Das autonome Nervensystem -  - E-Book

Das autonome Nervensystem E-Book

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Beschreibung

Das autonome Nervensystem reguliert lebenswichtige Funktionen wie die des Herzens, des Kreislaufs, der Atmung, des Verdauungstrakts und des Urogenitalsystems und hat somit große Bedeutung für die wissenschaftliche und praktische Medizin. Mehr und mehr autonome Labore wurden in den vergangenen 20 Jahren insbesondere an neurologischen Kliniken gegründet. Begünstigt wird dies durch die größere Verfügbarkeit kommerziell erhältlicher autonomer Messplätze. Neben klassischen Untersuchungsmethoden wie der Kipptischuntersuchung, der Messung der Herzfrequenzvariabilität und der Darstellung der Schweißsekretionsstörungen sind jüngst weitere Analysen wie eine gezielte Antikörperdiagnostik entwickelt worden, die neue Erkrankungen nachweisen können, z.B. die autonome Gangliopathie. Das vorliegende Werk ist die einzige umfassende deutschsprachige Darstellung der aktuellen Diagnostik und Therapie der Erkrankungen des Vegetativums. Ebenso bietet es eine detaillierte Einführung in die Grundlagen der vegetativen Anatomie und Physiologie. Der Band versammelt Beiträge eines Autorenkollektivs führender Experten.

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Der Herausgeber

Prof. Dr. med. Carl-Albrecht Haensch ist Neurologe und ehem. Chefarzt der Klinik für Neurologie, Kliniken Maria Hilf Mönchengladbach. Nach einem Medizinstudium an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Dissertation am Diabetes Forschungs-Institut zur Immunpathogenese der diabetischen Neuropathie absolvierte er eine Facharztausbildung an der Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie Wuppertal bei Prof. J. Jörg. Er ist Facharzt für Neurologie, Schlafmedizin und Spezielle Schmerztherapie. Die Habilitation erhielt Herr Prof. Dr. Haensch an der Universität Witten/Herdecke zur Diagnostik des autonomen Nervensystems. Er ist im Beirat der Arbeitsgemeinschaft »Autonomes Nervensystem« der DGN und stellvertretender Vorsitzender der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Schlafmedizin. 2006 erhielt Herr Prof. Dr. Haensch die apl. Professur für Neurologie der Universität Witten/Herdecke, 2009 den Preis für Hirnforschung in der Geriatrie und 2010 den Robert Wartenberg-Preis der DGN. 2014 bis 2022 war er Chefarzt der Klinik für Neurologie der Kliniken Maria Hilf Mönchengladbach. Herr Prof. Dr. Haensch ist mittlerweile im Ruhestand. Er ist Herausgeber der Klinischen Neurophysiologie.

Carl-Albrecht Haensch (Hrsg.)

Das autonome Nervensystem

Grundlagen, Organsysteme und Krankheitsbilder

2., überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

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2., überarbeitete Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-035565-1

E-Book-Formate:

pdf:           ISBN 978-3-17-035566-8

epub:        ISBN 978-3-17-035567-5

Autorenverzeichnis

 

 

Prof. Dr. Ralf Baron

Leiter der Sektion Neurologische Schmerzforschung und -therapie

Klinik für Neurologie

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

Arnold-Heller-Straße 3

24105 Kiel

 

Prof. Dr. Frank Birklein

Klinischer Leiter

Klinik für Neurologie

Johannes Gutenberg-Universität

Langenbeckstr. 1

55101 Mainz

 

Prof. Dr. Peter Flachenecker

Chefarzt des Neurologischen Rehabilitationszentrums Quellenhof

Kuranlagenallee 2

75323 Bad Wildbad

 

Prof. Dr. Janne Gierthmühlen

Interdisziplinäre Schmerzambulanz 

Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin

UKSH, Campus Kiel

Arnold-Heller-Str. 3, Haus R3

24105 Kiel

 

Prof. Dr. Carl-Albrecht Haensch

Bergstr. 7

41063 Mönchengladbach

 

Prof. Dr. Wilfrid Jänig

Physiologisches Institut

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Olshausenstr. 40

24098 Kiel

 

Prof. Dr. Johannes Jörg

Vorsitzender des Klinischen Ehikkomitees

HELIOS Klinikum Wuppertal

Heusnerstraße 40

42283 Wuppertal

 

Prof. Dr. Wolfgang Jost

Chefarzt der Parkinson-Klinik Ortenau

Kreuzbergstr. 12–16

77709 Wolfach

 

PD Dr. Gerhard Jan Jungehülsing

Chefarzt der Klinik für Neurologie

Jüdisches Krankenhaus Berlin

Heinz-Galinski-Str.1

13347 Berlin

 

Dr. Istvan Katona

Institut für Neuropathologie

Universitätsklinikum der RWTH

Pauwelstrasse 30

52074 Aachen

 

Dr. Albert Kaufmann

Chefarzt des Zentrums für Kontinenz und Neuro-Urologie

Kliniken Maria Hilf GmbH

Viersenerstr. 450

41063 Mönchengladbach

 

Prof. Dr. Heinz Krammer

Gastroenterologie und Ernährungsmedizin am End- und Dickdarmzentrum Mannheim

Bismarckplatz 1

68165 Mannheim

 

Dr. Anke Lührs

Oberärztin der Klinik für Neurologie

Kliniken Maria Hilf GmbH

Viersenerstr. 450

41063 Mönchengladbach

 

Prof. Dr. Winfried Neuhuber

Institut für Anatomie und Zellbiologie

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Krankenhausstraße 9

91054 Erlangen

 

PD Dr. Tanja Schlereth

Oberärztin der DKD Helios Klinik Wiesbaden

Fachbereich Neurologie

Aukammallee 33

65191 Wiesbaden

 

Prof. Dr. Hans-Peter Seelig

MVZ Labor PD Dr. Volkmann & Kollegen GbR

Gerwigstraße 67

76131 Karlsruhe

 

Prof. Dr. Rainer Surges

Direktor der Klinik und Poliklinik für Epileptologie

Universitätsklinikum Bonn

Venusberg-Campus 1

53127 Bonn

 

Prof. Dr. Joachim Weis

Direktor des Instituts für Neuropathologie

Universitätsklinikum der RWTH

Pauwelstrasse 30

52074 Aachen

Inhalt

 

 

Autorenverzeichnis

Vorwort zur 2.   Auflage

Vorwort zur 1.   Auflage

1   Anatomie des autonomen Nervensystems

Winfried Neuhuber

2   Physiologie des autonomen Nervensystems

Wilfrid Jänig

3   Histopathologie der Haut- und Darminnervation

Joachim Weis und Istvan Katona

4   Anamnese und klinische Untersuchung

Carl-Albrecht Haensch

5   Untersuchungsmethodik

Carl-Albrecht Haensch

6   Autoantikörperdiagnostik bei autonomen Neuropathien

Hans-Peter Seelig

7   Leitlinien, SOPs und Consensus-Kriterien

Anke Lührs und Carl-Albrecht Haensch

8   Autonome Störungen bei Erkrankungen des Rückenmarks

Johannes Jörg

9   Erkrankungen des autonomen peripheren Nervensystems

Peter Flachenecker

10 Synkope

Carl-Albrecht Haensch

11 Autonome Regulationsstörungen beim Parkinson-Syndrom

Wolfgang Jost

12 Autonome Störungen bei der Multiplen Sklerose

Peter Flachenecker und Wolfgang Jost

13 Autonome Störungen bei epileptischen Anfällen und Epilepsie

Rainer Surges

14 Erektile Dysfunktion

Albert Kaufmann

15 Neurogene Störungen des unteren Harntraktes

Albert Kaufmann

16 Obstipation

Wolfgang Jost und Heinz Krammer

17 Diabetes mellitus und autonomes Nervensystem

Carl-Albrecht Haensch

18 Schlaf und autonomes Nervensystem

Carl-Albrecht Haensch

19 Schweißsekretionsstörungen

Tanja Schlereth und Frank Birklein

20 Schmerz und autonomes Nervensystem am Beispiel des komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS)

Janne Gierthmühlen und Ralf Baron

21 Schlaganfall und Autonomes Nervensystem

Gerhard Jan Jungehülsing

Stichwortverzeichnis

Vorwort zur 2. Auflage

»Unbeeindruckt von Wille oder Befehl arbeitet das vegetative Nervensystem autonom im Körper und fällt eigenständig Entscheidungen. Zum Glück – denn müsste man auch noch die Steuerung aller Organe gedanklich einleiten, hätten die Menschen wohl nie Zeit gehabt, den Kühlschrank zu erfinden. Autonomes Handeln ist Dünger für unseren inneren Garten.«

Diese Beschreibung des autonomen Nervensystems stammt nicht von einem Physiologen1 oder Anatomen, sondern von dem schweizerischen Künstlerpaar Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger. Als Besucher des Kunstpalasts in Düsseldorf werden sie von der raumgreifenden Installation »Das vegetative Nervensystem« im Foyer des Museums begrüßt ( Abb. 1). Speziell für das Museum entwickelte das Schweizerkünstlerpaar die ca. 16 m hohe Konstruktion aus Ästen und Wurzeln, feinen Seilen und Drähten sowie einer Vielzahl und Vielfalt von künstlichen und echten Pflanzenteilen und kleinen Objekten.

Abb. 1: »Das vegetative Nervensystem«, Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger, Museum Kunstpalast Düsseldorf 2006.

Neurologen und Kliniker haben schon lange die enorme Bedeutung des ANS erkannt, da doch bedeutende Erkrankungen durch autonome Störungen charakterisiert sind. Autonome Störungen können dramatisch sein und zu Stürzen und Bewusstseinsstörungen führen. Häufig sind diese Symptome auch der Schlüssel, um seltene Erkrankungen zu erkennen. Die Diagnostik galt lange Zeit als besonders schwierig, auch da einfache Blut- oder Labortest nicht verfügbar waren. Autonome Untersuchungen wurden meist nur in Unikliniken aus wissenschaftlichem Interesse durchgeführt. Die Techniken galten oft als zu invasiv (wie die arterielle Blutdruckmessung) oder gar als gefährlich (wie intraarterielle Blutdruckmessung oder Kipptischuntersuchungen mit vasoaktiven Substanzen). Auch altersbezogene oder geschlechtsabhängige Normwerte waren oft nicht verfügbar.

Dies hat sich geändert: Mehr und mehr autonome Labore wurden in den vergangenen 20 Jahren, insbesondere an neurologischen Kliniken, gegründet. Dem entgegen kommt die Verfügbarkeit kommerziell erhältlicher autonomer Messplätze mit Geräten für die kontinuierliche nicht-invasive Blutdruckmessung, die Herzfrequenzvariabilitätsanalyse oder Testung der Sudomotorik mit dem QSART. Eine gezielte Antikörperdiagnostik kann neue Erkrankungen wie die autonome Gangliopathie nachweisen.

Damit wurde es auch Zeit, die erste Auflage dieses Werkes einer vollständigen Überarbeitung zu unterziehen. Drei Kapitel sind neu dazugekommen, da sich die Methodik der Diagnostik ebenso wie die Krankheitslehre rapide weiterentwickelt hat. Und so haben sich auch alle Autoren der Mühe unterzogen ihre Kapitel einer vollständigen Revision und Aktualisierung zu unterziehen.

Wolfgang Jost ist aufgrund der Vielzahl seiner Aufgaben von der Herausgeberschaft dieses Werkes zurückgetreten, hat aber die Überarbeitung mit vollen Kräften unterstützt. Auch darf ich mich bei der Vielzahl bewährter und neuer Autoren bedanken, die ihr Thema zeitgerecht und qualitativ hochwertig bearbeitet haben. So, dann bleibt mir nur noch, Ihnen viel Freude bei der Lektüre zu wünschen und vielleicht finden Sie auch einmal Zeit für einen Besuch im Museum Kunstpalast in Düsseldorf.

 

Mönchengladbach, im Juli 2022

Carl-Albrecht Haensch

Literatur

Steiner G, Lenzlinger J (2008) Das vegetative Nervensystem. Spot on. Medialis, Berlin.

1     Zugunsten einer lesefreundlichen Darstellung wird in der Regel die neutrale bzw. männliche Form verwendet. Diese gilt für alle Geschlechtsformen (weiblich, männlich, divers).

Vorwort zur 1. Auflage

 

 

»Know autonomic neuropathy and you will know the whole of medicine.«

(A. Vinik)

Brauchen wir ein Buch über das autonome Nervensystem? Wenn ja, warum gibt es im deutschsprachigen Raum seit Jahren kein Lehrbuch mehr zum Thema? Bei der Entscheidung, das vorliegende Buch herauszugeben, haben wir uns auch mit diesen Fragen beschäftigt.

Wir sehen einen großen Bedarf, wissen aber, dass die potenzielle Zielgruppe begrenzt ist. Dies erklärt die Zurückhaltung der Verlage, dieses Thema in den letzten Jahren aufzugreifen. Wir möchten uns deshalb beim Kohlhammer-Verlag und den Herausgebern für die Bereitschaft, dieses Buch in ihre Reihe Klinische Neurologie aufzunehmen, herzlich bedanken.

Im Gegensatz zur deutschsprachigen Literatur, gibt es international eine Vielzahl hochwertiger und sehr umfangreicher Werke über das autonome Nervensystem. Bei uns hat sich im Unterschied zum englischen Sprachraum die Lehrbuch-Kultur verändert. Heute werden eher Lehrbücher zur gesamten Neurologie oder einer einzelnen Krankheit herausgegeben. Viele dieser Bücher sind auf die Therapie fokussiert und nur wenige haben einen interdisziplinären Ansatz. Die theoretischen Fächer wurden dabei oft gar nicht mit einbezogen. Bei der Struktur unseres Buches haben wir versucht, beide Aspekte zu berücksichtigen und die Themen sowohl aus der Perspektive der Grundlagenfächer Anatomie und Physiologie, als auch aus der klinischen Sicht auf Symptome und Krankheiten abzuhandeln.

Ein Lehrbuch über das autonome Nervensystem entspricht somit zwar nicht dem Zeitgeist und hat keine große Zielgruppe, ist aber für den am Vegetativum Interessierten und für jedes autonome Labor unverzichtbar.

Wir freuen uns, Ihnen hiermit ein neues Lehrbuch zum autonomen Nervensystem vorlegen zu können. Unser Dank gilt besonders den hervorragenden Mitautoren, die dieses Buch erst ermöglicht haben. Es ist uns dabei gelungen, ein ausgewiesenes Autorenkollektiv führender Experten zu gewinnen und das Thema fachübergreifend abzuhandeln. Dabei werden die Grundlagen, Diagnostik und Therapie berücksichtigt. Einen großen Wert haben wir auf die prägnante Darstellung und klinische Relevanz gelegt. Wir hoffen, dass das Buch ihr Interesse findet, und würden uns freuen, wenn sich daraus ein breiteres Interesse für das autonome Nervensystem entwickeln würde. Anregungen und Kritik seitens der Leserschaft sind uns stets willkommen.

 

Wuppertal und Wiesbaden, im August 2009

Carl-Albrecht Haensch und Wolfgang Jost

1          Anatomie des autonomen Nervensystems

Winfried Neuhuber

Dem Autonomen oder (besser im Deutschen) Vegetativen Nervensystem (ANS bzw. VNS) obliegt die Steuerung der Organfunktionen zur Aufrechterhaltung der Homöostase. Dabei wirkt es eng verbunden mit dem Endokrinium und dem Immunsystem. Diese lebenswichtige Bedeutung veranlasste den Erlanger Internisten L. R. Müller das Wort »Lebensnerven« für das vegetative Nervensystem zu prägen (Müller 1931). Als anatomische Strukturen, die dem ANS zugerechnet werden, sind der Sympathische Grenzstrang (Truncus sympathicus) mit seinen paravertebralen Ganglien, die Gangliengeflechte (Plexus) im Retroperitoneum (prävertebrale Plexus und Ganglien) und im Becken sowie in der Wand verschiedener Hohlorgane (intramurale Pl.), Ganglien im Bereich des Kopfes sowie Anteile der Hirnnerven III, VII, IX und X seit langem fest etabliert. Somit ist das ANS als Teil des peripheren Nervensystems (PNS) in unserer Vorstellung verankert. Aber auch weite Teile des Zentralnervensystems (ZNS), einschließlich der Großhirnhemisphären befassen sich mit autonomer Regulation. Im Folgenden soll die Anatomie der peripheren und zentralen Anteile des ANS kurz zusammengefasst werden.

Dem Vorschlag Langleys entsprechend wird das ANS in Sympathikus,Parasympathikus und EnterischesNervensystem (Darmnervensystem, ENS) gegliedert (Langley 1921). Für die Eigenständigkeit des Letzteren gab es bereits zu Langleys Zeiten genügend funktionelle Hinweise und die Besonderheiten des ENS wurden durch Forschungsergebnisse der letzten Jahre bestätigt und weiter ausgearbeitet (Furness 2006a). Ob und wie weit auch die lokalen Gangliengeflechte in anderen Organen zu komplexen Integrationsleistungen fähig sind, ist noch unklar (Furness 2006b). Im Gegensatz zum Sympathikus, der den gesamten Körper innerviert, beschränkt sich der Parasympathikus auf Kopf und manche innere Organe. Extremitäten und Leibeswand, Niere, Milz, Lymphknoten, Thymus und Knochenmark werden nur sympathisch innerviert. Deshalb ist die populäre Vorstellung eines generellen Antagonismus von Sympathikus und Parasympathikus allein schon aus anatomischen Gründen irreführend. Die »zweizügelige« Steuerung der Organfunktionen ist eher die Ausnahme als die Regel, und selbst bei jenen Organen, die von beiden Systemen versorgt werden, zeigt die funktionelle Analyse eher ein komplexes »Miteinander« als ein antagonistisches »Gegeneinander« (Jänig 2006).

Die Begriffe Sympathikus und Parasympathikus beziehen sich nur auf den efferenten Schenkel des ANS. Da die Sicherung der Homöostase gegen Störungen jedoch vegetative Regelkreise erfordert, bilden afferente Neurone einen integralen Bestandteil des ANS. Obwohl sich diese Viszeroafferenzen in allen Nerven finden, die auch efferente sympathische bzw. parasympathische Fasern enthalten, wäre es irreführend, die jeweiligen Afferenzen als »sympathisch« oder »parasympathisch« zu bezeichnen, da spätestens mit ihrem Eintritt ins ZNS die scheinbare Zuordnung zu dem einen oder anderen System wegfällt. Neben diesen Viszeroafferenzen im engeren Sinn, die Informationen aus inneren Organen liefern, finden auch bestimmte Afferenzen aus »somatischen« Bereichen (Haut, Skelettmuskulatur) Eingang in vegetative Regelkreise. Es handelt sich in der Regel um dünnkalibrige (Aδ- und C) thermo-, chemo-, nozi- und niederschwellig mechanozeptive Afferenzen, die z. B. bei der Thermoregulation eine Schlüsselrolle spielen. Als Überbegriff wurde dafür »homöostatische Afferenzen« vorgeschlagen (Craig 2003).

Somit erscheint es angebracht, das ANS in periphere (Sympathikus,Parasympathikus,Darmnervensystem, viszerale Afferenzen) und zentrale Anteile zu gliedern.

1.1       Peripheres ANS

Ein Charakteristikum des ANS ist die Aufteilung seines efferenten Anteils auf dem Weg zum Erfolgsorgan in eine prä- und eine postganglionäre Strecke: Präganglionäre Neurone, deren Zellkörper im ZNS (Rückenmark und Hirnstamm) liegen, senden ihre Axone über Spinal- bzw. bestimmte Hirnnerven zu autonomen Ganglien, Nervenzellanhäufungen im Bereich des PNS (Langley 1921; Müller 1931). In diesen Ganglien sitzen die Perikaryen der postganglionärenNeuronen (die eigentlich richtiger »ganglionär« zu nennen wären), deren Axone, dem Verlauf von Spinal- bzw. Hirnnervenästen oder Gefäßen folgend, zum Erfolgsorgan (glatte Muskulatur, Drüsen) ziehen. Die in den autonomen Ganglien erfolgende synaptische Umschaltung von prä- auf postganglionäre Neurone, im Wesentlichen cholinerg-nikotinisch vermittelt, ermöglicht durch Konvergenz (Projektion von mehreren präganglionären auf ein postganglionäres Neuron) als auch Divergenz (Projektion eines präganglionären auf mehrere postganglionäre Neurone) sowohl die Verstärkung als auch die weite Verteilung der präganglionären Signale. So wurde etwa für das Ggl. cervicale superius des Menschen ein prä- zu postganglionäres Verhältnis von ca. 1 : 100 beschrieben (Jänig 2006).

Die Lage der autonomen Ganglien wird klassischerweise für den Sympathikus als organfern (paravertebrale und prävertebrale Ganglien), jedoch organnah oder gar intramural für den Parasympathikus beschrieben. Somit ist die Länge präganglionärer Axone im Parasympathikus, insbesondere im N. vagus größer als jene der postganglionären, während im Sympathikus auch postganglionäre Axone ziemlich lange Strecken überbrücken müssen, z. B. von einem lumbalen oder sakralen Grenzstrangganglion bis zur Zehenspitze, um dort Schweißdrüsen oder Gefäße zu innervieren. Andererseits liegen sympathische postganglionäre Neurone in Beckenganglien oft sehr organnahe, sodass ihre Axone oft nur wenige Millimeter lang sind.

Die Kontakte zwischen postganglionären autonomen Neuronen und Effektoren wurden gern als Synapsen »par distance« beschrieben. Neuere Befunde zeigen jedoch, dass auch im ANS der typische Neuroeffektorkontakt eine sehr nahe Membranbeziehung von etwa 20 nm in einem umschriebenen Bereich darstellt (Luff et al. 1987).

1.1.1     Viszerale Afferenzen

Viszeroafferente Neurone besitzen ihre Zellkörper in thorakolumbalen und sakralen Spinalganglien der gleichen Segmente, in denen auch präganglionäre Neurone liegen (C 8–L 3 bzw. S 2–4; spinale Viszeroafferenzen) sowie in den sensorischen Ganglien des N. vagus (Ggl. nodosum/inferius und jugulare/superius) und N. glossopharyngeus (Ggl. petrosum/inferius). Ihre peripheren Axone, typischerweise dünne Aδ- und C-Fasern, findet man in sämtlichen Wandschichten der Hohlorgane, in den Luftwegen und im Ösophagus dringen sie sogar bis ins Epithel vor. Auf ihrem Weg nach zentral durchziehen sie die ganglionären Plexus, wobei insbesondere thorakolumbale Afferenzen Kollateralen an Ganglienzellen abgeben können. Ihre zentralen Endigungen finden wir im oberflächlichen Hinterhorn des Rückenmarks (spinale Viszeroafferenzen) und im Nucleus tractus solitarii (vagale und glossopharyngeale Afferenzen). Verglichen mit somatischen Afferenzen, stellen viszerale Afferenzen nur einen kleinen Teil des gesamten afferenten Einstroms ins ZNS dar. Selbst in den Haupt-Eintrittssegmenten bilden z. B. afferente Neurone des N. splanchnicus major der Ratte nur etwa 10 % der Spinalganglienzellen (Neuhuber et al. 1986). Andererseits besteht der N. vagus zu etwa 80 % aus afferenten Fasern (Berthoud und Neuhuber 2000).

Spinale Viszeroafferenzen

Die peripheren Axone spinaler Viszeroafferenzen zeigen oft das Bild »freier« Nervenendigungen in Schleimhaut und glatter Muskulatur. Thorakolumbale Afferenzen erscheinen dabei »einfacher«, weniger verzweigt als sakrale (Spencer et al. 2016). Viele dieser Neurone enthalten die Peptide CGRP und Substanz P sowie den pH-empfindlichen »Capsaicin«-Rezeptor TRPV1 und können aufgrund ihrer »lokalen Effektor-Funktion« durch Peptidfreisetzung Blutgefäße, glatte Muskulatur und Immunzellen beeinflussen. Thorakolumbale Afferenzen gelangen über Nn. splanchnici thoracici, lumbales bzw. mediastinale Äste des sympathischen Grenzstrangs, Rami communicantes albi und die jeweiligen Spinalnerven, sakrale Afferenzen über die Nn. splanchnici pelvici und die sakralen Spinalnerven zu ihren Spinalganglien. Über die Hinterwurzeln erreichen sie die oberflächlichsten Schichten des Hinterhorns und verteilen sich rostro-kaudal über viele Segmente (Sugiura et al. 1993) ( Abb. 1.1). Mit schütter verteilten Synapsen kontaktieren sie sekundäre Hinterhornneurone, die zum Teil Ursprung für aufsteigende Bahnen sind (z. B. Tr. spinothalamicus, Tr. spinoreticularis), zu einem großen Teil jedoch Interneurone, welche die viszeroafferenten Signale verarbeiten und an präganglionäre sympathische und parasympathische Neurone, aber auch an den somatomotorischen Apparat weitergeben. Viszerale Afferenzen konvergieren an sekundären Hinterhornneuronen stets mit solchen aus somatischen Gebieten (Haut, Muskulatur, Bänder und Faszien). Die schüttere Verteilung über viele Segmente und die Konvergenz mit somatischen Afferenzen wird als Erklärung für die schlechte Lokalisierbarkeit sowie die Übertragung des Eingeweideschmerzes (»referred pain«) herangezogen (Head-Zonen, Konvergenz-Projektions-Theorie von Ruch; Cervero und Tattersall 1986).

Afferenzen des N. vagus und N. glossopharyngeus

Afferente Neurone des N. vagus und N. glossopharyngeus bilden in verschiedenen Organen spezialisierte Endigungen aus, z. T. in Verbindung mit nicht-neuronalen Zellen. Das Paradebeispiel sind die afferenten Endigungen in den chemosensorischen Glomusorganen (Glomus caroticum bzw. aorticum) und in vagalen Paraganglien (Berthoud und Neuhuber 2000; Kummer und Neuhuber 1989). In der Mukosa von Larynx und oberstem Ösophagus finden sich ausgeprägte laminäre Endigungsformationen, die von myelinisierten Axonen ausgehen und vermutlich niederschwellige Mechanosensoren darstellen (Wank und Neuhuber 2001). Ähnliche Strukturen finden sich in den drucksensitiven Wandarealen von Aorta und A. carotis, im Endokard und in der viszeralen Pleura (Wang et al. 2017). Im Bronchialbaum gelegene Neuroepitheliale Körperchen bilden mit vielfach verzweigten dickkalibrigen Vagusafferenzen komplexe Sensoren, die unter

Abb. 1.1: Schema der Verteilung viszeraler und somatischer Primärafferenzen im spinalen Hinterhorn (HW – Hinterwurzel) sowie der Lokalisation präganglionärer sympathischer Neurone in der Zona intermedia des Rückenmarks (links). Rechts sind Motoneurone des Vorderhorns (VH) symbolisiert. IML – Ncl. intermediolateralis, IC – Ncl. intercalatus, CA – Ncl. autonomicus centralis. Strichliert ist der Bereich der Interneurone, die sowohl präganglionäre autonome als auch somatische Motoneurone koordinieren sowie Afferenzen aus dem Hinterhorn (weiße geschwungene Pfeile) integrieren und an die efferenten Neurone weiterleiten. FDL – Fasciculus dorsolateralis, über den prämotorische autonome Bahnen aus dem Hirnstamm zu den präganglionären Neuronen und Interneuronen herantreten.

anderem als Lungendehnungssensoren fungieren dürften (Adriaensen et al. 2006; Nonomura et al. 2017). Im gesamten Verdauungstrakt bilden afferente Vagusfasern dichte laminäre Verzweigungskörbe um und in myenterischen Ganglien, die sogenannten Intraganglionären Laminären Endigungen (IGLEs). Sie stellen niederschwellige Mechanosensoren dar, die sowohl auf Dehnung als auch Kontraktion des Organs reagieren (Phillips und Powley 2000; Zagorodnyuk und Brookes 2000). Ihre strukturelle synaptische Verquickung mit den Ganglienzellen und ihre neurochemische Ausstattung deuten jedoch auf komplexere Wechselwirkungen mit den Ganglien hin (Hübsch et al. 2013; Neuhuber et al. 2006). In der glatten Muskulatur des Fundus und der Sphinkteren trifft man auf sogenannte intramuscular arrays (IMAs), parallel zu den Muskelfasern verlaufende, dünnkalibrige, vielfach verzweigte afferente Vagusfasern. Sie sind keineswegs »freie Nervenendigungen«, sondern stehen in engem Kontakt zu interstitiellen Zellen von Cajal (Phillips und Powley 2000). Afferente Vagusneurone bilden in der Magen- und Dünndarmschleimhaut komplexe Endigungsstrukturen aus (Powley et al. 2011). Mit seinen Afferenzen reicht der N. vagus sogar bis zu Organen des kleinen Beckens (Collins et al. 1999). Vagale afferente Neurone unterscheiden sich von thorakolumbalen Afferenzen aus demselben Organ auch durch die Größe ihrer Zellkörper und den Gehalt an verschiedenen Transmittern, Peptiden, Rezeptoren und anderen Substanzen (Dütsch et al. 1998; Tan et al. 2008, 2009).

Neben diesen eigentlichen Viszeroafferenzen führen Vagus und Glossopharyngeus Geschmacksafferenzen sowie Afferenzen aus dem somatisch-viszeralen Übergangsbereich (weicher Gaumen, Pharynx, äußerer Gehörgang).

Vagale und glossopharyngeale Afferenzen werden nach ihrem Eintritt in den Hirnstamm über den Tractus solitarius auf die verschiedenen Unterkerne des Nucleus tractussolitarii(NTS) verteilt, wobei eine Somatotopik augenfällig ist. Respiratorische Afferenzen belegen den ventrolateralen, kardiovaskuläre den dorsolateralen und gastrointestinale den medialen Kernbereich ( Abb. 1.2). Im Solitariuskern werden die Afferenzen von einem komplexen interneuronalen Netzwerk verarbeitet und an vagale efferente Neurone des dorsalen Vaguskerns (für den Gastrointestinaltrakt), und des Nucleus ambiguus (für Pharynx, Larynx, Ösophagus, Herz und Tracheobronchialbaum) sowie an die Atem- und Kreislaufzentren der ventrolateralen Medulla oblongata weitergegeben. Der NTS ist aber auch die Vermittlungszentrale für die Weiterleitung viszeraler Signale an »höhere« Steuer- und Koordinationszentren, wie z. B. die Parabrachialkerne, das periaquäduktale Grau, den Hypothalamus und das limbische System.

Die vagalen Afferenzen aus dem somatisch-viszeralen Übergangsbereich projizieren, neben dem NTS, zum spinalen Trigeminuskern und zum Nucleus paratrigeminalis (Altschuler et al. 1989).

Abb. 1.2: Schematische Darstellung der Vaguskerne des Hirnstamms. Der Rechteckrahmen im Hirnstammquerschnitt links oben grenzt das Areal ein, in dem sich der Ncl. tractus solitarii (NTS), der dorsale Vaguskern (DMX) und der Ncl. ambiguus (AMB) befinden. Im Zentrum der Abbildung ist der NTS als nach rostral offenes »Y« mit dem darunter liegenden DMX dargestellt. Der gerade Pfeil links markiert die Höhe der Querschnittsebene in der Orientierungsskizze links oben. Die geschwungenen Pfeile von links symbolisieren den rostrokaudal angeordneten afferenten Einstrom über den VII. (Chorda tympani, gustatorisch), IX. (N. glossopharyngeus, gustatorisch und sensibel) und X. Hirnnerven (N. vagus, viszerosensibel). An der Querschnittsfläche des NTS sind die Endigungsareale der gastrointestinalen (GIT), kardiovaskulären (C) und respiratorischen (R) Afferenzen abgegrenzt. Die geschwungenen Pfeile rechts symbolisieren den Ausstrom aus dem NTS zum AMB (Motoneurone zur quergestreiften Ösophagus-, Pharynx- und Larynxmuskulatur; kardioinhibitorische Neurone in der externen Formation des AMB) und zum DMX. Die präganglionären Neurone des DMX sind in Längssäulen angeordnet, die verschiedene innere Organe versorgen. Suprabulbäre Projektionen aus dem NTS erreichen vor allem Thalamus, Hypothalamus, Amygdala und, über ein thalamisches Relais, die Inselrinde (nach Powley et al. 1992).

1.1.2     Sympathikus

Präganglionäre Neurone

Die präganglionärenNeurone des Sympathikus (SPN) liegen, periodisch rostrokaudal gruppiert, in der Zona intermedia der Rückenmarksegmente C 8–L 3, weshalb man auch vom thorakolumbalen System spricht ( Abb. 2.2). Dabei finden sich die meisten dieser Zellkörper im klassischen Ncl.intermediolateralis(IML) des Seitenhorns, zum Teil auch in der weißen Substanz des Seitenstrangs, während andere medial davon im Ncl. intercalatus (IC) sowie nahe dem Zentralkanal im Ncl. autonomicuscentralis liegen ( Abb. 1.1). Die mediolaterale Position korreliert in hohem Maße mit dem Zielgebiet der nachgeschalteten postganglionären Neurone: lateral gelegene SPN kontrollieren Extremitäten und Leibeswand, während weiter medial gelegene, insbesondere jene um den Zentralkanal die Innervation von Eingeweiden besorgen. Die Axone aller SPN, in der Regel myelinisiert, ziehen durch die Vorderwurzeln in die Spinalnerven, von denen sie über die Rami communicantes albi in die Ganglien des sympathischen Grenzstrangs übertreten (Gibbins 2012).

Die Zuordnung der SPN folgt einem groben segmentalen Prinzip. Präganglionäre Neurone der Segmente C 8–T 2 projizieren hauptsächlich zum Ggl. cervicale superius, von dem die postganglionäre Innervation von Kopf und Hals, somit auch des M. dilatator pupillae ausgeht, daher der Name Centrum ciliospinale für diese Segmente. Allerdings zeigen tierexperimentelle Befunde, dass SPN in der gesamten oberen Hälfte des Thorakalmarks (bis T 5/6) zum obersten Halsganglion projizieren; der präganglionäre Einfluss auf das Ggl. stellatum erstreckt sich bis T 9 (Pyner und Coote 1994). SPN der Segmente T 1–7 sind für die Innervation der Thoraxorgane, jene in T 5–L 1 für die Bauchorgane und schließlich jene in T 12–L 3 für die Innervation der Beckenorgane bestimmt. Für die Extremitäten gilt Ähnliches: T 1–5 für die obere, T 12–L 3 für die untere Extremität. Allerdings überlappen diese Territorien nicht unbeträchtlich. Das Nebennierenmark wird aus präganglionären Neuronen der Segmente T 6–11 versorgt, deren Axone es über den N. splanchnicus major erreichen.

Als Transmitter verwenden präganglionäre sympathische Neurone Acetylcholin, das auf nikotinische Rezeptoren der postganglionären Neurone wirkt, zum Teil auch Stickoxyd (NO).

Postganglionäre Neurone

Die postganglionärenNeurone des Sympathikus (SPoN) liegen in den paravertebralenGanglien des sympathischen Grenzstrangs, den prävertebralenGanglien vor der Bauchaorta und den Beckenganglien. Sie sind multipolar, von Satellitenzellen umgeben und eingebettet in das endoneurale Bindegewebe des Ganglions. Neben diesen Hauptzellen gibt es die in Gruppen liegenden sogenannten small intensely fluorescent cells (SIF-Zellen), deren Funktion unklar ist.

Die Ganglienkette des Truncussympathicus zeigt eine segmentale Organisation, die allerdings nicht exakt mit der des Rückenmarks korreliert (Groen 1986). Mit 2–3 Halsganglien, Ggl. cervicale superius, medium (variabel) und inferius, 10–13 Brustganglien, typischerweise vor den Rippenköpfchen gelegen, 4 Lendenganglien, 4–5 Sakralganglien, medial der Foramina sacralia pelvina gelegen, und schließlich dem Ganglion impar vor der Spitze des Os sacrum erstreckt sich der Grenzstrang von knapp unterhalb der Schädelbasis durch den gesamten Hals und Rumpf, übertrifft also an Ausdehnung das präganglionäre Ursprungsgebiet im Rückenmark ( Abb. 2.2). Das größte Ganglion, Ggl. cervicale superius, ist spindelförmig und 2–3 cm lang; es enthält beim Menschen etwa eine Millionen Nervenzellen. Die thorakalen und lumbalen Ganglien enthalten je etwa 100.000 Neurone, die sakralen Ganglien sind wesentlich kleiner (Gibbins 2012). Das untere Halsganglion verschmilzt mit dem obersten Brustganglion zum Ggl.stellatum (cervicothoracicum), wobei es zur individuell variablen Ausbildung von Nervenschlingen um die A. subclavia kommt (Ansa subclavia;  Abb. 1.3 und  Abb. 1.4). In diesem Bereich liegt meist auch ein kleineres Ggl. vertebrale, aus dem der N. vertebralis, neben der gleichnamigen Arterie verlaufend, als R. communicans zu den Spinalnerven C 6 und 7 zieht, mit Ästen zur Arterie, den Wirbelgelenken und zur Dura (Tubbs et al. 2007). Die Axone der SPoN, in der Regel unmyelinisiert, verlassen die Grenzstrangganglien über die Rami communicantes grisei in Richtung Spinalnerven und untere Hirnnerven oder schließen sich größeren benachbarten Blutgefäßen, wie der A. carotis externa und interna (N. oder Plexus caroticus externus bzw. internus) oder der V. jugularis interna an ( Abb. 1.3). Rr. communicantes grisei findet man entlang des gesamten Grenzstrangs, während Rr. communicantes albi auf die Segmente der SPN beschränkt sind, d. h. C 8/Th 1–L 3. Die Rr. communicantes des Brustgrenzstrangs sind unter der Pleura leicht von den Ganglien zu den Interkostalnerven zu verfolgen ( Abb. 1.4). Die Rr. communicantes grisei des Halsgrenzstrangs ziehen zwischen den prävertebralen Muskeln und den Scaleni zu den darunter liegenden Nervenstämmen des Plexus brachialis und cervicalis, jene des Lumbalgrenzstranges verlaufen unter den Ursprungsarkaden des M. psoas major zum Plexus lumbalis und die des Sakralgrenzstrangs nach lateral zu den sakralen Spinalnerven. Jeder periphere Nerv erhält so postganglionäre sympathische Axone. Diese Fasern stammen nicht nur aus dem Grenzstrangganglion der gleichen Höhe, sondern auch aus dem kranial und aus bis zu zwei kaudal davon gelegenen (Baron et al. 1995). Der Tr. sympathicus fungiert somit als Verteiler des sympathischen Einflusses auf den gesamten Körper.

Nicht selten gelangen postganglionäre sympathische Axone aus dem zweiten Interkostalnerv zum ersten thorakalen Spinalnerven und von dort in den Plexus brachialis; diese Verbindung wird als Kuntz-Nerv bezeichnet und kann zum Misserfolg einer Hyperhidrose-Behandlung durch Sympathektomie führen (Ramsaroop et al. 2001) ( Abb. 1.4).

Abb. 1.3: Schematische Darstellung des Hals- und oberen Brustgrenzstranges. Aus den drei Ganglien, Ggl. cervicale superius, medium und cervicothoracicum, das aus der Verschmelzung von Ggl. cervicale inferius und thoracale primum entstanden ist, entspringen die Nn. cardiaci cervicales superior, medius und inferior. Rr. communicantes verbinden die Grenzstrangganglien mit Spinal- und Hirnnerven (mit römischen Ziffern bezeichnet) (nach Ferner 1975. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags).

Abb. 1.4: Übersicht über den Brustgrenzstrang und seine Verbindungen an einem anatomischen Präparat. Sternchen markieren Rami communicantes zu den Interkostalnerven, das Sternchenpaar flankiert den Kuntz-Nerv (rechts in der vergrößerten Ansicht). Beachte die unterschiedlich großen Grenzstrangganglien. Co3, Co12 – dritte bzw. zwölfte Rippe; GglsyT 1 – erstes thorakales Grenzstrangganglion; dort wurde der Grenzstang bei der Präparation durchtrennt; Splmaj – Wurzeln des N. splanchnicus major; Trsy – Truncus sympathicus; T 1, T 2 – erster bzw. zweiter thorakaler Spinalnerv.Präparat erstellt von Soheil Arinrad und Maximilian Schmalfuß im Institut für Anatomie, Erlangen im Rahmen der Lehrveranstaltung »Angewandte Anatomie (EMPTY-Kurs)«. Foto: Philip Eichhorn.

Äste zu den Thoraxorganen, Nervi splanchnici und prävertebrale Plexus

Das Herz, die großen Gefäße, der Tracheobronchialbaum und die Lunge werden von Ästen des Grenzstrangs versorgt, die bereits am Hals als Nn. cardiaci superiores, medii und inferiores, und im Thorax als Nn. cardiaci thoracici und Rr. pulmonales abzweigen ( Abb. 1.3). Auch der Ösophagus wird von feinen Ästen des Grenzstrangs erreicht. Die Nn. splanchnici ziehen vom thorakalen, lumbalen und sakralen Grenzstrang nach medio-kaudal zu den prävertebralen bzw. Beckenganglien. Der N.splanchnicus(thoracicus) major zweigt vom 5.–9. Ganglion des Brustgrenzstrangs ab, gefolgt vom N.splanchnicusminor aus dem 10. und 11. Ganglion und bisweilen von einem N.splanchnicusimus aus dem 12. Ganglion ( Abb. 1.4). Die Nn. splanchnici thoracici durchsetzen, oft getrennt vom Grenzstrang, das Diaphragma und strahlen in den Komplex des prävertebralen Ganglion coeliacum-mesentericum superius ein ( Abb. 1.5). Die Nn. splanchnici lumbales ziehen von den lumbalen Grenzstrangganglien in den der Aorta ventral aufliegenden Plexus aorticus abdominalis und zum Ggl. mesentericum inferius sowie in den kaudal anschließenden Pl. hypogastricus superior, der sich, über das Promontorium ziehend, in die beiden Nn. hypogastrici aufspaltet ( Abb. 1.6). Die Nn. splanchnici sacrales (nicht zu verwechseln mit den parasympathischen Nn. splanchnici pelvici) schließlich ziehen von den sakralen Grenzstrangganglien zum Pl. hypogastricus inferior (Ggll. pelvica,  Abb. 1.6). Charakteristisch für die Nn. splanchnici ist, dass sie, neben viszeroafferenten, größtenteils präganglionäre Axone führen, die in den prävertebralen und Beckenganglien umgeschaltet werden (Gibbins 2012).

Die prävertebralen (präaortalen)Gangliengeflechte liegen der Aorta abdominalis ventral auf und enthalten Ganglienmassen um ihre großen Abgänge: Ggl. coeliacum mit etwa zwei Millionen Neuronen, Ggl. mesentericum superius und inferius sowie beidseits je ein Ggl. renale und testiculare bzw. ovaricum ( Abb. 1.5). Aus diesen Ganglien gehen Äste hervor, die die postganglionären Axone enthalten und sich als Plexus den gleichnamigen Arterienästen zu den einzelnen Organen anschließen. Diese präaortalen Geflechte bündeln sich vor der Aortenbifurkation zum Plexus hypogastricus superior, der über das Promontorium ins kleine Becken zieht und sich in die beiden Nn. hypogastrici aufspaltet ( Abb. 1.6). Dies ist der Hauptweg für die präganglionäre sympathische sowie thorakolumbal-afferente Versorgung der Beckenorgane. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass sich der Truncus vagalis posterior über seinen R. coeliacus mit dem Ggl. coeliacum verbindet, sodass sich in den prävertebralen Plexus auch präganglionäre parasympathische und afferente Axone des N. vagus finden ( Abb. 1.5) (Wang und Powley 2007).

Abb. 1.5: Überblick über die prävertebralen Ganglien. Ein dichtes Nervengeflecht mit eingelagerten Ganglien umgibt die Aorta abdominalis und ihre großen Abgänge, Tr. coeliacus (repräsentiert durch A. hepatica communis und A. gastrica sinistra), A. mesenterica superior, A. mesenterica inferior und die Aa. renales. Von kranial durchsetzen die Nn. splanchnici major et minor sowie der Truncus vagalis posterior das Diaphragma und strahlen in den Komplex des Ggl. coeliacum ein. Kaudal des Diaphragmas zweigt vom lumbalen Grenzstrang ein N. splanchnicus lumbalis zum prävertebralen Geflecht ab (nach Ferner 1975. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags).

Abb. 1.6: Der kaudale lumbale und sakrale Grenzstrang in einer Ansicht von rechts nach Wegnahme der rechten Wandstrukturen und Gefäße des männlichen kleinen Beckens. Der Grenzstrang steht über Rr. communicantes nach lateral mit Spinalnerven (L 4–S 5 in dieser Darstellung), nach medial über Nn. splanchnici lumbales und sacrales mit dem prävertebralen Geflecht, das sich in den Pl. hypogastricus superior fortsetzt, bzw. dem Pl. hypogastricus inferior (pelvinus) in Verbindung. Die Nn. splanchnici pelvici führen präganglionäre parasympathische Axone aus den Spinalnerven S 2–S 4, der N. hypogastricus sympathische präganglionäre Axone aus den unteren Thorakal- und oberen Lumbalsegmenten zu. Die aus dem Pl. hypogastricus inferior entspringenden Geflechte zu den einzelnen Beckenorganen führen größtenteils postganglionäre parasympathische und sympathische Axone. Beachte den aus dem Pl. prostaticus hervorgehenden Pl. corporis cavernosi penis (Nn. cavernosi), der, seitlich der Prostata gelegen, den Beckenboden durchsetzt und zu den Schwellkörpern zieht. (nach Ferner 1975. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags).

Die sympathischen Neurone der prävertebralen Ganglien sind mehr als nur prä-postganglionäre Relais, da sie außer den Synapsen der SPN auch solche von intestinofugalen Neuronen erhalten, also Information aus dem enterischen Nervensystem sowie Kollateralen von spinalen viszeralen Primärafferenzen aus den Bauch- und Beckenorganen (Jänig 2006).

Sympathische postganglionäre Neurone verwenden Noradrenalin als Haupttransmitter; vasokonstriktorische Neurone verwenden den Co-Transmitter NPY. Sudomotorische Neurone sind aufgrund besonderer Entwicklungsvorgänge cholinerg (Schütz et al. 2008).

Als Zielstrukturen der postganglionären sympathischen Neuronen sind glatte Muskulatur von Blutgefäßen und Hohlorganen, das Erregungsbildungs- und -leitungssystem des Herzens sowie dessen Arbeitsmyokard, die Mm arrectores pilorum sowie Drüsen seit langem etabliert ( Abb. 2.2). In neuerer Zeit wurden der juxtaglomeruläre Apparat der Niere, das braune und auch das weiße Fettgewebe, die lymphatischen Organe und das rote Knochenmark in diese Liste aufgenommen (Huesing et al. 2020; Katayama et al. 2006; Weihe et al. 1991).

1.1.3     Parasympathikus

Langley (1921) stellte ursprünglich den beiden spinalen autonomen Systemen (thorakolumbal bzw. sakral) ein kraniales autonomes System gegenüber, bei dem er noch zwischen tektal (mit dem III. Hirnnerven assoziiert) und bulbär (mit den Hirnnerven VII, IX und X assoziiert) unterschied. Da er fand, dass sich das kraniale und das sakrale System durch seine auf den Kopf sowie Brust- und Bauchorgane bzw. auf die Beckenorgane beschränkte Ausdehnung anatomisch ähnlich verhielten und auch ihre Wirkungen auf die Organfunktionen ähnlich waren, grenzte er beide unter dem Begriff Parasympathikus gegen den ubiquitären thorakolumbalen Sympathikus ab, der sich auch funktionell oft entgegengesetzt verhielt. Hinsichtlich der Transmitter erscheint der Parasympathikus homogener als der Sympathikus. Sowohl prä- als auch postganglionäre Neurone verwenden als hauptsächlichen Transmitter Acetylcholin, viele postganglionäre Neurone zusätzlich NO.

Kranialer Parasympathikus

N. oculomotorius: Die Ursprungsneurone des parasympathischen Anteils des dritten Hirnnerven sitzen in einem kleinen Abschnitt des Edinger-Westphal-Kerns(pars preganglionica), dorsomedial des motorischen Hauptkerns (Horn et al. 2008). Das Ziel dieser präganglionären Axone ist das Ggl. ciliare in der Orbita, lateral dem N. opticus anliegend. Von diesem gehen die Nn. ciliares breves aus, die am hinteren Bulbuspol die Sklera durchsetzen und in die Choroidea eintreten. Die postganglionären Axone der Nn. ciliares breves innervieren die glatten inneren Augenmuskeln, den M. sphincter pupillae und den M. ciliaris, aber auch die lokalen Neurone der Choroidea (Neuhuber und Schrödl 2011).

N. facialis-intermediusund N. glossopharyngeus: Die präganglionären salivatorischen Neurone liegen im Tegmentum um den motorischen Fazialiskern bis zum rostralen Pol des Solitariuskerns verstreut. Dabei liegen Neurone, die über den N. intermedius zu den Ggll. pterygopalatinum und submandibulare projizieren, im rostralen Bereich (»Ncl. salivatorius superior«) vermischt mit jenen, die über den N. glossopharyngeus zum Ggl oticum projizieren; im kaudalen Bereich (»Ncl. salivatorius inferior«) dominieren Neurone, die über den N. glossopharyngeus den Hirnstamm verlassen. Ventral gelegene salivatorische Neurone dienen eher für die Innervation der Tränendrüse und von Arterien des Carotisstromgebiets (einschließlich der A. ophthalmica), während dorsal gelegene für die Innervation von Speicheldrüsen und Arterien des Vertebralis-Stromgebiets zuständig sind (Blessing und Benarroch 2012). Die Umschaltung der präganglionären auf die postganglionären Neurone erfolgt nicht nur in den größeren parasympathischen Kopfganglien (Ggll. pterygopalatinum, submandibulare und oticum), sondern auch in Mikroganglien des N. lingualis, in der Zunge und im Bereich des Sinus cavernosus (Hardebo et al. 1991).

N. vagus: Das präganglionär-efferente Innervationsgebiet des N. vagus erstreckt sich von Hals- über Thoraxorgane im Bauchraum bis über die linke Kolonflexur hinaus, wo es breit mit dem des sakralen Parasympathikus überlappt ( Abb. 1.7). Neben seinem präganglionär-parasympatischen Anteil enthält er branchiomotorische Fasern aus dem Nucleus ambiguus zur Innervation von quergestreifter Larynx-, Pharynx- und Ösophagusmuskulatur.

Die präganglionären parasympathisch efferenten Neuronen des N. vagus liegen im dorsalen Vaguskern, Ncl. dorsalis nervivagi(DMX); präganglionäre Neurone für die Innervation von Herz und Bronchien liegen vor allem auch in der ventralen »externen« Formation des Ncl. ambiguus ( Abb. 1.2). In diesem locker strukturierten ventralen Anteil des Ncl. ambiguus vermischen sich branchiomotorische und präganglionäre Neurone mit Neuronen der ventralen respiratorischen Gruppe des Atemzentrums (Schwarzacher et al. 2011).

Die efferenten Neurone des DMX sind viszerotopisch geordnet. Neurone, die zu Corpus und Antrum des Magens, zum Pankreas und zur Leber projizieren, liegen medial von Neuronen für den Fundus, und diese wiederum medial von Neuronen für Caecum und Herz in longitudinalen Säulen ( Abb. 1.2). Auch der NTS weist sowohl eine longitudinale als auch mediolaterale ( Kap. 1.1.1) Gliederung auf. Rostral endigen die gustatorischen Afferenzen des VII. Hirnnerven, also von den vorderen zwei Zungendritteln und dem Gaumen, kaudal daran anschließend jene des IX. Hirnnerven vom hinteren Zungendrittel und schließlich die Afferenzen des N. vagus, die die NTS-Abschnitte vom Niveau des Obex nach kaudal dominieren ( Abb. 1.2). Diese »Überkreuz«-Überlappung von Afferenzen und Efferenzen soll der Koordination von Reflexen über die Organgrenzen hinweg dienen (Powley et al. 1992).

Abb. 1.7: Verlauf und Äste des N. vagus von der Schädelbasis bis zum Magen und seine topografische Beziehung zum Halsgrenzstrang. Die Rr. cardiaci n. vagi strahlen in den Pl. cardiacus ein und vermischen sich dort, ebenso wie im Pl. pulmonalis, mit Ästen des Sympathikus. Beachte auch Rr. communicantes zwischen dem sympathischen Ggl. cervicale superius und dem Vagus im Bereich der Ggll. nodosum und jugulare. Der Pl. oesophageus tritt mit der Speiseröhre durch den Hiatus oesophageus in den Bauchraum über und verzweigt sich an der Vorder- und Hinterfläche des Magens. (Nach Ferner 1975. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.)

Als postganglionäreNeurone fungieren Ganglienzellen in Larynx und Pharynx, vor allem aber Neurone der intramuralen Ganglienplexus des Tracheobronchialbaums, des Herzens und des Verdauungstrakts einschließlich Pankreas und Gallenblase (Furness 2006a). Auch ein Teil der Neuronen des sympathischen Ganglion coeliacum wird von Axonen aus dem dorsalen Vaguskern kontaktiert, deren Bedeutung noch unklar ist (Berthoud und Powley 1993). Ob dies dem Vagus einen direkten Zugang zur Milz ermöglicht, ist umstritten (Bratton et al. 2012; Kressel et al. 2020). Die Leber wird zwar afferent, jedoch kaum efferent vagal innerviert; die meisten efferenten Axone des R. hepaticus n. vagi ziehen zum Dünndarm (Berthoud und Neuhuber 2019). Von den lymphatischen Organen, die alle sympathisch innerviert werden, dürfte der Thymus vagal afferent, jedoch nicht efferent innerviert sein. Das lymphatische Gewebe des Verdauungs- und Respirationstrakts wird möglicherweise über die intramuralen Ganglienplexus auch vom Vagus beeinflusst. Nieren und Nebennieren sowie Milz und Lymphknoten werden weder efferent noch afferent durch den N. vagus innerviert (Cano et al. 2001, 2004). Auch neuere Berichte über eine vagale Innervation des Fettgewebes konnten nicht bestätigt werden (Berthoud et al. 2006).

Sakraler Parasympathikus

Die präganglionärenNeuronen des sakralen Parasympathikus liegen im Ncl. intermediolateralis der Rückenmarksegmente S 2–4. Getrennte Neuronenpopulationen steuern die Harnblase bzw. das Rektum. Die präganglionären Axone verlaufen über die Vorderwurzeln in die entsprechenden Spinalnerven, von denen sie im kleinen Becken als Nn. splanchnici pelvici (Nn. erigentes) abzweigen, bevor jene den Plexus sacralis bilden ( Abb. 1.6; Jänig 2006; Gibbins 2012).

Die Nn. splanchnici pelvici treten dann in den Plexus hypogastricus inferior ein, wo die nikotinisch-cholinerge Umschaltung auf cholinerge und nitrerge postganglionäreNeurone stattfindet ( Abb. 1.6). Der Pl. hypogastricus inferior ist ein flächiges Gangliennetz mit größeren und kleineren Ganglien (Beckenganglien, Ganglia pelvica), das unmittelbar lateral von Rektum, Blase und den inneren Genitalorganen ins Beckenbindegewebe eingelagert ist (Baader und Herrmann 2003). Vom Rektum ist es durch die Fascia rectalis, die wiederum das Mesorektum umschließt, getrennt, was für die Schonung des Gangliengeflechts bei der totalen mesorektalen Exzision von Bedeutung ist. Ein besonders dichter Anteil des Geflechts umgibt die Spitze der Samenblasen. Bei der Frau liegt der Pl. hypogastricus inferior in der Plica sacrouterina und zu beiden Seiten der Zervix (Frankenhäuser’sches Ganglion). Von den postganglionären Neuronen der Beckenganglien verlaufen dünne Axonbündel zu den Beckenorganen sowie entlang der Prostatakapsel durchs Diaphragma urogenitale zu den Schwellkörpern des äußeren Genitale (Pl. corporis cavernosi;  Abb. 1.6). Schonung dieser Nerven ist Ziel der nervenerhaltenden Techniken der totalen Prostatektomie zur Sicherung der erektilen Potenz.

Der Pl. hypogastricus inferior erhält über die Nn. hypogastrici auch präganglionäre sympathische Axone aus den oberen Lumbalsegmenten und die Beckenganglien enthalten sowohl parasympathische cholinerge als auch sympathische adrenerge postganglionäre Neurone, sind also parasympathisch-sympathisch gemischt. Ein weiterer sympathischer Zustrom gelangt über die Nn. splanchnci sacrales aus dem sakralen Grenzstrang in den Pl. hypogastricus inferior; es handelt sich dabei vorwiegend um postganglionäre Axone ( Abb. 1.6) (Gibbins 2012; Jänig 2006).

1.1.4     Enterisches Nervensystem

Das Enterische Nervensystem (ENS) oder Darmnervensystem besteht aus Gangliengeflechten zwischen den einzelnen Wandschichten des Verdauungstrakts und erstreckt sich vom Beginn des Ösophagus bis zum analen Sphinkterapparat. Auch die Gangliengeflechte von Pankreas und Gallenblase werden aufgrund ihrer Entwicklung und der engen Verbindungen mit dem ENS demselben zugerechnet (Furness 2006a). Der Grundbauplan zeigt Gangliengeflechte zwischen der äußeren und inneren Schicht der Tunica muscularis, Plexusmyentericus (Auerbach), sowie in der Submucosa, Plexus submucosus; dieser lässt sich bei größeren Säugerspezies in einen Pl.submucosusexternus (Schabadasch) und Pl.submucosusinternus (Meissner) gliedern ( Abb. 1.8) (Brehmer et al. 2010). Von diesen ganglionären Primärgeflechten gehen aganglionäre sekundäre und tertiäre Nervengeflechte in den beiden Muskelschichten sowie in der Mukosa (dort mit vereinzelten Nervenzellen) aus. Die einzelnen Plexus sind durch die Wandschichten hindurch über Nervenfaserbündel verbunden. Dieser typische Bau des ENS findet sich im Dünn- und Dickdarm, jedoch nicht in allen Abschnitten des Verdauungstrakts. So fehlen etwa Ganglien im Pl. submucosus des Ösophagus und Magens weitgehend oder sind relativ klein (Anetsberger et al. 2018 Furness 2006a). Die Dichte des Netzes und die Größe der Ganglien variieren zwischen den einzelnen Organen und zwischen den einzelnen Plexus innerhalb eines Organs beträchtlich. Im Dünndarm ist der Plexus myentericus am dichtesten gewebt und besitzt auch die größten Ganglien. Generell sind die submukösen Ganglien kleiner als die myenterischen.

Funktionell ist das ENS in der Erfüllung seiner Aufgaben, der Peristaltikregulation, Steuerung von Resorption, Sekretion und immunologischer Funktionen sowie in der Interaktion mit dem Mikrobiom weitgehend unabhängig vom ZNS. Dies liegt daran, dass es sowohl motorische als auch eigene sensorische (intrinsische primärafferente Neurone, IPANs) und Interneurone beherbergt, die es zum Aufbau lokaler Reflexe befähigen (Furness 2006a).

Abb. 1.8: Schema der Anordnung der ganglionären Plexus des enterischen Nervensystems. Beachte die Verbindung der Geflechte untereinander durch die Schichten der Darmwand hindurch (Neuhuber 1996 © 1996 Schattauer/Thieme Group).

Enterische Ganglien ähneln in ihrer engen Verquickung von Neuronen und Glia, eingehüllt von einer Basalmembran, ohne intraganglionäres Bindegewebe, eher dem Gehirn als peripheren autonomen Ganglien. Enterische Neuronen zeigen eine bemerkenswerte morphologische und neurochemische Vielfalt, und die ursprünglich drei Dogiel-Typen erfuhren eine weitere Differenzierung auf bis zu sieben. Dazu kommt, dass die Zahl der Neuronen, etliche hundert Millionen, und die Vielfalt der synaptischen Verbindungen riesig sind, das Repertoire an Transmittern dem des ZNS in nichts nachsteht und enterische Gliazellen mehr Ähnlichkeiten mit Astrozyten als mit Schwann’schen oder Satelliten-Zellen des PNS haben. Neben Acetylcholin als exzitatorischem Haupttransmitter wirken ebenso Substanz P und wohl auch Glutamat. Der inhibitorische Haupttransmitter ist NO, das mit vasoaktivem intestinalem Polypetid (VIP) und vermutlich auch anderen Peptiden sowie GABA zusammenwirkt. Neueren Befunden zufolge gibt es auch katecholaminerge enterische Neurone, die Dopamin als Transmitter verwenden dürften (Anlauf et al. 2003). Der Vergleich mit dem ZNS schuf die Metapher des »Gehirns im Bauch« (brain of the gut; Wood 1987). Es gibt sogar Hinweise auf eine »Lernfähigkeit« des Darmnervensystems im Sinne einer Konditionierung (Schemann et al. 2020). Nichtsdestoweniger wird das Geschehen im ENS über seine reziproken extrinsischen Verbindungen ( Extrinsische Verbindungen des ENS) mit dem ZNS in die Homöostaseregulation des gesamten Organismus eingebunden, was mit dem Begriff der »Darm-Gehirn-Achse« (gut-brain axis) verdeutlicht wird.

Aufbauend auf ausgedehnten Studien am Meerschweinchen und Schwein und durch Anwendung exakter morphologisch-immunhistochemischer Techniken, konnten in den letzten Jahren auch beim Menschen, insbesondere im Plexus myentericus, verschiedene Neuronentypen charakterisiert werden, wie etwa die IPANs. Sie entsprechen den Dogiel Typ II-Neuronen, die sich morphologisch durch ihren großen, glattbegrenzten Zellkörper und ihre größtenteils zirkulär, z. T. bis in die Mukosa verlaufenden Axone auszeichnen. Beim Menschen sind sie durch den Gehalt von Somatostatin und Calretinin (einem speziellen Calcium-bindenden Protein) gekennzeichnet (Brehmer et al. 2004). Aber auch enterische Motoneurone und Interneurone lassen sich morphologisch-neurochemisch relativ gut charakterisieren. Die klassischen Dogiel Typ I-Neuronen, multidendritisch und uniaxonal, lassen sich aufgrund ihrer Dendritenmorphologie, Axonverläufe und Neurochemie in »stubby« und »spiny« trennen: erstere aszendierend cholinerg und Enkephalin-positiv, letztere deszendierend und nitrerg. Somit könnten stubby Typ I-Neurone aszendierenden exzitatorischen Motor- und Interneuronen, spiny Typ I-Neurone deszendierenden Motor- und Interneuronen entsprechen. Ein weiterer relativ gut charakterisierter Zelltyp ist Typ V, der deszendierenden cholinergen Interneuronen entsprechen dürfte. Die Identifikation von Typ III-, IV- und VI-Neurone beim Menschen ist noch problematisch. Nichtsdestoweniger zeichnet sich ab, dass auch im ENS des Menschen, nicht anders als im ZNS, morphologisch und chemisch definierbare Neuronentypen den verschiedenen funktionellen Kategorien von exzitatorischen und inhibitorischen Neuronen entsprechen (Brehmer 2006, Furness 2006a). Beispiele enterischer Neuronentypen im Ileum des Schweins zeigt Abbildung 1.9.

Ein erst in neuerer Zeit in seiner Bedeutung erkanntes, anatomisch aber schon lang bekanntes Zellelement in der Muskelwand des Verdauungstrakts, sind die Interstitiellen Zellen von Cajal (ICC; Furness 2006a). Es handelt sich um mesenchymale, fortsatzreiche Zellen zwischen den glatten Muskelfasern (aber auch im quergestreiften Ösophagusabschnitt) und um myenterische Ganglien. Sie bilden über gap junctions ein weit verzweigtes elektrisch leitendes Netzwerk und stehen einerseits mit glatter Muskulatur, andererseits mit varikösen Nervenfasern sowohl intrinsischer als auch extrinsischer Herkunft in Verbindung. Sie erfüllen Schrittmacherfunktion und sind der Ursprung der langsamen Wellen (slow waves).

Extrinsische Verbindungen des ENS

Das ENS steht mit dem ZNS und mit prävertebralen Ganglien in reziproker Verbindung. Letzteres ermöglicht die Koordination von weiter auseinanderliegenden Abschnitten des Verdauungstrakts, Ersteres die Abstimmung zwischen Verdauungstrakt und Gesamtorganismus. Sowohl parasympathische als auch sympathische Nerven sind an dieser reziproken Kommunikation beteiligt.

Sympathische postganglionäreNeurone prävertebraler Ganglien innervieren die enterischen Ganglien mit motilitäts- und sekretionsregulierenden, i. d. R. hemmenden und

Abb. 1.9: Verschiedene Nervenzelltypen eines myenterischen Ganglions im Dünndarm des Schweins, dargestellt durch Immunhistochemie für Neurofilamente. Aufgrund der Form des Zellkörpers sowie der Morphologie und Verteilungsgeometrie der Dendriten können drei Typen unterschieden werden: Typ I (Motor- oder Interneurone), Typ II (enterische primärafferente Neurone), Typ III (vermutlich Interneurone) (der Verlag und der Autor danken Herrn Prof. Dr. A. Brehmer, Erlangen, für die freundliche Bereitstellung der Abbildung).

die Blutgefäße des Magen-Darmtrakts mit vasokonstriktorischen Fasern (Furness 2006a, Jänig 2006). Eine dichte adrenerge Innervation aus dem Ggl. mesentericum inferius und den Beckenganglien vermittelt die tonische Kontraktion des M. sphincter ani internus.

Präganglionäre cholinerge Neurone des DMX innervieren die enterischen Ganglien vom Ösophagus bis weit ins distale Kolon hinein, wobei im Magen praktisch jedes Ganglion und wohl die Mehrzahl der myenterischen Neuronen »postvagal« sind (Berthoud et al. 1991); vom Duodenum analwärts ist die präganglionäre vagale Innervation wesentlich schütterer. Neben cholinergen scheint es auch eine kleinere Zahl von dopaminergen und nitrergen dorsalen Vaguskernneuronen zu geben, die vor allem zum Magen projizieren. Der Ncl. ambiguus beteiligt sich nicht an der präganglionären Innervation des ENS in den glattmuskulären Abschnitten; er versorgt die quergestreifte Muskulatur des Ösophagus, gibt dort aber auch Kollateralen an myenterische Ganglien ab (Powley et al. 2013). Andererseits wird die quergestreifte Muskulatur des Ösophagus von Neuronen des ENS co-innerviert, was vermutlich eine inhibitorische Modulation der vagalen neuromuskulären Übertragung ermöglicht (Neuhuber und Wörl 2016).

Die afferenten Vagusneurone, die als IGLEs myenterische Ganglien im gesamten Ausbreitungsgebiet des N. vagus umspinnen, spielen als Mechanosensoren eine wesentliche Rolle bei der reflektorischen Kontrolle des Schluckens und bei der Sättigung (Bai et al. 2019; Neuhuber und Bieger 2013). Vagale Afferenzen dürften zwischen dem Mikrobiom und zentralen vegetativen Regelkreisen vermitteln (Muller et al. 2020).

Anders als die präganglionären Neurone des dorsalen Vaguskerns, enden die präganglionärenNeurone des sakralenParasympathikus größtenteils bereits in den Beckenganglien, sodass das ENS des distalen Kolons und Rektums von postganglionären cholinergen parasympathischen Neuronen innerviert wird (Fukai und Fukuda 1985). Die postganglionären Axone aus den Beckenganglien steigen, vermischt mit sakralen Afferenzen, als »aszendierende pelvine Nerven« in der Wand von Rektum, Sigmoid und Colon descendens bis ins Colon transversum auf (Stach 1971). Der als Grenze zwischen den Territorien von Vagus und sakralem Parasympathikus viel zitierte Cannon-Böhm-Punkt an der linken Kolonflexur ist eher eine breite Überlappungszone. Vagus und sakraler Parasympathikus fördern Motilität und Sekretion.

Eine spezielle Gruppe stellen die intestinofugalenNeuronen dar, deren Zellkörper in myenterischen Ganglien vor allem distaler Darmabschnitte sitzen. Es sind keine Primärafferenzen, sondern cholinerge Neurone höherer Ordnung, die von anderen enterischen Neuronen, vermutlich IPANs synaptisch aktiviert werden. Sie registrieren Dehnung von Colon und Rektum und erregen über ihre axonale Projektion zu prävertebralen Ganglien die dortigen adrenergen postganglionären Neuronen, die ihrerseits Peristaltik und Sekretion im Dünndarm hemmen. So wird der Enddarm über diesen präzentralen, ohne Beteiligung des Rückenmarks ablaufenden Reflex vor Überfüllung bewahrt. Im Rektum der Ratte konnte eine besondere Gruppe intestinofugaler Neurone beschrieben werden, die sogar direkt ins sakrale Rückenmark projiziert (rektospinale Neurone) (Furness 2006a).

1.1.5     Weitere intramurale Plexus

Um die Einmündung der großen Venen in die Vorhöfe des Herzens und an den Wurzeln von Aorta und Truncus pulmonalis liegen beim Menschen subepikardial bis zu 1.500 kleine kardiale Ganglien, die insgesamt etwa 40.000 Nervenzellen enthalten (Pauza et al. 2000). Sie werden von Ästen des Vagus und des sympathischen Grenzstrangs innerviert und sind selbst Ausgangspunkt von Axonen zum Erregungsbildungs- und -leitungsystem sowie zu den Koronargefäßen und zum Myokard. Viele der Nervenzellen sind cholinerg, jedoch gibt es auch verschiedene peptiderge Neurone und SIF-Zellen wie in sympathischen Ganglien. Die kardioinhibitorischen Neurone der externen Formation des Ncl. ambiguus innervieren nur die großen cholinergen Hauptzellen der Herzganglien. Unmyelinisierte Axone aus dem DMX endigen ebenfalls an einem Teil der Hauptzellen, jedoch auch an SIF-Zellen; ihre Funktion ist noch unbekannt. Afferente Axone aus dem Ggl. nodosum umspinnen in den Ganglien vor allem die SIF-Zellen und bilden Endigungen im Endokard und um die Fasern des Erregungsleitungssystems und der Arbeitsmuskulatur aus (Cheng und Powley 2000; Cheng et al. 1997, 1999).

Auch die Ganglien der Harnblase und des Tracheobronchialbaums dürften mehr sein als bloße präganglionär-postganglionäre parasympathische Relais, wenngleich auch die Belege für ihre eigenständige lokale Integrationsfunktion noch spärlich sind (Furness 2006b).

Ein intramurales Gangliennetz, das bisher kaum beachtet wurde, liegt in der Uvea des Auges. Insgesamt finden sich in der Choroidea und dem Ziliarkörper des Menschen etwa 2.000 Neurone pro Auge. Sie innervieren choroidale Blutgefäße, nichtvaskuläre glatte Muskulatur und stehen auch untereinander in Verbindung. Die meisten dieser Neurone sind nitrerg, doch kommen auch andere Peptide wie VIP und Galanin in ihnen vor; cholinerge Neurone scheint es unter ihnen nicht zu geben. Diese intrinsischen Neurone der Choroidea werden von postganglionären sympathischen adrenergen Neuronen aus dem Ggl. cervicale superius und cholinergen postganglionären Neuronen des Ggl. ciliare sowie von Kollateralen peptiderger afferenter Trigeminusneuronen innerviert. Diese Verbindungsanatomie und »chemische Kodierung« lässt eine lokale integrative Funktion v. a. zur Regulation der Durchblutung vermuten. Interessanterweise konnten diese intrinsischen choroidalen Neuronen bisher nur bei höheren Primaten, insbesondere dem Menschen, und bei Vögeln nachgewiesen werden, was mit deren differenziertem Fokussierungsapparat zusammenhängen dürfte (Neuhuber und Schrödl 2011). Die lokalen Neuronen des Ziliarkörpers dürften über Freisetzung von NO den M. ciliaris hemmend modulieren (Tamm et al. 1995).

1.2       Zentrales ANS

Abgesehen von den präganglionären Neuronen im Rückenmark und Hirnstamm, findet man im ZNS eine Reihe von Neuronengruppen, die mit Initiierung und Koordination autonomer Funktionen befasst sind. In Abbildung 1.10 sind die wichtigsten spinalen, supraspinalen und kortikalen Strukturen mit ihren meist reziproken Verbindungen zusammengefasst. Ausführliche Übersichten finden sich bei Jänig (2006) sowie Blessing und Benarroch (2012).

1.2.1     Rückenmark

Die präganglionären thorakolumbalen und sakralen Neuronen sind in ein interneuronales Netzwerk eingebunden, in dem viszeromotorische Programme modular organisiert sind. In dieses Netzwerk strahlen Primärafferenzen und absteigende Bahnen aus supraspinalen autonomen Zentren ein. So werden lebenswichtige Funktionen, z. B. ein basaler sympathischer Vasotonus und die Kontrolle von Harnblase und Mastdarm bereits auf spinaler Ebene gewährleistet.

1.2.2     Medulla oblongata

In der ventrolateralenMedulla liegen die Zentren für die Vitalfunktionen Atmung und Kreislauf. Die ventrale respiratorische Gruppe beherbergt in Gestalt des Prä-Bötzinger-Komplexes den Atemrhythmusgenerator (Schwarzacher et al. 2011) sowie inspiratorische und exspiratorische Neurone, vor allem auch jene, die absteigend auf die Motoneurone des Phrenicus und der Interkostal- und Bauchmuskeln projizieren. Der Nucleus retrotrapezius, der zentrale CO2 und pH Sensor, liegt knapp unter der ventrolateralen Hirnstammoberfläche auf Höhe des Fazialiskerns (Paxinos et al. 2012) und projiziert auf die respiratorischen Neuronen.

Abb. 1.10: Schema des zentralnervösen autonomen Netzwerks. Großhirn, Kleinhirn und Rückenmark sind als hellgraue Silhouette dargestellt, die einzelnen Kerngebiete und Rindenareale etwas dunkler. Beachte, dass die meisten Verbindungen reziprok sind. Schwarze Pfeile rechts – vagale und spinale Primärafferenzen; schwarze Pfeile nach linkes – vagale und spinale autonome präganglionäre Efferenzen sowie Hypophysenhormone (Hyp); Amy – Amygdala; Cing – Gyrus cinguli; HH – spinales Hinterhorn; Hy – Hypothalamus; PAG – periaquäduktales Grau; PB – Parabrachialkerne; Pf – präfrontaler Kortex; S – sakraler Parasympathikus; TL – thorakolumbales System (Sympathikus);VLM – ventrolaterale Medulla; X – Vagus-Solitarius-Komplex.

Die Neuronengruppen des Kreislaufzentrums erstrecken sich etwas medial der respiratorischen Gruppen über die gleiche rostro-kaudale Distanz. Erregende glutamaterge liegen vermischt mit hemmenden GABAergen und katecholaminergen (A1: noradrenerg, C 1: adrenerg) Neuronen. Glutamaterge Neuronen der rostralen ventrolateralen Medulla projizieren absteigend zum Ncl. intermediolateralis des Thorakalmarks, wodurch über einen sympathischen vasokonstriktorischen Tonus der arterielle Blutdruck aufrechterhalten wird. C 1 Neurone werden als Kern eines »Notfall-Systems« angesehen, das vital bedrohliche Zustände registriert und über seine vielfältigen Projektionen geeignete vegetative Reaktionen auslöst (Guyenet et al. 2013).

Der Ncl. tractussolitarii in der dorsalen Medulla ist aus mehreren Gründen ein wichtiger vegetativer Koordinations- und »Umschlags«-Platz. Er ist die zentrale Eingang- und erste Verarbeitungsinstanz aller Afferenzen der Nn. vagus und glossopharyngeus. Diese werden entweder für vitale Reflexe verwendet (Projektion zum Atemzentrum: z. B. Hering-Breuer-Reflex; Projektion zum Kreislaufzentrum: Baroreflex; Projektion zum Ncl. ambiguus und dorsalen Vaguskern: Schluckreflex, verschiedenen motorische und sekretorische gastrointestinale Reflexe) oder zu »höheren« vegetativen Zentren weitervermittelt. Der mediale Unterkern des NTS, Ankunftsort gastrointestinaler Afferenzen, wird mit dem DMX und der Area postrema zum dorsalen Vaguskomplex zusammengefasst, dem medullären »Verdauungszentrum«. Im dorsalen Vaguskomplex und seiner unmittelbaren Umgebung sind wesentliche Anteile des Schluck- und Brechzentrums lokalisiert. Der ventrolaterale Bereich des NTS, in dem respiratorische Afferenzen eintreffen, beherbergt die dorsale respiratorische Gruppe des Atemzentrums.

Weiterhin haben die kaudalen Raphekernepallidus und obscurus vegetative Aufgaben, da sie prämotorisch vor allem für sympathische präganglionäre Neuronen zur Innervation des braunen Fettgewebes sind.

1.2.3     Pons

Das Tegmentum der Brücke beherbergt den Parabrachialkern-Komplex (Ncll. parabrachialis medialis und lateralis, Ncl. subparabrachialis Kölliker-Fuse), der eine »höhere« Koordinationsinstanz für Atemregulation (»pontines Atemzentrum«), Schmerzmodulation, Erkennen von Gefahrensituationen und Vorbereitung von »fight and flight«-Verhalten darstellt. Afferenzen aus der Peripherie erreichen ihn über Bahnen aus dem Rückenmark, spinalem Trigeminuskern und NTS, und reziproke Verbindungen schließen ihn mit dem NTS, dem peripaquäduktalen Grau, dem Hypothalamus und dem limbischen System zusammen.

Das Brückentegmentum ist auch Sitz zweier noradrenerger Kerne, die neben etlichen anderen Funktionen sowohl für sympathische als auch parasympathische präganglionäre Neuronen prämotorische sind: des Locus caeruleus (A6, seitlich im Boden des vierten Ventrikels) und der Gruppe A5 (medial des Fazialiskerns). Beide sind vielfach mit anderen vegetativen Zentren verbunden.

Eine wichtige vegetative Koordinationsstelle ist der Barrington-Kern unmittelbar medial des Locus caeruleus. Er ist als pontinesMiktionszentrum bekannt, da er den Wechsel von Kontinenz zur (willkürlichen) Miktion über absteigende Bahnen zum oberen Lumbal- und mittlerem Sakralmark koordiniert. So wird das Wechselspiel von Detrusor und innerem Urethrasphinkter sowie äußerem Rhabdosphinkter, der aus dem sakralen Onuf-Kern innerviert wird, gesteuert. Darüber hinaus dürfte er Einfluss auf die sympathische Innervation von Niere und Milz haben (Cano et al. 2001, 2004).

1.2.4     Mesencephalon

Das periaquäduktale Grau des Mesenzephalon (PAG) koordiniert somatomotorische und autonome Funktionen, die einerseits Angriff bzw. Flucht, andererseits Rückzug und Ruhe ermöglichen. Diese sind in dorsolateralen und lateralen bzw. ventrolateralen längs angeordneten Kompartimenten des PAG repräsentiert und werden über absteigende Bahnen zu ponto-medullären (Locus caeruleus, Raphekerne, ventrolaterale Medulla, dorsaler Vaguskomplex) und spinalen Kerngebieten exekutiert. Es fungiert als Schnittstelle zwischen Bahnen, die vom Rückenmark und unteren Hirnstamm aufsteigen und solchen, die vom Kortex und limbischen Arealen absteigen. Hervorzuheben ist seine Rolle bei der Schmerzmodulation.

Die mesenzephale Substantia nigra pars compacta (SNpc) projiziert direkt auf den dorsalen Vaguskern (Anselmi et al. 2017). Dies könnte eine der anatomischen Grundlagen für die gastrointestinalen Symptome bei Degeneration der SNpc, aber auch für die Propagation eines pathogenen Agens aus dem Darm über den N. vagus zur SNpc beim M. Parkinson sein (Braak et al. 2004; Svensson et al. 2015).

1.2.5     Prosencephalon

Der Hypothalamus stellt das übergeordnete autonome und endokrine Koordinations- und Regulationszentrum dar. Seine verschiedenen Kerne können in eine periventrikuläre endokrin-motorische Zone, eine mediale Verhaltens-Kontrollsäule und eine laterale Zone gegliedert werden. Die beiden letzteren projizieren zu autonomen und somatomotorischen Kerngebieten in Hirnstamm und Rückenmark. Der Hypothalamus verwendet afferente Signale, die in vorgeschalteten »Instanzen« (z. B. Rückenmark, NTS, Parabrachialkerne) vorverarbeitet wurden, einschließlich humoraler Signale, die ihn über zirkumventrikuläre Organe erreichen und generiert über seine reziproken Verbindungen mit dem Kortex (An-)triebe, die der Aufrechterhaltung der Homöostase dienen (Saper 2012). Dies hat L. R. Müller mit dem Begriff der »Lebenstriebe« treffend charakterisiert (Müller 1931).

Schließlich orchestrieren telenzephale Strukturen Verhalten und autonome Funktionen. Zytoarchitektonisch definierte Areale des medialen präfrontalen und orbitofrontalenKortex stehen mit bestimmten Kompartimenten des PAG und des Hypothalamus in Verbindung. Die Insel spielt als kortikaler Repräsentationsort viszeraler, gustatorischer, emotionell konnotierter (»sensual touch«) und nozizeptiver Afferenzen eine Schlüsselrolle für Stimmung und Verhalten. Der vordere cinguläreKortex beeinflusst als motorischer limbischer Kortex vegetative Zentren. Die Amygdala schließlich koordiniert über deszendierende Bahnen, die aus ihrem zentralen Subnukleus entspringen, autonome und somatomotorische Aspekte aversiven Verhaltens.

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