Kein Wort zum Mord - Stella Cameron - E-Book
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Kein Wort zum Mord E-Book

Stella Cameron

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Beschreibung

Der Tod schläft nie …
Die Cosy Crime-Reihe der New York Times-Bestsellerautorin geht spannend weiter!

Als im Nachbardorf Underhill eine Leiche entdeckt wird, ist Alex Duggins, die Besitzerin des Pubs The Black Dog entschlossen, sich ausnahmsweise nicht einzumischen. Doch als sich herausstellt, dass es sich bei der Person, die die Leiche gefunden hat, um den jungen Kyle Gammage handelt, der in der Tierklinik ihres Freundes Tony aushilft, werden sie und Tony widerstrebend in die Mordermittlung hineingezogen. Um Kyle zu schützen, hält Alex der Polizei wichtige Informationen vor. Eine Fehleinschätzung, die weitreichende und möglicherweise tödliche Folgen hat …

Weitere Titel dieser Reihe
Mord mit Schuss (ISBN: 9783968178189)
Ein Pint mit Mord (ISBN: 9783968178219)
Die Stimme des Todes (ISBN: 9783968178240)

Erste Leser:innenstimmen
„Der neueste Band einer mitreißenden Cosy-Crime-Reihe mit weiblicher Ermittlerin! Ich habe mich wirklich gefreut, Alex erneut bei einem Fall zu begleiten.“
„Stella Cameron ist aus gutem Grund eine New York Times-Bestsellerautorin! Mit der Folly-on-Weir-Reihe hat sie ein liebenswertes kleines Dorf erschaffen und seine Bewohner sind genauso charmant!“
„Die perfekte Lektüre zum Abschalten! Man kann sich auf wiederkehrende Charaktere, überraschende Wendungen und ein atmosphärisches Setting freuen.“
„Dieser Roman ist so professionell geschrieben und gut durchdacht! Erinnert mich an die klassischen Whodunnits aus dem letzten Jahrhundert.“

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Seitenzahl: 488

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Über dieses E-Book

Als im Nachbardorf Underhill eine Leiche entdeckt wird, ist Alex Duggins, die Besitzerin des Pubs The Black Dog entschlossen, sich ausnahmsweise nicht einzumischen. Doch als sich herausstellt, dass es sich bei der Person, die die Leiche gefunden hat, um den jungen Kyle Gammage handelt, der in der Tierklinik ihres Freundes Tony aushilft, werden sie und Tony widerstrebend in die Mordermittlung hineingezogen. Um Kyle zu schützen, hält Alex der Polizei wichtige Informationen vor. Eine Fehleinschätzung, die weitreichende und möglicherweise tödliche Folgen hat …

Impressum

Deutsche Erstausgabe November 2022

Copyright © 2023 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98778-012-7

Copyright © 2020 by Stella Cameron Titel des englischen Originals: Lies that Bind

Published by Arrangement with Stella Cameron Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Übersetzt von: Lennart Janson Covergestaltung: Buchgewand unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © Inga Av, © Julian Weber depositphotos.com: © scenery1, © Arsty., © releon8211 Korrektorat: Dorothee Scheuch

E-Book-Version 17.01.2023, 15:08:22.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Kein Wort zum Mord

Für Jerry.

Und für all die liebenswerten Fellgeschöpfe, die mir ihre unschuldigen Herzen verschrieben haben.

Prolog

Die schlauen Menschen wussten einen Mann zu schätzen, der selbstständig denken kann.

Sid Gammage würde Gary Podmore zeigen, wie nützlich der gute alte Sid noch sein konnte und wie viel mehr er wert war.

Wenn ich mir das selbst oft genug sage, werde ich daran glauben.

Er stand im dunklen Schatten hinter dem leeren Wachhäuschen am Tor zu Podmore Hauling and Storage. Er hatte beinahe täglich auf diesem Hof gestanden in den drei Jahren, die er als Lastwagenfahrer für Podmore gearbeitet hatte. Er war allerdings nur selten nachts hier gewesen. Doch nach dem Gespräch zwischen zwei Männern, das er in der vergangenen Woche auf der Toilette mitangehört hatte, könnte er sich bald in der Nachtschicht wiederfinden.

Wenn Gary Sid zugestand, was er wollte – was er brauchte.

Erste winterliche Kälte hatte sich in die Herbstluft gemischt und er zog sich seine Wollmütze über die Ohren. Gary würde ihn anhören, das musste er einfach. Wie er seinen Vorschlag vorbrachte, welche Worte er benutzte, wäre von höchster Wichtigkeit, doch Gary war ein guter Mensch und hatte Sid stets eine faire Chance gegeben.

Nur wenige Lichter erhellten den Hof und die Gassen zwischen den Gebäuden waren endlos tiefe, schwarze Rechtecke.

Sid straffte den Rücken und trommelte mit den flachen, in Handschuhen steckenden Händen einen flotten Rhythmus auf seinen Oberschenkeln.

Komm schon, komm schon. Es musste die kalte Nachtluft sein, die ihn so kurzatmig machte. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Das hier war etwas Neues; deshalb war er ein wenig verunsichert. Er hatte noch nie zuvor seine Komfortzone verlassen, um ein Ziel zu verfolgen – etwas, das er brauchte, mehr Geld, auch wenn er noch nicht wusste, was er dafür würde tun müssen.

Warum war niemand her? Es war Dienstag, die Nacht, die er mit Podmore vereinbart hatte. Und der Wachmann – wo war er? Selbst wenn die Arbeit wie üblich um sieben beendet worden war, wurde das Gelände doch rund um die Uhr bewacht, oder nicht? Er suchte nach dem herumwandernden Strahl einer Taschenlampe und lauschte angestrengt auf das Knirschen von Kies unter schweren Arbeitsstiefeln – Zeichen dafür, dass der Wachmann seine Runde machte.

Der kleine, kastanienbraune Laster des Mannes stand nicht neben dem Wachhäuschen. Das hätte ihm schon früher auffallen müssen.

Es war möglich, dass die Arbeitszeiten mancher Angestellter beschnitten wurden, um Kosten zu sparen. Das war nie ein gutes Zeichen, doch wahrscheinlicher war es, dass Gary für seine Nachtfahrten keine unnötigen Augenzeugen vor Ort haben wollte. Darüber hatte er die Männer tuscheln gehört: über die Nachtfahrten und darüber, wie viel Glück sie hatten, mit solchen einfachen Aufgaben so viel Geld zu verdienen. Er wünschte, er wüsste, worum es genau ging, doch er war sich längst sicher, dass er genauso gut wie jeder andere weghören oder wegsehen könnte, wenn es um Schwarzarbeit ging. Ihm war nur das Geld wichtig.

Der Wind hatte Sturmstärke erreicht und der verdammte Staub, den er vor sich hertrieb, brannte ihm im Gesicht. Dieser Bereich von Northampton und den Stationen entlang der M1 in beiden Richtungen waren sein Revier. Er konnte die Wege mit verbundenen Augen fahren. Und er war immer zuverlässig gewesen, seit er für Podmore arbeitete. Seine Bilanz sollte Gewicht haben.

Ein Fahrzeug bog auf die Zufahrt zum Hof ein. Die Frontscheinwerfer wippten über eine Bodenwelle und kamen langsam näher, der Motor war kaum zu hören. Das musste Garys Mercedes sein. Er konnte sehen, dass schwaches Licht auf dem spiegelglatten Lack der schwarzen Limousine glänzte.

Sids Herzschlag beschleunigte sich, als er zum Tor lief, um erst den einen Torflügel und dann den anderen zu öffnen. Der Mercedes glitt links an den Warenhäusern und Verladerampen vorüber und kam dann zum Stehen.

Sid schob die Hände in die Jackentaschen, zog das Kinn in seinen aufgestellten Kragen und lief strammen Schrittes auf Gary Podmores Wagen zu. Am Fahrerfenster bückte er sich, um hineinzuschauen. Gary salutierte zum Gruß und grinste, während Sid die Tür öffnete.

„Guten Abend, Gary.“ In der Firma sprach man sich mit Vornamen an. „Der Winter wird uns wohl bald in seinem Griff haben.“

„Höchstwahrscheinlich.“ Dank der harten Arbeit seines Vaters hatte Gary gute Schulen besucht und sprach anders als die meisten hier in der Gegend – abgesehen von ein oder zwei Leuten im Büro. „Lass uns hineingehen und uns aufwärmen.“ Der Boss stieg aus und schlug die Autotür zu. Er klopfte Sid auf den Rücken und schob ihn in Richtung des Gebäudes, das außer der Werkstatt im Erdgeschoss nur Büros beherbergte.

Im Inneren legte Gary einige Lichtschalter um, sodass die Metalltreppe vor ihnen und der Laufgang zu seinem eigenen Büro beleuchtet wurden.

„Ich habe Ihren Van gar nicht gesehen, als ich ankam“, sagte Gary und trat vor, um seine Bürotür zu öffnen.

Sid folgte ihm in den Raum. „Ich bin mit dem Motorrad hier. Es steht hinter dem Wachhäuschen.“ Er hätte beinahe erwähnt, dass er den Wachmann nirgends entdeckt hatte, überlegte es sich dann aber anders. „Ich bin gern damit unterwegs, wenn ich die Gelegenheit habe.“ Und es war günstiger.

„Setzen Sie sich“, sagte Gary. „Ein Bier? Oder etwas Stärkeres?“

„Ein Bier klingt gut.“ Sid setzte sich auf die Kante eines der beiden braunen Ledersessel, die vor einem großen Schreibtisch standen. Das einzige Fenster des Raumes bot einen Blick auf den Hof hinter den Gebäuden und bei Tageslicht konnte man die Stadt sehen. Sid gefiel es, sie so zu sehen wie jetzt, wie eine Decke aus Lichtern, die in der Ferne über der Landschaft lag.

„Bitter oder Lager, was trinken Sie?“

„Etwas Dunkleres, wenn Sie das haben“, sagte Sid.

Er hörte Gary nicht kommen und bemerkte ihn erst, als ein Glashumpen über seiner Schulter auftauchte. „Digfield, natürlich. Mad Monk ist eine meiner Lieblingssorten. Ich nehme auch eins. Es war ein langer Tag und das fühlt sich genau richtig an.“

Das Bier hatte eine ansehnliche Schaumkrone und Sid trank einen tiefen, befriedigenden Zug. Statt hinter seinen Schreibtisch zu treten, setzte sich der Boss auf den anderen Ledersessel und stellte sein Glas auf dem Knie ab. Seine Jeans sah ungewöhnlich zerknittert aus. Der Mann hatte eine Art an sich, bei der man sich einfach entspannte. Ihn jetzt so zu sehen, wer würde da glauben, dass ihm all das hier gehörte?

„Sie sind geradeheraus, Sid“, sagte Gary und tupfte sich mit dem Handrücken den blonden Schnurrbart ab. „Das gefällt mir. Bei einem Mann wie Ihnen weiß ich, woran ich bin.“

Sid lächelte und setzte sich gerader hin. „Ich hoffe, dass Ihre Frau nicht sauer ist, weil Sie heute noch einen zusätzlichen Termin haben.“ Das klang nach dem richtigen Umgangston. Freundlich, aber nicht zu vertraut … oder?

„Ich habe häufig am Abend noch Besprechungen. Gehen wir es an. Sie ließen mich wissen, dass Sie mit mir über zusätzliche Arbeit sprechen wollten. Nachts, sagten Sie. Ich glaube, Sie hatten etwas Spezielles im Sinn.“

„Richtig“, sagte Sid. Er hatte es genau auf den Punkt gebracht. „Ich habe nur gehört, dass es einige Nachtfahrten gibt, die hier rausgehen. Nicht dass jeder darüber sprechen würde. Ich habe nur etwas in der Richtung gehört. Meine Mutter sagte immer zu meinem Vater, dass er aufpassen müsse, was er laut ausspricht, da kleine Kinder große Ohren haben. Sie meinte mich. Manche bekommen Verstand oder Aussehen, aber ich habe die Ohren. Manchmal benutze ich Ohrstöpsel …“

„Ich verstehe“, sagte Gary und Sid hielt den Mund. Wenn er nervös wurde, redete er zu viel. „Was ließ Sie glauben, dass ich etwas für Sie haben könnte? Es geht um wichtige Arbeit, die sich von den alltäglichen Fahrten unterscheidet. Das ist meine Art, ein wenig von meinem Erfolg weiterzugeben. Meine Unterstützung für die große Gruppe der Bedürftigen, wenn man so will.“

Wohltätigkeitsarbeit? Sid schluckte. Er konnte es sich nicht leisten, ehrenamtlich zu arbeiten. „Verstehe“, sagte er. Seine Schulden wuchsen ihm über den Kopf. „Es ist immer recht knapp für mich, mit den Kindern und ohne Hilfe. Ich suche nach einer Möglichkeit, um mehr Geld zu verdienen und dachte, es wäre schön, hier an meinem Arbeitsplatz noch mehr zu tun. Ich bewundere, dass Sie Leuten helfen, die wirklich bedürftig sind.“ Er konnte auch ehrlich sein, aber er musste die ehrenamtliche Arbeit des Mannes anerkennen.

„Wer hat Ihnen davon erzählt?“ Gary lächelte nicht mehr. Er musterte Sid mit steinernem Blick und blinzelte nicht.

Damit hatte er gerechnet. „Zwei Männer haben sich darüber unterhalten“, sagte Sid und bemühte sich, ebenfalls nicht zu blinzeln oder den Blick abzuwenden. „Ich habe sie nicht gesehen, Gary. Ehrlich.“

„Die eine Sache, die ich mir nicht leisten kann, ist mangelnde Diskretion. Loyalität ist kein Bonus, sie ist Grundvoraussetzung. Solches Geschwätz kann alles ruinieren.“

„Ich habe mit niemandem außer Ihnen darüber gesprochen. Ich …“

„Ich glaube Ihnen.“ Gary blähte die Wangen auf und schien für einige Sekunden in Gedanken verloren zu sein. „Aber ich muss herausfinden, wer das Maul aufgerissen hat. Irgendeine Idee?“

„Nein.“ Sid trank einen Schluck von seinem Bier.

„Tun Sie mir einen Gefallen. Wenn Sie jemanden hören, der einer dieser Männer sein könnte, kommen Sie zu mir. Können Sie das machen?“

Und dann würde Gary sie feuern? Er wird doch nichts Schlimmeres anstellen, oder?

„Sid?“ Gary hielt den Blick auf Sid gerichtet.

„Natürlich“, sagte Sid. Das Schlucken fiel ihm schwer.

„Gut.“ Gary zog seine Jeansjacke aus und hängte sie an eine Garderobe. „Ich würde Ihnen ja noch ein Bier anbieten, aber ich will nicht, dass Sie zu viel intus haben, wenn Sie fahren müssen.“ Er gluckste.

„Natürlich nicht.“ Das Glas in Sids Hand war immer noch halbvoll. Es beunruhigte ihn, dass sein Gegenüber stetig zwischen nettem Gebaren und unterschwelligen Drohungen hin und her wechselte.

Gary setzte sich wieder, ließ die Hände locker gefaltet zwischen den Knien ruhen und wirkte sehr ernst, als er sich zu Sid lehnte. Sein eigenes Bier stand neben ihm auf einem Beistelltisch, kaum angetastet. „Manchmal gibt uns das Schicksal genau das, was wir brauchen. Glauben Sie daran? Ich tue es.“

„Ich auch.“ Doch es geschah nicht immer schnell genug, um sich über Wasser zu halten.

„Gut. Erzählen Sie mir ein wenig von sich. Ich weiß, dass Sie verheiratet sind und Kinder haben, aber es ist schwer, bei all meinen Mitarbeitern auf dem Laufenden zu bleiben.“

„Natürlich ist es das. Ich bin Witwer.“ Sal hatte ihn vor Jahren zum ersten Mal sitzengelassen, nachdem ihr erstes Kind zur Welt gekommen war. Sie hatte Sid und ihr gemeinsames Kind ohne Erklärung im Stich gelassen. Vier Jahre später war sie wieder aufgetaucht – mit einem weiteren Kind. Sid hatte sie so dringend zurückhaben wollen und hatte ihr Kind daher wie sein eigenes angenommen. Sal hatte es weniger als zwei Jahre lang ausgehalten, ehe sie gegangen und nie wieder zurückgekommen war. Seitdem waren neun Jahre vergangen und er hatte kein Wort mehr von ihr gehört.

Er spürte, dass Gary ihn ansah und darauf wartete, dass er weitersprach. „Es ist leichter geworden, jetzt da die Kinder älter sind, siebzehn und dreizehn.“

„Aber sie sind teuer“, sagte Gary. „Wir haben auch Kinder, daher weiß ich das. Mein Beileid.“

„Das ist lange her.“ Es hatte keinen Zweck, darüber zu sprechen, was wirklich geschehen war.

„Wie wäre es, wenn Sie regelmäßig nachts für mich fahren würden? Es sind lange, aber einfache Fahrten, etwa hundert Meilen pro Strecke und Sie würden mit mehreren anderen Fahrern zusammenarbeiten, die das Gleiche tun. Ich weite meine Geschäfte aus und brauche noch einen guten Mann. Die Bezahlung ist wirklich gut. Und wenn Sie es schaffen, zusätzlich vielleicht noch eine Halbtagsschicht zu arbeiten, umso besser – dann ständen Sie finanziell auch deutlich besser da.“ Sein Lächeln wirkte freundlich, als hätte er Verständnis für Sids schwierige Lage.

Sid rieb sich die Stirn und versuchte, die Fahrten einzuplanen und die Zeiten, zu denen er schlafen würde. Wenn er genug verdiente, würde er sich vielleicht irgendwo ein billiges Zimmer mieten müssen. Die Jungs würden zurechtkommen, das taten sie schon, seit sie klein gewesen waren. Zu dritt hatten sie stets zusammengehalten und waren durchgekommen. Er wollte ihnen die Bildung ermöglichen, die er nie erhalten hatte. Er wollte, dass sie wirklich etwas aus sich machten. Sie waren schlau und würden vielleicht Stipendien bekommen. Falls nicht, könnte er es ihnen mit dieser Arbeit vielleicht trotzdem ermöglichen, doch das kam nach den Schulden, die er noch zu begleichen hatte.

„Sid?“

Er hob rasch den Blick. „Entschuldigung. Ich denke nur über die Logistik nach. Ja, ich möchte mehr darüber erfahren und die Fahrten machen. Ich habe eine saubere Akte als Fahrer und jeder Kunde, mit dem ich zu tun habe, würde ein gutes Wort für mich einlegen. Ich habe bloß darüber nachgedacht, wie ich die beiden Schichten stemmen kann. Aber ich werde arbeiten. Ja, das klingt gut, Gary. Vielen Dank.“

„Was wird nachts aus den Kindern?“

Ein Boss, der sich um seine Arbeiter und deren Familien sorgte. Wie ungewöhnlich war das? „Ich habe eine Schwester. Etwas jünger als ich. Ledig. Sie ist von der künstlerischen Sorte. Veröffentlich gelegentlich auf eigene Faust Kinderbücher und macht Illustrationen für andere Leute. Sie verdient nicht viel, glaube ich, aber sie kommt zurecht und war immer so gut, für ein paar Tage zu mir zu kommen, wenn ich Hilfe brauchte. Wegen Krankheit oder so etwas. Ich glaube, ich könnte mit ihr etwas ausmachen. Kostenlos bei uns wohnen zu können, würde ihr helfen und … ja, ich werde alles in den Griff bekommen.“ Die Jungs waren ohnehin daran gewöhnt, allein zurechtzukommen, wenn es sein musste. Cheryl konnte unberechenbar sein, doch er würde sehen müssen, was sie ausmachen konnten und so eine gute Gelegenheit würde sie sich gewiss nicht entgehen lassen.

Eine Tür schlug zu und schickte eine Schockwelle die Metalltreppe herauf; es musste sich unten um die Eingangstür gehandelt haben. Gary erschauderte. „Verdammt. Ich dachte wir hätten … oh, das werden Ellis und Nicky sein. Sie arbeiten für mich bei diesem Projekt mit. Nicky kümmert sich um den ganzen Papierkram.“

Sid lauschte den Schritten auf der Treppe. „Wie viele Fahrer sind in der Gruppe?“

„Äh, vier.“ Gary legte die Stirn in Falten. „Mit Ihnen fünf.“

Die Tür flog auf, ohne dass jemand geklopft hätte. Nicky war eine dick angezogene Frau um die Vierzig, mit einem Kopftuch über lockigem, braunem Haar, das ihr über den Kragen eines weiten Wollmantels fiel. Ihr Gesicht wirkte gewöhnlich und freundlich – vielleicht ein wenig zu schmal und mit dunklen Rändern unter den Augen. Sie nickte Gary zu und stellte sich in die Nähe der Tür, die Füße in Sportschuhen auf Schulterbreite und die Hände in den Manteltaschen vergraben.

Ellis hingegen war ganz und gar nicht gewöhnlich. Er war über einen Meter achtzig groß und gebaut wie ein Rausschmeißer, ohne ein Gramm Fett, das seine Muskeln verdeckt hätte. Er hatte sich das dunkle Haar aus dem pockennarbigen Gesicht nach hinten gekämmt. Nun kam er mit ausgestreckter Hand auf Sid zu. „Ellis“, sagte er und blickte zu Gary, der nickte. „Willkommen an Bord. Der Boss hat von Ihnen gesprochen. Wir können die Hilfe gebrauchen.“

Gary antwortete nicht. Er stand auf, trat hinter seinen Schreibtisch, holte einen Umschlag heraus und steckte ihn in die Innentasche seiner Jeansjacke.

„Ich koordiniere diese Fahrten von einer anderen Stelle aus“, sagte Gary. Er klang jetzt nicht mehr so entspannt. „Wir werden jetzt dort hinfahren, damit Sie wissen, wo Sie morgen erwartet werden. Ich möchte, dass Sie morgen anfangen.“

So bald schon? Noch bevor er die Zeit und die Gelegenheit hätte, um nach Hause zu fahren und sein Vorhaben mit den Jungs zu besprechen?

„Ist das ein Problem?“, fragte Gary in einem schneidenden Ton.

Sids Beine erstarrten. Er hatte nicht erwartet, dass Gary sein Auftreten so radikal ändern würde.

„Überhaupt kein Problem. Muss ich irgendetwas ausfüllen oder unterscheiben?“

„Das können Sie alles uns überlassen“, sagte Nicky, ohne ihn anzusehen. „Das hat keine Eile und ich erledige solche Dinge gern ordentlich und gründlich, also kann ich den Vorgang nicht beschleunigen.“ Sie klang nicht britisch. Ihr Akzent mochte aus Osteuropa stammen. Sid viel auf, dass sie es vermied, ihn anzusehen – oder überhaupt irgendjemanden. Sie blickte einfach nur zu Boden.

Er könnte immer noch Aussteigen, wenn ihm die Sache zu haarig wurde, dachte Sid. Intuition und Gefühl – allgemein Emotionen – waren in seiner Kindheit und Jugend nicht gerade gern gesehen gewesen und seine Bewältigungsmechanismen für neue und befremdliche Situationen waren nicht sehr ausgeprägt.

„Sie haben doch kein Problem damit, oder, Sid?“, fragte Ellis. Sein Lächeln wirkte bestimmt nicht überzeugend. „Sie kommen zu mir, wenn Sie ein Problem haben, klar? Diese Frau versteht uns Männer nicht.“ Er kicherte und Sid wurde ein wenig schlecht.

„Ich habe kein Problem damit.“ Verdammt, er hörte sich kleinlaut an und klang ganz und gar nicht wie er selbst. „Soll ich am Morgen früher kommen, damit ich mich mit meinen neuen Aufgaben vertraut machen kann? Das spart Zeit.“

„Wie ich Ihnen gerade gesagt habe, werden wir das jetzt besprechen“, sagte Gary. „Deshalb sind Nicky und Ellis hier. Sie fahren bei mir mit. Die beiden werden uns hinterherfahren.“

Sid spürte die Nervosität in seinen Eingeweiden und es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Sie hatten gesagt, es würde nicht eilen und jetzt sollte er auf der Stelle mit ihnen irgendwo hinfahren?

Gary bedeutete ihm, das Büro zu verlassen. Nicky folgte ihm, doch Ellis und Gary ließen sich zurückfallen. Sie sprachen leise miteinander und Ellis blickte immer wieder zwischen Sid und dem Boss hin und her.

Er sollte sicherstellen, dass er sich nicht Hals über Kopf in irgendeine Sache hineinstürzte. Besser jetzt, als wenn es zu spät wäre. „Sie werden verstehen, dass ich erst mit meinen Kindern sprechen muss, um ihnen zu erklären, was los ist, oder? Ein kurzer Anruf reicht. Dann werde ich hinterher nach Hause fahren und alles mit meiner Schwester besprechen. Am Morgen kann ich so früh da sein, wie Sie es gern hätten.“

Es war alles andere als warm, doch sein Hemd klebte ihm im Rücken und seine Handflächen waren schweißnass. Er betete, dass man ihm seine Nervosität nicht ansah.

„Sie sind jetzt mit uns unterwegs“, sagte Gary. „Wir fahren zur Zentrale und zeigen Ihnen alles. Es ist noch früh am Abend.“

„Ich werde mir eine Unterkunft suchen müssen, wenn ich nicht nach Hause fahren kann“, sagte Sid. Er verschluckte sich und musste husten.

„Dafür wurde bereits gesorgt“, sagte Gary mit einem Grinsen. „Wir haben Zimmer in der Zentrale. Und gutes Essen. Ich komme mit Ihnen nach unten.“

Sid zögerte, dann stieg er die Treppe hinunter.

„Wir sehen uns dort“, rief Gary Ellis und Nicky zu.

„Haben Sie Ihrer Schwester irgendetwas von der zusätzlichen Arbeit erzählt, Sid? Damit sie vorbereitet ist, wenn Sie sie kontaktieren?“

Er wollte gewiss nicht, dass diese Leute dachten, er würde höchstens von seinen Kindern vermisst werden, die an seine ungewöhnlichen Arbeitszeiten gewöhnt waren. „Sie wäre nicht überrascht, wenn ich sie um Hilfe bitten würde“, sagte Sid über die Schulter, als er am Fuß der Treppe ankam und die Tür nach draußen öffnete. „Sie kann kommen, wenn sie gebraucht wird, da gibt es keine Probleme.“

Eine weitere Lüge, doch das spielte keine Rolle, solange ihm die Sache nicht über den Kopf wuchs.

„Gut“, sagte Gary. „Machen wir uns auf den Weg. Wir müssen noch einiges erledigen, bevor Sie loslegen können. Das Wichtigste ist, nie zu vergessen, dass Sie jetzt Teil eines kleinen, vertrauten Teams sind. Was wir tun ist wichtig. Wir verlassen uns aufeinander und sind vor allem anderen loyal. Wir erwähnen das Geschäft niemandem gegenüber.“

1

Fünf Wochen später

Der Bus der St. John’s Grundschule kam vor dem Black Dog zum Stehen, dem einzigen Pub von Folly-on-Weir und damit dem Lebensmittelpunkt der erwachsenen Bewohner.

Kinder in roten Jacketts mit gestreiften Krawatten, die schief an den offenen Kragen ihrer weißen Hemden hingen, blickten aus den Fenstern des Busses und gafften zwei Polizeifahrzeuge an, die mit blitzendem Blaulicht darauf warteten, dass der Bus aus dem Weg fuhr. Sobald sich der Bus in Bewegung setzte, rasten die Polizeiwagen die High Street in Richtung Underhill entlang und ihr Blaulicht verblasste im Sonnenlicht, das sich immer wieder durch die rauchartigen Wolken kämpfte.

Erinnerungen an einen auffälligen, schnellen Trauerzug ließen Alex Duggins erschaudern. Sie wandte sich von der Szene ab. Die Aufregung hatte endlich einmal nichts mit ihr zu tun.

Ein Entenschwarm flog so dicht über den See der Dorfwiese, dass ihre Schwimmfüße beinahe das Wasser berührten. Die Tiere beschwerten sich lautstark über die Störung des nachmittäglichen Friedens.

„Bei Fuß, Bogie“, rief Alex, die immer noch von der Aktivität auf der Hauptstraße von Folly-on-Weir abgelenkt war. Sie bekam hier selten Polizeifahrzeuge zu Gesicht, erst recht mit Blaulicht, es sei denn … Alex pfiff nach ihrem grauschwarzen Terrier. Je weniger sie sich mit dem befasste, was sich wie die Reaktion auf ein schweres Verbrechen anfühlte, desto besser.

Die Enten flatterten wild mit den Flügeln. Bogie hatte ihre Ablenkung ausgenutzt und war am Teich hin und her gerannt und unter gelegentlichem Kläffen herumgesprungen.

„Du weißt genau, dass du das nicht machen sollst.“ Alex erhob die Stimme und rannte zu ihm. „Böser, böser Junge.“

Er hielt inne und blickte zu ihr, als könnte er sich gar nicht erklären, warum sie böse auf ihn war.

Alex schwenkte mit finsterem Blick die Leine in der Luft, woraufhin Bogie rasch zu ihr kam und sich an den Boden drückte, wohl wissend, dass er Ärger bekommen würde.

Die Sonne kämpfte erneut mit den metallisch blaugrauen Wolken, die ein stärker werdender Wind vor sich hertrieb. Der Winter kündigte sich offiziell an.

„Alex, was ist los?“ Eine herrische Stimme drang von hinten an ihr Ohr und sie drehte sich zu Heather Derwinter um. „Wenn das jemand weiß, dann Sie. Was soll all der Wirbel?“

Heather, die Ehefrau von Leonard von der mächtigen Derwinter Holding, herrschte als ungekrönte Königin über Folly und Umgebung, wenngleich sie sich nicht häufig im Dorf blicken ließ, außer wenn sie mit einer Gruppe ihrer lauten Reitfreundinnen in teuren Stiefeln im Black Dog auftauchte, Alex’ Pub.

„Hallo, Heather“, sagte Alex, während sie sich bückte, um die Leine an Bogies Halsband zu befestigen. „Das Einzige, was bei mir los ist, ist dieser unartige Hund, der immer noch zu gerne Vögeln nachjagt.“

Heather hob ihr blondes Haar aus dem Kragen ihrer hellbraunen Wildlederjacke, die offensichtlich maßgeschneidert war, um sich ihren wunderschönen Kurven anzupassen und zudem aus seidenweichem Leder gefertigt war. Ihre cremefarbene Hose lag eng an, ohne eine einzige Falte zu werfen. „Sie wissen, was ich meine. Ganz ehrlich, Alex, Sie halten sich gern bedeckt. Wenn Sie das tun, werden die Leute nur noch neugieriger und überzeugter davon, dass Sie mehr wissen, als Sie vorgeben. Haben Sie irgendetwas von Ihrem Freund dem Chief Inspector gehört? Oder waren Sie es, die irgendeinen Schlamassel gemeldet hat, der an der Straße nach Underhill passiert ist? Da fahren sie doch hin. Vielleicht ist es auch irgendwo in oder hinter Underhill. Sonst sind Sie es doch immer, die irgendwo eine blutige Katastrophe ans Licht bringt. Wo ist die Leiche?“

Kurz hätte Alex beinahe gelacht; Heather konnte manchmal wirklich eine Karikatur ihrer selbst sein. Das amüsierte Alex jedes Mal. „Ich muss los, Heather.“ Sie hob Bogie in ihre Arme, zum Teil weil sie es mochte, seinen kleinen, warmen Körper an sich zu spüren und zum Teil, weil sie ihn als Ausrede zum Gehen benutzen wollte. „Das kleine Kerlchen hier wird ganz schön schwer. Ich glaube, wir müssen die Filet-Rationen kürzen. Bis später.“ Sie grinste, lächelte und lief los in Richtung Straße. „Es fängt an zu regnen. Sie sollten diese wunderschöne Jacke lieber ins Trockene bringen. Das könnte ein richtiges Unwetter werden.“

„Sie lassen es mich wissen, wenn Sie etwas hören, ja?“, rief Heather ihr nach.

Nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt.

„Alex!“

Heather ließ sich nicht so schnell abwimmeln. „Natürlich“, sagte Alex. „Aber das hat nichts mit uns zu tun. Sie fahren nur durch den Ort durch.“ Das war zumindest ihr Wunschdenken.

„Jetzt bin ich beruhigt“, schrie Heather beinahe über die Wiese. „Wenn es Grund zur Sorge gäbe, wüssten Sie Bescheid.“

Alex vergrub ihr Gesicht in Bogies Rückenfell. Ihre Augen brannten. Das musste dieser beißende Wind sein, der ihr ins Gesicht wehte.

Doch der Wind vermochte es gewiss nicht, dass sie sich versteifte und Gänsehaut in ihrem Nacken spürte. Es war der Anblick einer dunkelblauen Lexus-Limousine, die förmlich hinten an der Stoßstange eines der Streifenwagen klebte, bei dem sich ihr nun auch noch der Magen umdrehte. Sie stand wie angewurzelt da. Was auch immer der Grund für die Anwesenheit der Polizei war, sie war so bald nach ihrer letzten Begegnung noch nicht bereit, erneut Detective Inspector O’Reilly gegenüberzutreten. Und der Wagen konnte nur seiner sein.

„Hey, Süße, ich habe nach dir gesucht.“ Ein vertrauter Arm legte sich um ihre Schultern und sie wurde gedrückt.

„Tony“, sagte sie und lehnte sich an Tony Harrison an, ohne den Blick von der High Street abzuwenden. „Das sieht nach Ärger aus.“

„Ja. Aber es ist ausnahmsweise mal nicht unser Ärger.“

„Natürlich nicht“, sagte sie und blickte lächelnd in seine blauen Augen, in denen sich Beunruhigung spiegelte. „Oder? Schau mal, die Leute gehen zum Dog. Sie wollen herausfinden, was los ist.“

Er warf sich das dunkelblonde Haar aus der Stirn. „Sie gehen immer davon aus, dass man dort alles in Erfahrung bringen kann, oder? Dieses Mal werden sie kein Glück haben. Komm mit, ich möchte deine Meinung zu etwas hören.“

Sie liefen langsam und ignorierten die vereinzelten Regentropfen, während sie zur Straße liefen und zu der Grasfläche vor dem Pub zurückkehrten. Die Picknicktische und -bänke waren leer, was vermutlich dem kalten Wetter geschuldet war. Wie immer leuchteten die bunten Lichter an der Dachkante. Nachts verliehen sie dem Gebäude eine einladende Atmosphäre, aber sie waren vor allem da, weil Alex sie mochte.

„Ich bin von der Klinik aus hergelaufen und hinten reingegangen“, sagte Tony. „Durch den Küchenbereich, aber deine Mutter sagte mir, dass du auf der Wiese bist. Katie wartet bei ihrer Decke auf Bogie.“

Katie war Tonys große Mischlingshündin mit goldenem Fell, die Bogie fast so sehr liebte wie ihren Platz vor dem Kamin im Schankraum. Tony war der örtliche Tierarzt, der sich um eine große Zahl von Haus- und Nutztieren kümmerte.

„Du wirkst angespannt“, sagte er und rieb ihren Arm. „Lass dich nicht von ein paar Streifenwagen verängstigen.“

„Ich habe keine Angst.“ Sie hob den Blick und sah ihn an. „Doch, habe ich. Na ja, vielleicht keine Angst, aber ich bin nervös. Ein Teil von mir möchte gar nicht wissen, was die Polizei hier will; der andere schon. Tony, bist du … neugierig? Ich glaube, ich bin es und das ist doch krank, oder? Ich sollte einfach nur hoffen, dass niemand zu Schaden gekommen ist.“

„Du darfst dir ruhig zugestehen, dass du normal bist, Süße. Ich bin auch neugierig.“

Sie reichte Bogie an ihn weiter. „Aber es liegt nicht daran, dass du irgendwie involviert sein möchtest, oder? Das ist es nicht, stimmts? Oder … ach, ich weiß es doch nicht.“

„Beende deinen Satz.“

Alex vergrub das Gesicht in seinem Arm. „Du möchtest nicht wirklich beteiligt sein, oder? Was immer es ist. Wünschst du dir, es gäbe einen offiziellen Grund, um dich miteinzubeziehen?“

Diese Fragen brachten ihr einen düsteren Blick ein. „Ich weiß nicht ganz, was du meinst“, sagte Tony zweifelnd.

„Natürlich nicht. Vergiss es. Manchmal verrenne ich mich einfach.“

„Das passiert doch jedem. Hast du heute Abend Zeit? Oder sollte ich fragen: Kannst du dir heute Abend Zeit nehmen?“

„Natürlich. Was gibt es denn?“ Ihre Knie fühlten sich ein wenig schwach an. Sie wusste, wie beschäftig sie in letzter Zeit gewesen war und befürchtete, er könnte das als Distanzierung deuten. Doch sie wollte nichts an ihrem üblichen, lockeren Umgang miteinander ändern. Sie wiederholte ihre Frage: „Was gibt es denn?“

„Ich vermisse dich“, sagte er. Seine Mundwinkel zuckten nach oben und formten einen Gesichtsausdruck, der eher wie eine Grimasse denn wie ein Lächeln aussah. „Du bist hier, aber ich glaube so langsam … ich möchte einfach etwas Zeit zusammen verbringen. Reden und unsere Verbindung wieder ein wenig vertiefen, schätze ich. Wäre das in Ordnung für dich?“

Das war ihre Schuld. Sie hatte nicht ausreichend auf seine Signale geachtet – die er auf seine stille Weise schickte. „Wie du magst. Wann?“ Ihn anzulächeln fiel ihr stets unglaublich leicht.

Tony grinste und die Anspannung wich aus seinem Gesicht. „Gut. Wäre es in Ordnung, wenn ich dich hier abhole, sobald ich fertig bin? Es könnte später werden – nicht vor acht, denke ich. Ich habe noch eine späte Operation vor mir.“

Sie überquerten die Straße. Die Streifenwagen waren hinter dem Hügel verschwunden und die Kinder in den roten Jacketts verteilten sich rasch in lachenden Grüppchen.

„Lass mich das Kerlchen hier reinbringen, dann können wir uns hier draußen über die andere Sache unterhalten, die ich erwähnt habe.“

Sie hatte ganz vergessen, dass da noch etwas anderes war. „In Ordnung.“

Tony war ein großer Mann, doch er bewegte sich mit leichtfüßiger, lockerer Grazie. Seine physische Kraft war deutlich zu sehen, selbst in der legeren Kleidung, die er gern trug. Sein kariertes Hemd und die abgewetzte Jeans, die in grünen Gummistiefeln steckte, standen ihm sehr gut. Alex hatte nie verstanden, warum er nicht begriff, wie attraktiv er war. Vielleicht war er als Witwer so reif geworden, dass er bei Interaktionen mit Frauen auf andere Dinge als körperliche Anziehung Wert legte. Bei dem Gedanken errötete sie. Bei ihren körperlichen Begegnungen hatte es keine Zurückhaltung gegeben.

Er betrat mit Bogie den Pub und kehrte einige Minuten später zurück. „Ich habe Lily nur Bescheid gesagt, dass er da ist.“ Tony sprach von Alex’ Mutter, die das Restaurant und das Gasthaus des Black Dog leitete.

„Setzen wir uns“, sagte Tony und führte sie zu einem Picknicktisch, dessen Sonnenschirm noch immer geöffnet war. Er setzte sich neben sie auf die Bank. „Du wirst mir heute Abend nicht weglaufen, oder?“, fragte er und blickte auf seine gefalteten Hände, die er auf dem Tisch abgelegt hatte.

„Warum sollte ich das tun?“ Vielleicht würde sie es tun, wenn sie es schaffen konnte, ohne sich schleimig zu fühlen. Werd erwachsen, Alex. Finde heraus, was an dir zehrt.

Er beobachtete sie genau. „Weil wir uns beide aus dem Weg gegangen sind – insbesondere du mir. Wir sind wie Bekannte, die in der gleichen Straße wohnen. Du sagst hallo, ich sage hallo. Und außer einem Lächeln ist da nichts mehr.“

Sie befreite eine seiner Hände und nahm sie. „Das ist nicht die ganze Wahrheit, oder, Tony?“

„Nun …“ Er hatte den Anstand, ein wenig verlegen zu wirken. „Nein, nicht ganz. Aber wir reden im Moment kaum, Alex. Wir unterhalten uns nicht tiefgründiger über die Dinge, die wir vertiefen müssen – früher oder später.“

„Aber wann ist die richtige Zeit dafür?“ Sie kam sich ein wenig unbeständig vor.

„Das wissen wir nicht“, sagte er und blickte ihr direkt in die Augen. „Ich wollte dir eine Frage zu dem jungen Kerl stellen, der hier in der Küche arbeitet.“

Sie wandte kurz den Blick ab, um sich zu sammeln.

„Du meinst Scoot?“

Er nickte. „Mir ist erst vor Kurzem aufgefallen, dass er überhaupt hier ist.“

„Hugh Rhys hat ihn eingestellt. Ich glaube, er kennt die Familie.“

Hugh führte für Alex den Black Dog.

„Das habe ich auch gehört“, sagte Tony. „Wusstest du, dass Scoot einen jüngeren Bruder namens Kyle hat?“

„Nein, wusste ich nicht. Ich mische mich nicht ein, wenn Hugh jemanden einstellt. Und es gab nie einen Anlass, um mit ihm über Scoot zu sprechen. Er räumt Tische ab, bedient die Spülmaschine und hilft überall da, wo er gebraucht wird. Er ist ein guter Junge und arbeitet fleißig.“

„Geht er noch zur Schule?“, fragte Tony.

„Soweit ich weiß, ja. Doch, ich bin mir sicher, da er immer seine Bücher mitbringt und in den Pausen damit arbeitet. Er ist siebzehn, glaube ich.“

„Kennst du die Familie?“

„Nein“, sagte Alex. „Aber Scoot ist immer gepflegt und pünktlich und er geht anständig mit den Gästen um. Hugh scheint viel von ihm zu halten.“

„Kyle war bei mir und wollte wissen, ob ich ihn in der Praxis aushelfen lassen würde“, sagte Tony. „Scheint ein netter Junge zu sein – nicht dass ich mich mit Kindern auskennen würde. Aber er ist offensichtlich ganz verrückt nach Tieren und mir gefällt die Vorstellung von einer Art Praktikum für Kinder, die ihr Interesse vielleicht mal zum Beruf machen wollen. Ich glaube, Radhika würde sich auch über gelegentliche Gesellschaft freuen und sie ist sehr geduldig, wenn man ihr Fragen stellt.“

Tonys Assistentin war eine freundliche Frau mit viel Geduld. Sie stammte aus Indien und war trotz ihrer kleinen Statur schon von Weitem zu erkennen, da sie eindrucksvolle Saris trug.

„Möchte Kyle denn Tierarzt werden?“, fragte Alex.

„Das sagte er mir.“ Tony rieb ihre Hand zwischen seinen. „Es ist ihm egal, wann er kommen darf, oder ob es nur für ein paar Wochen ist. Er brennt darauf, als Praktikant bei mir zu arbeiten.“

Sie warf ihm einen schiefen Blick zu. „Dir gefällt die Vorstellungen, jemanden zu ermutigen, der sich tatsächlich für Veterinärmedizin interessiert, oder?“

Er lächelte schwach. „Erwischt. Ja. Als Kind hätte ich sehr gern Zeit bei einem Tierarzt verbracht, doch ich kannte keinen und hattet nicht den gleichen Mumm wie Kyle, um mich einfach bei einer Praxis vorzustellen und um eine Chance zu bitten. Als er lockerer wurde, erzählte er mir davon, dass er Bücher über Tiermedizin liest und unbedingt bei der Behandlung der Tiere helfen möchte – mit eigenen Händen, sagte er.“

„Wie lautet dann deine Frage?“, hakte Alex nach.

„Ich wollte hauptsächlich wissen, wie sich der ältere Bruder bei dir schlägt. Und ich würde gern deine Meinung dazu hören, ob Kyle zu jung dafür ist. Meinst du …“

„Oh, Tony!“, unterbrach sie ihn lachend. „Hier in der Gegend arbeiten die Kinder schon in jungen Jahren auf dem Hof der Eltern mit. Das wäre eine gute Sache. Du kannst es ja langsam angehen. Wenn du besorgt bist, gib ihm eine Probezeit und sieh dann weiter. Radhika wird bestimmt über ihn wachen.“ Radhika schien zu jedem rasch eine Verbindung aufzubauen. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Ortes liebten sie und man war hier Fremden gegenüber nicht immer allzu aufgeschlossen; besonders bei Menschen aus exotischeren Gegenden. Alex betrachtete Radhika als gute Freundin.

„Natürlich. Dann werde ich genau das tun. Ich gehe in die Praxis zurück und überlasse dich den neugierigen Fragen da drinnen.“

Alex rümpfte die Nase. „Das ist nicht fair. Ich sollte sie alle zu dir schicken.“

„Das würde nicht klappen.“ Sie erhoben sich beide und Tony küsste sie auf den Mund. „Ich schenke kein Bier aus.“

Er lief in Richtung Meadow Lane und seiner Praxis davon.

Alex riskierte einen Blick zu den Fenstern, konnte aber keine gaffenden Gesichter ausmachen. Ein neuer, schwarzer Mercedes hielt mit zwei Rädern auf dem Rasen. Joan Gimblet, die Bürgermeisterin von Folly-on-Weir, stieg zusammen mit ihrem Sohn Martin - ein Mann vom Aussehen eines Filmstars und wenigen Worten - und einem älteren Mann aus, den sie nicht kannte. Die drei liefen hintereinander in einer Reihe zum Pub.

Nachdem er für die beiden anderen die Tür aufgehalten hatte, drehte Martin sich mit einem sanften, aber intensiven Lächeln zu Alex um und folgte ihnen nach drinnen.

Sie wartete einige Sekunden, um sich von diesem Blick zu erholen und betrat hinter ihnen das Gebäude. Sie trat sich die Schuhe auf der rauen Matte an der Tür ab und ging mit einem Lächeln im Gesicht in den Schankraum. „Hallo allerseits“, antwortete sie laut auf die Begrüßungen und ließ sich den marineblauen Dufflecoat von den Schultern gleiten, während sie hinter den Tresen trat.

Hugh Rhys, der große, düstere und attraktive Mann, hob zwar ausdrucksvoll eine Augenbraue, sagte aber nichts. Stille hatte sich über den Raum gelegt und Alex musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass sich sämtliche Gäste zu ihr umgedreht hatten.

„Den nehme ich dir ab“, sagte Hugh und wand ihr geschickt den Mantel aus den Fingern. „Ich muss hinten nach was sehen.“ Ihr entging das Grinsen nicht, mit dem er sie allein den Fragen überließ.

„Natürlich.“ Sie nahm sich ein Handtuch, um damit den ausnahmslos trockenen Tresen abzuwischen. „Wem kann ich etwas bringen?“ Ihr Lächeln wurde anstrengend.

„Das Übliche“, sagte Major Stroud, während er auf seinen Fersen vor und zurück wippte und ein Grinsen seinen adretten, grauen Schnurrbart in die Länge zog. „Es herrscht ein wenig Aufregung im Ort, was?“ Er war immerhin nicht in den Pub gekommen, um sich umzuhören, nachdem er die Polizeiaktivität bemerkt hatte. Vermutlich hatte er sich seit mehreren Stunden nicht von diesem Platz entfernt.

Sie schenkte ihm seinen Whisky ein und stellte das Glas hin, während sie auf das Geld in seiner Handfläche starrte, als hätte jemand seine Pence-Münzen gegen südafrikanische Rand ausgetauscht. Nachdem er mehrmals langsam geblinzelt hatte, ließ er die Münzen auf den Tresen fallen. „Haben Sie mit O’Reilly gesprochen?“

Dan O’Reilly, das war Detective Chief Inspector O’Reilly, den Alex deutlich besser kennengelernt hatte, als ihr lieb war – auch wenn sie den Mann mochte. Meistens.

Sie schob sich die Münzen des Majors in die Hand und lief zur Kasse.

„Heißt das, Sie haben mit dem Detective gesprochen?“, fragte Stroud. Ein Anflug von Streitlust lag in seiner Stimme. Alex kannte die Anzeichen für Ärger nur zu gut.

„Ich habe mit niemandem gesprochen – die Streifenwagen kamen nicht von unserer örtlichen Truppe. Haben Sie die neuen Bacon-Sandwiches probiert? Mit Schinkenspeck und sehr lecker.“

„Es ist beinahe Teezeit“, sagte der Major und lallte leicht. „Und da esse ich eher was anderes.“

Joan Gimblet trat zielstrebig zwischen den Major und Alex. „Mal sehen“, hob sie an und rollte angesichts des aufbrausenden Major Stroud hinter ihr mit den Augen. „Ich nehme einen Gin mit Limette – machen Sie einen Doppelten draus – Martin nimmt sein übliches halbes Pint Bitter und für meinen Bruder ein Pint Guinness. Ich vergaß, ich glaube, Sie kennen Paul noch gar nicht.“ Joan Gimblet war eine stämmige Frau und genoss es, Bürgermeisterin zu sein. Eine mehrreihige Perlenkette ruhte auf ihrem beträchtlichen Busen, der wiederum auf dem Tresen ruhte. Joan war nicht sehr groß. Sie blickte sich um und winkte einem Mann, der offensichtlich mit ihr verwandt war. Er stand bei ihrem dezent irritierenden Sohn, der seiner Mutter hingegen in keiner Weise ähnelte.

„Paul Sutcliffe“, sagte Joan. Sie senkte die Stimme und legte sich einen Finger auf die Lippen. „Er hängt es nicht an die große Glocke, doch er war jahrelang der Direktor der Amblefield School im Norden. Er mag die Aufmerksamkeit nicht, die das mit sich bringt. Seit einigen Monaten ist er außer Dienst und jetzt bei mir eingezogen. Paul, das hier ist Alex Duggins, Besitzerin des Black Dog. Sie ist unsere lokale Berühmtheit.“

Alex zuckte zusammen, behielt aber ihr ausdrucksloses Lächeln im Gesicht. Sie hatte noch nicht entschieden, was sie von Joan Gimblet oder von Martin hielt. Sie konnte unangenehm grob sein und er schien recht häufig seinen aufmerksamen, dunklen Blick auf sie zu richten.

Paul hatte die gleiche gerötete Haut wie seine Schwester und seine hellblauen Augen und die vollen Lippen ähnelten ihren ebenfalls. Sein glattgekämmtes, blondes Haar war von reichlich Grau durchzogen und Alex kam der Gedanke, dass Joans Haar seinem gleichen mochte, würde sie der Natur ihren Lauf lassen. Doch es sah recht hübsch aus.

Er streckte den Arm aus und gab Alex einen festen Händedruck. „Joan versucht seit Monaten, mich herzulocken“, sagte er. „Sie ist noch recht altmodisch. Eine Dame geht nicht allein in den Pub. Aber jetzt bin ich ihre Ausrede – natürlich nur dann, wenn Martin nicht zur Verfügung steht. Ein schöner Pub. Ich werde sicherstellen müssen, dass Joan mich häufiger mitnimmt.“

„Sie werden hier sehr willkommen sein“, sagte Alex, während sie darüber nachdachte, dass er zu jung für den Ruhestand wirkte. „Vermissen Sie das Unterrichten?“ Sie zapfte das Bitter und Joan reichte es an ihren Sohn weiter.

Paul legte die Stirn in Falten. „Ja, aber nicht so sehr, wie ich befürchtet hatte. Ich finde es gut, neue Gelegenheiten zu ergreifen. Sie müssen sich das neue Jugendzentrum anschauen, das auf dem Ackerland nicht weit von unserem Hof errichtet wird. Es fehlt eigentlich nur noch der letzte Schliff. Damit werden Joan und ich sehr beschäftigt sein.“

Die Puzzleteile fügten sich zusammen. Dies war der Mann, der darauf hingewiesen hatte, dass Jugendliche hier in der Gegend keinen Ort hatten, an dem sie sich versammeln und von Erwachsen dezent in die richtige Richtung gelenkt werden konnten. Mit der Hilfe von Joan und einem eigens dafür gegründeten Komitee hatte er dieses Projekt durchgedrückt. Joan Gimblet wohnte auf der Woodway Farm im Norden des Ortes und das Zentrum stand beinahe vollständig auf mehreren Morgen Land, die bereits Joan gehörten. Auch wenn sie den Bauplatz noch nicht gesehen hatte, war Alex über die Fortschritte auf dem Laufenden, da im Schankraum regelmäßig lautstark über das Für und Wider dieser Einrichtung debattiert wurde.

Alex verschränkte die Arme auf dem Tresen. „Ich finde es aufregend, was Sie da tun. Wir können hier eine solche Einrichtung gut gebrauchen. Ich bin in der Gegend von Underhill und Folly aufgewachsen und es gab wirklich nichts für uns Jugendliche. Wie werden Sie all das finanzieren? Ich habe einiges über das Projekt gelesen, aber nichts über die Finanzierung. Man sollte nicht von Ihnen erwarten, all die Kosten zu schultern, Joan. Das ist wertvolles Land.“

Paul lachte schnaubend. Alex fiel auf, dass Joan nicht mit einfiel.

„Eine naheliegende Frage“, sagte er und schnäuzte sich in ein Taschentuch. Sein Gesicht war immer noch gerötet. „Gut, dass Sie sie stellen. Die meisten Leute schrecken davor zurück.“

„Das ist nicht gerade comme il faut“, sagte Joan und kniff die Augen zusammen. „Höchst unschicklich, wenn du mich fragst.“

„Nein, gar nicht“, sagte Paul, ehe Alex einen Rückzieher von dieser Frage machen konnte, die man mit Fug und Recht als unhöflich bezeichnen durfte. „Ich bekomme Unterstützung vom Landkreis und zudem gibt es individuelle Finanzierung. Joan hat sich unermüdlich mit Firmen in der direkten und weiteren Umgebung auseinandergesetzt. Die Leute glauben, dass die Einrichtung jungen Menschen aus der ganzen Gegend zugutekommen wird.“

Martin Gimblet stellte sein Bitter auf dem Tresen ab und nutzte diese Bewegung, um sich subtil zwischen seine Mutter und Paul Sutcliffe zu schieben, die beide ein Stück zur Seite rückten, um für ihn Platz zu machen.

Alex vermied es, Martin anzuschauen und wandte sich an Joan. „Mit mir haben Sie nicht gesprochen, Joan. Das verletzt mich.“

Ein weiteres bellendes Lachen von Paul verschaffte seiner Schwester – und Alex – einen Moment, um eine Antwort zu formulieren.

„Sie stehen auf meiner Liste“, sagte Joan mit einem süßlichen Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte. „Ich habe noch all die Geschäfte an der High Street und der Holly Road vor mir. Die Pond Street werde ich auch nicht vergessen.“

Das bedeutete, dass Alex’ Freundinnen Harriet und Mary Burke auch Besuch von Joan bekommen würden. Die Schwestern führten Leaves of Comfort, ihren Tee- und Buchladen. Alex wünschte, sie könnte dabei sein, um die Fragen zu hören, die sich die Damen einfallen lassen würden.

„Ich freue mich darauf, mehr über dieses Projekt zu hören“, sagte Alex und meinte es auch so.

„Haben Sie Martin je wirklich kennengelernt?“ Diese Frage von Paul zu hören und nicht von Joan, war überraschend. „Er ist die zukünftige Berühmtheit unserer Familie. Er ist Schauspieler und war einer meiner besten Studierenden am Amblefield.“

„Mein Onkel übertreibt“, sagte Martin. Seine Stimme war klar, leise und tief. „Ich studiere noch. Theater. In Oxford. Habe erst ein Jahr hinter mir. Ich habe zwei Jahre meines Lebens und Mamas Geld mit Anthropologie verschwendet. Dann habe ich ein Sabbatjahr eingelegt und in regionalen Schauspielgruppen gespielt. Sie sind auch Künstlerin, nicht wahr? Wenn Sie nicht hinter dem Tresen stehen.“ Sein Lächeln war entwaffnend und ließ sein Gesicht sehr charmant wirken.

„Ich bin Grafikerin“, erzählte Alex ungezwungen. „Ich bin jetzt seit mehreren Jahren nicht mehr im kommerziellen Geschäft tätig, aber ich male noch, wenn ich dazu komme.“

„Hey, Alex.“ Kev Winslet war der Wildhüter auf dem Anwesen der Derwinters und ein Stammkunde im Dog. „Was soll denn all der Wirbel? Einer dieser weißen Transporter ist kurz nach den anderen Fahrzeugen die High Street entlanggefahren. Wie heißen die noch gleich?“ Kev war dick, von seinem Bier etwas zu sehr angetan und gern mittendrin, wenn in Folly irgendetwas Bemerkenswertes passierte.

Sie richtete sich auf. „Meinen Sie die Spurensicherung?“ Sie bereute die Antwort augenblicklich.

„Genau“, sagte Kev. „Ich habe doch gewusst, dass Sie das wissen würden. Was wollen die hier?“

„Das sind Tatort-Ermittler, glaube ich“, sagte sie und drehte ihm den Rücken zu, während sie für Joan den doppelten Gin mit Limette einschenkte.

„Und die kommen nur, wenn etwas wirklich Schlimmes passiert ist, oder?“, hakte Kev nach.

„Das weiß ich nicht.“ Alex stellte den Gin vor Joan ab. Pauls Guinness hatte sie bereits eingeschenkt. „Bitteschön“, sagte sie. Die drei blickten Kev Winslet an.

„Kommen Sie schon, Alex“, sagte der Mann lachend. „Sie wissen Bescheid. Ich würde sagen, es muss erst jemand sterben, bevor sie den Transporter holen.“

Hugh tippte ihr auf die Schulter und flüsterte ihr ins Ohr: „Doc James hat gerade angerufen. Er will, dass du Bescheid weißt. Es wurde eine Frauenleiche in einem Waldstück von Underhill gefunden. Klingt übel.“

2

Einer der Vorteile, oder meistens eher Nachteile davon, wenn man der Sohn des örtlichen Arztes war, bestand darin, dass man die wirklich schlechten Nachrichten meistens vor allen anderen erhielt.

Tony ließ eine behandschuhte Hand auf der kleinen, grau gefleckten Katze ruhen, die er gerade sterilisiert hatte und bemerkte den Ausdruck in den sanften, dunklen Augen seiner Assistentin auf der anderen Seite des Operationstisches. Sie starrten einander in stummem Verständnis über ihre Masken hinweg an. Tonys Vater, Doc James, behandelte die Menschen der Gegend schon so lange, wie Tony sich erinnern konnte. So schien es zumindest. Radhika und er hatten gerade der Stimme des Docs aus der Freisprecheinrichtung gelauscht, mit der er sie darüber informiert hatte, dass eine Leiche in einem Waldstück des Nachbarortes Underhill gefunden worden war. Die Polizei hatte den Tod als Mordfall eingestuft.

„Scheiße“, sagte Tony leise und beobachtete den Regen, der gegen das Fenster trommelte. „Jetzt geht das schon wieder los. Nicht in Folly, aber viel zu nah dran.“

„Versuchen Sie, sich keine Sorgen zu machen“, sagte Radhika leise. „Solche entsetzlichen Dinge passieren, aber zum Glück sind Sie und Alex dieses Mal nicht involviert. Es betrifft Sie nicht, Tony.“

„Nein“, sagte er. „Natürlich nicht. Vielleicht ist es auch ein Unfalltod. Dad könnte etwas voreilig gewesen sein, als er von Mord sprach.“

„Das denke ich auch. Ich werde hier alles fertig machen. Sie werden bestimmt zu Alex gehen wollen.“

„Ja, ich muss ihr Bescheid sagen, ehe die Polizei im Dog auftaucht – und sie werden bestimmt dort vorbeikommen.“ Er konnte seine Gefühle für Alex nicht vor Radhika verbergen und vermutlich auch vor sonst niemandem, der sie beide gut kannte. „Der Junge, Kyle, er kommt morgen nach der Schule her. Ist das für Sie in Ordnung? Ich werde erst später kommen, doch ich dachte, er könnte Zeit mit dem Pudel der Georges verbringen, bis die Besitzer ihn abholen. Er wird nach seiner Zahnbehandlung noch eine Weile benommen sein. Das arme, alte Tier braucht viel Aufmerksamkeit.“ Den Georges gehörte Follys Bäckerei.

„Oh, ja. Das wäre schön und würde mir helfen.“ Radhika lachte. „Wenn er wirklich so eifrig ist, wird er hier sehr willkommen sein. Vielleicht helfen wir einem jungen Menschen dabei, in Ihre Fußstapfen zu folgen, Tony.“

Er betrat sein vollgestopftes Büro an der Vorderseite des Hauses und musste über drei Tierkäfige steigen, um seinen Schreibtisch zu erreichen. Dieses Zimmer diente als Auffangraum, wenn sich zu viele Tiere von Operationen erholen mussten und gelegentlich auch als Wartezimmer für diejenigen Tiere, die für ihre Operation vorbereitet wurden. Das Cottage gefiel ihm als Praxis und Klinik. Die Menschen, die ihre Tiere herbrachten, schienen sich zwischen den Sesseln mit Chintzbezug, den Rautenfenstern und den Geräuschen des kleinen Baches, der dicht am Haus vorbeifloss, sehr wohlzufühlen.

Alex hatte nicht immer ihr Handy bei sich, wenn sie arbeitete, daher rief er im Pub an.

Hugh Rhys nahm ab. „Black Dog. Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Tony hier. Ist Alex da?“

„Sie ist in der Küche“, sagte Hugh. Er räusperte sich. „Es ist ein wenig hektisch hier.“

„Na gut. Hören Sie mir zu. In einem Waldstück nördlich von Underhill wurde eine Leiche gefunden. Ein sehr abgelegener Ort, da gibt es nichts als Felder und hier und dort ein Gehölz – wie das, in dem sie diese Frauenleiche gefunden haben. Mehr konnte Dad mir nicht sagen. Doch er war der Meinung, dass wir Bescheid wissen sollten und damit hatte er recht.“

Hugh stieß einen tiefen Seufzer aus. „Wir wissen es schon.“ Hugh hatte die Stimme gesenkt und war über dem Stimmengewirr des Schankraums kaum noch zu verstehen. „Ihr Vater hat uns schon informiert. Ich dachte gleich: Nicht schon wieder. Wäre ich ein Mann mit zu viel Fantasie, würde ich behaupten, wir leben auf verfluchtem Land.“

„Nun, tun Sie’s lieber nicht“, sagte Tony. „Ich befürchte, die Polizei wird früher oder später in den Pub kommen und Fragen stellen. Es wird keine Rolle spielen, dass Alex sie nicht beantworten kann. Sie werden trotzdem Fragen stellen und wenn wir Pech haben, sind es O’Reilly und Lamb. Lamb würde sich über zu viele gewaltsame Tode in einer kleinen Gegend auslassen. Selbst wenn es dieses Mal um Underhill geht. Die meisten Leute betrachten den Ort als Erweiterung von Folly-on-Weir.“

„Aye“, sagte Hugh. „Das dachte ich auch. Ich hatte gehofft, wir würden die beiden nie mehr wiedersehen. Ich werde Alex weiterleiten, was Sie über die Polizei gesagt haben. Kommen Sie her?“

„Ja, natürlich.“ Er wollte noch mehr sagen und Hugh bitten, keine große Sache aus dem Todesfall zu machen, doch er hielt sich zurück. „Ich mache mich bald auf den Weg.“

Alex wusste nicht, ob sie noch länger die Ruhe bewahren konnte, wenn Lily nicht bald aufhörte, vor lauter Aufregung Runden um die Mittelinsel der Küche zu drehen. Lily trug Tellerstapel von einer Arbeitsfläche zur anderen, öffnete Kühlschranktüren und schloss sie wieder, ohne auch nur einen Blick hineinzuwerfen.

„Scoot“, sagte Alex zu dem älteren der beiden Gammage-Jungs, „setz dich bitte. Erklär mir, was los ist. Hat dir jemand etwas angetan? Dich verletzt?“

„Nein.“ Alle Farbe war aus dem Gesicht des großen, blonden Jungen gewichen. Er blickte wiederholt zur Hintertür.

Alex sagte: „Rede mit mir. Ich kann dir nicht helfen, wenn ich nicht weiß, was los ist.“ Das kam sehr viel lauter heraus, als sie beabsichtigt hatte. „Bitte, Scoot. Warum schaust du immer wieder zur Tür?“

Jemand klopfte an ebendiese Tür, rasch und laut und Scoot, der ein Buch unter dem Arm trug, hastete hin, öffnete und ließ einen weiteren Jungen herein. Das musste Kyle sein. Statt eines Buches trug er ein abgenutztes Skateboard unter dem Arm. Er war ein schmaler, flachsblonder Junge, der seinem Bruder nicht sonderlich ähnelte, abgesehen von der Panik in seinen Augen und dem Körperbau eines Reisigbündels, das bei der leichtesten Berührung brechen konnte.

Lily schlug eine Kühlschranktür zu. „Was ist los? Sag es uns, schnell. Ich muss einige Gäste einchecken.“

„Ich habe eine Leiche in unserem Wald gefunden“, sagte Kyle mit ersten Anzeichen seines Stimmbruches. Er sprach eher mit seinem Bruder als mit Lily. „Scoot, wir müssen irgendwo hin und entscheiden, was wir tun.“

„Du hast diese Leiche gefunden?“, fragte Alex. „Armer Junge. Komm erst mal rein. Du brauchst eine Tasse Tee. Und etwas zu essen.“

Der Junge schüttelte den Kopf. „Sie war ganz verdreht, Scoot. Ihr Gesicht war blau – fast schwarz – und ihre Augen sahen aus, als würden sie ihr jeden Moment aus dem Kopf schießen. Sie sahen aus, als wären sie voller Blut. An ihrem Handgelenk konnte ich nichts spüren, doch ich habe im Fernsehen gesehen, dass man zwei Finger an den Hals legt. Aber da war eine Schnittwunde. Einmal rund rum. Als hätte ihr jemand einen dünnen Draht oder so etwas um den Hals gelegt und fest zugezogen. Und etwas kam aus ihrem Mund. Man hatte ihr Tuch über den Schnitt geschoben. Ich habe es wieder so hingelegt, damit sie nicht so schlimm aussieht. Sie hatte auch Blutergüsse am Hals und ihre Hand war blutverschmiert; sämtliche Fingernägel waren ausgerissen – die andere Hand lag irgendwo unter ihr. Der Gestank war schlimm. Ich habe noch nie eine Leiche gesehen.“

Scoot ballte die Hände zu Fäusten und entspannte sie wieder. „Es ist nicht deine Schuld, dass ihr so etwas zugestoßen ist. Wir müssen uns darum keine Sorgen machen.“

„Ich war im Polka Dot, um dich anzurufen.“

„Kyle hat dich angerufen, Scoot?“, fragte Alex. „Warst du deshalb so aufgebracht?“

Er schien sie nicht zu hören.

„Alex?“ Hugh kam in die Küche geeilt. „Was ist los?“

„Es ist alles in Ordnung.“ Nichts war in Ordnung. Kinder sollten niemals solche Angst erleben müssen, wie Scoot und Kyle sie gerade verspürten.

„Tony hat angerufen, um Ihnen zu sagen, warum die Polizei in Underhill ist“, sagte Hugh.

Sie nickte. „Aber wir wissen es schon. Kyle hier hat die Leiche gefunden und die Polizei gerufen. Ich kümmere mich um die Jungs. Mum, versuch, dich zu beruhigen und übernimm dann das Einchecken. Hugh, wir können den Pub nicht unbeaufsichtigt lassen.“

Er zögerte, ehe er sich wieder umdrehte.

„Hat im Polka Dot jemand gehört, was du gesagt hast?“ Das Polka Dot war ein Eckladen in Underhill. Neben einer begrenzten Auswahl an Nahrungsmitteln bekam man dort alles von Kerzen über Haarnetze, Haarspangen und fast neue Sportschuhe bis hin zu Schachteln mit Pralinen, die nicht mehr ganz frisch aussahen, wenn man sie öffnete. Diejenigen, die Letztere kauften, bekamen erzählt, dass der weiße Film auf der Schokolade etwas ganz Besonderes war.

Kyle hatte nicht geantwortete. Er starrte Scoot an und trat von einem Fuß auf den anderen.

„Also?“ Scoot sprach leise. „Haben sie gehört, was du am Telefon gesagt hast, Kyle?“

„Mum“, sagte Alex, „ich übernehme hier, bis du wieder herkommen kannst.“ Ihre Mutter rannte beinahe zu dem Gang, der zum Restaurant und dem Gasthaus führte.

„Die Polizei kam“, sagte Kyle. „Sie haben mich gezwungen, noch einmal zurückzugehen. In den Wald. Sie waren nett, aber ich hatte Angst. Nein, keine Angst, ich war nur etwas besorgt. Nachdem ich ihnen die Leiche gezeigt hatte, sagten sie, ich solle im Cottage warten, weil sie noch Fragen stellen würden, wenn Dad nach Hause kommt.“ Ihm standen eindeutig Tränen in den Augen.

Seine Augen waren grün und leicht mandelförmig. Als Alex begriff, dass diese Augen denen eines anderen Kindes ähnelten, konnte sie kaum ein Keuchen unterdrücken. Sie sahen aus wie ihre eigenen Augen und der leidende Blick, den sie jetzt darin sah, musste häufiger ihr eigener gewesen sein als sie sich eingestehen wollte.

Sie schnappte sich zwei Tassen und füllte sie mit Tee aus einer Teemaschine. Sie gab Milch und reichlich Zucker dazu und drückte jedem der beiden Jungs eine Tasse in die Hand. „Das wird euch stärken“, sagte sie.

„Was hast du zur Polizei gesagt?“, fragte Scoot. „Du hast ihnen erzählt, dass Dad weg ist, oder? Hast du erzählt, dass wir allein sind?“

„Nein! Was denkst du von mir? Sie hätten sofort das Jugendamt geholt.“ Er legte sich eine Hand auf den Mund.

„Du hättest mich anrufen können, ohne in den Laden zu gehen.“ Scoot sah niedergeschlagen aus. Er weigerte sich, Alex anzusehen.

„Ich wollte nicht dortbleiben, bei … du weißt schon. Außerdem habe ich mein Handy verloren.“

„Wo?“ Scoot wirkte alarmiert. „Wir müssen es finden!“

„Wenn du ein Handy brauchst, besorgen wir dir eines“, sagte Alex. Sie war bereit, den Kindern alles anzubieten, was sie beruhigen könnte.

Die Jungs schwiegen jetzt, als hätten sie Angst davor, gegenüber Alex ein Geheimnis auszuplaudern.

Lily kehrte zurück. „Trinkt euren Tee“, sagte sie nachdrücklich. „Es ist alles in Ordnung.“

„Ist es nicht“, sagte Scoot. „Wir wollen nicht, dass die Polizei irgendetwas über uns herausfindet. Über Kyle und mich, meine ich. Wir haben nichts falsch gemacht, aber sie dürfen nicht bei uns herumschnüffeln … nicht so, wie die Dinge gerade stehen. Wir brauchen keine Aufmerksamkeit. Wir haben nichts mit dieser toten Person zu tun.“

Keine halbe Stunde später war Tony zu Fuß in Richtung Ortsmitte unterwegs.

Die kalte Novemberluft strich über sein Gesicht und um seinen Kopf. Wie schnell dieses Jahr vorbeigezogen war und welch große Veränderungen es mit sich gebracht hatte.

Ob Alex sich irgendwie aus ihrem Treffen am Abend herausreden würde? Würde dieser Mordfall, wenngleich er nichts mit ihnen zu tun hatte, wieder einmal ihren Blick von ihrem eigenen Leben ablenken? Er wünschte sich eigentlich nur einen Neustart für die Nähe zwischen ihnen, die seinem Empfinden nach dahinschwand.

Katie war immer noch mit Bogie im Black Dog. Die beiden Tiere würden auf ewig dortbleiben, wenn sie damit durchkämen. Mittlerweile saßen die Burke-Schwestern gewiss an ihrem Tisch beim Feuer und vervollständigten das Bild, das sich jeden Abend dort bot, mit ihrer Katze Max, die immer in einem kleinen Einkaufstrolley mit Tartanmuster und Segeltuchabdeckung zum Pub reiste.

Beim Gedanken daran, mit Alex alles aufs Spiel zu setzen, was ihm lieb und teuer war, stockte ihm der Atem. Er öffnete den Mund, doch damit wollte ihm das Atmen auch nicht leichter fallen.

Der Duft einer Clematis stieg ihm in die Nase; die letzten, nach Vanille duftenden Blüten des Jahres. Das Gerüst über der Haustür eines Cottage zu seiner Linken stützte die holzigen Ranken, an denen er jeden Tag vorbeilief; üblicherweise auf seiner Runde mit Katie. Selbst in der Dunkelheit waren die cremefarbenen Blüten deutlich zu sehen wie Sterne am schwarzen Himmel. Tatsächlich war der Himmel bedeckt und schwere Regentropfen fielen in sporadischen Schauern herab.