Das Echternach Syndrom 4 - Robert Soisson - E-Book

Das Echternach Syndrom 4 E-Book

Robert Soisson

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Beschreibung

Der Begriff "Echternacher Springprozession" wird im Sinne des "drei Schritte vor, zwei zurück für besonders mühsame Prozesse verwendet, bei denen viele Rückschritte zu verzeichnen sind" (Wikipedia). Adorno bemerkte: "Die Echternacher Springprozession ist nicht der Gang des Weltgeistes" (Minima Moralia, S. 165). Dass es die Luxemburger Politik nicht so sehr mit dem Weltgeist hat und lieber (außer in Geldangelegenheiten) ihre eigenen Wege geht, zeit sie in den Domänen, die in dieser kleinen Buchreihe thematisiert werden. Die Artikel in diesen Büchern wurden in den Jahren 1980-2010 geschrieben und sind doch noch immer aktuell, eben weil die Fortschritte in den Bereichen Schule, Heimerziehung, Familie, Medienerziehung und Umsetzung der Kinderrechte so langsam sind. In diesem Band enthalten sind Artikel, die im Bulletin der ANCE (Association Nationale des Communautés Éducatives), in der Zeitschrift "forum" sowie in anderen internationalen Publikationen erschienen sind. Ausführlich werden die Kongresse zum Thema Heimerziehung, die hier in Luxemburg organisiert wurden beschrieben. Ein Schwerpunkt liegt auf den Alternativen zur traditionellen Form der Heimunterbringung. Aufgelockert werden die Texte durch zahlreiche Zeichnungen des Autors.

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Das Echternach-Syndrom

Band 4

Heimerziehung in Luxemburg

1

1 Auf einer FICE-Konferenz im Jahre 1997 sprach Prof. Dr. Heinrich Tuggener vom „Mistkübel-Syndrom“ und meinte damit die Art und Weise, wie Heimerziehung von ihren Kritikern wahrgenommen wird, was mich zu dieser Zeichnung inspirierte

Das Echternach Syndrom

Jeder kennt den Aphorismus von der Echternacher Springprozession: 3 Schritte vorwärts, 2 zurück. Allgemein steht er in der Literatur für ein zögerliches, halbherziges Vorgehen in vielen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens. Adorno bemerkte: Die Echternacher Springprozession ist nicht der Gang des Weltgeistes (Minima Moralia, S. 165). Dass es die Luxemburger Politik nicht so sehr mit dem Weltgeist hat und lieber (außer in Geldangelegenheiten) ihre eigenen Wege geht, zeigt sie in den Domänen, welche in dieser kleinen Buchreihe thematisiert werden. Die Texte setzen sich zusammen aus Artikeln, die ich in den letzten Jahrzehnten geschrieben habe und die in verschiedenen Publikationen veröffentlicht wurden. Dazu kommen Zeichnungen, die ebenfalls von mir stammen und oft als Illustrationen für diese Artikel gedacht waren.

Thematisch geht es um Angelegenheiten, welche die Kinder in diesem Lande – und darüber hinaus – betreffen. Es geht um ihre Rechte und um ihre Würde. Das was mit unseren Kindern geschieht würde ich ohne Übertreibung als ein Verbrechen an der Menschlichkeit betrachten. Nicht in dem Sinne wie der Ausdruck in letzter Zeit immer häufiger angesichts der schrecklichen kriegerischen Auseinandersetzungen und humanitären Katastrophen gebraucht wird, wo Kinder Tod, Folter, Hunger und Vertreibung erleben. Hier geht es vielmehr um die Zerstörung der Persönlichkeit des Kindes auf dem Altar der sogenannten Erziehung.

Trotz der Ratifizierung der Internationalen Konvention über die Rechte des Kindes durch den Luxemburger Staat ist die Konvention immer noch nicht zufriedenstellend umgesetzt. Besonders die politischen Rechte von Kindern und Jugendlichen sowie die der benachteiligten Gruppen unter ihnen werden vernachlässigt. (Band 1)

Die Schulpolitik berücksichtigt ausschließlich die Interessen der Lehrer. Eine kindorientierte, humane Schule wurde nie aufgebaut und die schwächsten Kinder erleben täglich einen entwürdigenden und frustrierenden Alltag. (Band 2)

Jeder wundert sich darüber, dass Menschen Trump wählen, für den Brexit stimmen den Populisten auf den Leim gehen und sich wegen eines Fußballspieles den Schädel einschlagen. Eine vernünftige Medienerziehung gibt es aber in unseren Schulen nicht. Stattdessen bekommen private Trash-Sender Geld in den Hintern geblasen. (Band 3)

Trotz vieler kurzlebiger Initiativen haben es die Maßnahmen der Fremdunterbringung nie zu einem kohärenten, zukunftsfähigen Modell gebracht. Auch hier verhindern widerstreitende Interessen wirklichen Fortschritt. Desolat ist in diesem Zusammenhang die Politik der geschlossenen Unterbringung (Band 4)

Der letzte Band dieser Reihe ist Fragen der allgemeinen und der Familienpolitik gewidmet wo sich das Echternach-Syndrom auch voll auswirkt. (Band 5)

Inhalt

Das Echternach Syndrom

Einleitung

Praktische Probleme in der Heimerziehung

Éditorial ANCE-Bulletin N° 46/47 (1983)

Éditorial ANCE-Bulletin N° 50 (1985)

Kinder und Jugendliche in der Heimerziehung in Europa

Wer erzieht wen im Heim?

1) Kindheit heute: Leistung, Stress, Termine

2) Familie im Wandel

3) Konsumgesellschaft und Individualismus

4) Der Erzieher: Mythos und Realität

5) Leben mit andern als Beruf - oder –Freundschaft mit Kindern?

6) Für eine integrative Theorie sozialpädagogischen Handelns

Residential Care in Luxembourg

Introduction

History

Statistical Data

Admission Criteria

Aims of Residential Care

School and Residential Care

Group Life

The Staff and their Training

Finances

Residential Care Policies

Networks

The Legal Situation

Alternatives to Residential Care

Public Opinion

Research and Evaluation

The Future of Residential Care

Politik, Forschung und Ausbildung in der Heimerziehung

1. Sozialpolitische Anliegen

2. Forschung und Politik in der Kinder-und Jugendhilfe

3. Ausbildung und Aspekte des sozialpädagogischen Fachpersonals

4. Ansätze zu neuen Formen der Heim-und Fremderziehung

5. Behinderte und Flüchtlinge in unserer Gesellschaft

6. FICE - eine internationale, sozialpolitische Organisation

Politique, Recherche et formation

1. La recherche dans le domaine socio-éducatif

2. La recherche dans le domaine du handicap

3. Politique, recherche et formation

4. La formation des éducateurs

5. Conclusions

Wolfgang Trede: Politik, Forschung und Ausbildung in der Heimerziehung

Beachtliche Präsenz der Schweizervertretung am 39. FICE-Kongress in Luxemburg (in: Mitteilungsblatt der FICE-CH)

Congrès de la FICE, Luxembourg, 25-29 Mai 1992 - Allocution de bienvenue

Einführung in das Kongressthema

Aspekte internationaler Arbeit im Bereich der Heimerziehung

1. Die FICE: Entstehung, Entwicklung, Struktur, Programm, Perspektiven

2. Wichtige internationale Organisationen im Bereich der Heimerziehung und der Sozialarbeit

1. Die Association Internationale des Educateurs de Jeunes Inadaptés (A.I.E.J.I.)

2. International Forum for Child Welfare (IFCW)

3. European Forum for Child Welfare (EFCW)

4. European Scientific Association of Residential and Foster Care for Children and Adolescents (EUSARF)

5. European Children’s Centre

6. Comité Européen des Associations d'Intérêt Général (CEDAG)

7 European Social Action Network (ESAN)

8. Comité Européen des Centres de Formation

9. International Centre

10. International Foster Care Organisation (IFCO)

Schlussbemerkung

1994: Closing Session of the FICE Congress in Milwaukee

Intensive Familienarbeit als Alternative zur Heimeinweisung

1. Allgemeines zu familienunterstützenden Diensten

2. Welches ist die Situation hier in Luxemburg?

3. Das „Family Project“ von Juliaan van Acker

4. Eltern: Partner oder Sündenböcke

5 Video-Home-Training

Wie läuft das VHT ab?

Die Prinzipien des VHT:

Gründe für die Wahl des Mediums

6. Intensive Familienarbeit am Beispiel Kanada

7. Frankreich: Die « Services d’éducation spécialisée et de soins à domicile »; ein Modell für Luxemburg?

Nachtrag: Secrets That Destroy

Anspruch und Wirklichkeit: Sozialpädagogisches Arbeiten mit « Problem »-Familien

Es lebe das Mittelalter

Der Musterschüler

Die Angst im Nacken - Theorie und Praxis

Das Helfersyndrom

Sodom und Gomorra

Flucht in die Weiterbildung

Ich bin der Größte

Der Prediger, der Magier und der Prophet

Pygmalion im Wohnzimmer

Arme Mütter

Böse Väter

Ungezogene Kinder

Ausblick

Enfance en détresse: Défis, Interpellations, Perspectives

Die Tagung war dringend notwendig

Wie kommt ein Kind ins Heim?

Geld- und Personalmangel

Spezialisierung, ja oder nein?

Qualitätsaspekte

Kinderrechte in der Heimerziehung

Familienerhaltende Maßnahmen

Imagepflege

Schule

Aus- und Weiterbildung

Autorité parentale

Statistiken

Jugendgericht

Kinder-und Jugendpsychiatrie

Schlussfolgerungen

Aider les familles à développer leurs compétences

1. Charité – assistance – solidarité

Famille

3. Quelques idées générales concernant les services d‘aide aux familles

8. France: Les « Services d’éducation spécialisée et de soins à domicile »

2. Changements récents et développements nouveaux dans l'éducation extrafamiliale sur le plan international

La situation dans les sociétés postindustrielles des pays développés:

1. La réduction du nombre d’enfants placés dans des foyers d’accueil

2. Changements dans la population des enfants placés

3. Les coûts d’un placement

4. Le rôle des institutions change

5. La notion d’éducation

6. La discussion sur les droits de l’enfant

7. La législation

8. La formation et la formation continue

9. La situation dans les pays de l’est

10. Le rôle de la FICE

Développements récents en général (pour tous les pays cités):

Autriche (Walter Eichmann)

Belgique (Raoul Wetzburger)

Canada (James P. Anglin)

République Tchèque (Vlasta Hrdlickova; Milan Zetak)

Danemark (Lillian Vaaben)

Finlande (Martti Kemppainen)

France (Daniel Vidaud)

Allemagne (Anne Frommann et Wolfgang Trede; Hans Ulrich Krause)

Grande Bretagne (Barbara Kahan, Pat Bastian)

Hongrie (Judith Cseres, Anna Volentics)

Irlande (Patrick D. Brennan)

Israël (Eli Amir et Zipporah Goshen)

Pays Bas (Leo E.E. Ligthart et Eef A.J. Wezenberg)

Pologne (Krystina Kruszko)

Russie (Nina Larionova)

Slovaquie (Jana Svetlikova e.a.)

Slovénie (Alenka Kobolt)

Afrique du Sud (Brian Gannon)

Espagne (Ferran Casas)

Suède (Jürgen Lindemann)

Etats Unis d’Amérique (Karen VanderVen)

Conclusion:

Terminologie

Kinderrechte in Heim und Schule

« Assises du Travail Social » vom 24. Januar 2008

INDEX

Publikationen von Robert Soisson

In eigener Sache:

2

2 Meine erste Karikatur überhaupt zum Thema Heimerziehung, erschienen in der Schülerzeitung „D’Rod Wullmaus“ N° 25-26 im Mai 1973 unter der Überschrift “Kannerland – Kanner KZ“. Es ging um brutale Misshandlungen in diesem Kinderheim, die noch lange währten. Heute wissen wir, dass physische und sexuelle Misshandlungen in katholischen und anderen konfessionellen Einrichtungen auf der ganzen Welt verbreitet waren. Die Zeichnung wurde korrigiert.

Einleitung

Als ich 1975 als frischgebackener Diplompsychologe von der Uni Heidelberg – zu der ich heute noch einen lebhaften Kontakt unterhalte (siehe www.halu.uni-hd.de/lu) – musste ich zunächst jobben bevor ich 1977 als Psychologe im Service Médico-Psycho-Pédagogique (SMPP) in Esch-sur-Alzette angestellt wurde. In der Zwischenzeit arbeitete ich im Service de Psychologie et d’Orientation Scolaire (SPOS) im Lycée Classique Echternach und im Lycée Technique Grevenmacher.

Es war die Zeit der sozialliberalen Koalition und der Reformversuche in vielen Bereichen der Gesellschaft und besonders auch im Schulwesen. Unter dem Impuls von Minister Robert Krieps und seinem Staatssekretär Guy Linster wurden Reformen in die Wege geleitet, die leider allesamt nach dem Regierungswechsel von dem CSV-Erziehungsminister Fernand Boden wieder abgeschafft wurden (Schulferienreglung, Tronc Commun, INIOS usw.).

Gleichzeitig wurden unter dem Impuls von Familienminister Benny Berg Reformen im Bereich der Heimerziehung (heute würde man sagen: außerfamiliären Erziehungshilfen) eingeleitet, die auch nach dem Regierungswechsel weitergeführt werden konnten, wahrscheinlich, weil die von der katholischen Kirche und ihrer Ablegerorganisationen betriebenen Kinderheime substanzielle finanzielle Unterstützung erhielten und ihr Einfluss nicht angetastet wurde. So kam es, dass ich Mitglied der “Équipe Médico-Psycho-Pédagogique et Sociale” des Foyer Ste. Claire in Echternach und des Foyer St. Joseph in Luxemburg wurde und dort für einen Hungerlohn die Verantwortlichen beraten durfte. Das lief in der Regel gut, bis ein Erzieher – der einen guten Kontakt zu den Jugendlichen hatte – den Leiter des „Foyer St. Joseph“ der Pädophilie überführte. Der Mann wurde entlassen, beging später Selbstmord aber der Skandal wurde von der Trägergesellschaft unter den Teppich gekehrt.

Spätestens dann sah ich ein, dass die MPPS-Teams der Kinderheime auf einem wackeligen juristischen Boden arbeiteten. Die Heimleitungen wehrten sich am Anfang sehr stark gegen diese “staatliche Einmischung” in ihre Angelegenheiten. Als sie sich mit der Zeit von der Harmlosigkeit der neuen Eindringlinge überzeugen konnten erlahmte der Widerstand.

Minister Krieps wollte den SPOS in den Sekundarschulen ein Statut verschaffen, indem er sie im Rahmen des Tronc-Commun Gesetzes fest in den Schulen einzugliedern versuchte. Daraus wurde wie schon gesagt nichts, aber auch im Heimbereich kam es nie zu einer rechtlichen Absicherung der Aufgaben, Kompetenzen und Arbeitsbedingungen der MPPS-Teams. Trotzdem arbeitete ich gerne – und das noch viele Jahre lang – mit den sympathischen Schwestern des Foyer Ste. Claire zusammen bevor ich nach Esch-sur-Alzette wechselte.

Die Stadt Esch war in den Nachkriegsjahren bekannt für eine fortschrittlich-innovative Politik in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Nörgler würden heute behaupten, das sei wegen der sprudelnden Geldquellen der Stahlindustrie gewesen, aber allein daran kann es nicht gelegen haben. Unter anderem hatte sie das Schloss Sanem gekauft und dort ein Kinderheim eingerichtet. Nach dem Krieg mit seinen Zerstörungen und Abermillionen Toten sollte eine neue Welt für die Kinder und vor allem die Kriegswaisen entstehen. In vielen Ländern entstanden riesige Kinderheime, die oft als selbstverwaltete Kinderrepubliken im Sinne Korczaks und Makarenkos funktionierten. In Esch war es der Resistenzler und Sekretär der Schulkommission Edouard Babel, der einer der Förderer dieses Gedankens war. Das „Kannerschlass“ war in der Anfangszeit ein fortschrittliches Modell der außerfamiliären Kinderbetreuung dadurch, dass „familienähnliche“ Strukturen gefördert und Frauen als professionelle „Mütter“ sich in den Kindergruppen abwechselten. Das funktionierte mehr schlecht als recht und eine meiner ersten Aufgaben in Esch war, im Kannerschlass nach dem Rechten zu schauen. Nachträglich muss ich sagen, dass ich da recht wenig ausrichten konnte. Ich setzte mich dafür ein, dass Esch eine Konvention mit dem Familienministerium eingehen und damit die Kontrolle über das Heim abgeben sollte. Das wurde aber – wie so oft in Esch – abgelehnt, weil die Arbeitsplätze im Kannerschlass dann nicht mehr von den Mätressen und Freundinnen der Lokalpolitiker besetzt werden konnten. Es wurde sogar ein Ad-hoc Verwaltungsrat mit Vertretern des Familienministeriums eingesetzt, um die steigenden Kosten abzumildern. Als dann der langjährige Direktor seine Pensionsrechte geltend machte wurde der Posten öffentlich - auch ein Novum für Esch – ausgeschrieben. Ich meldete mich, konnte den Posten aber nicht annehmen, da mir der Bürgermeister ein Jahr unbezahlten Urlaubs verweigerte. Ich hätte dann nämlich, ganz im Sinne von Nicolas Sarkozy „travailler plus pour gagner moins“. Das passte nicht in unser Familienbudget mit 2 Kindern und einem neuen Haus.

Der zweite Grund, weshalb ich mit zeitlebens mit Heimerziehung beschäftigte war aber der, dass der Leiter des schulpsychologischen Dienstes der Stadt Esch, der Lehrer Jules Grandgenet mich dazu überredete, Gründungsmitglied der Association Nationale des Communautés Éducatives (ANCE) zu werden. Der oben schon erwähnte Edouard Babel war seit Beginn der 50er Jahre Schatzmeister der 1948 im Pestalozzi-Kinderdorf in der Schweiz gegründeten Fédération Internationale des Communautés Éducatives (FICE). Die FICE verstand sich im Anfang als ein Verband der nach dem Krieg überall entstandenen Kinderdörfer für Kriegswaisen, ging aber schon bald dazu über, Nationalsektionen zu gründen. In Luxemburg dauerte das bis 1978, obschon Ed Barbel und Herr Stoffel, der Präsident der Ligue HMC regelmäßig an den Versammlungen der FICE teilnahmen. 1978 ergriff dann Emile Hemmen, Direktor des Centre de Réadaptation in Capellen, die Initiative, eine luxemburgische Sektion zu gründen. Die Begeisterung war groß, und über 60 Personen, die fast alle auch Organisationen des Behinderten-und Heimbereichs repräsentierten fanden sich zur Gründungsversammlung im „Commerce“ auf der Place d’Armes ein.

Die FICE war schon damals ein heterogener Verein, und nicht alle „National“ sektionen hatten die gleichen Zielsetzungen. Die ANCE orientierte sich am Vorbild der französischen3 und der belgischen Sektionen, die auch den gleichen Namen trugen. Wie bei vielen Organisationen stellte sich bei der ANCE der sogenannte „Badewanneneffekt“ ein: Nach anfänglicher Begeisterung flacht das Engagement ab und wenn es gut geht, brodelt es auf kleiner Flamme weiter. Das war bei der ANCE der Fall und 2018 wird sie wohl ihr 50. Jubiläum feiern können.

3 Die französische Nationalsektion wurde vor mehr als 10 Jahren aufgelöst in der Folge von einem Finanzskandal und den sich daraus ergebenden finanziellen Schwierigkeiten.

4

Nachdem Emile Hemmen als Präsident abdankte, wurde ich zu seinem Nachfolger gewählt und blieb es über 30 Jahre lang.

4 Dieses Plakat entwarf ich für die äußerst erfolgreiche „Quinzaine de l’Enfant“, welche die ANCE im Mai 1979 organisierte.

Nachdem einige Mitglieder abgesprungen waren und ihre eigenen Organisationen gründeten (ALPAPS, SIPO usw.) blieb die Mitgliederzahl über die Jahre hin jedoch konstant und setzte sich vor allem zusammen aus den Heimen und den Behindertenorganisationen. Entsprechend zweigleisig war dann auch die Politik der ANCE, wobei die Sorge um schulische und soziale Integration aller benachteiligten Kinder der gemeinsame Nenner war. Den Zusammenhalt förderte auch unser Bulletin, das mehr oder weniger regelmäßig erschien und dessen Redaktion ich meistens ganz allen bestreiten musste. Doch das ist eine andere Geschichte…

Am Anfang wollten wir jedes Jahr einen „Nationalkongress“ organisieren, der jedoch nach dem 3. Anlauf mangels Interesse friedlich einschlief. Bezeichnenderweise hatte der 2. Nationalkongress als Thema: „Praktische Probleme in der Heimerziehung“ und steht in diesem Buch als erster Beitrag. Im ANCE-Bulletin erschienen jedoch regelmäßig Beiträge zu erzieherischen Fragen im Umgang mit Heimkindern oder Behinderten.

1985 wurde von der UNO zum internationalen Jahr der Jugend erklärt. Das hatten die Verantwortlichen der FICE irgendwie verschlafen und so bot sich die kleine Luxemburger Sektion an, in aller Eile einen Kongress zum Thema „Probleme von Kindern und Jugendlichen in der Heimerziehung in Europa“. Durch die guten Kontakte unserer „Sonnenberg“-Mitglieder zu der Luxemburgischen Vertretung der EU gelang es uns, den Kongress im Jean-Monnet Gebäude zu organisieren und die EU stellte großzügig Räumlichkeiten, Übersetzer, ein Sekretariat, die Kantine, ein Abendessen für die Teilnehmer sowie sämtliche kleinen Annehmlichkeiten wie Tee, Kaffee und Kuchen. Die Teilnehmer waren begeistert und das Ansehen der Luxemburger Sektion wuchs beträchtlich, besonders bei der einflussreichen IGfH (FICE-Sektion Deutschland). In einem Buch, herausgegeben vom FICE-Verlag in Zürich, wurden die wichtigsten Beiträge veröffentlicht. Ein Jahr vorher, 1984 wurde ich in Marseille zum Schatzmeister der FICE gewählt und erbte damit die alten Kassenbücher, die Ed Barbel jahrelang geführt hatte. Dieser Posten gab mir aber auch die Gelegenheit, al allen Versammlungen der FICE teilzunehmen. Das wäre mit unseren bescheidenen finanziellen Mitteln nicht möglich gewesen aber so konnte ich meine Reisekosten über die FICE abwickeln.

Der Mauerfall führte nach 1989 zu großen Veränderungen in den Ländern des Ostblocks. Die FICE konnte sich rühmen eine der wenigen internationalen Organisationen aus dem Bereich der erzieherischen Hilfen zu sein, die auch Mitglieder in den kommunistischen Ländern hatten. So fanden Tagungen statt in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn statt. 1990 sollte der FICE-Kongress in Prag stattfinden. Wegen der anhaltenden Spannungen in diesem Land – Václav Havel wurde noch im Januar ins Gefängnis geworfen – wurde der Kongress fast abgesagt, aber kurz vor dem Termin im August renkte sich doch noch alles ein. (Siehe dazu meinen Kommentar zum Artikel: „Wer erzieht wen im Heim?“).

Die FICE-Kongresse finden alle 2 Jahre statt. In dem Kapitel „Aspekte Internationaler Arbeit“ finden Sie die vollständige Liste. Nach unseren guten Erfahrungen von 1985 boten wir uns an, den Kongress 1992 in Luxemburg zu organisieren. Gut, dass wir auch hier auf die großzügige Unterstützung der EU-Vertretung zählen konnten. Die Eröffnungsveranstaltung mit über 500 Teilnehmern fand im „Hémicycle“ des Parlamentsgebäudes auf Kirchberg statt und zum ersten Mal konnten wir zahlreiche Teilnehmer aus den Ostblockstaaten bei uns begrüßen. Auch dieser Kongress wurde ein voller Erfolg; ein Buch erschien mit den wichtigsten Beiträgen.

1994 wurde ich in Milwaukee (USA) zum Präsidenten der FICE gewählt und blieb das bis zum Jahre 2000.

Nachdem 1989 die internationale Konvention über die Rechte des Kindes von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet worden war, fand ein Paradigmawechsel in der Wahrnehmung der Rechte von behinderten und sozial benachteiligten Kindern statt. Gute Qualitätsstandards in der erzieherischen Arbeit wurden nicht mehr nur unter technischen Aspekten diskutiert, sondern wurden vielmehr als einklagbare Rechte der Kinder – aber auch der Erwachsenen – betrachtet zu deren Realisierung es mehr bedarf als der bloße gute Wille der Professionellen. Rechte von behinderten Kindern, Heimkindern und vor allem Kinder in geschlossener Unterbringung wurden in Konventionen und Charten – die allerdings meistens rechtlich nicht bindend waren – festgehalten. Auch die Rechte der Eltern gerieten zunehmend in den Focus der Öffentlichkeit. Die Entmachtung der Eltern durch Professionelle und Justizbehörden wurde an den Pranger gestellt. Anstatt Eltern komplett zu entmündigen sollten vielmehr neue Formen der intensiven Familienarbeit den Verbleib des Kindes in seiner Herkunftsfamile ermöglichen. Auch zu diesem Thema finden Sie Beiträge in diesem Buch.

5

5 1. Dräibuer-Plakat 1986

Parallel zur Stärkung der Rechte von Kindern und Eltern wurde in den letzten Jahren auch eine „Entjustizialisierung“ und/oder eine Deinstitutionalisierung der Jugendgerichtsbarkeit gefordert. Unser Jugendschutzgesetz ist ein Skandal und besonders die Jugendrichter wehrten sich seit Jahrzehnten mit Händen und Füssen gegen eine Reform und die und die unvermeidliche Entjustizialisierung. In keinem anderen Land der EU werden so viele Kinder ohne ersichtlichen Grund über den Jugendrichter in ein Heim platziert und ihren Eltern wird das Sorgerecht bis zur Großjährigkeit entzogen. Gleich 2 Kongresse organisierte die ANCE zusammen mit der FICE auf Kirchberg wo Themen wie Jugendhilfe („aide à la jeunesse“) und außergerichtliche Schlichtungsverfahren diskutiert wurden. (Mehr dazu im ersten Band der Reihe „Das Echternach-Syndrom“ über Kinderrechte).

Der Schatzmeister der ANCE, Fernand Liégeois war Direktor des „Centre Socio-Educatif“ in Dreiborn. Wir hatten beruflich und privat ein gutes Verhältnis, was sich an den zahlreichen Plakaten ausdrückt, die ich für die „Draibuerer Kiirmes“ zeichnete und die Sie in diesem Buch neben anderen Zeichnungen finden werden.

Im Juni 2003 organisierte das Familienministerium ein 2-tägiges Seminar, wo eine Bilanz der bisherigen Politik im Bereich der außerfamiliären Erziehung gezogen werden sollte. Aus eigenem Antrieb redigierte ich meine Notizen und veröffentlichte sie im ANCE-Bulletin. Am Leser zu urteilen, ob sich seitdem viel verändert hat.

Noch eine Bemerkung zu den Zeichnungen in diesem Buch: Die insgesamt 55 Zeichnungen haben alle etwas mit Heimerziehung, Kindertagesstätten und andere Einrichtungen der außerfamiliären Erziehung zu tun Zwischen 1977 und 1979 zeichnete ich regelmäßig für die deutsche „Erzieherzeitschrift“ (EZ), die von einer Gruppe engagierter Gewerkschaftler herausgegeben wurde. Sie setzten sich vor allem für eine Verbesserung der Ausbildung ein und geißelten die Übergriffe und Schikanen des Patronats, allen voran die katholische Kirche als Träger vieler Einrichtungen.

Andere Zeichnungen machte ich für Feste, die von kleinen Einrichtungen organisiert wurden, darunter besonders 8 Plakate für die „Draibuerer Kiirmes“, ein sympathisches Ereignis, das mit der Pensionierung von Fernand Liégeois nicht mehr weitergeführt wurde. Hier bestand die Gelegenheit, ein ganz zwangloses Miteinander von den Jugendlichen, den Jugendrichtern, der Magistratur, dem Personal von Dreiborn und aus anderen Einrichtungen zu erleben.

Eine beständige Inspirationsquelle war auch Robby Gengler von der Escher Schulkommission, der rastlos und mit großer Begeisterung immer wieder neue Aktivitäten in der Waldschule und in der Kindertagesstätte „Park Laval“ organisierte.

Noch andere Zeichnungen machte ich für die FICE. Sie erscheinen in diesem Buch in einer zwanglosen Reihenfolge, denn sie beziehen sich nicht explizit auf die einzelnen Artikel.

Praktische Probleme in der Heimerziehung

2. Nationalkongress der A.N.C. E. am 5. und 6.Dezember 1981 in Walferdange (Institut Pédagogique)

Am 5. und am 6. Dezember findet der 2. Nationalkongress der A.N.C.E. statt. Das Thema "Praktische Probleme in der Heimerziehung " wendet sich vor allem an diejenigen, die täglich in den Heimen mit diesen Problemen zu tun haben. Vor allem soll ein Gedankenaustausch erfolgen, damit die Teilnehmer erfahren können, wie diese Probleme an anderen Orten angefasst werden. Originelle "Problemlösestrategien" sollen diskutiert und später veröffentlicht werden.

Der gesamte Ablauf des Kongresses soll diesmal etwas flexibler erfolgen, das heißt wir werden keine Arbeitsgruppen von vornherein festlegen, sondern diese erst während dem Kongress unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Teilnehmer zusammenstellen.

Aus diesem Grunde haben wir auch keine Dokumentation vorbereitet. Die Teilnehmer sollten, falls sie Artikel oder Bücher zu diesem Thema besitzen, dieselben mitbringen. Vor allem aber sind die Erfahrungen des Einzelnen in der täglichen Auseinandersetzung mit dem Heimleben von Bedeutung.

Um kleine Anstöße zur Diskussion zu geben, will ich versuchen die vorgeschlagenen Themenbereiche (siehe Einladung) soweit ich sie als Außenstehender beurteilen kann in ihrer Problematik kurz zu umreißen.

Als Mitglied verschiedener MPPS-Teams habe ich einige Erfahrungen gesammelt die zeigen, dass besonders bei der Lösung praktischer Probleme im Heimalltag viele Fragen auftauchen, die auch wenn sie banal scheinen, eine tiefgreifende Diskussion verdienen. Mir scheint, dass bis jetzt jeden Haus versucht hat, auf seine Art die anstehenden Probleme zu lösen. Dies führt natürlich zu beträchtlichen Unterschieden im "Arbeitsstil" der verschiedenen Häuser und meiner Meinung nach gibt es auch qualitative Unterschiede. Natürlich ist es unmöglich zu verlangen, ein Haus solle genau wie das andere funktionieren, das sollte man sogar absolut vermeiden.

Warum sollten aber nicht alle aus positiven Erfahrungen, die an verschiedenen Orten gemacht wurden, Nutzen ziehen?

Beispiel 1: Ernährung

In vielen Häusern ist man dazu übergegangen, dass die Gruppen selber ihre Mahlzeiten zubereiten. Das hat den Vorteil, dass die Kinder und Jugendlichen lernen, wie man einfache (manchmal auch bessere) Mahlzeiten zubereitet, die Tische freundlich herrichtet und abwäscht. Am Anfang finden die Kinder das interessant, später wird es zu einer Routine, und es schälen sich in der Gruppe diejenigen heraus, die Spaß am Kochen haben und die, die jedes Mal meckern, wenn sie mit anfassen oder abwaschen sollen. So kann eine positive Idee auch neuen Konfliktstoff mit sich bringen. In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu erfahren:

was gemacht werden kann um diese Tätigkeiten für alle Kinder interessant zu gestalten

wie die Erzieher reagieren sollen, wenn die Arbeit nicht oder nur schlampig verrichtet wird etc.

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Eine weitere nützliche und lehrreiche Idee ist die Selbstverwaltung in der Gruppe des Küchen-"Etats". Wenn die Gruppe genügend finanzielle Autonomie hat, besteht die Gefahr, dass am Essen gespart wird um z.B. die finanziellen Reserven für eine Ferienkolonie aufzustocken.

sind die finanziellen Mittel ausreichend um eine ausgewogene Ernährung der Kinder zu garantieren?

welche Erfahrungen wurden bisher mit dieser Form der "Selbstverwaltung " gemacht.

An den Teilnehmern wäre es, herauszufinden, ob in der Regel ausgewogene und qualitativ gute Essen zubereitet werden. Wie sollen sich Erzieher verhalten, wenn Kinder übermäßig zwischen den Mahlzeiten z.B. Süßigkeiten essen? Sind alle Erzieher über die gesundheitsschädlichen Farb- und Konservierungsstoffe informiert, die besonders in Süßigkeiten oft enthalten sind? Welche Möglichkeiten bestehen, vom Heim aus z.B. einen Gemüsegarten anzulegen und die Kinder und Jugendliche diesen bearbeiten zu lassen?

Beispiel 2: Fernsehen

Trotz verschiedener Versuche, das Problem des Fernsehens in den Griff zu bekommen, scheint es, als ob immer noch keine klaren Vorstellungen hier existieren.

Was geschieht um die Kinder den Umgang mit diesem Medium zu lehren?

Welche Versuche (Programmauswahl) wurden in den verschiedenen Häusern gemacht und welches waren die Resultate?

Wie können die - berechtigten - Sonderwünsche verschiedener Kinder berücksichtigt werden?

In diesem Zusammenhang wäre die Rolle eines Videorekorders im Heim bzw. in der Gruppe ernsthaft zu überdenken. Trotz seines hohen Anschaffungspreises bietet er viele Vorteile:

Unabhängigkeit von Sendezeiten

Nur qualitativ gute Sendungen können den Kindern vorgezeigt werden.

Sonderwünsche können respektiert werden ohne das gemeinsame Fernsehen zu verhindern.

Beispiel 3: Probleme bei Jugendlichen

Ausgehen, Rauchen, Drogen, Alkohol, Sexualität.

Stimmt es, dass Jugendliche, die in Heimen leben gefährdeter sind als andere? Wie ausgeprägt ist die Drogensucht in den Heimen; welche Maßnahmen werden zur Aufklärung und Vorbeugung getroffen? Welche Ausmaße haben Alkohol-und Tabakabhängigkeit? Sollen die Erzieher mit dem guten Beispiel vorangehen? Was tun wenn es zu spät ist?

Die Praxis in den Heimen zeigt, dass Jugendlichen gegenüber oft falsche Haltungen eingenommen werden. Oft sind die Erzieher selbst kaum mehr als 30 Jahre alt, sodass sich oft ungesundes Komplizentum zwischen Betreuern und Betreuten entwickelt. Ist der "normale" Altersunterschied von einer Generation nicht eine Voraussetzung dafür, dass die Erziehung überhaupt gelingen kann? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um einen demokratischen Erziehungsstil überhaupt erst einführen zu können? Wie oft werden autoritäre Maßnahmen sozusagen als "letztes Mittel" gebraucht um Konfliktsituationen abzublocken? Wie soll die schwierige Phase des Überganges vom Jugendlichen zum, Erwachsenen gestaltet werden? Warum dürfen die Jugendlichen nicht mit ihrer Freundin bzw. Freund aufs Zimmer? Welche Einstellung haben die Erzieher zur Sexualität und wie wirken diese sich auf die Jugendlichen aus? Wie reagieren Erzieher auf das Problem der Homosexualität?

Bis jetzt fand ich persönlich noch nicht einmal einen Ansatz, diese Probleme zu diskutieren und zu „bewältigen“. Vielmehr wird hier "à la tête du client" gehandelt oder es existiert ein konzeptloses Durcheinander.

Beispiel 4: Strafen

Ohne Bestrafung kommt man in der Erziehung nicht aus. Es gibt zwar Modelle nach denen ein Kind gänzlich ohne Zwang erzogen werden könnte, aber wer verfügt schon über das Wissen, die Erfahrung, die Ausdauer und die Geduld, die ein solches Erzieherverhalten abverlangt? Bestrafung bedeutet natürlich nicht "schlagen" oder "einsperren" oder auch "den Nachtisch entziehen". Dies sind Formen der Bestrafung, die dem - leider traditionsreichen -autoritären Erziehungsstil entnommen sind. In der Praxis stellt man jedoch fest, dass diese Verhaltensweisen oft noch anzutreffen sind.

Meist sind sie die Folge eines misslungenen Versuchs, nichtautoritär zu erziehen. Der soziale Kontext in dem Erziehungsprozesse ablaufen - gestörte Familienverhältnisse, Heim, wechselnde Bezugspersonen, Freundeskreis, sozio-ökonomische Verhältnisse - ist besonders heutzutage von so vielen Zwängen bestimmt, dass permissive Erziehungsmethoden oft dem Kind die Illusion einer heilen Welt, vermitteln die jedoch den Kontakt mit der "Außenwelt" (Schule, Ursprungsfamilie, Ausbildung, Beruf) permanent in Frage gestellt wird. Der Erzieher hat meiner Meinung nach nicht die Aufgabe, das Kind abzuschirmen, sondern er muss es auf das Leben in diesen äußeren, oft widersprüchlichen Situationen vorbereiten. Der Aufbau eines bestimmten Maßes an Frustrationstoleranz beim Kind und beim Jugendlichen erfordert daher auch die Einbeziehung von Strafen, die selbstverständlich nicht Auflehnung, sondern Lernprozesse hervorrufen sollen. Daher die Fragen:

Welche Formen der Bestrafung gibt es?

Unter welchen Voraussetzungen sollen Strafmaßnahmen angewendet werden?

Wie können sich Heimkinder gegen ungerechte Strafen wehren?

Wie sinnvoll ist im Heimwesen ein "Strafenkatalog", ähnlich dem wie er in den Schulen besteht? usw. (règlement interne)

Beispiel 5: Freizeitgestaltung

In vielen Heimen verfügt jede Gruppe über einen Hobbyraum, viele Kinder nutzen das Freizeitangebot auf lokaler Ebene doch scheint mir als ob diese Möglichkeiten noch nicht voll ausgenutzt werden. Praktische Probleme wie z.B. die Unfähigkeit vieler Erzieher selber manuell-kreativ zu arbeiten sowie Stundenplan - und Transportschwierigkeiten verhindern dies. Besonders bei Jugendlichen ist die Freizeitgestaltung ein ernsthaftes Problem. Da nicht viel Geldmittel zur Verfügung stehen, müssen die Häuser meistens improvisieren. Kreative Freizeitbeschäftigung wird oft zweckentfremdet dadurch, dass die Bastelprodukte für den Verkauf auf Bazars bestimmt sind. Abgesehen davon, dass der Erlös eines Bazars dem Heim oft die fehlenden Mittel für außergewöhnliche Unternehmungen bringt, frage ich mich ob die verantwortlichen Erwachsenen hier des Guten nicht zu viel machen und ob sich nicht andere Wege der Geldbeschaffung einfallen lassen könnten. Spiel und Freizeitbeschäftigungen sind sich selbst genügende Aktivitäten, ein wesentlicher Faktor in der psychosozialen Entwicklung des Kindes. Sie sollen daher nicht vor den Karren der Geldsammellust der Erwachsenen gespannt werden. Im Heimbereich fehlt eine zentrale Informationsstelle, die dem Erzieher eine aktuelle Dokumentation über das Angebot an Spielzeug und Hobbymaterial liefern könnte. Es fehlen auch Weiterbildungsangebote in diesem Bereich. Folgende Fragen könnten diskutiert werden:

Welche Freizeitangebote gibt es für Jugendliche?

Welches Spielzeug für welche Kinder?

Wie kann das Niveau der Freizeitbeschäftigung gehoben werden? (mehr Kreativität, soziales Lernen usw.)

Beispiel 6: Hausaufgaben

Hausaufgaben sind nicht nur im Heimleben ein Problem. Besonders für schwache Schüler sind Hausaufgaben eine scheinbar notwendige doch sehr belastende Beschäftigung. Hier stellt sich die zentrale Frage der Beziehung zwischen Heim und Schule. Der Erzieher kann den Lehrer nicht ersetzen und doch wird das oft von ihm verlangt. Sehr viel Zeit geht im Heim durch die Überwachung der Hausaufgaben verloren. Da im Heim die schwachen Schüler die Mehrheit bilden wäre es dringend notwendig, sich mit den Lehrern jeweils zu Beginn des Schuljahres zusammenzusetzen und über Sinn und Ausmaß der Hausaufgaben für jeden Einzelfall zu diskutieren. Viele Erzieher sind nicht in der Lage, gezielte Trainingsmethoden z.B. für rechenschwache oder rechtschreibschwache Schüler anzubieten. Da aber im Heim die Möglichkeit besteht, gezielte Einzelhilfen anzubieten müsste das Qualifikationsniveau der Erzieher in diesem Bereich angehoben werden durch Weiterbildungskurse und das Einrichten einer zentralen Informationsstelle über Trainingsmaterial.

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Beispiel 7: Elternarbeit

Obschon die meisten Eltern von Heimkindern in ihrer Erziehungsarbeit versagt haben stellen sie einen Teil der "äußeren" Realität der Heimerziehung dar. Bis auf wenige Ausnahmen wird deshalb vom Heim aus der Kontakt Eltern - Kinder mehr oder weniger systematisch gesteuert. Bei Einweisungen über das Jugendgericht ist dies relativ einfach - bedingt durch die gute Zusammenarbeit zwischen Heimen und „Service de la Protection de la Jeunesse“. In den anderen Fällen ergeben sich oft Schwierigkeiten dadurch, dass das Heim überhaupt keine rechtlichen Mittel hat, den Kontakt zu den Eltern zu organisieren: entweder mischen sich die Eltern zu viel in das Heimleben ein oder zu wenig. In vielen Häusern läuft der Kontakt zu den Eltern meistens über den Leiter bzw. die Leiterin oder aber über die EMPPS.

Der Erzieher - wenn er bei diesen Unterredungen nicht dabei ist -wird deshalb oft in eine sekundäre Rolle verwiesen die er meiner Meinung nach nicht haben sollte. Unverbindliche Gespräche "zwischen Tür und Angel" wenn die Eltern ihre Kinder abholen reichen nicht aus um den Eltern bewusst zu machen, dass es schließlich diese Leute sind die ihre Rolle übernommen haben. Deshalb kommt es auch so häufig zu Konflikten zwischen den Erziehern und den Eltern die im Gespräch mit dem Leiter oder der EMPPS - durch deren Autoritätsposition - unter den Teppich gekehrt werden. Die Maske der Dialogbereitschaft fällt wieder, wenn die Eltern ihre Aggressionen erneut an dem Erzieher abreagieren können.

Umgang mit Eltern erfordert jedoch eine gewisse Geschicklichkeit, die nur in der Praxis gelernt werden kann. Theoretische Vorbildung ist trotzdem notwendig, sei es während der Ausbildung oder durch Weiterbildungsangebote (z. B. Gesprächsführung ...)

Eine wichtige Angelegenheit ist auch die Frage ob und wie weit der Arm des Hauses in das Ursprungsmilieu hineinreichen soll Dieses Problem kann zufriedenstellend nur gelöst werden durch eine Reorganisation des psychosozialen Versorgungssystems. Der Träger der Elternarbeit soll nämlich nicht das Heim sein, sondern die regionale psychosoziale Beratungsstelle beim Wohnort der Eltern. Wenn beide Instanzen gut zusammenarbeiten wird kaum eine Überschneidung von Kompetenzbereichen vermieden werden (klassisches Beispiel: Sozialhelferin aus dem Heim und Sozialhelferin aus dem "Sektor"). Elternarbeit ist also nur zu definieren innerhalb des Rahmens der gesamten Sozialarbeit. Dadurch dass vom Heim aus die Besuchszeiten reguliert und den Eltern gutgemeinte Ratschläge erteilt werden ist noch lange keine Elternarbeit.

Beispiel 8: Die „Spezialisten“ im Heim

In einigen Heimen arbeiten ganz oder teilweise Personen, die ich mit "Spezialisten" bezeichnen möchte da sie in einer beratenden Position dem Erzieher gegenüberstehen, nicht am eigentlichen Erziehungsprozess teilnehmen und über ein höheres Ausbildungsniveau (meist Fachhochschule oder Universität) verfügen. Gemeint sind Sozialarbeiter, Heilpädagogen, Ärzte, Psychologen u. a.

Dieses Problem kann man aus der Sicht der Betroffenen diskutieren (was zurzeit im Rahmen einer Arbeitsgruppe der MPPS-Mitglieder geschieht) oder aus der Sicht der Erzieher die mit diesen "Spezialisten " zu tun haben. Ich möchte mich hier auf den letzteren Gesichtspunkt konzentrieren ohne aber zu vergessen, grob auf die Probleme hinzuweisen mit denen die MPPS-Arbeit konfrontiert ist und zwar:

ungenügende Finanzmittel

Rollenproblematik der verschiedenen Team-Mitglieder

Rollenprobleme der Spezialisten die direkt von den Häusern eingestellt werden.

Definition der Aufgaben der einzelnen Team-Mitglieder u.a.

Auf der anderen Seite kann man auch versuchen aus der Sicht des Erziehers zu fragen, was die Mitarbeit der Spezialisten im Heim an positiven und negativen Momenten enthält. Schließlich ist der Erzieher in vielen Fällen der Auftraggeber für die Interventionen der Spezialisten:

Welche Erfahrungen wurden bisher gemacht?

Ist die Arbeit der Spezialisten sinnvoll und wird sie zur Zufriedenheit aller ausgeübt?

Welche Auswirkungen hat der häufige Wechsel der Mitglieder in den EMPPS?

Wie reagieren die Kinder, wenn sie zum Arzt oder zum Psychologen gehen sollen?

Sollen Spezialisten fester Bestandteil des Heimpersonals werden?

Welche Anforderungen stellen die Erzieher an die Arbeit der Spezialisten?

Beispiel 9: Erziehungsverhalten in Krisensituationen

In jedem Haus stehen die Erzieher ab und zu vor Situationen die mit dem gewohnten Handlungsrepertoire nicht mehr zu meistern sind. Schwere Verstöße gegen die Hausordnung bzw. gegen die Gesetze, Drogensucht, Probleme im sexuellen Bereich können den gewohnten Rhythmus eines Heimes stark beeinträchtigen. Z.B. weigert sich ein Jugendlicher eines Morgens zur Arbeit zu gehen aus mehreren -durchaus verständlichen - Gründen. Hier entsteht oft ein Rollenkonflikt für den Erzieher: Soll er als mitfühlender Freund handeln ("Ich würde an seiner Stelle auch nicht diese Arbeit verrichten") oder als "Ordnungshüter"? Diese Frage kann natürlich immer nur von Fall zu Fall beantwortet werden aber eine prinzipielle Diskussion über allgemeine Richtlinien in solchen Krisensituationen drängt sich auf. Oft genug nämlich wird der Erzieher gezwungen, eine Position einzunehmen, die er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Ist der Erzieher, letztlich nur ein Vertreter der vorherrschenden gesellschaftlichen Normen, oder darf er seine persönlichen Wertvorstellungen in den Erziehungsprozess einfließen lassen? Auf welche beratenden und entscheidenden Gremien kann sich der Erzieher im Konfliktfall verlassen? In vielen Häusern finden wir besonders "erziehungsschwierige" Jugendliche. Die im Heim arbeitenden Erzieher sind oft nicht oder nur wenig auf den Umgang mit diesen Jugendlichen vorbereitet und oft wird die ursprüngliche Zielsetzung eines Heimes (z.B. "Jungen Arbeitern ohne Familie eine Zuhause anbieten") durch die Präsenz dieser Jugendlichen in Frage gestellt. Allzu oft wird dann im Konfliktfall der einfachste Weg eingeschlagen: die Abschiebung nach Dreiborn oder Schrassig. Wäre es nicht an der Zeit, institutionell neue Bedingungen zu schaffen um mit "schwierigen" Jugendlichen eine systematische, nicht repressive Erziehungsarbeit zu leisten?

Beispiel 10: Öffentlichkeitsarbeit

Jedes Heim ist mehr oder weniger in das Leben einer Ortschaft integriert. Auf der Ebene der Beziehungen zwischen Heimkindern und den Leuten aus der Nachbarschaft liegt jedoch Manches schief. Viele Eltern verbieten ihren Kindern den Umgang mit Heimkindern und bei Jugendlichen werden Freundschaften oft genug unterbunden. Das erschwert natürlich die soziale Integration besonders der Jugendlichen. Bis jetzt ist es auch noch immer so, dass auf der Heimebene die -sonst fast überall abgeschaffte- Segregation von Jungen und Mädchen aufrechterhalten wird. So entstehen regelrechte Junggesellenbuden die den Eltern des Nachbarmädchens Angst und Schrecken einjagen. Wenn schon familienähnliche Zustände überall eingeführt werden sollen, warum dann auch nicht in dieser Hinsicht? Durch gezielte Aktionen können die Häuser ebenfalls versuchen, den Kontakt zu den Leuten der Nachbarschaft zu verbessern. Über Erfahrungen, die in dieser Hinsicht gemacht wurden könnten wir auf unserem Kongress diskutieren.

Schlussbemerkung:

Ich habe versucht hier in aller Kürze auf einige Probleme des Alltagslebens im Heim einzugehen. Selbstverständlich ist diese Übersicht weder komplett noch ausführlich. Aus dem Gesagten geht jedoch hervor, dass es viele Dinge gibt über die man reden kann. Wünschenswert wäre die Fortführung dieser Diskussion über unseren kleinen Kongress hinaus. Unsere Vereinigung würde solche Initiativen in jeder nur denkbaren Form unterstützen. Oder warum heißen wir eigentlich "Association Nationale des Communautés Educatives“?

Robert Soisson

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6 2. Dräibuer-Plakat 1987

7 3.Dräibuer Plakat 1988

8 4. Dräibuer-Plakat 1989

Éditorial ANCE-Bulletin N° 46/47 (1983)

Die letzte Nummer des ANCE-Bulletins für das Jahr 1983 ist wieder Problemen der Heimerziehung gewidmet. Am 14., 15. und 16. Oktober fand nämlich in Remich im Bildungszentrum der Arbeiterkammer eine Sitzung des Conseil Fédéral der Fédération Internationale des Communautés Éducatives (F.I.C.E .) statt. Die ANCE ist ja bekanntlich die luxemburgische Sektion der FICE und war fast immer bei internationalen Veranstaltungen vertreten. Im Jahre 1979 organisierte die ANCE (damals unter dem Vorsitz von Emile HEMMEN) im Rahmen der "Année Internationale de l'Enfant" ein Rundtischgespräch mit Vertretern der FICE. Um wieder einmal auf luxemburgischem Boden eine FICE-Veranstaltung organisieren zu können, beschloss das Komitee vor einem Jahr, einen Conseil Fédéral in Remich zu organisieren.

Insgesamt 21 Gäste aus 10 Ländern konnten wir am 14. Oktober begrüßen. (Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Frankreich, Holland, Israel, Oestreich, Polen, Schweiz, Tschechoslowakei und Ungarn).

Um nicht zu viel Zeit mit Diskussionen über administrative Angelegenheiten zu verlieren wurde vor einem Jahr in Trogen beschlossen, jeweils die Hälfte einer Sitzung des C.F. einem bestimmten Thema zu widmen. In Remich wurde über die Zukunft der H diskutiert und dazu hatte Prof. Heinrich Tuggener eine Arbeitsunterlage erstellt.

Das Thesenpapier von Prof. Tuggener fand allgemeine Anerkennung obschon die Lage der Heimerziehung nicht in allen Ländern dieselbe ist. In der Diskussion wurde übereinstimmend festgestellt, dass in den westlichen Industrieländern die Heimerziehung in einer Identitäts- und Finanzkrise steckt. Das Thesenpapier von Prof. Tuggener spiegelt diesen Zustand wider. In den sozialistischen Ländern wurde die Entwicklung hin zur familienähnlichen Kleingruppe eben erst vollzogen. Es findet ein Wandel in den Ideen statt aber die Vertreter aus Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei wussten nichts von einer Finanz- oder Identitätskrise zu berichten. Auch in Israel, wo der Aspekt der Erziehung zum Kollektiv eine vorrangige Rolle spielt und wo Heimerziehung hauptsächlich im Bereich des Einwanderungsgeschehens anzusiedeln ist, wird nicht von Krise geredet.

Wir werden vielleicht einmal im Detail auf die Tagung in Remich zurückkommen da sie für die Interpretation aktueller Entwicklungen in der Heimerziehung von großer Bedeutung war.

Der nächste Beitrag in diesem Bulletin ist für diejenigen interessant, die sich auf theoretischem Gebiet mit der Heimerziehung abgeben: Herr Gerhard Haag von der IGfH (Internationale Gesellschaft für Heimerziehung; deutsche FICE-Sektion) überreichte mir nämlich die letzte Ausgabe ihrer Zeitschrift "Materialien zur Heimerziehung" in der Artikel aus 45 spezialisierten Zeitschriften zusammengefasst und alphabetisch nach Autoren geordnet wurden. Eine wahre Fundgrube für denjenigen, der sich mit aktueller Literatur zu einem bestimmten Bereich der Heimerziehung eindecken will.

Ein 4. Beitrag in dieser Nummer stammt von unserem unermüdlichen Freund Alfred Groff. Extra für das ANCE-Bulletin hat er die wichtigsten Trends aus den diesjährigen Statistiken des Centre d’Information et de Placement (CIEP) zusammengefasst. Herzlichen Dank!

Ein 5, kurzer Beitrag eines Behinderten macht deutlich welche Schwierigkeiten diese Menschen noch immer haben, sich "draußen" frei und "unbehindert" zu bewegen. Der Artikel ist ein beschämendes Zeugnis für die Unbeholfenheit und öfters auch Feindseligkeit mit der unsere Mitbürger Behinderten begegnen.

Zum Schluss sei noch auf ein neugegründetes Heim hingewiesen. Es heißt Foyer d’aide aux familles des handicapés physiques, befindet sich im prunkvollen Neubau des Paula BOVE und stellt sich selbst als letzter Beitrag in dieser Nummer kurz vor.

Ich wünsche allen Freunden und Lesern unseres Bulletins frohe Festtage und einen guten Rutsch ins Neue Jahr.

Robert Soisson

Éditorial ANCE-Bulletin N° 50 (1985)

Fast ein Jahr ist es her, dass das letzte ANCE-Bulletin herausgekommen ist. Das hat sicher seine Ursache darin, dass die Zusammenstellung und Herausgabe des Bulletins von einer einzigen Person abhingen was sich jedoch in Zukunft ändern wird. Meine Zeit wurde nämlich sehr von zwei Projekten in Anspruch genommen die im Monat Juni zu einem Höhepunkt der Aktivitäten unserer Vereinigung geführt haben: Einerseits unser Kongress und andererseits die Herausgabe des "guide pratique" Diesen beiden Themen ist die 50. Nummer unseres Mitteilungsblattes gewidmet. Ab dieser Nummer werden auch einige neue Rubriken eingeführt wie z.B. FICE-Aktivitäten oder Berichte über Aktivitäten befreundeter Organisationen.

Vom 5. - 9. Juni 1985 fand in Luxemburg unser Kongress statt: Probleme Jugendlicher in der Heimerziehung in Europa. Der Kongress war in jeder Hinsicht ein Erfolg. Für die Teilnehmer und besonders auch für diejenigen, die nicht teilnehmen konnten beginnen wir in dieser Nummer die Publikation der Vorträge und Diskussionen der Tagung. Es ist zwar geplant ein Buch über den Kongress herauszugeben aber da die Arbeiten für ein solches Unterfangen bis zu einem Jahr dauern können erschien es mir sinnvoll bereits jetzt im Bulletin diese Artikel zu publizieren; Wir beginnen unsere Serie mit dem Referat von Prof. Dr. Jürgen Blandow, der durch einen unglücklichen Umstand leider nicht am Kongress teilnehmen konnte, uns aber freundlicherweise sein Referat zusandte.

Unser Kongress wurde von den Teilnehmern sehr positiv beurteilt, weil praktisch keine Pannen passierten. Sowohl die äußeren Bedingungen wie auch die inhaltliche Programmgestaltung gaben zu keinerlei Kritiken Anlass. Unsere ausländischen Gäste waren in Schloss Ansemburg, im ISERP in Walferdange und in den Hotels City, Bristol und Novotel untergebracht. Alle waren mit ihrer Unterkunft zufrieden. Die Bustransporte, organisiert von der Firma Frisch, funktionierten zuverlässig und pünktlich.

Die Mahlzeiten in Siewebueren, Erpeldange (Dahm) sowie in der. Kantine des Jean Monnet Gebäudes mundeten den Gästen ausgezeichnet und es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Die Betreuung der ausländischen Gäste durch die Komitee-Mitglieder von ANCE und ADCA klappte vorzüglich. Die meisten Anreisenden wurden im Bahnhof oder am Flughafen abgeholt. In Ansemburg und Walferdange wurden die Gäste erwartet und in Luxemburg-Stadt waren die Räumlichkeiten des CIEP zeitweise einer Bahnhofshalle ähnlich; denn von hier aus wurden Transporte nach Walferdange und Ansemburg organisiert sowie die Betreuung der Hotelgäste gesteuert.

Große Bewunderung löste die Infrastruktur des Jean Monnet-Gebäude auf Kirchberg aus. Wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bedanken bei den Verantwortlichen des Presse-und Informationsdienstes der EG-Kommission, besonders aber bei den Herren Guillaume, Linster und Humbert deren perfektes Zusammenwirken uns diese einzigartigen Arbeitsbedingungen ermöglichte. Ich habe selten auf Kongressen ähnliche Bedingungen vorgefunden: 4 Arbeitsräume, davon ein großer Konferenzsaal in dem permanent 6 Dolmetscher in 3 Sprachen übersetzten. Alle Referate und große Teile der Diskussionen wurden auf Band mitgeschnitten. Wir hatten ein Sekretariat zu unserer Verfügung mit mehreren elektrischen Schreibmaschinen, Kopiergerät. Telefon usw.

In den Pausen erhielten die Teilnehmer Kaffee, Tee oder ein Erfrischungsgetränk; auf den Tischen in den Konferenzsälen stand immer frisches Wasser. Die technische Assistenz klappte hervorragend: Dies merkte man besonders wenn Overhead-Projektionen gemacht wurden. Hier wurde der Raum im richtigen Moment verdunkelt, die Projektionen waren gut lesbar und im richtigen Moment wurde es auch wieder hell. Die Programmgestaltung trug ihren Teil zu der entspannten Stimmung des Kongresses bei: keine Hektik, kurze Arbeitseinheiten von eineinhalb Stunden, gemütliche Kaffeepausen und eine zweistündige Unterbrechung am Mittag.

Die gesellschaftlichen Ereignisse am Rande des Kongresses fanden allgemein Anklang. Die ausländischen Gäste begrüßten die Tatsache, dass wir bereits am Mittwochabend ein Essen in einem angenehmen Rahmen organisierten; dies war eine gute Gelegenheit, sich vor dem Kongress bereits kennen zu lernen. Das "buffet campagnard" zu dem freundlicherweise Herr Guillaume am Donnerstagabend eingeladen hatte schmeckte ausgezeichnet und die Gäste hatten anschließend die Gelegenheit, während eines Spazierganges von Kirchberg via 3 Eicheln, Clausen und Corniche zur Place d'Armes einige der schönsten Stellen unserer Hauptstadt kennenzulernen.

Wie bestellt gab die 'Harmonie Municipale' der Stadt Luxemburg dort gerade ein Konzert. Am Freitagabend wurden wir von Mitgliedern des Schöffenkollegiums und des Gemeinderats im Rathaus empfangen. Von dieser Stelle aus möchten wir uns noch einmal herzlich für die freundlichen Worte und den ausgezeichneten Wein bedanken.

Der Samstag war ganz dem Tourismus gewidmet. Mit zwei Bussen und etwa 70 Teilnehmern besichtigten wir morgens die Hauptstadt: Maquette und Dia-Show in den Räumlichkeiten des Syndicat d'Initiative, die Kasematten und die Rundfahrt hinterließen einen tiefen Eindruck bei den Freunden aus dem Ausland. Mittags verteilten sich die Teilnehmer wie bereits am Abend zuvor in die verschiedenen Restaurants der Altstadt.

Unter der ausgezeichneten Führung der zwei Fremdenführer des Syndicat d'Initiative starteten wir gegen 15.00 Uhr zu einer Rundfahrt, die uns in die kleine Luxemburger Schweiz, Echternach, Vianden und Ettelbrück führte. Dank einer Initiative von Jose-Anne Schaber konnten wir hier das "Aqua-Pub" besichtigen, eine Einrichtung, die jungen straffällig gewordenen Menschen den Neubeginn erleichtern will. Nach dem alkoholfreien Aperitif im Aqua-Pub wurde das vorzügliche Abendessen im Restaurant Dahm in Erpeldange zum Abschiedsessen denn die Busse brachten anschließend die Teilnehmer in ihre respektive Schlösser zurück und nur der harte Kern der Organisatoren und einige standhafte Gäste harrten bis zur Polizeistunde auf der "Plëss" aus.

Doch so angenehm das Rahmenprogramm auch gewesen sein mag, das Wichtigste waren doch die Referate und Arbeitsgruppen. Auch hier hörte man kaum Kritik: Wohl sind bei einem so breit gefächerten Angebot immer einige Konferenzen dabei die den einen oder den anderen nicht so sehr ansprechen. Die meisten Referate wurden von den Teilnehmern als hochinteressant und hochaktuell eingestuft. Besonders viele Luxemburger Teilnehmer waren mit dem Angebot zufrieden. Die zahlreichen Fragen, die an die Referenten gestellt wurden beweisen wie stark das Interesse war.

Den Referenten ist auch der größte Teil der nächsten Bulletins gewidmet. In dieser Nummer stellen wir einige Daten zum Kongress zusammen sowie den tatsächlichen Programmablauf vor.

Da dies der erste internationale Kongress war den die ANCE organisierte, können wir mehr als zufrieden sein. Es war ein Experiment das wir gerne wiederholen möchten.

Zum Guide Pratique: In ungefähr 30 Arbeitssitzungen bastelten Maddy Roulleaux,