Das Buch der Liebe - Paul Ernst - E-Book

Das Buch der Liebe E-Book

Paul Ernst

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Beschreibung

Unter dem Titel "Buch der Liebe" veröffentlichte Ernst eine Sammlung von Erzählungen aus dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit. Paul Ernst verfasste sowohl Romane, Erzählungen und Novellen als auch Dramen, Essays und Epen.

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Das Buch der Liebe

Paul Ernst

Inhalt:

Paul Ernst – Biografie und Bibliografie

Das Buch der Liebe

Eine wunderbarliche und fast lustige Historie von Herr Tristanen und der schoenen Isalden

Das erste Kapitel

Das zweite Kapitel

Das dritte Kapitel

Das vierte Kapitel

Das fuenfte Kapitel

Das sechste Kapitel

Das siebente Kapitel

Das achte Kapitel

Das neunte Kapitel

Das zehnte Kapitel

Das eilfte Kapitel

Das zwoelfte Kapitel

Das dreizehnte Kapitel

Das vierzehnte Kapitel

Das fuenfzehnte Kapitel

Das sechzehnte Kapitel

Das siebenzehnte Kapitel

Das achtzehnte Kapitel

Das neunzehente Kapitel

Das zwanzigste Kapitel

Das ein und zwanzigste Kapitel

Das zwei und zwanzigste Kapitel

Das drei und zwanzigste Kapitel

Das vier und zwanzigste Kapitel

Das fuenf und zwanzigste Kapitel

Das sechs und zwanzigste Kapitel

Das sieben und zwanzigste Kapitel

Das acht und zwanzigste Kapitel

Das neun und zwanzigste Kapitel

Das dreißigste Kapitel

Das ein und dreißigste Kapitel

Das zwei und dreißigste Kapitel

Das drei und dreißigste Kapitel

Das vier und dreißigste Kapitel

Das fuenf und dreißigste Kapitel

Das sechs und dreißigste Kapitel

Das sieben und dreißigste Kapitel

Das acht und dreißigste Kapitel

Das neun und dreißigste Kapitel

Das vierzigste Kapitel

Das ein und vierzigste Kapitel

Das zwei und vierzigste Kapitel

Das drei und vierzigste Kapitel

Das vier und vierzigste Kapitel

Das fuenf und vierzigste Kapitel

Das sechs und vierzigste Kapitel

Das sieben und vierzigste Kapitel

Das acht und vierzigste Kapitel

Das neun und vierzigste Kapitel

Das funfzigste Kapitel

Das ein und funfzigste Kapitel

Das zwei und funfzigste Kapitel

Das drei und funfzigste Kapitel

Das vier und funfzigste Kapitel

Das fuenf und funfzigste Kapitel

Das sechs und funfzigste Kapitel

Das sieben und funfzigste Kapitel

Das acht und funfzigste Kapitel

Das neun und funfzigste Kapitel

Das sechzigste Kapitel

Eine fuertreffliche, lustige und nuetzliche Historie vom edlen, ehrenreichen und mannhaftigen Ritter Pontus,

Das erste Kapitel

Das zweite Kapitel

Das dritte Kapitel

Das vierte Kapitel

Das fuenfte Kapitel

Das sechste Kapitel

Das siebente Kapitel

Das achte Kapitel

Das neunte Kapitel

Das zehente Kapitel

Das eilfte Kapitel

Das zwoelfte Kapitel

Das dreizehnte Kapitel

Das vierzehnte Kapitel

Das fuenfzehnte Kapitel

Das sechzehnte Kapitel

Das siebenzehnte Kapitel

Das achtzehnte Kapitel

Das neunzehnte Kapitel

Das zwanzigste Kapitel

Das ein und zwanzigste Kapitel

Das zwei und zwanzigste Kapitel

Das drei und zwanzigste Kapitel

Das vier und zwanzigste Kapitel

Das fuenf und zwanzigste Kapitel

Das sechs und zwanzigste Kapitel

Das sieben und zwanzigste Kapitel

Das acht und zwanzigste Kapitel

Das neun und zwanzigste Kapitel

Das dreißigste Kapitel

Das ein und dreißigste Kapitel

Das zwei und dreißigste Kapitel

Das drei und dreißigste Kapitel

Das vier und dreißigste Kapitel

Das fuenf und dreißigste Kapitel

Das sechs und dreißigste Kapitel

Das sieben und dreißigste Kapitel

Das acht und dreißigste Kapitel

Das neun und dreißigste Kapitel

Das vierzigste Kapitel

Das ein und vierzigste Kapitel

Das zwei und vierzigste Kapitel

Das drei und vierzigste Kapitel

Das vier und vierzigste Kapitel

Das fuenf und vierzigste Kapitel

Das sechs und vierzigste Kapitel

Das sieben und vierzigste Kapitel

Das acht und vierzigste Kapitel

Das neun und vierzigste Kapitel

Das funfzigste Kapitel

Das ein und funfzigste Kapitel

Das zwei und funfzigste Kapitel

Historia und Geschicht von Melusina

Das erste Kapitel

Das zweite Kapitel

Das dritte Kapitel

Das vierte Kapitel

Das fuenfte Kapitel

Das sechste Kapitel

Das siebente Kapitel

Das achte Kapitel

Das neunte Kapitel

Das zehnte Kapitel

Das eilfte Kapitel

Das zwoelfte Kapitel

Das dreizehnte Kapitel

Das vierzehnte Kapitel

Das fuenfzehnte Kapitel

Das sechzehnte Kapitel

Das siebenzehnte Kapitel

Das achtzehnte Kapitel

Das neunzehnte Kapitel

Das zwanzigste Kapitel

Das ein und zwanzigste Kapitel

Das zwei und zwanzigste Kapitel

Das drei und zwanzigste Kapitel

Das vier und zwanzigste Kapitel

Das fuenf und zwanzigste Kapitel

Eine fast schoene und kurzwellige Histori von der schoenen Magelona,

Das erste Kapitel

Das zweite Kapitel

Das dritte Kapitel

Das vierte Kapitel

Das fuenfte Kapitel

Das sechste Kapitel

Das siebente Kapitel

Das achte Kapitel

Das neunte Kapitel

Das zehnte Kapitel

Das elfte Kapitel

Das zwoelfte Kapitel

Das dreizehnte Kapitel

Das vierzehnte Kapitel

Das fuenfzehnte Kapitel

Das sechzehnte Kapitel

Das siebzehnte Kapitel

Das achtzehnte Kapitel

Das neunzehnte Kapitel

Das zwanzigste Kapitel

Das ein und zwanzigste Kapitel

Das zwei und zwanzigste Kapitel

Das drei und zwanzigste Kapitel

Das vier und zwanzigste Kapitel

Das fuenf und zwanzigste Kapitel

Das sechs und zwanzigste Kapitel

Das sieben und zwanzigste Kapitel

Das acht und zwanzigste Kapitel

Das neun und zwanzigste Kapitel

Das dreißigste Kapitel

Das ein und dreißigste Kapitel

Das zwei und dreißigste Kapitel

Das drei und dreißigste Kapitel

Das vier und dreißigste Kapitel

Das fuenf und dreißigste Kapitel

Das sechs und dreißigste Kapitel

Das sieben und dreißigste Kapitel

Das acht und dreißigste Kapitel

Das neun und dreißigste Kapitel

Eine schoene und wahrhaftige Historie von Kaiser Karls Sohn genannt Lother,

Das erste Kapitel

Das zweite Kapitel

Das dritte Kapitel

Das vierte Kapitel

Das fuenfte Kapitel

Das sechste Kapitel

Das siebente Kapitel

Das achte Kapitel

Das neunte Kapitel

Das zehnte Kapitel

Das elfte Kapitel

Das zwoelfte Kapitel

Das dreizehnte Kapitel

Das vierzehnte Kapitel

Das fuenfzehnte Kapitel

Das sechzehnte Kapitel

Das siebzehnte Kapitel

Das achtzehnte Kapitel

Das neunzehnte Kapitel

Das zwanzigste Kapitel

Das ein und zwanzigste Kapitel

Das zwei und zwanzigste Kapitel

Das drei und zwanzigste Kapitel

Das vier und zwanzigste Kapitel

Das Buch der Liebe, Paul Ernst

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster

Germany

ISBN: 9783849611910

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Paul Ernst – Biografie und Bibliografie

Deutscher Schriftsteller, geboren am 7. März 1866 in Elbingerode (Harz), verstorben am 13. Mai 1933 in Sankt Georgen an der Stiefing in Österreich. Der Sohn des Grubenaufsehers Johann Christian Friedrich Wilhelm Ernst und dessen Frau Emma Auguste Henriette Dittmann studierte nach seinem Schulabschluss Theologie und Philosophie in Göttingen und Tübingen, später dann Literatur und Geschichte in Berlin. 1892 erfolgte die Promotion. Schon in jungen Jahren schloss er sich der Arbeiterbewegung an und war kurze Zeit Mitglied der SPD. Nach einem Aufenthalt in Weimar, wo viele seiner Werke entstanden, war er Dramaturg am Düsseldorfer Schauspielhaus tätig.

Wichtige Werke:

Ariadne auf NaxosBrunhildCanossaChilderichChriemhildDer schmale Weg zum GlückDas Glück von LautenthalDemetriosDer Schatz im MorgenbrotstalDer Tod des CosimoDie HochzeitDie selige Insel und andere Erzählungen aus dem SüdenKomödianten- und SpitzbubengeschichtenPreußengeistSaat auf Hoffnung

Das Buch der Liebe

Wenn wir heute einen griechischen Tempel betrachten, so haben wir immer ein einfaches und klares Bild. Wohl ist das Dach eingestuerzt, vielleicht liegen die meisten Saeulen in einzelnen Trommeln auf dem Boden, sind figuerliche Schmuckstuecke verschleppt; die bunte Bemalung ist verschwunden und der unbedeckte Stein hat durch Regen, Luft und Licht in Jahrtausenden einen neuen, edlen Ton angenommen; der Boden hat sich erhoeht und die urspruenglichen Verhaeltnisse muessen durch eine Nachgrabung wieder hergestellt werden; aber das alles sind nur Zerstoerungen, die zwar den unmittelbaren Eindruck so gruendlich geaendert haben, wie eine Ruine etwas anders ist als das urspruengliche Gebaeude; der urspruengliche Gedanke des Baumeisters ist immer noch deutlich zu erkennen, denn es hatte nur einen Baumeister gegeben und der hatte nur einen Baugedanken gehabt, und es sind nur sehr selten spaetere Anbauten und Umbauten gemacht, denn die Gegenden veroedeten, in welchen diese Tempel stehen, und die alten Werke wurden nicht zu den andern Zwecken spaeter lebender Generationen verwendet.

Ein ganz anderes Bild gewaehren unsere mittelalterlichen Baudenkmaeler. Viele Meister und mehrere Jahrhunderte haben an ihnen gebaut, und nicht selten ist ein Werk in einem andern Stil angelegt, wie es vollendet wurde: wenn der romanische Baustil ein abgeleiteter und der gothische ein organischer ist, so vereinigt ein derartiges Werk dann die beiden weitesten architektonischen Gegensaetze, welche moeglich sind; die Art der Werke erforderte bestaendige Ausbesserungen, die schon begannen, ehe es noch ganz fertig war; die Zeiten, Verhaeltnisse, Menschen und Ansprueche aenderten sich und die urspruengliche Bestimmung des Bauwerkes wurde geaendert, und damit fanden Umbauten statt, die den ganzen Charakter verschoben und Anbauten, die noch fremder waren; endlich haben die Restaurationen das Urspruengliche noch mehr verdeckt, verdorben und verschoben, und heute ist nicht nur der unmittelbare Eindruck ganz anders wie er gedacht war, auch mit den muehsamsten Rekonstruktionen ist oft nicht einmal fuer den Verstand ein Bild des urspruenglich Gedachten zu gewinnen.

Diesen Bauwerken gleicht unsere mittelalterliche Literatur. Sie kann nicht jene unmittelbare Wirkung erzeugen, wie die antike Literatur; aehnlich den Bauwerken wirkt sie zunaechst im ganzen durch etwas Pittoreskes, Willkuerliches, Wunderliches und reizvoll Unverstaendliches, das dann doch eine geheime Bedeutung ahnen laeßt: durch das, was man im neunzehnten Jahrhundert »romantisch« nannte; es fallen einzelne Schoenheiten auf, die in unendlicher Fuelle an den verborgendsten Stellen der Werke verstreut sind, eine scheinbare Unerschoepflichkeit der Phantasie, eine Urspruenglichkeit und Naivitaet der Empfindung und Frische der Darstellung, die nicht unter dem Zwang eines allgemeinen Plans leidet. Unmoeglichkeiten, Widersprueche, ein Sprengen jeder Form reizen und stoßen ab, verdrießen und geben zu Nachdenken Veranlassung, scheinen auf Oberflaechlichkeit und auf Tiefe zu deuten, und wie das Spiel von Licht und Schatten, das den eigentlichen kuenstlerischen Reiz eines gothischen Bauwerkes ausmacht, scheint zuletzt der Reiz in etwas Wesenlosem zu liegen.

Der leidenschaftlichen, duestern, sprunghaften, stolzen, unsinnlichen, tragischen Psyche der nordischen Volker entsprach wunderbar das so widerspruchsvolle, tiefe und nie zu ergruendende Christentum: was wir heute als Christentum empfinden, das ist die Schoepfung der nordischen Voelker, nicht der spitzfindigen dogmatisierenden Griechen, und der organisierenden herrschsuechtigen Roemer. Aus diesem Geist des nordischen Christentums ist die gesamte mittelalterliche Poesie entsprungen bis zu der großen Invasion orientalischen Geistes seit den Kreuzzuegen; hier liegen auch die letzten Wurzeln der meisten jener Werke, die wir heute als Volksbuecher bezeichnen.

Die erste Erzaehlung unserer Sammlung, Tristan und Isalde, hat die typische Entwicklungsgeschichte.

Der Name Tristan soll aus der Sprache der alten Pikten stammen, Isalde aus dem Nordgermanischen. Moegen die Pikten Kelten gewesen sein oder vorindogermanischen Ursprung haben, jedenfalls hatten sie sich, als die Geschichte von Tristan und Isaldens Liebe entstand, schon mit den keltischen Bewohnern Britanniens vermischt. Wie die Lokalitaeten der Erzaehlung teils keltischer, teils nordgermanischer Boden ist, so deuten denn also auch die beiden Hauptnamen auf die beiden durch Krieg und Handel in naher Beziehung stehenden nordischen Voelker.

Schon die aelteste, durch Rekonstruktion zu erschließende Fassung der Geschichte weist einerseits solche Widersprueche, andrerseits so in sich abgeschlossene Episoden auf, daß man wohl vermuten darf, urspruenglich seien einzelne Balladen, gedichtet und gesungen von den Saengern der keltischen Fuersten und Herrn vorhanden gewesen, die von dem beruehmten Liebespaar handelten. Vielleicht liegen alte Mythen zugrunde, vielleicht eine verworrene geschichtliche Ueberlieferung, vielleicht eine poetische Deutung uralter Denkmaeler und Ruinen oder halbverklungener Verse und unverstandener Worte; jedenfalls haben jene alten Saenger schon abgerundete, in sich motivierte Episoden in dichterischer Darstellung erzaehlt.

Es muessen damals bei den Kelten eine große Menge derartiger Geschichten und Gedichte vorhanden gewesen sein, und die keltischen Saenger hatten in jenen fruehen Zeiten in den noerdlichen Laendern, Frankreich eingeschlossen, einen großen Ruf. Von einzelnen Dichterpersoenlichkeiten ist uns nichts bekannt; indessen muß man sich hueten, in die herkoemmlichen falschen Vorstellungen von Volkspoesie zu verfallen; die Verfasser jener Gedichte, die Entwickler jener Sagen waren bewußt schaffende Dichter; nur, daß damals die Existenz des Dichters auf dem gesangsartigen Vortrag von Verserzaehlungen ruhte, daß es fuer ihn wichtig war, viele solche Erzaehlungen vortragen zu koennen, daß gewiß nicht jeder Saenger ein selbstaendiger Dichter war, daß der Einzelne eigene und fremde Dichtungen vortrug und an letzteren wahrscheinlich auch aenderte: wie aehnlich in jenen Zeiten Abschreiber und Schriftsteller nur schwer zu trennende Personen sind.

Ein großer Teil jener keltischen Balladen wurde von nordfranzoesischen Dichtern geordnet, einigermaßen unter einander in Harmonie gebracht und so zu Versromanen verarbeitet. Hier haben wir festern Boden unter den Fueßen.

Der erste dieser Erzaehler ist Beroul; sowohl von seinem Werk wie von der deutschen Uebersetzung des Eilhard von Oberge, sind nur Bruchstuecke erhalten; aber unserem deutschen Volksbuch liegt eine spaetere Ueberarbeitung des Eilhardschen Werkes zugrunde. Man setzt das Werk des Beroul in die Mitte des zwoelften Jahrhunderts; Eilhard wird in Urkunden von 1189-1207 erwaehnt, also etwa ein Menschenalter nach der Abfassung des Beroulschen Werkes; man sieht, wie schnell doch in diesen Zeiten, auch ohne Buchdruckerkunst, sich dichterische Werke verbreiten konnten. Ein zweiter Erzaehler, der etwas spaeter war und bereits kuenstlicher scheint, war Thomas; nach ihm und spaeter wie Eilhard hat unser Gottfried von Straßburg um 1215 sein Gedicht geschrieben.

Die Zeit und Verhaeltnisse, aus denen die alten keltischen Balladen stammten, veraenderten sich bis zu Gottfried außerordentlich: es entwickelte sich das Rittertum, die Hoefischkeit, eine ganz neue Gesellschaftsorganisation mit neuen Anschauungen, Empfindungen, Sitten und Zustaenden. Es war damals selbstverstaendlich, daß man die alten Geschichten diesen neuen Zeiten anpaßte, und so wurde alles Urtuemliche ins Ritterliche uebersetzt. Daraus entstehen dann manche Unmoeglichkeiten: der alte barbarische Vorgang bleibt, die chevalreske Sitte paßt nicht mehr zu ihm; die urspruengliche starke Empfindung, welche die Grundlage der Handlung ist, kann nicht geaendert werden, aber sie wird nun hoefisch ausgedrueckt.

Wenn man – ziemlich willkuerlich – die alten keltischen Balladen um 900 ansetzt, Beroul ziemlich sicher um 1150, und Gottfried sicher um 1215, so haette man also bereits drei Jahrhunderte unserer Geschichte.

Die alten Versromane – so und nicht Epen muß man die Erzaehlungen nennen – wurden spaeter in Prosa aufgeloest. Jene Versromane setzten noch eine Zeit voraus, in der wenig Menschen, welche die Dichtung liebten, lesen und schreiben konnten; ihre Versifikation hat nicht die Bedeutung einer poetischen Form, sondern sollte dazu dienen, sich dem Gedaechtnis leichter einzupraegen. So ist der Vers in ihnen denn selten nach kuenstlerischen Absichten behandelt, und namentlich bei den deutschen Bearbeitungen entsteht durch die Reimarmut der Sprache oft eine ermuedende Weitschweifigkeit. So bedeutet die Prosaaufloesung in den meisten Faellen eine Verbesserung. Aber auch jetzt noch koennen wir die erste Entstehung ganz deutlich erkennen; der aelteste Redaktor oder Erzaehler, der aus den einzelnen Liedern den Versroman zusammenstellte, sammelte unbekuemmert Alles, was auf die Personen seines Epos Bezug hatte, auch wenn es nicht zur Haupthandlung gehoerte, und so finden wir fast immer lange Erzaehlungen von Vorgaengen mit den Eltern oder Vorfahren der eigentlichen Helden am Anfang, und nicht selten Erzaehlungen von Geschichten ihrer Nachkommen, in noch spaeteren Zeiten, als die nun feststehenden Romane schon gebildet waren, wurde es eine Form der Nachahmung, daß ein spaeterer Erzaehler dem Helden einen Sohn gab und dessen Leben, oft mit denselben Motiven; weiter erzaehlte als ein neues Buch. Fuer diese Art klassisch sind dieReali di Franciawo man bei den einzelnen Buechern die aus Unbehuelflichkeit zunehmende Kunst der Erzaehler zu einem Hoehepunkt und dann die in leerer Nachahmung abnehmende Faehigkeit am klarsten beobachten kann. Im vollen Licht der Literaturgeschichte geht dieser Prozeß bei den Amadis und Palmerieromanen vor sich, den letzten Ritterromanen.

Unser Tristan wurde, wie schon erwaehnt, nach dem Gedicht des Eilhard in Prosa aufgeloest und ist dadurch von dem franzoesischen Prosaroman verschieden. Der erste Druck stammt noch aus dem fuenfzehnten Jahrhundert; mit einer leichten Erneuerung und starken Interpolationen wurde er in Feyerabends »Buch der Liebe« aufgenommen, von dem er dann weiter abgedruckt wurde.

Herkoemmlich nennt man schon jene alten Drucke »Volksbuecher«. Aber man braucht nur den Titel des Buchs der Liebe von 1587 und seine kostbare Ausstattung anzusehen, um sich zu sagen, daß diese Buecher damals noch fuer dieselbe gesellschaftliche Klasse bestimmt waren, wie die alten Versromane, naemlich zunaechst fuer den Adel und dann etwa das gebildete Buergertum;, der Titel widmet die Sammlung ausdruecklich: »Allen hohen Standespersonen, Ehrliebenden von Adel, zuechtigen Frauen und Jungfrauen, auch jedermann ingemein«, kurz, denselben Personen, fuer welche der ebenso gedruckte Amadis bestimmt war.

Diese gesellschaftliche Klasse hatte sich aber in den Jahrhunderten sehr geaendert. Der Feudalismus loeste sich auf, eine neue Gesellschaftsform begann sich zu bilden. Das alte Rittertum war geschwunden, die alten chevaleresken Empfindungen waren leere Phrase geworden, die alten Sitten bloße Form, aus dem Adel entwickelten sich die Berufssoldaten, die Hofleute und hoeheren Beamten; die letzten Ritterromane klapperten nur noch mit einem leeren Gehaeuse, und da sie von elenden Nachahmern geschrieben wurden, indeß die wirklichen Dichter der Zeit sich nach anderer Richtung wendeten, verfielen sie in Albernheit und wurden von Cervantes mit Recht verspottet, der schon lebte, als das Buch der Liebe gedruckt wurde. Auch unser Tristan blieb nicht unberuehrt von diesen Veraenderungen; ihnen verdankt er weitschweifige Interpolationen und moralisierende Betrachtungen.

Die Renaissance, die Reformation und dann der dreißigjaehrige Krieg erzeugten einen Bruch in unserer literarischen Entwicklung; die hoeheren Klassen wendeten sich von der mittelalterlichen Literatur ab und vergaßen sie; aber noch rechtzeitig hatte sie sich ins Volk gerettet, wie die Minnelieder ins Volk kamen und dort zu Volksliedern gewunden wurden, oder neue Volkslieder erzeugten, so wurde die aeltere Erzaehlungsliteratur nun vom Volk gekauft. Der Uebergang war allmaehlich; in den ersten Zeiten der Buchdruckerkunst wurden alle Buecher auf den Jahrmaerkten verkauft; waehrend die neuere Literatur spaeter einen anderen Vertrieb fand, blieb diese Art des Verkaufs fuer die aelteren bestehen, und allmaehlich, wie sich der Stand der Kaeufer aenderte, aenderten sich auch die Drucker und Verleger: nicht mehr die fuehrenden Firmen wie Stayner, Knoblauch, Feyerabend druckten diese Schriften mit schoenen Holzschnitten von den großen Meistern des Holzschnitts auf vorzueglichem Papier, sondern geringe Drucker erwarben die alten Holzstoecke und druckten auf schlechtem Papier, mit unzaehligen Druckfehlern Jahr fuer Jahr diese alten Buecher neu, bis die Bilder kaum noch zu erkennen waren und die Texte immer unverstaendlicher wurden. Gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts gingen oft die Behoerden aus Gruenden der Aufklaerung gegen die Schriften vor, und zum mindesten galten sie aber gaenzlich unsinnig und toericht. Die Romantiker brachten sie zuerst wieder zu Ehren, und seitdem hat man sie verschiedentlich erneut und in besondern Sammlungen herausgegeben.

In diesem Abdruck von Tristan und Isalde sind nur die spaeteren Interpolationen und weitschweifigen Reden gestrichen.

Pontus und Sidonia ist die Uebersetzung eines franzoesischen Ritterromans, von einem spaeteren Erzaehler, der bereits die alten Motive bewußt neu verwendet; aber das anmutige Werkchen gehoert noch zu den guten Ritterromanen.

Melusina ist Ende des vierzehnten Jahrhunderts von Jean d' Arras in Prosa geschrieben und dann ins Deutsche uebersetzt. Es liegen alte Sagen zugrunde, die dem Verfasser vielleicht noch in ihrer urspruenglichen Versform bekannt waren. Die Sagen knuepfen sich zum Teil an die Lokalitaet des Schlosses der Melusina und waren noch im achtzehnten Jahrhundert in der Gegend lebendig, zum andern Teil scheinen sie aus der alten Geschichte der Lusignans zu stammen. Der Herausgeber hat die fuer sich selbstaendige Geschichte von Melusina und Reymund allein abdrucken lassen, die anorganisch mit ihr verbundene Geschichte der Nachkommen, die viel ungestalteten Stoff enthaelt, aber fortgelassen.

Auch Magelone stammt aus dem Franzoesischen, aus einem spaeteren Ritterroman, der aber zu den schoensten seiner Art gehoert.

Ganz deutsch scheint nur die Geschichte der Genovefa zu sein. In unsere Volksliteratur ist sie durch ein franzoesisches Buch eines Jesuiten Cériziers aus dem achtzehnten Jahrhundert gekommen, der die Geschichte schlecht und im Jesuitengeschmack erzaehlt; man hat seitdem aber eine alte lateinische, angeblich gleichzeitige Aufzeichnung der Legende gefunden, aus der sie der Herausgeber neu uebersetzt hat. Die Legende ist in der Gegend noch lebendig und man zeigt noch die in der Erzaehlung erwaehnten Lokalitaeten.

Als letzte Schrift enthaelt die Sammlung den Ritterroman Lother und Maller; Verfasserin ist eine Herzogin Margaretha von Lothringen, Graefin von Widmont, welche 1405 den Roman in italienischer Sprache schrieb: die deutsche Uebersetzung stammt von ihrer Tochter Elisabeth, Graefin von Nassau-Saarbruecken. Das Buch wurde nicht zum Volksbuch durch irgend einen Zufall, verdient aber, mit den andern Schriften zusammen abgedruckt zu werden.

Paul Ernst

Eine wunderbarliche und fast lustige Historie von Herr Tristanen und der schoenen Isalden

eines Koenigs aus Irland Tochter, was sie vor große Freude mit einander gehabt haben, und wie dieselbige Freude ganz trauriglich zu einem Ende vollbracht ward: sehr lieblich zu lesen.

Das erste Kapitel

Wie der Koenig Marchs seine Schwester Blankeflor vermaehlet dem Koenig Ribalin von Johnoys.

Es war ein Koenig mit Namen Marchs von Kurnewal, er haet etwann lange große Kriege wider den Koenig von Schotten. Als das nun eine lange Zeit gewaehret hatte, da kam Koenig Ribalin von Johnoys mit großer Macht Koenig Marchsen zu Huelf', und dienet' ihm wohl und lang, bis der Krieg gestillet ward. Auch gefiel demselben Ribalin das Wesen daselbst wohl; denn der Koenig hatte eine sehr schoene Schwester, mit Namen Blankeflor, gegen die ward Ribalin in Liebe entzuendet, und hub an sie lieb zu haben, desgleichen sie ihn herwieder, doch heimlich, ihm und allermaenniglich unwissend. Jedoch merket' und verstund Ribalin in ihm selbst, daß seine Liebe gegen sie nicht umsonst, sondern ein Wiedergelten da waere; das war ihm Ursache, mit Wesen da zu bleiben, so lang' als er moechte. Er ward in allen Geschaeften und Haendeln desto fleißiger, damit er sich den Koenig willig und guenstig machte. Dann kurz, er hielt sich so wohl, daß er die Jungfrau erwarb, und ihm der Koenig sie mit gutem Willen ehelich vermaehlete.

Das zweite Kapitel

Wie Tristan auf der See geboren, und bei seinem Vater am Hof erzogen ward.

Es stund nicht lange nach dieser beider Beiliegen, daß die Frau schwanger wurde. Da ward Ribalin mit seinem Schwager Koenig Marchsen eins, seine Frauen mit ihm heim zu fuehren in sein Koenigreich Johnoys; das ward ihm also vergoennet. Als sie nun auf die See kamen, und durch Ungewitter lang' umfahren mußten, nahete sich die Frau zu der Geburt, und ward ihr also wehe, daß sie nicht genesen mocht', und starb. Da ward von dem todten Leib ein Kind geschnitten und bei dem Leben behalten. Dasselbe Kind wuchs hernach, und ward ein mannlicher, theurer Held, genannt Tristan: von dem diese Historie sagt. Was großer Klag' und Traurigkeit da ward von dem Koenig, seiner Ritterschaft und allem Volk, so bei ihm war, davon waere viel zu sagen; denn ein jeder, der wahre Liebe recht versucht hat, erkennt auch wohl, was großes Leids und Schmerzes nachfolget. Jedoch ward die Klag' und das Leid verwischet und ein Theil gestillet, da ihm Gott der Herr das Kind leben ließ. Das fuehret' er mit ihm heim zu Lande, gab es den Ammen, fein zu pflegen und zu warten, als Kindern nothduerftig ist, und koeniglicher Art zugehoeret; so lange, bis er zu Vernunft kam, in Buechern zu lernen. Da ward ihm zugegeben ein Meister der Geschrift und aller anderer Behendigkeit, mit Namen Kurnewal. Als er ihn der Buecher unterrichtet haet, lehret' er ihn darnach Behendigkeit und Geradigkeit, mit Ringen, Laufen, Springen, Steinwerfen, den Schaft schießen, mit dem Speer und mit Schwert, auch alles andere, was zu der Ritterschaft gehoeret. Er lehret' ihn auch dabei milde sein und wahrhaftig, was er geredet' und verhieße, daß er derer keines nimmer braeche; denn wo er mit Werken oder Worten, die er verheißen haette, sich vergaeße, und deren nicht hielte, so wuerde er bald Gott und der Welt unwerth. Er befahl ihm auch insonderheit, alle Frauen zu ehren, und denen zu dienen mit Leib und Gut, und von Kurzweile zu sagen mit Zuechten. Er kehret' allen Fleiß fuer, er zog und hielt ihn in Uebung zu allen Tugenden. Der junge Herr hub an dem Meister nachzufolgen, in allem, so er ihn lehren konnt' und mochte. Er wuchs auch fast in Tugenden und andern guten Werken, so koeniglicher Art wohl anstehen, mit Milde, Mannheit, staet, wahrhaft, und bescheiden, also, daß niemand einiges Mißfallen an ihm vermerken konnte. Dazu haet ihm die Natur einen erwuenschten Leib geformiret, nach aller Gliedmaß gar unstraeflich, nichts an ihm vergessen, und war auch wohlgefaellig jedermann anzusehen.

Das dritte Kapitel

Wie Herr Tristan Urlaub begehrete von seinem Vater, fremde Land zu besehen.

Als nun Tristan dazu kam, daß er in der Noth etwas leiden mochte, rieth ihm sein Meister Kurnewal, daß er Urlaub begehrte von seinem Vater Ribalin, auf daß er andere Land' und Sitten sehen und erfahren moecht', und sich nicht also in seinem eigenen Vaterland verlaege, sondern daß auch in fremden Landen sein Nam' und seine Thaten offenbar und erkannt wuerden. Auf solches ging Herr Tristan zu dem Koenig seinem Vater, und sprach zu ihm: »Herr und Vater, ich bitte euch mit Unterthaenigkeit, wollet mir euern Urlaub geben, auch dazu helfen mit Gesinde, und was mir zu solcher Reise nothduerftig sein wird; denn ich habe mir fuergenommen, mit eurer Huelf' und Gunst, fremde Lande zu erfahren, und andere Sitte und schoene Gebaerde zu erlernen, so ich von andern Landen sagen hoere.«

Das vierte Kapitel

Wie Herr Tristan mit seinem Heer in Kurnewaelisch Land fuhr.

Da Koenig Ribalin erhoerte das Fuernehmen seines lieben Sohns, gefiel es ihm wohl und sprach: es gefiel' ihm, daß er sich so jung in andere Lande zu fahren begeben wollte; dazu wollt' er vaeterlich helfen mit aller Kost und Zehrung, so er beduerfte. Er schuf bald mit seinem Hofmeister, was Kurnewal begehrt' und haben wollte, nichts hierin ausgeschieden, sollte man ihm nach dem allerbeßten und reichlichsten geben. Das ward also vollbracht. Auch wurden besonders geladen zween Saeumer mit Gold, Silber und den allerkoestlichsten Kleidern. Kurnewal nahm am Hofe zween Jungherrn und acht Knaben edeler Geburt. Als er nun zugerichtet und ganz abgefertigt war, nahm er Urlaub von dem Koenig seinem Vater und von allem Hofgesinde. Der Koenig gab ihm vaeterlichen Segen, befahl ihn Gott dem allmaechtigen und Maria seiner Mutter, auch seinem Meister Kurnewal, in große Hut.

Also fuhr das kleine Heer von Johnoys ueber Meer in Kurnewaelisch Land. Als sie nun schier zu Lande kamen, bat Tristan seine Diener, daß sie niemand sagten, wer oder von wannen er waere, noch sein Geschlecht offenbarten; und thaet das aus Listigkeit. Mit diesen Worten gingen sie von dem Schiff, saßen auf ihre Pferd', und ritten in Koenig Marchsen Hof. Da ward Herr Tristan ehrlich empfangen. Er dankte dem Koenig, und begehrt', ob er sein beduerft', und ihn zum Diener haben wollte? darum er kommen waer', auch keinen andern Herrn wueßte, dem er vor ihm dienen wollte; denn er haette so viel Zucht und Ehre von ihm und seinem Hof gehoert, darum er sich, fuer alle andere Herrn, haette fuergenommen, ihm zu dienen. Solches Erbieten nahm der Koenig in großem Gefallen auf, und sagt' ihm zu, daß er ihn gern zum Hofgesinde haben wollte. Hierauf ward berufen ein Herzog, mit Namen Thinas, der war des Koenigs Truchseß. Er war getreu und ganz fromm, und was in dem koeniglichen Hof zu thun war, mußt' alles durch sein Geschaeft geschehen; diesem ward Tristan befohlen, daß er ihn hinfort in seiner Acht und Sorgfaeltigkeit haben sollte. Der benannte Herzog Thinas nahm den jungen Herrn in seine Pfleg', und hielt ihn mit allen Dingen wohl, und mit solchem großen Fleiß, als ob er sein leiblich Kind waere. Er bat auch alles Hofgesinde, daß sie Tristanen vor Augen hielten und ihm dienten, als ihrem eignen Herren. Solches konnte Herr Tristan um sie alle wohl verschulden, also, daß ihn jedermann werth, lieb und schoen hielt; denn er befließ' sich aller Tugend und Froemmigkeit. Also war er eine Zeitlang an des Koeniges Hofe, daß ihn bedaucht', er waere nun wohl dazu geschickt, daß er ein Ritter werden moecht', und man ihm das Schwert geben sollt'; als auch kuerzlichen geschah.

Das fuenfte Kapitel

Wie Morholt von Irland von dem Koenig Marchsen Zins fordert.

Zu der Zeit war ein Held ein Irland, mit Namen Morholt, der war ein sehr starker Mann und hatte allein vier Mannes Staerke. Der Koenig von Irland hatte seine Schwester, der hielt ihn also bei sich; denn er war ihm sehr nuetz und bezwang mit seiner Mannheit alle die Lande, so um Irland gelegen waren, daß sie ihm mußten Zins geben; bis an Kurnewaelisch Land, davon er ihn auch manchmal fordert. Aber Koenig Marchs hatte sich deß allezeit enthalten und Widerstand gethan. Da aber Morholt solches vernahm, beschweret' er sich darum, und meinet', er waere selbst desto ringer und leichter an seinen Wuerden und Ehren, so er ihm das Land nicht unterthaenig machet', und schwur darauf eine Heerfahrt: er wollte den Leib verlieren, oder das Land bezwingen.

Er nahm mit sich ein groß Heer und fuhr hinweg. Als er nun ueber Meer kam, beschickt' er den Koenig Marchsen und entbot' ihm, er sollt' ihm den Zins schicken, den er fuenfzehen Jahr durch seine Stolzheit uebermuethiglich versessen haette. Auch hieß er ihm sagen, ob er einen Mann haette, der ihn bestehen duerfte, mit dem wollt' er kaempfen: gesieget' er demselbigen ob, daß ihm dann Koenig Marchs mueßte unterthaenig sein, gesieget' ihm aber dieser ob, so wollt' er Koenig Marchsen frei und forthin unbezwungen lassen. Doch wollt' er zuvor den Zins oder Tribut haben, und hieß dem Koenig sagen, was er fuer Zins begehrete: vor allen Dingen wollt' er haben alle Menschen, die da bei fuenfzehen Jahren alt waeren, Knaben und Maidlein; wollt' er ihm die geben, das waere gut, wollt' er aber nicht, so wollt' er sie mit Gewalt nehmen. Die Knaben mueßten sein eigen sein, und die Maidlein wollt' er daheim in das offene Frauenhaus thun, daß sie ihm Geld gewinnen mueßten. – Hoert, wie eine schaendliche und unbescheidenliche Botschaft war das von einem Koenig, deren er sich billiger geschaemet sollte haben zu gedenken, denn daß er es ueberlaut hieße ausrufen! – Indem kamen seine Boten zu Koenig Marchsen und sagten ihm die Botschaft, deren er sehr erschrak, und klagete das Gott dem allmaechtigen heimlich in seinem Herzen, und gab keine Antwort darauf. Denn er schrieb und schicket' aus in alle Land, allen Fuersten und Herrn, daß sie zu Angesicht des Briefs zu Hof kaemen, und sich nichts darin irren ließen, denn er beduerft' ihrer zur Roth.

Das sechste Kapitel

Wie Herr Tristan ward zu Ritter geschlagen, und sich verwilligete mit dem Morholt zu kaempfen.

Dieweil nun solches Schreiben ausgesandt ward, beredete sich Tristan mit seinem Meister Kurnewal, den Kampf selbst zu thun, und vermeinete, das an den Koenig zu begehren; aber Kurnewal widerrieth ihm das, und meinet', er waere der Jahr' und Kraefte noch zu jung und klein wider einen so starken Mann. Aber Tristan schaetzete sich nicht minder an der Staerke, denn Morholt war, und bat mit Fleiß, ihm sein Fuernehmen nicht abzuschlagen, sondern dazu zu helfen, daß ihm der Kampf erlaubt wuerde. Kurnewal sagte, daß kein Mann nie ward, dem er so viel Ehren und Gutes goennte, dem er auch lieber dazu helfen wollte, denn ihm; dieweil er aber je fechten wollte, waere seine Meinung, daß er den Koenig vor gebeten haette, daß er ihn zu einem Ritter schluege: so moecht' er mit desto groeßern Ehren kaempfen.

Tristan folgete diesem Rath, und ging hierauf zu Herzog Thinas, dem er vom Koenig befohlen war, saget' ihm sein Fuernehmen der Ritterschaft halben, und verhehlete den Kampf.

Das gefiel dem Herzog wohl; er ging mit ihm zum Koenig, und baten beide, daß er Tristanen zu Ritter schluege. Der Koenig aber haette es ihm gern abgeschlagen und seiner Jugend halben noch ein Jahr verzogen; aber sie baten mit so großem Ernst, daß ihn der Koenig nicht laenger aufhalten mochte, sondern schlug ihn zum Ritter, und sechzig andere Jungherrn mit ihm. Dies alles geschahe in sieben Tagen.

In der Zeit waren etliche Fuersten und Herrn gen Hof kommen. Herr Tristan ritt mit seinen Schildgefaehrten auch dar. Als man ihn da sah, ward er fuer alle andere sehr gelobet und gepreiset in allen seinen Haendeln. Als er aber vernahm, daß er fuer die andern fuergenommen und gepreist ward, gab ihm solches je mehr und mehr Ursache zur Kuehnheit, und er wurde dadurch sehr gestaerket und zur Mannheit gereizet.

Als nun die Herrn und Ritterschaft alle zu Hof kamen, sagt' ihnen der Koenig die Botschaft, so ihm Morholt gethan haette, leget' ihnen die klaeglich fuer, begehrte darauf Raths, was ihm und ihnen zum nuetzlichsten hierin zu thun waere, dem wollt' er gern folgen, und daß sie darnach saehen, ob man nirgends unter ihnen allen einen finden moechte, der Morholten allein bestehen wollte. Darauf gingen sie zu Rath, gar nahe einen ganzen Tag, und konnten unter ihnen allen keinen finden, der sich's annehmen wollte. Deß ward Herr Tristan inne, und ging zu ihnen in den Rath, und fragete, was die Sachen waeren, darin sie so lang Rath haetten? Das ward ihm gesagt. Da sprach er: »Es sind doch viel stolzer Ritter hie, aus denen sich billig einer deß annaehme; so aber keiner unter ihnen ist, so will ich mich williglich von unser aller wegen darein geben, und bitte euch alle, das mir bei dem Koenig zu erlangen, daß mir der Kampf erlaubet werde.« Das gelobten sie ihm alle; doch riethen sie ihm, er sollte sich vor wohl bedenken, und sich deß nicht so liederlich annehmen, denn er waere sehr jung und unerfahren, aber Morholt waere solcher Kraeft' und Mannheit, daß seines gleichen nie gesehen waere; darum wollten sie es nicht rathen. Aber Herr Tristan war aller Furcht und Zagheit frei, antwortet' aus mannlichem Herzen, und sprach: »Ich getrau' euch wohl, und bitte euch, daß ihr mir helfet, daß mir der Kampf zugelassen werde; denn ich hoffe, ich wolle uns allen Ehr' und Sieg erfechten. Wer weiß, vielleicht goennet mir Gott des Siegs; denn er ist je den Rechten beistaendig und schlaegt die Hoffaertigen mit ihrer eigenen Bosheit und Unrecht.« Da nun die Herrn seine Mannheit und Ernst hoerten und sahen, wurden sie alle froh; jedoch war ihnen schwer, solche große Sach' an einen so jungen Ritter zu lassen, der gegen Morholt als ein Kind zu schaetzen war. Aber Herr Tristan gab ihnen guten Trost, dadurch sie alle gestaerkt wurden, und vermahnete sie hierauf, zu dem Koenig zu gehen, ihm zu sagen, daß sie einen unter ihnen haetten, der sich der Sache wider Morholten angenommen haette; sie sollten ihn aber nicht nennen, bis ihnen der Koenig gelobt, ihm den Kampf zuzulassen.

Mit dem gingen sie alle zu dem Koenig und sagten ihm die Botschaft; da ward er gar sehr erfreuet, und sprach: »Wer ist der Ritter oder Knecht? Er sei eigen oder frei, so soll er meine Huelfe, Gunst und Rath dazu haben, in allem, was er dazu haben soll; ich will ihm auch solches nicht unbelohnet lassen.« Morholts Boten waren zugegen, und sagten: ihr Herr wollte mit keinem fechten, er waere ihm denn gemaeß; darum wollten sie wissen, von was Art und Geschlecht der waere, daß sie das ihrem Herrn wueßten zu sagen. Hierauf antwortete Herr Tristan, sie sollten ihrem Herrn sagen, er waere von Art so frei, als er: »denn Blankeflor ist gewesen meine Mutter und Koenig Ribalin von Johnoys mein Vater, und ich bin Koenig Marchsen Schwester Sohn.« Da der Koenig das hoerete, ward er erfreuet, und auch betruebt: erfreuet, daß der so mannlich war und sich des Kampfs angenommen haette, betruebet, daß sich seiner Schwester Kind in solche Noth begeben haette; und bat Tristanen mit großem Ernst, daß er den Kampf unterließe. Da antwortete Herr Tristan: »Sollte Morholt also ungefochten von hinnen scheiden, so hielt' er uns alle fuer zaghaft, und nicht unbillig, so wir uns also Land, Leut' und Gut, ohn' alle Wehr nehmen ließen; wir haetten auch billig den Spott zum Schaden.« Der Koenig sprach: »Deß darfst du dich nicht so hoch besorgen, es ist dir weder Schande noch Unehr'; und bitte dich, lass' von deinem Fuernehmen, denn ich will diesen Kampf von dir nicht haben.« Hierauf antwortete Herr Tristan gar hoeflich, und sprach: »Herr, wo es an eure Ehr' und Glimpf gehet, da werd' auch ich zu beiden Seiten angerennet: darum will ich sterben, oder den Sieg behalten.« Als der Koenig sah, daß all sein Bitten umsonst war, ward er zornig und sprach: »Nun mußt du mir nicht kaempfen, es sei dir lieb oder leid.« Da Tristan hoerete, daß ihm der Kampf sogar versagt sollte sein, vermahnet' er den Koenig der Geluebd' und Treue, so er den Fuersten haette gethan, damit ihm der Kampf erlaubt und bestaetiget worden waere. Mit dem erhielt er, daß ihn der Koenig mußte kaempfen lassen. Und er entbot Morholten, daß er am dritten Tage zu rechter Kampfs Zeit allein auf den Werder kaem', und alle seine Herrn hinter sich ließ', er wollt' ihm auch nur mit einem Mann zu kaempfen genug geben, der wuerd' ihm den Zins mitbringen, den er viel zu lang versessen haette.

Die Boten eilten zu ihrem Herrn, und sagten ihm die Geschichte ganz und gar. Morholt fragete, wer der waere, der mit ihm kaempfen wollte, auch wenn und wo der Streit wuerde? Das sagten sie ihm alles. Hierauf ruesteten sich beide Theile, als zum Streit gehoeret.

Als der gesatzte Tag kam, hieß der Koenig Marchs fuer sich bringen den allerbeßten Harnisch, so er haette, wappnete seinen Neffen selbst darein, mit großem Fleiß, und gab ihm ein Schwert: wohin das mit Kraeften geschlagen ward, mochte kein Stahl vor ihm bestehen; und befahl ihn Gott dem allmaechtigen mit weinenden Augen in seine Hut, daß er sein Helfer waer', und ihn mit Gesundheit herwieder schickete. Er kuesset' ihn, druecket' ihn an seine Brust; und ruften beide, er und alles Volk, um Huelfe gen Himmel.

Das siebente Kapitel

Wie Herr Tristan auf den Werder fuhr mit Morholten zu kaempfen, und den Kampf allda gewann.

Als nun Herr Tristan also geruestet war, ging er zu Schiffe, nahm mit ihm sein Pferd, Schild und Schwert, und fuhr allein auf den Werder. Viel guter Segen wurde ihm nachgesprochen und des Siegs gewuenscht.

Morholt der kam ihm entgegen gefahren, der heftete sein Schiff an, und stieß Herr Tristanen seines fern hindann. Der sprach: »Held, warum thust du das?« Er antwortete: »Wir sind beide herkommen, daß wir Schaden oder Frommen hie hohlen wollen.« Herr Tristan sprach: »Ei, der kommt wohl von hinnen, welcher den Sieg behaelt, das weiß ich fuerwahr.« Da sie also mit einander redeten, bat Morholt der starke, Herr Tristanen fleißig, daß er sich des Fechtens abthaet', und mit ihm zu Lande fuehr', er wollte mit ihm theilen, was er haett', und sein Erbe halb geben, denn sollt' er ihn erschlagen, das waere ihm inniglichen Leid. Herr Tristan sprach: »Das thu' ich ungern, doch sofern, da du den Koenig frei lassest und forthin unbekuemmert.« Morholt sprach: »Das mag nicht sein, Koenig Marchs wird nicht frei gelassen; denn wer das vernaehme, moechte meinen, ich thaete das aus Furcht.« Da sprach Herr Tristan der kuehne Held: »So sei dir widersagt; denn ehe du den Zins gewinnest, sollte dir lieber sein, du haettest ihn nie gefordert.« Als er diese Worte redete, saßen sie beide auf ihre Pferde und eileten mit großem Zorn auf einander, und stach einer den andern durch den Schild, und ward Herr Tristan wund. Sie ritten abermals mit großen Kraeften zusammen: da stach Herr Tristan Morholten vom Pferd, und er ward zum andern mal wund von einem vergifteten Speer, das auf ihn zerstochen und zerbrochen ward. Morholt sprang bald wieder auf und lief Herr Tristanen zu Fuß an; da sprang der kuehne Held auch vom Pferd, und sie erhuben einen solchen ernsthaften Streit, als von zweien Mannen je gesehen ward, und trieben einander lang hin und wieder. Morholt war gar ein starker Mann, der schlug den Juengling, daß er auf beide Knie fiel; aber er sprang behend auf, erhohlte sich des Schlags, und schlug Morholten die Hand ab, darinnen er sein Schwert trug. Als Morholt sich selber ueberwunden sahe, hub er sich an die Flucht, und meinet' also davonzukommen. Herr Tristan lief ihm behend nach, und in dem Laufen schlug er ihm eine Wunde durch seinen Helm in sein Haupt, daß er also todt niederfiel fuer seine Fueß', und es blieb ein Stueck von seinem Schwert im Helm stecken. Da sprach Herr Tristan: »Ich sehe wohl, du bleibst, und ich achte, mein Herr Koenig Marchs werde frei von dir sein, und du habest des Zinses genug; du wirst auch forthin nichts mehr fordern, denn dein Uebermuth hat dich gefaellet.«

Also ward der Streit geschieden, dem einen zu Freuden, dem andern zu Klagen. Koenig Marchs hohlete seinen Neffen mit großen Freuden und Lobgesang; und lobten alle Gott den Allmaechtigen, daß er ihnen so gar vaeterlich und troestlich geholfen haette, und fuhren mit Freuden heim.

Aber die traurige Schaar von Irland hohleten ihren Kaempfer auch, doch nicht, als Koenig Marchs seinen Neffen, sondern mit gar großem und traurigem Weinen und Klagen; und schickten gar bald zu der allerschoensten Isalden, des Koeniges Tochter von Irland, ließen ihr sagen: wollte sie ihren Oheim lebendig sehen, daß sie zu Stund' kaeme. Das thaeten sie auf das Verhoffen, so sie ihn lebendig fuende, so moechte sie ihn bei dem Leben behalten; denn sie war zur selbigen Zeit mit bewaehrter Kunst der Arzenei die beruehmteste in allen Landen. Da sie die Botschaft vernahm, eilete sie bald, und nahm mit ihr, was sie zu Wunden bedurfte. Als sie aber eilend darkam, war ihr Oheim todt, und hatte ihrer Zukunft nicht erwarten moegen. Als sie sah, daß er todt war, thaet sie ziemlich weinen, und ging zu dem Todten, seine Wunden zu besehen. Da stack die Schart' oder Stueck aus Herr Tristans Schwert noch in der Wunden, die nahm sie daraus, weisete sie allem Volk, und thaet die darnach mit Fleiß behalten. Sie fuhren heim mit großem Jammer und Leid, und begruben ihren Todten mit großer Klag' und Herrlichkeit, als Koenigen zugehoeret. Der Koenig von Irland fiel auf das Grab mit sehr klaeglicher Gebaerd' und großem Geschrei. Darnach gebot er seinem Volk, wer von Kurnewaelischen Landen in sein Land kaeme, daß man derer keinen lebendig ließe, sondern sie alle an die Galgen henkete. Und nahm ihm das zu Rach um seinen Schwager Morholten; den meinet' er nimmermehr zu verschmerzen, noch deß getroestet zu werden.

Das achte Kapitel

Wie Herr Tristanen ein Haeuslein gebauet ward fern von den Leuten; auch wie er darnach hinweg fuhr in einem Schiff, und wie ihm geholfen ward durch den Koenig in Irland.

Nun war auch Herr Tristan gar sehr wund von den vergifteten Waffen, und war kein Arzt in den Kurnewaelischen Landen, noch an andern Enden, der ihm die Wunden heilen mochte. Man wußte auch niemand in der ganzen Welt, der solche Arzenei konnt', als die schoene Isalde, die ihm auch wohl haette helfen moegen; aber sie haett' ihn lieber getoedtet, denn bei dem Leben erhalten. Als aber alle Arzenei an ihm umsonst und unnuetz war, und er je laenger je kraenker ward, und die Wunden sehr faulten und rochen, daß niemand bei ihm bleiben mochte, begehret' er, daß man ihm ein Haeuslein fern von den Leuten an der See machte, darin er allein waere, seines Endes wartend. Das ward also gemacht und nach seinem Begehren an die See gesetzt. Als man ihn nun darein trug (denn er mochte selbst nicht mehr gehen noch stehen), da erhub sich solche große Klage von allermaenniglich, daß sie ihren Kaempfer, einen schoenen, jungen und waidlichen Helden, also jaemmerlich verlieren sollten, daß ihr Klagen ohne Maß war.

Nun war Herr Tristan jung, und gar hurtiger Sinne, der gedachte hin und wieder, ob einigerlei in der Welt sein mochte, das ihn fristen und helfen koennte? und fand nichts in seiner Vernunft, denn eines, das fiel ihm bei: er wollt' auf die See fahren, ob ihn das Glueck etwann braechte, da ihm geholfen wuerd', oder aber also elendiglich stuerbe. Dies leget' er seinem Meister Kurnewal fuer, bat ihn in ein Schifflein zu tragen, und vermeinete hinweg zu fahren; als auch geschahe. Er nahm Urlaub von dem Koenige, und allenthalben, und bat Kurnewalen sein ein Jahr da zu warten: blieb' er bei Leben, so kaem' er ehe, denn in Jahres Zeit, kaeme er aber nicht, so duerft' er nicht laenger warten, und sollt' ihn gewißlich todt wissen; dann hieß' er ihn wieder heim ziehen, seinem Vater sagen, daß er nun fortan Kurnewalen fuer seinen Sohn hielt', ihm seines getreuen Diensts lohnet', und nach seinem Tode die Krone tragen ließ', als seinen eigenen Sohn; denn er goennete sie niemand baß, denn ihm. Kurnewal haette sich der Kron' und des Reichs gern verziehen, so er mit seinem Herrn sollte gefahren sein, auch sehen und wissen, wie es ihm doch ergehen sollte. Er weinet' und thaet aus der maßen ungebaerdig um seinen lieben Herrn. Desgleichen ward alles Volk beweget mit Mitleiden, und herzlich betruebet. Hiemit ward er in ein Schifflein getragen, mit großer Klage, mit ihm sein Schwert und eine Harfe. Auch ward das Schifflein versorget nach Nothdurft fuer die Sturmwinde. Herr Tristan troestete sich selbst wohl, und befahl sich und die Umstehenden dem allmaechtigen Gott in seine Hut, und fuhr damit hinweg, doch mit waesserigen und betruebten Augen. Der Koenig sah ihm sehnlichen mit betruebtem Herzen nach, und klageten alle, daß ihnen Tristan je kund ward.

Er fuhr nun hin ohn' alle Huelf', und wußte selbst nicht, wohin. Die Winde thaeten ihm fast wehe, und wie sie ihn trieben, also mußt' er fahren. Also trieben sie ihn gerichts hin gen Irland. Da er aber vermerket', in Irland zu sein, gedacht er: nun erst habe ich den Leib verloren; jedoch gedacht' er: das Leben ist edel; und wollte das fristen, dieweil er moechte.

Und als ihn der Wind an das Land warf, ging der Koenig spazieren bei dem Wasser; der schickete bald, daß man besaehe, was in dem Schifflein waere. Die Diener kamen und sageten, da waer' ein Mann, verwundet bis auf den Tod. Der Koenig ging selbst dar, und fand, wie ihm gesaget war. Da hieß er ihn in ein Haus tragen, darin man sein pflegen sollte. Doch fraget' er ihn, wer und von wannen er waere? Herr Tristan erschrak der Frage hart, und sprach: »Herr, ich heiße Pro, und Segnicest ist mein Haus, und bin ein Spielmann. Nun bin ich auf dem Meer beraubt und bis in den Tod verwundet worden, und die Winde haben mich hergetrieben.« Da der Koenig das hoeret', und sahe auch den großen Schmerzen seiner Wunden, ward er in Erbarmung beweget, hieß sein wohl pflegen, und schickete zu seiner Tochter, daß sie dem armen verwundeten Mann ein Pflaster gaebe. Das geschahe, aber es war ihm unnuetze. Das ward ihr gesaget; sie sandte ihm bald ein anderes: da ward ihm noch weher. Als ihr das fuerkam, sprach sie: »Ich weiß wohl, was ihm gebricht; er ist mit Gift wund.« Und bereitet' allererst Arzenei, die ihm zugehoerete, davon er alsbald und in kurzer Zeit gesund ward. Also heilete sie ihn in kurzer Zeit, ohne daß sie beide einander ersahen. Er schied so von ihr, wiewohl er vor zu Hof gefordert ward; das geschahe aber durch besondere Geschichte, hiernach folgend.

Es begab sich, daß die Schiffe von Kurnewaelischen Landen nimmer gen Irland fahren duerften, da war großer, merklicher Hunger und auch Theurung in Irland, und lebeten mit großem Gezwang Hungers halb. Auf das berieth sich der Koenig mit seiner Ritterschaft, was ihm hierin zu thun waere, und wo sie Speise nehmen wollten, damit das Volk erhalten wuerde und nicht so gar verduerbe. Sie konnten ihm alle nicht rathen, und wußten auch nicht, wohin. Da gedachte der Koenig an den Mann, den seine Tochter geheilet haet, und schickete nach ihm. Tristan kam bald zu Hof. Als er kam, bat ihn der Koenig Raths um sein und des Lands anliegende Noth. Da sagt' er: »Herr, alles, was ich vollbringen kann, soll ich mich nicht saeumen, denn ihr habt das gar wohl um mich verschuldet. Wollet ihr aber meinem Rath folgen, so sendet etliche Schiffe mit mir in Engeland, da will ich so viel Fleiß ankehren, und Speise bestellen, auf das allernaeheste, so ich mag, und euch die zuschicken.«

Das neunte Kapitel

Wie Herr Tristan dem Koenig von Irland Speise schicket', und das Land vom Hunger erledigete.

Dem Koenig gefiel der Rath wohl, und sagte das seinen Raethen; die wurden deß froh, daß sie der Sorg' und Muehe sollten entladen sein. Hierauf wurden Herr Tristanen die Schaetz' und Schiffe befohlen, und er fuhr hinweg. Als er nun in Engelland kam, beschicket' er einen Kaufmann, und bat ihn, daß er ihm kaufen huelfe. Er kaufet' auch selbst, und stellete sich in aller Weise, als ob er auch ein Kaufmann waere.

Als er nun Speise gekaufet hatte, so viel, als um tausend Mark Golds, ließ er die Schiffe laden, und schickete sie dem Koenige in Irland. Er aber ging in ein ander Schiff, das war von Kurnewaelischen Landen, mit dem fuhr er heim in seines Oheims Koenigreich und in die Stadt Thintariol, da er vor krank und ungesund von geschieden war, und kam gleich dahin an dem Tage, als ein ganzes Jahr vergangen war seines Dannenscheidens. Als er zu Thintariol aus dem Schiff ging und ihn sein Diener Kurnewal ersahe und erkannte, thaet er vor großen Freuden und Liebe weinen, und entbot dem Koenige die Zukunft seines lieben Neffen. Mit was großen Freuden, Ehren und Wuerden Herr Tristan empfangen ward von dem Koenige, Herzog Thinas, und aller Ritterschaft, auch allen andern, Frauen und Mannen, waere Wunder davon zu sagen.

Herr Tristan war dem Koenige so lieb, daß er um seinetwegen keine Frau nehmen wollte, sondern ihn zu einem Erben seines Reichs haben. Da waren etliche an dem Hofe, die meineten, Herr Tristan riethe dem Koenige, ohn' ein Weib zu bleiben, und hasseten ihn sehr darum. Aber er wußte es nicht, auch nicht, daß der Koenig solches um seinetwillen unterwegen ließ, oder thaet; denn die andern Maechtigen an dem Hof riethen dem Koenige taeglich, ein Weib zu nehmen.

Eines Tages gingen die Freunde und Ritterschaft fuer den Koenig und nahmen Herr Tristanen mit ihnen, baten den Koenig mit großer Bitte, daß er eine Frau naehme, die ihm an Adel und Geburt geziemen moecht', und daß er das durch Gott und ihrer aller Willen thaete. Der Koenig ward dieser Bitte beschweret, jedoch setzet' er eine Zeit, darauf er antworten wollte. Deß wurden sie froh; denn er hatte solche Bitt' allwegen vor abgeschlagen. In der gesetzten Zeit gedachte der Koenig, wie er antworten wollte, damit er sie fueglich von der Bitte bringen moechte; denn er wollte je kein Weib nehmen, es waere gleich ihnen lieb oder leid. Als er aber in diesen Gedanken saß, sahe er zwo Schwalben mit einander streiten, und sahe, daß ein schoenes langes Frauenhaar herabfiel; das hub der Koenig auf, und sagete bei ihm selbst also: »Fuerwahr mit diesem Haar mag ich mich gar wohl erwehren, so ich ihnen sage, daß ich keine andere haben woelle, denn die, der dies Haar gewesen ist; deren moegen sie mich nicht gewaehren, und muessen mich forthin solcher Bitte frei lassen.«

Da er die Worte mit ihm selber redete, kam Herr Tristan eingegangen, und andere Herren mit ihm, und fragten den Koenig von des Reichs Nothdurft wegen. Das ließ er hingehen, und antwortet', auf andere Meinung, mit solchen Worten: »Ich habe hie einer Frauen Haar: so ihr mir die gebet, die will ich nehmen, und kein Widersprechen darin haben; aber ich will sonst keine andere, dieweil ich lebe.« Die Herren nahm das gar fremd und wunder, und sprachen unter einander, es waere Herr Tristans Schuld, und angelegt Ding, damit er sich also wollt' ausreden. Doch fragten sie den Koenig, wer und von wannen die Frau waere? sie wollten ihm die hohlen, in welchem Lande sie waere. Der Koenig sagete: »Das weiß ich selbst nicht; ich kann euch auch nicht mehr davon sagen.« Da sprachen sie, sie hoereten wohl, daß er sich mit solcher Rede fristen und ihnen die Bitte versagen wollte; doch wollten sie gern wissen, woher ihm das Haar kaeme. Der Koenig saget' ihnen, wie ihm dasselbige worden waere. Da sprach Herr Tristan: »Herr, ihr thut groß Unrecht, daß ihr uns allen nicht folgen wollt. Ich habe es euch vor oft gerathen, und rath' es noch mit ganzen Treuen, wiewohl mich etliche der Eueren zeihen, ihr thut es durch meinen Rath. Daß aber das nicht sei, und sie mir Unrecht thun, will ich oeffentlich erzeigen, und um eurer Liebe willen die Frauen euch suchen. Darum gebet mir das Haar, wenn mich's Glueck an das Ende braechte, da sie ist, daß ich sie bei dem Haar desto besser erkennen moege.«

Das zehnte Kapitel

Wie Herr Tristan nach der Frauen fuhr, und wie es ihm auf der Reise ging.

Der Truchseß, Herzog Thinas, hieß zuhand ein Schiff bereiten, darein tragen von Speis' und Kleidern, was man bedurfte, auch Harnisch und Pferde, zu hundert Rittern, und großen Hort von Gold und Silber. Da das alles bereit war, nahm Herr Tristan Urlaub, nahm das Haar, und schied ab, mit hundert andern Rittern, welche ihm der Koenig zugegeben hatte.

Sie fuhren hinweg, und sahen einen ganzen Monat nichts anders, denn Himmel und Wasser. Da gebot Herr Tristan dem Schiffmann, daß er Irland vermeiden sollte; denn sie alle wueßten wohl, wer von Kurnewaelischen Landen dahin kaeme, daß er sterben mueßte. Wie sie aber mit einander redeten, erhuben sich die Winde mit einem großen Sturmwetter und warfen das Schiff mit Gewalt in derselbigen Nacht an Irland, zu der Stadt, dabei Herr Tristan vor geheilet ward. Als aber der Tag erschien und Herr Tristan ersahe, daß sie an Irland waren, erschrak er sehr, und sagete seinen Mitgesellen, daß er vormals an dem Orte geheilet waere worden: »und ist kein Zweifel, wir muessen alle hie sterben, oder mit großer Listigkeit hinein kommen; darum schweiget ihr alle still, und lasset mich allein reden, ob ich uns gefristen moege.«

Als aber der Koenig aufstund und sahe das Schiff, daß es der Stadt so nahe lag, schuf er bald mit seinem Marschalk, daß er hinginge und sie alle enthaeuptete. Dieser aber durfte das Gebot nicht uebergehen, es waere ihm lieb oder leid. Als er zu dem Schiff kam, hieß er die Gaest' alle ausgehen, und saget' ihnen, sie mueßten sterben. Herr Tristan bot große Gab', und begehrte zu leben, schenkete dem Marschalk einen gueldenen Kopf, und bat ihn fleißig, dem Koenig seine Rede zu sagen, und daß er sie dieweil ließe leben. Der Marschalk war ein frommer, getreuer Mann, und erbot sich das zu thun. Hierauf sprach Tristan: »Ich bitt' euch, zu sagen dem Koenig mein Gefaehrt' und meinen Namen: ich bin geheißen Tantris, und sind meiner Gesellen zwoelf mit mir, Kaufleute aus Engelland; wir haben hoeren sagen, wie großer Hunger in diesem Koenigreich sei, da verkauften wir alle unsere Hab', und legten die an Speise, damit luden wir zwoelf Schiff', und hoffeten dadurch alle reich zu werden: da begegneten uns Leute auf dem Meer, denen man stark nachjagete, die sagten uns, wenn wir herkaemen, so haetten wir gewißlich den Leib verloren. Als wir das hoereten, begonnten wir uns zu beklagen, und nicht unbillig, der großen Schaeden halb, unserer angelegten Hab' und Gueter, die wir nehmen wuerden, wo wir nicht herfuehren, fuehren wir aber her, daß wir den Leib und Gut mit einander verloeren. Hierauf gingen wir zu Rath, und warfen das Loos unter uns: auf welchen es fiele, der sollte hieher fahren, und besehen, ob dem also waere, als uns gesaget ist. Also fiel das Loos auf mich Armen, und bin also auf Gnade herkommen; so sind meine Gesellen noch auf dem Meer. Lieber Herr, das alles, bitt' ich euch, dem Koenig zu sagen; und daß er mir das Leben lasse, so will ich ihm die Speise, so ich gesaget habe, alle zusammen bringen.« Der Marschalk meinete, die Rede waere also, und brachte sie zuhand fuer den Koenig.

Das eilfte Kapitel

Wie Herr Tristan einen großen Drachen erschlug, darum ihm der Koenig seine Tochter gab.

Also lag das betruebte Heer bis ueber Mittentag, und redeten unter einander: ob man sie schon leben ließe, so mueßten sie doch ewiglich in Irland gefangen sein; und waegten die Sache hin und wieder. Indem kam ein Mann zu ihnen gegangen, der ward mit ihnen zu Rede, und sagete Herr Tristanen, daß ein großer und grausamer Drach' in dem Koenigreich waere, der thaete dem Lande großen Schaden, an Leuten und Vieh. Nun hatte der Koenig ausrufen lassen, wer den Drachen erschluege, dem wollte er seine Tochter geben. Da Herr Tristan solche Dinge hoerete, nahm er keinen laengern Verzug, sondern wappnete sich nach Nothdurft, und ritt gegen die Noth; denn er war ein kuehner, unverzagter Held.

Als er ueber das Feld trabete, sah er fuenf Maenner sehr fliehen; unter diesen einer den andern fern fuergelaufen war, dem eilete Herr Tristan zu, ergriff ihn bei dem Haar, und fragete, was oder wen er so sehr fliehe? Dieser Mann bat ihn ueberlaut um Gottes willen, daß er ihn ließ', und sprach: »Ach, lieber Herr, der Drache jaget daher und will mir den Leib nehmen; darum lasset mich laufen, daß mir das Leben vor ihm bleiben moege.« Herr Tristan fraget', an welchem Ende der Wurm waere? er wollt' ihm entgegen kommen, ob ihm Gott der allmaechtige Glueck wollte zufuegen, daß er ihn toedten moechte. Dieser saget' ihm die Gelegenheit ganz; da ließ er ihn laufen und hieß ihn mit Heil hinfahren, er aber kehrete sich gegen den Drachen. Er hielt sich in einem Grunde, und wartete, bis der grausame Wurm neben ihn kam; da zerstach er erstmals seinen Speer auf ihm, und ehe der Schaft zerbrach, hatt' er schon sein scharfes Schwert in der Hand, und schlug mit ganzen Kraeften so lang' auf ihn, daß er mit großer Arbeit und Mannheit zuletzt den Sieg an ihm gewann. Aber der Wurm verbrennete das Pferd unter ihm, und er mußte zu Fuß fechten. Als er nun den Drachen erschlagen hatte, schnitt er ihm die Zungen aus dem Rachen, und trug sie mit sich hinweg. Es hatt' aber der grausame Wurm ihn also mit Feuer angeworfen, daß er in dem Feuer schier verbrannt war; da sahe er einen Moor vor sich, darein ging er, und wollte sich erkuehlen, daß er in dem Harnisch nicht verbraenne. Als er darein kam, da ward ihm der Harnisch aller kohlschwarz, ohn' allein der Halskragen, der war guelden. Da er das sah, ging er ein wenig fuerbaß, da fand er einen lautern Brunnen, darinnen er sich allererst erkuehlet', und legete sich um Ruhe willen zu dem Brunnen; das war auch nicht unbillig, denn der grausame Wurm hatt' ihn sehr umgetrieben, muede gemacht und verwundet: und lag also daselbst gar nahe unversonnen.

Das zwoelfte Kapitel

Wie sich des Koenigs Truchseß beruehmet', er haette den Drachen erschlagen, und wie ihn Herr Tristan zu Schanden machte.

Wir wollen Herr Tristanen eine Weile ruhen lassen, und von den Fluechtigen sagen, die Herr Tristan vor gesehen hatte. Das waren des Koenigs Truchseß und seiner Diener vier. Da sie vermerkten, daß der Wurm erschlagen war, ritten sie dahin, und schnitten dem ertoedteten Wurm das Haupt ab. Der Truchseß bat seine Diener, daß sie ihm der Unwahrheit beistuenden, und sagten, er haette den Drachen erschlagen, er wollte sie darnach immerdar foerdern und reich machen. Das thaet er aber darum, daß ihm der Koenig seine Tochter geben sollte. Auch hatte er sich großer Mannheit ausgegeben, daß er den Wurm allein bestehen wollte, wiewohl seine Zagheit maenniglich wissend und offenbar war, darum ihm auch Roth war, daß er Gezeugniß mitbraechte; denn er wußte wohl, daß man ihm allein nicht glauben wuerde.

Hiemit kam er zu dem Koenige, vermahnet' ihn seiner Geluebde, daß er ihm, dieweil er den Drachen erschlagen, seine Tochter geben sollte. Aber es war dem Koenig noch nicht gelegen, daß er seine Tochter sollte seinem Truchseß geben; auch wußte er vormals von ihm solcher Mannheit nicht; darum widerredet' er das, und saget' oeffentlich zu ihm, er glaubet' ihm solches nicht, sondern es haette ihn ein anderer erschlagen, und er haett' es nicht gethan.