Das Altersheim kann warten - Bettina Horster - E-Book

Das Altersheim kann warten E-Book

Bettina Horster

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Beschreibung

»Jung bleiben! Neudeutsch: Agile Aging. Es ist großartig, dass wir nun eine Anleitung in den Händen halten, die uns Healthy Longevity leicht macht, im Kopf, im Herzen und… digital!«
(Nina Ruge)


Die meisten Menschen möchten auch den letzten Lebensabschnitt so lange wie möglich selbstbestimmt, am besten zuhause in den eigenen vier Wänden verbringen. Doch mit zunehmendem Alter benötigen Viele Pflege und ein Maß an Unterstützung, das oft aus diversen Gründen vom Umfeld nicht geleistet werden kann. Ergänzende Angebote durch technische Hilfsmittel können eine bedarfsgerechte Lösung ermöglichen, die die individuellen Bedürfnisse ebenso berücksichtigt wie für Komfort, Sicherheit und Teilhabe sorgt. Welche Technologien es heute schon gibt, was sie bereits können und was in Zukunft möglich sein wird, darüber berichtet dieses Buch kurzweilig und gut verständlich. Es zeigt die Chancen und Grenzen der Technik auf und verrät, wie der Alltag mit digitalen Assistenten, e-Health und Robotik aussehen kann. Dabei informiert es auch umfassend darüber, was man selbst tun kann bzw. wie man sich auf eventuelle Herausforderungen digital und technisch vorbereitet, um auch im hohen Alter autonom und zufrieden leben zu können.

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Seitenzahl: 246

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Inhalt

Die meisten Menschen möchten auch den letzten Lebensabschnitt so lange wie möglich selbstbestimmt, am besten zuhause in den eigenen vier Wänden verbringen. Doch mit zunehmendem Alter benötigen viele Pflege und ein Maß an Unterstützung, das oft aus diversen Gründen vom Umfeld nicht geleistet werden kann. Ergänzende Angebote durch technische Hilfsmittel können eine bedarfsgerechte Lösung ermöglichen, die die individuellen Bedürfnisse ebenso berücksichtigt wie für Komfort, Sicherheit und Teilhabe sorgt. Welche Technologien es heute schon gibt, was sie bereits können und was in Zukunft möglich sein wird, darüber berichtet dieses Buch kurzweilig und gut verständlich.

Das Buch beschreibt sehr treffend und eindrucksvoll, welche Lösungen es bereits gibt und wie diese den Alltag aller Menschen in der Pflege bereichern können.

Prof. Dr. Ingo Froböse, Gesundheits-Experte und Bestsellerautor

Es ist faszinierend und ermutigend, welche Chancen eine bedarfsgerechte Anwendung neuer Technologien für ein selbstbestimmtes Leben im Alter bieten kann. Dieses Buch ist ein wahrer Augenöffner für alle, die nach Wegen zum Erhalt von Lebensqualität, Autonomie und Sicherheit in höherem Lebensalter suchen. Unbedingte Leseempfehlung!

Dr. Sarah Straub, Demenz-Expertin und Autorin

Jeder Tag, den ein alter Mensch in seinem Zuhause bleiben kann, ist ein wertvoller Tag. Ich bin fasziniert, welche digitalen Möglichkeiten dieses Buch beschreibt, um das zu ermöglichen.

Sabine Asgodom, Coach und Bestsellerautorin

Die mittlere Generation in unserer Gesellschaft hat die nicht zu unterschätzende Belastung bei der Sorge um älter werdende Menschen. Hier füllt das vorliegende Buch endlich eine Lücke und führt Angehörige und Betroffene einfühlsam und informativ an das Thema »Digitale Unterstützung durch intelligente Systeme« heran.

Dr. Stress, Dr. med. Sabine Schonert-Hirz, Unternehmensberaterin, Stress-Expertin und Autorin

Jung bleiben! Neudeutsch: Agile Aging. Es ist großartig, dass wir nun eine Anleitung in den Händen halten, die uns Healthy Longevity leicht macht, im Kopf, im Herzen und … digital!

Nina Ruge, Bestsellerautorin und Moderatorin des Podcasts STAYOUNG

Mehr über die Autorinnen erfahren Sie auf der letzten Seite im Buch.

Bettina Horster · Gesa A. Linnemann

Linda-Elisabeth Reimann

DASALTERSHEIMKANNWARTEN

Neue digitale Wege für ein selbstbestimmtes und sicheres Leben im Alter

Der Verlag behält sich die Verwertung des urheberrechtlich geschützten Inhalts dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Copyright © 2024 Kösel-Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Ralf Lay

Umschlag: zero-media.net, München

Umschlagmotiv: FinePic®, München

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-32007-2V001

www.koesel.de

Inhalt

Kapitel 1 Was ist »das Alter«? Eine Orientierung

Drei Fallbeispiele

Die Alten sind doch alle gleich, oder?

Kapitel 2 Familiäre und gesellschaftliche Trends bei der Pflege älterer Menschen

Der demografische Wandel: Pyramide und Tannenbaum

Der Blick in die Welt – Lösungen in anderen Ländern

Kapitel 3 »So was kann ich nicht mehr!« – Digitalisierung im Alter?

Digitalisierung – was ist das eigentlich?

Veränderungen, Teilhabe und Partizipation

Kapitel 4 Die Zukunft ist da! Oder?

Kapitel 5 Spaß und Unterhaltung

Kommunikation – Verbundenheit durch Digitalisierung

(Video)spiele und Sport

Kulturangebote

Fazit: zu Hause bleiben?

Kapitel 6 KI für das Alter

KI verstehen

Probleme von KI

Einblick in KI-Lösungen für Ältere

Kapitel 7 Intelligente Assistenzsysteme

Der Einsatz bei Seniorinnen und Senioren

Wie soll das alles funktionieren?

Weitere Hürden einer gelungenen Implementierung

Kapitel 8 Sprachassistenten

Mein Freund, der Sprachassistent?

Die Nützlichkeit von Sprachassistenten

Wenn Menschen nicht mehr können

Kapitel 9 E-Health

Telematik

Telemedizin und Telepflege

Digitale Gesundheits- und Pflegehelfer

Kapitel 10 Robotik

Haushaltsroboter

Soziale Roboter

Pflege- oder Serviceroboter

Mensch-Roboter-Interaktion

Ich? Nein du! – Probleme bei der Mensch-Roboter-Interaktion

Kapitel 11 Virtuelle und Erweiterte Realität

Virtuelle Realität

Erweiterte Realität

Probleme von Virtueller und Erweiterter Realität

Kapitel 12 Hindernisse und Gefahren

Der Mensch und die Akzeptanz von Technologie

Partizipation und Unterstützung

Datenschutz

Kosten

Politische Rahmenbedingungen

Der Markt

Geschäftsmodelle

Kapitel 13 Die praktische Anwendung der digitalen Lösungen

Zusammenfassung

Das können Sie direkt umsetzen

Zum Schluss

Anhang

Links und Kontakte

Anmerkungen

Über die Autorinnen

Kapitel 1WAS IST »DAS ALTER«? EINE ORIENTIERUNG

Was ist »das Alter«? Vielleicht denken Sie jetzt, was das denn bitte für eine komische Frage ist, denn jeder weiß doch schließlich, was das Alter ist. Aber ist das wirklich so? Gönnen wir uns einen zweiten Gedanken. Wenn Sie sich eine ältere Person vorstellen, was geht Ihnen durch den Kopf? Denken Sie an Jane Fonda, Iris Berben und Sky du Mont. Oder haben Sie abstrakte Stereotypen von beigefarbenen Jacken mit zu vielen Taschen im Kopf? Und wo wir schon dabei sind, ab wann beginnt das Alter überhaupt für Sie? Mit sechzig, siebzig, achtzig oder doch erst mit neunzig Jahren? Und was ist, wenn Sie dieses Alter einmal erreicht haben? Sind Sie selbst dann auch alt, oder ist das eine Zuschreibung, die immer nur für die anderen gilt?

In einem unserer Gespräche erzählte uns eine Frau von einer Äußerung ihrer – wohlgemerkt 92-jährigen – Großmutter, die für zwei Wochen zur Kurzzeitpflege im Seniorenheim gewohnt hatte. Auf die Frage, wie es ihr denn dort gefallen habe, antwortete sie: »Das war nichts für mich, da waren nur alte Leute!« Darüber haben wir im ersten Moment natürlich gelacht. Doch versuchen Sie sich einmal vorzustellen, wie Sie sich selbst mit 92 Jahren sehen. Wenn Ihnen das schwerfällt, grämen Sie sich nicht. Sie sind weder pessimistisch, noch mangelt es Ihnen an Vorstellungsvermögen. Den meisten Menschen geht das so. Genauso wie man sich als Kind nicht vorstellen konnte, irgendwann mal erwachsen zu werden, und wie das gefühlte ohnehin meist nie mit dem tatsächlichen biologischen Alter übereinstimmt, ist es auch schwierig, sich selbst in einem so betagten Alter vorzustellen.

Vielleicht haben Sie sich bei dem kleinen Gedankenexperiment auch direkt gedacht: »So alt möchte ich aber auch nur werden, wenn es mir dabei gut geht!« Aber was heißt das konkret? Was verstehen Sie, was verstehen wir und was versteht die Gesellschaft unter dem Alter, und was bedeutet »gut gehen« in diesem Zusammenhang?

Die Frage nach dem Alter steht also nicht ohne Grund am Anfang dieses Buches, denn das, was wir gesellschaftlich und persönlich unter dem Alter verstehen, kann sehr verschieden sein. Sicher denkt kaum eine oder einer von Ihnen bei der Frage nach dem Alter an eine extravagante ältere Dame mit einem knallpinken Kunstfellmantel, der kaum ohne das nötige Selbstbewusstsein getragen werden kann. Aber im Alter gibt es knallpinke Mäntel genauso wie beigefarbene Funktionsjacken. Wenn man sich die Schuhmode für die älteren Menschen ansieht, kann man beobachten, dass in den meisten Fällen alles schön bequem sein muss. Das Aussehen ist zweitrangig und die Verwirklichung individueller Vorlieben quasi obsolet. Es scheint unmöglich zu sein, ebendiese individuellen Vorlieben beim Aussehen und die erforderliche Funktion zu vereinen. Aber passt das noch zum heutigen Selbstverständnis von älteren Menschen?

Berben, Fonda und du Mont sind schick, und das ist ebenso okay wie ein älterer Mensch in Gesundheitsschuhen und funktioneller Kleidung, denn schließlich sind wir alle verschieden, haben andere Vorlieben, eine einzigartige Persönlichkeit und einen anderen Geschmack. Diese Individualität hört ja nicht auf, wenn man ein bestimmtes Alter erreicht hat oder weil andere Menschen einem das Attribut »alt« zuschreiben.

Deswegen ist es auch nur zu verständlich, dass ältere Personen so wenig Begeisterung zeigen, wenn Angehörige von einem Umzug in ein Seniorenheim sprechen. Denn dort mangelt es oftmals an jeglicher Individualität: Essenszeiten sind vorgeschrieben, Zimmer sind immer zugänglich für das Pflegepersonal, und die meist weiße bis hellbraune Einrichtung entspricht ebenfalls nicht dem Geschmack jeder Person. Zudem erfolgt dort eine Absonderung von älteren Menschen auf eine Art und Weise, welche die Angst oder zumindest Skepsis vor diesen Einrichtungen mehr als verständlich macht.

Bitte verstehen Sie uns an dieser Stelle nicht falsch: Das soll ausdrücklich keine Kritik am Pflegepersonal oder an den Angehörigen sein, die aus persönlichen Gründen keinen anderen Weg sehen, als ihre Eltern oder Großeltern in Seniorenheimen unterzubringen. Und wir verstehen auch die Vorteile bezüglich Nützlichkeit, Einfachheit und Sparsamkeit, die aufgrund vieler struktureller Probleme momentan schlicht und ergreifend nötig sind und zu ebendiesem Verlust an Individualität führen. Dennoch ist es ein Fakt, dass der momentane Aufbau und die Ausstattung dieser Einrichtungen häufig nicht zeitgemäß oder ansprechend sind. Dementsprechend ist es kein Wunder, wenn fast alle älteren Menschen es bevorzugen, so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden so individuell, frei und autonom zu leben, wie es eben geht und wie es für alle Beteiligten vertretbar ist.

Genau an dem Punkt soll Ihnen dieses Buch einen Mehrwert bieten. Wir möchten aufzeigen, welche technischen Möglichkeiten es inzwischen gibt, um älteren Menschen diesen bevorzugten Lebensstil zu ermöglichen. Wir werden dabei in den einzelnen Kapiteln unterschiedliche Schwerpunkte setzen, die Technologie dahinter verständlich erklären und anhand verschiedener Beispiele und Erfahrungswerte aus unserer praktischen Arbeit einordnen, inwiefern bestimmte Technologien von Vorteil sein können. Natürlich müssen wir dabei ehrlich bleiben; daher sprechen wir auch Hürden und Probleme an, die in Zukunft noch zu meistern sind. Allerdings hoffen wir, einen Beitrag dazu zu leisten, dass am Ende niemand mehr einfach sagt oder denkt: »Die Alten sind doch alle gleich und gehören in ein Seniorenheim!«

Nebenbei bemerkt, wäre das auch aus rein egoistischer Perspektive ziemlich kurzsichtig, denn – und sicher haben Sie es selbst schon bemerkt – wir werden alle älter. Das jedenfalls steht schon bei unserer Geburt fest und macht uns in einem gewissen Maß gleich. Allerdings sind wir nicht nur im Alter individuell, sondern auch der Weg dahin, also wie wir altern, ist für jeden Menschen anders. Dabei bestimmt eine Vielzahl von Faktoren – die Lebenssituation, der Lebensstil, die Umwelt, die genetische Veranlagung und so weiter –, wie genau und wie schnell dieser Prozess im Detail abläuft. Es ist also vollkommen falsch, anzunehmen, dass alle Menschen in gleicher Weise altern.

Zur Verdeutlichung dieses Umstands werden wir Ihnen Personen vorstellen, die uns an unterschiedlichen Stellen begegnet sind. Diese Beispiele aus unserem (Berufs)alltag haben natürlich andere Namen bekommen und wurden teilweise um einige Details verändert. Sie stehen jedoch exemplarisch für die Unterschiede und jeweiligen Herausforderungen, aber auch für die Chancen, die uns allen im Alter begegnen.

Bevor wir Sie mit diesen Menschen bekannt machen, möchten wir zunächst die Eingangsfrage »Was ist ›das Alter‹?« kurz aus wissenschaftlicher Sicht beantworten. Professor Dr. Adelheid Kuhlmey von der Charité in Berlin sagte dazu im Jahr 2017 in einem Interview: »Biologisch definieren wir, dass ein Mensch alt ist, wenn die Hälfte seiner Geburtskohorte bereits verstorben ist. Daran sehen Sie, dass heute weder die 60- noch die 70-Jährigen alt in diesem Sinne sind. Bei heutiger Lebenserwartungssituation kann, der Definition folgend, ein Mensch als alt bezeichnet werden, wenn er über dem 80. Lebensjahr ist. In der Gerontologie unterscheiden wir zwischen dem dritten und dem vierten Alter. Also die 60- bis 85-Jährigen, die wir eher als die jungen Alten bezeichnen und die über 85-Jährigen als die alten Alten, die Hochbetagten.«1

Damit haben wir zumindest schon einmal konkrete Altersangaben, doch für unser allgemeines Verständnis hilft das nur wenig. Betrachtet man das Alter aus einer historischen Perspektive, erkennt man schnell, dass negative Vorurteile, die viele Menschen mit älteren Personen verbinden, kein Zufall sind. Lange stand in der Gerontologie – der wissenschaftlichen Forschung zum Alter – das sogenannte »Defizitmodell des Alterns«2 im Vordergrund. Wie der Name schon vermuten lässt, befasst sich diese Theorie maßgeblich mit altersbedingten Abbauprozessen, die sowohl auf körperlicher als auch auf kognitiver Ebene stattfinden.3 Stereotype, die daraus hervorgehen, führen dazu, dass älteren Menschen weniger zugetraut wird, sie nicht mehr mit einbezogen oder sogar abwertend behandelt werden.

Ebendies hat auch eine kürzlich erschienene Studie zur Altersdiskriminierung gezeigt. In der Studie wurden 2000 Personen zu verschiedenen altersbezogenen Themen befragt, die deutlich machen, wie tief altersbezogene negative Einstellungen verwurzelt sind. In der Studie war eine Mehrheit der Befragten der Meinung, dass ältere Beschäftigte Positionen für jüngere Beschäftigte aufgeben sollten und sie keinen innovativen Beitrag für die Gesellschaft leisten würden.4

Natürlich kann nicht geleugnet werden, dass beim Menschen zwangsläufig Abbauprozesse stattfinden. Diese können zwar durch Aktivierung oder einen gesunden Lebensstil verlangsamt werden, aber ganz aufhalten können wir sie nicht. Allerdings wäre es auch zu wenig, sich mit dieser defizitorientierten Sichtweise zufriedenzugeben und als Fazit zu ziehen: »Okay, ich werde alt, alles wird schlechter, und dann sterbe ich. That’s it.«

Unser Anliegen ist es, das Sichtfeld aufzuziehen und größer zu machen. Weder Resignation noch völlig überkommene Altersbilder sind ein guter Ansatz. Das Alter ist, genau wie das Leben an sich, eine Herausforderung, die es zu meistern gilt – ein Prozess, der uns auffordert, uns mit uns selbst auseinanderzusetzen. Das ist manchmal anstrengend, kann aber auch unfassbar schön sein. Der gesellschaftliche Diskurs und unsere persönlichen Einstellungen sollten stärker die Chancen des Alters in den Vordergrund stellen. Und insbesondere in der heutigen Zeit eröffnen technische Errungenschaften und Entwicklungen im Alter immer mehr Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten.

In der Gerontologie ist es schon länger so, dass man die defizitorientierte Sicht auf das Alter ad acta gelegt hat und den Fokus auf mögliche Ressourcen im Alter richtet. Damit kann sich nach und nach ein ganz anderes Verständnis von Alter durchsetzen. Entsprechende Theorien sind alle im 20. Jahrhundert entstanden und demnach deutlich moderner als der defizitorientierte Ansatz. Doch die eigentliche Idee dahinter – der Fokus auf die Möglichkeiten, die das Alter bietet – ist schon viel älter und geht bis auf Cicero zurück.5 Cicero, ein Philosoph und Staatsmann der römischen Antike, gilt als Begründer des aktiven Alterns und, betrachtet man den wissenschaftlichen Diskurs des letzten Jahrhunderts, ist damit auf jeden Fall ein Vorreiter für ein modernes Verständnis des Alter(n)s.

Das, was wir mithilfe von neuen Technologien erreichen wollen – Selbstbestimmtheit, Autonomie und Freude –, ist also auch schon in Theorien zum Altern zu finden, die zu einer Zeit entstanden sind, in der solche Möglichkeiten noch gar nicht existierten. Einige dieser wissenschaftlichen Ansätze, die unsere Idee beziehungsweise Sichtweise vom Alter stützen, sind in der Übersicht kurz skizziert.

Theorien zum Altern

Aktivitätstheorie

Wie der Name schon sagt – und in Anlehnung an Cicero – ist »Aktivität« das Schlüsselwort zum Verständnis dieser Theorie. Ursprünglich wurde sie 1949 und 1953 von zwei Forscherteams entwickelt,6 die davon ausgingen, dass jedes Alter Potenziale bietet, um sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen, beispielsweise wenn Personen nach ihrem Berufsleben in anderen für sie selbst erfüllenden Lebensbereichen aktiv bleiben. Zwanzig Jahre später wurde dieser Ansatz durch den Aspekt der sozialen Eingebundenheit ergänzt.7 Am zuträglichsten für eine hohe Lebenszufriedenheit im Alter ist es demnach, sich aktive und sozial eingebundene Tätigkeiten zu suchen, wie zum Beispiel viel Zeit mit der Familie oder Freunden zu verbringen oder eine ehrenamtliche Tätigkeit aufzunehmen.

Disengagementstheorie

Der Ansatz der Disengagementstheorie ist ein bisschen anders. Dem Engagement, also dem intensiven Einsatz für eine Sache, wird hier die Silbe »Dis« vorangestellt, die ebendieses Engagement verneint. Das »Nichtengagieren« steht im Mittelpunkt und damit im Gegensatz zur Aktivitätstheorie. Die Theorie geht davon aus, dass älteren Menschen bewusst ist, nicht mehr so jung und fit zu sein wie früher, und dass sie sich deswegen aus gesellschaftlichen Funktionen zurückziehen. Wenn dieser Rückzug mit den Erwartungen der Gesellschaft oder Familie übereinstimmt und akzeptiert werde, dann erhöhe das die Lebenszufriedenheit.8 Dieser von manchen als extrem empfundene Ansatz aus dem Jahr 19619 wurde von einem Team 196310 weiterentwickelt und in seiner Aussage abgeschwächt.

Kontinuitätstheorie

Die letzte und »modernste« Theorie, die hier Erwähnung finden soll, ist die Kontinuitätstheorie, die gleichzeitig auch eine generelle Entwicklungstheorie ist, da sie auf dem Entwicklungskonzept des Psychologen Erik H. Erikson aus dem Jahr 1982 beruht. Der Gerontologe Robert C. Atchley hat diese Theorie im Jahr 1989 entwickelt und ging dabei von einem generellen Bedürfnis nach Kontinuität aus.11 Dies bedeutet für manche Menschen einen Rückzug in die Häuslichkeit und für andere die Aufrechterhaltung von Aktivität, je nachdem, welche individuellen Vorlieben schon vorher ausgeprägt waren.

Falls Sie sich jetzt fragen, welche Theorie denn nun stimmt, dann ist es wie so häufig in der Wissenschaft, dass es keine eindeutige Antwort gibt. Das mag zunächst unbefriedigend sein, liegt jedoch nicht an einer mangelhaften Recherche, sondern an den grundlegend unterschiedlichen Ansätzen und Grundverständnissen. Am ehesten kann die Kontinuitätstheorie als Nachfolgemodell der beiden erstgenannten Theorien gesehen werden. Gleichzeitig haben wir schon darauf hingewiesen, dass es niemals einfach »die Alten« gibt, da jeder Mensch unterschiedliche Faktoren mitbringt, die dazu führen, dass im individuellen Fall eine der genannten Theorien eher Anwendung finden kann als eine andere. Dazu gehören Umstände wie der individuelle Gesundheitszustand, die Persönlichkeit beziehungsweise Vorlieben, die allgemeine Lebenssituation, die soziale Eingebundenheit, der finanzielle Status und so weiter.

Grundsätzlich sollte die kurze Vorstellung dieser Theorien aufzeigen, dass sich im wissenschaftlichen Diskurs schon viel getan hat und man das Alter eben nicht nur als Abbau von Leistung oder generell als Defizit betrachtet. Genauso falsch wäre es allerdings zu behaupten, dass es ebendiese Prozesse nicht gäbe. Jede Person hat ihre ganz eigenen Herausforderungen und muss Strategien entwickeln, damit umzugehen, zumindest wenn man den Anspruch hat, dass es einem möglichst lange gut gehen soll.

DREI FALLBEISPIELE

Um die individuellen Lebensrealitäten darzustellen, möchten wir Ihnen nun die bereits angekündigten Personen nacheinander vorstellen. Sie werden uns durch das Buch begleiten und uns Einblicke in ihren Alltag gewähren. Darüber hinaus sollen diese Alltagsbeispiele uns helfen, komplexere Inhalte dieses Buchs anschaulich in alltäglichen Lebenssituationen darzustellen und zu erklären. Und nicht zuletzt hoffen wir, dass Sie sich in einigen Situationen wiederfinden und die in den folgenden Kapiteln beschriebenen Lösungsansätze so besser auf Ihr eigenes Leben übertragen können.

Wir beginnen mit Michael Meyer, dem es momentan zwar gut geht, der aber auch mit der ein oder anderen Einschränkung zu kämpfen hat.

Michael Meyer (84)

Michael Meyer hatte gestern seinen 84. Geburtstag gefeiert. Ja, tatsächlich gefeiert! »Und das in diesem Alter«, wie er selbst betonte. Er hatte seine ganze Familie und einige langjährige Freunde und Bekannte am Sonntagmittag in ein Steakhaus direkt neben seiner Wohnung eingeladen. Steak aß Michael Meyer eigentlich gar nicht besonders gern (dann doch lieber die gute, alte Currywurst), aber aufgrund einer Makuladegeneration12 kann er nicht mehr Auto fahren, und da kam ihm die Nähe des Steakhauses sehr gelegen. Die Geschenke, die man an einem Geburtstag bekommt, müssen ja schließlich auch nach Hause transportiert werden.

Herr Meyer ist aber noch nicht eingeschränkt, sich eigenständig fortzubewegen. Er kann laufen, Treppen steigen, und selbst Sport treibt er noch zweimal pro Woche. Früher ging er fast jeden Tag joggen, doch seit einer Knie-OP begnügt er sich mit Walken und trifft sich dafür dienstags und freitags mit einer kleinen Laufgruppe. Aufgrund seines eingeschränkten Sehvermögens ist ihm das gemeinsame Gehen im Freien sehr recht.

Den größten Teil seines sonstigen Lebens verbringt Herr Meyer bei sich zu Hause in einer zirka 100 Quadratmeter großen Wohnung in der ersten Etage. Dort hatte er bis vor fünf Jahren mit seiner drei Jahre jüngeren Frau Renate Meyer gelebt, die leider an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben ist. Dieses Ereignis traf Herrn Meyer hart, da er immer geglaubt hatte, dass seine Frau ihn überleben würde. Doch nach einiger Zeit arrangierte er sich mit der Situation und fand mit der Geburt seines ersten Enkelkinds Christian zu seiner Lebensfreude zurück, eineinhalb Jahre nach seinem schweren Verlust. Regelmäßig passt er seitdem auf den Kleinen auf, das hält seinen Geist beschäftigt und fit. Er behält sich seine durch und durch positive Lebenseinstellung.

Trotzdem merkt er immer wieder, dass sein kontinuierlich schlechter werdendes Augenlicht seinen Alltag zunehmend belastet. Wenn er im Supermarkt mal normalen mit veganem Käse verwechselt, ist das ja nicht weiter schlimm (wenn auch ärgerlich für ihn), aber was, wenn er dem kleinen Christian etwas Falsches zu essen gibt oder im Straßenverkehr etwas nicht sieht? Auch als Fußgänger kann man schließlich mit Unachtsamkeit großen Schaden anrichten …

Nachdem wir nun Herrn Meyer kennengelernt haben, treffen wir Gertrud Stapel. Vielleicht wundern Sie sich zunächst, wenn Sie lesen, wie jung sie noch ist. Doch spätestens bei genauerer Betrachtung ihrer Lebenssituation wird deutlich werden, wieso Frau Stapel ebenfalls in diesem Buch auftaucht.

Gertrud Stapel (63)

Gertrud Stapel ist Krankenschwester, und zwar aus voller Überzeugung. Sie liebt ihren Beruf – oder besser gesagt: Sie liebte ihn. Vor sechs Monaten erlitt Frau Stapel bei sich zu Hause einen Schlaganfall, und seitdem ist sie nicht mehr in der Lage, zur Arbeit zu gehen. Ihr Lebenspartner Eugen, auf den sie sich vor sechs Jahren noch mal neu eingelassen hatte, ist in der Nacht, als es passierte, glücklicherweise vor Ort gewesen. Als Gertrud Stapel in der Nacht aufwachte, merkte ihr Partner durch ihren seltsam hängenden Mundwinkel gleich, dass etwas nicht stimmte, und rief den Notarzt.

Frau Stapel kam auf die Intensivstation in das nächstgelegene Krankenhaus, in dem sie auch arbeitete, und wurde bestmöglich versorgt. Doch der Vorfall traf sie schwerer als gedacht. Eigentlich hat sie immer viel Wert auf ihr Äußeres gelegt, sie trug extravagante Kleidung und ging nie ohne Lippenstift aus dem Haus: »Was sollen denn die Nachbarn denken, wenn ich mich so gehen lasse?«, machte sie ihrer Entrüstung Luft, als Eugen sich einmal wunderte, dass sie Lippenstift auftrug, bevor sie die Zeitung holte.

Auch verreiste sie immer gern, was ihr durch ein großzügiges Erbe ihrer Patentante möglich war. Zuerst war sie viel allein und mit Freundinnen unterwegs, und seit es Eugen gibt, eben mit ihm. Sie war schon in der Mongolei, auf den Malediven, in Washington und New York und nahm von diesen Reisen immer viel Kraft für ihren Alltag mit. Doch seit ihrem Schlaganfall war daran nicht mehr zu denken, und die letzte geplante Städtereise nach Paris musste sie auch schon absagen. 

Besonders das Gehen strengt sie an, und die Ärzte legten ihr nahe, einen Rollator zu verwenden. Zähneknirschend nahm sie diesen Ratschlag hin, aber stolz, wie sie nun mal war, ignorierte sie den Rollator neben ihrem Bett, als sie wieder nach Hause durfte. So passierte es, dass sie eines Nachts auf dem Weg zur Toilette stürzte. Dabei fiel sie so unglücklich auf ihre Hüfte, dass sie aufgrund der starken Schmerzen nicht wieder allein auf die Beine kam. Ihr Partner, der einen sehr festen Schlaf hatte, hörte jedoch schließlich ihre Hilferufe. Doch auch mit seiner Unterstützung gelang es Gertrud Stapel nicht, allein stehen zu bleiben. Erneut blieb Eugen nichts anderes übrig, als den Notarzt zu rufen.

Im Krankenhaus wurde eine gebrochene Hüfte festgestellt, deren Heilung im besten Fall mindestens sechs Wochen betragen würde. Frau Stapel schlug innerlich die Hände über dem Kopf zusammen und dachte: »Wieso muss das jetzt auch alles auf einmal kommen? Hoffentlich erhole ich mich von allem wieder und schaffe zu Hause alles allein …«

Frau Stapels Sorgen sind absolut berechtigt! Mit zunehmendem Alter dauert es länger, bis man sich von Verletzungen oder Krankheiten wieder erholt hat, und die Wahrscheinlichkeit, dass Einschränkungen bleiben, steigt. Wir werden Frau Stapel deshalb bei ihrem Umgang mit den veränderten Lebensumständen begleiten.

Die letzte Person, die wir in diesem Buch betrachten, ist Frau Elfriede Schaaf, die fast drei Jahrzehnte mehr auf dem Buckel hat als Frau Stapel.

Elfriede Schaaf (91)

Elfriede Schaaf wohnt seit zirka drei Jahren im betreuten Wohnen. Das heißt, sie ist unabhängig in ihren eigenen vier Wänden, hat aber bei Bedarf Zugriff auf verschiedene Hilfeleistungen, zum Beispiel einen Wäscheservice. Das meiste davon braucht sie gar nicht, denn körperlich geht es ihr – dem Alter entsprechend – noch sehr gut.

Der Umzug in die Anlage für betreutes Wohnen war vielmehr auf Drängen ihrer Tochter Susanne zustande gekommen, die mittlerweile auch schon 63 Jahre alt ist. Susanne wohnt 200 Kilometer entfernt von ihrer Mutter und machte sich oft Sorgen, dass »etwas passieren« könnte und sie es nicht mitbekäme. Lange hatte Elfriede Schaaf diese Sorgen abgewiegelt: Was soll schon passieren? Und wennschon, im Notfall habe sie auch befreundete Nachbarn, die ihr helfen würden.

Doch mit der Zeit häuften sich merkwürdige Vorfälle. Eines Tages stand eine langjährige Freundin bei Frau Schaaf vor der Tür und war ganz aufgebracht. Sie sagte, dass sie sich heute Mittag beim Bäcker verabredet hätten und Frau Schaaf einfach nicht aufgetaucht sei. Da habe sie sich Sorgen gemacht und sei direkt bei ihr vorbeigekommen. Frau Schaaf selbst war davon enorm überrascht. Sie war immer stolz auf ihre Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit, und so ein Verhalten passte gar nicht zu ihr.

Und dies blieb nicht der einzige Vorfall. Ihr fiel selbst auf, wie oft sie Sachen suchen musste, die sie normalerweise immer an ein und denselben Platz gelegt hatte. Erst schob Frau Schaaf dies auf eine altersbedingte Schusseligkeit, denn so was passierte eben schon mal. Auch junge Leute verlegten Dinge nicht selten. Doch als sie ihrer Tochter am Telefon davon erzählte, drängte diese auf einen Arztbesuch. Die Befürchtung, die Frau Schaaf bisher erfolgreich verdrängt hatte, bestätigte sich: Diagnose Demenz. Damit war klar, dass sich zukünftig viel ändern würde und musste.

Frau Schaaf konnte sich jedoch nicht überwinden, direkt in ein Seniorenheim zu ziehen, und bevorzugte das betreute Wohnen. Zunächst lief dort alles gut. Sie fühlte sich gut aufgehoben. Doch immer öfter wird sie nun auch von Unruhe in der Nacht geplagt. Allerdings waren innerhalb des letzten Jahres drei ihrer engsten Freundinnen gestorben, und auch deswegen ist sie oft sehr trübsinnig. Des Öfteren fragt sie sich, wozu ihr Leben mit dem Damoklesschwert der Demenz über ihrem Kopf noch gut sein soll.

So belastend Elfriede Schaafs Lebensumstände auf den ersten Blick auch sein mögen, ihr Fall ist sehr nah an der Lebenswirklichkeit vieler Menschen. Bereits Anfang der Zwanzigerjahre wurden in Deutschland 1,7 Millionen über 65-Jährige mit der Diagnose Demenz verzeichnet.13 Das sind zirka 2 Prozent der Bevölkerung, und dabei handelt es sich lediglich um ein Jahr. Die Gesamtprävalenz14 ist viel höher und liegt bei den über 65-jährigen Männern bei 6,34 Prozent und bei den Frauen bei 9,95 Prozent. Bislang ist die Krankheit nicht heilbar und schränkt mit zunehmendem Krankheitsverlauf die Lebensqualität sehr ein.

Vielleicht fragen Sie sich, wieso eine solch schwere und einschneidende Krankheit wie Demenz in diesem Buch thematisiert wird. Die Frage ist berechtigt, denn die Technologien, die wir im weiteren Verlauf schwerpunktmäßig behandeln werden, ändern natürlich nichts an den ernsten Folgen der Krankheit selbst. Zudem möchten wir nichts schönreden oder an der harten Realität vorbei fachsimpeln. Dennoch bieten bestimmte Technologien Menschen mit Demenz die Möglichkeit, schöne Momente zu erleben, und sollten nicht unterschätzt werden!

Wir werden Herrn Meyer, Frau Stapel und Frau Schaaf im Laufe dieses Buches immer mal wieder begegnen. Wir hoffen, dass Ihnen diese Beispiele von drei ganz verschiedenen Lebensrealitäten bei dem Verständnis dieses Buches helfen.

Genau darum, also um die Individualität im Alter, soll es auch im folgenden Abschnitt gehen. Dabei möchten wir erklären, wieso Vorurteile in Bezug auf das Alter problematisch sind und was sie anrichten können. Dieses Verständnis ist unserer Meinung nach essenziell, um zu verstehen, warum ältere Menschen sehr selten bei der Einführung neuer Technologien mitgedacht werden.

DIE ALTEN SIND DOCH ALLE GLEICH, ODER?

Diese Frage beantworten wir also mit einem klaren »Nein!«, wie in diesem Kapitel, vor allem in der Vorstellung von Michael Meyer, Gertrud Stapel und Elfriede Schaaf, deutlich werden sollte. Die Behauptung »Die Alten sind doch alle gleich!« würde schließlich auch bedeuten, dass sich jeder Mensch, der älter wird, einer bestimmten, vom Universum vorgeschriebenen Persönlichkeit annähert. Doch dem ist keineswegs so. Schauen Sie sich einfach mal in Ihrem persönlichen Umfeld um, und denken Sie an alle Leute, die Sie nun nach der von uns gegebenen Definition als alt betrachten würden. Sind diese Menschen alle gleich? Und wenn Sie in bestimmten Bereichen Ähnlichkeiten finden, woran könnte das liegen? War das schon immer so? Und wo können wir ansetzen, damit dies nicht mehr der Fall ist und die Individualität einer jeden Person erhalten bleibt?

In diesem Abschnitt schauen wir uns an, woher die Meinung kommt, alte Menschen seien »alle gleich«, wie sie sich in vielen Köpfen verfestigt hat und wie das den gesellschaftlichen Umgang miteinander prägt. Aber zunächst muss noch einmal klar konstatiert werden, dass diese Annahme nichts anderes als ein Vorurteil beziehungsweise eine negative Einstellung gegenüber einer breiten Spanne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe ist, die sich im Laufe unseres Lebens aufgrund verschiedener Einflüsse bei vielen entwickelt hat.

Für unser Gehirn ist es ein gängiger Prozess, eine große Masse in kleine Schubladen zu stecken, denn das spart Energie. Ohne solche Prozesse würden wir unseren Alltag gar nicht bestreiten können. Allerdings müssen wir uns bemühen, die Schubladen öfter mal aufzumachen und umzusortieren, wenn wir merken, dass sich dort viel Negativität angesammelt hat. Das sollten wir hinterfragen, denn solche negativen Einstellungen existieren nicht bloß in unseren Köpfen, sondern können reale negative Auswirkungen für die Betroffenen haben.

Das kommt daher, dass diese Annahmen oder Einstellungen eben nicht nur in einigen Köpfen sind, sondern in denen vieler Leute, und sie wirken sich so auch auf verschiedene Bereiche des Verhaltens von älteren Menschen aus, zum Beispiel deren Aktivitäten oder Kleidungsstil. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass wir unsere 67-jährige Tante belächeln, die abends lieber freizügig bekleidet durch die Kneipen der Stadt zieht, als vor dem Fernseher zu sitzen. Bewusst haben wir hier eine Frau als Beispiel genommen, denn bei einem 67-jährigen Mann würden es wohl die wenigsten komisch finden, wenn er abends allein mit Lederjacke und ungewöhnlichem Hut in einer Kneipe sitzt. Das fänden viele eher »cool« als peinlich.

Wie tief solche Vorurteile gesellschaftlich verwurzelt sind, zeigt sich auch bei der Verwendung von Künstlicher Intelligenz (KI). Füttert man eine Bilder generierende KI mit den Wörtern »weiblich, 73 Jahre«, dann ergibt sich folgendes Bild: eine zerbrechlich aussehende Frau mit grauen kurzen Haaren, präsenter schwarzer Hornbrille und schlichter blaugrauer Kleidung.15 Könnten wir weiter rauszoomen, würden wir wahrscheinlich noch einen schwarzen Rollator und klobige Gesundheitsschuhe finden.