Das Blaue Palais 5 - Rainer Erler - E-Book
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Das Blaue Palais 5 E-Book

Rainer Erler

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Beschreibung

Hirnforschung, Parapsychologie, visionäre, neue Energieformen, Unsterblichkeit – Das altehrwürdige Blaue Palais widmet sich umstrittenen und höchst riskanten Forschungsgebieten. Doch der synthetische Stahl des Chemikers Enrico Palazzo scheint nicht gut genug – das Institut versagt die Unterstützung. Palazzo wendet sich an den Multikonzern IMT, aber bald merkt er, dass bei der Herstellung hochgiftige Stoffe austreten. Er will die Produktion stoppen. Doch er hat nicht mit der Macht des Konzerns gerechnet, der nicht nur ihn, sondern auch das Blaue Palais zu zerstören droht ... Das Blaue Palais ist eine alte Villa, hinter deren Mauern exzellente Forscher das Unmögliche möglich machen. Die genialen Wissenschaftler um Louis Palm geraten immer wieder in hochexplosive, illegale Situationen und müssen feststellen, dass ihre Forschungen einen Preis haben. Und so bleibt kein Fortschritt ohne Konsequenzen – für das Leben der Wissenschaftler oder für das der ganzen Menschheit ... Der Blaue-Palais-Zyklus besteht aus fünf eigenständigen Romanen: • Das Blaue Palais. Das Genie • Das Blaue Palais. Der Verräter • Das Blaue Palais. Das Medium • Das Blaue Palais. Unsterblichkeit • Das Blaue Palais. Der Gigant Für die fünfteilige Verfilmung der Science-Thriller wurde Rainer Erler von der ESFS (European Science Fiction Society) als bester europäischer Science-Fiction-Drehbuchautor ausgezeichnet.

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Rainer Erler

Das Blaue Palais

Der Gigant

Roman

1

»Wir sind ziemlich am Ende!« Palm, der Leiter des Blauen Palais, machte eine nachdenkliche Pause, dann blickte er seine Besucher an, einen nach dem anderen.

Die Herren vom Komitee in ihren dunklen Mänteln, unter ihren dunklen Hüten, mit ihren schwarzen Aktenköfferchen waren gekommen, um Erfolgsmeldungen entgegenzunehmen. Palm hatte am Telefon noch von sensationellen Ergebnissen gesprochen. Und jetzt konfrontierte er seine Gäste mit schlechten Nachrichten. Doch die gehörten längst zum täglichen Brot von Wirtschaftlern und Finanziers und betrafen die Zukunft unserer technischen Zivilisation.

Palm verteilte Kopien eines Computerprotokolls. Es waren die jüngsten Prognosen über die »Endlichkeit der Ressourcen«, Voraussagen also, zu welchem Zeitpunkt bestimmte Rohstoffe unseres Blauen Planeten endgültig und unwiederbringlich verbraucht sein würden.

Die Herren vertieften sich in die Zahlen und Daten, wirkten mit einem Mal wie die erschütterten Hinterbliebenen am Grab eines Verstorbenen, wie die betroffenen Gläubiger einer in Konkurs gegangenen Firma. Und das lag nicht nur am deutsch-tristen Manager-Einheits-Look.

Die Mitglieder des Blauen Palais, diese jungen Wissenschaftler und Techniker, die in dieser privaten »Forschungs- und Fortschritts-Fabrik« arbeiteten, standen dazwischen herum wie bunte Vögel. »Gold!«

Palm hatte wie ein Taschenspieler einen winzigen, glänzenden Metallbarren aus einer seiner Taschen gezaubert. »Ja«, fuhr er fort und hielt das schimmernde Metallstück den traurig blickenden Herren entgegen. »Ja, es ist reines Gold, zehn Unzen. Das sind etwa dreihundertzehn Gramm!«

Er bemerkte mit sichtlichem Vergnügen, wie sich die tristen Mienen der Kuratoriumsmitglieder aufzuhellen begannen, wie der strahlende Glanz dieses Metalls auch ihre Blicke erhellte. Dieser Zauber tat wohl immer und überall seine Wirkung.

»Gold anzusehen gilt als erfreulich. Man kann daraus hübsche Dinge machen – edlen Schmuck und blitzende Zähne. Wir benötigen es hier in winzigen Mengen zu chemophysikalischen Versuchen. Aber sonst?« Er zuckte die Schulter und gab den kleinen Barren herum. Mit offensichtlicher Lust wurde das Metall betrachtet und betastet.

»Gold«, fuhr Palm fort, »das ist ein Teil der menschlichen Geschichte, ist Mystik und Mythos. Um Gold zu besitzen, wurden Morde verübt, Kriege geführt und Kulturen vernichtet. Denn Gold gab es immer zu wenig.« Er setzte sich langsam in Richtung der alten Remise in Bewegung, wo die chemischen und physikalischen Labors und die Werkstätten untergebracht waren. Die Herren folgten ihm, auch die Mitglieder des Blauen Palais.

Die beiden ungleichen Gruppen vermischten sich nicht, als sie nun am Rande des Parks mit seinen uralten Bäumen entlang zum anderen Ende des Hofes strebten.

»Viele Jahrhunderte lang mühten die Alchimisten sich ab, nach der Lehre von der Umwandelbarkeit der Metalle Gold zu machen.« Palm versuchte seinem unorthodoxen Einführungsreferat eine spielerische, heitere Komponente zu geben. »Aber den Stein der Weisen fanden sie nicht.«

Vorträge und Referate werden für gewöhnlich in Hörsälen und Vortragsräumen gehalten. Aber Palm hatte seine Ouvertüre zu der geplanten Demonstration mit Bedacht ins Freie verlegt, unter einen grauen, regnerischen Himmel, von dem die herbstlich gefärbten Blätter langsam herabsegelten. »Heute wird in zwei Jahren mehr Gold gewonnen als in den eintausend Jahren des Mittelalters. Und trotzdem ist es knapp, und es wird immer seltener werden.«

Zwei Stunden hatten sie oben in Palms Büro die Bücher geprüft und den neuen Etat diskutiert und ihn schließlich mit vier zu drei Stimmen genehmigt. So riskant war der Fortbestand des Blauen Palais noch nie gewesen. Ein Ort, an dem offenbar frei und unabhängig geforscht werden sollte, war plötzlich in die Zwänge einer Administration geraten. Nach fünf Jahren Freiheit waren jetzt Forderungen nach Effektivität, also nach Erfolg und Rendite, gestellt worden. Aber Palm hatte trotz des knappen Ergebnisses sein Konzept eisern verteidigt – auch den Plan seiner Freiluftexkursion – und hatte die Herren gebeten, wieder ihre Mäntel anzulegen und ihm hinüber in die Labors zu folgen.

Und nach dieser Diskussion über Zahlen, über Geld, Geld, Geld, über Investitionen und Etats, Budgets und unvermeidbare Verluste, waren sie beim Gold gelandet.

»Was rechtfertigt eigentlich seinen hohen Preis?«, wollte Palm wissen. »Seine Seltenheit?« Er blickte sich um, aber die Herren folgten ihm schweigend, ohne Kommentar.

Einer reichte ihm vorsichtig, fast scheu, den kleinen Goldbarren zurück. Alles hatte hier seine Ordnung. Palm bedankte sich, ließ das Metall noch ein letztes Mal in der erhobenen rechten Hand aufblitzen. »In erster Linie, aber sicher nicht nur allein, wird Gold aus wirtschaftlichen Gründen, seiner Knappheit wegen, zum Objekt der Spekulation.« Er steckte den Barren ein, faltete wieder das Computerprotokoll auseinander, um daraus zu referieren.

»Steigen Goldgewinnung und Verbrauch im gleichen Maße wie bisher an, dann sind die bis heute bekannten Reserven in genau neun Jahren ausgebeutet.« Er deutete auf die entsprechenden Zahlenkolonnen. »Das wäre weiterhin keine Tragödie. So lebenswichtig ist Gold nicht für uns. Im Gegensatz zu anderen Stoffen, deren Vorrat durch den Raubbau der vergangenen Jahrzehnte ebenfalls rapide zu Ende geht.« Sie waren an der Remise angekommen. Enrico Polazzo, der Chemiker des Teams, der als einziger seinen weißen Labormantel trug, öffnete das schwere Eichentor.

Aber Palm hielt mit seinen Ausführungen die Besucher noch zurück. »Silber«, fuhr er fort, »unersetzlich für die fotochemische Industrie und die Elektronik, ist nur noch für fünfzehn bis zwanzig Jahre vorhanden. So lange reichen auch die Vorkommen an Kupfer und Blei. Die für Edelstahl wichtigen Komponenten Nickel, Mangan, Chrom, Vanadium, Wolfram, Molybdän sind in dreißig bis neunzig Jahren verschwunden, die heute bekannten Eisenerzvorkommen in achtundachtzig Jahren ausgebeutet. Und Eisen – Stahl – das ist in gewisser Weise doch die Basis unserer technischen Zivilisation.«

Palm wandte sich ab, betrat als Erster den weiten, hohen Raum, der in früheren Zeiten die Kutschen des Kurfürsten beherbergt hatte. Jetzt stapelten sich hier Kisten und ausgediente technische Apparaturen. »Unser kleiner Planet Erde ist eben sehr begrenzt.« Palm faltete das Computerprotokoll zusammen, während die Besucher eintraten. »Und so bleibt uns nur folgende Lösung: erstens das Wachstum zu drosseln, diese Orgie an Überfluss und Verschwendung, die wir ›Wohlstand‹ nennen, diese immensen Zuwachsraten an Produktion und Gewinn, an Verbrauch und Profit. Wir müssen eben in Zukunft auf vieles verzichten. Und zweitens …« Er brach ab.

Die Besucher, diese ernsten Herren aus Industrie und Wirtschaft, die mit ihren steuerbegünstigten Subventionen das Blaue Palais am Leben erhielten und sich andererseits von dort Innovationen erwarteten, die Millionen versprachen, schwiegen und zeigten keinerlei Reaktion auf Palms ketzerische Forderung. Einen Augenblick lang wirkte Palm verunsichert, bis Polazzo ihm zu Hilfe kam und fortfuhr: »Ja, und zweitens muss uns eben auf fast allen Gebieten etwas Neues einfallen. Auf dem Energiesektor ebenso wie bei den zur Neige gehenden Rohstoffen. Wir müssen ausweichen auf neue Werkstoffe aus anderem Rohmaterial, von dem in der Erdrinde und in der Atmosphäre größere Mengen vorhanden sind.«

»Zum Beispiel?« Professor Manzini, der Präsident des Kuratoriums, durchbrach als Erster und Einziger das lastende Schweigen dieser Besuchergruppe.

»Zum Beispiel Silizium, Kalzium, Stickstoff, Wasserstoff«, antwortete Polazzo. »Auch Kohle ist für die nächsten einhundertfünfzig Jahre vorhanden – im Gegensatz zu Erdöl oder Erdgas als gebundene Form des Kohlenstoffs, als fossile Energie der Sonne, erzeugt in Millionen Jahren. Daher ist Erdöl zum Verbrennen eigentlich zu schade und vermutlich auch irgendwann zu teuer.«

Da nahm Palm den Faden seiner Einführung wieder auf: »Die Alchimisten der Gegenwart träumen also nicht mehr vom Gold! Sie suchen neue Werkstoffe auf der Basis reichlich vorhandener Elemente. Die sogenannten Plastikstoffe, PVC, Polyäthylen und Polyuretan, deren Abfälle unsere Müllhalden und unsere Meere überschwemmen, basieren auf Erdöl. Sie scheiden aus.«

Polazzo war vorausgegangen und hatte eine Stahltür entriegelt, die zum eigentlichen Laborraum führte. »Die Forderung lautet also, welcher Werkstoff ersetzt in Zukunft den Stahl?!« Er machte eine abwartende Pause, setzte gewissermaßen einen dramatischen Akzent, um die Erwartung seiner Besucher zu steigern. Dann machte er eine einladende Handbewegung, wandte sich zur Tür und verschwand als Erster in der Dunkelheit des Labors.

2

Der Raum war erfüllt vom Flackern der Leuchtstoffröhren, die ihn schließlich, als sie alle gezündet waren, in ein kaltes bläuliches Licht tauchten.

Das stand in hartem Kontrast zu der altertümlichen Architektur, die trotz zahlreicher Um- und Einbauten ihren Charakter behalten hatte. Gusseiserne Säulen mit verspielten Schnörkeln trugen die mächtigen Holzbalken, die frei im Raum die Dachkonstruktion bildeten. Das alles war weiß lackiert bis hinauf in den Giebel.

Die schmalen, hohen Eisenfenster mit den winzigen, trüben Scheiben ließen nur noch eine Ahnung von Tageslicht herein.

Zahlreiche Werkprüfungsmaschinen standen im Raum. Auf einem Tisch lagen blaugefärbte Prüfstücke eines neuen Materials zwischen Mappen mit Informationsschriften, Diagrammen und fotokopierten Zahlenkolonnen.

Manzini war als Erster Polazzo gefolgt und an den Tisch mit den Demonstrationsobjekten getreten. »Zeigen Sie mal«, sagte er und griff nach einem der blauen Klötze. »Das ist also vermutlich der geheimnisvolle Werkstoff.« Er wog ihn in der Hand, betrachtete die Schnittstellen. »Ziemlich schwer!«

»Wesentlich leichter als Stahl.« Polazzo verteilte die Probestücke an seine Gäste. »Sogar leichter als Aluminium!«

»Und die Zusammensetzung?« Manzini sah Polazzo forschend über die Gläser seiner Hornbrille hinweg an. Polazzo zögerte einen Augenblick. Er hatte die Demonstration ohne Kreuzverhör geplant. Aber dann gab er einige Vorabinformationen: »Ausgangsstoff ist Hexafluorkieselsäure. Gewöhnlicher Quarzsand und Fluorwasserstoff. Eine glasartige Legierung mit Borverbindungen und Phosphaten …« Er brach ab. Der interessierte oder, besser, der prüfende Blick von Manzini begann ihn zu irritieren.

Manzini legte schließlich, als keine weiteren Erklärungen kamen, das Probestück zurück auf den Tisch und wandte sich ab.

»Vergessen Sie nicht«, rief Polazzo ihm nach, »wir sind im Versuchsstadium!«

»Ich weiß – seit über drei Jahren!« Manzini lächelte den verunsicherten Polazzo liebenswürdig an und stellte sich in Position, um nun das Schauspiel, das zweifellos geplant war, über sich ergehen zu lassen. »Bis der Stoff alle gewünschten, alle erforderlichen Eigenschaften aufweist …«, Polazzo atmete tief, ehe er fortfuhr, »dauert es vielleicht noch ein Jahrzehnt.« Er trat einige Schritte zurück. Die Gruppe der Besucher versammelte sich neben dem Demonstrationstisch. Die Mitglieder des Blauen Palais, de Groot, der Biochemiker, Eva Mackenzie, die Biologin, Büdel, der Systemanalytiker und Kybernetiker, Mr. Wong, Yvonne und schließlich Palm, hielten sich mehr im Hintergrund, spielten Edelstatisten, denn heute war Polazzos großer Tag. Es war seine Show, und er musste sie durchstehen. Sein Erfolg würde auch der Erfolg von ihnen allen sein. Denn die Demonstration des neuen Werkstoffs konnte über die weitere Existenz des Blauen Palais entscheiden.

Polazzo hatte einen massiven Block vom Tisch genommen, während Herr Kühn, das Faktotum des Hauses, im Hintergrund die Prüfmaschinen anlaufen ließ.

Das plötzlich einsetzende Summen des Generators, das anlaufende Vibrieren der Maschine erfüllte den Raum.

»Einen hundertprozentigen Ersatz für Stahl zu finden ist schwer, vermutlich sogar unmöglich. Stahl hat eine ganze Reihe spezifischer Eigenschaften, die in ihrer Vielzahl auf einen neuen Stoff nicht übertragen werden können. Das heißt, es können immer nur Teilforderungen erfüllt werden, diese aber in hervorragender Weise.«

Polazzo unterbrach seine Ausführungen und wartete, bis das Getuschel in der Gruppe der Besucher verstummte.

Er wusste nicht, ob er Kritik oder Zustimmung ausgelöst hatte oder ob diese geflüsterten Mitteilungen überhaupt ihn und seine Demonstration betrafen. »Ich habe hier unseren neuen Werkstoff M-1209«, fuhr er schließlich fort. »Er kommt von allen bisher entwickelten Stoffen der Charakteristik von Stahl am nächsten.«

Er griff noch nach einem zweiten Werkstück, das auf einem Regal bereit lag: grauer, mattglänzender Stahl in ähnlicher Form wie das blauschimmernde Prüfstück des neuen Materials. »Hier, zum Vergleich: ein Stück Blankstahl.« Er hob die beiden Prüflinge hoch und zeigte sie herum. Der Zauberkünstler, der ehrlich demonstriert, dass nirgends ein doppelter Boden eingebaut sei. »Wir werden nun die verschiedenen Eigenschaften bei Blankstahl und M-1209 abwechselnd prüfen und vergleichen.« Wieder irritierte ihn das Geflüster und Getuschel der Besucher.

Die Herren steckten die Köpfe zusammen und berieten sich. Auch Manzini hatte sich zu den leise diskutierenden Kollegen umgewandt. Und Polazzo blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten.

»Zuvor noch eines …« Er war nervös geworden und begann mit einem Kommentar, der nicht in seinem Konzept vorgesehen war. »Die Zugfestigkeit …« Er räusperte sich und wiederholte dann: »Die Zugfestigkeit des neuen Materials entspricht noch nicht ganz …« Er wischte sich mit der frei gewordenen Hand über das schwarze Haar, das in dichten Locken fast bis zu seiner Schulter fiel. »… noch nicht ganz unseren Erwartungen …« Er war aus dem Takt geraten. Er hatte den schwachen Punkt verraten, den er verschweigen wollte. Sie hatten ihn geschafft, ohne viel zu tun, ohne viel zu fragen und nachzubohren. Er hatte freiwillig und ohne triftigen Grund mit einem einzigen halben Satz die ganze Demonstration gefährdet. Aus purer, leichtsinniger Nervosität, aus Unsicherheit heraus. Er sah, wie Palm die Brauen hochzog, offenbar, um ihn zu warnen, und er sah, wie die Besucher sich wieder voller Interesse ihm zuwandten. Er hatte mit diesem spontanen, ehrlichen und überflüssigen Bekenntnis ihre Sensationslust geweckt. Er war aus der gutgebauten Deckung seiner Schanze hervorgetreten, waffenlos, eine Zielscheibe, hatte sich das Hemd von der Brust gerissen, aber das Erschießungspeloton war zu verblüfft, um abzudrücken. Polazzo lachte verlegen: »Ja, es ist vielleicht falsch, gerade mit der schwächsten Stelle in der Charakteristik von M-1209 zu beginnen. Aber wir müssen das Ergebnis unserer Arbeit hier realistisch sehen. Ich habe ja bereits eingangs …« Er legte das Prüfstück zurück auf den Tisch, rieb sich die Hände, wischte die feuchten Handflächen an seinem Labormantel trocken und wechselte das Thema. »Andererseits liegt die Steifigkeit des neuen Materials über der von Stahl durch die besondere, metallähnliche Kristallstruktur.« Er griff nach einer der bereitliegenden Informationsschriften. »Die genauen Werte sind hier im Protokoll zusammengefasst, das ich Ihnen nach der Demonstration übergeben werde …«

»Warum nachher? Warum nicht jetzt?« Es war ein schneidender Einwand, der von einem der Ausschussmitglieder kam.

Polazzo betrachtete den Zwischenrufer mit einem feindseligen Lächeln. »Lassen Sie mich erst …«, wandte er ein, aber der andere hatte nicht die Absicht, Polazzo zu Wort kommen zu lassen. »Wir feiern hier nicht Weihnachten!«, rief er mit Sarkasmus in den Raum. »Ich lasse mich nicht gern überraschen oder bescheren! Ich will Fakten und keine Vorstellung!«

Das genügte, um Polazzos romanisches Temperament wieder unkontrolliert und uneingeschüchtert freizusetzen: »Bitte, bedienen Sie sich. Wir haben genügend Exemplare abgezogen. Auf die Demonstration kann ich ja dann verzichten!« Er warf sein Exemplar auf den Tisch zu den anderen.

Palm versuchte abzuwiegeln und zu vermitteln. »Nein, bitte, Enrico! Fahren Sie doch fort!«

Aber Polazzo schien fürs Erste unversöhnlich. Er ging gereizt auf und ab. »Das Protokoll hätte ich Ihnen auch mit der Post schicken können. Weshalb bemühen Sie sich eigentlich her?« Er sah provozierend in die Runde.

Und tatsächlich stieg eines der Ausschussmitglieder darauf ein: »Warum haben Sie es nicht geschickt? Ich habe Informationen gerne vorher in der Hand.«

Polazzo sah ihn fassungslos an. »Das Protokoll ist streng vertraulich!«

»Das hoffe ich«, antwortete sein Kontrahent. »Aber was wollen Sie damit sagen? Misstrauen Sie uns – oder …?« Er wartete einen Augenblick, dann fügte er mit höflicher Schärfe hinzu: »Sprechen Sie sich bitte aus …!«

Polazzo schwieg, schien in Angriffsstellung zu gehen.

Da trat Manzini vor, lächelte Polazzo freundschaftlich an, legte die Hand beruhigend auf seinen Arm und raunte ihm fast vertraulich zu: »Fangen Sie an. Ich bitte Sie darum.«

Polazzo schluckte also seine Aggressionen hinunter und versuchte sich zu konzentrieren. Dann fuhr er fort:

»Also – erstens: die Zugfestigkeit.« Er nahm einen Stab vom Regal, reichte ihn an Kühn weiter.

Der spannte ihn in die Prüfungsmaschine ein, während Polazzo weitersprach: »Blankstahl dieser Güte hat im Allgemeinen eine Zugfestigkeit von hundertundzehn Kilopond pro Quadratmillimeter. Ich demonstriere Ihnen das an diesem Stück.«

Er gab Kühn ein Zeichen. »Bitte, Herr Kühn!«

Ein Druck auf den Knopf. Die Manometer bewegten sich, Zeiger wanderten über Skalen. Digitale Leuchtziffern wechselten in rasender Folge. Der Motor der Maschine dröhnte, ein schrilles Kreischen steigerte sich, schwoll an – da riss der Stab mit einem harten, kurzen Klicken.

Die Zeiger waren auf 111 kp/mm2 stehengeblieben, und auch die digitale Anzeige verharrte auf diesem Wert. Kühn ließ die Reste des Stabes in einen Korb fallen.

Polazzo reichte ihm nun das Prüfstück des neuen Werkstoffs, das eingespannt wurde. »Ich sagte Ihnen ja, es ist vielleicht falsch, mit dem schwächsten Wert im Spektrum zu beginnen …« Daraufhin gab er Kühn ein Zeichen, die Anzeigen wechselten, der Zeiger wanderte hoch Da brach der Stab, aber das Geräusch war nicht hart und metallisch, es war ein dumpfer, vibrierender Schlag.

»Fünfundsechzig Kilopond pro Quadratmillimeter« verkündete Polazzo den Herren, die sich neugierig näherdrängten.

Der Vergleich war eindeutig zugunsten von Blankstahl ausgefallen, aber trotzdem schienen die Kritiker verblüfft von dem Ergebnis, für »Synthetics« war es sensationell.

Einer der Herren gab nun Erfahrungen zum Besten »Wir haben vor einigen Wochen, das war in England, komplette Flugzeugrümpfe aus Kohlenstoff-Fasern besichtigt. Die Steifigkeit war wesentlich höher als bei Stahl!«

Polazzo winkte ab. »Die Kohlenstoff-Fasern werden in Aluminiumoxid eingebettet, wie beim Space-Shuttle der NASA – in bestimmten Teilen der Zelle zumindest. Eine Kombination dieser Art haben wir vermieden. Aluminium wird knapp!«

Er hatte ein neues Stahlstück an Kühn weitergereicht. »Ich demonstriere Ihnen jetzt die Bruchfestigkeit. Zuerst Blankstahl.«

Wieder dröhnte die Maschine, füllte den hohen, großen Raum mit dumpfem Vibrieren. Dann hatte ein keilartiger Bolzen sich in das Stahlstück gebohrt, hatte es durchgebogen, bis auf der Gegenseite Risse im Material sichtbar wurden. Mit einem schweren Knall brach das Prüfstück auseinander. Klirrend fielen die beiden Hälften aus der Halterung auf den Beton des Bodens. »Und jetzt M-1209«, verkündete Polazzo.

Als das blaue Prüfstück durchgebrochen war, kontrollierten die Ausschussmitglieder mit geradezu perverser Geilheit die Werte der Anzeige.

»Sie sehen«, nicht ohne Stolz wies Polazzo auf die Zahlen des Geräts, »wir liegen mit M-1209 wesentlich über den Werten von Stahl!«

»Darüber, ja. Aber nicht wesentlich!« Polazzos Kontrahent unter den Ausschussmitgliedern konterte mit sarkastischer Freude und nicht minderem Stolz.

»Ein Zwischentest!« Palm war vorgetreten und hatte die tiefe Falte auf Polazzos Stirn durchaus richtig eingeschätzt. »Herr Polazzo hat ein System erarbeitet, wie er weitere Legierungen mit den unterschiedlichsten Eigenschaften herstellen kann!«

»Und wie hoch liegen die Kosten?«, kam nun die Gegenfrage.

»Der weiteren Reihen?«, wollte Polazzo wissen.

»Nein, des Materials! Was kostet das Material hier, dieser Werkstoff. Was kosten die Stücke, die Sie hier zu Versuchszwecken zerreißen und zertrümmern?«

»Sechshundertfünfzigtausend Mark!« Polazzos Lächeln wirkte böse. »Was das Kilo kostet – sie rechnen bestimmt schneller als ich!« Er zeigte mit großzügiger Geste auf die bereitliegenden Versuchsstücke auf dem Demonstrationstisch und auf die Trümmer unter der Maschine.

Wieder musste Palm eingreifen, um die Kontrahenten zu trennen und die Demonstration – und damit vielleicht auch die Existenz des Blauen Palais – zu retten. Diese blutleeren, humorlosen Geldgeber konnten offenbar nicht begreifen, dass es in so einem Fall nicht ausschließlich um Fakten und Zahlen und um Messwerte ging, sondern auch um Prestige, um das Selbstwertgefühl eines Mannes, der die letzten drei Jahre, Tage und Nächte, diesem Projekt, dieser Idee geopfert hatte. »Meine Herren«, begann also Palm. »Sie haben uns diesen Betrag von genau sechshundertvierunddreißigtausend Mark zur Verfügung gestellt, damals, vor über drei Jahren, damit wir versuchen, einen neuen Stoff zu entwickeln. Es ist Ihnen doch sicher klar, dass die Investitionen für diese Entwicklung nichts mit dem tatsächlichen Kilopreis von M-1209 zu tun haben. Das wäre doch eine ebenso unsinnige wie unfaire Art der Berechnung!«

Manzini winkte ab. »Sie müssen uns das nicht erklären, Herr Palm!«

Da mischte sich wieder Polazzo in die Diskussion: »Das Entwicklungsbudget des IMT-Konzerns – und zwar nur der englischen Tochter – auf dem Gebiet der synthetischen Werkstoffe betrug im vergangenen Jahr mehr als zwölfeinhalb Millionen Dollar!«

»Über sechzehn!«, korrigierte Manzini. »Ich bin informiert!« Er ließ Polazzo nur wenig Zeit, überrascht zu sein: »Bitte, fahren Sie fort mit Ihrer Demonstration!«

Polazzo hob abwehrend die Hand. »Ich möchte nur, dass Sie das einmal vergleichen!«

»Da ist nichts zu vergleichen!« Manzini schüttelte nachsichtig den Kopf. »Wir geben Außenseitern eine Chance, das ist alles!« Und mit Nachdruck, mit liebenswürdiger Ungeduld wies er auf die Testmaschinen.

»Bitte!«

Polazzo zögerte. Aber Palm lächelte ihm beruhigend zu.

»Gut. Kerbschlagtiefe und Brinell-Härte …« Polazzo ging mit einem Prüfstück zu den entsprechenden Testmaschinen im Hintergrund des Raums. Die Gäste folgten ihm, auch die Kollegen des Hauses. Kühn spannte ein, erst Stahl, dann M-1209.

Wie eine Axt schlug ein scharfer Keil eine tiefe Kerbe in das Material. Zeiger schlugen aus. Die Leuchtdioden der digitalen Anzeige flammten auf. Dann schoss ein kugelförmiger Bolzen auf die Oberfläche zu. Wie ein sanfter Krater wirkte das vergrößerte Bild der Einschlagstelle auf dem Leuchtschirm und wurde auf Tausendstelmillimeter genau vermessen.

»Ihr Material ist weicher!«, stellte eines der Ausschussmitglieder fest.

»Wir versuchen eine Härtung durch Oberflächenbehandlung«, erklärte Polazzo. »Und zwar durch Laserstrahlen und durch Legieren.« Er blätterte in einem bereitliegenden Versuchsprotokoll, einem abgegriffenen Heft, und referierte daraus, als er die entsprechende Stelle gefunden hatte: »Unser Werkstoff M-1009, gewissermaßen ein Vorläufer unserer jetzigen Reihe, hatte eine Härte, die bei zweitausendzweihundert Kilopond pro Quadratmillimeter lag. Dafür war dieses Material zu spröde. Bruchfestigkeit und Dehnungsfähigkeit waren zu niedrig.«

Manzini nickte. »Im Endeffekt heißt das, für jede Eigenschaft des Stahls einen eigenen, spezifischen Werkstoff mit spezifischem Verhalten, ist das richtig?«

»Ja, so ungefähr«, gab Palm zu. »Und warum auch nicht?« Er warf Polazzo einen kurzen Blick zu, um ihn fürs Erste zu stoppen, dann fuhr er fort: »Für jeden Verwendungszweck ein besonderes Material, jeweils ausgelegt auf Zug und Dehnung, Steifigkeit oder Elastizität. Der Schwerpunkt des Einsatzes, die Forderungen, die an ein Material gestellt werden, wechseln in der Praxis doch von Fall zu Fall!« Aber der Wortführer der Gruppe um Manzini wischte Palms pragmatische Erläuterungen mit einer abrupten Geste beiseite. »Ich stelle nur fest, zu Beginn der Versuchsreihen war von einem vollwertigen Ersatz …« Da unterbrach ihn Polazzo: »Nie und zu keiner Stunde habe ich …«

Aber der andere fuhr mit wesentlich erhöhter Lautstärke fort: »… von einem vollwertigen Ersatz von Stahl die Rede …«

»Nein«, unterbrach Polazzo wiederum. »Nein! Ich habe im Gegenteil damals wie heute …«

»Gut, heute klingt das eben anders. Heute sind wir klüger und bescheidener geworden …«

Aber Polazzo erlaubte keinen unfairen Widerspruch und auch keine gütlich-gütige Zustimmung: »… damals wie heute habe ich von der Vielzahl charakteristischer Eigenschaften des Stahls gesprochen …!«

Palms Versuch, die unfruchtbare Diskussion zu beenden, war endgültig fehlgeschlagen.

»Wir müssten nicht experimentieren mit Ihrem Geld«, rief Polazzo etwas zu laut in die Runde, »wenn wir eine perfekte Lösung parat hätten!«

»Wenn ich nicht irre, geht es hier und heute um die Bewilligung weiterer Mittel, um diese Versuche fortzuführen!«, entgegnete ein anderes Mitglied aus Manzinis Gruppe, nicht weniger aggressiv und gereizt. »Genau das ist richtig«, triumphierte Polazzo. »Und diese Mittel könnten Sie sich sparen, wenn wir heute bereits am Ziel wären. Was haben Sie eigentlich erwartet?«

»Etwas mehr!«, lautete die lapidare Antwort.

Und ein anderer ergänzte: »Ich glaube nicht, dass eine Entscheidung jetzt, also hier und heute, fallen kann!«

3

Polazzo verließ als letzter den Raum und löschte das Licht.

Die Herren vom Kuratorium standen in der Vorhalle und schwiegen.

Draußen im Hof hatte es angefangen zu regnen.

Palm war hinausgetreten und versuchte die drei schwarzen Dienstwagen direkt zum Tor der Remise zu lotsen. Aber die Fahrer waren nirgends zu sehen. Vielleicht standen sie drüben in der Halle des Palais um den Kaffeeautomaten herum und schwätzten. Also lief er eben hinüber, ohne Schirm und ohne Mantel. Vermutlich war die gutgemeinte Absicht nur die, das lastende Schweigen zu brechen, als einer der Herren sich leise und vertraulich an Polazzo wandte: »Noch eine Frage: Lässt das neue Material sich schweißen?« Polazzo wirkte verblüfft, aber dann antwortete er ebenso sachlich: »M-1209? Nein. Aber die Reißfestigkeit nach einer Verbindung durch Kleber ist höher als bei Schweißverbindungen. Außerdem vermeiden wir grundsätzlich die negativen Eigenschaften von Stahl: das hohe Gewicht. Und M-1209 ist korrosionsfest – es rostet nicht.«

»Ich möchte abschließend sagen, ich bin sehr beeindruckt!«

Manzini stand unter dem weitausladenden Vordach der Remise und wandte sich Polazzo zu, der durch das offenstehende Tor zu ihm ins Freie trat. Wie ein Vorhang ging der Regenschauer dicht vor ihnen nieder. »Wir alle sind sehr beeindruckt!« Manzini blickte kurz zu seinen Begleitern, die ihm nach und nach nach draußen gefolgt waren. »Nein, wirklich. Glauben Sie mir das! Trotz aller Einschränkungen, trotz aller kontroversen Meinungen, die hier zur Sprache gekommen sind.« Er lächelte Polazzo ehrlich und wohlmeinend an. »Sie sagten ja selbst«, fuhr er fort, »alles braucht seine Zeit. Jedenfalls danke ich Ihnen und beglückwünsche Sie!« Er reichte ihm offenbar ganz spontan die Hand.

Polazzo zögerte nur kurz. Dann schlug er ein, obwohl ihm nicht wohl war bei diesem plötzlichen und unerwarteten Friedensschluss.

Er sah sich zu den anderen Gästen um, konnte aber keinerlei Anzeichen für ein Komplott erkennen. Die Herren wirkten gleichmütig, warteten auf die Wagen, auf ihre Fahrer, genossen die frische Luft. Weiter nichts.

Wenn Polazzo zu dieser Stunde die Wahrheit, die volle Wahrheit, erfahren hätte, es hätte ihm nichts genutzt. Er hätte sie nicht geglaubt. Denn die Verknüpfungen und Verknotungen, in denen sich der einzelne fängt, sind in der Politik wie in der Wirtschaft ungreifbar.

Daher reagierte Polazzo auch ganz naiv, als Manzini seiner Brieftasche eine Reihe gerahmter Dias entnahm und sie für ihn gegen das schwindende Licht dieses regnerischen Oktoberhimmels hielt. »Hier …!«

»Was ist das?«, fragte Polazzo, als er einen kurzen Blick darauf geworfen hatte.

»Skizzen. Konstruktionszeichnungen«, erklärte Manzini. Dann wechselte er die Dias in seiner Hand. »Und hier: ein Modell! Nehmen Sie nur. Sehen Sie sich die Bilder an!«

Polazzo erblickte eine Brücke. Strahlend weiß überspannte eine kühne Konstruktion einen Meeresarm oder eine Bucht. Das Filigran der Tragseile bündelte sich in Pylonen von gewaltigen Ausmaßen. Wie ein gespannter Bogen dehnte sich die freischwebende Brücke von einem Ufer zum andern. »Sehr schön, nicht wahr?«, kommentierte Manzini. »Und wo steht sie, diese Brücke?«, fragte Polazzo.

Manzini lachte. »Nirgends! Sie existiert noch nicht. Oder vielmehr: nur in Plänen und Modellen. Die Daten: Spannweite des freitragenden Mittelteils – zwölfhundert Meter. Die ganze Brücke: über vier Kilometer. Sie überspannt die Bucht von Vancouver, Kanada. Das heißt – morgen. Irgendwann in der Zukunft wird sie das neue Wahrzeichen dieser Region sein.«

Er machte eine Pause, überließ Polazzo das Dia, wechselte nur einen kurzen Blick der Verständigung mit einem seiner Begleiter, ehe er fortfuhr: »Herr Polazzo, sagen Sie bitte: Könnten Sie sich vorstellen, dass eine solche, gewaltige Brückenkonstruktion aus Ihrem neuen Material, aus Ihrem … äh – M-1209 … nein?« Er sah den skeptischen Blick Polazzos, sein verlegenes Lächeln, die Andeutung eines Kopfschüttelns. »Noch nicht, gut, aber wann?« Er sah ihn freundschaftlich an, dann nahm er ihm das Dia aus der Hand. »Schade, wirklich.«

Vorsichtig verstaute er die Dias in einem Plastiktütchen, das er in seine Brieftasche legte. »Ja, das wollte ich Ihnen zeigen. Wissen Sie, bei Ihrer Begeisterung, Ihrem Know-how …«

Er schwieg, blickte hinaus in den Regen, hinauf zu dem grauen Himmel mit seinen tiefhängenden, treibenden Wolken. »Vielleicht sollten wir – ein paar Worte unter vier Augen …?« Er sah Polazzo nur kurz und prüfend an, machte eine aufmunternde Kopfbewegung, ging hinaus in den Hof, hinaus in den strömenden Regen, ohne Polazzos Reaktion, ohne seine Zustimmung abzuwarten.

Der folgte ihm nun, verwirrt, irritiert. Er schaute sich um. Die Besucher standen schweigend vor dem Tor der Remise, ohne Anteilnahme, ohne Erstaunen.

Irgendwo dahinter, in der Dunkelheit des Raumes, vermutete er die Kollegen. Keiner von ihnen ließ sich sehen.

Enrico Polazzo fühlte sich verlassen, preisgegeben.