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Stefan Mey

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Beschreibung

Waffen, Drogen, Whistleblower – wie das Darknet funktioniert


Ein 19-Jähriger, der vom elterlichen Wohnzimmer aus knapp eine Tonne Drogen verkauft … Whistleblower, die im Schutz der Anonymität brisante Informationen übermitteln … politische Kollektive, die ihre Plattform vor dem Zugriff von Behörden schützen wollen.

Wie sieht das Darknet aus, das für viele Menschen so beängstigend wie anziehend ist? Ist es gut, böse oder irgendetwas dazwischen? Und lohnt sich ein Besuch? Der Journalist Stefan Mey hat sich in die Tiefen des Darknets begeben. Schnell wurde ihm klar, wie viele der kursierenden Informationen Mythen sind und wie wenig an wirklichem Wissen existiert. Es hat ihn gereizt, diesem schwer zu erkundenden Ort seine Geheimnisse zu entlocken. Mey hat sich in intensiven Recherchen ein eigenes Bild gemacht, er hat Dutzende wissenschaftlicher Darknet-Studien nach verwertbaren Ergebnissen durchforstet und über abhörsichere Kanäle das Gespräch mit Leuten "da draußen" gesucht.

  • Vollständig überarbeitete und aktualisierte Neuauflage
  • Die dunkle Seite der digitalen Welt – eine spannende Recherche
  • Fakten statt Legenden: Wer das Darknet wirklich beherrscht
  • «Sicher das beste Buch zu diesem wichtigen Thema.» P.M. Magazin

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Stefan Mey

DARKNET

WAFFEN, DROGEN, WHISTLEBLOWER

Wie die digitale Unterwelt funktioniert

C.H.Beck

Zum Buch

Ein 19-Jähriger, der vom elterlichen Wohnzimmer aus knapp eine Tonne Drogen verkauft … Whistleblower, die im Schutz der Anonymität brisante Informationen übermitteln … Leute, die aus Neugier online Falschgeld kaufen … politische Kollektive, die ihre Plattform vor dem Zugriff von Behörden schützen wollen.

Wie sieht das Darknet aus, das für viele Menschen so beängstigend wie anziehend ist? Ist es gut, böse oder irgendetwas dazwischen? Und lohnt sich ein Besuch? Der Journalist Stefan Mey hat sich in die Tiefen des Darknets begeben und zeichnet ein spannendes Porträt der digitalen Parallelwelt. Schnell wurde ihm klar, wie viele der kursierenden Informationen Mythen sind und wie wenig an wirklichem Wissen existiert. Es hat ihn gereizt, diesem schwer zu erkundenden Ort seine Geheimnisse zu entlocken. Mey hat sich in monatelangen Recherchen ein eigenes Bild gemacht, er hat Dutzende wissenschaftlicher Darknet-Studien nach verwertbaren Ergebnissen durchforstet und über abhörsichere Kanäle das Gespräch mit Leuten «da draußen» gesucht.

Über den Autor

Stefan Mey ist freier Journalist in Berlin. Er stammt aus Halle/Saale und hat Soziologie und Publizistik studiert. Seit Jahren berichtet er über Technologie und über die Frage, was das Internet mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft macht, und hält auch Vorträge zum Thema. Über das Darknet hat er bisher für mehr als ein Dutzend Medien geschrieben, darunter das ZDF-Portal heute.de, die IT-Medien Heise online und iX, die Branchenzeitschrift Deutsches Ärzteblatt sowie das Politikmagazin Le Monde Diplomatique.

Inhalt

1: Einleitung

Reise ins Darknet

Die Reise beginnt

2: Was ist das Darknet?

Eine Begriffsklärung

Eine Schlacht um Begriffe

Der Eisberg lockt

Auf ins Darknet

3: Das Darknet als Einkaufsmeile

Die großen illegalen Marktplätze

Illegaler Handel auf hohem Niveau

Leitwährung Bitcoin

«Bester Verkäufer ever» – Selbstregulierung in der Schattenwirtschaft

Die Regale der digitalen Unterwelt

Drogen – sicherer und sauberer als auf der Straße?

Medikamente: die Ethik der Darknet-Apotheken

Blüten und falsche Pässe: hochgradig staatsgefährdend

Wettbewerb im illegalen Ökosystem

Dark Commerce und E-Commerce: zwei ungleiche Brüder

4: Ethische Abgründe im Darknet

Waffen, Terrorismus und Kinderpornographie

Das Darknet und die fiesen Bilder

Bedenkliche Zahlen

Der «Boom» kam mit dem Internet

Kommerz- versus Tauschwirtschaft

Die Rolle des Darknets

Was tun? Keine Lösung in Sicht?

Gegenwehr – Das Darknet schlägt auch zurück

Ein Blick in die Waffenkammern des Darknets

Terror-Zellen im Darknet?

Auftragsmorde im Darknet?

Nazis und die digitale Unterwelt

5: Das politische Darknet

Whistleblower und Oppositionelle im Darknet

Die Zweiteilung von.onion

Die drei Nutzungsformen des politischen Darknets

Nutzungstyp 1: das Darknet als «Geheimtür»

Deutsche Welle, Facebook und CIA

Linke Projekte unter.onion

Nutzungstyp 2: Darknet-Adressen als Programmbaustein

Nutzungstyp 3: exklusive.onion-Inhalte

Nicht meckern, sondern machen

6: Die Architektur der digitalen Unterwelt

Wie das Darknet funktioniert

Die Postadressen des Internets

Tor: die Kunst der Weiterleitung

Eine digitale Tarnkappe

Darknet: das Land mit der Zwiebel-Endung

Knoten für Knoten in Richtung Anonymität

Die zehn Tor-Weisen

Deutsch amerikanische Knoten-Freundschaft

Aus dem Alltag eines Tor-Aktivisten

Zahlen zu Tor und zum Darknet

7: Tor und das Tor Project

Geschichte und Widersprüche

Die Darknet-Software als Kind des Militärs

Roger Dingledine: das Tor-Mastermind kommt hinzu

Tor muss sich öffnen

Die Crux mit der Finanzierung

Gelder vom US-Auslandssender

Paradoxe Konstellation

Geschichte eines Image-Wechsels

Was sagt das Tor Project?

Ein Erklärungsversuch

Never change a running system?

Stimmen aus der Community

Hadern mit dem Darknet

8: Der Kampf der Behörden

Was die Polizei im Darknet tut und wieso sie nicht nur ohnmächtig ist

Hessische Cybercrime-Kompetenz

Darknet versus Clearnet

Schwierige Ermittlungen in der digitalen Welt

Erfolge: Zugriffe gelingen doch

Die Crux mit dem Versand

Typologie: die netten Nerds von nebenan

Der Staat als Hacker?

Wünsche des Staatsanwalts

9: Ausblick

Vom dystopischen Internet zu einer Utopie des Darknets

Dystopie Internet: Warum wir in finsteren Zeiten leben …

Szenarien der Überwachung

Der Browser als Spionage-Tool

Die Profil-Silos der Großen und Kleinen

Rechner-Betriebssysteme: die Gehirne unseres digitalen Lebens

Mobile Welten: Überwachung auf Speed

Abhorchen per Schadware

Datenmacht – und wie sie missbraucht werden kann

Was tun?

Das Darknet als Antwort?

Voraussetzungen für eine Entwicklung des Darknets

Szenarien des künftigen Darknets

Szenario 1: Es war einmal … das Darknet

Szenario 2: Funktionierende Nischen

Szenario 3: Die kommerzielle Umarmung

Szenario 4: Eine Utopie namens Darknet

Das Darknet als Gegen-Internet

100 Prozent Anonymität und 0 Prozent Zensur

Zurück auf Los

Das Darknet als Motor für Inhalte

Globale Zivilgesellschaft im Darknet

Ein Hack der Diktaturen

Ein zweiter Versuch

Anhang

Interviews

«.onion erinnert mich an das Internet der frühen 90er Jahre»

«Wir stehen am Beginn eines neuen Phänomens»

«Ohne Privatsphäre ist eine freie Presse nicht demokratisch gestaltbar»

«Technische Standardermittlungen sind nicht möglich»

«Tor funktioniert sehr gut für den Alltagsgebrauch»

Andere Darknet- und Tor-Programme

Und sonst noch? Andere Darknets

Alternative Nr. 1: I2P

Alternative Nr. 2: Freenet

Wie sicher ist Tor?

Schwachstelle Mensch

Sicherheitslücken und Hintertüren

Tor als «Honigtopf»

Der Browser und sein «Fingerabdruck»

Die Kunst der Korrelation

Webseiten-Fingerprinting

Mögliche Angriffspunkte für Tor-Attacken

Wer könnte Tor knacken?

Schützt Tor vor der NSA?

Was könnte Tor tun?

Was kann man selbst tun?

Kleines Darknet-Lexikon

Die Sache mit dem Sternchen

Danksagung

1

Einleitung

Reise ins Darknet

Da ist dieses Versprechen. Es lautet: Das Darknet ist ein freier, wilder Ort, an dem keinerlei Regeln gelten. Eine unkontrollierbare Unterwelt, in der der Staat mit seinen Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten ausgesperrt bleibt und auch die großen Netzkonzerne nichts gelten.

Immer wieder geistert das «Darknet» durch die Medien. Es ängstigt uns und zieht uns gleichzeitig an. Es verheißt Freiheit, Abenteuer und Anarchie und scheint dabei nicht nur Traum, sondern zugleich auch Alptraum zu sein, ein Ort für die finstersten Seiten der menschlichen Seele.

Den meisten begegnet die digitale Unterwelt in Form medialer Horrorgeschichten: Im Darknet, so lesen wir, werde mit Waffen und gefährlichen Drogen gehandelt wie anderswo mit Büchern oder CDs, Cyberkriminelle und Terrorgruppen würden sich für digitale oder ganz realweltliche Attacken rüsten.

Und doch schimmert in den Berichten über das Darknet oft auch etwas Hoffnungsvolles hindurch. In ein oder zwei Sätzen heißt es meistens, dass die Anonymität des Darknets nicht nur für düstere Zwecke genutzt werde, sondern auch mutigen Oppositionellen und Whistleblowern helfe, die geheime Dokumente über Missstände an die Öffentlichkeit bringen.

Wie sieht diese Parallelwelt aus? Ist das Darknet gut, böse oder irgendetwas dazwischen? Wer sucht warum Schutz in der digitalen Anonymität? Und lohnt sich ein Besuch in der digitalen Unterwelt?

Mit diesem Buch gehen wir gemeinsam auf eine Reise in diese digitale Unterwelt. Wir werden erfahren, dass vieles von dem, was über das Darknet bekannt ist, eher Mythos als Realität ist. Wir wollen das Darknet mit all seinen Widersprüchen, faszinierenden Momenten und Potenzialen erforschen. Die Zeit der großen Entdeckungen ist eigentlich vorbei, kaum ein Ort auf der Welt ist noch nicht beschrieben und vermessen. Doch das Darknet ist Terra Incognita – es ist unbekanntes, digitales Land.

Die Reise beginnt

Zum Anfang des Buchs schauen wir, was es mit den verschiedenen Begriffen wie «Darknet», «Deep Web» oder «Clearnet» auf sich hat. Nachdem wir das geklärt haben, gehen wir auf unsere Reise. Sie hat einen klaren Ausgangspunkt. Auf der Seite www.torproject.org laden wir ein Programm herunter, das der Türöffner zur digitalen Unterwelt ist: den Inhalten unter der inoffiziellen Darknet-Endung.onion, basierend auf der Anonymisierungssoftware Tor.

Will jemand das Darknet mit einem Browser wie Chrome, Microsoft Edge, Internet Explorer oder Firefox betreten, spuckt dieser trotzig eine Fehlermeldung aus: «Der Server konnte nicht gefunden werden.» Das Darknet öffnet sich nur für den Tor-Browser, der als eine Art digitale Tarnkappe unsere Identität verschleiert.

Auf der ersten Station unserer Reise lernen wir, dass Darknet und Internet eines gemein haben: die treibende Kraft des Kommerzes, die aus der ideologisch so umkämpften digitalen Unterwelt vor allem eine große Einkaufsmeile für Drogen aller Art gemacht hat. Hier können sich harte Junkies ihren gefährlichen «Stoff» besorgen, hier holen sich Freizeitkonsument*innen bequem ihr Gras oder ihre Partypillen für den Rausch am Wochenende. Mit wenigen Klicks lassen sich auch verschreibungspflichtige Medikamente, teilweise Waffen, gehackte Kreditkartendaten und sogar Falschgeld bestellen. Eine hoch organisierte, illegale Kommerzlandschaft hat sich entwickelt, mit hohen Tagesumsätzen und mit Skurrilitäten wie AGBs und Empfehlungsprogrammen.

Dann schauen wir auf das «böse» Darknet, wie es uns in regelmäßigen Abständen auf den Titelbildern seriöser wie halbseidener Zeitschriften begegnet: die digitale Unterwelt als Hort für alles Schlechte, zu dem der Mensch fähig ist. Wir lernen, wie die Anonymität für den Tausch von Kinderpornographie missbraucht wird, und gehen der Frage nach, ob sich dort tatsächlich international agierende Terrorgruppen mit Waffen versorgen. Gegenpol dazu ist die Erzählung vom Darknet als Schutzraum – für Oppositionelle, für Whistleblower und einfach für Leute, die im Netz nicht länger gläsern sein wollen. Während die illegale Seite der digitalen Unterwelt mittlerweile zumindest schwach ausgeleuchtet ist, ist kaum bekannt, was sich auf der «guten» Seite befindet. Bekannt ist nur, dass das Darknet zwar zur Hälfte aus illegalen Inhalten besteht, zur anderen Hälfte aber nicht. Wir erfahren, wieso dieser Ort mit all seinen Widersprüchen einige Menschen dennoch zum Träumen bringt.

Sodann schauen wir genauer darauf, wie das Darknet und die damit verbundene Anonymisierung «funktioniert»: wie durch einen genialen Trick Anonymität im ansonsten fast flächendeckend überwachbaren Internet hergestellt wird. Wir staunen über ein Netzwerk, das sich über die halbe Welt erstreckt und durch seine Architektur dem Darknet seine robuste Unzensierbarkeit verleiht. Wir sehen, wie die technologische Basis dieses Wunderwerks einst von Forschern des US-Militärs erdacht wurde und heute Staaten so viel Kopfzerbrechen bereitet. Wir lernen die Organisation kennen, die heute hinter der Anonymisierungssoftware der digitalen Unterwelt steht und die so widersprüchlich wie das Darknet selbst ist.

Schließlich schauen wir Ermittlern über die Schulter, die berufsbedingt das Darknet verstehen wollen. Wir sehen, wie sie sich in einem niemals endenden Katz-und-Maus-Spiel diesen sperrigen Ermittlungsgegenstand vornehmen und mit den technologischen und rechtlichen Grenzen ihrer Arbeit kämpfen.

Wie jede größere Reise endet unser Trip mit einem Blick in die Zukunft. Wir überlegen uns, wie sich das Darknet entwickeln könnte. Vor allem könnte es eine Antwort auf den heutigen Zustand des «normalen» Internets sein, der besorgniserregend ist: Jede Kommunikation und jede kleinste Lebensäußerung im Netz ist überwachbar und landet auf den Servern großer Netzkonzerne, die daraus profitable Profile erstellen und sie auf Anfrage bereitwillig Geheimdiensten übergeben. Die Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten von Regierungen haben ein Ausmaß erreicht, bei dem sich manche Menschen an Dystopien wie den Science-Fiction-Klassiker «1984» erinnert fühlen.

Wir entwerfen Szenarien für die weitere Entwicklung und stellen am Ende eine auf den ersten Blick gewagt anmutende Frage: ob sich aus der digitalen Unterwelt von heute nicht eines Tages eine freiere und bessere Variante des Internets entwickeln könnte. Und wir gehen noch einen Schritt weiter und schauen, wie eine konkrete Utopie des Darknets aussehen könnte. Dann gibt es noch einen Anhang mit unter anderem vier Kurzinterviews mit Gesprächspartner*innen aus dem Buch, einem Blick auf alternative Darknet-Technologien, einer Diskussion der Sicherheit von Tor und einem Glossar zum Darknet.

2

Was ist das Darknet?

Eine Begriffsklärung

Zuerst müssen wir klären, was das Darknet eigentlich ist. Viele kennen den emotional aufgeladenen Begriff aus Schlagzeilen, die periodisch in Medien auftauchen, meistens im Anschluss an eine Verhaftung wegen Waffen- oder Drogenhandels im Darknet.

Eine Schlacht um Begriffe

Für das «Darknet» existieren verschiedene, eher vage Definitionen. Eine sinnvolle lautet: Ein Darknet ist ein digitaler Ort, der sich mit technologischen Mitteln abschirmt und Anonymität bei der Nutzung herstellt. Verbindungsdaten und Standorte von Rechnern werden verschleiert, die Kommunikationsinhalte sind verschlüsselt. So sollen vor allem neugierige Blicke von Konzernen und Geheimdiensten ausgesperrt werden. Ein Darknet lässt sich nicht mit herkömmlichen Internet-Browsern, sondern nur mit einer speziellen Software betreten, und die üblichen Suchmaschinen listen die Inhalte nicht auf. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein derart technisch abgeschirmtes Netz herzustellen. Das am meisten verbreitete ist das Darknet auf Basis der Software Tor, für das es einen speziellen Anonymisierungsbrowser gibt. Es ähnelt aber sehr dem normalen World Wide Web, deswegen wird manchmal auch von «Dark Web» gesprochen.

Gegenbegriff ist das offene Netz, das auch «Clearnet» oder «Surface Web» (Oberflächen-Web) genannt wird. Dessen Inhalte werden mit üblichen Browsern angesteuert, und sie werden von gebräuchlichen Suchmaschinen wie Google, Yandex oder Bing angezeigt. Das können Texte der Online-Enzyklopädie Wikipedia sein, Artikel auf Nachrichten-Seiten und Blogs, Foren-Diskussionen oder die Produkte von Webshops.

Dann gibt es noch das «Deep Web», um das sich ähnlich viele Mythen wie um das Darknet ranken. Für dieses «tiefe Netz» ist charakteristisch, dass es zwar theoretisch mit jedem Browser besucht werden kann, dass seine Inhalte aber dennoch nicht von Suchmaschinen erfasst und somit auch kaum von Usern gefunden werden können. Das kann verschiedene Gründe haben: Einige Webseiten verbieten Suchmaschinen, sie zu durchsuchen, und diese halten sich meistens auch daran. Gar nicht zugänglich für Google & Co. sind Webseiten, die nur nach Eingabe eines Passworts ihre Inhalte preisgeben: Magazine, Foren oder Blogs, die nur einen bestimmten Personenkreis zulassen wollen, die Inhalte in sozialen Netzwerken oder auch journalistische Angebote, deren Inhalte hinter einer Bezahlschranke stehen. Auch Intranets von Unternehmen, Behörden oder Organisationen sind «von außen» nicht zugänglich.

Die Begriffe ermöglichen eine grobe Orientierung, sie sind technisch aber nie ganz trennscharf. Neben den klassischen Webseiten gibt es im großen, weiten Internet verschiedene Inhalte, die für einen Browser nicht zugänglich sind, weil sie über eigene Programme ablaufen. Es gibt spezielle Software für Text- und Videochat, Software zum legalen oder illegalen Streaming von Musik. Auch viele Games mit ihren komplexen Spielewelten lassen sich mit Chrome, Firefox oder Internet Explorer nicht betreten. Hinzu kommen die mobilen Nutzungswelten. Auf dem Smartphone werden Inhalte oft nicht über Browser abgerufen, sondern es wird eine App installiert, ein vom jeweiligen Anbieter bereitgestelltes mobiles Programm.

Der Eisberg lockt

Die Verwirrung steigt noch dadurch, dass die Begriffe «Darknet» und «Deep Web» mitunter unbeholfen durcheinandergeworfen werden. In Berichten über das Darknet taucht oft das Bild eines Eisbergs auf. Das World Wide Web, wie wir es kennen, sei nur die Spitze, die aus einem digitalen Meer voller Informationen ragt. Und so, wie die im Meer sichtbare Spitze sehr viel kleiner als der darunter liegende Eisberg ist, sei auch das uns allen bekannte Netz winzig im Vergleich zum Deep Web (von dem das Darknet wiederum ein Teil ist). Von den «Tiefen des Internets» spricht eine Illustration des Bundeskriminalamts. Und dieses Deep Web soll, wie es wenig präzise heißt, «10- bis 100-mal größer als das Surface Web» sein. Andere Medienberichte legen sogar nahe, das Deep Web sei mindestens 400-mal so groß. Dieses Bild legt nahe, dass es irgendwo einen digitalen Kosmos an Informationen und Inhalten gibt, den noch kaum jemand betreten hat.

Das klingt spannend, gehört aber zu den Mythen, die sich in die Berichterstattung über das Darknet eingeschlichen haben. Die Eisberg-Metapher wird oft unhinterfragt verwendet – vielleicht, weil sie so einleuchtend klingt und zum gesicherten Wissen über das Darknet zu gehören scheint, vielleicht auch, weil sich digitale Phänomene schwer bebildern lassen, so dass man lieber nicht fragt, wie valide die Erkenntnis dahinter ist.

Und sie ist es in diesem Fall nicht. Die Aussage, dass das Deep Web sehr viel größer als das «bekannte» Web sei, entstammt nicht universitärer Forschung, sondern einem «Whitepaper» der Firma BrightPlanet, die sich darauf spezialisiert hat, für Kunden Inhalte und Entwicklungen im Internet zu beobachten – beispielsweise, um Urheberrechtsverletzungen aufzuspüren. Das Whitepaper wurde im Jahr 2000 veröffentlicht. Ein Forscher von BrightPlanet war durch grobe Hochrechnungen zum Schluss gekommen, dass das Deep Web 400- bis 550-mal größer als das normale World Wide Web sei.

Damals waren Suchmaschinen nur in der Lage, statische Webseiten mit fest definierten Inhalten auszulesen. Probleme hatten sie hingegen bei Datenbanken, die ihre Inhalte erst nach Eingabe eines Suchbegriffs anzeigen, etwa staatliche Geo- oder Patent-Datenbanken, aber auch Webshops oder Kleinanzeigenportale. Heute gelingt es Suchmaschinen und vor allem Google allerdings sehr gut, alle denkbaren Inhalte zu finden und mittels automatisierter Abfragen zu erschließen. Es gibt immer noch unzugängliche digitale Bereiche: Inhalte, die hinter Login-Fenstern oder Bezahlschranken stehen, Intranets von Firmen und Organisationen und Datenbanken mit allzu komplexen Eingabeformularen.

Dem steht aber ein gigantisches Reservoir an Inhalten im offenen Netz gegenüber: Millionen oder Milliarden an Youtube-Videos, die mit Textbeschreibungen versehen und somit Suchmaschinen-verständlich sind, an Blogposts und Nachrichtenartikeln, an Fotos auf Social-Media-Portalen. Seit dem Jahr 2000 hat sich sehr viel verändert. Das eingängige Bild vom Eisberg namens Deep Web, das gleichsam aus dem Frühmittelalter der Internet-Entwicklung stammt, wird trotzdem noch verwendet.

Auf ins Darknet

Auch das Darknet, das als Teil dieses Deep Webs gilt, ist nicht riesig. Es ist dennoch spannend. Mit seiner Unkontrollierbarkeit, seiner Anonymität und Unzensierbarkeit hebelt es sonst geltende Regeln des Netzes aus und hat vielleicht sogar das Potenzial, Machtverhältnisse der Gesellschaft als Ganzes in Frage zu stellen.

Ohne zu vergessen, dass es verschiedene technologische Möglichkeiten zur Errichtung eines abgeschirmten Parallelnetzes gibt, wollen wir uns in diesem Buch auf eines konzentrieren: das Tor-Darknet, unter der inoffiziellen Endung.onion, das als bisher einziges eine nennenswerte Dynamik entwickelt hat und auch jenseits von Tech-Kreisen bekannt ist.

3

Das Darknet als Einkaufsmeile

Die großen illegalen Marktplätze

Fünf Gramm Koks für 400 Euro bietet ein Händler an und verspricht «Top Qualität». Ein anderer Verkäufer hat Falschgeld im Angebot: zehn nachgemachte 50-Euro-Noten zum Preis von 100 Euro. Willkommen in der Kommerz-Welt des Darknets, scheinbar alles lässt sich hier mit wenigen Klicks bestellen. Man muss nicht mehr nachts in den Park gehen, um Zugang zu verbotenen Produkten zu bekommen. Auf den hoch illegalen Darknet-Märkten mit breiter «Produktpalette» lässt sich fast alles bequem von zu Hause aus bestellen.

Ist der anfängliche Schock über die offene Abwicklung eindeutig zweifelhafter Geschäfte überwunden, drängt sich ein anderes Gefühl auf: Diese illegale Welt im Darknet erscheint seltsam vertraut. Sie erinnert an den klassischen Onlinehandel, wie wir ihn von Amazon oder Zalando kennen. Der «Dark Commerce» ist der kleine, gerne verschwiegene Bruder des E-Commerce, und er hat viel von ihm gelernt.

Illegaler Handel auf hohem Niveau

Etwa 45.000 Produktangebote gibt es laut Eigenangaben auf White House Market, einem der größten Märkte der digitalen Darknet-Wirtschaft. Und White House Market ist nur ein Vertreter einer immer größer werdenden Zahl an Märkten. Mehr als ein Dutzend von ihnen listet Darknetlive.com auf, das als eine Art Branchenmedium die Szene begleitet. Die Märkte heißen «White House Market», «Monopoly Market» oder «Vice City». Während sich die Menschen, die Tor-Software entwickeln, wünschen, dass Whistleblower und Oppositionelle das Darknet für sich entdecken, wird das Darknet zurzeit überwiegend für eines genutzt: den hoch professionellen Kauf und Verkauf von Drogen. Die treibende Kraft des Kommerzes hat die digitale Unterwelt in eine große, illegale Einkaufsmeile verwandelt.

In Aufbau und Funktionsweise ähneln die Marktplätze ihren legalen Pendants im klassischen Internet. Wie auf Amazon oder Zalando gibt es ein Dreieck aus drei beteiligten Gruppen: Die einen kaufen und wählen aus der Vielfalt der Produkte aus. Dafür können sie die einzelnen Produktangebote mit internen Suchmaschinen filtern: welche Drogen genau es sein sollen, wer auch nach Deutschland verschickt, sogar eine gewünschte Preisspanne lässt sich angeben. Die anderen bieten ihre «Ware» an, oft unter identischem Namen auf verschiedenen Handelsplattformen. Sie verschicken die Produkte und erhalten im Gegenzug Zahlungen über die Digitalwährung Bitcoin. Die Leute hinter den Marktplätzen wiederum stellen die technische Infrastruktur zur Verfügung und entwickeln sie technisch weiter. Von allen getätigten Verkäufen erhalten sie eine Provision.

In einer Langzeit-Erhebung zwischen 2013 und 2015 haben zwei Forscher der US-amerikanischen Carnegie Mellon University die Welt des Dark Commerces beobachtet. Den Umsatz der großen Marktplätze schätzen sie auf 300.000 bis 600.000 Dollar pro Tag, den der kleineren Portale auf täglich wenige Tausende. Auf allen beobachteten Plattformen zählten sie insgesamt 9000 einzelne Händler*innen, die ihre Produkte durchschnittlich auf drei unterschiedlichen Marktplätzen anboten. Meist hatten sie sich spezialisiert, einige boten nur bestimmte Drogengruppen an, einige eine breite Palette an Rauschmitteln und Medikamenten. Andere hatten sich auf Falschgeld, Waffen oder gehackte Daten spezialisiert.

In einer etwas jüngeren Studie untersuchte die Suchtforscherin Meropi Tzanetakis vom Wiener Zentrum für sozialwissenschaftliche Sicherheitsforschung in Zusammenarbeit mit der IT-Spezialistin Tanja Bukac ausschließlich den zu der Zeit tonangebenden (und im Sommer 2017 von der Polizei geschlossenen) Darknet-Marktführer Alphabay. Im Beobachtungszeitraum von September 2015 bis August 2016 ermittelte sie einen Gesamtumsatz von 94 Millionen Dollar, wobei die monatlichen Werte stark differierten. Im Sommer stieg der Umsatz auf einen Maximalwert von 16 Millionen an. Aus der allgemeinen Drogenforschung ist bekannt, dass in der Zeit besonders viele Rauschmittel gekauft werden, vermutlich, da sich User für den Besuch von Musik-Festivals eindecken.

Tzanetakis schaute auch, von wo aus verschickt wird. Wenig überraschend gab das Mutterland des Internets auch hier den Ton an. 25 Prozent der Händler*innen saßen in den USA, mit einigem Abstand folgten das Vereinigte Königreich (9 Prozent) und Australien (9 Prozent). Auf Platz 4 dann mit 8 Prozent die Niederlande, gefolgt wiederum von der Bundesrepublik Deutschland, wo 7 Prozent ihren Sitz hatten. Die Umsätze der Händler*innen waren sehr ungleich verteilt. Oft schien sich das Ganze eher auf einem Freizeit- und Zuverdienst-Level zu bewegen. 56 Prozent hatten innerhalb des Beobachtungszeitraums von einem Jahr weniger als 10.000 Dollar umgesetzt. 5 Prozent kamen auf Umsätze von mehr als 200.000 Dollar, so dass sich nur bei wenigen vermuten lässt, dass sie tatsächlich professionell und erwerbsmäßig handeln.

Leitwährung Bitcoin

Die Preise der illegalen Waren werden je nach Marktplatz in US-Dollar oder Euro angegeben, bezahlt wird aber traditionell in Bitcoin. Die Ende 2008 erdachte Geldeinheit spielt trotz großer Medienaufmerksamkeit in der klassischen Wirtschaft nur eine Nischenrolle. In der Darknet-Ökonomie ist sie dagegen zur Leitwährung geworden. Da die massenhafte Nutzung des Bitcoins dessen technische Infrastruktur an die Grenzen bringt, gewinnen mittlerweile auch Abspaltungen oder alternative Kryptowährungen wie Monero oder Bitcoin Cash an Bedeutung, die ähnlich funktionieren. Der Gegenwert der immer noch wichtigsten Hackerwährung schwankt erheblich, im Frühjahr 2021 ist ein Bitcoin etwa 45.000 Euro wert. Er lässt sich aber in bis zu 100 Millionen unterscheidbare Einzelteile namens «Satoshis» untergliedern.

Der Bitcoin ermöglicht ein anonymes Verschieben von Geldeinheiten, genauer gesprochen ein pseudonymes: Mit Herunterladen der Bitcoin-Software bekommt man eine Adresse zugewiesen, ein aus zufällig zusammengestellten Zeichen bestehendes Nummernkonto. Überweisungen werden direkt zwischen diesen Nummernkonten abgewickelt.

Das Besondere daran ist, dass es keine zentralen Stellen gibt, die wie ansonsten in der Finanzwirtschaft Überweisungen protokollieren und Guthaben verwalten, Bank oder PayPal sind nicht erforderlich. Anders als im klassischen Geldverkehr ist es somit nicht möglich, Gelder einzufrieren oder Konten zu sperren. Die Kontrollfunktion zentraler Stellen übernimmt eine ausgefeilte, dezentrale Buchhaltung, die als eigentliches Meisterstück hinter der Erfindung des Bitcoins gilt: eine große Datenbank, in der für jeden einzelnen Coin und jeden Teil davon aufgezeichnet wird, wem er gerade gehört. Dieses Kassenbuch liegt nicht als Geschäftsgeheimnis auf den Servern eines Finanzdienstleisters, sondern ist über das Internet verteilt: Wer immer sich die Bitcoin-Software herunterlädt, holt sich automatisch auch eine Kopie der Datenbank mit auf den Rechner. Die aktualisiert sich regelmäßig, sie gehört allen und niemandem zugleich.

Ein besonderes Modell finanzieller Anreize sorgt dafür, dass Betrügereien und Manipulationen so gut wie unmöglich sind. Vor allem ein Problem hatte jede dezentrale Digitalwährung vor dem Bitcoin unzuverlässig gemacht: das betrügerische «Double Spending». Wie lässt sich verhindern, dass eine Geldeinheit doppelt ausgegeben wird? Wenn eine Zahlung vollzogen werden soll, prüft ein Teil der Bitcoin-«Crowd», die aus weltweit verteilten Rechnern besteht, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Will beispielsweise Frau Müller dem Darknet-Händler ihres Vertrauens einen Bitcoin überweisen, wird in der Datenbank nachgeschaut, ob der jeweilige Bitcoin ihr zum jeweiligen Zeitpunkt tatsächlich gehört und ob sie ihn vielleicht zuvor schon einmal ausgegeben hat. Ist alles okay, wird die geplante Überweisung zusammen mit allen anderen Transaktionen zusammengefasst, in einen digitalen Block, der aus vielen Einzelinformationen besteht. Der wird an eine lange Kette vorheriger Transaktionsblöcke gehangen, die so genannte Blockchain. In ihrer Gesamtheit stellt diese Kette an Transaktionsblöcken das Kassenbuch des Bitcoins dar.

Rechner, die sich an der Prüfung und Verifikation von Überweisungen beteiligen, nehmen als Belohnung an einer Art Lotterie teil, sie lösen ein mathematisches Rätsel. In der Software des Bitcoin-Systems ist festgelegt, dass alle zehn Minuten eine bestimmte Zahl neuer Bitcoins entsteht, zurzeit sind es 6,25 Bitcoins. Wer das Rätsel knackt, erhält diesen kleinen Jackpot. Der hohe Stromaufwand, den das Checken von Transaktionen erfordert, wird dadurch ausgeglichen, dass statistisch jeder Rechner der Verifizierungs-Crowd irgendwann einmal die Belohnung kassiert.

Dieses Modell einer verlässlichen, dezentralen Datenbank ermöglicht es überhaupt erst, dass in großem Stil am Staat und an etablierten Instituten vorbei Gelder verschoben werden können. Es ist aber auch die Crux des Ganzen. Für jeden einzelnen Bitcoin ist in der Blockchain protokolliert, welche Adresse ihn wann gehalten und an welche andere Adresse geschickt hat. Prinzipiell ist nicht bekannt, welche tatsächliche Identität sich hinter einem Bitcoin-Konto verbirgt. Es kann aber leicht geschehen, dass man sich doch ungewollt selbst verrät. Meist werden Bitcoins auf großen Börsen wie der deutschen Plattform Bitcoin.de gekauft. Damit das möglich ist, muss man vorher erst Geld vom normalen Bank-Konto auf das der Börse überweisen. In deren Datenbank schlummert somit potenziell die Information, welche Bitcoin-Adresse mit welchem realweltlichen Konto verknüpft ist. Und es besteht zumindest die Möglichkeit, dass Ermittlungsbehörden an diese Information gelangen.

Um die Bitcoin-Nutzung dennoch anonym gestalten zu können, werden verschiedene Wege eingeschlagen: Passionierte «Nerds» verabreden in einem Darknet-Forum einen Offline-Tausch. Mit heruntergezogenem Baseball-Cap treffen sie sich an einem dunklen Ort. Geldscheine werden herübergereicht, und vor Ort wird per Smartphone der gewünschte Betrag von Nummernkonto zu Nummernkonto transferiert. Es gibt aber auch technologische Lösungen. Bitcoin-Mix-Dienste haben sich darauf spezialisiert, gegen Zahlung einer kleinen Provision die Herkunft von Bitcoins zu verschleiern. Man zahlt Coins ein, innerhalb des Systems des Dienstleisters wird der Wert immer wieder von Konto zu Konto geschickt. Schließlich werden Bitcoins zurücküberwiesen, deren bisheriger Weg sich, so das Versprechen, nicht mehr rekonstruieren lässt.

«Bester Verkäufer ever» – Selbstregulierung in der Schattenwirtschaft

Dass das Zusammenspiel auf den Darknet-Märkten überhaupt funktioniert, gleicht einer Quadratur des Kreises. Um Geschäfte zu machen, muss ein grundlegendes Vertrauen zwischen allen beteiligten Parteien vorhanden sein. Im Darknet-Handel gibt es allerdings keine klassische Rechtsdurchsetzung, die für die Einhaltung von Spielregeln sorgt. Wer sich bei seinen illegalen Geschäften betrogen fühlt, kann nicht die Polizei einschalten. Und selbst die könnte in einer Welt voller Anonymität wenig ausrichten.

Als Ausgleich dafür hat sich eine ausgefeilte Selbstregulierung ausgebildet. Wie auch im klassischen Onlinehandel wird man nach einem Kauf aufgefordert, eine Bewertung zu schreiben. Auf den meisten Marktplätzen lassen sich ein bis fünf Sterne vergeben, in einem Freitextfeld kann die Qualität des Produkts oder die Geschwindigkeit der Lieferung kommentiert werden. Und diese Möglichkeit wird auch rege genutzt: «Bester verkäufer ever vielen dank ich komme wieder» heißt es nach dem Kauf von 2,5 Gramm Kokain. Lobende Worte findet auch jemand, der das Schmerzmittel Tilidin erworben hat: «Buchstäblich schneller als Amazon. Ich habe gestern bestellt, es war heute Abend da. Fairer Preis und angemessene Sicherheitsmaßnahmen.» In einem anderen Fall wird hingegen gewarnt. «Betrüger! Kauft keine Tabletten von diesem Typen. Er verkauft sie als Generika, aber es sind zu 100 Prozent schlechte Fälschungen.»

Dieses Feedback, das nach dem Kauf eines Produkts abgegeben werden kann und auf einigen Marktplätzen obligatorisch ist, ermöglicht es überhaupt erst, «von außen» Umsätze zu schätzen. Die Wissenschaftler*innen erfassen die im jeweiligen Beobachtungszeitraum neu hinzugekommene Kommentare, aus denen das Datum des Kaufs, das jeweilige Produkt und der Preis abgelesen werden können. So lassen sich Umsätze für komplette Marktplätze, für einzelne Produktgruppen oder auch Händler*innen berechnen. Das ist die einzige Methode, die es gibt, da naturgemäß keine verlässlichen Statistiken über Darknet-Umsätze existieren und die Marktplätze selbst wenig aussagefreudig sind.

Natürlich gibt es Versuche, unbedarfte Darknet-Neulinge über den Tisch zu ziehen. Bei vielen Angeboten im Darknet handelt es sich schlicht um Fakes. Die Anonymität des Darknets lädt nicht nur dazu ein, Gesetze zu ignorieren, sondern auch, im illegalen Umfeld selbst zu betrügen. Das aber funktioniert nur als kurzfristige Strategie. Die disziplinierend wirkenden Bewertungen sind öffentlich auf den jeweiligen Produktseiten und Profilen einsehbar. Oft wird, wie von Amazon und Ebay bekannt, das Verhältnis von positiven zu negativen Bewertungen angezeigt. Wer mangelhafte Qualität, falsch deklarierte Produkte oder gleich gar keine Waren verschickt, wird abgestraft.

Und das kann sich nicht erlauben, wer länger im Geschäft bleiben will. Die großen Händler*innen kommen deswegen oft auf mehr als 95 Prozent positive Bewertungen. Vom legendären Darknet-Händler «Shiny Flakes», einem 19-jährigen Leipziger, der vom Zimmer in der elterlichen Wohnung aus knapp eine Tonne Drogen verschickt hatte, wurde nach seiner Festnahme bekannt, dass er in regelmäßigen Abständen Proben seiner «Produkte» an anonyme Testlabors in Spanien und der Schweiz geschickt hatte. In seiner Kommunikation auf den Marktplätzen gab er sich überheblich und selbstgefällig, doch er wusste, dass die Qualität seiner Waren über Erfolg oder Misserfolg entscheidet.