Das Beste hoffen, fürs Schlimmste planen - Corinna Jurtendach - E-Book

Das Beste hoffen, fürs Schlimmste planen E-Book

Corinna Jurtendach

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Beschreibung

Mal ehrlich: Würden Sie sich bei der nächsten Pandemie an Ausgeh-, Reise- und Kontaktverbote halten? An Maskenpflicht in der Öffentlichkeit und Grenzschließungen innerhalb der Bundesländer? Das Aussetzen der Grundrechte, das Gezanke in der Ministerpräsidentenrunde oder eine Impfpflicht tolerieren? Wohl eher nicht. Die Pandemie, tja - nichts gelernt? Am 16. März 2020 wurde ein Besuchsverbot für die deutschen Pflegeheime erlassen, Grundrechte eingeschränkt, Kontakt- und Reiseverbote erteilt, die europäischen Grenzen geschlossen. Überforderte Politiker, Behörden und ratlose Berater. Was passierte in deutschen Pflegeheimen mit dem Ausbruch eines aggressiven Virus? Die Meldung im Januar 2020, dass drei Chinesen an diesem Coronavirus gestorben sind, wirkte angesichts der 1,44 Milliarden Menschen in China geradezu lächerlich. Von Politikern und Regierenden erst verharmlost, blieb uns allmählich das Lachen im Halse stecken. Es blieb die Hoffnung, dass mit dem Sommer 2020 die Gefahr gebannt und alles wieder normal werden könnte. Weit gefehlt, das war erst der Anfang. Die Fortsetzung lesen Sie in dieser neuen Auflage.

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Buchbeschreibung:

Mal ehrlich: Würden Sie sich bei der nächsten Pandemie an Ausgeh-, Reise- und Kontaktverbote halten? An Maskenpflicht in der Öffentlichkeit und Grenzschließungen innerhalb der Bundesländer? Das Aussetzen der Grundrechte, das Gezanke in der Ministerpräsidentenrunde oder eine Impfpflicht tolerieren? Wohl eher nicht. Die Pandemie - tja – nichts gelernt?

Am 16. März 2020 wurde ein Besuchsverbot für die deutschen Pflegeheime erlassen, Grundrechte eingeschränkt, Kontakt- und Reiseverbote erteilt, die europäischen Grenzen geschlossen. Überforderte Politiker, Behörden und ratlose Berater.

Was passierte in deutschen Pflegeheimen mit dem Ausbruch eines aggressiven Virus? Die Meldung im Januar 2020, dass drei Chinesen an diesem Coronavirus gestorben sind, wirkte angesichts der 1,44 Milliarden Menschen in China geradezu lächerlich. Von Politikern und Regierenden erst verharmlost, blieb uns allmählich das Lachen im Halse stecken. Es blieb die Hoffnung, dass mit dem Sommer 2020 die Gefahr gebannt und alles wieder normal werden könnte. Weit gefehlt, das war erst der Anfang. Die Fortsetzung lesen Sie in dieser neuen Auflage.

Autorin:

Corinna Jurtendach ist Gesundheits- und Krankenpflegerin und schreibt unter Pseudonym. Ihre Ausbildung beendete sie 1978.

Sie arbeitete seit 2010 bis zum Eintritt in den Ruhestand am 01.04.2022 als Leitung von verschiedenen Pflegeeinrichtungen. Corinna Jurtendach veröffentlichte in 2020 ihr Coronatagebuch »Shutdown im Pflegeheim - bleibt bitte gesund!«.

Die Erfahrung mit der Pandemie und deren Auswirkungen im Pflegeheim wären so kurz vor der Rente verzichtbar gewesen, erleichterten ihr jedoch den Abschied vom Arbeitsleben.

Inhaltsverzeichnis

Buchbeschreibung:

Autorin:

Impressum

Einleitung

Das Coronavirus wütet in der Welt – was bisher geschah.

Montag, 16.03.2020. Shutdown und Massenquarantäne.

Dienstag, 17.03.2020. Erste Telefonkonferenz mit der Zentrale.

Mittwoch, 18.03.2020. Merkel spricht im Fernsehen.

Donnerstag, 19.03.2020. Träume von Quarantäne und Feldbetten.

Freitag, 20.03.2020. Anarchie der Regularien und Bayern voran.

Samstag, 21.03.2020. Restaurants geschlossen.

Dienstag, 22.03.2020. Bauzaun mieten.

Mittwoch, 25.03.2020. Gruppen dürfen stattfinden.

Donnerstag, 26.03.2020. Masken in den Backofen.

Freitag, 27.03.2020. Mehr Infektionen.

Montag, 30.03.2020. Feten feiern in der Arbeitsstätte.

Mittwoch, 01.04.2020. Jetzt knallt es.

Donnerstag, 02.04.2020. Richtig dicke -Klaviatur der Verunsicherung.

Freitag, 03.04.2020. Nachbeben.

Samstag, 04.04.2020. Neues von der Testung.

Sonntag, 05.04.2020. Chefin selbst am Empfang. Mal was Anderes.

Montag, 06.04.2020. Endlich das Testergebnis!

Mittwoch, 08.04.2020. Erste Arztvisite per Skype.

Gründonnerstag, 09.04.2020 Homeoffice für alle Heimleitungen.

Ostersonntag, 12.04.2020 Dienst am Empfang.

Ostermontag, 13.04.2020. Freizeit.

Dienstag, 14.04.2020.Die Monsterbestellung von FFP2-Masken.

Mittwoch, 15.04.2020.Exit Beratungen der Regierung mit den Bundesländern.

Donnerstag, 16.03.2020. Die Massenlieferung trifft ein.

Samstag, 18.04.2020. Lockern der Beschränkungen.

Montag, 20.04.2020. Der Verkehr auf den Straßen nimmt wieder zu

Dienstag, 21.04.2020. Jetzt doch Maskenpflicht in derÖffentlichkeit?

Mittwoch, 22.04.2020. Frisöre dürfen am04.05.2020 wieder öffnen.

Donnerstag, 23.04.2020.Die Urlaubssperre für die Leitungskräfte wird aufgehoben!

Freitag, 24.04.20. Entscheidungshilfen der Deutschen Geriatrie Gesellschaft DGG – für eine Einweisung ins Krankenhaus im Covid-19-Fall

Samstag, 25.04.2020. Irgendwie haben sich alle mit der Situation arrangiert.

Montag, 27.04.2020.Lockerung des Shutdown?

Dienstag, 28.04.2020. Die Zentrale schickt genähte Mundschutze aus Mikrofaser für die Mitarbeiter.

Mittwoch, 29.04.2020. Stellungnahme unseres Verbandes zum Geschwafel des Landesvaters.

Donnerstag, 30.04.2020.Der Verband schreibt einen offenen Brief an Ministerpräsident Bouffier.

Freitag, Tag der Arbeit ohne Gewerkschaften, 1. Mai 2020. Homeoffice.

Montag, 04.05.2020. Angehörige, die unbedingt ins Haus wollen.

Dienstag, 05.05.2020. Symptomlisten als Warnsystem.

Mittwoch, 06.05.2020. Gesandte des Kreises zur Kontrolle der Besuchsregelungen im Haus.

Donnerstag, 07.05.2020. Rheinland-Pfalz hat neue Ideen zur Lockerung.

Freitag, 08.05.2020. In Berlin ist heute Feiertag, der Tag der Befreiung.

Samstag, 09.05.2020. Sonntagsverkauf, wer möchte.

Montag, 11.05.2020. Testung für alle soll anlaufen.

Dienstag, 12.05.2020. Keine Testung der Mitarbeiter und Bewohner.

Mittwoch, 13.05.2020. Die Kuh ist vom Eis.

Donnerstag, 14.05.2020 Gedenktag der Heiligen Corona.

Freitag, 15.05.2020. Der Frisör ist wieder willkommen!

Montag, 18.05.2020. Abstandsregeln und Umgangsformen am Bauzaun.

Mittwoch, 20.05.2020. Bonuszahlung für Pflegekräfte (Corona-Prämie § 150a SGB XI)

Mittwoch, 27.05.2020. Manch Angehöriger dreht durch.

Nachwort

Vorwort zur Neuauflage

Das Virus und die Sehnsucht nach Normalität

Am Donnerstag, 10.12.2020 ist die Tür zu

Reihentestung am Samstag, 12.12.2020

Jetzt bin ich dran!

Online Diskussionmit Prof. Dr. Karl Lauterbach

Impfrunde die Dritte

Einführung der Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheits- wesen, Artikel 1, Nr. 4, § 20a IfSG ab dem 15.03.2022

Der Ausbruch nach zwei Jahren.

Mittwoch, 02.02.2022, es ging weiter.

Freitag, 04.02.2022, noch mehr positiveTestungen...

Samstag 05.02.2022

Montag, 07.02.2022, 19 Bewohner von wurden positiv getestet

Donnerstag, 10.02.2022, Bewohner im Krankenhaus verstorben

Donnerstag, 17.02.2022 – der Spuk ist vorbei

Montag, 28.03.2022, mein letzter Arbeitstag

Allen Kollegen der Pflege und der Hauswirtschaft gewidmet.

Ohne euch wäre das nicht zu schaffen gewesen! Danke.

Ich verzichte zugunsten der Textlesbarkeit aufs Gendern und bitte um Verständnis.

Mit der männlichen Ausdrucksweise sind alle Menschen gemeint.

Einleitung

Sie lesen hier mein Coronatagebuch. Mehrere Wochen einer speziellen Erfahrung mit der Pandemie und deren Auswirkungen im Pflegeheim. Mit Menschen, die zur Hochrisikogruppe gehören. Coronaviren sind nicht neu. Sie verursachen meist harmlose Krankheiten des Magen-Darm-Trakts oder der oberen Atemwege, zum Beispiel Erkältungen. Nur das neuartige Virus mit dem Namen Corona Virus SARS-CoV-2 erwies sich als nahezu teuflisch ansteckend.

Die Krankheit, die sich aus einer Infektion mit dem Corona Virus entwickelt, nennt man COVID-19. Diese kann fast ohne oder nur mit milden Symptomen verlaufen, oder zu schweren Lungenerkrankungen bis hin zur Beatmungspflichtigkeit auf der Intensivstation und im Worst Case zum Lungenversagen führen.

Ich bin mir sicher, dass Anfang Februar das wahre Ausmaß den meisten Menschen im Gesundheitswesen nicht bewusst war, und die Erkrankung nicht ernst genommen bzw. als Grippevariante abgetan wurde. China war weit weg. Der Arbeitsalltag als Heimleitung mit dem allgemeinen Fachkräftemangel fordert einen schon genug.

Mit meinem Alter von 62 Jahren gehöre auch ich zu der Risikogruppe. Sollte ich mich jetzt aus der Affäre ziehen? Nein. Natürlich nicht.

Mag sein, dass Ihnen manche Passage in diesem Buch wie Schuldzuweisungen an Behörden, an Vorgesetzte, an das Robert-Koch-Institut, an die Politiker vorkommen. Das ist nicht beabsichtigt. Sie wussten es nicht besser. Niemand wusste es, auch nicht die Virologen. Jeden Tag neue Erkenntnisse bzw. Vermutungen, geänderte Verfahrensanweisungen und bedrohlicher Materialmangel an Schutzkleidung, Masken, Thermometer, Desinfektionsmittel führte zu teilweise panischem Verhalten von Kunden in den Discountern. Schnell geänderte und mit heißer Nadel gestrickte Gesetze, eine hohe Staatsverschuldung durch locker gemachte Gelder für die Wirtschaft, für mittelständische Unternehmen und für Kurzarbeit Gelder sowie für die Arbeitslosen, gelangen der Regierung ohne Parlamentsabstimmungen im Eilverfahren, was sonst Monate, wenn nicht Jahre dauert.

Mir ist es wichtig, dass Sie die Gefühle und Ängste einer verantwortlichen Fachkraft in einer Einrichtung mit 120 Menschen und 85 Mitarbeitern nachvollziehen können. Wir wussten selbst nicht, was die richtigen Entscheidungen waren. Auch die Geschäftsführung entschied wöchentlich, manchmal täglich neu, welche Schritte jetzt die Wichtigsten und Richtigsten sind. Das Hamstern von Schutzmaterial stand an oberster Stelle. Wer hätte ahnen können, dass die Bestellung und die Lieferung von banalen Dingen wie Masken, Schutzkittel und Desinfektionsmittel keine Selbstverständlichkeit mehr waren? Wie freuten wir uns über das Paket mit drei kontaktlosen Fieberthermometern aus China!

Nach fünf Wochen kam es endlich an, die Mitarbeiter strahlten.

Am schlimmsten jedoch war der Shutdown mit den Schließungen der Pflegeheime für Besucher, Angehörige, Reparaturfirmen. Nur wer absolut unvermeidlich war, Ärzte, Therapeuten und Seelsorger, durften das Haus betreten und mussten sich mit Adresse in einem Gästebuch eintragen, um im Falle eines Ausbruchs dem Gesundheitsamt eine Kontaktnachverfolgung melden zu können. Vielleicht wird es eine Fortsetzung dieses Tagebuches geben, sollte es im Herbst mit einem Anstieg der Infektionen und erneutem Shutdown von vorne losgehen. Ich hoffe es nicht, aber das Virus wird zukünftig zu unserem Alltag gehören.

Das Coronavirus wütet in der Welt – was bisher geschah.

Im Dezember 2019 trat in der Provinz Wuhan/ China ein bisher unbekanntes und hochinfektiöses Virus auf: Corona oder Sars-CoV-2. Die Lungenerkrankung, die es hervorruft, nennt sich nach der WHO <Covid-19>, Corona Virus Disease 2019. Die Inkubationszeit betrug wenige Tage, deshalb verbreitete es sich rasch. Es entwickelte sich innerhalb von zwei Monaten eine Pandemie, also eine weltübergreifende Infektion. Mit den für China bekannten drastischen Maßnahmen der Gebietssperrung und den Quarantäne-bestimmungen konnte das Virus bis Februar 2020 eingedämmt werden. Zunächst nahm ich das Ganze nicht so ernst. Meine Güte, drei Chinesen von 1,44 Milliarden Menschen sind gestorben ... tss, tss. Geht’s noch?

Die Verbreitung auf den Menschen soll von Pangolinen - das sind Schuppentiere, die nicht besonders hübsch, aber schmackhaft sind und auf dem Fischmarkt in Wutan verkauft wurden - ausgegangen sein. Fledermäuse haben vermutlich das Virus auf die Pangoline übertragen, die als Zwischenwirt wiederum das Virus auf den Menschen übertrugen. Ob diese Theorie stimmt, wird sich noch zeigen.

Doch dann brach es weltweit aus. Flughäfen kontrollierten Passagiere, die aus China einreisten, mittels kontaktlosen Geräten auf Fieber. Ganz nebenbei tobte auch eine Welle mit der Grippe Influenza A, die eher wenig Beachtung fand. Norditalien war besonders vom Corona Virus betroffen, das Land wurde sozusagen abgeriegelt. In den italienischen Krankenhäusern tobte das Chaos. Betten auf den Gängen, überlastete Ärzte und Pflegekräfte, kaum Schutzmaterial. Das Foto der Krankenschwester, die vor Erschöpfung samt Mundschutz und Kopfhaube auf der Tastatur des Computers eingeschlafen war, fand eine rasche Verbreitung in den Medien und sorgte für Entsetzen. Im Dezember 2019 war ich an einer starken Erkältung mit Fieber, einem bestialischen Husten und mit Rasselgeräuschen auf der Lunge drei Wochen lang krank. Ob das etwa Covid-19 war?

Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern wurden auf Weisung von Gesundheitsminister Spahn abgesagt, die Leipziger Buchmesse fiel aus, Fußballspiele in Geisterarenen sorgten bei den Vereinen für Geldmangel und bei den Fans für Unmut. Nur die Bahn fuhr unverdrossen weiter. Die Hauptbahnhöfe in großen Städten sind schließlich nichts Anderes als Großveranstaltungen.

E-Tickets wurden nicht mehr eingelesen, Zugbegleiter begnügten sich mit der Sichtung.

Die Gastronomie erlitt Verluste, Restaurants wurden geschlossen, Flüge gestrichen, Reisen storniert, Hamsterkäufe von Toilettenpapier und haltbaren Lebensmitteln (Spitzenreiter: Nudeln und Desinfektionsmittel wie Sagrotan) bestimmten das Tagesgeschehen.

Leere Regale in den deutschen Discountern. Ein für uns verwöhnte deutsche Konsumenten ungewohnter Anblick, tiefste Verunsicherung in der Bevölkerung. Atemschutzmasken wurden zu horrenden Preisen auf ebay und Amazon verkauft, der Preis von 49 Euro pro Maske (!) war kein Schreibfehler, bei dem das Komma fehlte, sondern eine Tatsache. Wahrscheinlich, nachdem sie vorher irgendwo geklaut wurden. In Krankenhäusern zum Beispiel stahl man Desinfektionsmittel sogar aus den Spendern.

Der Nachschub aus China fehlte, die brauchten die Materialien erstmal selber. Vor allem fehlte es an FFP2 und FFP3 Masken (Filtering Face Piece), mit und ohne Ventil. Die Einzigen, die wirksam vor Corona schützen.

Ein Kollege von mir ging einen Deal mit einem Hausarzt ein, der seine Praxis mangels Händedesinfektionsmittel schließen wollte.

Für 20 Liter Händedesinfektion verkaufte der Arzt ihm 700 FFP2-Masken, die in die Zentrale geschickt wurden, um die bundesweiten Einrichtungen zumindest mit einem Basisbestand ausstatten zu können. Etliche Pflegeeinrichtungen besaßen noch wenige Masken aus der Schweinegrippezeit von 2009. Das Haltbarkeitsdatum war natürlich längst abgelaufen – but so what? So eine Maske wird ja nicht schlecht.

Positiv getestete Menschen kamen für zwei Wochen in häusliche Quarantäne, versorgt von Angehörigen oder der Nachbarschaft, die die Einkäufe vor die Tür stellten. Die meisten wurden aber nicht getestet. Besonders gefährdet – wer hätte es gedacht - waren ältere Menschen über 60 Jahre, mit Vorerkrankungen der Lunge, Diabetes, Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit und andere Risikogruppen wie Immunsupprimierte.

Die Patienten starben an Sepsis und trotz Beatmung an Lungenversagen.

Am 12.03.2020 waren in Hessen 91 Erkrankte bekannt. Die Zahl hatte sich vom 11.03.20 auf den 12.03.20 verdoppelt.

Trotzdem verhielten sich die Menschen ruhig, klagten über die ausgefallenen Veranstaltungen und anderen Unbequemlichkeiten, zum Beispiel über die leeren Regale in der Klopapierabteilung im Supermarkt.

Im öffentlichen Nahverkehr sah man niemanden mit Atemmasken. Vermutlich, weil es keine mehr gab. Donald Trump verhängte ein Einreiseverbot für Europäer und ließ sich selbst nicht testen. Im Gegenteil, er schüttelte im Wahlkampf unverdrossen reichlich Hände. Aber was sollte man von diesem Idioten auch anderes erwarten?

Schwierig wurde es, weil 80% der Erkrankten nur milde Verläufe, sich sogar symptomlos zeigten. Der Beginn war mit Halsschmerzen, Fieber, Husten, Schnupfen oder Durchfälle beschrieben.

Die sozialen Medien wurden mit Posts und Kettenbriefen quasi geflutet, die seltsame Maßnahmen gegen das Virus empfahlen, die wie Großmutters Hausmittelchen klangen. Viel trinken zum Beispiel, weil das Virus dann im Magen durch die Magensäure zerstört wird und erst gar nicht in die Lunge gelangt usw. Was für ein Quatsch. Solides Halbwissen. In Deutschland machte der Kreis Heinsberg in Nordrhein - Westfalen Schlagzeilen und wurde zu Deutschlands Hotspot. Der Fasching sorgte für ungestörte Verbreitung, Alkohol, Bussi, Bussi, große Menschenansammlungen bei Umzügen und Karnevalssitzungen ließen die Fallzahlen in die Höhe schnellen. Die Ämter schlossen, Autos anmelden oder heiraten war nicht mehr möglich. Es gab nur Notbesetzungen.

In Bad Rappenau stand die Pflegeeinrichtung der Alpenland Betreiber sechs Wochen lang unter Quarantäne. Ein Pfleger brachte das Virus nach einer Italienreise mit und infizierte eine Kollegin und einen Bewohner. Das brachte eine Kettenreaktion mit Ausbruch mit sich. Mitarbeiter durften in ihrem PKW zur Arbeit fahren und zurück nach Hause, sonst durften sie sich nicht frei bewegen. Wohnbereiche wurden für Besucher geschlossen. 17 Personen, die mit dem Heim in Verbindung standen, wurden positiv getestet. Davon mussten 4 in die Lungenfachklinik eingewiesen werden. Die Bewohner durften über Wochen ihre Zimmer nicht verlassen.

Am 16.03.2020 schlossen in Hessen alle Schulen und Kitas, Schwimmbäder, Saunen, Museen, Ausstellungen. Andere Bundesländer folgten.

Über Deutschland senkte sich wie ein riesiges Grabtuch die soziale Wüste. Der von Christo verhüllte Berliner Reichstag war nichts dagegen. Bayern rief den nationalen Notstand und eine Ausgangssperre aus.

Und wie sah es bei uns in der Einrichtung aus? Ich fühlte mich angespannt.

Und je öfter ich die Sätze hörte:

»Wir wollen keine Panik machen, wir sind aber wachsam!«, umso nervöser wurde ich. Das sind gemeinhin sinnlose Appelle. So glaubwürdig, wie wenn jemand schreit: »Sie regen mich nicht auf, Sie nicht!«

Erst wöchentlich, dann täglich, fanden Telefonkonferenzen mit der Zentrale, der Hauptabteilungsleitung des Qualitätsmanagements und der operativen Geschäftsführung statt.

Gleichzeitig verdonnerte der Geschäftsführer die Leitungskräfte zu einer Urlaubssperre für die kommenden vier Wochen. Eine Kollegin machte den Vorschlag, einen Bauzaun zu errichten, damit die Bewohner den Garten nicht verlassen können. Vielleicht auch die Mitarbeiter mit haltbaren Lebensmitteln versorgen, falls sie im Supermarkt nichts mehr bekommen? Ich musste mir das Lachen verbeißen. Dann blieb es mir im Halse stecken.

Tja, und drei Wochen später stand auch bei unserer Einrichtung ein Bauzaun. Lebensmittel gab es nach wie vor genug, die Lieferanten kamen pünktlich wie immer. Es gab eine Bestandsaufnahme aller vorhandenen Schutzmaterialien im Konzern, der Prokurist kümmerte sich um lieferbare Masken und Desinfektionsmittel.

Alle Apotheken der näheren Umgebung wurden angefragt, ob sie Desinfektionsmittel für die Hände liefern können. Fehlanzeige. Empfehlungen wie Franzbranntwein oder Wodka zu kaufen, waren ernst gemeint. Flaschen mit Händedesinfektionsmitteln durften sogar wieder befüllt werden, weil Behältermangel herrschte. In normalen Zeiten aus hygienischen Gründen ein absolutes No-Go.

Die Stimmung sank in den Keller und die Anspannung nahm zu. Ich fühlte mich wie ein Flitzebogen, der den Pfeil nicht losschießen kann. Besucher trugen sich in Gästebücher mit der Angabe ein, ob sie aus einem Risikogebiet ausgereist waren. Es wurden Schilder zur Händehygiene und Husten- und Niesetikette aufgehängt (in die Ellenbeuge, nicht in die Hand, wurde bei der Schweinegrippe schon gepredigt), teilweise gab es Anweisungen, wie man sich die Hände richtig wäscht. Manch Angehöriger zeigte sich derart besorgt, dass ich vorsichtshalber doch bitte das Haus schließen möge. Ich schüttelte schon wieder den Kopf. Ja, was denn noch alles?

Eine Bewohnerin bekam hohes Fieber. Ich rief das Gesundheitsamt an und fragte nach Teststäbchen. Die Antwort verblüffte mich: Nein, haben wir nicht. Desinfektionsmittel, Schutzmasken? Fehlanzeige. Ich konnte es nicht fassen.

Haben die nur Stuhlröhrchen bei einem Ausbruch mit Brechdurchfall vorrätig? Getestet würde nur, wer Symptome hat. Hätte sie mir gesagt, wir haben keine Testkapazitäten, weder Material- noch Laborressourcen, wäre sie auf mein Verständnis gestoßen.

Aber auch das wurde offiziell (noch) nicht verkündet.

Die örtlichen Apotheken angefragt. Nein, wir haben nichts. Vielleicht nächste Woche. Dabei beteuerte Minister Spahn gebetsmühlenhaft, wie gut Deutschland auf die Pandemie vorbereitet ist und dann so was? Die Ärztin stellte bei der Bewohnerin mit Blickdiagnose einen grippalen Infekt fest. Mein Eindruck, dass man bloß nicht so viel testen sollte, weil die Konsequenzen hart durchgesetzt würden, verfestigte sich. Hinterher stellte sich heraus, dass es ein Harnwegsinfekt war. So viel zur Blickdiagnose.

Die Hausärzte insgesamt waren hoffnungslos überlastet und es gab nicht nur die Empfehlung, nein, sondern auch die offizielle Erlaubnis, die Krankschreibung für Patienten telefonisch durchzuführen, um möglichst keine potentiell Verdächtigen im Wartezimmer zu versammeln. Getestet wurde nur, wer aus einem Risikogebiet kam oder Kontakt mit einem nachweislich Infizierten hatte. Oder vielleicht einen Sechser im Lotto?

Montag, 16.03.2020. Shutdown und Massenquarantäne.

Die persönlichen Kontakte werden begrenzt. Die Wohnung darf nur verlassen werden, wenn es den Weg zur Arbeit, zum Arzt, zum Einkäufen, zur Apotheke betrifft. Besuche im Krankenhaus sind verboten. «Bleiben Sie zuhause!» heißt der neue Slogan und betrifft alle. Der dauernde Aufenthalt in kleinen Wohnungen ist für Familien deutlich belastender als in Häusern mit Gärten zu wohnen. Dazu noch Homeoffice und Kinder, die beschäftigt werden wollen. Dichter Stress.

Unsere Einrichtung wird auf Erlass des Landkreises für Besucher geschlossen. Angehörige dürfen nur ins Haus, wenn sich der Bewohner im Sterbeprozess befindet oder bei drohenden Eskalationen mit dementiell Erkrankten. Besucher, Lieferanten, Ärzte, Therapeuten müssen schellen. An gut sichtbaren Stellen werden Schilder und Händedesinfektionsmittelspender angebracht. Die meisten Angehörigen haben Verständnis. Wir kaufen eine Funkklingel, die in der Verwaltung schellt. Sonst müssten immer die Pflegekräfte springen.

Die Pfarrerin darf auch kommen, Einzelbesuche mit Maske und 1,5 Meter Abstand vorausgesetzt. Gottesdienste sind verboten, es gibt keine Frisörleistungen mehr.

Dienstag, 17.03.2020. Erste Telefonkonferenz mit der Zentrale.

Die sieben philippinischen Mitarbeiter dürfen bis Mitte April nicht einreisen. Trotz Visum, es geht nämlich kein Flieger mehr. Zwei rumänische Fachkräfte sind zum Glück am letzten Freitag, am 12.03.20, noch durchgelassen worden, quasi auf den letzten Drücker. Die Anmeldung am Bürgerbüro ist nur dank meiner strengen Rhetorik möglich. Ich lasse mich nicht abwimmeln. Am Empfang hängt eine meterhohe Plastikfolie und schützt die Mitarbeiterin.

»Sie hätten mit der Anmeldung noch eine Woche Zeit gehabt! Warum diese Eile?«, fragt mich die Mitarbeiterin hinter ihrem Schreibtisch.

»Weil die beiden eine Steuer-ID vom Finanzamt benötigen, sonst werden sie nach Steuerklasse 6 berechnet. Das duldet leider keinen Aufschub. Und in einer Woche ist die jetzige Situation noch genau die gleiche.« Die rumänischen Mitarbeiterinnen sind eingeschüchtert und starren auf ihre Hände im Schoß. Ich nicht. Wir ziehen das jetzt durch hier.

Auf der Sparkasse bei der Kontoeröffnung für die beiden haben alle Mitarbeiter Handschuhe an. Ich fasse mir an den Kopf. Haben sie Angst, sich an der Tastatur zu infizieren?

In einem Supermarkt will ein Kunde 50 Pakete Weißmehl kaufen. Es kommt zu tätlichen Übergriffen, weil er die Ware nicht bekommt. Eine Angehörige regt sich fürchterlich über die Situation auf. Ich rufe sie zwei Tage später an und biete ihr als Alternative einen Spaziergang oder Sitzen im Garten an. Es herrscht schönster Sonnenschein.

Im Küchenbereich muss eine Mitarbeiterin nach dem Skiurlaub in Südtirol in Quarantäne. Ich bin froh, nicht nach Paris gefahren zu sein. Mein Mann schenkte mir die Reise zum Geburtstag. Alles storniert, das Geld ist futsch und die Enttäuschung groß.

Mittwoch, 18.03.2020. Merkel spricht im Fernsehen.

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hält nach den Nachrichten eine ergreifende Rede, aber nicht zum kommenden Frühlingsbeginn. Ihre Ansprachen kennen wir sonst nur von Silvester.

Das macht mir jetzt doch Angst, kerzengerade und stocksteif sitze ich auf dem Sofa im Wohnzimmer.

Merkel appelliert eindringlich, sich an die Regeln zu halten, keine Gruppenzusammenkünfte gestalten, öffentliche Sport- und Kinderspielplätze zu meiden, sonst würde sich das Virus rasant verbreiten wie in Italien und Frankreich.

»Es ist ernst«, sagt sie und schaut mit großen Augen in die Kamera. Drei langweilige Worte, die wie ein Kanonenschlag aufprallen.