Das deutsche Gesundheitssystem - Struktur und Finanzierung - Beate Land - E-Book

Das deutsche Gesundheitssystem - Struktur und Finanzierung E-Book

Beate Land

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Beschreibung

Selbst für Beschäftigte im Gesundheitswesen ist es nicht leicht, sich im deutschen Gesundheitssystem zurechtzufinden. Struktur, Organisation, rechtliche Rahmenbedingungen und Finanzierungswege sind schwer zu durchschauen. Dieses Buch erläutert anhand konkreter Fallbeispiele die Funktionsweise der unterschiedlichen Leistungssektoren des deutschen Gesundheitssystems. Praxisrelevantes Wissen über ambulante und stationäre Versorgungsstrukturen, Medikamentenentwicklung und -versorgung und intersektorale Zusammenarbeit wird anschaulich und lebensnah vermittelt. Fragen zur Lernkontrolle und Hinweise zur weiteren Recherche bilden einen Anreiz zur vertieften Auseinandersetzung mit den beruflichen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen.

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Die Autorin

Prof. Dr. med. Beate Land ist Ärztin mit langjähriger klinischer Erfahrung und leitet den Studiengang Angewandte Gesundheits- und Pflegewissenschaften für Pflegeberufe an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Mannheim.

Beate Land

Das deutsche Gesundheitssystem – Struktur und Finanzierung

Wissen für Pflege- und Therapieberufe

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

 

 

Piktogramme

 

Information

Merke

Definition

Gesetzestext

Empfehlung

Fallbeispiel

Fragen zu Kapitelbeginn

Fragen zum Mitarbeiten

 

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-030899-2

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-030900-5

epub:   ISBN 978-3-17-030901-2

mobi:   ISBN 978-3-17-030902-9

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Vorwort

 

 

Im Rahmen meiner früheren beruflichen Tätigkeit als Ärztin und heute als Hochschulprofessorin treffe ich immer wieder auf Menschen, die trotz ihrer hochprofessionellen Arbeit mit und am Patienten erstaunlich wenig über das Gesundheitssystem wissen, in dem sie tätig sind. Um Pflegekräften und insbesondere Pflegestudierenden die Struktur und auch die Finanzierung unseres Gesundheitssystems zu vermitteln, habe ich anhand von Fallbeispielen aus der Praxis versucht, Licht in die teilweise schwer verständlichen Strukturen zu bringen. Auch wenn sich das vorliegende Buch primär an die Pflegenden wendet, so sind die Inhalte durchaus auch für andere Berufsgruppen wertvoll, wie etwa für Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Arztassistenten sowie Angestellte in Klinikverwaltung und -management. In diesem Buch werden Ihnen verschiedene Charaktere begegnen, die sich auf die ein-oder andere Weise mit den Tücken unseres Gesundheitssystems herumschlagen müssen, wie etwa Patienten, Angehörige und Pflegende. Diese werden am Ende des Buches kurz vorgestellt. Sie werden dabei mit konkreten Fragestellungen konfrontiert, anhand derer die verschiedenen Leistungserbringer und -sektoren wie ambulanter und stationärer Pflegebereich vorgestellt werden. Der überwiegende Anteil der im Gesundheitswesen Beschäftigten ist weiblich, daher wurde immer da, wo es grammatikalisch möglich und sinnvoll erschien, die weibliche Form gewählt. Zu Beginn eines jeden Kapitels erhalten Sie statistische Basisinformationen über den jeweiligen Leistungsbereich. Zudem finden Sie hier auch Fragen zu dem jeweiligen Bereich, welche Sie auf das Thema vorbereiten sollen. Im Verlauf jedes Kapitels werden diese Fragen dann beantwortet, so dass Sie im Sinne der Prüfungsvorbereitung optimal gewappnet sind, um die am Ende des Buches angefügten Fragen zur Selbstkontrolle beantworten und Ihren eigenen Lernerfolg überprüfen zu können. Um weitergehende Informationen zu den einzelnen Themenbereichen zu erhalten, wurden Recherchetipps und Links eingefügt, die Ihnen einen Blick über den Tellerrand erlauben sollen. Ich wünsche Ihnen neben neuen Erkenntnissen viel Spaß bei der Lesereise durch unser Gesundheitssystem und hoffe, dass Sie neben Ihrer beruflichen Tätigkeit auch als Patientin bzw. Patientenangehörige von diesen Erkenntnissen profitieren können.

Heidelberg, im Februar 2018

Prof. Dr. Beate Land

Danksagung

Ich danke meinem Mann Oliver und unseren Kindern Lilly, Bennet und Ella für die Energie und die Unterstützung, die mir dieses Buchprojekt erst ermöglicht haben.

Inhalt

 

 

1 Historie des deutschen Gesundheitssystems

1.1 Gesundheitssysteme – Aufgaben eines Staates

1.2 Die Geburtsstunde des deutschen Gesundheitssystems – ein Ausflug in die Geschichte

1.2.1 Keine Absicherung im Krankheitsfall

1.2.2 Das Sozialstaatprinzip

1.3 Die Bismarckschen Sozialgesetze

1.4 Versicherungspflicht

1.5 Nationale Gesundheitsziele

1.6 Internationale Gesundheitsziele

2 Soziale Sicherung im Krankheits- und Pflegefall

2.1 Grundprinzipien der sozialen Sicherung

2.2 Die Sozialgesetzbücher

2.2.1 Das 5. Sozialgesetzbuch

2.2.2 Das 7. Sozialgesetzbuch

2.2.3 Das 9. Sozialgesetzbuch

2.2.4 Das 11. Sozialgesetzbuch

2.3 Die Gesetzliche Krankenversicherung heute

2.3.1 Struktur

2.3.2 Finanzierung

2.3.3 Leistungen

2.3.4 Selbstverwaltung

2.3.5 Versicherungsprinzipien

2.4 Die Pflegeversicherung

2.4.1 Struktur

2.4.2 Finanzierung

2.4.3 Leistungen bei Pflegebedürftigkeit

2.4.4 Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung MDK

2.4.5 Pflegestärkungsgesetze

2.5 Die private Krankenversicherung

2.6 Weitere Versicherungsträger im Krankheitsfall

2.6.1 Die Gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften)

2.6.2 Private Unfallversicherungen

2.6.3 Die Rentenversicherung

3 Gesundheitspolitische Entscheidungsträger

3.1 Das Bundesministerium für Gesundheit

3.2 Bundesoberbehörden

3.2.1 Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn

3.2.2 Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln

3.2.3 Das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln

3.2.4 Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI, Bundesamt für Sera und Impfstoffe) in Langen (Hessen)

3.2.5 Das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin

3.3 Der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA

3.4 Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG)

3.5 Institutionen der Bundesländer

3.5.1 Landesgesundheitsämter

3.5.2 Landesprüfungsämter

3.5.3 Landesuntersuchungsämter

3.5.4 Gesundheitsministerkonferenz

3.5.5 Institutionen auf kommunaler Ebene

3.6 Berufsständische Interessensvertretungen

4 Ambulante Versorgung

4.1 Organisation der ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung

4.1.1 Die Kassenärztliche Vereinigung (KV)

4.1.2 Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung

4.2 Kooperationsformen

4.3 Vergütung ambulanter ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen

4.3.1 Kassenärztliche Leistungen

4.3.2 Regelleistungsvolumina

4.3.3 Privatärztliche Leistungen

4.3.4 Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL)

4.4 Ambulante Psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung

4.5 Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln

4.5.1 Heilmittel-Richtgrößen

4.5.2 Abrechnung von Heilmitteln

4.5.3 Verordnung von Hilfsmitteln

4.6 Rettungsdienst

4.6.1 Rettungsdienstpersonal

4.6.2 Aufnahme der Patienten im Krankenhaus

4.6.3 Finanzierung der Rettungsdienste

4.7 Qualitätsanforderungen an die ambulante Versorgung

4.7.1 Gesetzliche Grundlagen

4.7.2 Zertifizierungen

5 Stationäre Versorgung

5.1 Struktur der Krankenhauslandschaft

5.1.1 Freie Krankenhauswahl

5.1.2 Krankenhausarten

5.1.3 Trägerschaft

5.1.4 Der Landeskrankenhausplan

5.2 Krankenhausfinanzierung

5.2.1 Monistische Finanzierung

5.2.2 Duale Finanzierung

5.2.3 Vergütung nach Diagnosis Related Groups (DRG)

5.2.4 Entgeltsystem Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (PEPP-System)

5.2.5 Sonder- bzw. Zusatzentgelte

5.2.6 Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUBs)

5.2.7 Der Pflegekomplex-Maßnahmen-Score (PKMS)

5.3 Qualitätsanforderungen an Einrichtungen der stationären Versorgung

5.3.1 Gesetzliche Grundlagen

5.3.2 Internes Qualitätsmanagement

5.3.3 Externes Qualitätsmanagement

5.3.4 Qualitätsberichte

5.3.5 Mindestmengenvereinbarung

5.3.6 Qualitätsabhängige Vergütung

6 Rehabilitation

6.1 Gesetzliche Grundlagen der Rehabilitation

6.2 Kostenträger der Rehabilitation

6.3 Stationäre Rehabilitationseinrichtungen

6.4 Berufliche Rehabilitation

6.5 Ambulante Rehabilitationseinrichtungen

6.6 Qualitätsanforderungen an Erbringer von Rehabilitationsleistungen

6.6.1 Gesetzliche Grundlagen

6.6.2 Internes Qualitätsmanagement

6.6.3 Externes Qualitätsmanagement

6.6.4 Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR)

6.6.5 Qualitätsmanagementsysteme in der Rehabilitation

6.6.6 Standards in der Rehabilitation (RTS)

6.6.7 Klassifikationssystem in der Rehabilitation

7 Pflege und Altenpflege

7.1 Pflegebedürftigkeit

7.2 Ambulante Pflege

7.2.1 Ambulante Behandlungspflege

7.2.2 Ambulante Grundpflege

7.3 Teilstationäre und stationäre Pflege

7.3.1 Formen der teilstationären Pflege

7.3.2 Stationäre Pflegeeinrichtungen

7.4 Finanzierung stationärer Pflegeeinrichtungen

7.4.1 Hotelkosten

7.4.2 Pflegesätze

7.4.3 Pflegesatzvereinbarungen

7.4.4 Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil (EEE)

7.4.5 Investitionskosten

7.4.6 Investitionsförderungen aus Landesmitteln

7.4.7 Ausbildungspauschale

7.4.8 Individuelle Zusatzleistungen

7.4.9 Subsidiaritätsprinzip bei Pflegebedürftigkeit

7.5 Wohnformen im Alter

7.5.1 Betreutes Wohnen

7.5.2 Wohnstift oder Seniorenresidenz

7.5.3 Mehrgenerationenhaus

7.5.4 Betreute Haus- oder Wohngemeinschaften

7.5.5 Pflegeheime im Ausland

7.5.6 Hospiz

7.5.7 Wohnen für Hilfe

7.5.8 Quartierskonzepte

7.5.9 Demenzdorf

7.6 Qualitätsanforderungen an Erbringer von Pflegeleistungen

7.6.1 Gesetzliche Grundlagen

7.6.2 Qualitätsindikatoren im Pflegebereich

7.6.3 Expertenstandards in der Pflege

7.6.4 Qualitätsprüfung in der Pflege

8 Weitere Leistungserbringer im Gesundheitswesen

8.1 Gesundheitsfachberufe

8.2 Gesundheitsberufe

8.2.1 Heilpraktiker

8.2.2 Der Wellnessmarkt

8.3 Psychologen, psychologische Berater und Heilpraktiker für Psychotherapie

8.4 Selbsthilfegruppen

8.4.1 Finanzierung

8.4.2 Kooperation mit weiteren Leistungserbringern

9 Arzneimittel und Medizinprodukte

9.1 Arzneimittel

9.1.1 Die Entwicklung neuer Medikamente

9.1.2 Verordnung von Arzneimitteln

9.1.3 Arzneimittelkosten

9.2 Medizinprodukte

9.2.1 Risikoklassifizierung

9.2.2 Der Gebrauch von Medizinprodukten in der Pflege

10 Intersektorale Versorgung

10.1 Case Management

10.1.1 Internes Case Management im Krankenhaus

10.1.2 Überleitungs- und Entlassmanagement

10.2 Care Management

10.3 Managed Care

10.4 Integrierte Versorgung

10.5 Disease Management Programme

10.6 Sektorenübergreifende Qualitätssicherung

11 Zukünftige Entwicklungen

11.1 Demographische Veränderungen

11.2 Technische und pharmazeutische Entwicklungen

11.3 Verändertes Gesundheits- und Anspruchsverhalten

11.4 Akademisierung von Gesundheitsberufen

Literaturverzeichnis

Fragen zur Selbstkontrolle und zum Mitdenken

Charaktere im Buch

Stichwortverzeichnis

1          Historie des deutschen Gesundheitssystems

 

Folgende Fragen können Sie im Anschluss beantworten:

1.  Warum gibt es in Europa so unterschiedliche Gesundheitssysteme?

2.  Wie hat sich unser heutiges Gesundheitssystem historisch entwickelt und was hat Reichskanzler Bismarck mit unserer heutigen Krankenversicherung zu tun?

3.  Was sind die Ziele eines Gesundheitssystems?

4.  Was sind die nationalen Gesundheitsziele für die nächsten Jahre in Deutschland?

Information

Daten und Fakten

•  Der erste Vorläufer einer Krankenversicherung wurde 1843 vom Tabakfabrikarbeiter Georg Heine für Angehörige seines Berufsstandes in Nürnberg gegründet (Koch 2013, S.74).

•  Mit Inkrafttreten der Reichsversicherungsordnung im Jahr 1914 begann unser in weiten Teilen noch heute gültiges Krankenversicherungssystem.

•  In Deutschland ist die Lebenserwartung bei Geburt von 1950 bis 2015 bei Männern um fast 14 auf 78,4 Jahre und bei Frauen um fast 15 auf 83,4 Jahre gestiegen (Statista 2017).

•  Für die Zunahme der Lebenserwartung sind allerdings nur zum Teil die medizinischen Fortschritte, wesentlich aber die insgesamt verbesserten Hygiene- und Lebensbedingungen verantwortlich.

Fallbeispiel

Gabi L., 36-jährige Ergotherapeutin, verbringt ihren Urlaub mit ihrer besten Freundin Susanne auf einer kleinen griechischen Insel. Beim Strandspaziergang stürzt sie unglücklich auf einen Felsen und erleidet eine großflächige Schnittverletzung am Oberschenkel. Susanne ist Krankenschwester und hilft ihr, die nahegelegene Praxis eines Allgemeinarztes zu erreichen. Dort gibt man ihr nach einer ersten Untersuchung jedoch den Auftrag, erst in der nächsten Apotheke das notwendige Verbandsmaterial zu besorgen, bevor man die Wunde endgültig versorgen kann.

1.1       Gesundheitssysteme – Aufgaben eines Staates

Gesundheitssysteme verschiedener Länder unterscheiden sich

In allen Ländern der Welt gibt es Gesundheitsversorgung – Ärztinnen, Pflegekräfte und Mitarbeiter der unterschiedlichsten therapeutischen Berufe geben täglich ihr Bestes, um unter teils widrigen Bedingungen für ihre Patienten bzw. Pflegebedürftigen da zu sein. Das klappt, je nach den äußeren Bedingungen und dem jeweiligen Bildungssystem, in dem medizinisches und pflegerisches Wissen erworben und weitergegeben wird, unterschiedlich gut. Manche Länder, wie die westlichen Industrienationen, haben ambulante und stationäre Versorgungssysteme aufgebaut, die durch Steuern, Versicherungssysteme oder auch durch private Zahlungen finanziert werden. Andere Länder, insbesondere in den Krisengebieten dieser Welt, sind von einem funktionierenden »System« weit entfernt. Betrachtet man die unterschiedlichen Gesundheitssysteme nach Struktur und Funktionsweise, stellt man Gemeinsamkeiten, aber auch große Unterschiede fest.

In Europa ist Gesundheitsversorgung als Daseinsvorsorge eine staatliche Aufgabe

Die Bundeszentrale für politische Bildung BPB übernimmt in ihrer Definition eines Staates die Erklärung aus dem Duden: Ein Staat ist eine »Herrschaftsordnung, durch die ein Personenverband (Volk) auf abgegrenztem Gebiet durch hoheitliche Gewalt zur Wahrung gemeinsamer Güter verbunden ist« (BPB 2015). Ein Staat zeichnet sich also aus durch den Zusammenschluss unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen auf einem abgegrenzten Staatsgebiet, das bei Bedarf auch gegen andere verteidigt wird. Die Staatsorgane verfügen über eine »Herrschaftsordnung« z. B. in Form von Gesetzen, die durch Staatsgewalt durchgesetzt werden, in Europa aber durch Gewaltenteilung und die Verfassung reglementiert wird. Neben diesen hoheitlichen Rechten hat der Staat aber auch eine Versorgungspflicht gegenüber der eigenen Bevölkerung.

Daseinsvorsorge nennt man die Verpflichtung des Staates, Leistungen zugunsten seiner Bürger zu erbringen. Unter öffentlicher, d. h. staatlich organisierter, Daseinsvorsorge werden üblicherweise Leistungen bzw. die Bereitstellung von Infrastruktur verstanden, die vom Staat oder einem öffentlich-rechtlichen Träger allen Bürgerinnen und Bürgern eines Landes sozusagen als Grundversorgung zur Verfügung gestellt werden. Dabei handelt es sich z. B. um Verkehrswege, die Müllabfuhr, Bildungseinrichtungen, Museen und Kultureinrichtungen, Friedhöfe, aber eben auch um Krankenhäuser. Darüber, wie umfassend die Bereitstellung dieser Leistungen insbesondere im Gesundheitssystem sein sollte, bestehen unterschiedliche Meinungen.

Im internationalen Vergleich werden Gesundheitssysteme nach verschiedenen Kriterien unterschieden, je nachdem, wie die Finanzierung der Leistungen erfolgt, welche Zugangswege die Patienten zu Gesundheitsleistungen haben und welchen Formen von staatlicher Regulierung das System unterliegt.

Drei wesentliche Arten von Gesundheitssystemen

Im Wesentlichen werden drei Arten von Gesundheitssystemen unterschieden:

1.  Staatlich finanzierte, d. h. aus Steuermitteln finanzierte Systeme, die nach dem britischen Ökonomen William H. Beveridge (1879–1963) auch als » Beveridge-Systeme« bezeichnet werden. Als Prototyp gilt der britische Gesundheitsdienst National Health Service (NHS).

2.  Sozialversicherungssysteme, die z. B. durch Beitragszahlungen von Versicherungsmitgliedern und durch Arbeitgeber finanziert werden. In diesem System gibt es ein Nebeneinander von öffentlichen und privaten Anbietern, die im Rahmen der Selbstverwaltung einen Gestaltungsspielraum haben, wie es z. B. in Deutschland der Fall ist.

3.  Und schließlich die privatwirtschaftlich organisierten Systeme ohne staatliche Regulierung der Finanzierung und Organisation. Gesundheitsleistungen werden über privat abzuschließende Versicherungen bzw. durch Selbstzahlungen finanziert. Dieses System privater Anbieter unterliegt weitestgehend den Regeln der freien Marktwirtschaft, wie es in Teilen im US-amerikanischen Gesundheitssystem der Fall ist.

Allerdings sind diese drei Arten nicht in Reinform in einem Gesundheitssystem vorzufinden, sondern in der Regel bestehen Mischformen, in denen die ein oder andere Organisationsstruktur überwiegt.

1.2       Die Geburtsstunde des deutschen Gesundheitssystems – ein Ausflug in die Geschichte

Fallbeispiel

Wir schreiben das Jahr 1283. Nikolaus P, 32-jähriger Zimmermann in Speyer, hat den Auftrag das Dach des Bürgermeisterhauses zu reparieren. Beim Abstieg vom Dach stürzt er so unglücklich von der Leiter, dass er auf den ausgestreckten rechten Arm fällt. Die herausstehenden Knochenfragmente im Unterarm lassen den Gesellen, der ihn nach Hause bringt, das Schlimmste befürchten. Die Familie verfügt über etwas Geld, sodass ein Arzt bezahlt werden kann, der aber am 5. Tag den mittlerweile infizierten Unterarm amputieren muss, um den Patienten zu retten. Die Pflege des schwerkranken Patienten übernehmen seine Frau und die älteste Tochter. Da er fortan nicht mehr als Zimmermann arbeiten kann, geht der Familie schnell das Geld aus. Fünf Monate später zieht Familie P. nahezu mittellos zu den Eltern der Frau nach Frankenthal, wo sie auf dem elterlichen Hof Unterschlupf finden.

Die Besonderheiten verschiedener Länder lassen sich nicht nur an verschiedenen Sprachen und Bildungssystemen erkennen, sondern auch an den unterschiedlichen Sozialsystemen und vor allem an der Struktur der Gesundheitssysteme. So unterscheiden sich die Gesundheitssysteme der europäischen und außereuropäischen Industrieländer in Finanzierung und Leistung maßgeblich voneinander. »Ursache für die Unterschiede ist die stark historische Prägung des Zusammenwirkens der verschiedenen Berufsgruppen und Einrichtungen, der Aufgabenverteilungen und der Finanzierung des Gesundheitswesens in den einzelnen Ländern. Gesundheitssysteme werden nicht von Fachleuten am Reißbrett entworfen, sondern entwickeln sich in längerfristigen und national unterschiedlich verlaufenden historisch-politischen Prozessen« (Bundeszentrale für politische Bildung 2012).

Auch wenn die so entstandenen Strukturen nicht mehr wirklich zeitgemäß sind, haben sie oft eine erstaunliche Zähigkeit. Um die Funktionsweise unseres heute bestehenden Gesundheitssystems verstehen zu können, sollte man seine historische Entwicklung kennen.

1.2.1     Keine Absicherung im Krankheitsfall

Historische Entwicklung des Deutschen Gesundheitssystems

Bis zum Mittelalter war die Pflege und im weitesten Sinne medizinische Versorgung kranker Angehöriger Privatsache. Wer keine Angehörigen hatte, die die Pflege übernahmen oder wer nicht genügend Geld hatte, jemanden für die Pflege zu bezahlen, war von Almosen abhängig und musste betteln bzw. war komplett sich selbst überlassen. Ab dem Mittelalter übernahmen zunehmend Klöster und kirchliche Hospitäler die Versorgung Pflegebedürftiger. In Armenhäusern und Pflegeabteilungen in Klöstern fanden kranke und hilfsbedürftige Menschen Unterkunft. Allerdings dienten diese nicht primär der Krankenpflege, sondern vielmehr der Armenpflege, der Unterkunft, Verpflegung und vor allem dem Seelenheil der Betroffenen. Im Mittelpunkt der Pflege stand die Gewährung geistlichen Beistands. Medizinische Pflege, so wie wir sie heute kennen, fand kaum statt.

Zur Zeit der Kreuzzüge wurden kirchliche und weltliche Orden gegründet, um die Pflege erkrankter und verletzter Kreuzritter und Pilger sicherzustellen. Diese Orden wurden später auch in Europa tätig. (Beispielsweise der Johanniter-Orden oder der Malteser-Orden.)

Organisation in Zünften

Ab dem 14. Jahrhundert erstarkte das Bürgertum in den deutschen Städten, Handwerkszünfte organisierten sich und wurden zunehmend wohlhabend. Von reichen Bürgern wurden Spitäler gegründet, die primär den Bürgern, teilweise aber auch ärmeren Leuten offenstanden (heute noch im Namen »Bürgerspital« zu finden). Handwerker waren über eine Zwangsmitgliedschaft in Zünften organisiert, die im Krankheits- oder Todesfall eine Minimalabsicherung der Betroffenen und ihrer Familien garantierten und die damit eine Art Vorläufer einer Sozialversicherung darstellten.

Bis 1996 waren auch die gesetzlichen Krankenkassen zunftmäßig organisiert, da sie nur Mitgliedern bestimmter Wirtschaftszweige offenstanden, z. B. die Betriebs-Krankenkassen oder die Techniker-Krankenkasse. Die Bergarbeiter der Kohlebergwerke waren ursprünglich in Knappschaften organisiert, die durch Bergarbeiter und Grubenbesitzer finanziert wurden. Sie übernahmen eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Witwenrenten im Todesfall. Mit ihrer Versicherungspflicht waren die Knappschaften schon sehr fortschrittlich, die Regelungen und Leistungen der Knappschaften gingen später in die Grundzüge der gesetzlichen Krankenversicherungen ein. Allerdings hing die Versorgung immer von einer beruflichen Tätigkeit ab. Die meisten Menschen waren also gar nicht versichert und im Krankheitsfall auf Almosen angewiesen.

Verelendung der Bevölkerung

Im Zuge der industriellenRevolution und der zunehmenden Flucht der Landbevölkerung in die Städte verschlechterte sich die soziale Situation der Arbeiter. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts herrschten vielerorts erbärmliche hygienische Bedingungen. Die Menschen arbeiteten an sieben Tagen in der Woche, Kinderarbeit selbst kleiner Kinder war weit verbreitet und Arbeitszeiten von mehr als 12 Stunden täglich ohne jegliche soziale Absicherung waren normal. Bei fehlenden Arbeitsschutzmaßnahmen waren schwere Verletzungen und Todesfälle an der Tagesordnung.

Drohende sozialeUnruhen bewegten die Regierung unter Kaiser Wilhelm zur Einführung von Gesetzen, um die bestehenden extremen sozialen Gegensätze zu mindern und den inneren Frieden zu erhalten.

Information

Weitere Informationen zur Entstehung der Gesetzlichen Krankenversicherung finden Sie z. B. unter:

•  Bundesministerium für Gesundheit: http://www.gesetzliche-krankenkassen.eu/geschichte_krankenversicherung.html

•  Deutsche Rentenversicherung: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/5_Services/03_broschueren_und_mehr/01_broschueren/01_national/unsere_sozialversicherung.pdf__blob?=publicationFile&v=31, ist eine empfehlenswerte Broschüre

1.2.2     Das Sozialstaatsprinzip

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Artikel 20

» Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.«

Definition: Soziale Sicherung

Soziale Sicherung bedeutet, dass dem einzelnen Staatsbürger, unabhängig von Alter oder Geschlecht, in Notlagen, die aus eigener Kraft nicht mehr bewältigt werden können, staatliche Hilfe gewährt wird. Das betrifft soziale Notlagen, die durch Krankheit, Unfall, Pflegebedürftigkeit, Arbeitslosigkeit oder Alter entstehen.

Das Sozialstaatsprinzip ist im Grundgesetz verankert und wird durch die beiden Rechtsbegriffe » soziale Gerechtigkeit« und » soziale Sicherheit« konkretisiert. Die Gestaltung der sozialen Sicherungssysteme wird durch drei »Kernprinzipien« bestimmt: Versicherungs-, Fürsorge- und Versorgungsprinzip. (Bundeszentrale für politische Bildung 2017) Ziel des Sozialstaates ist die Verringerung großer sozialer Differenzen durch die Bereitstellung von Hilfen bei Armut, Alter, Arbeitslosigkeit, Invalidität, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit. Denn große soziale Ungleichheit bei Bildungschancen, Wohlstand, Mitspracherecht oder eben der Gesundheit können zu sozialen Unruhen führen, die dem Funktionieren und dem wirtschaftlichen Erfolg eines Staates entgegenstehen. Der Einzelne soll sich aber nicht völlig auf staatliche Unterstützung verlassen, sondern durch die Bereitstellung von Hilfe zur Selbsthilfe und durch die Beteiligung an den Kosten im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips selbst an der eigenen Daseinsvorsorge und Absicherung beteiligt werden, das heißt, selbst Verantwortung im ihm möglichen Rahmen übernehmen.

Definition: Daseinsvorsorge

»Daseinsvorsorge bezeichnet die staatliche Aufgabe, Güter und Leistungen bereitzustellen, die für ein menschliches Dasein notwendig sind.« (Chardon, M.2013)

1.3       Die Bismarckschen Sozialgesetze

Entstehung des Krankenversicherungssystems

Als Teil der durch Reichskanzler Otto von Bismarck initiierten Sozialgesetzgebung zur Lösung der »Sozialen Frage« durch eine zunehmend verelendende Arbeiterschaft wurde 1883 die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) begründet. Im Jahr 1884 folgte die Einführung eines Unfallversicherungsgesetzes und 1889 ein Gesetz zur Invaliditäts- und Alterssicherung. Alle Versicherungsarten wurden 1911 in der Reichsversicherungsordnung zusammengefasst, um ein einheitliches Gesetzeswerk zu schaffen. Diese galt bis 1970, bis sie von den heute gültigen Sozialgesetzbüchern abgelöst wurde (Kap. 2.2).

Die in den Sozialgesetzbüchern festgelegten Sozialleistungen dienen dazu, »existenzielle Lebensrisiken« zu sichern, »besondere Belastungen des Lebens abzuwenden oder auszugleichen« und »bei Hilfebedürftigkeit vor Armut und sozialer Ausgrenzung« zu schützen (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2014, Nationaler Sozialbericht S. 5).

Merke

Die Bismarckschen Sozialgesetze hatten bereits die noch heute gültigen Prinzipien (Kap. 2.3.5):

 

•  Selbstverwaltung

•  Pflichtversicherung

•  Kontrahierungszwang

•  Subsidiaritätsprinzip

•  Solidaritätsprinzip

•  Sachleistungsprinzip

•  Paritätsprinzip

•  Pluralität

1.4       Versicherungspflicht

Nach der Einführung der Versicherungspflicht für alle Arbeiter im Jahr 1883 entstanden sogenannte Primärkassen: Orts-, Innungs- und Betriebskrankenkassen, See-Krankenkasse und die Knappschaft. Ein Drittel der Beiträge wurde durch die Arbeitgeber, zwei Drittel durch die Arbeitnehmer finanziert. Angestellte waren in den Ersatzkassen versichert und mussten ihre Beiträge komplett selbst finanzieren.

Nach Einführung der Versicherungspflicht nahm die medizinische Versorgung zu, da Ärzte, die zuvor von der ärmeren Bevölkerung mitunter in Naturalien oder ggf. gar nicht bezahlt worden waren, nun eine verlässliche Finanzierung hatten, da auch Behandlungskosten der unteren sozialen Schichten bezahlt wurden. Die Versicherungen konnten mit Ärzten Einzeldienstverträge abschließen und ermöglichten diesen dadurch verbesserte Einnahmen. Das führte zu einer zunehmenden Anzahl praktizierender Ärzte insbesondere in den großen Städten und damit zu einem steigenden Konkurrenzkampf. Dieser mündete 1913 im Berliner Abkommen, in dem festgelegt wurde, dass Krankenversicherungen und Kassenärzte gemeinsam über die Zulassung von Ärzten entscheiden (Kap. 4 Ambulante Versorgung).

Information

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des Ministeriums für Arbeit und Soziales im Dokument »Sozialgeschichte Infoblatt« unter:

https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a212-infoblatt-sozialgeschichte.pdf?__blob=publicationFile

1.5       Nationale Gesundheitsziele

Gerechte Gesundheitsversorgung als Ziel

Grundprämisse bei der Versorgung mit Gesundheitsleistungen ist die Chancengleichheit, d. h. jeder Bürger soll unabhängig von Einkommen und sozialem Stand im Krankheitsfall die Versorgung bekommen, die er benötigt (Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen SVR 2012). Zu diesem Zweck haben die gesundheitspolitischen Entscheidungsträger Ziele für die Bevölkerungsgesundheit (Public Health) definiert, für deren Erreichung entsprechende Ressourcen in Form von Gesundheitseinrichtungen, Aufklärungsprogrammen und Sicherungssystemen bereitgestellt werden. Als Ziele für ein funktionsfähiges Gesundheitssystem in Deutschland wurden zwei wesentliche Bereiche definiert:

1.  Die Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung durch eine effektive und qualitativ hochwertige bedarfsgerechte Versorgung, d. h. Krankheiten und damit verbundenes Leiden unter Wahrung der Eigenständigkeit und Würde zu verhüten, zu heilen bzw. zu lindern.

2.  Die langfristig gesicherte Finanzierung des Gesundheitssystems durch eine effiziente bzw. wirtschaftliche Leistungserstellung in einem sinnvollen Verhältnis von Kosten und Nutzen.

Die gesundheitspolitische Zielsetzung, die im Rahmen der nationalen und internationalen Gesundheitspolitik verfolgt wird, ist

•  »das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit,

•  Schutz bzw. Wiederherstellung der Gesundheit und Vermeidung, Heilung oder Linderung von Krankheiten,

•  unbeschränkter Zugang zu einer bedarfsgerechten Versorgung nach dem Stand des medizinischen Wissens,

•  Höchstmaß an Freiheit und Eigenverantwortung für alle Beteiligten,

•  Herstellung, Sicherung und Verbesserung der Berufs- und Erwerbsfähigkeit als Grundlage selbstverantwortlicher Existenzsicherung,

•  solidarische Finanzierung nach der ökonomischen Leistungsfähigkeit bei beitragsfreier Mitversicherung nichterwerbstätiger Familienangehöriger,

•  einzelwirtschaftliche Effizienz der Leistungserbringung und gesamtwirtschaftlich vertretbare Höhe der Beitragssätze« (GBE 1998).

Im Jahr 2000 hat das Bundesministerium für Gesundheit gemeinsam mit den Bundesländern eine Initiative für die Festlegung und Entwicklung von nationalen Gesundheitszielen ins Leben gerufen, die seither verschiedene Gesundheitsziele der Gesundheitspolitik in Deutschland entwickelt haben (Tab. 1.1).

Tab. 1.1: Nationale Gesundheitsziele Bundesrepublik Deutschland; * aktualisiert

JahrGesundheitsbereichZielsetzung

1.6       Internationale Gesundheitsziele

Internationale Bemühungen für Gesundheit

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat 2012 in ihrem Projekt »Gesundheit 2020 – das Rahmenkonzept der Europäischen Region für Gesundheit und Wohlbefinden« ein Konzept für eine Gesundheitspolitik in der Europäischen Region entworfen, mit dem Ungleichheiten im Gesundheitsbereich abgebaut, die öffentliche Gesundheit gestärkt und insgesamt der Gesundheitszustand der Bevölkerung in Europa verbessert werden soll. Politikern sollen eine Zukunftsvision und Ideen an die Hand gegeben werden, um gesundheitliche Ungleichheiten zu bekämpfen und die Gesundheit künftiger Generationen zu sichern (WHO 2017).

Definition: WHO

Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) wurde 1948 als eine Kommission der Vereinten Nationen in Genf gegründet mit dem Ziel, durch internationale Zusammenarbeit Erkrankungen (insbesondere Infektionskrankheiten) zu bekämpfen und die Gesundheit aller Menschen auf der Welt zu fördern.

Information

Auf der Homepage des Robert Koch Instituts finden Sie Publikationen zu Gesundheitsdaten der deutschen Bevölkerung, z. B. den Bericht »Gesundheit in Deutschland 2015« unter:

http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GesInDtld/gesundheit_in_deutschland_2015.html?nn=2379316

2          Soziale Sicherung im Krankheits- und Pflegefall

 

 

Folgende Fragen können Sie im Anschluss beantworten:

1.  Welche sozialen Sicherungssysteme sichern Sie im Krankheitsfall finanziell ab?

2.  Welche Leistungen übernimmt die Gesetzliche Krankenversicherung und in welchem Gesetz können Sie das nachlesen?

3.  Was sind die Grundprinzipien der Gesetzlichen Krankenversicherung?

4.  Was passiert mit Ihren Versicherungsbeiträgen zur Krankenversicherung?

5.  Wann müssen Sie für Leistungen selbst aufkommen und in welchem Umfang wird Ihnen das zugemutet?

6.  Was ist der Unterschied zwischen einem Mitglied und einem Versicherten einer gesetzlichen Krankenversicherung?

7.  Wer zahlt in den Gesundheitsfonds ein und nach welchen Kriterien wird das Geld an die Krankenkassen verteilt?

8.  Welche Leistungen übernimmt die Pflegeversicherung?

9.  Wer entscheidet über die Pflegebedürftigkeit und wieviel Geld man erhält?

10.  Was unterscheidet die gesetzliche von der privaten Krankenversicherung?

11.  Wann übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung Leistungen im Krankheitsfall?

12.  Welche gesundheitspolitischen Entscheidungen sollen die Finanzierung der Pflege langfristig sichern?

13.  Was unterscheidet die neuen Pflegegrade von den bisherigen Pflegestufen?

Information

Daten und Fakten

•  Für das Jahr 2016 betrugen die gesamten Sozialausgaben in Deutschland 918 Mrd. Euro. Davon entfielen mehr als ein Drittel (377,5 Mrd. Euro) auf Leistungen für Krankheit und Invalidität und 3,2 % auf staatliche Leistungen zur Pflegeversicherung (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2017).

•  In Deutschland gibt es zwölf Sozialgesetzbücher, in denen die Bereiche, die dem Sozialrecht zugeordnet werden, geregelt sind.

•  Im Jahr 2016 hatten die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland 55,2 Mio. Mitglieder und waren zuständig für 71,4 Mio. Versicherte.

•  Die Anzahl der gesetzlichen Krankenkassen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken und betrug am 1. Januar 2018 noch 110 (GKV Spitzenverband 2018, Daten 2018).

•  2015 waren 8,79 Mio. Menschen in einer privaten Krankenkasse versichert.

•  Im Jahr 2014 führte der medizinische Dienst der Krankenkassen MDK 1.521.447 Begutachtungen zur Einschätzung der Pflegebedürftigkeit durch (Medizinischer Dienst der Krankenkassen MDK 2014, Wir über uns – Zahlen 2014).

•  Im Spitzenverband »Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung« (DGUV) sind die neun gewerblichen Berufsgenossenschaften und die 19 Unfallkassen und Gemeindeunfallversicherungsverbände sowie vier Feuerwehr-Unfallkassen zusammengeschlossen.

Definition: Sozialausgaben

Unter Sozialausgaben werden Geldleistungen, Sach- und Dienstleistungen, aber auch Steuervergünstigungen verstanden, mit denen der Staat »Verantwortung für die Stützung des Lebensstandards benachteiligter oder gefährdeter Gruppen« übernimmt (OECD 2014, Die OECD in Zahlen und Fakten 2014). Dazu zählen z. B. Leistungen für Haushalte mit niedrigen Einkommen, für Ältere, Behinderte, Kranke oder Arbeitslose. Bezogen werden die staatlichen Ausgaben prozentual auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Definition: Bruttoinlandsprodukt

Unter dem Bruttoinlandsprodukt versteht man den Gesamtwert aller Güter, d. h. Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres in einem Land hergestellt wurden. Es ist damit ein Maß für die wirtschaftliche Leistungskraft eines Landes.

Definition: OECD

Die OECD ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die regelmäßig Analysen zum internationalen Vergleich ihrer Mitgliedstaaten herausgibt, u. a. zu Bildungssystemen (PISA-Studie) oder Gesundheitssystemen.

Fallbeispiel

Es ist ein warmer Mittwochabend Ende März. Sie treffen sich mit Ihrer Laufgruppe, um das frühlingshafte Wetter für einen ausgedehnten Waldlauf zu nutzen und dem Winterspeck den Kampf anzusagen. Untrainiert wie Sie sind verlässt Sie gegen Ende Ihrer Laufstrecke die Konzentration, Sie stolpern über eine Wurzel, stürzen und spüren starke Schmerzen in Ihrem Sprunggelenk. Ihnen ist sofort klar, dass da etwas kaputtgegangen sein muss. Grund genug zur Sorge. Aber warum müssen Sie sich keine Sorgen darüber machen, wer Ihre Arztrechnung bezahlt, wer die Kosten für die Unterarmgehstützen übernimmt und dass Sie weiterhin am Monatsende Geld von Ihrem Arbeitgeber erhalten, um Ihre Miete zu bezahlen?

2.1       Grundprinzipien der sozialen Sicherung

Soziale Sicherung hilft dem Einzelnen bei der Bewältigung von Notlagen

Ein Sozialstaat wie die Bundesrepublik Deutschland ist dadurch geprägt, dass er durch verschiedene gesetzlich verankerte Leistungen den Einzelnen in Notlagen unterstützt, die aus eigener Kraft nicht mehr bzw. nicht ausreichend bewältigt werden können. Dazu gehören beispielsweise Krankheiten und Behinderungen, Unfälle, Pflegebedürftigkeit, Alter oder Arbeitslosigkeit. Die Leistungen der Sozialversicherung werden überwiegend durch Beiträge finanziert, die gemeinsam von den Versicherten und ihren Arbeitgebern aufgebracht werden. Zudem fließen staatliche steuerfinanzierte Zuschüsse z. B. in die Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Eine Ausnahme stellt hier die Unfallversicherung dar, die ausschließlich durch die Arbeitgeber finanziert wird. Die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland bestehen heute aus fünf Säulen, die in ihren Grundzügen auf die Bismarckschen Sozialgesetze zurück zu führen sind (Abb. 2.1).

Im Jahr 2016 betrug das Gesamtbudget für Sozialausgaben rund 918 Mrd. Euro (2015 waren es noch 888,2 Mrd. Euro) (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2017). Das entspricht etwa 29 % des Bruttoinlandprodukts.

Abb. 2.1: Soziale Sicherung in Deutschland

2.2       Die Sozialgesetzbücher

Gesetzliche Regelungen zum Sozialbereich

Die gesetzlichen Regelungen, die den Bereich des Sozialrechts betreffen, sind in den Sozialgesetzbüchern festgelegt. Je nach Leistungsbereich werden die Regelungen einzelnen Gesetzbüchern zugeordnet. Insgesamt gibt es bisher zwölf Sozialgesetzbücher (SGB I–XII).

Definition: Sozialgesetzbuch

In mittlerweile 12 Einzelbänden werden zahlreiche Einzelgesetze zu Regelungen der Sozialversicherung zusammengefasst (Tab. 2.1).

Tab. 2.1: Sozialgesetzbücher in Deutschland

Sozialgesetzbuch Nr.Inhalt

Merke

Die den Gesundheitsbereich betreffenden Regelungen finden sich im Wesentlichen in den Sozialgesetzbüchern Nummer fünf, sieben, neun und elf (Tab. 2.2).

Tab. 2.2: Für die Gesundheitsversorgung relevante Sozialgesetzbücher

SozialgesetzbuchTitelRegelung

In den Sozialgesetzbüchern kann man nachlesen, welche Leistungen des jeweiligen Bereichs vom Sozialversicherungsträger abgedeckt werden, d. h. auf welche Leistungen man als Versicherter Anspruch hat.

2.2.1     Das 5. Sozialgesetzbuch

Regelungen zur Krankenversicherung

Alle Regelungen, die die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung betreffen, sind im 5. Sozialgesetzbuch festgeschrieben. Das heißt alle Leistungsansprüche der Versicherten gegenüber der GKV, die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen oder z. B. die »Kostenübernahme bei Behandlung außerhalb des Geltungsbereiches«, also z. B. im Ausland.

Merke

Im Sozialgesetzbuch Nummer Fünf sind alle Gesetze bezüglich der Gesetzlichen Krankenversicherung zusammengefasst.

§ 1 SGB V Solidarität und Eigenverantwortung

»Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden. Die Krankenkassen haben den Versicherten dabei durch Aufklärung, Beratung und Leistungen zu helfen und auf gesunde Lebensverhältnisse hinzuwirken.«

Dieser erste Paragraph nimmt schon Bezug auf die Eigenverantwortlichkeit der Versicherten. Die Patientin trägt eine Mitverantwortung für die Aufrechterhaltung und Wiedergewinnung ihrer Gesundheit, auch wenn das ggf. nur finanziell über das Subsidiaritätsprinzip (siehe dort) erfolgt. Dabei sollen Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte gleichermaßen darauf achten, »dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden« (§ 2SGB V).

§ 12 SGB V: Wirtschaftlichkeitsgebot

»Die erbrachten Leistungen sollen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.«

 

§ 4 SGB V Absatz 4

»Die Krankenkassen haben bei der Durchführung ihrer Aufgaben und in ihren Verwaltungsangelegenheiten sparsam und wirtschaftlich zu verfahren und dabei ihre Ausgaben so auszurichten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten.«

Medizinisch nicht notwendige oder unwirtschaftliche Leistungen dürfen weder erbracht noch von den Krankenkassen finanziert werden. Mit diesem Grundsatz sollen Leistungserbringer wie auch Patienten angehalten werden, das angebotene Leistungsspektrum nicht zu persönlichen Zwecken auszunutzen. Über das »medizinisch Notwendige« bzw. die Wirtschaftlichkeit von Leistungen besteht allerdings nicht immer Einigkeit.

Nach den allgemeinen Paragraphen werden in den weiteren Kapiteln des SGB V detaillierte Angaben zu den Leistungen der GKV aufgeführt, auf die Versicherte Anspruch haben.

•  § 20–42 medizinische Leistungen zur Krankenbehandlung

•  § 44–51 Krankengeldleistungen

•  § 55–59 Leistungen zum Zahnersatz

•  In § 107–122 folgen die gesetzlichen Grundlagen zur Beziehung zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bzw. Vertragsärztinnen.

•  In § 124–134 werden die Beziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern von Heil- und Hilfsmitteln, zu Apotheken und sonstigen Leistungserbringern, z. B. häuslicher Krankenpflege beschrieben.

•  Von besonderer Bedeutung für Leistungserbringer im ambulanten und stationären Bereich sind die §§ 135–139, in denen die Maßnahmen zur Sicherung der Qualität definiert und beschrieben werden.

2.2.2     Das 7. Sozialgesetzbuch

Fallbeispiel

Bernd K., 52-jähriger Steuerfachgehilfe, hat seine Arbeitszeit reduziert, um die Pflege seiner Frau Heike zu übernehmen, die seit einem Unfall pflegebedürftig ist. Tagsüber wird er von einem ambulanten Pflegedienst unterstützt, nachts übernimmt er die Lagerung seiner Frau allein. Dabei stürzt er eines Nachts über das Kabel des elektrischen Krankenbetts und stürzt so unglücklich, dass er sich zwei Rippen bricht. Der diensthabende Chirurg im Krankenhaus klärt ihn darüber auf, dass es sich um einen Leistungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung handelt, obwohl der Unfall ja zuhause und nicht im Rahmen seiner Berufstätigkeit passiert ist.

Regelungen zur Unfallversicherung

Im Sozialgesetzbuch Nummer sieben sind die Grundlagen der gesetzlichen Unfallversicherung geregelt. Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, die sich komplett aus den Beiträgen der Unternehmer bzw. der öffentlichen Träger finanzieren. Die neun gewerblichen Berufsgenossenschaften sind nach Branchen gegliedert. Im Gesundheitsbereich ist das die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), zu deren wesentlichen Aufgaben die Prävention von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gehört. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind neben allen Arbeitnehmerinnen und Auszubildenden z. B. auch Schülerinnen und Studierende und Helfer bei Unglücks- oder Katastrophenfällen gegen die Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten versichert. Das gilt wie im Fallbeispiel auch für häusliche Pflegepersonen, die Angehörige zuhause pflegen.

§ 44 SGB XI Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen

»Während der pflegerischen Tätigkeit sind Pflegepersonen im Sinne des § 19, die einen Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 pflegen, nach Maßgabe des § 2 Absatz 1 Nummer 17 des Siebten Buches in den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen.«

Zu den übernommenen Leistungen zählen Heilbehandlungsmaßnahmen, Rehabilitationsmaßnahmen aber auch Umschulungen und Geldleistungen an Hinterbliebene. Voraussetzung für das Eintreten der gesetzlichen Unfallversicherung ist der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit (Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2016) Soziale Sicherung im Überblick). Versichert sind z. B. auch Wegeunfälle zur oder von der Arbeitsstelle nach Hause.

Merke

Die gesetzliche Unfallversicherung wird durch die Arbeitgeber finanziert und kommt für die Kosten von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten auf.

2.2.3     Das 9. Sozialgesetzbuch

Regelungen zur Teilhabe bei Behinderung

Im Sozialgesetzbuch Nummer neun sind die Grundlagen zur Teilhabe und Selbstbestimmung von behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen geregelt. Neben den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft sind in Kapitel vier § 26–32 auch Leistungen der medizinischen Rehabilitation gesetzlich geregelt (siehe Kapitel 6 Rehabilitation).

Merke

Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind sowohl im SGB V wie auch im SGB IX geregelt.

2.2.4     Das 11. Sozialgesetzbuch

Regelungen zur Pflegebedürftigkeit

Im Sozialgesetzbuch Nummer elf sind die gesetzlichen Regelungen festgelegt, die der sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit dienen. Dazu gehören Angaben zur Leistungsberechtigung, zu den Leistungen der ambulanten, teilstationären und vollstationären Pflege, zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit und der Ermittlung der Pflegebedürftigkeit, aber auch Leistungen für Pflegepersonen.

Merke

Im SGB XI sind die Leistungen der Pflegeversicherung geregelt.

2.3       Die Gesetzliche Krankenversicherung heute

Fallbeispiel

Sie haben gerade erfolgreich einen Ausbildungsplatz im Krankenhaus gefunden und freuen sich auf Ihren Start ins Berufsleben. Beim Einstellungsgespräch fragt Sie die Mitarbeiterin der Personalabteilung, bei welcher Krankenkasse Sie versichert werden wollen. Sie wundern sich, waren Sie doch während Ihrer Schulzeit beitragsfrei in der Betriebskrankenkasse Ihrer Eltern mitversichert.

2.3.1     Struktur

Wahlfreiheit in der Gesetzlichen Krankenkasse

In der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland waren im Jahr 2016 rund 71,4 Mio. Menschen versichert. Davon waren rund 24 % als Familienangehörige und fast ebenso viele als Rentner versichert. Rund 8 % waren als freiwillige Mitglieder versichert (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2017).

Die Gesetzliche Krankenversicherung stellt keinen einheitlichen Versicherungsträger dar, sondern besteht aus verschiedenen, historisch gewachsenen Kassenarten. Diese waren z. T. regional gegliedert (z. B. AOK), berufsspezifisch (Betriebskrankenkassen) bzw. branchenspezifisch (Techniker KK). Diese Organisationsstruktur der gesetzlichen Krankenkassen wurde 1997 mit der im Gesundheitsstrukturgesetz festgelegten freien Kassenwahl für alle Versicherten aufgelöst. Arbeitnehmer haben die Wahlfreiheit, in welcher gesetzlichen Krankenkasse sie sich versichern lassen möchten. Zur Wahl stehen die Allgemeinen Ortskrankenkassen, Ersatzkrankenkassen, Betriebskrankenkassen und Innungskrankenkassen. Je nach Satzung nehmen manche Betriebs- und Innungskrankenkassen aber nur Beschäftigte bestimmter Betriebe und Berufsgruppen auf. Hat man sich für eine Krankenkasse entschieden, ist man für 18 Monate an diese Entscheidung gebunden. Ein Sonderkündigungsrecht besteht jedoch bei einer Erhöhung der kassenindividuellen Zusatzbeiträge, wenn die Krankenkasse mit dem aus dem Gesundheitsfonds zugewiesenen Geld nicht auskommt.

2.3.2     Finanzierung

Der Gesundheitsfonds

Finanzierung durch Sozialbeiträge

Jedes sozialversicherungspflichtige Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse zahlt monatliche Sozialversicherungsbeiträge für die Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung. Diese Beiträge werden vom Arbeitgeber direkt vom Bruttoarbeitslohn einbehalten und gemeinsam mit dem Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungen an die Versicherungsträger weitergeleitet. Übrig bleibt dann der Nettolohn, der (meist) zum Monatswechsel überwiesen wird.

Die Krankenversicherungsbeiträge zur GKV betragen im Jahr 2017 14,6 % des Bruttoarbeitslohnes, die zu gleichen Teilen, also jeweils 7,3 %, von Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen werden. Darüber hinaus können Zusatzbeiträge von den Kassen erhoben werden, die aber lediglich vom Arbeitnehmer zu zahlen sind. Diese Krankenversicherungsbeiträge aller gesetzlich versicherten Beitragszahler fließen in den so genannten Gesundheitsfonds. Zusätzlich fließen hier auch Krankenversicherungsbeiträge der Rentner, der Arbeitslosen, der Mini-Jobber und zusätzliche Steuermittel ein. Im Jahr 2016 waren das insgesamt 14 Mrd. € an Steuermitteln, von denen allerdings zum Jahresende 1,5 Mrd. € wieder entnommen wurden, um eine Erhöhung von Zusatzbeiträgen für die Versicherten zu vermeiden (Deutscher Bundestag 2016, Drucksache 18/9200). So werden die Krankenversicherungsbeiträge zwar an die jeweilige Krankenkasse des Versicherten überwiesen, von dort aber direkt in den Gesundheitsfonds weitergeleitet.

Zuweisung an die Krankenkassen nach Versichertenstruktur

Aus diesem »Gesamttopf« wird den einzelnen gesetzlichen Krankenkassen eine monatlicheGrundpauschale pro Versichertem zugeteilt, mit der die Kosten für die medizinische Versorgung der Versicherten und die Verwaltungskosten der Krankenkasse beglichen werden müssen. Für eine gerechtere Verteilung der Mittel wurde der so genannte Morbiditätsadjustierte Risikostrukturausgleich (kurz Morbi-RSA) entwickelt, der sowohl Alter als auch Art der vorbestehenden Erkrankungen der Versicherten berücksichtigt. So erhalten Krankenkassen für ältere oder chronisch kranke Versicherte einen Zuschlag aus dem Gesundheitsfonds (Abb. 2.2).

Information

Im Jahr 2018 beträgt die monatliche Grundpauschale aus dem Gesundheitsfonds für alle gesetzlichen Krankenkassen 252,81 Euro (2017 waren es noch 249,08 Euro). Diese Grundpauschale wird jedes Jahr vom Bundesversicherungsamt für das Folgejahr festgelegt.

Merke

Der Morbiditätsadjustierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) soll die Ungleichheit in der Versichertenstruktur der Krankenkassen ausgleichen und die unterschiedlich hohen Ausgaben für Versicherte mit kostenintensiven chronischen oder schwerwiegenden Krankheiten berücksichtigen. Definiert wurden bisher 80 Krankheiten, für die die Krankenkassen mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds erhalten. Dazu gehören z. B. Diabetes mellitus, Demenz oder bösartige Tumorerkrankungen.

Information

Weitere Informationen zum Morbi-RSA finden Sie unter:

•  § 31 der Risikostruktur-Ausgleichverordnung (RSAV) des Bundesversicherungsamtes

•  Bundesversicherungsamt 2008 »So funktioniert der neue Risikostrukturausgleich im Gesundheitsfonds«

Abb. 2.2: Der Gesundheitsfonds

Verpflichtung zur Beitragssatz-Stabilität