DAS BRENNEN DER STILLE - Schwarzes Schweigen (Band 3) - Sandy Brandt - E-Book

DAS BRENNEN DER STILLE - Schwarzes Schweigen (Band 3) E-Book

Sandy Brandt

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Beschreibung

Totgeglaubte stehen vor dir Lügen wuchern im Herzen Geheimnisse kommen ans Licht Die Stadt Tudor ist nicht wiederzuerkennen. Jedes gesprochene Wort steht unter Strafe. Der Kampf um die Wahrheit führt Liv und Kyle in die dunkelsten Abgründe. Doch sie sind nicht die Einzigen, die kämpfen. Die Zeit drängt – versagen sie, steht Tudor in Flammen.

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Epilog

Sandy Brandt

 

DAS BRENNEN DER STILLE

Schwarzes Schweigen

(Band 3)

 

 

 

 

 

 

 

ROMAN

 

VAJONA

 

Dieser Artikel ist auch als Paperback, Hardcover und Hörbuch erschienen.

 

DAS BRENNEN DER STILLE – Schwarzes Schweigen

 

Copyright

© 2022 VAJONA Verlag

Alle Rechte vorbehalten.

[email protected]

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

 

Lektorat und Korrektorat: Larissa Eliasch

Umschlaggestaltung: Julia Gröchel,

unter Verwendung von Motiven von Pexels und Rawpixel

Satz: VAJONA Verlag, Oelsnitz

 

ISBN: 9783757991456

 

VAJONA Verlag Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

www.vajona.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für alle, die schweigen, weil sie fürchten, niemand hört zu.

 

 

 

 

 

Kyle schläft. Ich höre seine Atmung aus der Zelle neben mir. Für uns gibt es keine Hoffnung. Doch falls jemand meinen Körper auf Worte untersucht, will ich, dass meine Geschichte gelesen wird. Wenigstens ein letzter Akt des Widerstandes. Deshalb flüstere ich diese Worte ohne jeden Zuhörer. Ein Tagebucheintrag auf der eigenen Haut.

Wir dachten, wir hätten gewonnen. Aber ganz von vorn.

Nach unserer Entführung ging ich zurück nach Tudor, um etwas zu verändern. Als ein Anschlag auf den Presider Graham Seymour verübt wurde und er starb, sah es aus, als hätte ich Erfolg. Ich besaß Einfluss. Glaubte zu wissen, wem ich trauen kann. Doch eine Warnung und das Verschwinden des Priors Clark McLore belehrte mich eines Besseren. Ich nahm an, meine Ehemann Raphael hätte seinen Vater getötet. Es schien so logisch. Nur er profitierte vom Tod seines Vaters. Außerdem bezeichnete er ihn als Monster. Doch er hatte nichts damit zu tun. Bis heute weiß ich nicht, wer es wirklich war. Mason? Wenn ja, dann hat er dieses Geheimnis mit ins Grab genommen.

Mit Sicherheit weiß ich nur, dass ich Pharrell Bosworth unterschätzt habe. Er hatte mich hinters Licht geführt. Mich betrogen und verhaften lassen. Zusammen mit Kyle und Jeff.

Jeff … Es ist schon Stunden her, dass sie ihn abgeführt haben. Ich will nicht glauben, dass er tot ist und doch …

Und dann sind da noch die ermordeten Jugendlichen in den Stätten. Pharrell ließ sie töten. Um ihre Körper zu untersuchen, weil sie die Fähigkeit hatten, Wörter auf der Haut verschwinden zu lassen. Genau wie Kyle. Ob jemand diese Morde ans Licht bringen wird, wenn wir tot sind? Ich hoffe es. Jemand muss unseren Kampf weiterführen. Vielleicht Lonny, Kyles bester Freund. Doch ebenso wie Mason geht Lonny über Leichen.

Hätten wir doch nur besser aufgepasst! Aber wer konnte sehen, dass Lynette für Mason spioniert? Ob er gelogen hat, als er sagte, er wüsste nicht, wer Kyles Mutter ermordete? War er es am Ende doch selbst? Oder er sagte die Wahrheit und ich bin dafür verantwortlich, ohne es zu wissen. Das Foto existiert noch immer.

Egal, wie die Antworten lauten. Es ist zu spät. Am Morgen werden wir hingerichtet, hier in den Räumen der Basilika. Wir haben unseren Teil zur Wahrheit beigetragen. Jetzt müssen wir darauf vertrauen, dass andere weiterkämpfen.

Liv

Kapitel 1

 

 

 

Für O. Wir sehen uns wieder.

 

Bewege die Welt

 

Denn dies ist

das Leben:

 

Ein Kampf der

versiegt, wenn

du dich ergibst

und ansonsten

alles zerbricht.

 

Außer du

bewegst die Welt

 

Olive

 

Innerhalb von Sekunden formt sich die Welt neu, bis die Toten vor mir stehen.

Mona.

Der Name meiner Schwester verlässt meine Zunge. Sofort spüre ich das leichte Kribbeln hinter meinem Ohr.

Wie merkwürdig, denke ich benommen. Nachts, wenn ich die Lippen zusammengepresst und Monas Namen in mir eingeschlossen habe, krallte sich das Wort mit scharfen Nägeln von innen in meinen Körper, kämpfte darum, in einem willenlosen Moment herausgeschrien zu werden. Mir schmerzten die Muskeln und ich biss ins Kissen, aus Angst, dass mein Geist zu brüchig war, um Monas Namen vor der Außenwelt wegzusperren.

Jetzt ist da nur dieses leichte Kratzen der Narben.

Der Ausdruck der fremden Frau, die das Gesicht meiner Schwester trägt, verändert sich, als ich ihren Namen ausspreche. Für einen Sekundenbruchteil leuchten ihre Augen und alle Zweifel flüchten wie die Dunkelheit, sobald man das Licht einschaltet. Gewissheit durchflutet mich und erleuchtet meine Gedanken: Das ist meine Schwester.

»Steh auf.« Ehe ich mich rühre, rutscht Mona dichter an mich heran. »Ich muss deine Handschellen lösen.« Sie tastet an meinen Armen entlang und die Ketten klirren. Im nächsten Moment fallen die Handschellen ab. Meine Schultern schmerzen. Ich bewege die Arme und ein Stich fährt durch meinen Oberkörper.

Sie steht direkt vor mir. Das blasse Gesicht leuchtet in der Dunkelheit. Der Geruch von Rosen steigt mir in die Nase und mit einem Ruck reißt die Realität alle Vorhänge hinunter.

Das hier ist echt, kein Traum.

»Du bist tot«, keuche ich.

»Das sind wir beide, wenn du dich nicht beeilst.« Mona greift nach meinen Handgelenken, um mich hochzuziehen. »Los, komm.«

Ich stolpere über meine eigenen Füße und stoße gegen die Steinwand, schürfe mir den Ellenbogen auf. Scharf ziehe ich die Luft ein. Mona zuckt zusammen und streckt eine Hand nach mir aus. Misstrauisch beäuge ich sie. Nicht, weil ich zweifle. Sie ist meine Schwester, da bin ich mir sicher.

Aber Tote dürften nicht plötzlich vor einem stehen.

Nach einem Moment lässt Mona die Hand sinken und macht einen Schritt zurück. Ihr Blick huscht über die Gefängniswände, als hätte sie Angst, ich könnte durch einen geheimen Gang fliehen. Ebenso wie ich fürchte, dass sie sich jeden Moment in Luft auflösen könnte.

Auffordernd nickt sie in Richtung Ausgang.

»Ich gehe nicht ohne Kyle.«

Die Augen meiner Schwester verengen sich, doch weiter zeigt sie keine Regung. Ich dränge mich an ihr vorbei. Wir sind uns so nah, dass Monas Körperwärme auf meiner Haut kribbelt. Der Geruch des feuchten Kellers mischt sich mit ihrem Rosenduft.

Mein Magen ballt sich zusammen. Kyle hat in den letzten Minuten nichts gesagt. Was bedeutet, er weiß nicht, ob er Mona trauen kann.

Der Gedanke fühlt sich wie ein Fremdkörper an – ein Splitter unter meinem Fingernagel – und gleichzeitig alltäglich, so als hätte ich mich bereits an den Schmerz gewöhnt. Es bleibt keine Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen.

Ich schüttle das Gefühl ab und drehe mich um, eile zu Kyles Zelle. Er steht direkt vor mir, die Hände um die Gitterstäbe geschlungen und mein Herz presst sich gegen meinen Brustkorb. Ich umfasse seine Finger mit meinen. Seine Haut hat dieselbe Temperatur wie der kalte Keller und er zieht die dunklen Brauen dicht über den Augen zusammen. Misstrauen durchwebt sein Gesicht wie ein fest verankerter Bestandteil.

»Mach Platz.« Monas Stimme lässt mich zusammenzucken. Falls meine Schwester das bemerkt, zeigt sie keine Reaktion. Mit der Schulter schiebt sie mich zur Seite, um an die Zellentür zu gelangen. Mona hält einen Schlüsselbund dicht vor ihr Gesicht und zieht einen langen, schmalen Schlüssel hervor, den sie ins Schloss steckt. Kyle tritt einen Schritt zurück und das Gitter schwingt auf.

»Umdrehen«, fordert Mona und macht eine kreisende Fingerbewegung.

Kyle tut, was sie sagt, und sie löst seine Handschellen. Seine Schultermuskeln spannen sich an, als er die Arme wieder frei bewegen kann. Er dreht sich um, umfasst sein linkes Handgelenk mit den Fingern der anderen Hand und lässt den Daumen über die empfindliche Haut kreisen, an der das Metall einen roten Striemen zurückgelassen hat.

Ich will zu Kyle in die Zelle laufen und ihn an mich ziehen, doch Mona versperrt mir den Weg. Kyles Daumen kreist noch immer über seinem Handgelenk, während er meine Schwester betrachtet.

»Du bist das Mädchen aus Borgia«, sagt er und fixiert Mona dabei. »Das Mädchen, das ich für Liv gehalten habe.« Seine Stimme ist distanziert, das Gesicht ausdruckslos wie die Zellenwand.

Mona steht mit dem Rücken zu mir, sodass ich nicht erkennen kann, wie sie auf Kyles Worte reagiert.

Was meint er? Warum sollte Mona in Borgia gewesen sein?

Warum, flüstert eine Stimme in meinem Kopf, sollte sie überhaupt irgendwo sein?

»Ich wollte dich ja damals auf einen Kaffee einladen«, sagt Mona in einem leichten Tonfall und für einen Moment erkenne ich meine Schwester in dieser fremden Frau wieder, »aber du warst so schnell verschwunden.«

Kyles Miene ist undurchdringlich, als säße ich vor einem Buch in einer fremden Sprache. In solchen Momenten erinnert er mich an früher, als ich ihn in der Wüste kennengelernt – und gefürchtet – habe. Seine Gesichtszüge gleichen einem Kunstwerk, schöner als ohnehin, aber auch unnahbar. Wie eine Statur, die hinter einer kugelsicheren Glaswand steht. Ich habe gelernt, seine Sprache zu sprechen, sodass er mich hinter die Wand lässt, doch dafür muss er mir zuhören. Allein schneide ich mir nur die Hände blutig, bei dem Versuch, das Glas zu zerbrechen.

Manchmal vermute ich, dass Kyle in diesen Momenten nicht das sieht, was hinter der Glasscheibe wartet, sondern sein Spiegelbild. Deshalb lässt er auch nicht locker, als er fragt: »Wie bist du an die Schlüssel gekommen?«

»Taktik.«

Kyles Augen verengen sich, doch Mona lässt sich nicht irritieren.

»Hier entlang.« Sie schiebt sich in dem engen Gang an mir vorbei.

»Warte.« Ich will nach ihrem Arm greifen, doch Mona hebt die Hände und entzieht sich damit meinem Griff. Ich schaue zu Kyle, der aus der Zelle kommt. »Jeff«, stoße ich hervor. »Wir müssen …«

»Zu spät.« Monas Worte durchlöchern meine Brust wie zwei Schüsse. »Er wurde schon vor Stunden hingerichtet.«

Ihre Worte haben eine Bedeutung, die Kyles und meine Welt für immer verändern wird, aber in diesem Moment sind sie nur das: der Druck auf meiner Brust; ein Kribbeln in meinen Fingern; ein Stechen in meinem Herzen.

Und Angst – Angst davor, was diese Worte in Kyle auslösen.

Ich drehe mich zu ihm um. Kyles Blick huscht von mir zur Wand, zur Decke und wieder zu mir zurück. Sein Mund steht einen Spalt offen und seine geweiteten Augen lassen sein sonst so kantiges Gesicht weich erscheinen. Die Gedanken in meinem Kopf stoßen aneinander, verknoten sich und finden keinen Weg durch meine trockene Kehle.

Während die Angst schreiend meine Knochen zum Zittern bringt, zieht der Sturm, den ich hinter Kyles ruhiger Miene vermutet habe, über ihn hinweg. Stattdessen legt er Hilflosigkeit frei wie ein Gerippe in der Wüste. Er steht einfach da und sieht mich an. Als würde er darauf warten, dass ich seine Hand nehme und ihn aus der Dunkelheit führe. Ich weiß, dass ich das nicht kann – ich habe keine Lösung, kein Heilmittel, keine Chance, Jeff von den Toten auferstehen zu lassen. Dennoch strecke ich die Hand aus.

»Kyle«, flüstere ich. Das einzige Wort, das es durch das Chaos in meinen Gedanken schafft.

Einen Augenblick lang habe ich Angst, dass er mich nicht hört, nicht einmal wahrnimmt. Aber dann zieht er die Unterlippe zwischen seine Zähne und legt seine Hand in meine. Er schaut zur Wand, als er meine Hand drückt. Seine Kiefermuskeln zucken.

»Kommt jetzt.« Monas Worte lösen Kyles Starre. Er wendet ihr den Kopf zu und seine gesamte Körperhaltung verändert sich. Da ist nichts Unsicheres mehr, nichts Verletzliches. Er besteht nur aus Muskeln und Misstrauen. Mona erwidert seinen Blick. »Wenn wir nicht gehen, war alles umsonst.«

Ich streiche mit meinem Daumen über die Haut an seinem Handrücken und als wäre das ein Zeichen, nickt Kyle und gemeinsam folgen wir Mona, die sich bereits in Bewegung gesetzt hat. Wir passieren meine Zelle und dann noch zwei weitere, bis zu einer schweren Eisentür, die direkt in die Steinwand eingelassen ist.

Mit einer Selbstverständlichkeit, die meine Haut kribbeln lässt, sucht Mona einen breiten Schlüssel an ihrem Schlüsselbund heraus. Ich beobachte, wie sie ihren Kopf schräg legt und den Schlüssel im Schloss umdreht. Ohne Vorwarnung stürmt eine Erinnerung auf mich ein. Meine Schwester, die im Türrahmen steht und den Kopf zur Seite neigt, während sie mich betrachtet.

Du bist tot, flüstert eine leise Stimme in mir. Ich habe um dich getrauert.

Mona dreht sich um und für einen Moment bin ich mir sicher, dass sie meine Gedanken gehört hat. Doch sie sagt nur: »Drückt mal mit«, und verstaut den Schlüsselbund wieder in ihrer Hosentasche.

Kyle ist schneller als ich und gemeinsam stemmen die Zwei sich mit den Schultern gegen die Tür, bis sie nach außen aufgeht. Ich erwarte einen Schwall warme Wüstenluft, der jedoch ausbleibt. Stattdessen drängt sich Dunkelheit gemischt mit metallischer Kälte an meine Haut, sodass sich die Härchen auf meinem Unterarm aufstellen.

»Wo sind wir hier?« Der Gang vor uns riecht noch muffiger als die Zellen. Die Steinwände schimmern grau und als ich mit den Fingerspitzen darüber streiche, spüre ich Feuchtigkeit.

»Kanalisation.«

»Nett«, murmelt Kyle.

Mona wirft ihm aus zusammengekniffenen Augen einen Blick zu. »Besser als die Zellen.«

Wir folgen Mona, die uns durch die identisch aussehenden Gänge navigiert. Zwischendurch sieht sie nach hinten, als würde sie unsere Anwesenheit überprüfen. Sobald unsere Blicke sich treffen, schaut sie weg. Ich richte die Augen auf ihren Rücken, doch es ist, als wäre mein Bewusstsein abgetrennt von meinen Gefühlen. Ich sehe Mona, wie sie mit der Hand über die Wand streicht, wenn sie um eine Kurve geht. Beobachte, wie ihr Pferdeschwanz wippt, als sie schneller wird, und lausche auf ihren abgehackten Atem, der von den Wänden widerhallt. Doch nichts davon dringt weiter in meinen Verstand ein. Immer wieder stößt es gegen eine Mauer aus Wie ist das möglich? Mit der Zeit werden meine Fingerspitzen taub und die Gänsehaut auf meinen Armen lässt sich nicht mehr vertreiben. Kyle umklammert noch immer meine Hand. Wenn ich zu ihm sehe, schaut er starr nach vorn. Sein Adamsapfel zuckt und wahrscheinlich liegt Jeffs Name auf seiner Zunge – wenn er den Mund öffnet, würde er ihn herausschreien.

Vielleicht ist das die Art, wie das Leben funktioniert. Wir haben Jeff verloren, dafür ist Mona von den Toten auferstanden.

Der Preis, den wir für das Leben zahlen müssen, ist der Tod.

An der nächsten Abzweigung bleibt Mona stehen und greift nach zwei Eisenstangen, die senkrecht an der Wand befestigt sind. Sie schnauft, doch bevor ich etwas tun kann, zieht Mona sie mit einem Ächzen runter.

»Woher wusstest du von der Leiter?«, will ich wissen, als ich die Streben zwischen den Eisenstangen erkenne. Sie reicht bis zu meinem Brustkorb und führt so weit hoch, dass sie in der Dunkelheit verschwindet.

»Wir müssen uns beeilen.« Mona sieht nach oben und weicht meinem Blick aus. Ich greife nach den Streben, doch Kyles Hand hält mich zurück.

»Wer sagt uns, dass das keine Falle ist?«

»Und wie soll die aussehen? Ich rette euch aus der Zelle, und dann was? Lotse ich euch in die Basilika?«

Kyle presst die Lippen aufeinander. Offensichtlich hat er genau das befürchtet.

»Lass mich vorgehen«, sagt er zu mir und schiebt mich zur Seite. Bevor ich protestieren kann, hat er schon beide Hände fest um die Eisenstäbe geschlungen und zieht sich mit einer fließenden Bewegung nach oben. Er umfasst die Streben und stemmt seinen Körper in die Höhe, bis seine Füße auf der untersten Stufe stehen. Die Leiter wackelt und Rostpartikel segeln zu Boden. Während Kyle klettert, stößt das Metall immer wieder gegen die Wand. Das Geräusch verursacht bei mir eine Gänsehaut und kratzt an meiner Selbstbeherrschung. Es sind nur ein paar Meter, doch die Dunkelheit verhindert, dass ich etwas erkenne.

»Kannst du die Metallscheibe ertasten?«, ruft Mona.

»Ist das ein Gullydeckel?«

»Da muss rechts am Rand ein Loch sein, in das du deine Finger stecken kannst.« Monas Stimme ist ruhig. Ich wünschte, mein Herz würde sich ein Beispiel daran nehmen. »So kannst du den Deckel aushebeln.«

»Scheiße.« Kyles Fluch hallt gespenstisch von den Steinwänden wider, »da ist kein Loch.«

Mona stößt einen kehligen Laut aus, der wie Kyles Fluchen klingt, ganz ohne ein Wort.

»Moment.« Kyles Stimme klingt angespannt. »Ich glaub … jetzt.«

»Lass dir Zeit«, raunt Mona und wirft mir einen Blick zu, der so vertraut ist, dass ich mich fühle, als hätte sie mich in ein Labyrinth mit verzerrten Spiegeln geschubst. »Wenn sie eure Flucht bemerken, sitzen wir nur in der Falle.«

Das folgende Klappern lässt mich so heftig zusammenzucken, dass ich mir auf die Zunge beiße. Ich schaue mich um. Adrenalin verschleiert meinen Blick, in Erwartung, Strahlen von Taschenlampen zu entdecken, die von beängstigendem Schweigen begleitet werden.

Mona legt mir eine Hand auf den Oberarm. »Das war der Gullydeckel.«

Ich starre auf ihre Finger, die meine Haut berühren und kann den Blick nicht abwenden. Jetzt, da sie direkt neben mir steht, fällt mir auf, dass sie nur ein wenig größer ist als ich.

»Liv, ich …«

»Okay, ich hab’s«, sagt Kyle und ein Schleifen dringt zu uns, als er den Deckel zur Seite wegschiebt.

Mona lässt ihre Hand sinken und was immer sie sagen wollte, muss warten. Sie schirmt mit dem Arm ihr Gesicht ab. »Pass auf«, sagt sie und Kyle prustet fluchend, »der Sand kommt runter.« Neben uns prasselt der Wüstensand zu Boden und ich kneife zum Schutz die Augen zusammen.

»Scheiße.« Ich höre, wie Kyle ausspuckt. »Danke für die Warnung.«

Mona stößt ein ungeduldiges Schnalzen aus. »Wo, dachtest du, führt das hin? In eine andere Welt? Geh weiter, wir kommen nach.«

»Liv?« Die Anspannung in seiner Stimme kitzelt auf meiner Haut wie elektrische Funken.

»Ich bin hier, Kyle.«

»Los jetzt.« Mona formt mit ihren Händen eine Räuberleiter, sodass ich an die Streben gelange und mich hochziehen kann. Kurz darauf wackelt die Leiter erneut, als Mona mir folgt. Die rostigen Streben blättern unter meinen Fingern ab und der Geschmack von Metall benetzt meine Zunge. Je höher ich komme, desto intensiver wird der Geruch nach Sand und trockener Luft. Auf allen vieren krabble ich aus dem Loch und spüre den abgekühlten, nächtlichen Wüstensand unter den Fingern.

Kyle zieht mich auf die Füße und legt mir anschließend eine Hand auf den Rücken. Unsere Körper berühren sich nicht, aber die Hitze, die von Kyle ausgeht, durchdringt mich. Jeder Muskel in mir ist angespannt, so als wüssten sie, dass es nur eine winzige Bewegung bedarf, um mein Gesicht an Kyles Brust zu vergraben. Dankbar greife ich nach seiner Hand und er drückt sie fest. Sein Atem streift meine Wange und wie ein Blitz durchzuckt mich ein Gedanke: Wir leben.

Bevor ich mich darauf konzentrieren kann, steigt Mona hinter mir aus dem Loch. Im Gegensatz zu mir braucht sie keine Hilfe und schiebt ohne Schwierigkeiten den Gullydeckel wieder zurück. Mit einem Fuß schaufelt sie Wüstensand darüber, sodass er unsichtbar wird. Ohne seine Hand loszulassen, rücke ich einen Schritt von Kyle ab und sehe mich um. »Wo sind wir?« An der Grenze zu Hever? Nicht weit entfernt kann ich den Kirchturm entdecken. Ein paar Straßen weiter westlich muss das Presider Manor liegen. Ich hatte erwartet, inmitten der Wüste herauszukommen, aber wir haben Tudor nicht verlassen. Wir müssen am Stadtrand rausgekommen sein, denn die Häuser stehen mit reichlich Abstand vereinzelt im Wüstensand. Verirrte Farbtropfen auf einer gelben Leinwand.

»Da rein.« Mona deutet auf ein heruntergekommenes Holzhaus rechts von uns. Obwohl das Wort Haus nicht recht passt. Es besitzt kein richtiges Dach, eher eine lose Ansammlung von Brettern, und die Fassade wirkt unvollständig, wie ein Mund, dem die wichtigsten Zähne fehlen.

Kyle geht wie selbstverständlich voran und Mona seufzt. An der Tür bleibt er stehen und umfasst mit der linken Hand ein Vorhängeschloss.

Nein, korrigiere ich mich, er hält das Schloss nicht nur fest – er tastet es ab.

»Das ist neuer als der Rest.« Kyle betrachtet den Verschluss eindringlich.

Mona tritt hinter uns und sieht ihm über die Schulter. »Brauchst du einen Schlüssel? Oder kriegst du es so auf?«

Kyles Hand um das Schloss verkrampft sich und ich habe das Gefühl, etwas zu verpassen.

»Nur weil ich es angefertigt habe«, sagt er mit rauer Stimme, »heißt das nicht, dass ich keinen Schlüssel brauche. Ohne Werkzeug lässt es sich nicht knacken.«

Mona hält Kyle einen Schlüssel über die Schulter. »Dachte ich mir.«

Jetzt fällt der Groschen.

Ich würde Mona gern fragen, was sie damit bezweckt – ist das ein Test? Wie lange beobachtet sie Kyle und mich schon? Aber sobald ich sie ansehe, bleiben mir die Wörter im Hals stecken.

Kyle nimmt den Schlüssel und öffnet das Schloss. Mit der Schulter stößt er gegen die Holztür. Sie scheint schwer zu sein, denn er hilft mit den Händen nach. Wir treten ein und Mona hinter mir braucht zwei Versuche, ehe sich die massive Tür zurück in den verzogenen Türrahmen drücken lässt. Sobald die Wüstenluft ausgesperrt ist, strömt mir der Geruch von trockenem Holz und Getreide entgegen, beides leicht muffig. Es brennt kein Licht und die Umrisse offenbaren sich erst nach einigem Blinzeln. Rechts steht eine Art Kommode und daneben einen Tisch. Es ist kein richtiger Schuppen, aber auch kein Haus – mehr eine Holzhütte, durch deren Bretter der Wind pfeift.

Mona drängt sich zielsicher an uns vorbei und kniet sich in die Mitte des Raumes, um einen Teppich zur Seite zu rollen. Sobald der Stoff bewegt wird, steigt mir der drückende Geruch von eben stärker in die Nase. Unter dem Teppich kommt eine Falltür zum Vorschein, die Mona öffnet. Gelbes Licht dringt aus dem Keller hervor.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht sie Kyle herausfordernd an.

Er schnaubt und geht an meiner Schwester vorbei, um hinunterzusehen. Dann dreht er sich um und steigt auf die Leiter. Gerade setze ich meinen linken Fuß auf die erste Sprosse, da höre ich Kyles Fluchen.

»Ich wusste es, so eine verdammte Scheiße!«

Die Leiter wackelt und als ich nach unten blicke, klettert Kyle schon wieder hoch.

»Renn nicht gleich weg«, ertönt eine Stimme aus dem Keller.

Gleichzeitig sagt Mona: »Sei nicht so misstrauisch und hör dir an, was wir zu sagen haben.«

Kyle sieht mir von unten fest in die Augen. »Lauf!«

»Wenn euch jemand entdeckt, seid ihr tot.« Wieder die Stimme aus dem Keller. Es ist eine Männerstimme und irgendetwas daran kommt mir vertraut vor.

»Liv.« Monas Tonfall lässt mich innehalten. »Vertrau mir.«

Ihre blauen Augen werden von dem Licht unter uns angestrahlt. Monas Gesicht hat sich verändert, ist härter geworden. Um ihre Lippen haben sich Falten gebildet und in diesem Moment kann ich mir nicht vorstellen, wie sie lacht. Aber ihre Augen sind noch immer dieselben.

»Kyle«, sage ich ruhig. »Wer ist da unten?«

Er stöhnt, als hätte ich ein Urteil verkündet, das ihm nicht gefällt. Dann springt er auf den Boden und die Leiter unter meinen Füßen wackelt. »Sieh selbst.«

Ich atme tief ein und klettere durch die Falltür. Noch mit dem Rücken zum Raum höre ich Kyles warnende Stimme: »Keinen Schritt näher.«

»Hatte ich nicht vor«, entgegnet die andere Person.

Ich springe von der Leiter und drehe mich um.

Er steht am anderen Rand des Raumes, an einen Stuhl gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt. Arme, auf denen sich mehrere Wörter tummeln. Seine Mundwinkel zucken leicht, als er mein ungläubiges Gesicht sieht. Ich starre auf die feinen roten Striche an seiner Wange, die zeigen, dass die Wörter dort gerade erst erschienen sind. Bei unserem letzten Treffen hatte er keine einzige sichtbare Narbe. Er stand stumm vor mir und hat sich geweigert, die verhängte Strafe gegen Mason zurückzunehmen.

Bei diesem Streit habe ich Raphael zuletzt gesehen. Kurze Zeit später hat sein Prior mich verhaftet – auf seinen Befehl hin. Meine wirren Gedanken veranstalten ein chaotisches Wettrennen mit der Furcht, die mein Herz antreibt. Wieso ist Raphael in einem Kellerversteck zusammen mit meiner Schwester, die nicht mehr am Leben sein sollte? Mit einer Hand umklammere ich noch immer die Leiter. Meine Kehle schnürt sich zu. »Was«, krächze ich, »hat das zu bedeuten?«

Ich sehe zu Kyle, der an der Wand rechts von mir steht und die Arme verschränkt hat. Sein Kiefer zuckt.

Es fühlt sich an, als wäre mein Innerstes nach außen gestülpt – alles ist verdreht. Gleichzeitig merke ich, dass mein Geist abstumpft wie ein mit Farbe vollgesogenes Papier, das nichts mehr aufnehmen kann. Würde jemand eine weitere Falltür öffnen, hinter der Graham Seymour auftaucht, würde ich schlucken, nicken und brav auf das Ende der Welt warten.

Mona kommt neben mir die Leiter hinunter. »Ihr solltet euch setzen.« Sie geht an mir vorbei und steuert auf Raphael zu.

Dachte ich, mich könnte nichts mehr schockieren? Mein ganzer Körper besteht aus sich überlappenden Herzschlägen. Raphael steht noch immer an den Stuhl gelehnt da und sieht mit leichter Belustigung zu, wie ich fast verrückt werde. Ganz selbstverständlich streckt er eine Hand nach Monas aus, die sie ergreift. Etwas krabbelt meine Kehle hoch. Ich kann den erstickten Laut gerade so hinunterschlucken.

»Möchtet ihr was trinken?« Monas Blick ruht ausschließlich auf mir. Ihre blauen Augen funkeln, als würde sie einen lang verschollenen Schatz betrachten. Dabei war sie es, die verschwunden war.

Kyle schnaubt. »Ich würde viel lieber wissen, was hier vor sich geht.«

»Liv?« Mona macht einen Schritt auf mich zu. Sofort reagiert Kyle und tritt dichter an mich ran. Mona legt den Kopf schräg und ignoriert Kyle. »Etwas zu trinken? Wasser?«

Der Kellerraum ist mit Regalen ausgestattet, die an der Wand verteilt stehen und mit Büchern sowie Vorräten gefüllt sind. Jemand hat ein paar Stühle, Wasserflaschen und Dosensuppen heruntergeschafft. Dieses Versteck ist eindeutig auf einen längeren Aufenthalt ausgelegt.

»Wasser?« Ich runzle die Stirn. Meine Muskeln zittern und bringen meine Stimme zum Schwanken wie eine einsame Nussschale auf hoher See.

Mona nickt und lächelt leicht, als wäre meine Frage eine Zustimmung. Meine Hände zucken.

Kyle hingegen wird ruhig. Spürt er, dass ich kurz davor bin, die Wasserflaschen von den Regalbrettern zu fegen? Je mehr ich unter Strom stehe, desto stiller wird er. Ich atme tief ein, stapfe zu dem Regal mit den Dosensuppen und Wasserflaschen und nehme mir eine davon. Das Wasser bebt leicht, als ich die Flasche in der Hand halte.

»Was ist das hier?«, will Kyle wissen.

Ich starre auf das Wasser in der Flasche, das kleine Wellen schlägt.

»Die Hütte gehörte einer Familie, die ich kannte«, sagt Mona. »Als sie gingen, um in der Wüste zu leben, haben sie mir erlaubt, hierzubleiben.«

Das Wasser plätschert gegen die Flaschenwand.

Welche Familie kannte Mona? Wie kann eine Tote jemanden kennen?

Ohne etwas zu trinken, stelle ich die Flasche zurück und drehe mich zum Regal daneben. Unterschiedlich zusammengewürfelte Bücher füllen die Bretter. Sie stehen zwischen Konservendosen, liegen übereinander, drängen sich Rücken an Rücken zusammen. Ganz automatisch hebe ich die Hand, um nach einem Einband zu greifen, dessen vergoldete Schrift ich wiedererkenne. Eine Märchensammlung. Ich ziehe das Buch heraus und es öffnet sich wie von selbst bei dem Märchen Die kleine Meerjungfrau. Mit dem Finger streiche ich über die vertrauten Illustrationen, auch wenn diese hier wesentlich ausgeblichener sind als bei der Ausgabe meiner Eltern.

»Das hat Raphael mir besorgt.« Mona steht plötzlich neben mir und sieht über meine Schulter. Ich bin gefangen in der Illustration der blonden Meerjungfrau, die laut der Geschichte nur eine Chance auf eine Seele besitzt, wenn sich ein Mensch in sie verliebt.

Früher war das Monas Lieblingsmärchen. Ich habe nie verstanden, warum. Im Gegensatz zu Mona – die davon träumte, durch fremde Meere zu schwimmen – lag ich nachts im Bett und habe mir vorgestellt, wie die Meerjungfrau sich in Schaum auflöst, nur weil der Prinz ihre Liebe nicht erwiderte. Ich fand es schon damals unfair. Was konnte sie für das Verhalten des Prinzen?

»Dann«, ich räuspere mich, »lebst du hier?«

»Seit ein paar Wochen.« Mona schlendert durch den engen Raum, als wäre es ihr Königreich. Ihre Schritte sind hart, abgehackt. »Vorher habe ich meinen Schlafplatz häufiger gewechselt. Aber hier ist es sicher.«

»Wieso?« In dem einen Wort stecken so viele Fragen. Wieso bist du nicht nach Hause gekommen? Weshalb lag deine Sterbeurkunde in der Schreibtischschublade, wenn du am Leben bist? Warum versteckst du dich? Wieso ist Raphael bei dir?

Das sind alles dringende Fragen und ich sollte alle von ihnen stellen. Aber nur eine findet den Weg von meiner Zunge über meine Lippen. »Wieso bist du nicht zu mir gekommen?«

Sofort verfluche ich mich für diese Worte. Ich klinge wie ein kleines Kind. Doch so ist das mit Worten – haben sie erst einmal den Weg nach draußen gefunden, lassen sie sich nicht wieder einsperren.

Mona beißt sich auf die Unterlippe und schaut zur Seite. Sie greift nach dem Buch in meinen Händen, schlägt es zu und streicht über den Einband, als würde es sie beruhigen.

»Ich wusste nicht«, sagt sie langsam, den Blick auf das Buch gerichtet, »ob ich dir trauen kann.«

Ein Stich durchfährt mich und für eine Sekunde denke ich: Sie haben recht. Sie haben alle recht – Wörter sollten ungesagt bleiben. Wenn wenige Worte von Mona mein Innerstes zerstören, ist es leicht vorstellbar, was die Menschheit mit ihnen anrichten kann. Monas Worte schließen sich wie eine kalte Faust um mein Herz und pressen es zusammen.

»Liv, du musst das verstehen«, fährt Mona fort und sieht Hilfe suchend zu Raphael.

Dieser Blick kappt das letzte Seil und lässt meinen Verstand in eine Grube gefüllt mit Wut stürzen, die sofort wie ein wildes Tier darüber herfällt.

Mona weiß nicht, ob sie mir trauen kann, aber wendet sich Hilfe suchend an Raphael?

»Gar nichts muss ich.« Zwei große Schritte rückwärts und ich stoße mit dem Rücken gegen die Leiter. »Zumindest nicht mehr. Weißt du, was ich alles musste?« Ich zähle an den Fingern ab. »Ich musste in einem Haus leben, in dem jeder Schritt mit deinem Fehltritt verglichen wurde. Ich wurde in dein Hochzeitskleid gesteckt, um deinen Fast-Ehemann zu heiraten. Wurde gezwungen, zuzusehen, wie irgendwelche Rumtreiber Kyle die Kehle aufschlitzen wollten. Ich musste mich verstecken und verstecken und wieder verstecken!«

Mona und Raphael zucken zusammen, als ich das letzte Wort schreie.

»Aber ich bin da rausgekommen und habe mich gewehrt. Und jetzt sagst du mir, du weißt nicht, ob du mir vertrauen kannst? Ich bin nicht diejenige, die einfach verschwunden ist.«

Rote Flecken breiten sich auf Monas Gesicht aus und ich denke an den Tag zurück, als ich den kleinen Porzellanhund zerbrochen habe, der damals auf ihrer Fensterbank stand. In dem Moment sah sie genauso aus.

»Verschwunden?«, höhnt Mona und pickt sich dieses einzelne Wort heraus. Raphael macht einen Schritt auf sie zu und legt einen Arm um ihre Schulter, doch sie schüttelt ihn ab. »Ich wurde weggesperrt. Glaubst du, ich bin freiwillig gegangen?«

»Ich bin nicht blöd«, gifte ich zurück. »Aber du hast dich freiwillig unter diese Leute begeben, hast die Regeln gebrochen und dich dann erwischen lassen!«

Die Zeit allein, nachdem Mona weg war, stürzt auf mich ein. Das Feuer, das in meinen Gedanken wütete, das Gefühl, zu ersticken – all das kommt zurück und begräbt mich unter sich, schnürt mir die Luft ab.

»Diese Leute?«

»Hör auf, meine Worte zu wiederholen.«

Mit zittriger Hand fährt Mona sich durch die honigblonden Haare. Danach umklammert sie wieder das Buch in ihren Händen, als gäbe es ihr Halt. So war es schon früher. Mona suchte Zuflucht in Märchen, während ich meine Nase in Gedichten vergrub.

Ihr Mund verzieht sich zu einem Grinsen. Es ist nicht fröhlich, sondern eine Grimasse, die mir Gänsehaut bereitet. Plötzlich sieht sie gar nicht mehr aus wie meine Schwester, sondern wie eine Fremde mit einer grotesken Maske.

Mona starrt ihre Finger an, die sich wie Klauen um den Buchdeckel in ihren Händen geschlossen haben. Um ihre Knöchel winden sich Worte wie filigrane Ringe.

»Willst du wissen, welche Leute das waren, Liv?« Ich hebe die Augenbrauen, um sie zum Weitersprechen aufzufordern. »Meine Leute waren deine Leute. Die Rebellen, denen du dich munter angeschlossen hast, sind diejenigen, die mich verraten haben.«

»Das ist doch Blödsinn. Ich habe Jeff …« Die Wörter verlieren sich in meinem Mund. Ich will sagen: Ich habe Jeff nach dir gefragt. Aber das stimmt nicht. Mason hatte ich nach Mona gefragt, damals im Bunker, und als der mir versichert hat, dass ihm ihr Name nichts sagt, habe ich nicht weiter nachgeforscht.

»Ich kannte Jeff«, verrät Mona mir. »Er war Oleks bester Freund.«

»Wer ist Olek?«

Monas ganzer Körper spannt sich an. »Er war mein Freund.« Die Art, wie sich ihr Mund bei dem Wort Freund verzieht, zeigt mir, dass das Wort nicht zutrifft. Vielleicht hat es das irgendwann einmal – doch selbst das glaube ich nicht. Allein aus dem Wort Freund entsteht nicht ein solches Gefühl, das ihren Körper schütteln lässt.

Ich beobachte, wie ihre Finger sich um das Buch verkrampfen, das sie noch immer in den Händen hält. Ihr Blick ist auf mich gerichtet, als sie weiterspricht. Mit Augen so hart wie die gefrorene See.

»Olek war derjenige, der mich den anderen vorgestellt hat«, erklärt Mona ruhig. »Derjenige, der gesagt hat, er würde mich beschützen, wenn ich auffliege.«

»Aber das hat er nicht getan.« Es ist das erste Mal, dass Kyle etwas sagt, seitdem Mona angefangen hat, ihre Geschichte zu erzählen. Er steht neben mir, sieht aber Mona an und ich glaube, eine Art Verständnis zwischen ihnen aufflackern zu sehen. Verloren. Verlassen. Kyles schlimmste Ängste spiegeln sich in Monas Augen wider.

Sie erwidert seinen Blick. »Niemand von ihnen kam.« Monas Worte verursachen bei mir Gänsehaut. Es klingt endgültig wie der Deckel eines Sargs, der geschlossen wird. »Ich dachte …« Ihre Stimme zittert. »Ich dachte, er liebt mich, aber als sie mich wegbrachten und ich darauf gewartet habe, dass die Rebellen mich befreien, blieb es still. Niemand kam.«

Ich schaue zu Raphael, um zu sehen, wie er bei diesem Geständnis reagiert, doch er scheint nicht überrascht zu sein. Offensichtlich haben die beiden keine Geheimnisse voreinander.

Mit zusammengepressten Lippen schlucke ich den bitteren Geschmack in meinem Mund hinunter.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jeff jemanden im Stich lässt. Wenn er gewusst hat, was mit dir geschieht, hätte er alles getan, um dich zu retten.« Ich balle meine Hände so fest zu Fäusten, dass mir die Nägel in die Haut schneiden. »So war er.«

Die Vergangenheitsform brennt auf meiner Zunge. Ist sein Tod Realität, weil ich es ausgesprochen habe? Oder war es schon vorher die Wahrheit? Bilder von Jeff in der Zelle bohren sich in meine Gedanken und lassen mich zittern. Ich sehe ihn vor mir, wie er abgeführt wird, an meiner Gittertür vorbei, unmöglich, zu erreichen … unmöglich, zu retten.

»Warum hast du ihn getötet?« Die Frage platzt aus mir heraus, ehe ich darüber nachdenken kann. Es ist die Erste, die ich an Raphael richte und nicht an Mona.

Raphael fährt sich mit halb geschlossenen Lidern durch die braunen Locken. Er hat dunkle Ringe unter den Augen und die ungekämmten Haare fallen ihm ins Gesicht. In den letzten Wochen habe ich Mitleid mit ihm gehabt – eine ganze Stadt setzt darauf, von ihm regiert zu werden, während seine Gegner sich wie Hyänen versammeln und auf ein Zeichen von Schwäche warten.

Jetzt verspüre ich kein Mitleid. Ich wende meinen Blick nicht ab, während er den Mund öffnet und wieder schließt, als stecken die Silben auf seiner Zunge fest.

»Ich«, sagt er schließlich, »habe den Mann nicht getötet.«

Ein ungläubiger Laut entfährt meinen Lippen. »Dein Vater hat dir doch beigebracht, nicht zu lügen.«

»Liv«, sagt Mona scharf, doch ich lasse mich nicht ablenken. Herausfordernd ziehe ich die Augenbrauen hoch und fixiere Raphael.

»Mein Vater«, sagt Raphael und lächelt den Fußboden an, als stünde dort etwas geschrieben, das niemand außer ihm sehen kann, »ist nicht Thema dieser Diskussion.« Er sieht auf und mit einem Mal ist er nicht mehr der Junge, der plötzlich im Versteck meiner Schwester aufgetaucht ist. Auch nicht mehr der Mann, den ich geheiratet habe. Er ist Raphael Seymour, der Presider von Tudor und verantwortlich für unzählige Menschenleben. »Du willst wissen, weshalb der Mann – Jeff? – sterben musste? Weil ihr euch habt erwischen lassen. So einfach ist das.«

»Du hättest nicht …«

»Nicht, was?«, unterbricht er und erwidert meinen Blick. »Den Befehl zur Hinrichtung unterschreiben müssen? Du weißt, dass ich es tun musste. Du kennst die Gesetze. Er war ein Terrorist, ein Hochverräter. Ich hatte keine andere Wahl, als seinen Tod einzufordern. Seinen und euren. Es war schwer genug, an die Schlüssel zu kommen und euch rauszuholen, ohne aufzufliegen.«

»Du hättest ihn retten müssen!« Meine Kehle brennt. »Ihn, nicht mich. Er ist viel wertvoller als ich.«

»Er kann für die Rebellen nicht tun, was du kannst, Liv.« Mona greift nach meiner Hand.

Ich reiße mich los. »Für die Rebellen? Ich spreche nicht von den Rebellen. Jeff ist ein tausendmal besserer Mensch als ich! Er hat immer versprochen, alles zu tun, um auf mich aufzupassen. Obwohl er mich kaum kannte.« Meine Stimme bricht. »Von Anfang an.«

»Und«, sagt Mona leise, »du hast nie nach dem Warum gefragt.«

Die Kälte in ihrem Flüstern greift mit langen Fingern nach meinem Brustkorb und hüllt meine Wut in Eis. Wenn ich mich zu hastig bewege, würde das Eis zerbrechen und die Splitter würden sich in mein Herz rammen. Ich sollte einfach still sein. Schweigen, so wie es mir beigebracht wurde. Aber ich kann nicht.

»Wovon redest du?«

»Ein schlechtes Gewissen ist der stärkste Antrieb.«

Ich will nicht, dass ihre Worte mich erreichen. Doch mir bleibt keine Wahl. In der Stille dringen sie in meinen Verstand und verbinden sich mit einer Erinnerung an Jeff. Es war gleich am ersten Abend, nachdem ich ihn kennengelernt habe. Wir saßen mit ihm und den anderen in seinem Versteck in Borgia. Später, als ich mit Kyle im Bett lag, sprach ich die Vermutung aus, dass Jeff etwas verheimlicht. Kyle hatte gefragt, ob das nicht jeder tun würde – was, wie ich jetzt weiß, keine Ironie war, sondern seine ehrliche Meinung von Menschen – und ich habe den Gedanken verstaut und seitdem nicht wieder angerührt.

Doch jetzt lasse ich ihn zu.

Kannte Jeff Mona? Und viel wichtiger: Wusste er, dass sie noch lebt? Oder glaubte er, sie sei tot und es wäre seine Schuld?

Egal, wie die Antwort lautet, offen bleibt eine Frage: Ändert es meinen Blick auf Jeff?

Keine Ahnung, wie ich das beantworten soll. Fürs Erste bin ich nicht bereit, meine Wut auf Raphael loszulassen, denn er hätte sehr wohl die Möglichkeit gehabt, Jeff zu retten.

»Ich bleibe dabei«, wiederhole ich mit fester Stimme. »Jeff kann nicht gewusst haben, was mit dir geschehen ist.«

»Glaub, was du willst«, erwidert Mona. »Jeff ist mir herzlich egal. Am Ende war es Olek, auf den ich gewartet habe. Aber seitdem weiß ich, was die Rebellen sind – egoistische Lügner, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind.«

»Jeff war nicht so«, widerspricht jetzt auch Kyle. »Mason vielleicht, aber nicht Jeff.«

Mona schnaubt. »Als ich sie kannte, gehörten sie zusammen. So verschieden können sie nicht sein.«

»Wenn du jemandem die Schuld geben willst«, werfe ich ein, »dann diesem Olek.«

»Das tue ich«, versichert Mona mir. »Sobald ich ihn finde.«

»Ich glaube, so kommen wir nicht weiter.« Raphael seufzt.

Mona holt tief Luft. »Ich wollte nur Livs Frage beantworten. Du fragst dich, weshalb ich dir nicht getraut habe«, sagt sie an mich gewandt. »Da hast du deine Antwort. Wie hast du es genannt? Ich hätte die Regeln gebrochen und mich dann erwischen lassen. So habe ich dich in Erinnerung. Du hast Angst, einen falschen Schritt zu machen, und versteckst dich hinter anderen.«

Ihre Worte verletzen mich mehr als alles andere. »So bin ich nicht mehr.«

»Woher sollte ich das wissen? Ich habe gesehen, wie du zurückkamst. Du hast Raphael geheiratet und Befehle befolgt. Raphael hat versucht, zu erfahren, auf wessen Seite du stehst, aber du hast dir nicht in die Karten gucken lassen. Bis du verhaftet wurdest.«

»Du hast mich für sie ausspioniert?« Mit großen Augen starre ich Raphael an. Ich hätte nicht gedacht, dass noch etwas in mir zerbrechen kann, nachdem Mona verraten hat, dass sie mir nicht traut, aber diese Tatsache sticht erneut zu wie ein Messer.

»Dafür hast du mir die Rosenwächter auf den Hals gehetzt.«

Erkenntnis durchflutet mich. »Du warst das im Garten.« Mein Blick huscht zu Mona und wieder zurück zu Raphael. In den letzten Wochen dachte ich, wir wären so etwas wie Freunde geworden. Klar, wir sind verheiratet, aber diese Tatsache bedeutet nichts – ihm ebenso wenig wie mir. Doch ich hatte Raphael als Verbündeten gesehen. Ganz im Gegensatz zu dem, wie er mich offensichtlich sah.

»Wir wollten wissen, ob du auf unserer Seite stehst, wenn es darauf ankommt«, gibt Raphael zu. Wenigstens hat er den Anstand, zu Boden zu sehen.

»Das«, entgegne ich kühl, »hättet ihr am besten herausfinden können, wenn ihr mir gesagt hättet, welche eure Seite ist.«

»Du warst auch nicht ehrlich zu uns«, sagt Mona plötzlich. Ihre Augen wandern an meinem Körper hinab und wieder hinauf. »Dein wichtigstes Geheimnis behältst du für dich.«

»Keine Ahnung, was du meinst.«

Sie macht einen Schritt auf mich zu und ergreift meinen Arm. »Du sprichst, aber bist die letzten Monate nicht aufgeflogen. Du bist wie ich.«

Ihre Augen glitzern bei den Worten und ein ehrliches Lächeln stiehlt sich auf ihre Lippen. Ich beobachte, wie sie meinen Arm dreht, als wolle sie ihn von allen Seiten betrachten. Dann schließt sie die Augen und ich sehe dabei zu, wie die Wörter von ihrem Arm langsam verschwinden.

Ungläubig starre ich meine Schwester an.

»Ich habe es herausgefunden, während ich in der Stätte gefangen war. Schon als Kind gab es einen Moment, aber ich war mir nie sicher. Sobald mir klar wurde, was ich kann und was mit Menschen wie uns passiert, bin ich geflüchtet und habe mich versteckt.«

Menschen wie uns.

Mein Magen zieht sich zusammen, als ich die Stelle auf ihrem Arm betrachte, die frei von jeglichen Worten ist. Ich schlucke, doch der bittere Geschmack in meinem Rachen bleibt.

Mona ist wie Kyle.

Das erklärt, weshalb ich in den letzten Wochen keine Wörter bei Raphael entdeckt habe, obwohl er schon seit einiger Zeit mit Mona zusammenarbeiten muss. Es gibt keine Wörter – Mona lässt sie für ihn verschwinden. Genau, wie Kyle bei mir.

Seitdem Kyle mir seine Fähigkeit gezeigt hat, habe ich den leisen Gedanken in meinem Kopf zum Schweigen gebracht. Die Stimme, die den bitteren Geschmack in meinem Mund verursacht und die mich immer wieder daran erinnert, dass ich nicht der Mensch bin, für den Kyle mich hält, weil ich ihm nie gesagt habe, was ich mir seit diesem Moment wünsche.

Seit dem Augenblick, als er mir seine Fähigkeit gezeigt hat, wünsche ich mir, ich hätte sie. Die Eifersucht schüttelt mich in manch stillen Momenten, wenn ich allein bin und versuche, sie mit aller Macht zu unterdrücken. Es ist nicht Kyles Schuld, dass er diese Fähigkeit besitzt und nicht ich. Das Einzige, was diese Stimme in meinem Kopf kleingehalten hat war, dass Kyle einzigartig ist. Niemand sonst besitzt diese Fähigkeit, also war es in Ordnung, dass auch ich sie nicht hatte. Dann fand ich heraus, dass die Jugendlichen in den Stätten ermordet wurden und Kyle war nicht mehr der Einzige. Doch meine eigene Schwester …

Menschen wie uns, hallt es in meinem Kopf wider. »Dann weißt du von den Toten.«

Mona nickt. »Ich habe monatelang geforscht«, erzählt sie aufgeregt. »Die Vorfälle in den Stätten … und dann habe ich in Stuart ein Mädchen gesehen, das die Wörter auf ihrer Haut verschwinden ließ. Es muss noch mehr geben, doch sie verstecken sich.« Ihre Stimme ist hart und ihre Augen glühen. Sie sieht mich an und wieder tritt das Lächeln auf ihr Gesicht. »Aber wir könnten sie suchen. Gemeinsam. Bis wir so viele finden, dass die Regierung uns nicht alle töten kann.«

Ich entziehe Mona meinen Arm. »Du irrst dich.« Meine Stimme klingt fremd.

Mona runzelt die Stirn. »Ich bin mir sicher, dass da noch mehr sind, Liv.«

»Nein, ich meine, du irrst dich, was mich angeht.« Ich räuspere mich. »Ich habe diese Fähigkeit nicht.«

»Aber …« Ihr Blick wandert von meinem Körper durch den Raum und bleibt an Kyle hängen. Ich sehe ebenfalls zu ihm. Er hat die Arme verschränkt und sieht so verschlossen aus wie an dem Tag, als ich ihn kennenlernte.

Monas Mund öffnet sich, als will sie etwas sagen, aber es kommt kein Ton raus.

Kyle kratzt sich an der Wange, betrachtet anschließend seine eigene Hand. »Du sagst, die Regierung tötet Menschen … wie uns«, sagt er schließlich, als die Stille länger andauert, und gibt damit sein größtes Geheimnis nicht nur in Gegenwart meiner Schwester, sondern auch vor Raphael preis. Mona tritt einen Schritt zurück und sieht ihn an. Dann nickt sie. Es ist ein Eingeständnis, ein klitzekleiner Funken Vertrauen, den Kyle zu Mona pustet – seine Bestätigung, dass er die Fähigkeit besitzt.

Kyle schaut zur mir. »Das wussten wir bereits. Von Liza Mahonys Familie. Außerdem beweisen die Papiere von Bosworth es ebenfalls.«

»Du meinst die Kopien«, sagt Raphael und streicht sich über die Stirn. »Ich habe sie auf meinem Schreibtisch gefunden, zusammen mit deiner Nachricht.« Er wendet sich an Kyle, nickt ihm zu, ein stummes Dankeschön. »Aber beides beweist nichts. Es sind Indizien. Vielleicht wenn McLore aussagt, aber er ist ein Feigling.«

Ich nicke. »Pharrell bedroht ihn. Keine Ahnung, ob er McLore die letzten Wochen weggesperrt hat oder was sonst geschehen ist. Auf jeden Fall fürchtet er sich vor Pharrell. Vor allem, wenn er wirklich für die Tode mitverantwortlich ist, ist er gefährlich.«

Monas Lachen überrascht mich. Sie lässt sich auf einen der Stühle fallen und streicht ihre Haare aus dem Gesicht. »Bosworth ist nicht nur mitverantwortlich. Er ist derjenige, der die Morde angeordnet hat. Ich habe eine Weile gebraucht, um es zu verstehen. Offensichtlich gab es in den Stätten mehr Leute wie … mich.« Sie stolpert über das letzte Wort und ich kann sehen, wie sehr sie sich wünscht, dass ich ihre Fähigkeit teilen würde. Dass wir etwas gemeinsam haben und sie nicht allein ist. Mir geht es genauso. »Bosworth hat sie umgebracht, um die Körper zu untersuchen und um zu verstehen, wie es funktioniert.«

»Hat er etwas gefunden?« Kyle ist blass um die Nase und ich weiß, dass dies seine größte Angst ist – auf einem Seziertisch zu liegen, umgeben von Mördern, die an sein Geheimnis wollen. Doch trotz der Angst ist sein Körper angespannt, als er sich nach vorn lehnt, um von Monas Antwort nichts zu verpassen.

Ich wusste immer, dass Kyle sich allein fühlt. Vielleicht war es dieses Alleinsein, was uns in erster Linie miteinander verbunden hat. Ein Seil, gespannt über eine große Schlucht, in der Misstrauen, unterschiedliche Herkunft und Überzeugungen warteten, um über uns herzufallen. Das Alleinsein war unser Seil, als wir damals in der Wüste waren. Wir sind darüber balanciert, mit wackligen Beinen und haben uns in der Mitte getroffen, ohne zu wissen, in welche Richtung es nun weitergehen würde.

Bisher dachte ich immer, er wäre allein, weil er seine Mutter und später Lonny verloren hat. Doch das ist nicht alles. Die Fähigkeit – für die andere töten – ist wie eine Mauer, die sich zwischen Kyle und alle anderen stellt. Nicht nur wegen seiner Angst, dass die falschen Leute davon erfahren, sondern auch, weil sie ihn zu etwas Besonderem macht. Anders als die anderen, ohne dass er weiß, weshalb. Und obwohl er sich fürchtet, will er wissen, wie dieses Etwas funktioniert, das ihn zu einem Außenseiter macht.

Doch Mona schüttelt den Kopf. »Er hat nichts herausbekommen, soweit ich weiß.« Sie streicht sich über den Arm und ich kann erkennen, dass sie sich dieselbe Frage stellt, wie Kyle: Warum ich?

Ihre Frage unterscheidet sich nur durch ein Wort von meiner. Warum ich nicht?

Kyle beißt sich auf die Unterlippe und legt die Stirn in Falten. Sand bedeckt seine gebräunte Haut. Die wirren Haare sind verknotet, das schwarze Shirt ist am Rand ausgefranst. An seinem Kinn schlängeln sich Wörter entlang, bis hinunter zu seinem Schlüsselbein.

Und irgendwo auf seiner Haut steht mein Name. Als er sich mit der Hand durch die Haare fährt, zittert sie leicht und er hält sie sich vors Gesicht, als wäre er überrascht, dass sein Körper diese Regung verrät.

»Weiß Bosworth, dass du die Fähigkeit besitzt?«, fragt er Mona.

»Ich denke, er hatte einen Verdacht.« Sie dreht sich zu Raphael, der ruckartig nickt. »Er war damals in der Stätte in Lancaster, in die sie mich geschickt haben. Ich hatte immer das Gefühl, jemand beobachtet mich. Als ich abgehauen bin, haben sie mich gesucht, aber ich konnte mich verstecken. Es ist praktisch, wenn man vorgeben kann, zu jeder Art Mensch zu gehören. Ich konnte meine Haut mit den Wörtern versehen, die ich gerade brauchte. Oder mit keinem. So haben die Leute mir vertraut.« Sie reibt sich über die Oberarme, als würde sie die Wörter spüren, die nicht mehr da sind.

Ihre Worte wecken ein unangenehmes Gefühl in meinem Inneren. Mona hat die Wörter auf ihrer Haut benutzt, um die Menschen um sich herum von einer Wahrheit zu überzeugen, die sie nur vorgab, zu leben. Das kommt mir noch schlimmer vor, als eine einfache Lüge auf der Haut zu tragen. Das, was die Menschen Gottes Fluch nennen, hat sie benutzt, um andere zu täuschen. Noch immer bin ich davon überzeugt, dass die Ehrfurcht vor Worten, die überhaupt erst zu unserer Religion geführt hat, berechtigt ist. Mona sieht das offenbar anders.

»Mittlerweile geht er sicher davon aus, ich sei tot«, sagt Mona schließlich.

»So wie alle anderen. Ich habe deine Sterbeurkunde bei unseren Eltern gefunden.«

»Die müssen sie ausgestellt haben, nachdem ich weggelaufen bin.« Ihr beiläufiger Tonfall steht im Kontrast zu ihren Worten.

Ich beiße mir auf die Innenseite meiner Wange, um keine andere Regung preiszugeben. Was meine Eltern wohl sagen würden, wenn sie wüssten, dass Mona lebt? Würde es sie freuen? Ich lasse meinen Blick über Monas narbenübersäte Haut schweifen, über ihre glänzenden Augen, die aus dem blassen Gesicht hervorstechen. Ich bin mir nicht sicher.

»Aber warum bist du hier?«, frage ich. »Alle denken, du seist tot – ist das nicht am sichersten?«

Mona runzelt die Stirn, als würde ich etwas Offensichtliches übersehen. »Natürlich. Aber«, sie macht einen Schritt auf mich zu, »in der Zeitung stand, dass du verschwunden bist, also bin ich zurück nach Tudor. Auf der Suche nach dir … fand ich Raphael.«

Es ist, als würden zwei Monas vor mir stehen. Eine, die ein Lächeln aufsetzt, wenn sie von den Rebellen und der Regierung spricht, aber eigentlich eine Grimasse zieht. Und eine andere, die mich an eine Zeit erinnert, in der ich nichts hatte, außer meiner Schwester. Ich frage mich, ob das im Leben immer passiert. Man entwickelt sich zu zwei Personen, die nebeneinander existieren und die sich abwechselnd das Gesicht desjenigen teilen, der sie zusammenhält. Oder kommt es mir nur so vor, weil ich Mona lange nicht gesehen habe?

Ich will die Mona, die meiner Schwester ähnlich sieht, fragen, wie es dazu kam, dass sie und Raphael nun zusammen hier stehen. Aber an der Art und Weise, wie Raphael meine Schwester ansieht, erkenne ich, dass die Antwort keine einfache sein würde.

Ich glaube, denke ich verwirrt, so sehe ich Kyle an. Diese Erkenntnis lässt eine dritte Version von Mona erscheinen, die vorher noch nicht da war, und plötzlich sieht sie erneut anders aus.

Kyle lässt sich auf einer Leitersprosse nieder und stützt die Ellenbogen auf den Oberschenkeln ab. Er wirkt erschöpft.

»Aber du bist geblieben«, stellt er fest und sieht zu Mona auf. »Was ist dein Plan?«

Mona geht zu dem Bücherregal und reiht das Märchenbuch, das sie noch immer in den Händen hält, wieder an der Stelle ein, an der ich es herausgenommen habe. Sie betrachtet den Buchrücken, als würde darauf die Antwort stehen.

»Das habe ich doch schon gesagt. Mehr Leute finden wie mich … wie uns. Wir könnten ihnen zeigen, wozu wir fähig sind. Wenn es keine Wörter mehr auf der Haut gibt, dann ist die Kirche überflüssig. Sie hätte keinen Machtanspruch mehr.«

Ich lehne mich an die Leiter, sodass meine Hüfte an Kyles Schulter lehnt. Er schaut zu mir hoch.

»Eine Regierung, die ohne Kirche funktioniert«, sagt er. Seine Stimme ist rau und Gänsehaut breitet sich auf meinem Rücken aus. Das ist es, was Mason will.

Wollte, verbessere ich mich stumm. Mason ist tot. Ebenso wie Jeff. Für einen Moment bleibt mir die Luft weg.

»Ganz genau«, bestätigt Mona.

Kyle sieht noch immer mich an und ich sehe zu ihm hinunter. Seine Lippen sind leicht geöffnet.

»Und«, sein Tonfall ist dunkel, sodass ich direkt weiß, dass er nicht mit mir spricht, »willst du das auch?« Er wendet seinen Blick Raphael zu, der zu Mona ans Bücherregal getreten ist und eine Hand auf ihren unteren Rücken legt. Mona sieht weiterhin Kyle an, als kenne sie Raphaels Antwort bereits.

»Ich habe gesehen, wozu die Menschen fähig sind«, erwidert Raphael. Ich kann an seinem angewinkelten Ellenbogen erkennen, dass er seine Hand bewegt, als würde er Kreise auf Monas Rücken malen. Die Geste wirkt abwesend, wie die eines Kindes, das mit den Gedanken woanders ist. »Menschen lügen – ob sie sprechen oder nicht. Schweigen ist keine Garantie für eine ehrliche Seele. Ich halte es für wichtig, dass diese Stadt von jemandem regiert wird, der gläubig ist. Aber ich denke nicht, dass die Kirche dabei das das letzte Wort haben sollte.«

»Das sagt sich so leicht«, wirft Kyle ein. »Wir haben diese Unterhaltung schon einmal geführt. Die Kirche und die Regierung sind in Tudor ein und dasselbe. Genau wie in allen andere Städten.« »Auf den ersten Blick vielleicht«, gibt Raphael zu. »Aber eigentlich muss das nicht sein. Der Prior der Kirchen ist ein geistliches Amt. Alle anderen Prioren haben mit der Kirche nichts zu tun.«

»Sie sind alle gläubig.« Kyle klingt verärgert. »Und so leiten sie die Ämter auch.«

»Sie müssen nicht gläubig sein.«

Kyle stößt einen kehligen Laut aus. »Sind sie aber. Solange die Kirche das Ansehen besitzt, wie es im Moment der Fall ist, wird sich das auch nicht ändern, da könnt ihr noch so viele Pläne in diesem Keller schmieden.«

Raphael lässt die Hand sinken und tritt einen Schritt vor, sodass er dichter bei Kyle und mir steht. Ganz langsam legt er den Kopf schräg und trotz der Umgebung – trotz des dunklen Kellers, des muffigen Geruchs, der zerbrechlichen Möbel und der billigen Konserven – sieht er plötzlich seinem Vater ähnlicher als je zuvor.

»Ich sehe nicht, dass eure Pläne so viel erfolgreicher waren«, sagt er mit fester Stimme. »Genau genommen ist einer von euch tot.«

Noch während Raphael den letzten Satz ausspricht, weiß ich, was geschehen wird, bin aber dennoch zu langsam. Kyle springt innerhalb einer Sekunde auf – die Leiter neben mir wackelt gefährlich – und steht direkt vor Raphael. Er ist einen Kopf kleiner, aber die Wut, die von ihm ausgeht, füllt den gesamten Raum.

»An deiner Stelle«, raunt er, »würde ich wieder damit beginnen, die Klappe zu halten.«

»Und an deiner Stelle«, entgegnet Raphael und hebt das Kinn, »würde ich den Mund aufmachen. Denn bis jetzt habe ich noch kein Danke gehört, dafür, dass ich euch da rausgeholt habe.« »Klar.« Kyle spuckt Raphael das Wort vor die Füße. »Du wirfst uns ins Löwengehege und wir sollen uns dafür bedanken, dass du uns angeknabbert wieder rausholst.«

»Bist du schwer von Begriff? Ich habe dir eben gesagt, dass …«

»Schluss jetzt.« Ich stelle mich neben Kyle und lege eine Hand auf seinen Unterarm. Seine Muskeln zucken unter meiner Berührung.

Kyle würde sich eher die Zunge abbeißen, als sich bei Raphael zu bedanken – nicht nach dem, was mit Jeff passiert ist. Und die Geheimnisse und Lügen der letzten Woche sind noch zu präsent, als dass ich selbst Dankbarkeit empfinden könnte. Ich schaue zu Mona, doch die sieht nicht aus, als würde sie sich einmischen wollen. Ihre blauen Augen schauen abschätzend zu Kyle.

»Habt ihr einen Plan oder nicht?«, frage ich. »Denn ansonsten sind wir geliefert. Die Kirche hat die Regierung fest im Griff.«

Raphael tritt nicht zurück, aber sieht von Kyle zu mir. »Ich denke, zuerst sollten wir Bosworth ausschalten. Wenn die Öffentlichkeit erfährt, was er tut, schadet das dem Ansehen der Kirche massiv.«

»Es ist nicht so, als hätte ich das nicht bereits versucht.« Mit der Hand streiche ich über meine Wange, bis zu meinem Mund. Die Narben dort erinnern an den Abend, als Mason das Presider Manor überfiel und uns als Geiseln hielt. »Uns fehlen die Beweise. Die Papiere, die McLore mir gab, berichten von Unfällen, nicht von Mord.« Ich presse die Lippen aufeinander.

Raphaels Gesicht verdunkelt sich. Er wechselt einen Blick mit Mona, deren Gesichtsmuskeln sich nicht regen. »Dann haben wir nichts. Und wenn rauskommt, dass ich euch zur Flucht verholfen habe, hat Bosworth noch etwas, was er in der Öffentlichkeit gegen mich verwenden kann.« »Das darf nicht passieren«, erwidert Mona fest. »Raphael muss an der Macht bleiben.«

Etwas an ihren Worten stört mich. Aber bevor ich ausmachen kann, was es ist, fährt Kyle fort: »Dann sollten wir erst einmal verschwinden. Wenn uns jemand zusammen sieht, war’s das.«

»Bosworth hat keine Ahnung …«

»Bosworth hat dich beobachtet«, unterbricht Kyle Raphael. »Liv hat es in seinen Unterlagen gelesen.«

»Was?«

Ich erinnere mich an den Eintrag in dem ledernen Notizbuch. »Du hast dich nachts mit Mona getroffen.« Es ging nie um einen unserer Angestellten. Pharrell hat Raphael beschatten lassen. Jetzt ergeben die Worte in dem Notizbuch Sinn.

Raphaels Ohren färben sich rot, doch er nickt.

Mona wirkt nicht peinlich berührt. Stattdessen wird sie blasser, sodass ihre Sommersprossen auf der Nase deutlich hervortreten. »Er weiß von mir?«

Ich schüttle den Kopf. »Nein, er wusste nicht, was Raphael tut. Er hat nur gesehen, wie er nachts das Haus verlässt, und sich nach den Gründen gefragt.«

»Genau deshalb sollten wir aufpassen«, setzt Kyle nach. »Man darf ihm«, er nickt in Raphaels Richtung, »auf keinen Fall etwas anhängen können.«

»Ihr könnt euch hier verstecken«, bietet Mona an. »Dann können wir überlegen, wie es weitergehen soll.«

Kyle und ich wechseln einen Blick. Das Versteck hier scheint ungefährlich, aber ich werde das Gefühl nicht los, etwas zu übersehen.

»Wir haben unser eigenes Versteck«, sagt Kyle.

»Seid ihr sicher?«

Ich nicke, auch wenn ich nicht weiß, wohin er gehen will. Schon in dem Moment, als ich am Abend unserer Verhaftung den Wächter angegriffen habe, wusste ich, dass mein Abschied von meinem früheren Leben für immer war. Nach meiner Verhaftung wurde dieser Abschied nur endgültig. Mona nickt. Sie sieht erschöpft aus. Mit zittrigen Beinen lehnt sie sich gegen das Bücherregal hinter ihr, das leicht wackelt. »Kann ich«, setzt sie an und trommelt mit den Fingern auf das Holz, »kurz mit meiner Schwester allein sprechen?«

Das Wort Schwester sendet Schockwellen durch meinen Körper. Meine Schwester – sie lebt. Während ich schlief, hat sie geatmet. Während ich an sie dachte, hat sie an mich gedacht. Wir haben dieselben Feinde. Sie ist wieder da und wir kämpfen gemeinsam. Meine Hände kribbeln und das Kribbeln breitet sich in meinem gesamten Körper aus, bis es an meinem Herzen kitzelt. Ich denke an Monas Erzählung von den zwei Schwestern, die gemeinsam ein Königreich regierten. Entspricht die Geschichte der Wahrheit oder war es ein Märchen, genau wie das der kleinen Meerjungfrau?

Ob die Mona vor mir die Gleiche ist wie früher oder eine ganz andere?

Kyle sieht mich fragend an und ich nicke. Bevor er die Leiter hochsteigt, streicht er mir über die Schulter. Als ich aufsehe, bemerke ich, wie Monas Blick auf der Stelle an meiner Schulter ruht. Raphael folgt Kyle und die Falltür klappt hinter ihnen zu.

In der Stille, die folgt, frage ich mich, ob es so schlau ist, Kyle und Raphael allein zu lassen. Und ich frage mich, warum ich mich fühle, als würde ich einer Fremden gegenüberstehen.

Als hätte sie meine Gedanken gelesen, sagt Mona mit einem winzigen Lächeln: »Du siehst aus wie früher.«

Ich bin mir nicht sicher, ob ich das gut finde. »Du nicht.«

Ihr Lächeln wackelt. »Es tut mir leid, dass ich dich dort zurückgelassen habe. Das war nicht geplant.«

Ich zucke mit den Schultern und umfasse meine Oberarme. Es ist kalt hier unten. Beruhigend streiche ich über meine Haut. »Ich hab’s jetzt verstanden«, sage ich und will, dass es die Wahrheit ist. »Es war nicht deine Schuld. Unsere Eltern haben dich weggeschickt.«

Monas Augen werden groß. »O nein.« Sie schüttelt den Kopf. »Es war nicht ihre Idee. Graham Seymour hat es zur Bedingung gemacht.«

»Zur Bedingung wofür?«

»Ich konnte Raphael unmöglich heiraten, aber du schon. Doch damit Graham Seymour dem zustimmt, musste ich verschwinden. Das war seine Bedingung.«

»Das wusste ich nicht«, flüstere ich.

Aber habe ich mir wirklich Gedanken darüber gemacht? Meine Eltern setzten Mona in das Auto. Danach war sie verschwunden. Nie habe ich hinterfragt, wer seine Finger dabei noch im Spiel hatte.