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In diesem Stadtführer begleitet man die beiden alten chinesischen Denker Lao Zi (Laotse, ca. 600 v.u.Z.) und Zhuang Zi (Dschuangdse, ca. 365-290 v.u.Z.) bei ihrem vergnüglichen Streifzug durch Köln. Dabei erfahren die Leser nicht nur viele interessante Details über die Domstadt, sondern gewinnen auch einen ersten Einblick in das daoistische Denken. Dao heißt chinesisch Weg, und das Ideal der daoistischen Lebenshaltung ist das sorglose Umherstreifen. Dies gilt auch für das Lesen dieses Stadtführers.
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Seitenzahl: 65
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Rund um den Dom
Zur Hohenzollernbrücke – vorbei an zwei Museen
Am Rhein entlang in die Altstadt
Ein Besuch im Zoo
Durch die Hohestraße zum „Müllemer Böötche“
Vom Neumarkt zu den Ringen
Von den Ringen zum Geusenfriedhof
Zwei alte Chinesen in weißen Pilgergewändern tauchen pünktlich zum chinesischen Neujahrsfest am 1.2.23 wie aus dem Nichts auf der Kölner Domplatte auf und schauen sich hilflos um. Vom Hauptbahnhof kommt eine junge Frau mit langen, schwarzen Haaren an ihnen vorbei, sieht die beiden Fremden, hält kurz inne und fragt: Kann ich üch helfe?
Die ehrwürdig aussehenden Herren nicken einander zu, und dann sagen sie wie aus einem Munde: Wo sind wir hier gelandet? – aber auf Chinesisch.
Moment! Die junge Frau kramt in ihrer Umhängetasche, holt ihr Smartphone raus, tippt auf eine Übersetzungs-App und sagt dann: Noch ens, bitte!
Daraufhin wiederholt der ältere der beiden Chinesen, der einen Wanderstock mit einem Drachenkopf im Arm hält, seine Frage: Wômen zài nâlî?
Aus dem Smartphone ertönt die Frage auf Deutsch, woraufhin die junge Frau ihre Sonnenbrille in die Haare schiebt und lachend antwortet: Natürlich in Kölle! Dat süht mer doch. Ihr steht doch direktemang vorm Dom!
Der jüngere der beiden Pilger, der ein Bündel Bambusstäbe im Arm hält, zeigt auf das Smartphone und fragt dann: Nà shì shénme hézi? Was ist das für eine Kiste?
Die Kiss he, mein Smartphone, ist eine kleine Wundermaschine, die kann fast alles – auch übersetzen. Dabei streicht sie sich ihre Haare aus dem Gesicht, die der starke Wind auf der Domplatte aber sofort wieder zurückweht.
Aber wie versteht ihr mich eigentlich – so ohne Smartphone?
Das machen wir mit unserem Herz-Geist, antwortet der Ältere, wir sind offensichtlich so gut aufeinander abgestimmt wie zwei Harfen, die in zwei verschiedenen Zimmern stehen. Dadurch entsteht bei uns automatisch eine Resonanz, und wir können alles verstehen, was ihr sagt, wenn ihr nur aufrichtig zu uns sprecht.
Dat is ja en Ding, sagt darauf die junge Frau und blickt den beiden Chinesen etwas länger in die Augen.
Und wer seid ihr?
Ich bin der Alte Meister und heiße deshalb Lao Zi, sagt der ältere der beiden Männer schmunzelnd. Wenn wir jetzt das Jahr 2023, das Jahr des Wasser-Hasen haben, dann wurde ich nach eurer Zeitrechnung vor über 2500 Jahren im Nordosten von China geboren.
Und ich heiße Zhuang Zi, bin ungefähr 100 Jahre jünger als mein Vorbild Lao Zi und trage die 81 Kapitel seines
Daodejings
immer mit mir auf diesen Bambusstäbchen herum. Wir haben gehört, dass es bei euch ein
Dao De Colonia
gibt und wollen gerne wissen, was uns alte Daoisten mit dem colonischen Lebensgefühl verbindet.
Du meinst bestimmt die kölsche Eijenart, sagt die junge Frau lachend. Und was ist dat mit dem Dao?
Das Dao oder der Große Weg bewirkt den unaufhörlichen Wandel in den Dingen. Und wer darüber Bescheid weiß, hat De, und um dieses De zu erlangen, muss man das Werk des Alten Meisters studieren, antwortet Zhuang Zi und schaut dabei immer wieder seinen ehrwürdigen Lehrer an, der freundlich zu seinen Worten nickt.
Und wie heißt du, schöne, junge Frau?
Ich bin dat Clara Appolonia, aber alle sagen nur Colonia für mich.
Was für ein passender Name für ein kölsches Mädchen! Die beiden Herren kichern leise in ihre langen Bärte. Dann sind wir ja bei dir genau an der richtigen Adresse, um zu erfahren, ob die Kölner auch so ähnlich denken wie wir im alten China.
Moment, sagt da Colonia, dat kann doch janit alles sin. Ihr kommt doch aus der Vergangenheit, und wir he in Kölle leben in eurer Zukunft. Ihr könnt ja noch janix vun uns wisse!
Warum nicht, Colonia, antwortet Zhuang Zi und legt seine beschriebenen Bambusplättchen vom linken in den rechten Arm. Mein Freund Hui Zi ist heute nach Yue gefahren und gestern dort angekommen. Warum sollten wir nicht in die Zukunft reisen können? Es hängt doch alles mit allem zusammen, die Vergangenheit mit Gegenwart und Peking mit Kölle.
Aber jetzt verrate uns doch endlich, was ist eigentlich der Kölner Dom, vor dem wir hier stehen, will Lao Zi wissen. So ein großes Haus habe ich noch nie gesehen.
Alter Meister, antwortet Colonia und zeigt mit ihrer rechten Hand stolz auf schwarzgraue Kathedrale, dieses Haus ist eine Kirche und und darin beten die Menschen zu Gott.
Wir Daoisten wissen, dass es Menschen gibt, die an einen Weltschöpfer glauben, aber wir beide brauchen das nicht. Die Frage nach dem Anfang des Universums führt ja doch nur ins Uferlose. Wir beschränken uns lieber auf das, was sich zwischen Himmel und Erde abspielt, und versuchen, im Einklang mit Kräften der Natur, dem Dao, zu leben, antwortet Lao Zi und schaut dabei lange und voller Bewunderung zu den beiden Domtürmen hoch.
Wie viele Jahre hat es gedauert, so ein großes Gotteshaus zu bauen, Colonia?
Über 600 Jahre, 1880 haben die Kölner die Kirche eingeweiht, aber fertig wird sie wohl nie werden, antwortet Colonia, ohne einen Moment zu überlegen.
Das ist genau wie mit dem Dao, das hört auch nicht auf zu wirken, sagt Zhuang Zi. Darf man in euren Kölner Dom hineinschauen?
Ihr dürft sogar hineingehen, antwortet Colonia.
Die drei gehen an zwei Kirchenschweizern vorbei, die ihnen freundlich zunicken.
Die Männer in den langen, roten Mänteln mit dem schwarzen Hut auf dem Kopf sehen ein bisschen aus wie Konfuzianer in China, sagt Zhuang Zi. Das sind die Anhänger des großen Meisters Kong. Aber im Gegensatz zu ihnen halten eure Domweisen den Mund. Das gefällt mir, denn wir Daoisten sind auch kein Freund von großen Worten.
Lao Zi und Zhuang Zi sind stark beeindruckt von der Größe des Doms und können gar nicht aufhören, in die Höhe zu schauen.
Ja, da staunt ihr, was?, sagt Colonia. Das ist die drittgrößte Kirche auf der ganzen Welt und sie war mit ihren 157 Meter hohen Türmen mal für ein paar Jahre das höchste Gebäude auf unserer Erde.
Ist der Mann dort vorne am Kreuz euer Gott?, will Zhuang Zi neugierig wissen. Bei uns in China bestraft man auf dieser Weise die Verbrecher.
Ja, das ist Jesus, der Sohn Gottes, aber böse war der nicht. Im Gegenteil, der hat so viel Gutes in seinem Leben getan.
Und das Gute bringt leider so viel Schlechtes hervor, wie man hier sieht, sagt Zhuang Zi. Bei uns heißt der Kaiser auch
Sohn des Himmels
, aber nicht, weil er von einem Gott abstammt, sondern weil er über die Erde unter dem Himmel herrscht.
Ich staune nicht schlecht, sagt Lao Zi, und dieses große Haus ist ja so wunderbar leer. Hier würde sich auch das Dao wohlfühlen, das wie eine Radnabe ruhig und unbeweglich in der leeren Mitte von all dem ruht, was zwischen Himmel und Erde passiert – genauso wie der Polarstern, um den sich ja alle Sterne am Himmel drehen.
Bei uns heißt das Himmel oder Hölle, wo man nach dem Tod hinkommt, je nachdem, ob man ein guter oder ein schlechter Mensch war. Aber wer nicht daran glaubt, dem ist das egal, sagt Colonia und schiebt wieder ihre Sonnenbrille auf die Nase. Aber wo ich grade Himmel sage, ich glaube, ich weiß, wo wir jetzt gleich hingehen.
Hast du denn überhaupt Zeit für uns, Colonia?, fragt Lao Zi und legt in seine Frage so viel Güte, dass man sie nur mit Ja beantworten kann.
Ihr habt Glück, meine Herren, heute habe ich frei und kann mit euch, wenn ihr wollt, gerne ein bisschen durch Köln schlendern.
Das ist unsere Lieblingsbeschäftigung, Colonia, sagt Lao Zi. Für Daoisten gibt es nichts Schöneres, als sorglos durch die Gegend zu streifen.
Möchtet ihr denn auch die Schatzkammer des Kölner Doms sehen?