Zwischen Herd und Schreibmaschine - Christel Bethke - E-Book

Zwischen Herd und Schreibmaschine E-Book

Christel Bethke

0,0

Beschreibung

Tages- und andere Notizen lautet der Untertitel von Christel Bethkes neuestem Buch. Es bietet ein buntes Potpourri aus spontanen Einfällen, kleinen Alltagsbeobachtungen, zwischen die sich auch einmal ernstere Gedanken drängen. Hier gibt es kurze und weniger kurze Texte, Erinnerungen an unlängst gestorbene Freundinnen, hin und wieder auch Gedichte - und manchmal sogar ein Kochrezept. Denn die Autorin will nicht nur was sie beobachtet und worüber sie nachdenkt mit ihren Leserinnen und Lesern teilen; was ihr schmeckt, sollen auch andere Gelegenheit haben zu probieren. All das schreibt mit großer Lebenszugewandheit eine über 90-jährige Frau, die sich ihren wachen und vorurteilsfreien Blick auf die Welt rundum bewahrt hat.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 86

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Vorwort

Telefon

Himmelfahrt

Samstag nach Himmelfahrt 2021

Möhrenkuchen

17. August 2021

Um Himmelswillen

Mein kleines Messer

Wie es zu unserer Bekanntschaft mit H. kam

Vom Essen und Trinken und so

Ein-Mensch-Leben

Das blaue Haus

8. Juli 2021

August 2022

Gold aus Stroh

Neue Freundin

Heute am Elternhaus vorbei

16. November 2021

Der erste Gang mit H. Unvergesslich

Für Christine

Die Künstlerin

Für Nicolai

Mein Dänemark ist H.

Sie hat es geschafft

Das letzte Treffen mit H.

30. März 2022

Ein letzter Besuch auf der Baustelle

Denken an H.

Gebäude

Warum man nicht schlafen kann

Wir hatten nichts

14. August 2021

Was war das denn?!

Für mein bestes Stück

10. Juni 2022

11. Mai, Sonntag

Heimsuchung

Sonntag, 6. Juli 2021, 9.35 Uhr.

3. Juni 2021

29. Juni 2022

Mann und Frau

Archiv

Wieder mal

Donnerstag, 8. Juli 2021

18. September 2021

Corona

Traumtag, welch ein Glanz liegt über ihm

Mein Garten Eden

10. September 2021

18. August 2021

Es läutet an meiner Tür

Sonntag, 26. Juli 2021

27. Juli 2021, kurz vor eins

Todeskandidaten

Das Hochzeitsbild

Es klopft an meiner Tür

Der Geburtstag der „Queen“ rückt näher

27., Sonntag

1. März 2022

Der Herbst war immer meine Zeit

3. Ostertag 2022

Nach Ostern

8. April 2021

4. April 2022

Gab es das mal?

11. Januar 2022

Unser Waterloo

Was heißt hier Schäfer

April 2022

Der Ring schließt sich

Zwetschgendatschi

Er bläst, er bläst

Ein neuer Typ wird verlangt

22. März 2022

15. April 2021

Das Leben

Damals

Zwischenruf

19. November 2021

War ich fähig

31. Dezember 2021

Suchanzeige

13. Dezember 2021

Vorwort

Vielleicht sollte das letzte Buch mit Gedankensplittern einen Titel haben, der beides unter einen Hut bringt: Küche und Schreiben, Herd und Schreibmaschine. Beide sind kaum drei Schritte voneinander entfernt, und ich pendle – wenn’s läuft – zwischen beiden hin und her.

Ich koche jetzt anders, sorgfältiger, bewusster. Alles mehr genießend mit den Augen. Die Nase riecht schon manchmal wieder, und still muss es sein, ohne Radio und so.

Ich finde, die Zeit ist im Umbruch und wir haben es irgendwann verschlafen. Es müssen auch neue Bücher geschrieben werden.

Christel Bethke

Telefon

Nein, nicht der Sohn

Auch ist es nicht die Tochter,

Auch der Enkel nicht,

Der zu mir spricht:

„Mein Mann sitzt und genießt ihren Kuchen,

Meint, es scheint ihr besser zu gehen,

Sie bäckt wieder.“

Jawohl, sie bäckt wieder, Aprikosenkuchen.

Den Ganzen umverteilt.

Das ist das Schöne an einem großen Haus.

Man kann verteilen.

5. September 2021

Himmelfahrt

Heute zum See, früh. Es sind fast nur Hundebesitzer mit ihren Vierbeinern unterwegs und Läufer. In der Ferne taucht eine mir bekannte Silhouette auf. Aber Hand in Hand heute! Das gibt’s doch nicht! Haben sie wirklich etwas in Deutschland gelernt?

Sonst ging es so vor sich: Er, ein paar Schritte vor ihr, Türkenturban auf, Mantel leger, aber über die Schultern gehängt, in der einen Hand den Rosenkranz perlenweise durch die Finger ziehend. Sie, im Abstand hinterher. Im Sommer, wenn Betrieb am See abends ist, sucht sie im Graben nach leeren Flaschen und Dosen. Er steht wachsam am Grabenrand und wartet. Und heute nichts davon, sie halten sich an der Hand. Zu schön, denke ich, wenn sich alte Leute an der Hand halten.

Als wir auf gleicher Höhe sind, zugenickt haben wir uns schon immer, heute bleibt sie stehen und zwingt ihn durch das Handhalten ebenfalls dazu. Was ich mit den Brennnesseln mache, die sie in meinem Korb entdeckt hat. Suppe. Suppe? Was da reinkommt, will sie wissen. Tomate, Knoblauch, rote Linsen, und da passt alles rein, sage ich. Er aber ist unserem Gespräch nicht wohlgesonnen und zieht sie weg. Aber im Umdrehen sehe ich, wie sie sich über die Hände streicht und mir klar machen wollte, man kann sie auch äußerlich anwenden. Glaube ich sofort und freue mich, als ich im Weitergehen zu dem Schluss komme, wie einfach doch Völkerverständigung sein kann, wenn man die Frauen nur ließe, nicht wahr?

Ob dies mein letzter Sommer ist? So viele hinter mir! Immer wieder neu und immer wieder schön und immer wieder will das Jahr „seine Kirschen machen“.

Steck deine Nase in die Schlehenblüten, hol den Flieder über den Zaun zu dir heran und versuche, ob du nicht schon wieder riechen kannst!

Schau in den Himmel, über den die Wolken ziehen, pflücke mehr von den Brennnesseln und gib Michelle davon welche in dem schönen blauen Porzellansieb als Geschenk.

Lass das Suchen nach einer Lösung für ein Problem, das vielleicht nicht zu lösen ist.

Versuche das umzusetzen, was heute mit Lebensqualität gemeint ist.

Sei aufmerksam, freundlich gegen jedermann.

Wie eh und je stehen die Bäume voller Laub

Schützen dich vor heißer Sonne

Und halten dich trocken bei Regen

Die Welt ist so jung und schön und frisch in ihren Frühlingsfarben, und ich noch immer da! Wunderbar, ist das nicht ein Wunder?

Samstag nach Himmelfahrt 2021

Unter den Blinden ist der Einäugige König, sagt ein Sprichwort, das nicht passender für mich sein könnte. Ich, der König, Pflegestufe 2, geht für Pflegestufe 3 und 5 einkaufen, mit dem Rollator.

Es ist Samstag nach Himmelfahrt. Der Besuch ist wieder fort, der neben gewünschter Hilfe auch Stress und viel Unruhe mit sich brachte. Klagen auf beiden Seiten. Aus Gesprächen weiß ich das und auch, was fehlte. Brauchen Sie noch was? „Was wir nicht haben, wird auch nicht gegessen“, sagt philosophisch Pflegestufe 3, aber ich sehe, der schwarze Beutel hängt schon im Flur, fertig für Montag mit Einkaufszettel und Geldsack ausgestattet. Ich bin mehr für heute, denn weiß man, wie Montag das Wetter sein wird? Also, auf, auf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd und los geht’s. Herrlicher Einkauf und der Engel bringt nicht nur das Gewünschte, wie eine Zeichnung von Picasso heißt, sondern auch noch eine Überraschung. Schwarze Herrenschokolade „aß mein Mann schon immer gern“. Also alles gelungen.

Möhrenkuchen

Wenn das so weitergeht, gibt das noch solch einen dicken Schinken wie den langen Weg. Ich habe das Gefühl, als ob das so sein sollte, und die eigentliche Befreiung, wenn ich das mal so nennen kann, beginnt hier. Dass ich nicht mehr so beweglich werde, wie ich mal war, ist mir klar und habe ich auch akzeptiert. Wichtiger ist mein Kopf, in dem es klarer, heller wird. Nicht mehr so oft Heimsuchungen der finstersten Art.

Backe wieder wie eine Weltmeisterin. Jetzt, da kein Mehl da ist, gibt es heute mit dem Rest einen Möhrenkuchen:

100 g Butter

80 g Zucker

110 g Mehl

3 Eier

Vanillezucker

125 g Möhren geraspelt

2 TL Backpulver

Luise, mein Türkenmensch, der mich durch Fliegenpilz rettete in meiner schwarzen Nacht, hat Besuch von der Schwester, die mir eine Flasche Rosenwasser von den berühmten Feldern in der Türkei mitgebracht hat. Und damit rühre ich den Guss an, der künstlerisch auf dem Kuchen verteilt wird. Gleich werde ich ihn probieren und verteilen. Bin gespannt.

Als ich die Nachbarin von oben als Außenministerin unterstützte, ahnte ich wohl schon, dass ich von ihr lernen kann. 13 Jahre war sie nicht draußen, und kein Mensch unterstützte sie sonst. Dagegen bin ich privilegiert.

17. August 2021

Heute kann ich nicht leben

Und auch nicht sterben

Oder bin ich schon gestorben?

Unglaublich schwierig.

Um Himmelswillen

lasst die Hormone aus den Pillen,

ich muss keine Kinder mehr stillen,

auch Bäume reiß‘ ich keine mehr aus.

„… es kann zu Brustvergrößerungen kommen,

auch das Gewicht nimmt zu,

auch kann es vermehrt

zu unanständigen Gedanken kommen …“

Na, wer sagt’s denn.

Was wir Alten als Vitalität empfinden,

in Turnschuhen, neustes Modell, flott wippen,

sind die Pillen, die wir verdrücken.

Mein kleines Messer

Das kleine Messer ist weg,

das seit mehr als fünfzig Jahren

treu seinen Dienst versah!

Ein Kartoffel-Schäl-Messer, aber auch Zwiebeln,

Äpfel, Pflaumen entsteinte

und zu anderen Spezialeinsätzen benutzt wurde.

Abgenutzt, die Scheide vorn schon sehr schmal,

Holzgriff. Bevor es nach dem Abwasch in die Lade kam,

musste es erst trocknen.

Der Verlust ist riesig, und meine Gedanken sind auf der Suche.

Wo?

Ich wühle sogar unten in der grünen Tonne.

Vielleicht habe ich es aus Versehen entsorgt?

Ich schlafe schlecht.

Aber das alte Sprichwort:

„Was man liebt, geht nicht verloren“

bewahrheitet sich.

Ich finde es bei den Töpfen,

wo es wirklich nichts zu suchen hat.

Ich hole die Lupe und entziffere

„Solingen Zwilling Germany“.

Ich freue mich sehr!

Wie es zu zur Bekanntschaft mit H. kam

Mein Buch Mein langer Weg ist 1998 herausgekommen und meine Befürchtungen bewahrheiteten sich! Ich bin am Boden zerstört! Menschen, die ich für Freunde hielt, auch Bekannte, kündigen mir die Freundschaft auf. Die Krise hört nicht auf. Frau Dr. Neumeier soll helfen, aber nichts lässt sich reparieren. Im Gegenteil, sie hält mich für einen glücklichen Menschen! Wieso das denn? Weil ich dieses Up and Down habe. Ich werde gestärkt daraus hervorgehen, meint sie. Sie hat ein Exemplar bekommen. Ob sie es lesen wird? Egal, sie gibt es weiter an ihr Personal, ihr Team, das vorne an der Rezeption sitzt und sich um das Patientenvolk kümmert. Der Rest der Bücher wandert zu Oxfam, wo es reißenden Absatz findet für fünf Mark, Normalpreis 19 Mark.

Eine Person aus ihrem Team ist I., Tochter von H., die ich da noch nicht kenne. Später läutete es an meiner Tür. Jemand will mein Buch kaufen. Ob es bei mir erhältlich sei, wenn ja, ob sie es bekommen könnte? Wirklich wahr, jemand will mein Buch kaufen?

Wir kommen ins Geschäft. Sie bekommt den Langen Weg zum Herstellungspreis und die Ostpreußischen Geschichten noch dazu. Sie lacht immerzu, sie lacht und lacht. Mir Miesepeter eigentlich zu lustig. Außerdem klingt das Lachen nicht fröhlich. Mit Lachern kenne ich mich aus. Ich jedenfalls lache zu wenig.