Das Brathuhn in der Badewanne - Beatrix Schmiedel - E-Book

Das Brathuhn in der Badewanne E-Book

Beatrix Schmiedel

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Beschreibung

52 Fragen an dein Leben: Weißt du, was du von dir selbst erwarten kannst, wie du leben willst und wer du bist? "Das Brathuhn in der Badewanne" ist eine Sammlung von 52 Kolumnen, die Fragen stellen. Wer bist du? Was macht dich aus? Wie lebst du, wer sind deine Freunde und wo willst du hin? Es sind wahre Geschichten, wahre Protagonisten und ehrliche Fragen, die herausfordern sollen, mehr über uns zu erfahren und zu erkennen, wie du dein Leben lebst und leben willst. Sie fragen danach, was dir wichtig ist und geben dir die Möglichkeit, darüber aus einem neuen Blickwinkel nachzudenken. Es sind Fragen, wie wir uns alle immer wieder stellen und je mehr Klarheit wir darüber erlangen, desto besser werden wir. Jede Kolumne ist eine wahre Geschichte aus dem Leben der Autorin, manchmal witzig, manchmal abenteuerlich und oft mit einem Blick für kleine Details, die einfach passieren und eine große Bedeutung haben können. Oder wann hast du beim letzten Einkauf mit deinem Gemüsehändler über das Leben philosophiert? Und so ist das Brathuhn ein Beispiel für Projektmanagement, die Badewanne stellt die Frage "Worum dreht sich die Welt?" (und nicht nur der Abfluss) und auch die anderen, wahren, Protagonisten wie der Gemüsehändler Jochen, die Fotografin Barb oder Wilma, die Bulldogge haben so einiges an Fragen beizutragen, die uns zeigen können, wer wir eigentlich sind. Jede der 52 Geschichten kann helfen, dem Glück auf die Spur zu kommen. Es sind Vorschläge, Gedanken und Anregungen. Keine geheimen Rezepte oder Fragen, die als Antwort nur ein richtig oder falsch kennen. Nimm sie, teste sie, wälze sie hin und her. Verändere deine Antworten, nimm einen neuen Blickwinkel ein, gib sie weiter und finde deine ganz eigenen Antworten. In kurzen Geschichten-Happen erfährst du, wer du bist und an welchen Stellen Zeit für Veränderung ist. "Egal, in welcher Situation. Egal, ob dich jemand schlecht behandelt, dich vielleicht ignoriert, unfair ist oder gemein. Du bist immer gleich wertvoll. Vergiss das nie!"

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Seitenzahl: 120

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Beatrix Schmiedel

Das Brathuhn in der Badewanne

52 Fragen an dein Leben

www.tredition.de

© 2012 Beatrix Schmiedel

Umschlaggestaltung, Illustration: Julia Bramer, Inform

Illustration, Köln

Fotograf: Jürgen Elskamp, Köln

Lektorat, Korrektorat: Patricia Blankenhagen, PB Lektorat,

Köln

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-8495-2450-0

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Für Melanie

Wir sind unsere größte Herausforderung

und abertausende gelachte Tränen.

Mit dir ist heute immer der schönste Tag

seit gestern.

Ich liebe dich!

Vorwort

„Egal, in welcher Situation. Egal, ob dich jemand schlecht behandelt, dich vielleicht ignoriert, unfair ist oder gemein. Du bist immer gleich wertvoll. Vergiss das nie!“

52 Fragen an dein Leben: Weißt du, was du von dir selbst erwarten kannst, wie du leben willst und wer du bist?

Für deine Antworten sind meine Kolumnen da. Hier findest Du eine Auswahl von 52 aus 130, geschrieben in drei Jahren. Es sind wahre Geschichten, wahre Protagonisten und ehrliche Fragen, die dich herausfordern sollen, mehr über dich zu erfahren und zu erkennen, wie du dein Leben lebst und leben willst. Sie fragen danach, was dir wichtig ist und geben dir die Möglichkeit, darüber nachzudenken. Zum Beispiel über das Konto mit deinem Glücksguthaben.

Bei welcher Bank ist das Konto, auf dem gespeichert ist, was wir an Glück verdienen? Und was passiert, wenn wir in die Miesen rutschen? Oder wenn wir etwas abheben wollen vom gedeckten Konto und der Lebensautomat sagt: „Entschuldigung, wir können Ihnen gerade nichts auszahlen. Der Automat ist leer, weil die anderen Personen vor Ihnen alles rausgeholt haben.“ Vermutlich gibt es noch nicht mal einen Automaten, den wir um eine Auszahlung bitten können. Nein, der spuckt uns irgendwann einfach an, im Vorbeigehen, aus irgendeinem Hauseingang.

Gibt es für jede Träne, für jeden Schmerz, für jeden erlebten Rückschlag ein Guthaben auf das Konto, und für das, was wir anderen Schlechtes tun, wird etwas abgebucht? Vielleicht ist es ja auch so, dass es, je aktiver wir sind, je mehr wir tun für eine Auszahlung, umso wahrscheinlicher wird, dass wir sie bekommen.

Und wie viel Guthaben muss man sammeln für das ganz große Glück?

Jede der 52 Kolumnen kann dir helfen, deinem Glück auf die Spur zu kommen. Es sind Vorschläge, Gedanken und Anregungen. Keine geheimen Rezepte oder Fragen, die als Antwort nur ein richtig oder falsch kennen. Nimm sie, teste sie, wälze sie hin und her. Verändere deine Antworten, nimm einen neuen Blickwinkel ein, gib sie weiter und finde deine ganz eigenen Antworten. Dabei wünsche ich Dir viel Spaß!

Beatrix Schmiedel

1. Mission Brathuhn

Talent ist viel, aber erst Planung macht den Unterschied.

Kürzlich, eines Samstagmorgens, schlenderte ich über den Wochenmarkt in Köln. Am Stand des Metzgers verlangte ich – zugegebenermaßen etwas geistesabwesend, weil vom Schlendern entspannt – ein Huhn. Ich wollte es in den Ofen schieben, mit Zitronen und auf einem ordentlichen Gemüsebett. Ich bekam mein Huhn und schlenderte weiter, ohne dem kurzen Gedanken „Oha, das Huhn ist ja schwer!“ großartig Beachtung zu schenken.

Später am Tag packte ich es aus, wusch und füllte es, schnippelte Massen an Gemüse und bettete das Huhn darauf. Es sah so zufrieden aus, wie ein Huhn nur aussehen konnte zwischen all dem Gemüse.

Dann kam der entscheidende Moment: Die Überlegung, wie lange es im Ofen brutzeln müsse. An dieser Stelle beschlich mich das Gefühl vom Morgen wieder, dass das Huhn zu groß sein dürfte, um in seinem Gemüsebett so gar zu werden, dass das Gemüse trotzdem noch knackig sein würde. Aber nicht lange gefackelt: Gedanken aus - Ofen an! Es kam natürlich, wie es kommen musste: matschiges Gemüse und ein sehr knuspriges Huhn, knapp durch. Und ich verfluchte mich, weil ich wusste, dass ich es konnte und trotzdem einem Vorgehen gefolgt war, das zwar bisher immer funktioniert hatte, aber eben unter anderen Bedingungen.

Fakt war: Dieses Huhn war eine Nummer zu groß und ich hatte im blinden Vertrauen auf meine Fähigkeiten allen Ernstes geglaubt, mein Ofen hätte Zauberkräfte, hatte meinen Kopf ausgeschaltet und das Huhn versaut. Der Abend hätte nicht unglücklicher enden können.

Also lag da dieses Huhn, auf das ich gern böse sein wollte. Aber ein Stück matschige Zucchini hob warnend seinen Finger aus einem Lorbeerblatt und flüsterte: „Nachdenken in allen Lebenslagen ist nun mal unverzichtbar…“ und eine Zwiebel sang aus der Ecke: „Dein Talent in allen Ehren, aber ein wenig Planung hätte das Ergebnis deutlich verbessert!“

Später dann – vor dem Hühnergerippe in der halbdunklen Küche sitzend – beschloss ich, dass es an der Zeit war, mein grundsätzliches Vorgehen zu ändern, mich ab sofort im Sinne eines anständigen Projektmanagers zu verhalten und stellte ein paar Leitlinien auf:

1. Drücke dich deutlich aus! Verlange explizit ein Brathuhn und kein Universalhuhn!

2. Schau dir alle Teile deines Projektes vorher an und füge sie erst zusammen, wenn du die nächsten Schritte kennst!

3. Sei mutig, deinen Plan zu ändern, wenn sich neue Erkenntnisse ergeben!

4. Sei ehrlich zu dir und deiner Umwelt: Schiebe selbstverschuldete, schlechte Ergebnisse nicht auf das Huhn, das Gemüse oder deine Assistenz!

Beim nächsten Huhn wird alles besser! Versprochen!

In welchen Lebensbereichen und Aufgaben bist du davon überzeugt, etwas absolut zu können und keine Fehler mehr zu machen? Kannst und willst du dich wirklich darauf verlassen? Was gibt dir das „dich darauf verlassen“?

2. Badewannenphilosophie

Worum dreht sich die Welt?

Es war ein wirklich schöner Tag im letzten Sommer, als man ihn noch Sommer nennen konnte. Wir hatten gegrillt, Bowle getrunken, und ein großes Feuer brannte, als die Sonne unterging und wir – angelehnt an eine alte Badewanne im Gras sitzend – über die Felder schauten. Jana zog an der Schnur aus Metallkügelchen, an der der Stöpsel hing, es gab ein kleines „Plopp“. Wir lächelten beide, hatten denselben Gedanken: „Ein Glück, kein Wasser drin.“

Wir stießen unsere Bowlegläser aneinander, prosteten uns zu, als sie fragte: „Ist da eigentlich was dran an dem Gerücht, dass sich auf der entgegengesetzten Seite der Erde das ablaufende Badewannenwasser andersrum dreht?“

Ich sah in die untergehende Sonne, der Wald hob sich wie ein Scherenschnitt vom blauroten Himmel ab, und sagte: „Keine Ahnung. Wir könnten hinfahren und nachsehen.“ Sie lachte leise, und uns beiden war klar, dass es niemals dazu kommen würde. Sie, verheiratet, zwei Kinder und Omas Haus in einem kleinen Dorf. Und ich. Mit meinem völlig anderen Alltag in der Großstadt. Wir sind Freunde seit über einem halben Leben.

„Was wäre denn, wenn sich das Wasser andersrum dreht? Wie herum dreht es sich hier eigentlich?“ Wir sahen uns an, es war schon fast dunkel, die Grillen zirpten so laut, wie sie es nur in Sommernächten auf dem Land können. Ich musste grinsen und sagte: „Du kannst echt Fragen stellen. Keine Ahnung, wie rum es sich hier dreht. Fragen wir uns lieber, worum es sich dreht. Was ist wirklich wichtig?“ Und sie, ganz schlicht: „Liebe. Es geht um Liebe.“

Ich goss uns noch ein Glas Bowle ein, und nachdem wir angestoßen hatten, machten wir beide ein lautes schlürfendes Geräusch. „Das ist definitiv besser als jedes Badewasser!“

Wer fehlt dir? Nimm dir Zeit für deine Freunde und alle diejenigen, die du liebst. Widme denen, die nicht bei dir sein können, ein paar liebevolle Gedanken.

3. Äpfelfechten

Perfekt und schön oder unperfekt und schöner?

Wenn ich morgens die Wohnung verlasse, führt mich mein Weg zuallererst zum Obst- und Gemüsemann, der mich schon von Weitem winkend empfängt. Meist steht er gerade an seinem Transporter und lädt seine Großmarkteinkäufe aus. Ich komme anspaziert, suche aus den Kisten etwas Obst für den Tag zusammen und wir plauschen ein paar Minuten auf dem Bürgersteig vor seinem Laden.

Hin und wieder kommt es vor, dass er einen meiner ausgewählten Äpfel ansieht und sagt: „Der ist nicht schön genug. Such dir einen anderen aus!“

Dann sage ich immer: „Jochen, auch ein angebatzter Apfel hat seine Existenzberechtigung, er ist nur für mich gewachsen und er ist auch so lecker.“ Jochen grinst dann, wirft den Apfel mit einer lockeren Handbewegung zurück in die Kiste und sagt mit Nachdruck: „Neeeeiiiin! Such dir einen schöneren aus!!!“

Mich macht das Zurückwerfen des Apfels irgendwie traurig, und Jochen weiß das. Ein guter Gemüsemann verkauft nur das bestaussehende Obst, sagt er. Und ich entgegne: „Aber du bist doch keine Obst-Model-Agentur!“ Ich will eben das knurzelige Obst, ich suche es bewusst aus. Er versteht das nicht und so fechten wir jeden Morgen um unser Gebiet – er um die Perfektion, ich um das Unperfekte, das ich eben mag.

Dann sitze ich im Büro mit meinem perfekten Apfel, denke aber an den unperfekten, der viel süßer sein würde und mir viel besser gefiel. Morgen werde ich gegen Jochen gewinnen müssen! So kann es nicht weiter gehen.

Was ist derzeit unperfekt in deinem Leben und trotzdem absolut richtig in diesem Moment, egal, was über kurz oder lang daraus werden wird?

P.S. Und dann kam ich bei Jochen vorbei, sehr in Eile, ich rief nur im Vorbeiflitzen: „Jochen - ich komme erst heute Mittag vorbei!“ Er griff in eine Kiste: „Warte, nimm wenigstens einen Apfel mit!“, und warf mir einen zu. Es war ein kleiner knurzeliger mit einer Druckstelle.

4. Menschliche Abstandhalter

Vom richtigen Abstand. Und ein kleiner Leitfaden für kritische Situationen.

Er schnaufte, zum Glück saß seine Hose korrekt. Das ist ja nicht bei allen Handwerkern so. Und in breitestem Kölsch sagte er: „Mädche… jib mir doch mal dat schwarze… Dings… äähh… Muff…“ Ich reichte ihm den Gummiring, er beäugte ihn und sagte: „Die is‘ jenau rischtisch.“ Und durch meinen Fragezeichenblick ließ er sich zu einer kurzen Erklärung hinreißen. „Der Abstandhalter verringert de Reiiibung“, sagte er, „un dann kann die Zuleitung eben nich’ kapodd jehen.“

Soso… Da hatte also ein zu geringer Abstand für die unglückliche Situation an meinem Waschmaschinenzulauf gesorgt. Während er auf allen Vieren leise fluchend weiterwerkelte, fragte ich mich in Gedanken: Wodurch merken wir, dass wir zu nah an etwas dran oder zu weit weg sind? Zuviel Nähe bedeutet ja nicht automatisch Zerstörung.

Und woher wissen wir, welcher Abstand richtig ist? Wir wählen ihn doch mehr oder minder instinktiv und liegen damit in den meisten Fällen richtig. Und zwischen Menschen, die sich mögen, sind der körperliche und auch der seelische Abstand geringer als zwischen Geschäftspartnern, Kollegen oder zwischen uns und der Kassiererin im Supermarkt.

Was ist mit den Situationen, in denen sich plötzlich etwas ändert? Wir wissen noch nicht einmal, was passiert ist oder könnten den Moment benennen, in dem sich alles veränderte. Fakt ist nur: Wir nehmen plötzlich Abstand.

Manchmal entsteht das Gefühl, weil uns jemand zu nahe trittt und den bisherigen Abstand, der sich gut anfühlte, unterschreitet. Dadurch fühlen wir uns vielleicht angegriffen, verletzt oder eingeengt, und um solche negativen Gefühle auszuschalten, vergrößern wir selbst den Abstand.

Andersrum: Wenn wir den Abstand zu jemandem vergrößern, geben wir ihm auch automatisch weniger die Chance, uns nahe zu treten oder uns zu enttäuschen. So kann Abstand Heilung bedeuten und Ruhe – oder Verwirrung bei dem anderen, der vielleicht den Grund für den neuen Abstand nicht kennt. Aber der Abstand kann vor allem den Blick auf die eigenen Grenzen wieder schärfen. Denn wenn ich mit der Nase direkt am Fernseher klebe, sehe ich auch nur viele kleine bunte Punkte. Das ganze Bild kann ich nur mit Abstand erkennen. Und Abstand macht einen Raum auf, wenn es kritisch wird.

Mein Handwerker stand auf, zuppelte seine Hose und seinen Hosenträger zurecht und sagte: „Jetzt is‘ et es rischtisch! Da passiert nix mih jetzt, da musste dir keine Sorgen mehr machen!“ Was richtiger Abstand doch ausmacht!

Wie gehst du in kritischen Situationen mit Abstand um?

Im Konflikt, wenn es immer lauter wird, geh bewusst einen Schritt zurück und achte auf mindestens eine Armlänge Abstand zu deinem Gegenüber! Möchtest du von einem anderen Menschen nicht umarmt werden, neige deinen Körper minimal (!) nach hinten, drehe dich leicht nach links oder rechts!

Sitzt du vor jemandem, der laut wird oder dich angreifen will, drehe dich auf deinem Stuhl ein wenig nach links oder rechts und nimm auch deine Fußspitzen mit!

5. Allein stehend

Mehr als nur eine Zustandsbezeichnung.

Nach einem abendlichen Vortrag, einige Zuhörer steuern mit Fragen auf mich zu. Ein älterer Herr aus dem Publikum steht im Pulk der Fragenden, sagt aber nichts. Er war mir bereits während meines Vortrages aufgefallen, weil er Ruhe und Wohlwollen ausstrahlend rechts am Mittelgang saß und seine hellen Haare leuchteten.

Als alle Fragen beantwortet sind und sich der Raum lichtet, kommt er auf mich zu und sagt: „Sie hatten gerade die volle Aufmerksamkeit der Zuhörer, und ich frage mich, wie Sie das geschafft haben. Wissen Sie, ich bin seit vielen Jahren alleinstehend und mir fehlt oft die gewisse Souveränität und Kontrolle, die ich bei Ihnen gerade gesehen habe.“

Fragezeichen formen sich über meinem Kopf, ich muss schmunzeln und erwidere: „Vielen Dank, das ist sehr nett von Ihnen. Es ist interessant, dass Souveränität und Kontrolle für Sie gegensätzlich zum Alleinstehend zu sein scheinen…”.

Das weitere Gespräch zog sich plätschernd dahin, aber es ließ mich tagelang nicht los. Ich fragte mich immer wieder, was Souveränität und Kontrolle mit dem Status eines oder einer Alleinstehenden zu tun oder eben nicht zu tun haben. Ich drehte das Wort immer wieder hin und her. Es ist heute ein Synonym für einen Single, einen Menschen ohne Partner, eben allein lebend. Man steht als Single für sich allein, für seine Taten, Pläne und Bedürfnisse. Man steht allein auf, kommt allein nach Haus. Man steht allein im Sturm und allein in der Sonne.

Aber selbst, wäre man vergeben und sogar verheiratet, stünde man doch auch immer noch allein. Man tackert sich ja seinen Lebenspartner nicht an der Hüfte fest und fällt ohne ihn vor die Stoßstange einer beliebigen Familienkutsche.

Und doch: In vielen Partnerschaften kann irgendwann einer ohne den anderen nicht mehr stehen. Das fängt bei den „Wir-Formulierungen“ an: „Also, wir mögen ja das Restaurant XY am liebsten.“ Und es hört beim Jack-Wolfskin-Partnerlook auf. Da treten Paare nach außen hin als verschmolzene Einheit auf und kennen sich gegenseitig so genau, dass kein Geheimnis bleibt. Sie lehnen aneinander und fühlen die Verbundenheit des gegenseitig Grenzenlosen. Doch wo keine Grenze ist, läuft das Ich in alle Richtungen auseinander. Insofern ist doch das immer noch viel stigmatisierte „Alleinstehend-Sein“ eine Auszeichnung, finde ich.