Das aktuelle Disziplinarrecht - Frank Ebert - E-Book

Das aktuelle Disziplinarrecht E-Book

Frank Ebert

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Beschreibung

Topaktueller Praxisleitfaden zum DiszG Das Buch stellt das aktuelle Disziplinarrecht des Bundes dar. Der Leitfaden ist als Erläuterungs- und Nachschlagewerk vor allem für die Praxis konzipiert. Den Schwerpunkt bildet das behördliche Disziplinarverfahren. Die wichtigsten Verfahrensschritte werden von einer Reihe von Mustern begleitet, die eine rasche und möglichst unkomplizierte Einarbeitung in die Materie erleichtern. Rechtstheoretische Ausführungen und Hinweise auf die einschlägige Rechtsprechung sind nur an Stellen enthalten, an denen sie unverzichtbar scheinen. Mit Hinweisen zum BeamtStG An zahlreichen Stellen beinhaltet der Ratgeber Hinweise auf das Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), sodass er auch für die Beamtengruppen der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften benutzt werden kann, auf die das BeamtStG Anwendung findet. Pflichtleküre im Studium An den Fachhochschulen des Bundes sämtlicher Richtungen ist Disziplinarrecht ein Pflichtfach. Der Leitfaden eignet sich zur Unterrichtsbegleitung sowie zur Prüfungsvorbereitung. Auf topaktuellem Stand Seit 1. April 2024 gilt das Gesetz zur Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2023 (BGBl. I Nr. 389). Kernstück des Gesetzes ist die Abschaffung der bisherigen Disziplinarklage, die als zu zeitaufwendig angesehen wurde. Finanzielle Anreize, die durch eine überlange Dauer von Disziplinarverfahren als Nebeneffekt entstehen können, sollten beseitigt werden. Die vollständig überarbeitete 6. Auflage berücksichtigt die eingetretenen Änderungen, behält aber auch die Darstellung der bisherigen Rechtslage bei, weil diese für Altfälle weitergilt. Zur Rechtslage Der Bundesgesetzgeber hat das Bundesdisziplinarrecht im Jahre 2002 völlig neu geordnet, indem er es im Zuge einer umfassenden Verwaltungsmodernisierung den zeitgemäßen Anforderungen einer effektiven Verwaltung und Rechtspflege anpasste. Das Bundesdisziplinargesetz (BSG) wurde in der Folgezeit mehrfach geändert. Der durch das Gesetz vom 19. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2362) neu eingefügte § 29a passte das formelle Disziplinarrecht an das Europarecht an und sah Unterrichtungen der zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten über bestimmte disziplinarisch bedeutsame Vorgänge vor. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung von 2021 beabsichtigte, Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen, um »die Integrität des Berufsbeamtentums sicherzustellen«. Besonders empfehlenswert Für alle, die mit dem Vollzug der Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes befasst sind: Dienstvorgesetzte und oberste Dienstbehörden Personalverwaltungen Personalvertretungen und berufliche Interessenvertretungen Verwaltungsgerichte Anwaltschaft sowie Beamtinnen und Beamte in der Ausbildung, im aktiven Dienst oder im Ruhestand

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Das aktuelle Disziplinarrecht

Leitfaden für den öffentlichen Dienst

von

Dr. Dr. Frank Ebert

Ministerialrat a. D., Erfurt

vormals Richter des Disziplinarsenats bei dem Thüringer Oberverwaltungsgericht, Weimar

6., überarbeitete Auflage, 2024

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

6. Auflage, 2024

PRINT-ISBN 978-3-415-07579-5

EPUB-ISBN 978-3-415-07581-8

© 2002 Richard Boorberg Verlag

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Titelfoto: © amnaj – stock.adobe.com |

E-Book-Umsetzung: abavo GmbH, Nebelhornstraße 8, 86807 Buchloe

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart

Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresden

www.boorberg.de

Vorwort zur 6. Auflage

In den vergangenen 25 Jahren sah sich der öffentliche Dienst tief greifenden Umwälzungen ausgesetzt. Nachhaltige strukturelle Umbauten infolge der Föderalismusreform haben den Beamtenstand zahlenmäßig dezimiert und qualitativ verändert. Eine Reihe von Reformen erfasste das Recht der Bundes- und Landesbeamten im Allgemeinen wie auch in seinen zahlreichen Verästelungen. Vor allem das Besoldungs- und Versorgungsrecht, das Personalvertretungsrecht und ganz wesentlich das Disziplinarrecht waren hiervon betroffen.

Der Bundesgesetzgeber hatte das Bundesdisziplinarrecht im Jahre 2002 völlig neu geordnet, indem er es im Zuge einer umfassenden Verwaltungsmodernisierung den zeitgemäßen Anforderungen einer effektiven Verwaltung und Rechtspflege anpasste. Die seit 1967 nahezu unverändert geltende Bundesdisziplinarordnung gehörte nach der Jahrtausendwende – abgesehen von Übergangsregelungen – der Vergangenheit an. Während das materielle Disziplinarrecht im Wesentlichen unverändert geblieben war, erfuhr das Disziplinarverfahrensrecht großflächige Veränderungen. Vor allem verlor es seine traditionellen strafprozessualen Bezüge. Seither ist das Disziplinarverfahren als Verwaltungsverfahren ausgestaltet.

Das Bundesdisziplinargesetz wurde in der Folgezeit mehrfach geändert. Der durch das Gesetz vom 19. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2362) neu eingefügte § 29a passte das formelle Disziplinarrecht an Europarecht an und sah Unterrichtungen der zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten über bestimmte disziplinar bedeutsame Vorgänge vor.

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung von 2021 beabsichtigte, Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen, um „die Integrität des Berufsbeamtentums sicherzustellen“ (vgl. BT-Drs. 20/6435). Mit Wirkung vom 1. April 2024 an gilt das Gesetz zur Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2023 (BGBl. I Nr. 389). Kernstück des Gesetzes ist die Abschaffung der bisherigen Disziplinarklage, die als zu zeitaufwendig angesehen wurde. Finanzielle Anreize, die durch eine überlange Dauer von Disziplinarverfahren als Nebeneffekt entstehen können, sollten beseitigt werden. Die vollständig überarbeitete 6. Auflage berücksichtigt die eingetretenen Änderungen, behält aber die Darstellung der bisherigen Rechtslage bei, weil diese für Altfälle weitergilt (vgl. unten 1.5.3).

Das vorliegende Werk stellt das aktuelle Disziplinarrecht des Bundes vor. Bevorzugte Adressaten sind alle, die mit dem Vollzug der Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes befasst sind: Dienstvorgesetzte und oberste Dienstbehörden, Personalverwaltungen, Personalvertretungen und berufliche Interessenvertretungen, Verwaltungsgerichte, Rechtsanwälte sowie Beamte in der Ausbildung, im aktiven Dienst oder im Ruhestand.

Das Buch versteht sich als Erläuterungs- und Nachschlagewerk. Es ist vor allem für die Praxis konzipiert. Den Schwerpunkt bildet das behördliche Disziplinarverfahren. Die wichtigsten Verfahrensschritte werden von einer Reihe von Mustern begleitet, die eine rasche und möglichst unkomplizierte Einarbeitung in die Materie erleichtern sollen. Rechtstheoretische Ausführungen und Hinweise auf die einschlägige Rechtsprechung sind nur an Stellen enthalten, an denen sie unverzichtbar scheinen. An zahlreichen Stellen enthält es Hinweise auf das Beamtenstatusgesetz, sodass es auch für die Beamtengruppen der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften benutzt werden kann, auf die das BeamtStG Anwendung findet.

Mein besonderer Dank für zahlreiche nützliche Hinweise und Empfehlungen gilt Herrn Bundeswehrdisziplinaranwalt a. D. Holger Zetzsche und Herrn Ministerialrat Dr. Christian Raap aus dem Bundesministerium der Verteidigung.

Anregungen und konstruktive Kritik sind weiterhin willkommen.

Erfurt, im Frühjahr 2024

Der Verfasser

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorwort zur 6. Auflage

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Grundlagen des Disziplinarrechts

1.1 Einführung

1.2 Historischer Abriss

1.3 Zweck des Disziplinarrechts

1.4 Rechtsgrundlagen

1.4.1 Grundgesetz

1.4.2 Bundesdisziplinargesetz

1.4.3 Bundesbeamtengesetz

1.4.3.1 Begriff des Dienstvergehens

1.4.3.2 Beamtenrechtlicher Pflichtenkreis

1.4.3.3 Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe und auf Widerruf

1.4.3.4 Verbot der Führung von Dienstgeschäften

1.4.3.5 Rücknahme der Ernennung

1.4.3.6 Rückgriff gegen den Beamten

1.4.3.7 Pflichten von Ruhestandsbeamten

1.4.4 Bundesbesoldungsgesetz

1.4.5 Beamtenversorgungsgesetz

1.4.6 Bundespersonalvertretungsgesetz

1.4.7 Sozialgesetzbuch IX

1.4.8 Gleichstellungsbeauftragte

1.4.9 Sicherheitsüberprüfungsgesetz

1.4.10 Verwaltungsvorschriften

1.4.11 Landesrecht

1.5 Geltungsbereich

1.5.1 Persönlicher Geltungsbereich

1.5.1.1 Beamte

1.5.1.2 Richter

1.5.1.3 Soldaten

1.5.1.4 Angehörige des Bundesfreiwilligendienstes

1.5.1.5 Notare

1.5.1.6 Geistliche

1.5.1.7 Vereine

1.5.2 Sachlicher Geltungsbereich

1.5.3 Zeitlicher Geltungsbereich – Übergangsbestimmungen

2. Verfahrensgrundsätze

2.1 Dienstvergehen

2.1.1 Tatbestand des Dienstvergehens

2.1.2 Verschulden

2.1.3 Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit

2.1.4 Einheit des Dienstvergehens

2.1.5 Bagatellverfehlungen

2.2 Legalitätsprinzip

2.3 Beschleunigungsgebot

2.4 Beteiligte

2.4.1 Beamter

2.4.2 Bevollmächtigte und Beistände

2.4.3 Dienstherr

2.5 Akteneinsicht

2.6 Rechtliches Gehör

2.7 Auskünfte an die Presse

3. Behördliches Disziplinarverfahren und Rechtsschutz

3.1 Einleitung

3.1.1 Einleitung von Amts wegen

3.1.2 Einleitung auf Antrag des Beamten

3.2 Ausdehnung und Beschränkung

3.3 Durchführung

3.3.1 Unterrichtung, Belehrung und Anhörung des Beamten

3.3.2 Pflicht zur Durchführung von Ermittlungen

3.3.2.1 Verfahrensgrundsätze

3.3.2.2 Absehen von Ermittlungen

3.3.3 Zusammentreffen mit anderen Verfahren

3.3.3.1 Strafverfahren

3.3.3.2 Personalauswahlverfahren

3.3.3.3 Datenschutzrechtliche Verfahren

3.3.4 Beweiserhebung

3.3.4.1 Allgemeines

3.3.4.2 Teilnahme des Beamten

3.3.4.3 Zeugen und Sachverständige

3.3.4.4 Herausgabe von Unterlagen

3.3.4.5 Beschlagnahmen und Durchsuchungen

3.3.4.6 Protokollierung

3.3.4.7 Innerdienstliche Informationen

3.3.4.8 Ergebnis der Ermittlungen

3.3.5 Abschließende Anhörung

3.3.6 Abgabe des Disziplinarverfahrens

3.4 Abschlussentscheidung

3.4.1 Einstellungsverfügung

3.4.2 Disziplinarverfügung

3.4.2.1 Formelle Anforderungen

3.4.2.2 Disziplinarbefugnisse

3.4.3 Erhebung der Disziplinarklage

3.4.3.1 Zulässigkeit der Disziplinarklage

3.4.3.2 Begründetheit der Disziplinarklage

3.4.4 Grenzen der erneuten Ausübung der Disziplinarbefugnisse

3.4.5 Wiederaufgreifen des Verfahrens

3.4.6 Kostentragungspflicht

3.5 Vorläufige Dienstenthebung und Einbehaltung von Bezügen

3.5.1 Vorläufige Dienstenthebung

3.5.2 Einbehaltung von Bezügen

3.5.2.1 Aktive Beamte

3.5.2.2 Ruhestandsbeamte

3.5.2.3 Einkünfte aus Nebentätigkeiten

3.5.3 Verfall, Erstattung und Nachzahlung

3.5.3.1 Verfall

3.5.3.2 Erstattung

3.5.3.3 Nachzahlung

3.6 Widerspruchsverfahren

3.6.1 Erforderlichkeit, Form und Frist des Widerspruchs

3.6.2 Widerspruchsbescheid

3.6.3 Grenzen der erneuten Ausübung der Disziplinarbefugnisse

3.6.4 Kostentragungspflicht

4. Gerichtliches Disziplinarverfahren und Rechtsschutz

4.1 Disziplinargerichtsbarkeit

4.1.1 Gerichtsverfassung

4.1.2 Kammer für Disziplinarsachen

4.1.3 Beamtenbeisitzer

4.1.4 Senate für Disziplinarsachen

4.1.5 Bundesverwaltungsgericht

4.2 Disziplinarverfahren vor dem Verwaltungsgericht

4.2.1 Disziplinarklageverfahren

4.2.1.1 Erhebung der Disziplinarklage

4.2.1.2 Erstzustellung

4.2.1.3 Amtsermittlung

4.2.1.4 Mängelrügen

4.2.1.5 Beschränkung des Disziplinarverfahrens

4.2.1.6 Bindung an tatsächliche Feststellungen aus anderen Verfahren

4.2.1.7 Aussetzung des Disziplinarverfahrens

4.2.1.8 Ladungen

4.2.1.9 Mündliche Verhandlung

4.2.1.10 Beweisaufnahme

4.2.1.11 Urteil

4.2.1.12 Grenzen der erneuten Ausübung der Disziplinarbefugnisse

4.2.2 Klagen zum Verwaltungsgericht

4.2.3 Besondere Verfahren

4.2.3.1 Antrag auf gerichtliche Fristsetzung

4.2.3.2 Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen

4.3 Disziplinarverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht

4.3.1 Berufung

4.3.1.1 Zulassungsberufung

4.3.1.2 Berufungsverfahren

4.3.1.3 Entscheidung

4.3.2 Beschwerde

4.4 Disziplinarverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

4.5 Wiederaufnahme des gerichtlichen Disziplinarverfahrens

4.5.1 Wiederaufnahmegründe

4.5.2 Unzulässigkeit der Wiederaufnahme

4.5.3 Verfahren

4.5.4 Entscheidungen

4.5.5 Rechtswirkungen, Entschädigung

4.6 Kostenentscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren

4.6.1 Kostentragungspflicht

4.6.2 Erstattungsfähige Kosten

4.6.2.1 Gebühren

4.6.2.2 Auslagen

4.6.2.3 Notwendige Aufwendungen Beteiligter

4.6.2.4 Rechtsanwälte

5. Disziplinarmaßnahmen

5.1 Arten der Disziplinarmaßnahmen

5.1.1 Disziplinarmaßnahmen gegen Beamte

5.1.2 Disziplinarmaßnahmen gegen Ruhestandsbeamte

5.2 Verweis

5.3 Geldbuße

5.4 Kürzung der Dienstbezüge

5.5 Zurückstufung

5.6 Entfernung aus dem Beamtenverhältnis

5.6.1 Rechtsfolgen

5.6.2 Unterhaltsbeitrag

5.6.3 Unterhaltsleistung

5.7 Kürzung des Ruhegehalts

5.8 Aberkennung des Ruhegehalts

5.8.1 Rechtsfolgen

5.8.2 Unterhaltsbeitrag

5.8.3 Unterhaltsleistung

5.9 Bemessung der Disziplinarmaßnahme

5.10 Zulässigkeit von Disziplinarmaßnahmen nach Straf- oder Bußgeldverfahren

5.10.1 Maßnahmeverbot

5.10.2 Zusätzliche Pflichtenmahnung

5.10.3 Sachverhaltsidentität

5.10.4 Verfahrensfragen

5.10.5 Disziplinarer Überhang

5.11 Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs

5.12 Verwertungsverbot

5.13 Entfernung aus der Personalakte

5.14 Begnadigung

Muster 1 (Einleitung von Ermittlungen)

Muster 2 (Ausdehnung des Disziplinarverfahrens)

Muster 3 (Beschränkung des Disziplinarverfahrens)

Muster 4 (Unterrichtung und Belehrung des Beamten)

Muster 5 (Ladung des Beamten zur Anhörung)

Muster 6 (Niederschrift über die Anhörung des Beamten)

Muster 7 (Aussetzung des Disziplinarverfahrens)

Muster 8 (Beweisaufnahme)

Muster 9 (Zeugenladung)

Muster 10 (Zeugenentschädigung)

Muster 11 (Bescheinigung über Verdienstausfall)

Muster 12 (Schriftliche Zeugenbefragung)

Muster 13 (Herausgabeverlangen)

Muster 14 (Aktenvermerk)

Muster 15 (Ergebnis der Ermittlungen)

Muster 16 (Ladung des Beamten zur abschließenden Äußerung)

Muster 17 (Niederschrift über die abschließende Äußerung)

Muster 18 (Einstellungsverfügung)

Muster 19 (Disziplinarverfügung)

Muster 20 (Vorläufige Dienstenthebung)

Muster 21 (Einbehaltung von Bezügen)

Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a. A.

anderer Ansicht

a. a. O.

am angegebenen Ort

ABegr.

Amtliche Begründung

Abs.

Absatz

Abschn.

Abschnitt

a. F.

alte Fassung

AGBDG

Gesetz zur Ausführung des Bundesdisziplinargesetzes

AGG

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

amtl.

amtlich(e)

Änd.

Änderung/en

Anl.

Anlage

Anm.

Anmerkung

AnwBl

Anwaltsblatt

apf

Ausbildung – Prüfung – Fachpraxis (Zeitschrift)

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

AVV

Allgemeine Verwaltungsvorschrift

BAG

Bundesarbeitsgericht

BAnz.

Bundesanzeiger

BayVBl.

Bayerische Verwaltungsblätter

BayVGH

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

BBesG

Bundesbesoldungsgesetz

BBG

Bundesbeamtengesetz

Bd.

Band

BDG

Bundesdisziplinargesetz

BDH

Bundesdisziplinarhof

BDHE

Entscheidungen des Bundesdisziplinarhofs, amtl. Sammlung, zit. nach Band und Seite

BDG

Bundesdisziplinargesetz

BDiA

Bundesdisziplinaranwalt

BDiszG

Bundesdisziplinargericht

BDiszNOG

Gesetz zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts

BDO

Bundesdisziplinarordnung

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

BeamtStG

Beamtenstatusgesetz

BeamtVG

Beamtenversorgungsgesetz

Bek.

Bekanntmachung

ber.

bereinigt, berichtigt

Beschl.

Beschluss

betr.

betreffend

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl. I

Bundesgesetzblatt (Teil I)

BGebG

Bundesgebührengesetz

BGH

Bundesgerichtshof

BGleiG

Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes

BGS

Bundesgrenzschutz

Bl.

Blatt, Blätter

BMI

Bundesministerium des Innern

BNotO

Bundesnotarordnung

BPersVG

Bundespersonalvertretungsgesetz

BPolBG

Bundespolizeibeamtengesetz

BRRG

Beamtenrechtsrahmengesetz

Buchst.

Buchstabe

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, amtl. Sammlung, zit. nach Band und Seite

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, amtl. Sammlung, zit. nach Band und Seite

BWV

Bundeswehrverwaltung (Zeitschrift)

BZRG

Bundeszentralregistergesetz

bzw.

beziehungsweise

d.

der, des

DJubV

Dienstjubiläumsverordnung

DÖD

Der öffentliche Dienst (Zeitschrift)

DÖV

Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)

Dok. Ber.

Dokumentarische Berichte (über Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts)

DRiG

Deutsches Richtergesetz

Drs.

Drucksache

DSGVO

Datenschutz-Grundverordnung

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

DVP

Deutsche Verwaltungspraxis (Zeitschrift)

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Einl.

Einleitung

EMRK

Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

Entsch.

Entscheidung

Erl.

Erläuterung

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EV

Einigungsvertrag

f.

folgende

ff.

fortfolgende

FG

Finanzgericht

Fn.

Fußnote

gem.

gemäß gemeinsam

GG

Grundgesetz

GKG

Gerichtskostengesetz

GKÖD

Gesamtkommentar öffentliches Dienstrecht

GMBl.

Gemeinsames Ministerialblatt des Bundesministeriums des Innern u. a.

GVBl.

Gesetz- und Verordnungsblatt

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

Halbs.

Halbsatz

HessVGH

Hessischer Verwaltungsgerichtshof

Hrsg.

Herausgeber

i. d. F.

in der Fassung

i. S. d.

im Sinne der, des

i. V. m.

in Verbindung mit

JVEG

Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz

Kap.

Kapitel

KostÄndG

Gesetz zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften

KVz.

Kostenverzeichnis

LTO

Legal Tribune Online

m.

mit

MDR

Monatsschrift für deutsches Recht

MiStra

Mitteilungen in Strafsachen

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NBesG

Niedersächsisches Besoldungsgesetz

NDO

Niedersächsische Disziplinarordnung

NdsOVG

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht

NdsVBl.

Niedersächsische Verwaltungsblätter

n. F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport

NPA

Neues Polizei Archiv

Nr.

Nummer

Nrn.

Nummern

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NStZ-RR

Neue Zeitschrift für Strafrecht-Rechtsprechungsreport

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungsreport

OLG

Oberlandesgericht

OVG

Oberverwaltungsgericht

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

PersV

Die Personalvertretung (Zeitschrift)

PolBeauftrG

Polizeibeauftragtengesetz

PolVBDVorgV

Polizeivollzugsbeamten-Dienstvorgesetztenverordnung

RBerG

Rechtsberatungsgesetz

RdNr.

Randnummer

RdSchr.

Rundschreiben

RiA

Recht im Amt (Zeitschrift)

RmBereinVpG

Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess

RVG

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz

s.

siehe

S.

Seite(n)

Sachgeb.

Sachgebiet

SG

Soldatengesetz

SGB IV

Sozialgesetzbuch Viertes Buch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung)

SGB IX

Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen)

SGB X

Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz)

sog.

sogenannte/r

spät.

spätere

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

str.

streitig

StrEG

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen

stRspr

ständige Rechtsprechung

SÜG

Sicherheitsüberprüfungsgesetz

ThürOVG

Thüringer Oberverwaltungsgericht

ThürVBl.

Thüringer Verwaltungsblätter

Urt.

Urteil

v.

vom

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

VO

Verordnung

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz (Bund)

VwVG

Verwaltungsvollstreckungsgesetz (Bund)

VwZG

Verwaltungszustellungsgesetz (Bund)

WDO

Wehrdisziplinarordnung

WPflG

Wehrpflichtgesetz

WV

Wiedervorlage

ZBR

Zeitschrift für Beamtenrecht

ZDG

Zivildienstgesetz

zit.

zitiert

ZPO

Zivilprozessordnung

zul.

zuletzt

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1.Grundlagen des Disziplinarrechts

1.1Einführung

Das Disziplinarrecht bildet die Summe der Rechtsnormen über den Inhalt und die Behandlung von Dienstvergehen bestimmter Beschäftigungsgruppen des öffentlichen Dienstes, die zu ihrem Dienstherrn in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. In erster Linie gehören dazu die Beamten, Soldaten und Richter (vgl. unten 1.5.1). Auf Angestellte und Arbeiter erstreckt sich das Disziplinarrecht nicht. Vielmehr unterliegen solche Beschäftigte ausschließlich dem privaten Arbeitsrecht.

Das Disziplinarrecht wird wegen seiner öffentlich-rechtlichen und einseitigen Ausgestaltung als Bestandteil der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ (Art. 33 Abs. 5 GG) angesehen.[1]

Das Disziplinarrecht ist in das materielle Disziplinarrecht (Pflichtenkreis des Beamten, vgl. unten 1.4.3.2) und in das Disziplinarverfahrensrecht (vgl. unten 1.4.2 und 2. bis 5.) gegliedert.

1.2Historischer Abriss

Nachdem sich das „Dienststrafrecht“ im 19. Jahrhundert zu einem eigenständigen Teil des Beamtenrechts entwickelt hatte[2], waren bis 1933 verschiedene Bemühungen gescheitert, eine für das ganze Deutsche Reich verbindliche Dienststrafordnung zu erlassen. Im Jahr 1937 erging die Reichsdienststrafordnung[3], auf der die erste Bundesdisziplinarordnung[4] (BDO) fußte.

Reformbestrebungen, die auf eine Verbesserung des Rechtsschutzes und eine „Humanisierung“ des Disziplinarrechts, einschließlich einer Umbenennung in „Dienstordnungsrecht“ abzielten, mündeten im Jahr 1967 in eine Neufassung der BDO[5]. Das Verfahrensrecht der BDO war weitgehend an der Strafprozessordnung und am Gerichtsverfassungsgesetz orientiert[6], auch wenn es auf strafrechtliche Begriffe wie „Beschuldigter“ und „Strafe“ zugunsten von „Beamter“ und „Disziplinarmaßnahme“ verzichtete.

Die BDO galt nach der Wiedervereinigung Deutschlands nach Maßgabe des Einigungsvertrages zunächst auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR einschließlich Berlin/Ost.[7]

Nach weiteren 34 Jahren hat sich der Bundesgesetzgeber zu einer vollständigen Trennung des Disziplinarrechts vom Strafprozessrecht entschlossen. In ihrem „Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts“[8] kritisierte die Bundesregierung, das seit 1967 geltende, nahezu unveränderte Bundesdisziplinarrecht sei „in weiten Teilen sehr unübersichtlich und in verfahrensrechtlicher Hinsicht vielfach nicht praktikabel“. Hierin liege eine wesentliche Ursache für die allseits beklagte lange Dauer der Verfahren. Angesichts dessen liege es sowohl im Interesse des Dienstherrn als auch im Interesse der Betroffenen, „im Zuge der Verwaltungsmodernisierung auch das Disziplinarrecht den Anforderungen einer modernen und effektiven Verwaltung und Rechtspflege anzupassen“.

Diesem Vorhaben verlieh das Bundesdisziplinargesetz (BDG)[9] Gestalt. Die Vielzahl der vorzunehmenden Änderungen machte es aus Sicht des Bundesgesetzgebers erforderlich, von einer Novellierung lediglich einzelner Bestimmungen der BDO Abstand zu nehmen und stattdessen ein nunmehr als „Bundesdisziplinargesetz“ bezeichnetes und vollständig neu gefasstes Gesetz zu erlassen. Umfassende verfahrensrechtliche und institutionelle Veränderungen schufen die Voraussetzungen dafür, dass Disziplinarverfahren künftig effektiver und dadurch auch kostengünstiger abgewickelt werden konnten. Gleichzeitig wurde der rechtsstaatliche Standard für die Betroffenen verbessert.[10] Das Disziplinarverfahren ist seither als reines Verwaltungsverfahren ausgestaltet. Soweit gerichtliche Entscheidungen erforderlich sind, sind ausschließlich die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung anzuwenden.[11] Das Bundesdisziplinargericht und die Institution des Bundesdisziplinaranwalts wurden abgeschafft.[12] Der beabsichtigte Einspareffekt des Gesetzes ist unübersehbar.[13]

Das Gesetz trat zum 1. Januar 2002 in Kraft.[14] Gleichzeitig trat die Bundesdisziplinarordnung mit einer Reihe auf ihr beruhender Rechtsverordnungen außer Kraft.[15]

Im Jahre 2021 beschloss die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag, Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem Dienst zu entfernen, um „die Integrität des öffentlichen Dienstes sicherzustellen“.[16] Auf Zurückstufungen, Entfernung aus dem Dienst und Aberkennung des Ruhegehalts gerichtete statusrelevante Verfahren beanspruchten unter der bisher geltenden Rechtslage mehrere Jahre. Eine solch lange Verfahrensdauer sei nicht hinzunehmen, auch weil die Betroffenen während des gesamten Disziplinarverfahrens weiterhin Dienstbezüge erhielten. Mit dem zum 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetz zur Beschleunigung von Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften[17] sollten diese Zustände behoben werden. Wesentliche Schwerpunkte des Gesetzes sind der Ausbau der behördlichen Disziplinarbefugnisse und der Wegfall der Disziplinarklage, die Ausgestaltung der Berufung als Zulassungsberufung, die Konkretisierung der Bemessungstatbestände für Disziplinarmaßnahmen, die Ausweitung vorläufiger Maßnahmen, die Korrektur finanzieller Fehlanreize bei Entfernungen aus dem Beamtenverhältnis sowie die Sicherung und Stärkung der Rechte der Beamten[18].

Die Neuordnung des Disziplinarrechts ist nicht auf den Bund beschränkt. Sie orientiert sich vielmehr an der in Baden-Württemberg schon seit mehr als zehn Jahren geltenden Praxis. Das Bundesverfassungsgericht hält die Entfernung eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis durch Verwaltungsakt ebenfalls für zulässig[19]. Zur Rechtslage in den einzelnen Ländern vgl. unten 1.4.11.

1.3Zweck des Disziplinarrechts

Das Disziplinarrecht bezweckt keine strafrechtlichen Sanktionen. Das Strafrecht ist darauf ausgerichtet, abzuschrecken (Spezial- und Generalprävention) sowie zu sühnen und zu vergelten. Das Disziplinarrecht bezweckt demgegenüber hauptsächlich die Reinhaltung des Berufsbeamtentums, die Erziehung des Beamten (Pflichtenmahnung) und die Wahrung, Festigung und Sicherung der Dienstordnung im Interesse der Gesamtheit.[20] Disziplinarmaßnahmen sind ein Mittel der Personalführung.

Das verfassungsrechtliche Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG), das im Disziplinarrecht ebenfalls gilt[21], wird nicht umgangen, wenn ein Beamter wegen eines Verhaltens sowohl strafrechtlich als auch disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen wird.[22]

Der Dienstherr hat das Recht, einen Beamten für die Dauer eines gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens aus einem Auswahlverfahren um einen förderlichen Dienstposten wegen der hiermit einhergehenden Zweifel an dessen Eignung auszuschließen. Eine gerichtliche Beanstandung ist lediglich dann zulässig, wenn angesichts der gegen den Beamten erhobenen Vorwürfe offensichtlich kein Anlass zur Einleitung eines gegen ihn gerichteten Disziplinarverfahrens bestand. Gleiches gilt, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung der Verdacht eines Dienstvergehens nicht mehr vorliegt oder wenn der Abschluss des Disziplinarverfahrens in rechtsmissbräuchlicher Weise verzögert wurde[23].

1.4Rechtsgrundlagen

Neben einer für alle Bundesbeamten verbindlichen Verfahrensordnung in Form des Bundesdisziplinargesetzes trägt eine Reihe weiterer Vorschriften disziplinaren oder disziplinarähnlichen Charakter oder weist Bezüge zum Disziplinarrecht auf. Beispielsweise befassen sich das Bundesbeamtengesetz, das Bundesbesoldungsgesetz und das Beamtenversorgungsgesetz mit beamten-, besoldungs- oder versorgungsrechtlichen Konsequenzen disziplinarer Natur. Der Überblick über solche Vorschriften ist nicht leicht zu gewinnen. Sie reichen vom Grundgesetz über einfachgesetzliche Regelungen bis hin zu Verwaltungsvorschriften.

Im Folgenden sind die wichtigsten Vorschriften mit disziplinarrechtlichem Bezug zusammengestellt:

1.4.1Grundgesetz

Art. 73 Nr. 8 GG weist dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über „die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen“ zu. Von dieser Kompetenz hat der Bund mit dem BDG – und vorangehend mit der BDO – Gebrauch gemacht.[24]

Am 1. September 2006 trat die sogenannte Föderalismusreform[25] in Kraft. Es handelte sich dabei um die größte Verfassungsreform seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Kernstück der Reform war die Änderung der Gesetzgebungskompetenzen.

Bis dahin galt Folgendes: Bezüglich der „im öffentlichen Dienste der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen“ oblag dem Bund eine Rahmenkompetenz (Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG a. F.), „soweit Artikel 74a GG a. F. nichts anderes bestimmt“. Auf dieser verfassungsrechtlichen Grundlage hatte der Bund das BRRG erlassen, das in seinem § 45 eine dem § 71 BBG vergleichbare Vorschrift über die Nichterfüllung von Pflichten als Dienstvergehen enthielt. § 45 Abs. 3 BRRG, der inzwischen weggefallen ist, enthielt eine Verweisung auf „die Disziplinargesetze“, die „das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln“.

Art. 74a GG a. F. regelte die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Besoldung und Versorgung im öffentlichen Dienst. Wie noch zu zeigen ist (vgl. unten 1.4.4 und 1.4.5), weisen die besoldungs- und versorgungsrechtlichen Vorschriften des Bundes zum Teil einschneidende disziplinarrechtliche Bezüge auf.

Die konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 74 a GG a. F. und die Rahmengesetzgebung nach Art. 75 GG a. F. sind aufgehoben worden. Die Bereiche der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung wurden auf die Zuständigkeit der Länder verlagert (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG n. F.). Das bisher geltende Recht zur Besoldung und Versorgung gilt jedoch fort, bis es durch Landesrecht ersetzt wird.[26] Auch das BRRG gilt als Bundesrecht fort.[27]

Von der durch Art. 96 Abs. 4 GG eingeräumten Möglichkeit, „Bundesgerichte zur Entscheidung im Disziplinarverfahren und Beschwerdeverfahren“ zu errichten, hatte der Bund u. a. in der BDO Gebrauch gemacht. § 42 BDO sah die Errichtung des Bundesdisziplinargerichts (in Frankfurt am Main) vor, dessen Kammern über das gesamte Bundesgebiet verteilt waren. Beschwerde- und Berufungsinstanz war insoweit das Bundesverwaltungsgericht mit seinen beiden Disziplinarsenaten (§§ 55, 79, 80 BDO). Für die Bundeswehr wurden Truppendienstgerichte und beim Bundesverwaltungsgericht Wehrdienstsenate eingerichtet.

Die verfassungsrechtlichen Verfahrensgrundrechte gelten auch im Disziplinarverfahren. Zu nennen sind insbesondere das Gebot eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens (Art. 20 Abs. 3 GG), das Verbot von Ausnahmegerichten und das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 GG), der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG).

Für das Disziplinarverfahren ergibt sich das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch gem. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG, soweit die Disziplinarbefugnis nicht durch die Disziplinarbehörden, sondern – dem Strafprozess vergleichbar – durch die als Disziplinargerichtsbarkeit fungierenden Verwaltungsgerichte ausgeübt wird.[28]

1.4.2Bundesdisziplinargesetz

Am 1. Januar 2002 ist das Bundesdisziplinargesetz (BDG) vom 9. Juli 2001[29] in Kraft getreten. Es hat die Bundesdisziplinarordnung (BDO) aus dem Jahre 1967 abgelöst und bildet seither für den Bund die Grundlage des Disziplinarverfahrensrechts.

Das BDG hebt sich von der BDO in mehrfacher Beziehung deutlich ab.[30] Die BDO litt in weiten Teilen an einer unzureichend strukturierten Gliederung, die den praktischen Umgang mit dem Gesetz erheblich erschwerte. Beispielsweise fehlte eine klare Trennung zwischen dem behördlichen und dem gerichtlichen Disziplinarverfahren; stattdessen wurden einzelne Elemente des gerichtlichen Verfahrens an verschiedenen Stellen zwischen den Vorschriften zum behördlichen Verfahren geregelt (z. B. §§ 20, 23, 23a, 24, 31 BDO). Die Behandlung des Gerichtsaufbaus (§§ 41 bis 55 BDO) zwischen den Vorschriften über die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens (§§ 33 bis 36 BDO) und die Untersuchung durch den Untersuchungsführer (§§ 56 ff. BDO) wirkten besonders deplatziert. Demgegenüber fasst das BDG die Vorschriften über das behördliche und das gerichtliche Verfahren in jeweils einem Teil zusammen.[31]

Allerdings ist auch dem BDG ein gewisser Vorwurf von Unsystematik nicht zu ersparen: So werden die Disziplinarmaßnahmen im Teil 2 des Gesetzes geregelt (§§ 5 bis 16 BDG), das behördliche und gerichtliche Verfahren in den folgenden Teilen 3 und 4 (§§ 17 bis 44 und §§ 45 bis 78 BDG). Der Teil 5 (Unterhaltsbeitrag, Unterhaltsleistung und Begnadigung) hingegen knüpft wiederum unmittelbar an die im 2. Teil geregelten Disziplinarmaßnahmen an.

Verfahrensrechtlich löst sich das BDG von der – in dieser Form ohnehin nicht mehr zeitgemäßen – Bindung an das Strafprozessrecht. Es ist stattdessen eng an das Verwaltungsverfahrensrecht und an das Verwaltungsprozessrecht angelehnt (§ 3 BDG).[32] Dadurch sollte der Verwaltung und der Justiz eine Abwicklung der Disziplinarverfahren im Rahmen der für sie bewährten Verfahrensordnungen effizient ermöglicht werden. Wird etwa ein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil ein Beamter unerlaubt vom Dienst fernbleibt, und wurde er in der Zwischenzeit an einen neuen Dienstort versetzt, kommt für die Ermittlung der Zuständigkeit die Regelung des § 3 Abs. 3 VwVfG zur Anwendung. Nach dem gesetzgeberischen Willen wurde bewusst von einer eigenständigen Regelung im BDG abgesehen, da in aller Regel aus Gründen der Effizienz das Ermittlungsverfahren von der Behörde betrieben und abgeschlossen werden, welche die Verhältnisse vor Ort und den betroffenen Beamten am besten kennt und eine Nähe zur Sache hat[33].

Bei der Ausgestaltung des behördlichen Disziplinarverfahrens verzichtet das BDG auf die – seit Langem umstrittene – Unterscheidung zwischen einem nicht förmlichen und einem förmlichen Verfahren. Stattdessen sieht das BDG ein einheitliches Verwaltungsverfahren vor (§§ 17 bis 44 BDG), in dessen Mittelpunkt die Ermittlungen stehen. Deren Ergebnis bildete bis zum 1. April 2024 die Grundlage sowohl für den Erlass einer Disziplinarverfügung als auch für die Erhebung einer Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht. Durch diese Konzeption sollte ein doppelter Ermittlungsaufwand vermieden werden, wie er bislang durch das Nacheinander von Vorermittlungen und Untersuchung gegeben war. Auch die mit dieser Neuregelung einhergehende Straffung und Konzentration des Verfahrens führte zu einer erheblichen Effizienzsteigerung.

Auf die vormalige Institution des mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestatteten Untersuchungsführers[34] verzichtet das BDG. Diese Einrichtung entstand in einer Zeit, als die heute selbstverständlichen rechtsstaatlichen Garantien noch nicht ohne Weiteres gewährleistet waren. Der Umfang der Aufklärung und die verfahrensmäßigen Rechte der Betroffenen werden hierdurch nicht berührt. Im Gegenteil erfährt ihre Stellung im gerichtlichen Verfahren dadurch eine wesentliche Stärkung, dass die Ermittlungsergebnisse des behördlichen Verfahrens eine unmittelbare Beweisaufnahme des Gerichts nicht mehr ersetzen können. Das Gericht muss vielmehr selbst über streitige Tatsachen Beweis erheben (§ 58 BDG).

Die Disziplinarbefugnis des Dienstvorgesetzten wurde schrittweise erweitert. Er konnte seit dem Inkrafttreten des BDG nicht nur Verweise und Geldbußen (§§ 6, 7, 33 BDG) verhängen, sondern auch Kürzungen der Dienstbezüge und des Ruhegehalts (§§ 8, 11, 33 BDG). Seit dem 1. April 2024 kann die zuständige Behörde auch Entlassungen aus dem Beamtenverhältnis verfügen und Ruhegehälter aberkennen (§§ 33, 34 BDG n. F.), Befugnisse, die bis dahin den Verwaltungsgerichten vorbehalten waren. Dadurch konnten die aufwendigen und belastenden Disziplinarklageverfahren abgeschafft werden. Gleichzeitig werden die Disziplinarverfahren beschleunigt und die Gerichte entlastet.

Mit den Reformbestrebungen untrennbar verbunden war die Verlagerung der gerichtlichen Disziplinarverfahren auf die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit (§§ 45 ff. BDG). Diese Verlagerung geht bereits auf eine Forderung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 1967 zurück. Die Übertragung der gerichtlichen Disziplinarverfahren auf die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit machte zum einen das Bundesdisziplinargericht (§§ 41 ff. BDO) überflüssig.[35] Zum anderen fiel der atypische und teuere Einsatz des Bundesverwaltungsgerichts als zweite Tatsacheninstanz (§§ 55, 80 ff. BDO) weg. Das Berufungs- und Beschwerdeverfahren ist auch im Disziplinarrecht auf die Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe der Länder zugeschnitten (§§ 45, 51, 64 ff., 67 f. BDG). Das Bundesverwaltungsgericht kann sich damit auf seine klassische Rolle als Revisionsgericht konzentrieren (§§ 69 f. BDG) und Revisionsinstanz sowohl für das Bundes- als auch für das Landesdisziplinarrecht sein (§ 187 VwGO). Überdies können die Verwaltungsgerichte die Einheitlichkeit der Rechtsprechung auf dem Gebiet des Disziplinarrechts gewährleisten. Wenn alle allgemeinen Streitigkeiten des Bundesbeamtenrechts in erster und zweiter Instanz von den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten entschieden werden, ist für das Disziplinarrecht als Teil des Beamtenrechts ein Systembruch, wie er mit der BDO vorhanden war, nicht einzusehen. Im Gegenteil – ein derartiger Systembruch würde die notwendige Einheitlichkeit des Disziplinarrechts in Bund und Ländern behindern, wenn man bedenkt, dass der Pflichtenkreis von Bundes- und Landesbeamten grundlegend übereinstimmt. Schließlich bedeutete die Übertragung der erst- und zweitinstanzlichen Zuständigkeit für gerichtliche Disziplinarverfahren auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Länder und die Abschaffung des Bundesdisziplinargerichts für den Bund eine erhebliche Kostenersparnis.

Die Neuordnung des Disziplinarverfahrens bedingte weiterhin eine Auflösung der Institution des Bundesdisziplinaranwalts[36]. Seine originären Aufgaben konzentrierten sich bisher im Wesentlichen auf das förmliche Disziplinarverfahren (§§ 37 ff. BDO).

1.4.3Bundesbeamtengesetz

1.4.3.1Begriff des Dienstvergehens

§ 47 BeamtStG und § 77 BBG enthalten mit einer Legaldefinition des Begriffs „Dienstvergehen“ zentrale materiellrechtliche Vorschriften des Disziplinarrechts (vgl. auch unten 2.1). Sie lauten:

§ 47 BeamtStG – Nichterfüllung von Pflichten

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

§ 77 BBG – Nichterfüllung von Pflichten