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*Selbst die größten Liebesgeschichten der Vergangenheit sind irgendwann vergessen.* Der König der Menschen. Der König der Soldaten. Der König der Verräter. Der König ohne Herz. Der Krieg der vier Könige hat begonnen. Unschuldiges Blut wurde vergossen. Seitdem fließt die Mandalay blutrot durch Avastone und ruft zum Krieg auf: zum Krieg der vier Könige. Für Raevan ist es an der Zeit, sein Erbe anzutreten, und die Bürde der Blutkrone zu akzeptieren. Doch damit löst er einen Fluch aus, der alles für immer verändern wird. DAS FINALE VON THE TALE OF WYCCA! Oder?
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Sandy Brandt
The Tale of Wycca
Memories
(Band 3)
Dieser Titel ist auch als Hardcover und Hörbuch erschienen. THE TALE OF WYCCA: Memories
Copyright
© 2024 VAJONA Verlag
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags
wiedergegeben werden.
Lektorat: Vanessa Lipinski
Korrektorat: Désirée Kläschen
Umschlaggestaltung: Julia Gröchel, unter Verwendung von 123rf
Satz: VAJONA Verlag, Oelsnitz, unter Verwendung von Motiven von Canva
VAJONA Verlag
Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3
08606 Oelsnitz
Für dich, wenn du wie Pray
für Erinnerungen durchs
Feuer gehst.
Manche sind es wert.
Wycca, der, die. [wit͡ʃɐ]
Genmutation. Ein Mensch mit der entsprechenden Genmutation (umgangssprachlich Wycca) unterscheidet sich durch drei Merkmale von einem normalen Menschen:
1. Äußere Mutation
Die Augenfarbe eines Wycca kann in jeder Farbe auftreten.
2. Innere Mutation
Das Herz des Wycca gleicht von der Form her einem Stern (größeres Zentrum in der Mitte, acht dünne, wegführende Streben). Im Normalzustand ist das Organ zu einem winzigen Punkt zusammengeschrumpft. Bei starken Gefühlen schwillt es an (s. Ableben). Herz und Blut eines Wycca sind schwarz.
3. Psychische Mutation
Wycca verfügen über besondere, vom Geist ausgehende Fähigkeiten. Bekannt sind folgende Ausprägungen der Gedankenkontrolle: Pyrokinese (Feuer entzünden), Kryokinese (Wasser gefrieren lassen), Aerokinese (Kontrolle über Luft), Ferrokinese (Kontrolle über Magnetismus und Energie) und Biokinese (Einfluss auf biologische Systeme).
Lebensspanne: Mit der Vollendung des vierundzwanzigsten Lebensjahres ist der Alterungsprozess der Wycca beendet und die Lebensspanne unbegrenzt.
Merkmale des Körpers: Die Magie der Wycca liegt in ihrem Blut und schützt somit Haut, Fleisch und Muskeln vor äußeren Einwirkungen. Die Knochen weisen eine höhere Dichte auf und sind weniger anfällig für Verletzungen.
Ableben: Sollte ein/e Wycca sein/ihr Leben beenden wollen, muss sein/ihr Herz durchbohrt werden. Im Normalzustand ist dies jedoch nicht möglich (s. 2. Innere Mutation). Der Tod tritt darüber hinaus nur durch die Einwirkung anderer Wycca-Kräfte ein.
Nachfahren: Wenn zwei Wycca Nachfahren bekommen, wird die Mutation ausnahmslos weitervererbt. Wird ein Wycca mit einem Menschen gepaart, besteht für jedes Blut eine fünfzigprozentige Chance auf Dominanz. Entweder trägt der Nachkomme dominantes Wycca-Blut und besitzt alle Genmutationen wie ein Vollblut-Wycca oder der Nachkomme besitzt dominantes Menschenblut. Die Genmutation kann jedoch bei folgenden Generationen auftreten, besonders wenn Menschenblut erneut mit Wycca-Blut vermischt wird.
Nach dem Mord an der Königin, Katleem Tennyson, gilt Raevan Tennyson als der Hauptverdächtige. Seine große Liebe, Azalea Blackwall, gibt ihm jedoch ein falsches Alibi. Katleems Eltern sind dennoch von seiner Schuld überzeugt und Rae sieht sich gezwungen, nach Ashland zu reisen, um sie mithilfe seiner Biokinese vom Gegenteil zu überzeugen. Er nimmt Azalea mit, obwohl der Blutrat einer Heirat der beiden noch immer nicht zugestimmt hat.
Kurz bevor er die Biokinese einsetzt, erreicht ihn eine Nachricht von Tyresian, der beobachtet hat, wie ein Wycca, bei dem Rae die Biokinese anwandte, gestorben ist. Rae beschließt, erst einmal abzuwarten und das Risiko, die Herrscher von Ashland zu töten, nicht einzugehen.
Währenddessen wütet in Avastone eine Krankheit, die die Ärzte den Schwarzen Schweiß nennen. Sie befällt nur Wycca und kann tödlich enden. Raevan hat den Verdacht, dass die Krankheit als Waffe gegen ihn entwickelt wurde.
Tyresian und Coleus Blackwall, Azaleas Bruder, gehen gemeinsam Hinweisen nach, um zu beweisen, dass nicht Rae seine Frau getötet hat. Dabei stoßen sie auf einen Club, der dem Polizeichef gehört und in dem sich Gerüchten zufolge Wycca treffen, die den Hass auf Menschen schüren.
Pray will währenddessen etwas über einen magischen Penny herausfinden, den er in der neu eröffneten Akademie für Menschenkinder findet. Er führt dessen Ursprung auf Beck zurück, den Wächter der magischen Artefakte in Avastone, der auch Melia über Jahre gefangen hielt. An ihr hatte er Experimente durchgeführt, sodass Melia nun unsterblich ist und wycca-ähnliche Elektrokräfte besitzt. Gemeinsam mit Melia sucht er Beck auf und schließt einen Handel: Beck gibt ihnen Informationen über denjenigen, der den Penny gestohlen hat und der auch Becks Forschung über das Neo-Cruas gekauft hat, wenn Pray ihm im Gegenzug den Penny zurückbeschafft. Sollte er jedoch scheitern, geht Melia wieder in Becks Besitz über.
Auch die Spur des Pennys führt in den Club des Polizeichefs, wo die Freunde sich treffen und herausfinden, dass der Polizeichef nicht nur Menschen misshandelt, sondern auch eine Kette von Katleem besitzt. Sie glauben, dass Barrow die Königin getötet hat. Bei einer anschließenden Razzia können sie ihm jedoch nichts nachweisen und Coleus wird als Polizist entlassen. Bei den Ermittlungen stößt Tyresian auf seinen ehemaligen Mitbewohner Matty, der zugibt, die Forschungen von Beck im Auftrag einer unbekannten Wycca gekauft zu haben. Dabei hatte er den Penny entwendet und ebenfalls der Wycca geschenkt.
Der Schwarze Schweiß breitet sich weiter aus und Wren, Tys Mitbewohner, erkrankt. Coleus und Tyresian erfahren von einem Attentat auf eine der Wycca-Akademien, die die Kinder besuchen, mit denen Ty zusammenwohnt. Dort angekommen stürmen sie gemeinsam das Gebäude. Ty stößt mit dem Angreifer zusammen und wird übermannt, kann nur entkommen, weil Coleus sich nähert. Sie können viele der Kinder retten, müssen aber entdecken, dass Morla, die kleinste von Tyresians Mitbewohnern, unter den Toten ist. Tyresian will Rache. Coleus tröstet Ty und die beiden kommen sich näher.
Melia und Pray finden derweil etwas über Melias vergessene Vergangenheit heraus. Gemeinsam mit ihrer verstorbenen Schwester hatte sie gegen die Wycca intrigiert und Experimente durchgeführt, um ihnen zu schaden. Melia ist angewidert von sich selbst und beschließt, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen.
In Ashland erhält Rae ein Angebot: Er soll die jüngste Tochter des Königspaars heiraten, um so erneut Frieden zu schließen. Er zweifelt, denn Frieden für sein Volk ist alles, was Rae für Lyzara will. Gleichzeitig müsste er Azalea erneut aufgeben. Kurz darauf trifft die Antwort des Blutrats ein und Rae erhält die Erlaubnis, Azalea zu heiraten. Bevor er es ihr erzählen kann, geraten die beiden in einen Hinterhalt des Königs von Ashland und werden gefangen genommen. Er war nie auf Frieden aus, sondern wollte Rae nur von Lyzara fernhalten, um das Land anzugreifen und unter menschliche Herrschaft zu stellen. Azalea befreit sich und Rae. Bevor sie fliehen, tötet sie den König von Ashland.
Wieder in Avastone bereitet Rae sein Volk auf den bevorstehenden Krieg vor, den Neeris, die Tochter des Königs, aus Rache geschworen hat. Vorher heiratet er jedoch heimlich Azalea im Beisein ihrer Freunde.
Bei der Schlacht gegen Ashland wird Raes Armee überrannt und es gibt nur einen Ausweg: Er muss seine Biokinese einsetzen und riskieren, sie alle zu töten. Doch Rae gelingt es, die Armee nur davon zu überzeugen, sich zu ergeben und abzuziehen.
Melia und Azalea kämpfen währenddessen gegen den Polizeichef Barrow, da Azalea eine persönliche Fehde gegen ihn führt. Melia gelingt es, Barrow zu überwältigen und mit ihren Kräften zu töten.
Nach der gewonnenen Schlacht wird Azalea zur Königin gekrönt und Rae als Held gefeiert. Pray entdeckt in Melias Nacken einen schwarzen Fleck und befürchtet, dass sie die Krankheit ausgelöst haben könnte, verschweigt ihr aber die Entdeckung. Coleus löst Ty als Führer der gläsernen Garde ab und schwört Raevan Treue. Er und Ty sind nun ein Paar.
Während der Zeremonie wird Rae jedoch klar, dass er etwas bei Katleems Mord übersehen hat. Das Alibi von Tahnee, einem Mitglied des menschlichen Blutrats, stimmt nicht mit den Erzählungen der anderen überein. Misstrauisch begibt sich Rae nach der Feier allein in die menschliche Akademie, die Mikael und seine Ziehtochter Tahnee gemeinsam eröffnet haben. Dort stößt er auf eine Gruppe Jugendlicher und Kinder, die zu Kriegern im alten Glauben der Sentry – ehemalige Wycca-Jäger – ausgebildet werden. Er erkennt, dass einer von ihnen für die vielen toten Wycca-Kinder, darunter Morla, verantwortlich ist. In einem Anfall von Wut tötet Rae sie alle.
Als Mikael und Tahnee das Blutbad sehen, tötet er auch sie, nachdem er erkannt hat, dass sie die Strippenzieher waren und auch für Katleems Tod verantwortlich sind.
Zurück im Palast gesteht er Azalea seine Tat. Sie kümmert sich um ihn und scheint ihn zu verstehen.
Als er jedoch nachts aufwacht, sieht er Azalea über sich gebeugt, die ihm ein Messer in die Brust stößt.
Sie war die Waffe, die Rae töten sollte.
Der Tag, an dem die Angst Prays Herz schwarz färben würde, war noch nicht gekommen.
All seine Wünsche tummelten sich in greifbarer Nähe sobald er die Augen schloss: glitzernd wie Sonnenstrahlen auf dem Wasser. Manchmal, im Dunkeln der Nacht, fürchtete Pray, dass es dabei blieb. Ein Funkeln in der Ferne, unmöglich zu erreichen.
Ob der Wunschbrunnen wirklich funktionierte? Wenn ihre Wünsche in Erfüllung gingen, würde Azalea behaupten, es sei Zufall. Sie könnte recht haben. Immerhin hatte Pray sich nichts Außergewöhnliches gewünscht. Er sehnte sich nach etwas, das ihn seit seinem sechsten Lebensjahr verfolgte. Jemand sollte den Menschen in Lyzara zu einem gerechten Leben verhelfen. Dabei hatte er das Gesicht seines besten Freundes, des Königs Raevan Tennyson, vor Augen. Gab es eine Chance auf Frieden zwischen den Spezies der Menschen und der Wycca, würde Raev sie ergreifen. Daran glaubte Pray seit seiner Kindheit.
Jetzt, mit Azalea als Königin an seiner Seite, war es möglich. Azalea verfolgte dasselbe Ziel.
Pray presste die Augenlider fest zusammen und drehte sich auf den Rücken, schob dabei die Decke von sich. Nach den Feierlichkeiten der letzten Tage sollte der Schlaf ihn empfangen wie einen alten Bekannten. Stattdessen entwischte er ihm wie eine Nebelgestalt, sobald er in die Nähe kam.
Seine Finger zuckten. Pray krallte sie in die Matratze, atmete tief ein und aus. Schwarze Flecken tauchten vor seinen geschlossenen Lidern auf.
Nein.
Sofort riss er die Augen auf und starrte in die Dunkelheit. Die Funkuhr auf dem Nachttisch verriet, dass es mitten in der Nacht war. 01:58 Uhr. Er schluckte, doch der bittere Geschmack in seinem Mund blieb hartnäckig. Den Blick an die Decke gerichtet, tastete er nach der Flasche auf dem Tisch. Seine Finger stießen gegen das Glas und es wackelte gefährlich. Leer. Seufzend erhob er sich und tapste, ohne das Licht einzuschalten, ins Badezimmer. Seine nackten Füße gaben auf den Fliesen ein schmatzendes Geräusch von sich und die Kälte überzog seinen Körper. Schemenhaft zeichneten sich die Armaturen im Grau ab und Pray drehte den Wasserhahn auf, um sich kühles Wasser ins Gesicht zu schütten und dann direkt aus dem Hahn zu trinken. Er strich sich über die Wangen und fuhr sich durch die Haare, ehe er in den Spiegel an der Wand vor sich sah.
An der Seite seines Halses prangte ein dunkler Fleck. Mit rasendem Herzen riss er die Hand nach oben, tastete die Stelle ab. Als er sie wieder sinken ließ, war der Fleck verschwunden.
Natürlich. Menschen waren immun gegen die Krankheit, die Avastone vor Kurzem im festen Griff gehabt hatte. Mittlerweile gab es ein Heilmittel und der Schwarze Schweiß verbreitete sich unter den Wycca nicht mehr so rasend schnell wie zu Beginn.
Alles war gut.
Es gibt keinen Grund, weiter darüber nachzudenken, beschwor er sich und blickte sein Spiegelbild streng an. Die braunen Augen starrten vorwurfsvoll zurück und er schlug die Augen nieder.
Es gibt tausend Gründe, widersprach die Stimme in seinem Kopf.
Angefangen bei den schwarzen Flecken in Melias Nacken.
Nachdem Pray sie entdeckt hatte, hatte er Melia den gesamten Abend beobachtet. Aber bis auf die Flecken hatte sie keine Symptome der tödlichen Krankheit gezeigt. Vielleicht handelte es sich um Muttermale. Melia war ein Mensch. Der Schwarze Schweiß befiel nur Wycca.
Sie wird den Tod verbreiten. Und wenn es so weit ist, wirst du das alles bereuen.
Pray umklammerte mit beiden Händen das Waschbecken, als Becks unheilvolle Stimme durch seinen Kopf schlich wie ein Raubtier. Er hatte die Worte als leere Phrase eines verzweifelten Mannes abgetan. Aber seitdem er die schwarzen Flecken bei Melia erspäht hatte, bissen sie sich mit gelben Zähnen in seinem Verstand fest.
Was, wenn Beck die Wahrheit gesagt hatte?
Deshalb hatte er niemandem von seiner Entdeckung erzählt. Melia hatte gemeinsam mit ihrer verstorbenen Schwester nach Wegen geforscht, Wycca zu verletzen und Schlimmeres. Das war gewesen, bevor man sie an Beck verkauft und sie ihr Gedächtnis verloren hatte. Heute würde sie so etwas nicht mehr tun. Aber wer würde ihr glauben? Wenn jemand herausfand, dass sie Trägerin einer Krankheit war, die Wycca tötete …
Kopfschüttelnd löste er seinen verkrampften Griff und stieß sich vom Waschbecken ab.
»Blödsinn«, murmelte er in die Leere seines Zimmers hinein, als er zurück zum Bett ging. Vielleicht sagte er es laut, um zu hören, ob Überzeugungskraft in seiner Stimme lag. Wenn dem so war, hätte er sich das Wort sparen können. Es war nicht nur der schwarze Fleck in Melias Nacken, der seine Sorgen anfachte wie einen Waldbrand. Auch die Tatsache, dass das mysteriöse Heilmittel auf dem Zettel eines Notizblocks gestanden hatte, bereitete ihm Bauchschmerzen. Ähnlich dem Block, den Melia besaß und in dem sich die Aufzeichnungen von ihr und ihrer verstorbenen Schwester befanden.
Seufzend ließ er sich aufs Bett fallen. Die Federn der Matratze ächzten. Wem wollte er etwas vormachen? Wäre Raev hier, um ihm seine Standardfrage – wovor fürchtest du dich? – zu stellen, läge die Antwort bereits auf Prays Zunge.
Vor der Zukunft. Sie war ungewiss wie ein leeres Blatt Papier.
Mit einem verzweifelten Knurren warf er sich nach hinten und kam hart mit dem Rücken auf der Matratze auf.
Ein Ruf hallte durch den Flur. Sofort war er wieder auf den Beinen. Seit der Nacht, in der Tyresian beschlossen hatte, Raevan zu töten, reagierte Pray in Sekundenschnelle bei allen Geräuschen auf ihrer Etage. Der letzte Schrei, der nachts ertönt war, hatte Katleems Ermordung verkündet.
Pray sprintete zur Tür, riss sie auf und sah sich um. Wieder erklang der Ruf und jetzt erkannte er das Wort, das darin lag.
»Halt!«
Pray folgte der Stimme. Er hatte keine Wahl. Die Erinnerungen an die vergangenen Ereignisse trieben seine Beine voran. Sein Herz pochte hohl in seiner Brust, als ahnte es, dass etwas nicht stimmte. Jeder Schlag ein Echo in einem leeren, düsteren Raum. Kälte breitete sich in seinen Adern aus. Er war eines der Kinder, die sich blind dem Rattenfänger anschlossen – sein Verstand wehrte sich, zischte in sein Ohr, dass er umdrehen solle. Aber er folgte der donnernden Stimme, die nun lauter wurde, wie der Klang einer missgestalteten Flöte, die ihn in einen hypnotischen Bann zog.
»Stehenbleiben! Im Namen des Königs von Lyzara, stehen–«
Es folgte ein ersticktes Geräusch und die Stimme erstarb.
Er raste um die Ecke, stolperte über den Teppich und blieb ruckartig stehen. Der Puls dröhnte in seinen Ohren und sein angestrengter Atem übertönte alle anderen Geräusche. Vor ihm breitete sich eine Szene wie aus einem stummen Theaterstück aus.
Azalea stand mit dem Rücken zu ihm, in ein weißes Nachthemd gekleidet. Hinter ihr ragte ein Mann auf, doch ihr Körper verdeckte Prays Sicht auf ihn. Daneben hockte bereits eine weitere Wache leblos an der Wand.
Mit einem Ruck drehte sie sich um. Auf dem Stoff ihres Kleides verteilten sich schwarze Farbspritzer. Ihre blauen Augen weiteten sich bei Prays Anblick. Noch immer gelang es ihm nicht, Kontext zu der Szene zu finden, die sich ihm bot. Als würde sein Gehirn sich weigern, die Puzzleteile, die bereits ein Bild ergaben, zusammenzufügen.
Sein Blick fiel auf das Messer in Azaleas Hand.
Der Mann hinter ihr sackte zusammen.
Aber Azalea schaute nicht Pray an, sondern an ihm vorbei. Ehe er nachsehen konnte, ertönten weitere Rufe.
Wachen kamen aus den umliegenden Fluren auf sie zugestürmt, ignorierten Pray, liefen an ihm vorbei wie Wasser an einem Felsen, und umzingelten Azalea.
Klirrend kam das Messer auf dem Boden auf und mit ihm strömten die Geräusche auf Pray ein: die Rufe der Wachen, das Röcheln des sterbenden Wycca, nahende Schritte.
Ein ersticktes Keuchen.
Das einzige Geräusch, das Pray in diesem Moment von Azaleas Anblick loseisen konnte. Seine Kehle zog sich zusammen. Er drehte sich um, zu Raev, der im Gang aufgetaucht war.
Auf seiner Brust prangte ein schwarzer Fleck.
Prays Sicht verschwamm. Seine Fingerspitzen wurden taub.
Er ahnte, dass die Nacht kein gutes Ende nehmen würde.
Was er nicht voraussah, war, dass dies der Anfang war.
Der Anfang von einem verspielten Happy End.
Der Anfang von dem Weg, der ihn zu dem Tag führen würde, an dem die Angst sein Herz schwarz färbte.
Vier Jahre zuvor
Abwesend starrte Azalea auf die kunstvoll geschnitzte Tischplatte. Sie kannte jeden Zentimeter des Holzes wie eine Landkarte ihres bisherigen Lebens: Links von ihr befand sich die Einkerbung ihrer Gabel, mit der sie nach Coleus gestochen hatte. Er hatte sie verärgert – wie, wusste Azalea nicht mehr. Aber er hatte seine Hand zu schnell weggezogen und sie hatte das Holz getroffen. Rechts davon waren Spuren der Filzstifte zu sehen, die sie und Cole als Kinder hinterlassen hatten. Ihr Vater war wütend gewesen – immerhin war der Tisch ein Erbstück.
Wie beinahe alles in dem Esszimmer ihrer Familie. Die Blackwalls legten Wert darauf, dass man wusste, woher sie stammten. Ihre Sentry-Vorfahren waren berühmt. Doch das Sentry-Blut floss mittlerweile so dünn in ihrer aller Adern wie das geerbte Vermögen auf ihren Konten.
Azalea spießte eine glasierte Karotte auf ihre Gabel und betrachtete sie. Besteck klirrte gegen das feine Porzellan, das sorgfältig in der Vitrine im Wohnzimmer aufbewahrt wurde und das Azalea seltener zu Gesicht bekam, als die rar gesäte gute Laune ihres Vaters, die er heute präsentierte. Sie schaute zu Mikael Trudow und unterdrückte ein genervtes Seufzen. War der Mann so alt, dass er seine Hände nicht unter Kontrolle hatte? Das schüttere, graue Haar bejahte ihre Frage stumm. Azalea saß steif auf ihrem Stuhl und drehte die goldenen Ranken des Bestecks zwischen ihren schlanken Fingern. Ihr Vater, Lord Blackwall, schenkte Mikael Trudow Wein nach.
»Mikael, meine Tochter und mein Sohn werden sicherlich daran interessiert sein, etwas über die neuesten Entwicklungen am Hof zu erfahren. Du bist schon so lange nicht mehr bei uns gewesen«, sagte Lord Blackwall und hob sein Glas, als wolle er auf die Wiederkehr des alten Freundes anstoßen. Auch in seinen dunklen Haaren sammelten sich erste graue Strähnen.
Azalea vermied es, Mikael in die trüben Augen zu sehen. Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen, als er höflich nickte und sich ihr zuwandte. »Azalea, es ist mir eine Ehre, wieder in Eurer Gesellschaft zu sein.«
»Die Ehre ist ganz meinerseits«, erwiderte Azalea süßlich mit einem kühlen Lächeln und umklammerte die Gabel so fest, dass ihr das Metall in die Haut schnitt.
Ob Trudow seine Hand ebenso schnell wegziehen könnte wie Cole? Ihr Bruder stieß ein leises Lachen aus, als ahnte er, woran Azalea dachte. Ihr Vater warf ihm einen strengen Blick zu und das Lachen verwandelte sich in einen Huster. Er senkte seine violetten Augen auf den Tisch und fuhr sich durch die braunen Haare, ehe ihm bewusst zu werden schien, dass sie dadurch wild abstanden. Schnell strich er sie glatt.
»Gefällt Euch Euer Leben in Abgeschiedenheit so gut?«, fragte Trudow und schnitt sich ein Stück Fleisch ab.
Am liebsten hätte sie ihre Gabel fallengelassen und wäre gegangen. Doch das würde nur die Wut ihres Vaters heraufbeschwören. Nicht, dass sie das störte. Aber ihrer Mutter erging es in ihrer Schwangerschaft ohnehin nicht gut. Sie war seit Tagen ans Bett gefesselt. Das langersehnte Nachzüglerkind war nicht pflegeleicht. Sollte es wie Coleus Wycca-Blut in sich tragen, wäre es das jedoch wert. Zumindest, wenn es nach ihren Eltern ging.
Also vermied Azalea es die Tage, etwas zu tun, was ihrer Mutter Stress bereitete.
Sie hatte geahnt, dass Trudows Anwesenheit am heutigen Abend kein reiner Freundschaftsbesuch war. Ihr Vater lud Gäste stets mit einem Hintergedanken ein. Heute hatte sie gehofft, dass Coleus das Opfer der Bemühungen werden würde. Immerhin ruhte auf seinen Wycca-Schultern die Hoffnung der Familie. Er würde nicht nur das Wycca-Blut weitervererben und die Blackwalls wieder in den Rängen der Herrschenden etablieren, sondern bestenfalls die reiche Tochter eines Lords heiraten, der die Familienkasse auffüllte.
Azaleas Blut dagegen war so unwichtig, dass es ihrem Vater bei der Wahl eines Ehemannes nur auf dessen Vermögen ankam. Mit ihren neunzehn Jahren hatte Azalea mehr Gespräche, die mit den Worten »Euer Vater sagte mir, Ihr interessiert Euch für Pferde« begannen, als für jeden gesunden Verstand erträglich war. Vielleicht hätte sie einen der Männer sogar gemocht. Aber allein die Tatsache, dass ihr Vater das von ihr erwartete, machte sie alle so unattraktiv für sie wie Schaufensterpuppen. Nett anzusehen, doch alles, was sie in ihr auslösten, war den Wunsch, sie mit dem Finger anzustupsen, um zu sehen, wie sie umfielen.
Und wie es schien, hatte Trudow jemanden in seinem Bekanntenkreis, ansonsten hätte Lord Blackwall ihn nicht eingeladen.
»Es gibt Gerüchte, dass Euch das Leben am Hof nicht lockt«, setzte der alte Mann seinen Monolog fort.
»Das ist nur ein Gerücht?«, fragte sie und betrachtete dabei ihre noch immer aufgespießte Karotte, während sie mit der anderen Hand eine Strähne ihres dunklen Haars um ihren Finger wickelte. »Dann sollte ich mich entschuldigen. Mittlerweile hatte ich gehofft, es gebe keine Zweifel daran.«
Ihr Vater legte die Hand an die Stirn und stieß die Luft durch die Nase aus. »Verzeih meiner Tochter, Mikael.« Die Falten um seine Lippen vertieften sich. Er schwor, dass sie allein Azalea zu verdanken waren. Als sie hatte widersprechen und ihm erklären wollen, dass das ein Ding der Unmöglichkeit war, hatte er sie unterbrochen und auf die Vertiefungen um seine Mundwinkel gedeutet. »Siehst du«, hatte er gesagt. »Wieder eine.«Zu Azaleas Überraschung war Trudow jedoch nicht pikiert, sondern lachte. »Ach nicht doch«, sagte er und tupfte sich das Kinn mit einer Stoffserviette ab. »Ehrlichkeit ist eine Tugend.«
»Ein wahres Juwel in einer Welt voller Täuschungen«, stimmte Azalea lächelnd zu und erntete dafür erneut den missbilligenden Blick ihres Vaters.
»Azalea hebt sich ihre Ehrlichkeit für besondere Anlässe auf, so wie man feinen Wein für spezielle Feierlichkeiten aufspart. Leider meint sie, sie immer dann hervorholen zu müssen, wenn wir Besuch haben.« Er schürzte die Lippen. »Aber lasst uns über etwas anderes sprechen. Verrate uns, Mikael, wie macht sich der junge König?«
Trudow hob sein Weinglas und nippte daran. Die Flüssigkeit färbte seinen Mund violett. »Man bekommt Raevan Tennyson wenig zu sehen. Sein Onkel unterrichtet ihn seit dem Tod seiner Familie in politischen Angelegenheiten. Aber es ist kein Geheimnis, dass er nicht zum König geboren wurde.«
»Ihr überrascht mich«, sagte Azalea und hob die Augenbrauen. »Das grenzt ja beinahe an Ketzerei.«
»Auf keinen Fall«, beeilte Trudow sich zu sagen. »Aber immerhin ist Raevan Tennyson der Zweitgeborene. Er sollte niemals König werden.«
Ihr Vater schnitt sich ein Stück von seinem Fleisch ab und schüttelte dabei den Kopf. »Es ist schrecklich, was seiner Familie widerfahren ist.«
Azalea schnaufte und verdrehte die Augen. »Zwei tote Wycca und eine Menschenfrau. Ich wage zu behaupten, dass im Rest des Landes Schlimmeres geschieht.«
»Azalea.« Die Stimme ihres Vaters polterte durch den Raum. Wann immer er ihren Namen aussprach, klang es in ihren Ohren wie ein Fluch. Möglicherweise war sie das – der Fluch seiner Existenz.
Sie krallte die Finger in den Stoff ihrer schwarzen Hose. Wie sie diese Kleidung hasste. Die Nähte scheuerten an ihrer Haut. Menschen kleiden sich praktisch, hatte ihre Mutter ihr eingetrichtert. Das wird von uns erwartet.
Wäre sie eine Wycca, könnte sie tragen, was sie wollte, ohne dass ihr jemand merkwürdige Blicke zuwarf. Sie könnte jedem Beruf nachgehen, der ihr vorschwebte, ohne dass sie für einen Wycca übergangen wurde. Der menschliche Geist verwelkte in einem Wimpernschlag. Deshalb verschwendete man Wissen und Können nicht an sie. Der Gedanke färbte die Worte, die über ihre Zunge schossen, schwärzer als beabsichtigt.
»Die Menschen in diesem Land leiden.« Sie warf einen Blick auf ihren Bruder. »Cole sieht das ebenso. Richtig?«
»Es gibt durchaus Ungerechtigkeiten«, sagte er leise, die violetten Augen auf seinen Teller gerichtet.
Azalea stieß die Luft aus. »Deine diplomatische Ausdrucksweise kannst du dir sparen.«
»Es reicht«, entschied ihr Vater. Er erhob die Stimme nicht, noch schlug er auf den Tisch. Sorgfältig legte er erst seine Gabel und dann sein Messer auf die Stoffserviette, ehe er sie aus denselben eisblauen Augen anstarrte, die ihr aus dem Spiegel entgegenblickten.
Möglicherweise hasste er sie deshalb. Sie waren sich zu ähnlich.
»Ich denke, es wird Zeit, dass du dein überhitztes Gemüt draußen abkühlst«, sagte er und faltete die Serviette über seinem Besteck.
Mit steifen Gliedern stand Azalea auf. Die Stuhlbeine kratzten über den Holzboden und Cole zuckte zusammen. »Liebend gern.« Sie warf die Haare zurück und stolzierte aus dem Zimmer. Hinter sich hörte sie einen weiteren Stuhl, der verschoben wurde.
»Nein, nein«, sagte Trudow. »Es macht mir nichts aus, wirklich. Möglicherweise kann ich sie beruhigen.« Schritte ertönten.
Genervt schloss Azalea die Augen. Bei den Wissenschaftlern, dachte sie flehend. Bitte lasst ihn mir nicht folgen. Schnell durchquerte sie den Hausflur und erschrak, als die Standuhr zu ihrer Rechten einen unmelodischen Gong von sich gab. Sie fluchte, machte sich nicht die Mühe, leise zu sein. Warum musste alles in diesem Haus so alt sein?
Ohne sich umzusehen, riss sie die knarrende Haustür auf und schlüpfte ins Freie. Die abendliche Frühlingsluft biss in ihre Haut. In der Eile hatte sie eine Jacke vergessen. Doch wieder reinzugehen, war keine Option. Sie schlang die Arme um sich und blinzelte in die nahende Dunkelheit. Der Wind zerrte an ihren Haaren, pfiff mahnend durch die löchrigen Dachziegel. Heute Nacht würde sie erneut mit dicken Socken schlafen müssen. Vorher sollte sie nach ihrer Mutter sehen. Aber das musste warten, bis Trudow sich verabschiedet hatte.
Mit zusammengebissenen Zähnen rammte sie ihre Hände in die Hosentaschen und folgte dem Trampelpfad zu der angrenzenden Weide, auf der die Pferde grasten.
Sie hatte gerade genug Zeit, die klare Luft ihre erhitzten Gedanken kühlen zu lassen, da trat Trudow von hinten an sie heran. Da sie ihn erwartet hatte, erschrak sie nicht.
»Ihr habt Eure Jacke vergessen.«
Sie unterdrückte ein Augenrollen und drehte sich zu ihm um. Er selbst hatte einen leichten Mantel übergezogen und hielt ihr ihre Jacke entgegen. Seufzend nahm sie sie an. »Danke.«
Er lehnte sich an einen der Holzpfeiler und betrachtete Azalea, die die Knöpfe schloss. Sie könnte ihren Körper von ihm wegdrehen und die losen Nähte vor Trudow verbergen. So hatte ihr Vater es ihr eingebläut. Lass es sie nicht sehen, hatte er stets gesagt, wenn Azalea sich vor dem Spiegel zurechtgemacht hatte. Lass sie nie deine Schwäche sehen. Darin stimmte sie mit Lord Blackwall überein.
Nur sah sie in ihrer Armut keine Schwäche.
Im Gegenteil.
»Ihr seid anders als Euer Vater«, sagte Trudow, als könnte er ihre Gedanken lesen.
Sie verdrehte die Augen. »Das mag auf den ersten Blick so scheinen, doch mit langen Haaren und Brüsten wäre er mein Ebenbild.«
Der alte Mann stieß ein gackerndes Lachen aus. »Und Ihr seid anders als die Frauen am Hof.«
»Das ist nicht annähernd ein solches Kompliment, wir ihr Männer glaubt.«
»Ihr versteht mich falsch«, sagte er schnell. »Ich glaube, viele von ihnen wären gerne wie Ihr. Aber sie bekommen nicht die Möglichkeit. Von Menschenfrauen werden andere Tugenden erwartet, richtig?«
»Von Menschen im Allgemeinen«, korrigierte Azalea und drehte langsam ihren Kopf, besah den alten Mann von der Seite. Neugierde nagte an ihren Gedanken. Was wollte er von ihr?
»Korrekt, korrekt.« Er umfasste mit seinen runzligen Händen den Holzzaun. Von der Seite warf er ihr einen Blick zu und mit einem Mal wirkten seine Augen nicht mehr trübe. Etwas blitzte in ihnen auf. »Wusstet ihr, dass ich eine Ziehtochter habe? Sie ist wenige Jahre älter als Ihr.«
Azalea seufzte. Das nagende Gefühl von eben wurde durch eine Schwere ersetzt, die sie nur allzu gut kannte. Ihre Schultern sackten nach unten und sie wandte den Blick ab, sah zu den zwei Pferden, die ungerührt auf der Wiese standen und nicht einmal mehr grasten. Sie starrten einfach in die Gegend.
Das bin ich, dachte sie und schluckte gegen den bitteren Geschmack auf ihrer Zunge an. Ich stehe regungslos im Leben herum. »Ich habe keine Ahnung, was mein Vater Euch erzählt hat, aber es sind nicht nur die Männer des Hofes, an denen ich kein Interesse hege«, sagte sie und stützte die Ellbogen auf dem Pfeiler vor sich ab, um den Kopf auf die verschränkten Hände zu legen.
»Entschuldigt, so war das nicht gemeint.«
»Ach nein? Ihr seid nicht hier, um mir einen geeigneten Heiratskandidaten schmackhaft zu machen?«
Er legte den Kopf schräg. »Das habe ich nicht gesagt.«
Sie schnalzte mit der Zunge und erregte damit unbeabsichtigt die Aufmerksamkeit eines der Pferde, das fragend in ihre Richtung schaute. »Seht, ich habe kein Interesse an den Lords und Ladys im Palast.« Vielleicht würde sie ihr Leben allein verbringen. Irgendwo in einer Hütte am Meer. Sie könnte Schiffe beobachten, tagein, tagaus und würde Feste feiern mit anderen grotesken Gestalten, die des Lebens müde waren, weil sich nichts änderte, weil alles eins war: ein Rad des Lebens, eine Mühle, die sich drehte und drehte und drehte.
Sie schloss die Augen, atmete tief ein.
»Und was ist mit dem König?«
Trudow sprach so unverblümt, dass die Worte auf Azaleas Zunge erstarben. Stirnrunzelnd öffnete sie die Lider. Ganz langsam drehte sie den Kopf in seine Richtung. Wurde er senil?
Doch zum ersten Mal in seiner Gegenwart – zum ersten Mal, seitdem Azalea sich erinnern konnte – schlug ihr Herz aus einem anderen Grund als Ärger schneller. Aus misstrauisch verengten Augen sah sie ihn an.
»Entschuldigt meine Offenheit«, sagte sie in einem Tonfall, der alles andere als entschuldigend war. »Aber Raevan Tennyson ist der letzte Mann auf dieser Welt, den ich heiraten würde – selbst wenn es möglich wäre.«
»Ihr seid keine Anhängerin des Königs?«
»Eines Königs, der seinen Onkel zum Regieren vorschickt? Nein.«
»Und damit«, sagte Mikael leise und starrte in Richtung der untergehenden Sonne, »haben wir unsere erste Gemeinsamkeit gefunden, Lady Azalea.«
Heute
Etwas hatte Tyresian geweckt. Mit pochendem Herzen schaute er auf die Uhr auf Coles Nachttisch. Sie zeigte 01:58 Uhr morgens.
Seufzend ließ er den Kopf wieder auf sein Kissen sinken und horchte. Doch bis auf das Surren der elektronischen Geräte im Haus war es still. Er musste es sich eingebildet haben.
»Bist du wach?«, murmelte Cole an seiner Schulter.
»Mh.« Sein Herz schlug noch immer schneller – als wüsste sein Körper etwas, von dem sein Verstand keine Ahnung hatte.
Cole legte einen Arm um Ty, zog ihn dichter zu sich und sofort wurde das Kribbeln in seinem Brustkorb durch eine angenehme Hitze ersetzt. Er drehte sich zu Cole um, fuhr mit seinen Händen über dessen nackte Brust. Es war so leicht, sich in dieser Berührung zu verlieren.
»Hattest du einen Albtraum?«, wollte Cole wissen. Seine Lippen streiften über Tys Haut.
An Coles Halsbeuge schüttelte er den Kopf. Doch dann hielt er inne. »Vielleicht. Ich weiß es nicht«, gab er zu. Sein schlechtes Gewissen plagte ihn in den letzten Nächten und bestrafte ihn mit Albträumen. Meistens geisterte er in seinen Träumen durch die Sternengasse und rief Coleus’ Namen. Aber er blieb allein, egal, wie lange er suchte.
Es brauchte keinen Traumdeuter, um ihm zu sagen, was das bedeutete. Sein Unterbewusstsein drängte ihn, Cole von seinem Ausflug zum illegalen Schwarzmarkt für Magie zu erzählen. Und von dem Mord an Matty.
Doch Cole war nicht nur ein ehemaliger Polizist. Er hatte auch sehr eindeutige Moralvorstellungen. Mord – da war Ty sich sicher – gehörte für seinen Freund nicht zu der Sorte von Verbrechen, die man vergeben konnte.
Da scheiden sich unsere Geister, dachte Ty. Denn trotz des schlechten Gewissens, weil er Cole nichts von seinem Ausflug erzählt hatte, hatte er keines wegen des Mordes an Matty.
»Nein, ich glaube, es war kein Albtraum«, murmelte Ty.
Matty hatte es verdient. Wäre er nicht gewesen, würde Morla noch leben. Da war er sich sicher.
Coles Atem traf auf Tys Haut. »Lüg nicht«, flüsterte er mit einem Lächeln in der Stimme. »Ich weiß immer, wenn du lügst.« Seine Lippen an Tys Hals unterbrachen dessen düsteren Gedanken. Bereitwillig lehnte er sich in die Berührung – Cole ging mit Intimität selten verschwenderisch um.
»Du könntest wieder schlafen«, flüsterte er und biss leicht in die Haut unter Tys Ohr. In dem Satz schwang eine unausgesprochene Frage mit.
»Oder?«
»Oder …« Seine Finger fanden ihren Weg in Tys Haare und ein leises Stöhnen entwich seinen Lippen. »Oder wir beschäftigen uns mit anderen … Dingen.« Er sprach das letzte Wort zögerlich aus, als hätte er eigentlich etwas anderes sagen wollen.
Leise lachte Ty, ein leichtes Beben seines Körpers. Wenn er mit Coleus unterwegs war, vergaß er manchmal, dass sich unter der selbstsicheren Maske des ehemaligen Polizisten mehr Unsicherheit verbarg als auf einem Schiff bei Wellengang.
Diese Seite zeigte er nur, wenn sie allein waren. Ein Privileg, von dem Ty nicht gewusst hatte, wie sehr er es liebte.
Er fuhr mit dem Finger an Coles Wirbelsäule entlang und entlockte ihm ein Keuchen. »Hmm …« Er genoss, wie Cole sich ihm entgegenbeugte. Seine Lider flatterten. »Mir würden da ein, zwei Sachen einfallen.«
Coles Hände an seinem Hals wanderten nach unten, weiter, weiter, weiter, so tief, dass Ty die Luft einsog.
»Obwohl du scheinbar schon eine Vorstellung hast«, sagte er außer Atem. Sie hatten eine Abmachung – sie gingen nur so weit, wie Cole wollte. Deshalb krallte Ty seine Finger in die Bettdecke, zwang sich, still zu halten und abzuwarten. Seine Haut prickelte, Flammen leckten an ihm. Es war reine Folter.
Cole schluckte, während seine Fingerspitzen am Bund von Tys Boxershorts entlangfuhren. Ergeben warf Ty den Kopf zurück, schloss die Augen.
Die Berührung erstarb. Vorsichtig öffnete er die Lider.
Im schwachen Schein der Straßenlaterne, die ihr Licht durchs Fenster goss, betrachtete Cole ihn. Zu Beginn ihrer Bekanntschaft hatte Ty den damals fremden Mann mit einer griechischen Statur verglichen. Auch jetzt kam ihm wieder das Bild in den Sinn – der kantige Kiefer und die perfekte Nase hätten jeden Bildhauer dahinschmelzen lassen. Doch anstelle der kalten Perfektion lag ein Funkeln in Coles violetten Augen, das Ty die Kehle zuschnürte.
»Bei den Sternen«, flüsterte Cole und hob seine Hand, legte sie an Tys Wange, »manchmal vergesse ich, wie schön du bist.«
Ty war es gewohnt, dass seine Liebhaber ihm sagten, wie gut er aussah. Doch da hatte er stets sorgfältig gestylte Haare und ein überhebliches Grinsen getragen, von dem er wusste, dass es seine Beute um den Verstand brachte.
Niemand hatte ihm je gesagt, dass er schön aussah, nachdem er aus einem Albtraum mit zerzausten Haaren und einem Kissenabdruck im Gesicht aufgewacht war.
Niemand außer Coleus.
Die Hitze in seinem Körper verbrannte seine Muskeln, machte sie unbrauchbar. Er lag ergeben da, starrte in Coles Gesicht. Die violetten Augen wurden beinahe von schwarzen Pupillen verschlungen.
»Du bist ein Dieb, Tyresian Joyce«, sagte er mit einem Lächeln. »Du hast mir den Verstand gestohlen.«
»Was ist mit deinem Herzen?«, fragte Ty und legte seine Hand auf die Stelle von Coles Brust, wo er dessen Herzschlag spürte.
»Das hältst du in einem festen Griff. Manchmal bekomme ich kaum Luft, wenn ich dich ansehe.«
Ty stieß ein heiseres Lachen aus und Wärme kribbelte in seinen Wangen. »Also bin ich zum Sterben schön?«
Cole grinste und seine nackte Brust so dicht an Tys Körper ließ ihn kurz den Atem anhalten. »Das auch. Aber«, er legte seine Hand an Tys Wange, »da ist mehr. Wenn ich dich anschaue. Oder wenn du mich berührst. Mich ansiehst, mit diesem Blick.« Seine violetten Augen huschten umher, als würden sie Tys Gesicht abtasten. »Du bist wie ein Messer, das in meine Seele sticht und Narben hinterlässt.«
Ty wusste, dass er damit zufrieden sein sollte. Dass Cole es wirklich so meinte. Dennoch flüsterte eine Stimme in seinem Inneren ihm zu, dass man Narben auf der Seele verstecken konnte, wann immer einem danach war.
Dass Cole seine Beziehung zu Ty verstecken konnte.
Er hat seinem Vater von mir erzählt, beruhigte Ty die Stimme.
Nachdem du deshalb mit ihm gestritten hattest.
Cole missdeutete sein Schweigen. Mit einem Blick auf Ty zog er einen Mundwinkel hoch. »Entschuldige«, sagte er und sah zur Decke. Sein Brustkorb hob sich angestrengt. »Ich habe die Stimmung mit meiner Melancholie ruiniert.«
»Auf keinen Fall. Ich finde es durchaus sexy, wenn du mit Begriffen wie Melancholie um dich wirfst.«
»Ich hatte vergessen – der Junge aus der Sternengasse steht auf gebildete Männer«, erwiderte Cole lachend. »Also, wo waren wir stehen geblieben?«
Ty nahm Coles Finger in seine Hände und führte sie an seinen Körper. »Ungefähr dort.«
»Gutes Gedächtnis«, sagte er und küsste Ty, sodass ihm schwindelig wurde. Um das Gleichgewicht wieder herzustellen, beugte er sich hoch und fuhr mit den Zähnen an Coles Schulter entlang. Ein Schauer durchfuhr ihn.
»Was tust du?«, fragte er atemlos.
An Coles Haut lächelte Ty. »Meine Spuren auch woanders hinterlassen«, sagte er und biss sanft in die Schulter seines Freundes.
Dieser sog überrascht die Luft ein und krallte sich fester an Tyresian, keuchte dessen Namen.
»Cole«, flüsterte Ty und im selben Atemzug dachte er: Das wird mein Für-immer. Sein Name auf meinen Lippen.
Und der Gedanke bereitete ihm keine Angst.
Ich liebe dich, hallten die Worte in Raevans Kopf wider, aber das ändert nichts.
Der stechende Schmerz in seiner Brust zerriss den letzten Faden, der ihn an den Schlaf band, und zerrte ihn mit heißer Gewissheit in die Realität. Er schnappte nach Luft. Automatisch fuhren seine Hände hoch. Zumindest dachte er das. Doch der Schmerz raubte ihm jegliches Körpergefühl. Starr lag er in seinem Bett, gefangen von der Hitze, die sich in seinem Brustkorb ausbreitete.
Nur seine Augen bewegten sich, rasten, ebenso wie seine Gedanken. Nahmen jedes Detail des in der Finsternis über ihm schimmernden Gesichts auf. Das dunkle Haar, das sie wie einen Vorhang einrahmte. Ihr weißes Nachthemd. Die blauen Augen. Der vor Schmerz verzerrte Mund. Sie hockte über ihm und er spürte ihren Atem auf seinen Lippen.
Wieder wollte Rae seine Hand heben, dieses Mal an ihre Wange. Doch noch immer kontrollierte das Stechen in seiner Brust alle Regungen. Stattdessen wanderte sein Blick weiter hinab. Über ihren schlanken Hals, an dem ausgestreckten Arm entlang, den sie halb auf seinem Körper und dem Bett abstützte und der in der Hand mündete, die fest den Schaft des Messers umklammerte. Die Knöchel stachen weiß hervor.
Rae schielte hinunter auf seine eigene Brust. Dorthin, wo der Schmerz am stärksten war. Auf dem Oberteil breitete sich schwarzes Blut aus.
Da begriff er.
Er sah in ihr erschrockenes Gesicht. In seinem Kopf trommelte es, ein Rhythmus aus Schock und Verrat, die sich zu einem einzigen Wort verbanden.
»Warum?«
Azalea schluckte. Statt eine Antwort zu geben, wurde der Griff um das Messer fester und der Schmerz in Raes Brust verdichtete sich. Seine Sicht verschwamm, sein Kopf sackte zur Seite. Das grünliche Licht der Digitaluhr zeigte 01:58 Uhr.
Das Ende, dachte er benommen. Er musste ihr in die Augen sehen. Ein letztes Mal ihr Gesicht betrachten.
Das Gesicht der Liebe seiner jämmerlichen Existenz.
Das Gesicht seiner Mörderin.
Er wartete darauf, dass seine Gedanken träger wurden. Dass sein Sichtfeld sich zusammenzog zu einer schwarzen Masse.
Nichts davon geschah.
Stattdessen breitete sich ein Pochen aus, das sich unterhalb des Schmerzes bemerkbar machte.
Azaleas Augen weiteten sich, als würde sie es auch spüren. Vielleicht begriff sie, dass Rae für einen Sterbenden nicht schnell genug die Kräfte verließen.
Weil er nicht starb.
Sie hatte sein Herz verfehlt.
Keuchend riss sie das Messer aus seiner Brust. Sofort ebbte der Schmerz ab – ein weiterer Beweis dafür, dass die Klinge nicht das sternförmige Organ getroffen hatte.
Ihre ohnehin blassen Wangen verloren den Rest an Farbe. Sie taumelte zur Seite, stolperte aus dem Bett, riss die Decke mit sich. Ihre nackten Zehen krallten sich in den roten Teppich und noch immer umklammerte sie das Messer mit ihrer zitternden Hand. Unter dem Nachthemd hob und senkte sich ihre Brust schmerzhaft schnell. Schwarze Blutflecken verteilten sich auf dem weißen Stoff, als hätte jemand gegen einen Pinsel geschnippt.
Raes Blut.
Azaleas Augen huschten zur geschlossenen Tür.
In dem Moment nahm Rae alles in sich auf. Die glitzernden blauen Augen, die leicht nach oben geschwungene Nase. Die zarten Schultern unter dem dünnen Nachthemd und die Fülle ihrer zerzausten, dunklen Haare, die wie Schatten auf ihr Gesicht fielen.
In seinem Zimmer voller warmer Farben, dem Gemisch aus Rot- und Brauntönen, wirkte sie wie ein Fremdkörper. Sie war ein abstraktes Gemälde in einem Raum voll realistischer Porträts.
Ihre Füße zuckten.
»Azalea …« Rae stemmte sich hoch, streckte eine Hand nach ihr aus.
Sie stolperte zurück über die Staffelei mit der Leinwand, die die Umrisse eines scharfgeschnittenen Gesichts zeigte. Ihre Augen weiteten sich. Rae erstarrte. Ihr Ausdruck schnitt wie ein Schwert durch seinen Geist.
Furcht. Sie fürchtete sich vor ihm.
Seine Haut brannte, als hätte man ihn mit Säure übergossen. Die ausgestreckte Hand sackte nach unten und jedes weitere Wort erstarb im Keim.
Rae konnte sie nur ansehen. Denn er wusste, es war das letzte Mal.
Einen Wimpernschlag später riss sie die Tür auf und rannte los. Ihre Schritte verklangen innerhalb weniger Sekunden.
Unfähig, sich zu bewegen, saß er auf seinem Bett. Das Geräusch der fallenden Leinwand dröhnte in seinen Ohren. Alles zog sich zu dem Punkt in seiner Brust zusammen, von wo der Schmerz am stärksten ausstrahlte.
Qual – ein Stillleben.
Er sollte aufstehen, Azalea verfolgen. Sie hatte ihn töten wollen. Die Worte ergaben keinen Sinn. Buchstaben aneinandergereiht, um ihn zu verhöhnen.
Die Welt drehte sich so schnell, dass ihm übel wurde. Doch er verharrte in seiner Starre.
Bis er das Rufen hörte.
»Halt!«
Sofort sprang er auf. Seine Lunge brannte und Schwindel überfiel ihn wie eine Welle. Schwarze Flecken tauchten in seinem Sichtfeld auf und er hielt sich am Bettpfosten fest. Blut rann seine Brust hinab. Blind taumelte er auf den Flur, stieß sich von den Wänden ab, kämpfte sich vorwärts.
»Im Namen des Königs von Lyzara, stehen–«
Hinter der nächsten Ecke fiel sein Blick auf den zusammengesunkenen Wycca, auf dessen Uniform Blut prangte. Mit einer abgehackten Bewegung zog Azalea das Messer aus der Brust eines anderen Mannes und er sackte zusammen. Im Gang stand eine weitere Gestalt wie erstarrt mit dem Rücken zu ihm. Pray. Doch Rae brachte keinen Ton heraus.
Als spürte sie seine Anwesenheit, drehte Azalea sich zu ihm um. Schwarzes Blut besudelte ihr weißes Nachthemd. Sie sah aus wie ein Geist.
Sie wird dich ewig verfolgen. Der Gedanke schoss wie ein Pfeil durch Raes Verstand.
Sein Blick huschte umher. In seinem Kopf formte sich ein Wort. Ein einziges, das seine Kehle zuzuschnüren drohte, das er aber dennoch auf seine Zunge zwang.
Ehe er es aussprechen konnte, tauchten aus den zwei angrenzenden Gängen Wachen auf.
Das Wort »Lauf« erstarb auf seinen Lippen. Die Wachen zögerten nicht. Sie waren nicht umsonst auf der Etage des Königs stationiert. Sie stürmten auf Azalea zu, umzingelten sie – ein Schwarm Raubvögel, der sich auf eine Maus stürzte. Aber sie war keine verängstigte Beute.
Dafür raste Raes Herz, als säße er in der Falle.
Azalea wehrte sich nicht. Sie musste wissen, dass es sinnlos war.
Die Klinge fiel klirrend zu Boden und der Laut hallte im Gang nach, ließ das Blut in Raes Adern zu Eis erstarren. Er keuchte. Das Geräusch war nicht lauter als sein fanatisch klopfendes Herz und dennoch drehten sich alle zu ihm um. Als wäre seine Verzweiflung ein ohrenbetäubendes Dröhnen. Ihre Blicke tasteten ihn ab und blieben auf dem Fleck an seiner Brust hängen. Schwarzes Blut.
Die Muskeln in seinem Nacken zitterten. Er wollte den Kopf schütteln. Etwas sagen. Aber alles verschwamm zu einer einzigen bunten Masse. Nur Azalea stach klar hervor.
Zum ersten Mal waren ihre Augen kein klares Eis, das Rae den Blick auf ihre Seele bot.
Sie waren ein Spiegel.
Und in ihnen zeigte sich die Verzweiflung, die Rae innerlich zerriss. Seine Knie gaben beinahe nach und ein Druck baute sich in seinem Brustkorb auf, der ihm die Luft raubte.
Seine Gedanken stolperten übereinander, stoben über die düstere Klippe seine Verstandes, zerschellten am Boden und verteilten sich dort wie blanke Knochen.
Kein Wort schaffte es nach draußen.
Die Wachen schienen ebenfalls sprachlos, ehe sich einer von ihnen räusperte.
»Eure Hoheit«, sagte er und wandte sich an Azalea. »Wir verhaften Euch wegen zweifachen Mordes und«, er schluckte und wieder huschte sein Blick zu dem schwarzen Blut auf Raes Brust, »und wegen versuchten Mordes an seiner Majestät Raevan Tennyson. Dem König.«
Stille legte sich über sie. Stille, die Rae im Geiste in Farbe verwandelte. Farbe, die sich über alle Leinwände ergoss, sie grau färbte, sodass nie wieder jemand würde darauf malen können.
Dreieinhalb Jahre zuvor
Azalea tunkte den Pinsel erneut in die Farbe. Auf dem Weg zur Wand hielt sie eine Hand darunter, damit der neu verlegte Fußboden keine grünen Spritzer abbekam. Vorsichtig setzte sie den Pinsel an, gab sich Mühe, nicht stattdessen den Lichtschalter zu streichen. Möglicherweise hätte sie auf Cole hören und die Steckdosen, Fußleisten und Lichtschalter abkleben sollen. Doch dafür war es zu spät. Sie war so gut wie fertig, nur noch die Feinarbeit fehlte. Wenigstens hatte sie daran gedacht, ein altes Flanellhemd von Coleus anzuziehen, um nicht ihre Kleider zu ruinieren.
Ehe sie den Pinsel erneut in die Farbe tauchte, sah sie sich um. Sie hatte nie zuvor etwas gestrichen und war mit dem Ergebnis zufrieden. Das abgeblätterte Holz der Kindermöbel, die sie in die Mitte des Zimmers geschoben hatte, stand im Kontrast zu den mintgrünen Wänden. Das Bett, die Kommode und selbst das Mobile stammten noch aus ihrer und Coles gemeinsamer Kindheit und waren dementsprechend gealtert. Aber so würde Azaleas neues Geschwisterchen wenigstens nicht unter tristen Holzwänden aufwachsen.
Zufrieden strich sie sich die verschwitzten Strähnen aus der Stirn. Ihr Vater machte sich nicht die Mühe, das Kinderzimmer einzurichten. Er würde sich erst für das Kind interessieren, wenn feststand, ob es Wycca-Blut in sich trug. Etwas, das trotz der vorangeschrittenen Forschung im Mutterleib noch immer nicht mit Sicherheit vorhersagbar war. Das lag, soweit Azalea wusste, daran, dass das Blut der Mutter bei der Testung die Ergebnisse verfälschte. Cole war zu beschäftigt mit seiner Arbeit. Ihre Mutter hatte in den letzten Wochen ihrer Schwangerschaft strenge Bettruhe verordnet bekommen. Also blieb es an Azalea, dafür zu sorgen, dass der Neuankömmling zumindest einen ordentlichen Empfang bekam.
Die vergangenen Monate hatte sie hauptsächlich auf dem Landsitz verbracht und das Haus von Grund auf aufgehübscht. Vor allem für das Ungeborene. Aber sie konnte nicht leugnen, dass sie sich beschäftigt halten musste. Immer wieder spukten die Worte von Mikael Trudow durch ihren Kopf, auch wenn sie sich verbot, daran zu denken.
Sie hatte gelacht, als er ihr von seinem Plan erzählte. Einem Plan, der so lächerlich geklungen hatte, dass sie sich erneut kurzzeitig fragte, ob er noch bei Verstand war.
Den König töten.
Dabei handelte es sich nicht nur um Hochverrat, sondern auch um ein unmögliches Unterfangen. Raevan Tennyson war mächtiger als alles, was die Welt bisher kannte. Das hatte er bewiesen.
»Jeder hat eine Schwäche«, hatte Trudow gesagt, als sie diese Worte laut ausgesprochen hatte. »Raevan Tennysons Schwäche ist, dass er unbesonnen liebt.«
Er hatte Azalea von dem besten Freund des Königs erzählt. Pray Lucent war ein Mensch und der König liebte ihn wie einen Bruder. Mehr als das. Und wenn ein Wycca liebte, weitete sich sein Herz und man wäre in der Lage …
»Dann solltet ihr diesen Pray um Hilfe bitten«, hatte Azalea gesagt. Sie standen noch immer an der Weide bei den Pferden und die Kälte der nahenden Nacht war unter ihre Jackenärmel gekrochen. Mit beiden Armen umklammerte sie ihren Körper.
Trudow hatte bedauernd den Kopf geschüttelt. »Obwohl er ein Mensch ist, ist Pray Lucent dem König treu ergeben. Ebenso seine Frau.« Azalea war das Gespräch wie ein Fiebertraum vorgekommen. Ausgeschlossen, dass sie mit diesem alten Mann über das Ableben des Königs sprach.
Über einen möglichen Mord.
Vorsichtig hatte sie ihre nächsten Worte gewählt. »Ich danke Euch für Euer Vertrauen. Und ich werde Eure Worte für mich behalten.« Sie war nicht blöd. Wenn Mikael Trudow annehmen musste, dass sie ihn verriet, wäre sie in Gefahr. »Aber Ihr habt die Falsche für Euer Vorhaben ausgewählt. Ich bin keine Mörderin.«
Trudow hatte sie von der Seite angesehen, bis er schließlich nickte. »Ich kann auf Eure Diskretion hoffen?«
»Ich möchte kein Teil Eures Plans sein«, sagte sie entschieden. »Aber ich trauere auch nicht um einen toten Wycca mehr.«
»Nun gut.« Trudow seufzte und strich sich über den Mantel, ehe er die Hände in die Taschen steckte. »Es war schön, Euch wiederzusehen, Lady Azalea.«
»Gleichfalls«, sagte sie, und trotz ihrer Abneigung entsprach es der Wahrheit. Die vergangenen Jahre waren ein Dahinplätschern gewesen. Ihr Verstand war beinahe eingeschlafen von dem täglichen Kreis, den ihr Leben drehte. Trudows Besuch war, als würde ein Sturm aufkommen.
Er ging in Richtung des Herrenhauses und Azalea sah ihm nach. Trotz seines Alters hatte er einen festen Schritt.
Als merkte er, dass er beobachtet wurde, drehte er sich um.
»Ich habe nicht erwartet, dass Ihr eine Mörderin seid«, hatte er etwas zu laut gerufen, wenn man den Inhalt seiner Worte bedachte. »Aber ich nahm an, Ihr seid eine Kämpferin.«
Das war der Satz, der noch immer ihren Geist heimsuchte. Auch jetzt, als sie den Pinsel erneut in die Farbe tauchte.
Ein Stöhnen riss sie aus den Gedanken. Sie hielt inne, lauschte. Der Schrei, der folgte, ließ ihre Adern zu Eis gefrieren. Sofort warf sie den Pinsel beiseite und rannte über den Flur in das Schlafzimmer ihrer Eltern.
»Mom?« Ihre Mutter stöhnte, wand sich unter der Bettdecke. Azalea lief auf sie zu, fasste an ihre Stirn. Sie glühte. Hinter den geschlossenen Lidern zuckten ihre Augen wild hin und her.
»Scheiße.« Sie packte ihre Mutter an den Schultern, schüttelte sie leicht. »Mom, wach auf! Wir müssen ins Krankenhaus!«
Ein Wimmern kam über ihre Lippen. Azalea sah sich panisch um. Cole und ihr Vater waren außer Haus und sie hatten das Telefon schon vor Monaten abgestellt, weil sie die Rechnung nicht hatten bezahlen können.
Fluchend bückte sie sich, legte sich den Arm ihrer Mutter um die Schultern. »Mom, du musst mir helfen«, flehte sie. »Bitte.«
Ihre Augenlider zuckten und ihre Finger krallten sich an Azaleas Hemd fest. Wenigstens schien sie halbwegs bei Bewusstsein. Die Haut ihrer Mutter klebte vor Schweiß. Gemeinsam hievten sie sie auf die Beine. Beim ersten Schritt schrie sie grell auf und ihre freie Hand flatterte zu ihrem Bauch. Azalea stiegen die Tränen in die Augen.
»Wir müssen zum Auto, Mom«, presste sie hervor und schleppte ihre Mutter die Treppe hinunter. Auf der letzten Stufe rutschte sie ab, fing sich aber gerade noch. Die Augen ihrer Mutter rollten nach hinten. Azaleas Brustkorb zog sich zusammen, doch sie atmete tief ein, schnappte sich den Autoschlüssel und bugsierte sie auf den Rücksitz des alten Jeeps. Der riesige Bauch regte sich nicht.
»Mom?«
Keine Antwort. Azalea stockte der Atem. Aber dann hob und senkte sich ihre Brust millimeterweise.
Sie lief zur Fahrertür, ließ sich auf den Sitz fallen und steckte mit zittrigen Händen den Schlüssel ins Zündschloss.
Bitte lass Benzin im Tank sein, flehte sie. Der Motor sprang an und die Nadel bewegte sich ein wenig. Das würde reichen. Mit voller Kraft trat sie aufs Gaspedal und raste über die Landstraße, bis sie in die Stadt kam und das Krankenhaus von Weitem aufragte. Sie machte sich nicht die Mühe, einen Parkplatz zu finden, sondern hielt mit quietschenden Reifen vor dem Haupteingang. Den Schlüssel im Schloss stieg sie aus, eilte zu ihrer Mutter und zog sie von der Rückbank.
»Hilfe!«, rief sie über die Schulter. »Ich brauche hier Hilfe!« Ungelenk bugsierte sie ihre Mutter aus dem Wagen. Sie war noch immer bewusstlos.
Jemand legte Azalea eine Hand auf den Rücken, dann schwand ein Teil des Gewichts, das auf ihr lastete.
»Was ist mit ihr?« Der Arzt – es musste einer sein, er trug einen weißen Kittel – umfasste ihren Körper, hob sie hoch.
»Ich weiß es nicht.« Azaleas Stimme zitterte. »Sie hat Schmerzen und Fieber.« Sie verkniff sich zu sagen sie ist schwanger! Das war offensichtlich. Angestrengt sog sie die Luft ein. »Sie müssen ihr helfen!«
Der Arzt nickte und lief mit ihrer Mutter durch den Haupteingang. Azalea folgte. Im Krankenhaus empfing sie der Geruch nach Desinfektionsmittel und zerkochtem Essen. Übelkeit stieg in ihrer Kehle auf.
»Wir brauchen ein Bett!«, rief der Arzt und sofort eilte ein Pfleger herbei, schob ein Bett ratternd vor sich her. Auf dem weißen Laken wirkte das Gesicht ihrer Mutter noch blasser, ihre Wangen eingefallen und ihr Bauch riesig.
»In der wievielten Woche ist sie?« Mit einer Lampe leuchtete der Arzt ihr in die Augen.
Zahlen stießen in ihrem Kopf gegeneinander. »S-sechsunddreißigte.« Sie schluckte. »Was hat sie?«
Doch er antwortete ihr nicht. Stattdessen schob er das Bett zusammen mit dem Pfleger weiter. »Wir brauchen einen Ultraschall. Und das CTG.«
Sie lief ihnen hinterher, bis sie das Bett an mehreren Geräten anschlossen und der Arzt sich über ihre Mutter beugte, während der Pfleger ihr Nachthemd aufschnitt. Beim Anblick des blassen, von blauen Flecken übersäten Bauchs sog Azalea scharf die Luft ein. Sie befestigten irgendwelche Knöpfe an der Haut und der Arzt entleerte eine Tube Gel auf dem Bauch. Noch während er das Ultraschallgerät ansetzte, wechselten er und der Pfleger einen Blick.
»Schwach«, sagte Letzter.
Der Arzt schien innerlich zu fluchen und fuhr mit dem Ultraschallgerät über den runden Bauch.
»Was?«, fragte Azalea scharf. »Was ist los?«
Doch noch immer bekam sie keine Antwort.
»Bereitet den OP vor«, wies der Arzt an. Sofort lief der Pfleger los.
»Was ist mit ihr? Mit dem Baby?«
Während er die Kabel löste, sah er sie endlich an. »Der Herzschlag ist schwach. Wir müssen sofort operieren.«
Ihr Herz setzte aus, dann schlug es mit doppelter Geschwindigkeit weiter. »Wird sie es schaffen?« Die Worte schmeckten bitter auf ihrer Zunge.
Der Arzt schob das Bett in den Gang. »Wir müssen sofort los.«
Sie wusste, dass das keine Antwort war. Panisch eilte sie hinterher. Aus einer angrenzenden Tür stieß der Pfleger wieder zu ihnen.
»OP zwei ist frei«, sagte er außer Atem und griff zum Bettgestell, halb beim Schieben. Er lenkte es nach rechts, wo eine Tür offen stand. Azalea sah einen silbernen Tisch und daneben OP-Besteck aufblitzen.
Doch ehe sie den Raum betreten konnten, versperrte ihnen ein anderes Bett den Weg.
»Was –«
»Notfall«, unterbrach eine Pflegerin den Arzt und schob das Bett mit einer blonden Frau darauf durch die Tür. Azalea erhaschte einen Blick auf gelbleuchtende Augen.
»Den haben wir auch!« Der Arzt stieß sich von dem Bett ihrer Mutter ab und ballte die Hände zu Fäusten, hob sie an den Kopf, als wollte er sich den Schädel zertrümmern. »Was soll das?« Azaleas Stimme schraubte sich in die Höhe. Sie sah von ihrer Mutter, deren Hautfarbe sich nicht mehr von dem weißen Bettlaken unterschied, zu dem Arzt. »Warum gehen wir nicht rein? Was passiert hier?«
Niemand sagte etwas und vor Wut stiegen ihr Tränen in die Augen. »Was zur Hölle ist hier los?«
Als Antwort bekam sie nur einen dumpfen Blick des Arztes, der langsam die Fäuste sinken ließ.
Heute
Unruhig tigerte Raevan in dem leeren Raum auf und ab, ballte die Hände zu Fäusten, presste sie gegen seine Stirn, auf seine Augen, bis er bunte Lichtpunkte flackern sah. Die Wunde an seiner Brust war in den wenigen Stunden verheilt – Wycca-Blut sei Dank – und dennoch schien sein Körper aus Glasscherben zu bestehen. Er lockerte die Hände, umfasste die Fensterbank vor sich. Seine Knöchel stachen weiß hervor und er konnte das Zittern seiner Finger nicht unterdrücken.
Finger, mit denen er vor Kurzem über Azaleas Haut gestrichen, ihre Lippen berührt hatte …
Scharfer Schmerz schnitt durch seine Lunge und er schnappte nach Luft. Schnell sah er aus dem Fenster. Schmale Sonnenstrahlen brachen zwischen grauen Wolken hervor, zeigten sich hinter den fernen Häusern Avastones. Wind zerrte an den Bäumen, ließ die Äste peitschen. Unter ihm, auf dem Vorplatz des Palastes, senkten die Menschen und Wycca die Köpfe, zogen die Mützen tiefer und spannten die Schultern gegen den aufkommenden Sturm an.
Nichts hatte sich verändert. Das Treiben am Hof drehte sich weiter, Lieferanten kamen, Geheimnisse wurden ausgetauscht, Wachen nickten sich auf ihrem Rundgang kurz zu. Die Ereignisse der vergangenen Nacht hatten sich in den wenigen Stunden nicht außerhalb der Palastmauern herumgesprochen. Stattdessen beseitigte das Personal die Spuren der gestrigen Zeremonie. Plattgetretene Fähnchen, Plastikbecher und Konfetti wurde von den Straßen gefegt.
Azaleas Krönung. Coles Treueschwur. All das war keine vierundzwanzig Stunden her.
Seine Atmung beschleunigte sich und graue Schliere durchzogen seine Sicht. Als hätte die letzte Nacht die Realität verzerrt. Eine düstere Wolkenfront verschluckte den Himmel. Raes eigenes Spiegelbild starrte ihm entgegen und bei dem Anblick seines unbewegten Gesichts raste sein Herz. Wie viele Lügen konnte man hinter einer Maske verbergen? Wie viele Geheimnisse lauerten im Dunkeln, ehe sie hervorbrachen wie ein Blitz hinter einer Gewitterwolke?
Er stieß den Atem aus und die Scheibe vor ihm beschlug.
Reiß dich zusammen, beschwor er sich und rang die Hitze in seinem Brustkorb nieder. Du hast es unter Kontrolle.
Die Tür öffnete sich und er drehte sich um. Beim Anblick der Frau drang das Feuer erneut nach oben.
»Eure Majestät«, grüßte Sunara und schloss die Tür, ehe sie sich zu ihm umwandte. Rae stierte noch immer aus dem Fenster, besah ihre Spiegelung in der Scheibe. Ihre Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden, bei dem eine Strähne heraushing.
Rae starrte sie an – diese eine Strähne, die ihr Gesicht umspielte, als wäre sie zu einem legeren Treffen geladen. Ein Gespräch unter Freunden. Der Griff um die Fensterbank wurde fester und die Muskeln in seiner Schulter verspannten sich.
Mit schiefgelegtem Kopf sah sie ihn abwartend an. Fordernd hob sie eine Augenbraue.
Das war es. Der scharfgebogene Schwung ihrer Braue durchtrennte Raes letzten Zweifel. Ließ ihn stattdessen in eine Grube aus Wut stürzen.
Sie weiß es. Der Gedanke schnitt wie ein glühendes Messer durch seinen schwarzen Geist.
Ohne Vorwarnung drehte er sich um, holte aus und schleuderte Sunara mit einem Windschlag gegen die Wand. Sie schrie erschrocken auf, bis der Aufprall jegliche Luft aus ihrer Lunge presste und sie hustend auf dem Boden aufkam. Wimmernd sah sie unter tränenden Augen zu ihm auf.
»Hör zu«, sagte er und trat an sie heran, ragte über ihrer zusammengekauerten Gestalt auf. Sofort rückte sie dichter an die Wand, als könnte sie sich vor ihm verstecken. »Ein Wort, nach dem ich nicht gefragt habe, und ich breche dir das Genick. Verstanden?«
Sie öffnete den Mund, aber Rae drückte ihr mit dem Windstoß die Luftröhre zu. Ihr Gesicht lief rot an. Panisch griff sie sich an die Kehle.
»Verstanden?«, wiederholte Rae.
Sie nickte.
»Gut.« Er ließ los.
Sunara schnappte nach Luft, schlug sich keuchend auf den Brustkorb. Rote Flecken breiteten sich auf ihrem Hals und den Wangen aus. Unter den feuchten Wimpern schaute sie zu Rae auf, verzog den Mund.
Mit einem Kopfzucken schleuderte er sie in die andere Ecke des Raumes. Lautstark krachte sie in einen Stapel zur Seite geschobener Stühle. Holz splitterte und das Krachen musste bis in den untersten Stock hörbar sein. Rae drückte mit seinen Windkräften gegen die Tür, für den Fall, dass jemand versuchte, ins Zimmer zu kommen.
Stöhnend hielt Sunara sich den Kopf. Blut benetzte ihre Hand und bei dem Anblick zuckte sie zusammen. Ein kleines Rinnsal lief an ihrer Schläfe hinab. Wortlos wartete Rae, bis sie sich aufsetzte.
»Sag mir, was du über Mikael und Tahnee weißt.« Bei den Worten drängten sich Bilder in Raes Kopf an die Oberfläche, die er mit zusammengebissenen Zähnen unterdrückte.
Sunara stützte die Hände auf und wollte aufstehen, doch sie schwankte und sackte wieder zu Boden. Mit verengten Lidern strich sie sich über die Stirn, verschmierte das Blut. Ihr Blick huschte zur Tür.