Shutdown im Pflegeheim - Corinna Jurtendach - E-Book

Shutdown im Pflegeheim E-Book

Corinna Jurtendach

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Beschreibung

Am 16. März 2020 wurde ein Besuchsverbot für die deutschen Pflegeheime erlassen, Grundrechte eingeschränkt, Kontakt- und Reiseverbote erteilt, die europäischen Grenzen geschlossen. Die Erkrankung Covid-19 (Corona Virus Disease 2019) und die Angst der Leitung vor einem Ausbruch im Pflegeheim mit vielen Toten, Quarantäne und kranken Mitarbeitern wird hier als ein Corona Tagebuch beschrieben. Was passierte in deutschen Pflegeheimen mit dem Ausbruch eines aggressiven Virus? Angeblich in Wuhan / China auf einem Marktplatz mit exotischen Tieren auf den Menschen gesprungen. Die Meldung im Januar 2020, dass drei Chinesen an diesem Corona Virus gestorben sind, wirkte angesichts der 1,44 Milliarden Menschen geradezu lächerlich. Von Politikern und Regierenden erst verharmlost, blieb uns allmählich das Lachen im Halse stecken.

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Buchbeschreibung:

Am 16. März 2020 wurde ein Besuchsverbot für die deutschen Pflegeheime erlassen, Grundrechte eingeschränkt, Kontakt- und Reiseverbote erteilt, die europäischen Grenzen geschlossen. Die Erkrankung Covid-19 (Corona Virus Disease 2019) und die Angst der Leitung vor einem Ausbruch im Pflegeheim mit vielen Toten, Quarantäne und kranken Mitarbeitern wird hier als ein Corona Tagebuch beschrieben. Was passierte in deutschen Pflegeheimen mit dem Ausbruch eines aggressiven Virus? Angeblich in Wuhan / China auf einem Marktplatz mit exotischen Tieren auf den Menschen gesprungen. Die Meldung im Januar 2020, dass drei Chinesen an diesem Corona Virus gestorben sind, wirkte angesichts der 1,44 Milliarden Menschen geradezu lächerlich. Von Politikern und Regierenden erst verharmlost, blieb uns allmählich das Lachen im Halse stecken.

Autorin:

Corinna Jurtendach ist Gesundheits- und Krankenpflegerin und schreibt unter Pseudonym. Ihre Ausbildung beendete sie 1978. Ab 2000 arbeitete sie als Führungskraft in Pflegeheimen, bis 2008 als Pflegedienstleitung, danach als Heimleitung. Die Erfahrungen mit dem Corona Virus und dessen Auswirkungen haben bei der erfahrenen Führungskraft nicht nur einen tiefen Eindruck hinterlassen, sondern in der pflegerischen Arbeitswelt drastisch die Spreu vom Weizen getrennt, hier die Profis von den Amateuren.

«Bleiben Sie gesund!», löste das «Tschüss» zur Verabschiedung ab.

«Wir wollen dennoch singen! So still ist’s auf der Welt; Wer weiß, die Lieder dringen vielleicht zum Sternenzelt.»

Joseph von Eichendorff aus: «Nachruf»

Den Kolleginnen und Kollegen der Pflege gewidmet. Ohne euch wäre das nicht zu schaffen gewesen! Danke.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Das Coronavirus wütet in der Welt – was bisher geschah

Montag, 16.03.2020. Shutdown und

Dienstag, 17.03.2020. Erste Telefonkonferenz mit der Zentrale

Mittwoch, 18.03.2020. Merkel spricht im Fernsehen

Donnerstag, 19.03.2020. Träume von Quarantäne und Feldbetten

Freitag, 20.03.2020. Anarchie der Regularien und Bayern voran

Samstag, 21.03.2020. Restaurants geschlossen

Dienstag, 22.03.2020. Bauzaun mieten

Mittwoch, 25.03.2020. Gruppen dürfen stattfinden

Donnerstag, 26.03.2020. Masken in den Backofen

Freitag, 27.03.2020. Mehr Infektionen

Montag, 30.03.2020. Feten feiern in der Arbeitsstätte

Mittwoch, 01.04.2020. Jetzt knallt es

Donnerstag, 02.04.2020. Richtig dicke - auf der Klaviatur der Verunsicherung

Freitag, 03.04.2020. Nachbeben

Samstag, 04.04.2020. Neues von der Testung

Sonntag, 05.04.2020. Chefin selbst am Empfang. Mal was Anderes

Montag, 06.04.2020. Endlich das Testergebnis!

Mittwoch, 08.04.2020. Erste Arztvisite per Skype

Gründonnerstag, 09.04.2020. Homeoffice für alle Heimleitungen

Ostersonntag, 12.04.2020. Dienst am Empfang

Ostermontag, 13.04.2020. Freizeit

Dienstag, 14.04.2020. Monsterbestellung von FFP2-Masken

Mittwoch, 15.04.2020. Exit Beratungen der Regierung mit den Bundesländern

Donnerstag, 16.04.2020. Die Massenlieferung trifft ein

Samstag, 18.04.2020. Lockern der Beschränkungen

Montag, 20.04.2020. Der Verkehr nimmt wieder zu auf den Straßen

Dienstag, 21.04.2020. Jetzt doch Maskenpflicht in der Öffentlichkeit?

Donnerstag, 23.04.2020. Die Urlaubssperre für die Leitungskräfte wird aufgehoben!

Freitag, 24.04.20. Entscheidungshilfen für eine Einweisung ins Krankenhaus im Covid-19-Fall der Deutschen Geriatrie Gesellschaft DGG

Samstag, 25.04.2020. Irgendwie haben sich alle mit der Situation arrangiert

Montag, 27.04.2020. Lockerung des Lockdowns?

Dienstag, 28.04.2020. Die Zentrale schickt genähte Mundschutze aus Microfaser für die Mitarbeiter

Mittwoch, 29.04.2020. Stellungnahme unseres Verbandes zum Geschwafel des Landesvaters

Donnerstag, 30.04.2020. Der Verband schreibt einen offenen Brief an Ministerpräsident Bouffier

Freitag, Tag der Arbeit ohne Gewerkschaften, 1. Mai 2020. Homeoffice

Montag, 04.05.2020. Angehörige, die unbedingt ins Haus wollen

Dienstag, 05.05.2020. Symptomlisten als Warnsystem

Mittwoch, 06.05.2020. Gesandte des Kreises zur Kontrolle der Besuchsregelungen im Haus

Donnerstag, 07.05.2020. Rheinland-Pfalz hat neue Ideen zur Lockerung

Freitag, 08.05.2020. In Berlin ist heute Feiertag, der Tag der Befreiung

Samstag, 09.05.2020. Sonntagsverkauf, wer möchte

Montag, 11.05.2020. Testung für alle soll anlaufen

Dienstag, 12.05.2020. Keine Testung der Mitarbeiter und Bewohner

Mittwoch, 13.05.2020. Die Kuh ist vom Eis

Donnerstag, 14.05.2020. Gedenktag der Heiligen Corona

Freitag, 15.05.2020. Der Frisör ist wieder willkommen!

Montag, 18.05.2020. Abstandsregeln und Umgangsformen am Bauzaun

Mittwoch, 20.05.2020. Bonuszahlung für Pflegekräfte (Corona-Prämie § 150a SGB XI)

Mittwoch, 27.05.2020. Manch Angehöriger dreht durch

Einleitung

Sie lesen hier mein Tagebuch. Mehrere Wochen einer speziellen Erfahrung mit der Pandemie und deren Auswirkungen im Pflegeheim. Mit Menschen, die zur Hochrisikogruppe gehören. Corona Viren sind nicht neu. Sie verursachen meist harmlose Krankheiten des Magen-Darm-Trakts oder der oberen Atemwege, zum Beispiel Erkältungen. Nur das neuartige Virus mit dem Namen Corona Virus SARS-CoV-2 erwies sich als nahezu teuflisch ansteckend. Die Krankheit, die sich aus einer Infektion mit dem Corona Virus entwickelt, nennt man COVID-19. Diese kann fast ohne oder nur mit milden Symptomen verlaufen, oder zu schweren Lungenerkrankungen bis hin zur Beatmungspflichtigkeit auf der Intensivstation und im Worst Case zum Lungenversagen führen. Ich bin mir sicher, dass Anfang Februar das wahre Ausmaß den meisten Menschen im Gesundheitswesen nicht bewusst war, und die Erkrankung nicht ernst genommen bzw. als Grippevariante abgetan wurde. China war weit weg.

Der Arbeitsalltag als Heimleitung mit dem allgemeinen Fachkräftemangel fordert einen schon genug. Mit meinem Alter von 62 Jahren gehöre auch ich zu der Risikogruppe. Sollte ich mich jetzt aus der Affäre ziehen? Nein. Natürlich nicht. Mag sein, dass Ihnen manche Passage in diesem Buch wie Schuldzuweisungen an Behörden, an Vorgesetzte, an das Robert-Koch-Institut, an die Politiker vorkommen. Das ist nicht beabsichtigt. Sie wussten es nicht besser. Niemand wusste es, auch nicht die Virologen. Jeden Tag neue Erkenntnisse bzw. Vermutungen, geänderte Verfahrensanweisungen und bedrohlicher Materialmangel an Schutzkleidung, Masken, Thermometer, Desinfektionsmittel führte zu teilweise panischem Verhalten von Kunden in den Discountern. Schnell geänderte und mit heißer Nadel gestrickte Gesetze, eine hohe Staatsverschuldung durch locker gemachte Gelder für die Wirtschaft, für mittelständische Unternehmen und für Kurzarbeit Gelder sowie für die Arbeitslosen, gelangen der Regierung ohne Parlamentsabstimmungen im Eilverfahren, was sonst Monate, wenn nicht Jahre dauert.

Mir ist es wichtig, dass Sie die Gefühle und Ängste einer verantwortlichen Fachkraft in einer Einrichtung mit 120 Menschen und 85 Mitarbeitern nachvollziehen können. Wir wussten selbst nicht, was die richtigen Entscheidungen waren. Auch die Geschäftsführung entschied wöchentlich, manchmal täglich neu, welche Schritte jetzt die Wichtigsten und Richtigsten sind. Das Hamstern von Schutzmaterial stand an oberster Stelle. Wer hätte ahnen können, dass die Bestellung und die Lieferung von banalen Dingen wie Masken, Schutzkittel und Desinfektionsmittel keine Selbstverständlichkeit. Nach fünf Wochen kam es endlich an, die Mitarbeiter strahlten. Am schlimmsten jedoch war der Shutdown mit den Schließungen der Pflegeheime für Besucher, Angehörige waren? Wie freuten wir uns über das Paket mit drei kontaktlosen Fieberthermometern aus China!

Nur wer absolut unvermeidlich war, Ärzte, Therapeuten, Reparaturfirmen und Seelsorger, durften das Haus betreten und mussten sich mit Adresse in ein Gästebuch eintragen, um im Falle eines Ausbruchs dem Gesundheitsamt eine Kontaktnachverfolgung melden zu können. Vielleicht wird es eine Fortsetzung dieses Tagebuches geben, sollte es im Herbst mit einem Anstieg der Infektionen und erneutem Shutdown von vorne losgehen. Ich hoffe es nicht, aber das Virus wird zukünftig zu unserem Alltag gehören.

Das Coronavirus wütet in der Welt – was bisher geschah.

Im Dezember 2019 trat in der Provinz Wuhan/ China ein bisher unbekanntes und hochinfektiöses Virus auf: Corona oder Sars-CoV-2. Die Lungenerkrankung, die es hervorruft, nennt sich nach der WHO ‹Covid-19›, Corona Virus Disease 2019. Die Inkubationszeit betrug wenige Tage, deshalb verbreitete es sich rasch. Es entwickelte sich innerhalb von zwei Monaten eine Pandemie, also eine weltübergreifende Infektion. Mit den für China bekannten drastischen Maßnahmen der Gebietssperrung und den Quarantänebestimmungen konnte das Virus bis Februar 2020 eingedämmt werden. Zunächst nahm ich das Ganze nicht so ernst. Meine Güte, drei Chinesen von 1,44 Milliarden Menschen sind gestorben ... tss, tss. Geht’s noch?

Die Verbreitung auf den Menschen soll von Pangolinen - das sind Schuppentiere, die nicht besonders hübsch, aber schmackhaft sind und auf dem Fischmarkt in Wuhan verkauft wurden - ausgegangen sein. Fledermäuse haben vermutlich das Virus auf die Pangoline übertragen, die als Zwischenwirt wiederum das Virus auf den Menschen übertrugen. Ob diese Theorie stimmt, wird sich noch zeigen. Doch dann brach es weltweit aus. Flughäfen kontrollierten Passagiere, die aus China einreisten, mittels kontaktlosen Geräten auf Fieber. Ganz nebenbei tobte auch eine Welle mit der Grippe Influenza A, die eher wenig Beachtung fand. Norditalien war besonders vom Corona Virus betroffen, das Land wurde sozusagen abgeriegelt. In den italienischen Krankenhäusern tobte das Chaos. Betten auf den Gängen, überlastete Ärzte und Pflegekräfte, kaum Schutzmaterial. Das Foto der Krankenschwester, die vor Erschöpfung samt Mundschutz und Kopfhaube auf der Tastatur des Computers eingeschlafen war, fand eine rasche Verbreitung in den Medien und sorgte für Entsetzen. Im Dezember 2019 war ich an einer starken Erkältung mit Fieber, einem bestialischen Husten und mit Rasselgeräuschen auf der Lunge drei Wochen lang krank. Ob das etwa Covid-19 war?

Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern wurden auf Weisung von Gesundheitsminister Spahn abgesagt, die Leipziger Buchmesse fiel aus, Fußballspiele in Geisterarenen sorgten bei den Vereinen für Geldmangel und bei den Fans für Unmut. Nur die Bahn fuhr unverdrossen weiter. Die Hauptbahnhöfe in großen Städten sind schließlich nichts Anderes als Großveranstaltungen. E-Tickets wurden nicht mehr eingelesen, Zugbegleiter begnügten sich mit der Sichtung.

Die Gastronomie erlitt Verluste, Restaurants wurden geschlossen, Flüge gestrichen, Reisen storniert, Hamsterkäufe von Toilettenpapier und haltbaren Lebensmitteln (Spitzenreiter: Nudeln und Desinfektionsmittel wie Sagrotan) bestimmten das Tagesgeschehen. Leere Regale in den deutschen Discountern. Ein für uns verwöhnte deutsche Konsumenten ungewohnter Anblick, tiefste Verunsicherung in der Bevölkerung. Atemschutzmasken wurden zu horrenden Preisen auf ebay und Amazon verkauft, der Preis von 49 Euro pro Maske (!) war kein Schreibfehler, bei dem das Komma fehlte, sondern eine Tatsache. Wahrscheinlich, nachdem sie vorher irgendwo geklaut wurden. In Krankenhäusern zum Beispiel stahl man Desinfektionsmittel sogar aus den Spendern.

Der Nachschub aus China fehlte, die brauchten die Materialien erstmal selber. Vor allem fehlte es an den FFP2 und FFP3 Masken (Filtering Face Piece), mit und ohne Ventil. Die Einzigen, die wirksam vor Corona schützen.

Ein Kollege von mir ging einen Deal mit einem Hausarzt ein, der seine Praxis mangels Händedesinfektionsmittel schließen wollte. Für 20 Liter Händedesinfektion verkaufte der Arzt ihm 700 FFP2-Masken, die in die Zentrale geschickt wurden, um die bundesweiten Einrichtungen zumindest mit einem Basisbestand ausstatten zu können. Etliche Pflegeeinrichtungen besaßen noch wenige Masken aus der Schweinegrippezeit von 2009. Das Haltbarkeitsdatum war natürlich längst abgelaufen – but so what? So eine Maske wird ja nicht schlecht.

Positiv getestete Menschen kamen für zwei Wochen in häusliche Quarantäne, versorgt von Angehörigen oder der Nachbarschaft, die die Einkäufe vor die Tür stellten. Die meisten wurden aber nicht getestet. Besonders gefährdet – wer hätte es gedacht - waren ältere Menschen über 60 Jahre, mit Vorerkrankungen der Lunge, Diabetes, Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit und andere Risikogruppen wie Immunsupprimierte. Die Patienten starben an Sepsis und trotz Beatmung an Lungenversagen.

Am 12.03.2020 waren in Hessen 91 Erkrankte bekannt.

Die Zahl hatte sich vom 11.03.20 auf den 12.03.20 verdoppelt. Trotzdem verhielten sich die Menschen ruhig, klagten über die ausgefallenen Veranstaltungen und anderen Unbequemlichkeiten, zum Beispiel über die leeren Regale in der Klopapierabteilung im Supermarkt. Im öffentlichen Nahverkehr sah man niemanden mit Atemmasken. Vermutlich, weil es keine mehr gab. Donald Trump verhängte ein Einreiseverbot für Europäer und ließ sich selbst nicht testen. Im Gegenteil, er schüttelte im Wahlkampf unverdrossen reichlich Hände. Aber was sollte man von diesem Idioten auch anderes erwarten? Schwierig wurde es, weil 80% der Erkrankten nur milde Verläufe, sich sogar symptomlos zeigten. Der Beginn war mit Halsschmerzen, Fieber, Husten, Schnupfen oder Durchfällen beschrieben. Die sozialen Medien wurden mit Posts und Kettenbriefen quasi geflutet, die seltsame Maßnahmen gegen das Virus empfahlen, die wie Großmutters Hausmittelchen klangen. Viel trinken zum Beispiel, weil das Virus dann im Magen durch die Magensäure zerstört wird und erst gar nicht in die Lunge gelangt usw.

Was für ein Quatsch. Solides Halbwissen.

In Deutschland machte der Kreis Heinsberg in Nordrhein - Westfalen Schlagzeilen und wurde zu Deutschlands Hotspot. Der Fasching sorgte für ungestörte Verbreitung, Alkohol, Bussi, Bussi, große Menschenansammlungen bei Umzügen und Karnevalssitzungen ließen die Fallzahlen in die Höhe schnellen. Die Ämter schlossen, Autos anmelden oder heiraten war nicht mehr möglich. Es gab nur Notbesetzungen.

In Bad Rappenau stand die Pflegeeinrichtung der Alpenland Betreiber sechs Wochen lang unter Quarantäne. Ein Pfleger brachte das Virus nach einer Italienreise mit und infizierte eine Kollegin und einen Bewohner. Das brachte eine Kettenreaktion mit Ausbruch mit sich. Mitarbeiter durften in ihrem PKW zur Arbeit fahren und zurück nach Hause, sonst durften sie sich nicht frei bewegen. Wohnbereiche wurden für Besucher geschlossen. 17 Personen, die mit dem Heim in Verbindung standen, wurden positiv getestet.

Davon mussten 4 in die Lungenfachklinik eingewiesen werden. Die Bewohner durften über Wochen ihre Zimmer nicht verlassen. Am 16.03.2020 schlossen in Hessen alle Schulen und Kitas, Schwimmbäder, Saunen, Museen, Ausstellungen. Andere Bundesländer folgten. Über Deutschland senkte sich wie ein riesiges Grabtuch die soziale Wüste. Der von Christo verhüllte Berliner Reichstag war nichts dagegen. Bayern rief den nationalen Notstand und eine Ausgangssperre aus. Und wie sah es bei uns in der Einrichtung aus? Ich fühlte mich angespannt. Und je öfter ich die Sätze hörte:

«Wir wollen keine Panik machen, wir sind aber wachsam!», umso nervöser wurde ich. Das sind gemeinhin sinnlose Appelle. So glaubwürdig, wie wenn jemand schreit: «Sie regen mich nicht auf, Sie nicht!»

Erst wöchentlich, dann täglich, fanden Telefonkonferenzen mit der Zentrale, der Hauptabteilungsleitung des Qualitätsmanagements und der operativen Geschäftsführung statt.

Gleichzeitig verdonnerte der Geschäftsführer die Leitungskräfte zu einer Urlaubssperre für die kommenden vier Wochen.

Eine Kollegin machte den Vorschlag, einen Bauzaun zu errichten, damit die Bewohner den Garten nicht verlassen können. Vielleicht auch die Mitarbeiter mit haltbaren Lebensmitteln versorgen, falls sie im Supermarkt nichts mehr bekommen? Ich musste mir das Lachen verbeißen. Dann blieb es mir im Halse stecken. Tja, und drei Wochen später stand auch bei unserer Einrichtung ein Bauzaun. Lebensmittel gab es nach wie vor genug, die Lieferanten kamen pünktlich wie immer.

Es gab eine Bestandsaufnahme aller vorhandenen Schutzmaterialien im Konzern, der Prokurist kümmerte sich um lieferbare Masken und Desinfektionsmittel. Alle Apotheken der näheren Umgebung wurden angefragt, ob sie Desinfektionsmittel für die Hände liefern können. Fehlanzeige. Empfehlungen wie Franzbranntwein oder Wodka zu kaufen, waren ernst gemeint. Flaschen mit Händedesinfektionsmitteln durften sogar wieder befüllt werden, weil Behältermangel herrschte. In normalen Zeiten aus hygienischen Gründen ein absolutes No-Go.