übergroßer, bleicher, tropfender Frosch.

»Miss Dean, nehme ich an?«

Die Gestalt zu seinen Füßen rührte sich nicht.

»Haben Sie Probleme mit dem Aufstehen?«

»Nein.« Ihre Stimme klang gedämpft.

»Gut. Hat Ihnen nie jemand gesagt, daß es gefährlich ist, allein in fremden Gewässern zu schwimmen, besonders nachts?«

»Doch.«

»Dann sind Sie ein Dummkopf.«

Sie murmelte etwas Unverständliches.

Sinjun begann die Geduld zu verlieren. »Ich bin sicher, Sie wollen Hell genauso gern verlassen wie ich möchte, daß Sie verschwinden. Ich hatte nicht erwartet, daß man Sie zu dieser Tageszeit hierherbringen würde – vielleicht sollte ich besser Nachtzeit sagen. Aber wir haben nun Gelegenheit, sofort über dieses Projekt zu sprechen, mit dem Sie mich verfolgt haben. Dann können Sie morgen früh gleich wieder aufbrechen.«

Ihre nächsten Worte waren klar verständlich. »Arroganter Mistkerl« war keine Bezeichnung, die er besonders schätzte, besonders nicht von jemandem, der ihn seit Wochen zu dieser Begegnung gedrängt hatte.

Die Frau hockte immer noch am Boden.

Sinjun bückte sich und berührte ihre Schulter mit der linken Hand.

Sie fuhr zusammen.

»Das ist doch lächerlich. Geben Sie mir die Hand.«

Ohne aufzusehen folgte sie seiner Anweisung, und er zog sie hoch. Auch als sie aufrecht stand, reichte ihr Scheitel nicht bis zu seinem Kinn.

Etwas platzte in Sinjun. »Lady«, sagte er, und es war ihm egal, wie hart das klingen mochte. »Ich habe einen üblen Tag gehabt und bin wirklich sehr, sehr reizbar. In Ihrem eigenen Interesse würde ich Ihnen empfehlen, mit den Spielchen aufzuhören.«

»Ich spiele keine Spielchen.« Aus dem unsicheren Klang schloß er, daß sie mit den Zähnen klapperte.

Er konnte es sich nicht leisten, Sympathie mit einem potentiellen Feind oder einer Agentin zu entwickeln.

»Sie haben keine Zeit mehr«, machte er ihr klar. »Wir gehen hier nach meinen Regeln vor … offen. Ich erwarte, daß Sie Ihre Karten auf den Tisch legen … jetzt. Nur keine Zurückhaltung, Miss Dean. Lassen Sie mich sehen, was Sie in der Hand haben. Dann entscheiden wir, wie wir weitermachen.«

Er bildete es sich nicht ein, sie stieß wirklich einen gequälten Laut aus.

Langsam, ganz langsam hob sie das Gesicht, und Sinjun schluckte schwer. Chuck hatte sie nicht ganz richtig beschrieben. Zierlich ja. Blond auch. Große Klappe? Momentan weniger. Aber Sinjun konnte in der mondhellen Nacht sehen, daß die Dame volle, rote, weiche Lippen hatte. Und er stellte auch fest, daß ihr Gesicht oval war, mit einem spitzen Kinn, einer frechen Stupsnase, der Haaransatz herzförmig über feinen, gebogenen Brauen, und darunter lag das größte Paar Augen, das er je gesehen hatte. Blau? Grau? Grün? Das würde er bei Licht herausfinden müssen, denn der Mond verriet es ihm nicht.

Er mahnte mit dem Unterkiefer. »Ich habe Ihnen gesagt, was ich will.«

»Die Hände«, murmelte sie und hob langsam die Arme, bis sie über ihrem Kopf waren. Weiße Zähne gruben sich in ihre Unterlippe, dann flüsterte sie: »Werden Sie mich erschießen?«

Sinjun runzelte die Stirn, sah hinunter … und erstarrte. Der Lauf der Waffe, von der er ganz vergessen hatte, daß sie noch in seiner Hand war, drückte sich in eine volle, weiße Brust.

Er zuckte zurück. Anspannung konnte einen ganz schön unaufmerksam machen. Sein erster Eindruck war fast richtig gewesen.

Miss Angelica Dean war nackt.

Kapitel 2

Der Lauf der abscheulichen schwarzen Waffe drückte sich kalt an ihre Brust. Die Augen des Mannes, die im Mondlicht glitzerten, waren unbeweglich auf seine Waffe gerichtet … nein, nur in dieselbe Richtung. Und diese glitzernden Augen waren alles andere als kalt.

Angelica reckte sich etwas höher und wünschte im selben Moment, sie hätte es nicht getan. Es war kaum zu übersehen, wie sich seine schmalen Lippen leicht aufwärts bogen und seine Nasenflügel sich blähten. Eine Sache war es, ihm zu zeigen, daß sie keine Angst hatte. Die andere, daß sie dabei ihre bloßen Brüste darbot … und alles andere, was an ihr nackt war … und zwar einem Fremden mit einer Waffe in der Hand.

Das war Irrsinn.

Doch es kam nicht in Frage, jetzt so etwas wie Schwäche zu zeigen. »Wollen Sie mich erschießen?« wiederholte sie ihre Frage.

»Wohl kaum.«

Sie hatte von Anfang an recht gehabt. Er war wirklich arrogant. »Sind Sie –«, da ihre Zähne darauf bestanden zu klappern, biß sie sie kurz zusammen und versuchte es dann wieder. »Sind Sie Sinjun Breaker?«

»Ich bin Breaker.« Seine Augen kehrten zu ihrem Gesicht zurück. »Sie verbringen wohl nicht sehr viel Zeit in der Sonne, wie?«

Angelica preßte die Lippen aufeinander und schüttelte knapp den Kopf. Bei keiner der vielen Übungssituationen für diese Gelegenheit hatte sie eine solche Katastrophe vorausgesehen.

»Dachte ich mir. Sie sind so weiß, daß Sie im Dunkeln leuchten.«

Es ärgerte sie, daß ihr sofort das Blut ins Gesicht stieg. Wenn sie wirklich die Absicht hatte, die Rolle durchzuziehen, die sie sich vorgenommen hatte, dann würde sie irgendwie das Erröten in den Griff kriegen müssen. Eiserne Intellektuelle wurden wahrscheinlich nie rot – außer wenn sie zuviel in der Sonne lagen.

»Nehmen Sie die Hände runter.«

»Was?«

»Ihre Hände. Nehmen Sie sie runter.«

»Sie haben mir gesagt, ich sollte sie hochnehmen.«

»Nein, ich … vergessen Sie’s. Sind Sie so hier hergekommen …« Er wedelte mit der Waffe vor ihrer Brust. »Oder wie?« Wenigstens schaute er nicht noch mal nach unten.

»Natürlich nicht! Was denken Sie, was ich … Also, ich hatte genaugenommen einen Bademantel mitgebracht. Nur falls es mir kalt werden sollte. Er ist da drüben. Ich hole ihn eben.« Sie trat zur Seite und ging – mit erzwungener Lässigkeit – auf den Busch zu, unter dem der Bademantel lag, den sie im Badezimmer gefunden hatte. Was würde ihre Freundin Brenda ihr jetzt raten? Die gute Brenda war die erfahrenste Frau, der Angelica je begegnet war, die coolste. Cool. »Ich ziehe ihn nur schnell über, und dann können wir … na ja, dann können wir uns unterhalten.« Sie fummelte herum, versuchte, ihre Nervosität nicht zu zeigen – was ihr total mißlang –, und zog endlich den dunkelblauen Bademantel über, der bis zu ihren Füßen reichte.

Er war Sinjun Breaker. Sinjun Breaker! Ein paar Meter von ihr entfernt stand der Mann, der ihr ganzes Leben verändert hatte, ohne überhaupt zu wissen, daß sie existierte.

Angelica wickelte sich den Bademantel fester um und band den Gürtel stramm. Gerade hier, dicht hinter ihr, lebte und atmete der Mann, den sie zu hassen gelernt hatte – und der sie nackt hatte herumlaufen sehen.

»Gehen wir.« Sie drehte sich um und blinzelte.

Er war fort.

Angelica schaute sich um – und sah gerade noch, wie die Tür zur Abstellkammer hinter ihm zufiel.

»Arroganter Schuft!« Arrogant und – nach dem, was sie gesehen hatte – genauso körperlich anziehend wie reich. Sie hob den zu langen Bademantel hoch und hastete hinter ihm her. »Ich schätze, Sie sind daran gewöhnt, daß Frauen die Kleider für Sie ausziehen. Einen Blick auf zirka zwei Meter stramme, männliche Muskeln, und sie können es vermutlich kaum erwarten, Ihnen die Kleider vom Leib zu reißen. Ich kann die Damen fast hören: ›Ach, der ist wirklich zum Umfallen. Und dazu noch das schöne Geld.‹ Warte nur, bis ich mit dir fertig bin, du Macker.«

Sie öffnete schwungvoll die Tür … und rannte direkt gegen seine Brust.

»Haben Sie was gesagt?«

Angelica blieb wie festgemauert stehen, obwohl das bedeutete, daß sie den Kopf in den Nacken legen mußte, um sein Gesicht zu sehen. »Ich sagte, daß ich es kaum erwarten kann, fertigzuwerden mit … Auspacken.«

»Ah, ich verstehe. Ich nehme an, Sie möchten sich anziehen, bevor wir uns unterhalten?«

»Ja.« Was hatte Brenda ihr erklärt? »Fühle dich wohl in deinem Körper. Schöne Frauen, die es gewöhnt sind, daß jeder Mann der Umgebung strammsteht wie ein sabbernder Köter, bewegen sich, als hätten sie keine Füße, sondern Räder. Mir persönlich könnt’s dabei ja übelwerden, aber wenn du vorhast,daß dieser Breaker dir zu Füßen fällt, dann mußt du die Sache mitspielen, kapiert?« Brenda war Engländerin, aus Yorkshire, und sie sprach mit einem wunderbaren, seltsamen Akzent – wenn man erst einmal sorgfältig zuzuhören gelernt hatte, daß man sie verstand.

»Habe ich Ei im Gesicht, Miss Dean?«

Sie fuhr zusammen. »Wie bitte?«

»Sie starren mich so an.«

»Sei herablassend. Zier dich ein bißchen. Sieh ihn mit sanftem Augenaufschlag an.« Brenda, die groß war und auf kräftige, aber weibliche Art attraktiv, hatte bei diesen Worten geschaudert. Angelica fragte sich, was Brenda sagen würde, wenn sie wüßte, daß sie nicht etwa vorhatte, sich in das Vertrauen des Mannes einzuschleichen, um dann irgendeine voraussehbar alltägliche Biographie zu schreiben, sondern daß sie eine absolut schmutzige Enthüllung aus Sinjun Breakers Leben plante, die sie dem Meistbietenden verkaufen wollte?

Sie berührte flüchtig Breakers Arm mit einem Handrücken und glitt an ihm vorüber. An der Tür zwischen Abstellkammer und Flur blieb sie einen Augenblick stehen und sah über ihre Schulter zurück zu dem Mann, den sie im Dunkeln kaum erkennen konnte. »Nein, ich fühle mich ganz wohl so, Mr. Breaker.«

»Gut.«

»Und Sie?«

»Ich mich auch.«

»Gut«, sagte Angelica, und ihr verdrehter Hals tat ihr weh. »Dann unterhalten wir uns.« Das war doch wirklich lächerlich. Bei einem solchen Stil konnte sie unmöglich bleiben.

Im hellerleuchteten Wohnzimmer zog Angelica die Aufschläge des Bademantels zusammen und versuchte, klar zu denken. »Ein Drink?« fragte sie, als sie mehrere Flaschen auf einem Wägelchen aus Glas und Rohr entdeckte. »Was möchten Sie?«

»Nichts, danke.«

Seine Stimme war tief und trotzdem sehr klar – und seltsam ruhig. Der Moment war gekommen, sich ihm entgegenzustellen, richtig, im Licht. Sie wandte sich um und stellte fest, daß er beunruhigend nah bei ihr stand. Die Waffe war nicht zu sehen. Nachdem sie das geklärt hatte, betrachtete sie prüfend sein Gesicht.

Mein Gott, die Fotos aus den Archiven hatten in keiner Weise rüberbringen können, wie umwerfend gut er aussah.

Er legte den Kopf schief, hob die Augenbrauen und starrte zurück.

Er sah, wie sich ihre Lippen öffneten.

Sinjun Breakers Lippen öffneten sich ebenfalls, so daß seine geraden, kantigen, sehr weißen Zähne sichtbar wurden. Sein Mund war breit, die Oberlippe schmal, die untere voll. Seine Mundwinkel hatten von Natur aus einen leichten Schwung nach oben – aber nur minimal.

Seine Nase war schmal und gerade. Die Brauen wölbten sich nach oben und waren schwarz, genauso schwarz wie das etwas gelockte Haar, das bis zum Kragen seines losen, weißen Baumwollhemds reichte.

Dann wanderte Angelicas Blick weiter zu seinen Augen – und unwillkürlich atmete sie tief aus.

Sinjun Breaker musterte sie kühl aus grünen Augen mit gelbgoldenen Pünktchen. Schwarze, geschwungene Wimpern umschatteten sie so auffällig, als wären sie feucht. Und er schien geradewegs bis ins Innere ihrer Gedanken zu schauen.

Angelica fuhr sich mit der Zunge über die Lippen – was Sinjun Breaker nicht entging. Die braune Haut über den schmalen, kräftigen Knochen seiner Wangen und seinem markanten Unterkiefer spannte sich.

Ihr Herz begann so heftig zu schlagen, daß es in ihren Ohren dröhnte.

Der Teufel. Passend, daß diese Insel ›Hell‹, also Hölle hieß. Was sagten sie über ihn? Daß er der schönste aller Teufel sei? Vor ihr stand der eleganteste, satanisch gutaussehendste, männlich attraktivste Mann, dem sie je begegnet war.

Angelica schauderte.

»Sie frieren ja.«

Sie bekam nicht mit, was er sagte, und als er sich bewegte, fuhr sie zusammen.

»Ihre Haare«, sagte er sachlich. »Sie weichen den Bademantel durch.«

Noch bevor sie reagieren konnte, schob Breaker seine Hand in ihren Nacken, zog ihre nassen Haare hervor und ließ sie über ihren Rücken fallen. »Besser?« Seine Finger ruhten leicht auf ihrer Schulter.

Die Berührung war warm und fest … Und er war verabscheuenswert. Daran mußte sie stets denken.

»Reiche Männer sind es gewohnt, daß sie immer kriegen, was sie wollen«, hatte sie Brenda auf dem SeaTac Flughafen gewarnt, als sie sie zu ihrem Flug nach Hawaii begleitete. »Sie benutzen Frauen wie so ’ne Art Mantel. Vergiß nie, was ich dir sagte! Sie nehmen den, der ihnen gefällt oder auch nur zufällt. Ziehen ihn an und probieren ihn ein bißchen aus – verstehst du? Dann werfen sie ihn weg, wenn ein neuer oder in der Farbe ansprechenderer ihnen ins Auge sticht. O ja, ich weiß, wie reiche Männer sind – und gutaussehende. Und wenn beides zusammenkommt, tja, dann kannste nur noch beten, Mädchen.«

Angelica hörte Breaker lachen und sah verwirrt zu ihm auf. »Was ist denn so komisch?«

»Nichts«, sagte er, lachte aber weiter amüsiert. »Vielleicht sollten wir diese Unterhaltung auf morgen früh verschieben, wenn Sie nicht so abgelenkt sind – falls ich mich entschließe, überhaupt ein Gespräch für sinnvoll zu erachten.«

Diese Worte trafen sie wie eine Ohrfeige. »Falls, Mr. Breaker? Sie hatten mich doch eingeladen hierherzukommen. Warum sollten Sie das tun, wenn Sie gar nicht vorhaben, auf meinen Vorschlag einzugehen?«

Er überlegte einen Moment. »Weil ich ein neugieriger Mensch bin«, sagte er dann. »Ich wollte mir die Frau ansehen, die mich schon seit Wochen mit Briefen und Anrufen traktiert. Und mir zusätzlich nach Hawaii und schließlich auf meine Insel gefolgt ist.«

Ein neugieriger Mann. Was würde er sagen, wenn sie ihm gleich jetzt erklärte, daß sie die Absicht hatte, den ›neugierigen Mann‹ als genau das zerstörerische, skrupellose Ungeheuer darzustellen, das er war? »Neugier kann eine nützliche Eigenschaft sein«, erklärte sie ihm, sorgfältig bemüht, einen neutralen Ton zu bewahren. »Ich bin auch neugierig. Das sind die meisten Journalisten.«

»Sind Sie eine gute Journalistin?«

Sie merkte es, wenn jemand versuchte, sie zu ködern. »Die beste.« Nicht die härteste, nicht die, die ungerührt blieb durch die Grausamkeit der Welt, aber eine Journalistin, die gelobt worden war als möglicherweise die empfindsamste und ehrlichste Reporterin des Landes.

Breaker beobachtete sie genau. »Die beste, Miss Dean? Auch die bescheidenste?«

Diese Stichelei konnte sie gar nicht aufregen. »Manchmal ist Bescheidenheit nur geheuchelt, Mr. Breaker. Ich bin davon ausgegangen, daß Sie eine Frage gestellt haben, auf die Sie eine ehrliche Antwort wollten. Die haben Sie gekriegt.«

Er verbeugte sich. »Also gut. Kommen wir zum Geschäft. Warum will die beste Journalistin meine Biographie schreiben?«

Das hatte sie erwartet. Sie bemühte sich um ein souveränes Lächeln und setzte sich an das eine Ende einer Rattancouch mit weichen Kissen in verschiedenen Blau- und Grüntönen. »Selbst jemand, der in seinem Bereich der Beste ist, kann durch neue Erfahrungen seine Fähigkeiten erweitern. Ich habe mich in meiner Arbeit immer auf das menschliche Element konzentriert. Mich bringen Leute in Fahrt. Leute kann ich am besten darstellen. Aber ich möchte es gern einmal versuchen, die menschliche Natur aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Und Sie, Mr. Breaker, geben das perfekte Subjekt für das ab, was ich gern tun möchte.«

Er ging zu den Fenstern, kam wieder zurück und ließ sich in einen tiefen Sessel fallen, dessen Kissen zu denen der Couch paßten. »Ich verstehe immer noch nicht recht, was genau Sie eigentlich tun wollen.«

Angelica lächelte zurückhaltend. »Na ja, ich möchte Sie studieren. Ihr Leben. Ein Niemandskind aus Nirgendwo kommt hoch – sehr hoch – und macht ein größeres Vermögen, als es sich der optimistischste Träumer vorstellen könnte.

Ich möchte mit dem Jungen anfangen, der arm wie eine Kirchenmaus in Montana aufgewachsen ist. Der Sohn eines Trinkers, der nie einen Job hatte. Der Junge, der seinem Vater ein Vater war und ihm so gut wie möglich die Schwierigkeiten vom Leib gehalten hat, bis man den alten Herrn schließlich abführte, weil er einen Mann getötet hatte. Wie hat es sich angefühlt –«

»Woher haben Sie das?« unterbrach er sie. Er saß unverändert in dem Sessel, an die Kissen gelehnt, seinen einen Fuß auf das Knie des anderen Beines gestützt.

Bis zu diesem Augenblick war Angelica nicht aufgefallen, daß er barfuß war – er hatte lange, schmale Füße mit ein paar Härchen darauf, die über seinen Knöcheln dichter wurden.

Er veränderte seine Haltung keine Spur – bis auf seine Hände. Seine Hände umspannten die Sessellehnen, und die Fingerknöchel schimmerten weiß.

»Es war doch sicher nicht leicht, als die Polizei kam und Ihnen sagte, daß Ihr Vater eine Whiskyflasche auf jemandes Kopf zerschlagen und ihn damit umgebracht hatte.«

»Ich hatte Sie gefragt, woher Sie das wissen.«

Sie zuckte mit den Schultern, aber ihr Magen zog sich zusammen. »Journalisten sind es gewohnt, Dinge herauszufinden, die sie wissen wollen.« Und manchmal fanden sie auch Dinge heraus, die sie lieber nicht wissen wollten. »Sie sind eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, Mr. Breaker. Vom Abschaum zum Milliardär. Ich denke, damit gehören Sie zu einer echten Minderheit.«

Er betrachtete sie, und seine außergewöhnlichen Augen sahen aus wie grünes Glas – zerbrochenes grünes Glas. »Das war unnötig, Miss Dean. Und das brauche ich mir von Ihnen nicht gefallen zu lassen.«

»Sie brauchen sich die Wahrheit nicht gefallen zu lassen?« Was sie vorhatte, war sorgfältig geplant, aber es gefiel ihr trotzdem nicht besonders. Sie hatte ihr Leben damit verbracht, die Wahrheit herauszufinden und das Beste draus zu machen. Manchmal war das nicht möglich – wie jetzt. »Mr. Breaker, es mag schon sein, daß Ihnen nicht gefällt, was ich gerade gesagt habe, aber es ist die Wahrheit, und das wissen wir beide.«

Seine Hände lockerten sich – etwas.

Angelica warf ihm ihr strahlendstes, vertrauenerweckendstes Lächeln zu, bevor sie zum nächsten Hieb ansetzte. »Haben Sie je versucht, Ihre Mutter zu finden?«

Er starrte sie unbeweglich an.

»Heißt das ja oder nein?« Als er nicht antwortete, schüttelte sie ihr feuchtes Haar und fuhr fort: »Sie war erst ein Teenager, als sie mit Ihnen schwanger wurde. Sechzehn. Ihr Vater war dreißig. Ich schätze, damit könnte man ihm auch noch ein anderes, ziemlich unschönes Verbrechen zur Last legen.«

Breaker schwieg immer noch. Die Aufmerksamkeit, die so charakteristisch für ihn zu sein schien, nahm zu. Angelicas Magen zog sich erneut zusammen, während ihr Herz heftig hämmerte. »Also, sobald Belle Ford – Ihre Mutter – Sie auf die Welt entlassen hatte, verschwand sie, und niemand scheint zu wissen, was aus ihr geworden ist.« Mit einem verständnislosen Stirnrunzeln und weit geöffneten Augen gab sie ihm zu verstehen, daß dies noch ein Geheimnis im Leben des Milliardärs Sinjun Breaker war. »Wenn man davon ausgeht, wie Ihr Vater mit dem Mann umging, von dem er glaubte, er hätte ihn beim Kartenspiel betrogen – ihm eins mit einer Flasche über den Kopf zu –«

»– ziehen«, vollendete Breaker für sie. »Der Typ wollte es nicht anders. Er hat meinen Vater mit Schimpfwörtern bedacht, die ich Ihren hübschen Ohren nicht zumuten möchte, und dann ein Messer gezogen. Haben Sie das bei Ihrer Schnüffelei nicht herausgefunden?«

»In meinem Beruf nennen wir das Nachforschungen. Nein, habe ich nicht.«

»Dann ist es wohl auch nicht so gewesen, oder? Denken Sie, was Sie denken wollen, Miss Dean. Ich kenne die Wahrheit. Und mein Vater hat meine sechzehnjährige Mutter nicht nach meiner Geburt umgebracht, falls Sie das andeuten wollen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich deute gar nichts an. Ich stelle nur fest, was mir gerade in den Sinn kommt. So bin ich nun mal. Sie werden immer wissen, was ich denke, weil ich es direkt ausspreche.« Der Charme, mit dem sie jedes Wort befrachtete, erdrückte sie fast. »Aber Ihre Mutter –«

»Meine Mutter starb vor vier Jahren. Sie lag nach einem Autounfall noch fast einen Monat im Koma.«

Das traf sie unvorbereitet. »Aha, ich verstehe.«

»Das wußten Sie nicht, oder? Da haben Sie Ihre Informanten wohl hängenlassen. Geben Sie ihnen vierzig Stockschläge, wenn Sie zurück sind.«

Angelica Dean galt nicht als die Beste, weil sie so lange brauchte, um sich von einem Schlag zu erholen … »Was hat sie Ihnen darüber erzählt, warum sie Sie als Baby abgeschoben hat?« setzte sie unvermittelt nach.

Er lächelte etwas schief, ein Lächeln, das sie widerstrebend anziehend fand. »Nichts. Ich hatte sie seit Jahren gesucht. Ich fand sie erst nach ihrem Unfall im Krankenhaus. Sie hatte sich alleine ein Leben aufgebaut, ein anständiges Leben. Ich habe keine Notwendigkeit gesehen, mich in die Trauer ihrer Familie einzumischen, ohne ihrer Erinnerung an sie zu schaden. Also bin ich eine Weile im Hintergrund geblieben bis sie starb, dann verschwand ich. Versuchen Sie nicht, irgend etwas über sie auszugraben. Damit vergeuden Sie ihre Zeit.«

Seine Stimme klang jetzt fern und noch ruhiger als vorher. Das Lächeln schwankte. Angelica beugte sich zu ihm vor. Es lag etwas Verletzliches in diesem Lächeln, etwas … verdammt! Der Mann war wirklich ein Profi darin, Leute hereinzulegen, doch sie hatte nicht vor, eines seiner Opfer zu werden.

Sie stand auf und wandte ihm den Rücken. »Der Mann, der mich hergeflogen hat, heißt Chuck Gill?«

»Ja.«

»Sie kennen einander schon sehr lange?«

Er atmete hörbar aus. »So ziemlich unser ganzes Leben lang. Er ist der beste Freund, den ich je hatte. Ehrlich gesagt ist er der beste Freund, den ich je zu haben hoffte. Beantwortet das vielleicht noch ein paar andere Fragen?«

Sie zog den Gürtel um den Bademantel enger. »Zusammen für immer. Für ewig vereint. Etwas in der Art?«

»Wir haben eine Menge zusammen durchgemacht, wenn Sie das meinen.«

»Aber Sie haben dabei stets besser abgeschnitten als Chuck, oder?«

Er zögerte und sagte dann: »Chuck hat nicht immer Glück gehabt. Und wie wir alle hat auch er Fehler gemacht. Aber jetzt ist es anders.«

»Weil Sie in der Nähe waren, um ihn wieder aufzusammeln?«

»Ich glaube, es ist Zeit, in die Zukunft zu sehen, Miss Dean.«

»Chucks Vater hat Sie gerettet.«

Nach kurzem Schweigen sagte Breaker: »Ja, könnte man so sagen.«

Sie ging zum Fenster und sah ihre Spiegelung vor den Silhouetten der mondbeleuchteten Pflanzen draußen. »Chucks Vater – Len – hat Ihnen auf seiner Ranch in Montana Arbeit gegeben. Und er hat Ihnen beigebracht, Hubschrauber zu fliegen – genauso wie seinem Sohn.«

»Stimmt. Was hat das –«

»Es zeigt, wie Sie so weit kommen konnten«, unterbrach ihn Angelica. »Als Sie zweiundzwanzig waren, hat ein Mann namens Bruno Kertz Sie als persönlichen Piloten und Bodyguard eingestellt.«

»Ich glaube, daß es gar nicht nötig ist, daß Sie mich interviewen, Miss Dean. Sie wissen sowieso fast so viel wie ich. Was ist mit meiner Unterhosengröße, kennen Sie die auch?«

Angelica runzelte die Stirn. Etwas hatte sich draußen durch den dichten Schatten auf dem Rasen bewegt. Sie starrte hinaus auf der Suche nach einer Gestalt, aber es war nichts zu sehen. Wahrscheinlich war sie nur überempfindlich wegen der Anspannung.

»Miss Dean, habe ich Sie so schockiert, daß Ihnen nichts mehr einfällt?«

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit erneut ihrem Spiegelbild zu und spürte, wie ihr schon wieder die Hitze ins Gesicht stieg. Dieser Mann wirkte auf sie geradezu lästig. »Ich weiß nicht mehr als die trockenen Fakten über Sie«, entgegnete sie ausdruckslos. Aber er würde vermutlich pikiert bis zu den Fußspitzen sein, wenn er herausfand, worin diese Fakten zum Teil bestanden. »Bruno Kertz war eine Art Einsiedler, ein sehr reicher Einsiedler. Diese Insel hat ihm gehört.«

»Bruno war ein wunderbarer Mann. Der beste.«

»Ich würde ihn wahrscheinlich auch für den besten halten, wenn er mich zu seinem Schützling und dann zum Alleinerben machen würde.«

»Sie sind eine Zynikerin, Miss Dean.«

»Ich bin Realistin, Mr. Breaker. Erzählen Sie mir von der Rubinpäonie.«

Er atmete sachte aus. »Wenden Sie sich an Ihren Informanten.«

»Ich würde sie mir viel lieber von Ihnen beschreiben lassen.«

»Eine Baumpäonie, aus Rubinen gemacht. Hat mehr Karat, als ich öffentlich bekanntgeben möchte. Die Blütenmitte besteht aus gesponnenen Goldfäden mit makellosen Diamanten an der Spitze. Sie ist sehr schön und sehr alt, und ich schätze sie mehr als alles andere, was ich besitze.«

Sie versuchte, sich das Stück vorzustellen. »Mr. Kertz hatte einen Namen dafür, oder?«

»Er nannte sie seinen Trumpf im Ärmel. Das bedeutete, er empfand sie als Sicherheit, falls er je ganz übles Pech haben sollte.«

»Ich würde sie schrecklich gern sehen«, erklärte sie spontan.

»Sie und eine Menge andere Leute.«

Er war genauso kurz angebunden, wie sie erwartet hatte. »Stimmt es, daß Sie die Päonie mitnehmen, wo auch immer Sie hingehen?« fragte sie.

»Absolut. Mein Motto ist: Ficke nie, ohne ein Auge auf die Rubinpäonie zu haben. Nächste Frage?«

Angelica erlaubte sich nicht wegzuschauen. »Sie haben offensichtlich den Ruf der Direktheit verdient.«

»Danke«, sagte er. »Warum sind Sie hier?«

Sie fühlte sich plötzlich elend. »Ich dachte, meine Briefe und Anrufe hätten das klargemacht.«

»Ach ja? Denke ich nicht.«

Das war es. Sie hatte gewußt, daß sie auf dieser Insel, bei diesem Mann, ein Minenfeld erwartete. »Sie sind eine international bedeutsame Institution. Und Sie sind eine lebende Märchenfigur.«

Er lachte kurz. »Wie bitte?«

»Aschenputtel, Mr. Breaker. Die Geschichte kennen Sie doch bestimmt. Das arme kleine Mädchen wird aus der Küche –«

»Ich kenne die Geschichte.« Seine Stimme troff vor Sarkasmus. »Ich sehe nur nicht, was sie mit mir zu tun hat.«

»Nein?« Im Fenster sah sie, wie er aufstand, und verspannte sich unwillkürlich. »Der einzige Unterschied ist, daß in Ihrem Fall das hilflose Opfer heruntergekommener Eltern ein Junge war und sein Retter nicht ein potentieller Geliebter … oder doch?«

»Teufel noch mal!« zischte Breaker. »Sie wollen mich provozieren, oder?«

»Vielleicht.« Sie versuchte, ihren Magen zu beruhigen. »Manchmal hilft es, wenn ein Informant ärgerlich wird. Dabei kann derjenige gelegentlich unvorsichtig werden. Jeder weiß, daß Reporter ihre Informanten gern ganz harmlos fragen oder verärgern, um sie zu Indiskretionen zu bewegen.«

»Stellen Sie sich darauf ein, morgen früh abzureisen.«

Angelica zog die Revers ihres Bademantels am Hals zusammen. »Ich würde lieber hierbleiben.«

»Mein Gott, Sie sind unglaublich.«

Wenn er wüßte, wie sie sich fühlte, würde er lachen und weggehen. »Ich bin unglaublich, und Sie auch. Wir geben doch ein gutes Paar ab, finden Sie nicht?«

»Morgen früh.«

»Ich werde das nicht akzeptieren. Falls ich nämlich wirklich gehen würde, würden Sie später bedauern, nicht mehr über mich erfahren zu haben. Warum heißt diese Insel ›Hell‹, wie Hölle?«

»Würde Sie nicht interessieren.«

»Interessiert mich aber. Alles an Ihnen interessiert mich.« Absolut alles.

Er zögerte und bewegte sich langsam in ihre Richtung. »Mein Name ist Sinjun. Fragen Sie mich nicht, wie mein alter Herr auf einen solchen Namen gekommen ist. Meistens war er zu betrunken, als daß ich ihn hätte fragen können. Und wenn er nüchtern war, war er zu sauer. Meine Freunde haben mich Sin genannt, Sin wie Sünde. Manche sagten, das passe zu mir.«

Es gab nach wie vor welche, die fanden, es würde zu ihm passen. Angelica holte tief Luft. Er durchquerte das Zimmer und kam näher.

»Dann wurde ich erwachsen, und es gab immer noch Leute, die fanden, man hätte mich Sünde taufen müssen.«

Seine Gegenwart, nur ein paar Zentimeter hinter ihrer Schulter, hätte sie sogar gespürt, wenn sie ihn nicht gesehen hätte.

»Irgendwann hatte ich Glück – oder was man für Glück hielt«, fuhr Breaker fort. »Bruno Kertz begriff, daß ich ihm mehr zu bieten hatte als nur ein Paar stählerner Fäuste und ein Talent, so ziemlich alles zu fliegen, was Flügel oder Rotorblätter hatte. Er beschloß, ich hätte auch Hirn und machte es sich zur Aufgabe, daß ich es auch benutzte. Bruno hat mir viel gegeben. Aber ich habe ihm genausoviel gegeben. Er war ein großer Mann, und er fehlt mir.«

»Hell«, gab sie ihm noch einmal das Stichwort.

»Einfach.« Er nahm eine Strähne von ihrem trocknenden Haar und hob sie zu seinem Gesicht. »Nett. Frühlingsrosen – und etwas Salz. Sehr nett.«

Muskeln in ihren Schenkeln zogen sich zusammen. Dieser Mann hatte die Macht, ihre Erregung zu wecken. Angelica Dean hatte bisher wenige Gelegenheiten für Sex gehabt. Sehr wenige Gelegenheiten – und keine davon bemerkenswert genug, um sie an mehr zu interessieren. Aber sie kannte sexuelle Anziehung, wenn sie sie spürte. Breaker spürte diese Anziehung sicher auch und würde sie zu nutzen wissen. »Hell«, wiederholte sie.

»Ach ja, Hell.« Behutsam nahm er ihre Haare an ihrem Nacken in einer Hand zusammen. »Honigblond. Das muß höllisch sexy aussehen, wenn die Sonne darauf scheint.«

Sie konnte sich nicht bewegen. Und sie sollte, durfte nicht auf ihn reagieren, egal wie anziehend er war.

»Hm, wovon hatten wir gerade gesprochen?« sagte er.

»Hell.«

Die rauhe Kuppe eines langen Zeigefingers folgte der Kante ihres Unterkiefers von der empfindlichen kleinen Mulde unter ihrem Ohrläppchen bis zur Spitze ihres Kinns. »Ja. Hell. Meine Insel. Offensichtlich, natürlich. Teuflisches Glück habe ich nun mal. Und man nennt mich Sin. Also: Hell. Sehen Sie mich an.«

Die Nacht war wohl drückend geworden. Sie konnte nicht mehr richtig durchatmen. Ein Daumen hatte den Zeigefinger abgelöst und lag an ihrem Mundwinkel.

»Kommen Sie schon, Miss Dean, sehen Sie mich an. Bitte.«

Sie wandte ihm mit einem Ruck den Kopf zu.

»Ja, natürlich.« Sein Daumen strich am Rand ihrer Unterlippe hin und her. »Sie sind braun. Ein weiches, warmes Braun. Mein Gott, ich wette, Ihre Augen sind im Sonnenlicht ebenso schön wie Ihre Haare.«

»Ich –« Sein Blick folgte jeder Bewegung ihres Mundes. »Sie sind wirklich gut, Mr. Breaker.«