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Eine Melange aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft finden sich in den jetzt vorliegenden letzten Texten von Christel Bethke. Gedankensplitter im wahrsten Sinne des Wortes: Gedanken über den Tag, über das Leben einer 90-jährigen Frau und ihren nicht immer einfachen Alltag. Aber auch einige ältere Texte, die heute noch so aussagekräftig sind wie zur Zeit ihrer Entstehung.
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Seitenzahl: 65
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Vorwort
Letzte Reise in die alte Hemat
Das beste aller Feste
Was haben wir in Danzig gelacht.
Barbarisch
Trauerbewältigung
Noch eine Erweiterung
Für Elfriede
„Mein Werk“
Ein Affe und ein Eisbär
2020
Übrigens
Keilchen mit Speck
Immer noch
25 Jahre Sandkamp 25c
Märchenhaft
My home is my castle
Ein goldener Stolperstein vor Tantchens Haus.
Mixen oder nicht?
Wer ist für wen ein Glücksfall?
Verstand
Me too
Silvester 1978/79
Einsicht des letzten Tages im November
Vierter Advent, halb elf
Mecker doch nicht immer!.
Steine in der Tasche
Momente.
Für Helmut
Lisbeth
Mein langer Weg
Erna, mein letzter „Fall“
Auftritt in der VHS
Hartleibigkeit
Alles, was ich in die Pfanne haue, haut hin
Für Eva – Die Kräuterspirale
Schmeichler du
„Jeder bringt was mit …“
„KOMM!“
Was ist mit mir?
In Kökhult
Up and down
Notaufnahme
Der Tropfen
Meine Freunde
Die Essenz
2020
Einladung
Auskehr
Traum
Daseinsberechtigung
Ich mache Kultur
Ein batteriefreier Tag
Corona? Fingerzeig
Begegnung zweier Freunde
Alte Umweltsau .
Ist das Gott?
Einladung zur Zeit des Kalten Krieges
„Frau Rohde, ich brauche eine neue Form von Produktion, die eine Melange aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sein sollte.“
Die letzten beiden Jahre, besonders 2020/2021, waren gravierend durch Krankheit, Verlust an Mut und Freude geprägt. Dann „aus der Tiefe in die Höhe“ zu kommen, zu merken, dass Vergangenheit wirklich vergangen zu sein scheint. Alles das steht auf den Seiten, die hier nun vorliegen.
Christel Bethke
Morgen fliegen wir nach Danzig. Hans-Werner und ich von Bremen. Daniel kommt von Schweden mit der Fähre (Karlskrona / Gdingen).
Zurück aus der alten Heimat: Daniel von der Fähre abgeholt, im Leihwagen, den wir am Flugplatz abholten in Danzig, und gestern Morgen wieder hingebracht. Dazwischen volles Programm, sogar Landsberg, die Molkerei, wo Hans den Russen in die Hände fiel, seiner dort gedacht und die beiden alles mitgemacht.
Die Marienburg besichtigt, den ganzen Ritterorden erklären lassen. Den Geruch der alten Burg hatte man den ganzen Tag noch in den Kleidern. Westerplatte, Zoppot, Hela, immer wieder Danzig, abends dort zum Essen, was jedes Mal besser wurde. Für den letzten Abend fehlte mir das passende Outfit. Danzig abends in festlicher Beleuchtung mit Riesenrad und Kinderkarussell. Die letzten Złotys warfen wir, durch drei geteilt, in den Neptunbrunnen.
Letzter Tag in Barten. Wir kamen auf der Straße raus, die zwischen Gerdauen und Parten verläuft: mein Schulweg. Gingen das letzte Stück zu Fuß bis zur Grenze, die hier zwischen Polen und Russland verläuft. Die Felder sehr gepflegt, kein Verkehr weit und breit, Endstation auf beiden Seiten. Hoher Himmel, ich restlos glücklich. In Barten eingekauft, Picknick. Mein Buch verteilt mit den Bildern von vor dem Krieg. Heute fehlen mindestens 70 Prozent der Häuser, die Burg steht zum Verkauf. In der Kirche hängt der Taufengel wieder.
Na, jedenfalls, es war sehr schön, ich glücklich und gesünder. Treppauf und -ab. Das alte Pflaster unter den alten Füßen zu genießen, krankes Herz? Keine Spur, in der Kirche, 1930 Pfingsten getauft, begriff ich, ich bin tatsächlich ein Sonntagskind. Es waren fünf vollkommen gelungene Tage.
Danke.
2019
Man müsste ein Satzzeichen erfinden, halb Frage, halb Ausrufung. Ambilation könnte man es nennen.
Ich habe mich immer zu wichtig genommen.
Begehe ich allein,
Schließ alle ein,
Die mir den Grundstoff dafür liefern.
Den brauche ich,
Ohne ihn wäre alles nichts.
Heute packe ich ein Paket nach Nirgendwo.
Warum ich immer auf ein Echo warte,
Weiß ich nicht.
2020
Als der Gast am Nebentisch der leeren Brotterrine
Mit Messer und Gabel zu Leibe rückte.
Und sie verdrückte.
Vielleicht macht man das ja, denke ich heute,
Und ich habe zu früh gelacht.
2019
Sie gehörte nicht zu denen,
Die, wenn einer die Welt verlassen,
Das Zeitliche gesegnet hat,
Ihn vergötterten.
Sie nahm sofort das Sägemesser
Und teilte die Matratze in zwei Teile.
2020
War beim Hörakustiker und melde,
Mit den Geräten im Ohr
Muss ich ständig auf Empfang sein.
Ich möchte auch mal was vermelden! Auf Sendung
sein.
Könnte was dran sein, spricht der Meister.
Ich konnte mich erst entfalten,
Als ich beschloss,
Mein Leben allein zu gestalten.
Gewann so die Freiheit und die Erweiterung des
Ich.
Die Erweiterung des Ich
Fährt jeden Tag Kilometer extra,
Mit dem Rad, für Helga,
Die den „letzten“ Ring nicht mehr vollbrachte.
Ich habe einen neuen Stern gesichtet!
Nachts kann ich ihn sehen, weiß, das kannst nur du
sein.
Ist es weit bis in die Ewigkeit?
(Wäre ein E-Bike nicht richtiger gewesen?)
2020
Heute gibt es Schmandschinken.
Rezept aus der alten Heimat in die neue gerettet:
Schinkenspeck in nicht zu dünnen Scheiben
Über Nacht in Milch legen.
Am nächsten Tag entnehmen,
In Butter o. a. Fett kurz braten,
Aus der Pfanne nehmen, im verbliebenen Fett etwas
Mehl bräunen,
Mit der Milch und einem Becher saurer Sahne auffüllen
Und mit einem Schneebesen verrühren,
Schinkenscheiben reintun und etwas ziehen lassen.
Dazu Salz- oder Pellkartoffeln.
2020
Dudderkeile.
Wir hatten auch eine „Poggenwiese“ (wie die in Suleyken)
Am Grumpelgraben,
Wo die Dudderkeile standen,
Die Lilien, das Schleh- und Feuerkraut,
Sauerampfer, Margeriten und Kamille wuchsen.
Blaue Libellen standen über dem braunen Wasser
Und bunte Schmetterlinge taumelten über die
Wiese.
Frösche hielten ihr Konzert
Und auch die Grillen.
Berührte man die grünen Grashüpfer hinten,
Machten sie einen Sprung nach vorn.
Barfuß in die Wiese getreten,
Gab es braune Füße.
Jenseits des Grabens erhob sich der Mühlenberg.
Ob sie ihn abgetragen haben?
Ich fand ihn nicht wieder.
Heute saß wahrhaftig
Draußen an meinem Fensterrähmen (fünfte Etage!)
Ein grüner Grashüpfer,
Und da fiel mir die Poggenwiese ein
Und Elfriede, die sich, wie ich,
Dort auch braune Füße holte.
Das war in Barten, das heute Barciany heißt.
2019
Flucht und Vertreibung ziehen sich durch mein Leben wie der bewusste rote Faden durch „mein Werk“. Lies mal – nach siebzig Jahren zweite Geburt.
Heute in die VHS. Ich würde so gern überzeugend wirken und nicht so erstarrt sein.
2019
Wie sehr hätte ich mich gefreut,
Wenn jemand gefragt hätte,
Wie es denn war bei der VHS,
Wo ich vor Flüchtlingen aus meinen Texten las.
Einigen hatte ich davon erzählt, Menschen, die wissen, dass mir das nicht leichtfiel. Aber keine „Sau ruft mich an, kein Mensch will etwas wissen von mir“. Dabei habe ich mich gut gehalten, und einer fragt sogar: „Und verstehen Sie sich heute mit Ihrem Bruder gut?“
Ein Affe und ein Eisbär
Die gingen auf dem Eis
Dem einen war sehr kalte
Dem anderen sehr heiß
Da sprach der Aff’ zum Eisbärn
Ich liebe dich so sehr, mein Bär
Darauf der Bär zum Affen
Und ich dich noch viel mehr
Und die Moral von der Geschicht’
Bei Lieb’ ist einem kalte
Dem anderen aber nicht.
Auch diese Geschichte gehört zu den Leichen, die entsorgt werden müssen, aber zuvor sollen sie noch einmal auferstehen, um ihre Bedeutung für unser Leben nicht unter den Scheffel stellen zu lassen.
1999
2020 ist eine Zahl, die sich gut schreiben lässt. Toll. 202020202020 ...
Ich habe Die Pest von Camus vorgeholt. Das Buch besteht fast nur noch aus losen Blättern, so oft habe ich es gelesen – und jedes Mal mit Gewinn.