Das andere Schweinebuch - Jens Mecklenburg - E-Book

Das andere Schweinebuch E-Book

Jens Mecklenburg

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Beschreibung

Obwohl im Schnitt jeder Deutsche 60 Kilogramm Schweinefleisch im Jahr verzehrt, soviel Fleisch wie von keinem anderen Tier, sind Schweine heute kaum noch in unserer Landschaft anzutreffen. Der Mensch hat sie weggesperrt. Es soll Kinder geben, die Schweine nur noch als Comicfigur kennen. Genug Gründe also, sich einmal näher mit dem spannenden Tier zu beschäftigen. Wildschweine bevölkern seit Millionen von Jahren die Erde. Als Haustiere begleiten uns die sensiblen und intelligenten Rüsselträger seit 10.000 Jahren. Ihr Fleisch, einst hoch geschätzt, wird heute zu Dumpingpreisen verschleudert. Vom ehemaligen Glücksbringer zur armen Sau? Das Buch räumt mit den gängigen Vorurteilen auf und erschließt einen neuen Blick auf das oft unterschätzte Borstenvieh. Anschaulich und amüsant wird der agile Allesfresser in seinem Charakter und seinem Wesen, seinen ureigenen Qualitäten und in seiner großen Familie vorgestellt - darunter 25 alte und vom Aussterben bedrohte Rassen im Einzelporträt. Der Autor macht deutlich, dass Schweine ganz besondere Tiere sind: sozial, sensibel, hochintelligent und gute Liebhaber. Wir sollten sie wieder mehr achten und schätzen.

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Seitenzahl: 138

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Impressum

Landleben im Cadmos Verlag Copyright © 2011 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek

Gestaltung und Satz: Ravenstein + Partner, Verden

Lektorat der Originalausgabe: Anke Knefel

Coverfotos: Ingo Wandmacher

Fotos im Innenteil: BayerAnimalHealth GmbH, Johannes Buchner, koesterjan.de, Prof. Dr. Dr. Hans Hinrich Sambraus, Dr. Beate Schumann, Das SchweineMuseum Stuttgart, Sönke Henning Tappe, Ingo Wandmacher.

Fotolia.com: Martina Berg, Buntbarsch, Juan Calero, Sherri Camp, dagel, delmo07, Dhaxox, Frank Eckgold, Erica, Ivan Erjomin, fdenb, foto.fritz, Fotolyse, Daniel Garcia, Friedrich-W. Gärtner, geno sajko, Gerisch, jeff gynane, Hero, Jens Hilberger, Eric Isselée, JanUFotO, Karin Jähne, jo.weber, Jens Klingebiel, Kalle Kolodziej, Udo Kroener, Beata Kulasik, Antje Lindert-Rottke, Joan Albert Lluch, Lupico, Harry Macias, Ulrich Müller, Corina Isabel Necesito, olive66, Pas Po, Kay Ransom, Dario Sabljak, Joseph Salonis, Gilly Smith, Guido Thomasi.

OKAPIA: Nigel Cattlin/Holt Studios, Delpho, Andreas Hartl, imagebroker/J.W.Alker, imagebroker/Kurt Amthor, imagebroker/Michael Dietrich, imagebroker/Digfoto, imagebroker/Herbert Kehrer, Dick Klees/KINA, Hubert Kranemann, Uwe Lütjohann, Hans Reinhard, Cyril Ruoso/BIOS, David & Micha Sheldon.

pixelio.de: Verena N.

Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

eISBN: 978-3-8404-6287-0

Inhalt

Einleitung

Kleine Schweinekunde Teil 1

Wie das Schwein zum Menschen kam

Die Kulturgeschichte des Schwein

Vom Wesen des Schweins

Schweineporträts

Angler Sattelschwein

Berkshire

Buntes Bentheimer Schwein

Chinesisches Maskenschwein

Cinta Senese

Deutsches Edelschwein

Deutsche Landrasse

Duroc

Gloucester Old Spot

Hampshire

Iberisches Schwein

Large Black

Leicoma

Linderöd

Mangalitza

Piétrai

Porc Noir de Bigorre

Rotbuntes Husumer Schwein

Schwäbisch-Hällisches Landschwein

Sortbroget

Tamworth

Turopolje Schwein

Wildschwein

Yorkshire

Kleine Schweinekunde Teil 2

Schweine in Aktion

Schweine als Haustiere

Schweine in Kunst und Kultur

Haltungsfragen und kulinarische Aspekte

Adressen und Literatur

Der Autor

Einleitung

„Wer die Schweine hüten will, sollte zu grunzen verstehen“, meinte einst der Volksmund. In die heutige Zeit frei übersetzt heißt das: Wer von Schweinen profitiert, sei es, dass er welche hält, schlachtet oder nur gern mal ein Schnitzel oder einen Schweinebraten isst, sollte zumindest wissen, was für ein Tier das Schwein ist. Woher kommt es, welche Arten gibt es, was macht ein Schwein aus, wie ist sein Wesen und sein Charakter und welche Bedürfnisse hat es? Dies gebietet, so finde ich, der Respekt gegenüber der Mitschöpfung, die uns so viel gibt. Zumal heute viele unserer Zeitgenossen – und das betrifft längst nicht nur Kinder – Schweine nur noch als Comicfiguren oder als Spardose kennen.

Und eigentlich kann man es ihnen nicht einmal übel nehmen: Denn obwohl in Deutschland 28 Millionen Schweine leben, sich also rein statistisch gesehen drei Deutsche ein Schwein teilen, sind die Tiere kaum, wie noch in früheren Zeiten, in unserer Landschaft zu sehen. Werden die meisten Schweine doch – unter den unwürdigen Bedingungen der Massentierhaltung – in großen Ställen „versteckt“.

Einen Schweinestall muss man sich heute als Agrarfabrik vorstellen. Die Kreatur gilt in ihr nichts, der schnelle Profit ist die einzig gültige Maxime. Schneller, höher, weiter lautet das Credo in der „modernen“ Schweinehaltung. Es ist schon sonderbar: Wir Deutschen essen so viel Schweinefleisch wie noch in keiner Zeit vorher, nämlich jeder Durchschnittsdeutsche etwa elf Kilo im Jahr –, und müssten unsere Schweine also schätzen und ehren, aber genau das Gegenteil ist der Fall.

Unsere frühen Vorfahren vergötterten sie noch, wir strafen sie mit Missachtung. Obwohl uns das Hausschwein seit Jahrtausenden treu begleitet, haben wir Menschen ein so ambivalentes Verhältnis zu ihm entwickelt wie zu kaum einem anderen Tier. Ein Fehler, ein saudummer Fehler. Haben uns Schweine doch viel zu geben – und damit meine ich nicht nur Fleisch und Wurst, Borsten für Bürsten und Pinsel, Leder für Schuhe und Lohn und Brot für Hunderttausende. Wir können auch viel von ihnen lernen, schließlich sind sie nahe Verwandte von uns, mit denen wir vieles gemeinsam haben.

Denn Schweine sind von Natur aus sehr soziale und gesellige Wesen. Wie wir Menschen sind sie nicht gern allein. Sie kuscheln gern, kümmern sich intensiv und liebevoll um ihren Nachwuchs und halten als Gruppe zusammen. Einiges haben sie uns sogar voraus: Sie teilen ihr Territorium bereitwillig mit anderen. Sie kennen keine Vorurteile. Ein Angler Sattelschwein versteht sich genauso gut mit einem Berkshire wie ein Buntes Bentheimer mit einem Chinesischen Maskenschwein. Soziale oder Rassenunterschiede spielen bei Schweinen keine Rolle.

Schweine haben ein gutes Gedächtnis und ein gutes Zeitempfinden und sind sehr lernbegierig. Ihr Wissen geben sie selbstverständlich an den Nachwuchs weiter. Schweine haben einen guten Geschmack, können sich gar zu Feinschmeckern entwickeln, und sie haben einen unglaublich guten Geruchssinn. So hilft die gute Nase des Schweins nicht nur bei der Trüffelsuche, sondern feierte auch schon kriminalistische Erfolge beim Aufspüren von Drogen und Sprengstoff. Schweine können gut hören, schwimmen und tauchen und sind kluge, freundliche und uns Menschen zugewandte Wesen. Schweine sind einfach unglaublich faszinierende und sympathische Tiere!

Genug Gründe also, sich das Schwein als solches einmal ausführlicher anzuschauen. Ich verspreche Ihnen, es lohnt sich!

Foto: Buntbarsch/fotolia.com

Ein buntes Miteinander – Schweine kennen keine Vorurteile.

Foto: Kay Ronsom/fotolia.com

Foto: BayerAnimalHealth GmbH

Kleine Schweinekunde Teil 1

Foto: Ingo Wandmacher

Wie das Schwein zum Menschen kam

Abstammung und Entwicklung

„Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch“

(Gottfried Benn)

Vor ewigen Zeiten, als der Mensch noch nicht sesshaft war, zog er als Nomade, als Sammler und Jäger durch Steppe und Wald. Seine Nahrung entnahm er der Natur. Essbare Pflanzen, Kräuter, Beeren und vor allem natürlich Wild standen auf seinem Speiseplan. So war ein Wildschwein in jenen Zeiten eine höchst willkommene Beute. Ein erlegtes Wildschwein stopfte viele hungrige Mäuler einer Nomadensippe.

Als der Mensch vor rund 10 000 Jahren anfing sesshaft zu werden, sich dem Ackerbau zuwandte, erkannte er schnell, dass eine Domestizierung des Wildschweins zum Hausschwein viele Vorteile mit sich bringen würde. Die gefährliche und zeitaufwendige Jagd war nicht mehr nötig. Und als der Mensch herausfand, dass man durch Räuchern Fleisch konservieren konnte, es nicht sofort verzehrt werden musste, hatte diese bahnbrechende Entdeckung der Domestizierung von Haus- und Nutztieren einen großen Schub gegeben. Stellte doch nun ein Hausschwein einen stetig verfügbaren Fleischvorrat dar. Die Anfänge dieser für die Menschen so wichtigen Kulturtechnik gehen bis in die Steinzeit zurück.

Schaf und Ziege wurden ungefähr 9000 v. Chr. domestiziert, das Schwein 8500 und das Rind 8000 v. Chr. So begleitet uns das Hausschwein nun also seit 10 500 Jahren. Doch wie und wo ging die Domestizierung genau vonstatten und wer sind die direkten Vorfahren unserer Hausschweine?

Die Schweinefamilie

In der Fachsprache der Zoologie gehört das Schwein zu den höckerzähnigen Paarhufern, deren Ursprung in der Kreidezeit liegt.

Warzenschwein, Afrika

Foto: Eric Isselée/fotolia.com

Wildschwein, Südafrika

Foto: Dhaxox/fotolia.com

Die zoologische Systematik kennt die Familie der Schweineartigen (Suiden). In dieser Familie gibt es die Nabelschweine, die Hirscheber und schließlich die eigentlichen Schweine (Suinae), zu denen wiederum vier Gattungen gehören: das afrikanische Waldschwein, das afrikanische Warzenschwein, das Fluss- oder Höckerschwein und endlich das Echte Schwein (Sus). Leider haben wir damit die Vorfahren unserer Hausschweine noch immer nicht hinreichend eingekreist. Denn die Gattung der Echten Schweine teilt sich noch in vier Untergruppen: die Pustelschweine, die Bindenschweine, das Mittelmeerschwein und das Europäische Wildschwein.

Die Wissenschaft war sich lange Zeit uneinig, welche der Unterarten den bedeutendsten Einfluss auf unsere heutigen Hausschweinrassen hatten. Heute besteht Einigkeit darüber, dass alle Unterarten auf eine einzige Wildart (Sus scrofa) zurückgehen. Wobei das europäische Wildschwein und das asiatische Bindenschwein die Hauptstammväter unserer heutigen Schweine sind. Das Europäische Wildschwein (Sus scrofa scrofa) war der Stammvater im europäischen, das Bindenschwein (Sus scrofa vittatus) der Stammvater im asiatischen Kulturraum. Der Mittelmeerraum, besonders die Iberische Halbinsel und der westliche Mittelmeerraum, nimmt mit dem Mittelmeerschwein (Sus scrofa mediterraneus) eine Sonderstellung ein. Seine Abkömmlinge wurden als Neapolitanische und Portugiesische Schweine bekannt.

Pinselohrschweine.

Foto: Pas Po/fotolia.com

Vietnamesisches Hängebauchschwein, ein Nachfahre des asiatischen Bindenschweins.

Foto: Lupico/fotolia.com

Die beiden Stammväter unserer Hausschweine – Bindenschwein und Wildschwein – unterscheiden sich besonders an der Kopfform. Während beim asiatischen Urschwein das Hinterhaupt hochgestellt und der Rüssel kurz ist, besitzt der europäische Typus eine gestreckte Schädelform mit einem langen Rüssel. Auch in der Körperform gibt es Unterschiede. Beim Bindenschwein ist die Vorund Hinterhand gleichmäßiger entwickelt und der Rumpf walzenförmig ausgeprägt. Beim Europäischen Wildschwein ist die Vorhand wesentlich stärker ausgeprägt als die Hinterhand und der Rücken ist nach hinten abfallend. Der europäische Stammvater war auch größer als der asiatische, sein grobschultriger Körper war mit bräunlich grauen Borsten bedeckt und er hielt seinen Schwanz noch gerade.

Europäisches Wildschwein.

Foto: Martina Berg/fotolia.com

Vom Wildschwein zum Hausschwein

Wie die Domestizierung der Wildschweine genau vor sich ging, darüber gibt es keine überlieferten Erkenntnisse. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Wildschweine als „Resteverwerter“ auch von allein die Nähe des Menschen suchten. Auch heutige Wildschweine finden sich ja mitunter auf Futtersuche in Kleingartenanlagen und Gärten ein. Auch wird angenommen, dass auf der Jagd Ferkel gefangen wurden, die zu Hause aufgezogen und gezähmt wurden.

Hausschweine tragen Ringelschwanz.

Foto: JanUFotO/fotolia.com

Wann und wo das Wildschwein zum Hausschwein wurde, kann hingegen genauer beantwortet werden.

Für die Wissenschaft ist heute klar, dass das Hausschwein neben dem Haushund zu den ersten domestizierten Tierarten gehörte.

Die ersten niedergelassenen Bauern züchteten Schweine im Nahen Osten und in Südanatolien schon um 8500 v. Chr, in China um 7000 v. Chr.

Ausgehend von China, einer der frühen Hochburgen der Schweinezucht, verbreitete sich das dort domestizierte Hausschwein in den folgenden Jahrtausenden über Südostasien bis nach Australien. Noch heute werden in China die meisten Hausschweine gehalten – rund 500 Millionen.

Schon die Römer schätzten schmackhaften Schweineschinken.

Foto: Kalle Kolodziej/fotolia.com

Die domestizierten Schweine breiteten sich nach Osten, Süden und Westen aus, nach Ägypten und Griechenland. In dieser Zeit war der größte Teil Westeuropas noch mit Wäldern bedeckt, der perfekte Lebensraum für Schweine.

Besonders gut gediehen die Schweine, wenn sie nachts eingesperrt und tagsüber gehütet wurden, sodass sie sich von Eicheln und Buchenmast ernähren konnten.

Allmählich veränderte sich das domestizierte Wildschwein, sein Kopf wurde kleiner, Rüssel und Beine wurden kürzer und sein Kopf länger und breiter. Die Borsten wurden feiner und weicher und der Schwanz fing an, sich zu ringeln.

Schinken und Würste

Man fing an, die gezähmten Wildschweine untereinander zu kreuzen, sie regelrecht zu züchten. Besonders die Römer mit ihrer für damalige Zeit sehr modernen Landwirtschaft verbesserten die aus menschlicher Sicht wichtigen Merkmale der Schweine – Fruchtbarkeit und Masteigenschaften. Die Römer waren wohl auch die Ersten, die die Schinkenherstellung perfektionierten und Würste herstellten. Die römische Oberschicht ließ sich gar Schweine aus Sardinien kommen, von denen man wusste, dass dort ganz besonders schmackhaftes Fleisch, ein exzellenter Schinken und der dickste Speck erzeugt wurden.

Das eigene Schwein vor der Haustür war ihnen zu profan, Ställe und Weidegründe lagen deshalb außerhalb der Stadt. Der Beruf des Schweinehirten war in Rom ein durchaus geachteter Beruf. Vom römischen Gelehrten Varro ist überliefert, dass die Schweine zu seiner Zeit (um 100 v. Chr.) in großen Herden gehalten wurden, die die Hirten mit dem Klang ihrer Hörner aus den Ställen in die waldreichen Weidegründe und wieder zurück dirigierten.

Auch die Gallier und Germanen brachten dem Schwein eine große Wertschätzung entgegen und entwickelten eine recht hohe Kultur der Schweinezucht, die bis ins Mittelalter fortgeführt wurde. Während sich die Nord- und Mitteleuropäer des Europäischen Wildschweins bedienten, waren die römischen Schweine auch von verschiedenen, aus dem asiatischen Raum zugewanderten Arten beeinflusst.

Nach der ersten Jahrtausendwende ging die Schweinehaltung in Europa wegen der starken Waldrodungen und der damit einhergehenden Reduzierung der Futtergrundlagen allmählich zurück. Erst mit dem Beginn der industriellen Revolution gewann sie wieder mehr und mehr an Bedeutung. Veränderte Ernährungsgewohnheiten, die größere Nachfrage nach Fleisch und Fett, gepaart mit dem Umstand, dass die meisten Menschen keine Selbstversorger mehr waren, revolutionierten nun auch die Schweinezucht. Die modernen europäischen Landrassen entstanden. Statt in den Wald ging es für die Schweine nun aber in den Stall.

Bei den Römern wurden die Schweine in großen Herden gehalten.

Foto: Sönke Henning Tappe

Im Zuge der modernen Schweinezucht hieß es für die Schweine: Ab in den Stall!

Foto: Ulrich Müller/fotolia.com

Das Schwein wurde in Europa und Teilen Asiens zum Tier der Kleinbauern und des „kleinen Mannes“. Für die arme Landbevölkerung gab es lange Zeit, wenn es denn überhaupt Fleisch gab, Schweinefleisch. Bis in die 1960er Jahre war es Tradition, dass jede Familie auf dem Land „ihr Schwein“ hielt. Eine Tradition, die bis dahin immerhin gut 10 000 Jahre Bestand gehabt hatte.

Die Kulturgeschichte des Schweins

Vom Glücksschwein zur armen Sau

Der frühere britische Premierminister Winston Churchill sagte einmal: „Hunde blicken zu uns auf, Katzen schauen auf uns herab, ein Schwein jedoch sieht uns als Gleichgestellten an.“ Dem Mann gefielen Schweine. Mensch und Schwein, zwei Wesen, die sich auf Augenhöhe begegnen.

„Ein Mensch, der ein Schwein nicht versteht, darf niemals Präsident werden.“

(Harry S. Truman)

Wenn es denn so einfach wäre. Wir Menschen haben schon ein merkwürdiges Verhältnis zum Borstenvieh. Schweine sind für uns, je nachdem, in welchem Kulturkreis man lebt, entweder heiß geliebte oder höchst umstrittene Wesen. Ihr Fleisch ist entweder sehr begehrt – in China werden 500 Millionen Schweine gehalten, in den USA 62 Millionen, in Deutschland kommt auf drei Einwohner ein Schwein, immerhin 28 Millionen, und in Dänemark leben mehr Schweine als Dänen – oder wie im Judentum und im Islam streng verboten. Kein anderes Tier ist in unserer Kulturgeschichte so widersprüchlich betrachtet worden. Schweine bedeuten uns Glück und Wohlstand, man denke nur an Neujahrswünsche und an das traditionelle Sparschwein, sind gleichzeitig aber auch Sinnbild für Schmutz („Du Ferkel!“) und Unordnung („Saustall“). Sie sind beliebte Symbole sexueller Begierde („geile Sau“) oder aber in Ablehnung ungezügelter Sexualität als „Schweinkram“ verschrien. Und sie liefern uns Stoff für unzählige Schimpfworte: vom „Frontschwein“ über die „Pistensau“ bis zum „Schweinehund“, vom „Saupreußen“ bis zum „Schweinepriester“. Ja, wie denn nun?

Begegnung auf Augenhöhe.

Foto: Ingo Wandmacher

Geschätzt, verehrt, gehasst

Um die Bedeutung und Mythologie des Schweins für uns Menschen zu verstehen, ist ein kleiner Exkurs in die Vergangenheit hilfreich.

Seitdem es Menschen gibt, gibt es auch Schweine. Als die Menschen noch als Jäger und Sammler durch die Landschaft zogen, waren Wildschweine eine höchst willkommene Beute. Sie machten fast die Hälfte der Jagdbeute in der Steinzeit aus. Unsere Vorfahren legten Fallgruben an und jagten die wilden Schweine mit Pfeil und Bogen. Als die Menschen anfingen sesshaft zu werden, erkannten sie sehr schnell, dass eine Domestizierung des Wildschweins zum Hausschwein viele Vorteile mit sich bringen würde. Stellte das Hausschwein doch eine stetig verfügbare Frischfleischquelle dar und brauchte nicht mehr mühsam aufgespürt, verfolgt und erlegt zu werden. So begleiten seit circa 8500 Jahren Hausschweine den Menschen. Genug gemeinsame Zeit also, um sich zu ganz widersprüchlichen Betrachtungen inspirieren zu lassen.

Jagdgöttin Diana mit Eberkopf.

Foto: Okapia/imagebroker/J.W.Alker

Die älteste erhaltene Figur einer ägyptischen Göttin in Schweinegestalt entstand um 3600 v. Chr. Ihre genaue Funktion ist bis heute unbekannt. Es ist jedoch überliefert, dass in der altägyptischen Kultur das Schwein zunächst als Fruchtbarkeitssymbol angesehen wurde. Einige Jahrhunderte später wurden dem Schwein auch dämonische und böse Züge angedichtet. Diese Sicht auf das Tier wurde von den Juden übernommen und hat durch die biblische Überlieferung später auch das Christentum geprägt.

Eine besondere Wertschätzung genoss das Schwein in Europa. Sowohl bei den Griechen und Römern der Antike als auch in der germanischen und nordischen Mythologie stand es in enger Verbindung zu den Fruchtbarkeitsgöttinnen. Gleichzeitig galt das wilde Schwein, insbesondere der Keiler, als Symbol für Mut, Kraft und Wehrhaftigkeit.

Für die römischen Göttinnen Demeter, zuständig für Fruchtbarkeit und Ernte, und Ceres, die Göttin des Ackerbaus, waren Schweine heilig. Durch ihr Suhlen wurde die Erde wie beim Pflügen für den Ackerbau bereitet. Konnte man auf der durch die Schweine aufgewühlten Erde doch das Sprießen von Samen und die Entwicklung hin zur Pflanze genau beobachten und daraus seine Schlüsse für den Ackerbau ziehen.

Das Schwein als heiliges Tier im Götterhimmel (Sandskulptur).

Foto: fdenb/fotolia.com

Als chinesisches Tierkreiszeichen symbolisiert das Schwein männliche Stärke.

Foto: Frank Eckgold/fotolia.com

In vielen frühen Kulturen wurde das Wildschwein zum Sinnbild der Fruchtbarkeit und des Wohlstands. Im jungsteinzeitlichen Malta beispielsweise wurde eine säugende Muttersau mit 13 Ferkeln dargestellt. Die nordgermanische Göttin Freya trug den Beinamen Syr (germanisch für Sau); bei den Kelten war die „Alte Weiße“ Ceridwen eine Schweinegöttin und der Heros Manannan hatte ein Schwein als Attribut. In den griechischen Mysterien von Eleusis war das Schwein geheiligtes Opfertier der Göttin Demeter. Auf der Kanareninsel Hierro diente bei den vorspanischen Ureinwohnern ein Schwein als Vermittler zur Gottheit, die um Regen angefleht wurde.

In Altchina war das Schwein das letzte der zwölf Tierkreiszeichen und symbolisierte „männliche Stärke“. In Altägypten war die Sau, die ihre Ferkel frisst, ein Symbol der Himmelsgöttin Nut, deren Kinder – die Sterne – morgens verschwinden, aber abends wiedergeboren werden.

In der griechischen, römischen und germanischen Mythologie war das Schwein auch ein willkommenes Opfer, um die Götter gnädig zu stimmen.

Schweinische Leckerbissen