Das Ende der Anweisung - Bernhard Cevey - E-Book

Das Ende der Anweisung E-Book

Bernhard Cevey

4,8

Beschreibung

Befehl und Gehorsam haben ausgedient in der modernen Unternehmenswelt, glücklicherweise. Anweisungen sind tabu. Sie widersprechen nicht nur dem Zeitgeist, sondern auch der Sachlogik heutiger Arbeit, denn sie passen nicht zu komplexen Aufgaben, virtuellen Arbeitswelten, stetiger Transformation und globaler Zusammenarbeit. Doch wie bringt man Menschen in Bewegung? Wie übt man Einfluss aus, ohne Druck zu machen? Was es braucht, ist eine grundlegend neue Art der Kommunikation: aktivierend statt lenkend, empathisch statt druckvoll, überlegt statt ad hoc. Wie das geht, welche Werkzeuge Sie brauchen und wie Sie sie einsetzen, zeigt dieses Buch. Anhand typischer Führungssituationen lernen Sie sechs psychologisch fundierte Werkzeuge kennen, die Ihnen zeigen, wie Sie überzeugend, wertschätzend und aktivierend mit Ihren Mitarbeitern und Kollegen kommunizieren und auch schwierige Gesprächssituationen zu einem positiven Ergebnis führen.

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BERNHARD CEVEY

DAS ENDE DERANWEISUNG

6 Leadership-Toolsfür wirksame Führungheute

Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft. Auf etwaige Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt hat der Verlag keinen Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-792-7

ISBN epub: 978-3-95623-511-5

Unter Mitarbeit von Dr. Petra Begemann, Bücher für Wirtschaft + Management, Frankfurt am Main | www.petrabegemann.de

Lektorat: Eva Gößwein, Berlin | www.textstudio-goesswein.de

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Grafiken: CEVEYCONSULTING GmbH

Autorenfoto: Fotostudio Karin, Rottenburg

Foto der Autoren des Vorworts: Valentin Marquardt, Acameo, Tübingen

Satz und Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg | www.buch-herstellungsbuero.de

© 2017 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2017 erschienenen Buchtitel “Das Ende der Anweisung” von Bernhard Cevey, © 2017 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise,nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

www.gabal-verlag.de

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Inhalt

Vorwort

»Ansagen« funktionieren nicht mehr

Der Kooperationsmythos

6 Leadership-Tools für wirksame Führung heute

Das Erfolgs-Mindset: Aktivieren statt Anweisen

Das Geheimnis der Resonanz

Auf einen Blick

1DAS SPIEL DREHEN: POSITIVER LOOP

Ein Satz kann alles verändern

Positiver oder Negativer Loop? Ihre Entscheidung!

Vertrauen statt Vorwürfe

Wirksame Gesprächstechniken

Emotionssteuerung

Praxisbeispiel: Ein Leistungsträger trägt Veränderungen nicht mit – was tun als Führungskraft?

Auf einen Blick: POSITIVER LOOP

2SELBST STEUERN: DRIVER’S SEAT

Warum tun Sie, was Sie tun?

Selbst fahren oder nur Beifahrer sein?

Optimisten leben besser

Wirksame Gesprächstechniken

Wer selbst wählt, brennt nicht aus

Praxisbeispiel: Ein Mitarbeiter wehrt sich gegen die Delegation einer Aufgabe – was tun als Führungskraft?

Auf einen Blick: DRIVER’S SEAT

3.FAKTEN SPRECHEN LASSEN: REALITÄTSANKER

Die Realität führt, nicht die Führungskraft

Problem »Komfortzone«: Menschen in Bewegung bringen

Wirksame Gesprächstechniken

Die unterschätzte Macht der Pause

Praxisbeispiel: Eine zuarbeitende Abteilung gefährdet Ihr Projektziel – was tun als Projektleiter ohne Weisungsbefugnis?

Auf einen Blick: REALITÄTSANKER

4.DIREKTIV SEIN OHNE DIREKTIVEN: ZIELPROJEKTION

Auch die VUKA-Welt braucht Ziele

Nur selbst generierte Ziele sind nachhaltig wirksam

Zielprojektion: Die Kraft positiver Zielbilder

Wirksame Gesprächstechniken

Zielrhythmen in schnelllebigen Zeiten

Praxisbeispiel: Sales-Kollegen in einer Matrix sollen Sie bei einem komplexen Sales-Projekt unterstützen – was tun als Kollege?

Auf einen Blick: ZIELPROJEKTION

5.EIN ECHTES JA BEKOMMEN: ÜBERZEUGUNGSSOG

Wer widerwillig zustimmt, wird Ihnen nicht folgen

Einfluss heißt: Der andere ist aktiv

Wirksame Gesprächstechniken

Dilemma-Kompetenz: Die richtige Flughöhe wählen

Praxisbeispiel: Einkäufer und Lieferant – Verhandlungsführung mit verschiedenen Härtegraden

Auf einen Blick: ÜBERZEUGUNGSSOG

6.AKTIVIEREN & ERGEBNISSE ERZIELEN: MASTERPLAN FÜR ZEITGEMÄSSE FÜHRUNG

Souveräne Führungskräfte improvisieren nicht

Der Masterplan für zeitgemäße Führung

Moderne Führung – gelebter positiver Altruismus?

Praxisbeispiel: Eine bewährte Führungskraft sabotiert einen Changeprozess – was tun als Führungskraft?

Auf einen Blick: MASTERPLAN

10 Thesen zur Führung in der VUKA-Welt

ANHANG

Übersicht über die Leadership-Tools

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Dank

Der Autor

Die Autoren des Vorworts

Für Susanne, Simon, Jonas und Marie

Vorwort

Das vorliegende Buch bildet das Kondensat einer mittlerweile über 30-jährigen intensiven Auseinandersetzung Bernhard Ceveys mit der Frage, was es bedeutet, andere Menschen zu führen: mit oder ohne Vorgesetztenfunktion, disziplinarisch, fachlich oder lateral, in hierarchisch strukturierten Aufbauorganisationen, in der Matrix, in Projekten oder Stabsfunktionen, dauerhaft oder zeitlich befristet. Aber auch im Hinblick auf Kunden, Lieferanten, Geschäfts- oder Kooperationspartner sind seine Überlegungen relevant. 20 Jahre davon waren wir an der Entwicklung und Weiterentwicklung der in diesem Buch präsentierten Konzepte und Tools unmittelbar und intensiv beteiligt. Wir freuen uns, diese jetzt einem noch breiteren Kreis von Entscheidern, Unternehmern, Führungskräften und HR-Verantwortlichen zur Verfügung stellen zu können – für den eigenen Gebrauch, für die Überprüfung bisheriger Vorgehensweisen, zum Ausprobieren oder zur Diskussion, zur kritischen Auseinandersetzung oder zur eigenen Adaption und Weiterentwicklung.

Dieses Buch positioniert sich ganz bewusst jenseits der sich immer schneller ablösenden Managementmoden, deren Halbwertszeit sich ohnehin nur schwer kalkulieren lässt. Zugleich ist die im Titel benannte Thematik vor dem Hintergrund der jetzt in das Berufsleben drängenden Generationen und der allseits beschriebenen Komplexität der heutigen Arbeitswelt hochaktuell und relevant. Es ist klar: Anweisung funktioniert nicht mehr. Hier macht das Buch ein konkretes Angebot. Unsere Erfahrung in zwei Jahrzehnten Beratungs- und Trainingstätigkeit in einem breiten Branchenspektrum hat gezeigt, dass die hier entfalteten Grundprinzipien tatsächlich tragen und in der Praxis in sehr unterschiedlichen unternehmerischen Kontexten wirken. Und zwar genau dann, wenn es darum geht, im direkten Gespräch andere Menschen (Mitarbeitende, Kollegen, Geschäftspartner) dafür zu gewinnen, ihre Einstellungen und ihr Verhalten neu auszurichten oder zu verändern, um schwierige Aufgaben anzupacken oder sehr anspruchsvolle Ziele zu erreichen. Die beschriebenen Vorgehensweisen sind durch eine spezifische Konstellation aus Autonomie, Entschiedenheit, Klartext, Wertschätzung und Würdigung der anderen Person gekennzeichnet. Wir sind uns bewusst, dass sich jede starke Technik zur Überzeugung und Beeinflussung im Kontext von Kooperation und Führung daran zu messen hat. Sie muss in einem reflektierten Werteverständnis verankert sein, um ihre Wirkung entfalten zu können. Wichtig sind Beweglichkeit, eine gewisse Leichtigkeit in der Anwendung, Freude an der eigenen Leistung und der des anderen sowie das aufrichtige Interesse am anderen. Letzteres verstehen wir als eine bewusste Entscheidung, die Führungskräfte für sich zu treffen haben.

Die in diesem Buch empfohlenen Leadership-Tools folgen dabei keiner Doktrin. Sie basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen (der Psychologie, der Überzeugungs- und Hirnforschung). Gleichzeitig sind sie offen und flexibel genug für die Weiterentwicklung und Anpassung an sich immer schneller verändernde Kontexte.

Tobias Heisig und Alexander Wittwer

Leadership-Experten und Geschäftsführerder CEVEYCONSULTING GmbH

»Ansagen« funktionieren nicht mehr

»Die alte Hackordnung löst sich auf«, konstatierte der Publizist Wolf Lotter 2015 im Wirtschaftsmagazin Brand eins. Empirischen Beistand lieferte der Managementexperte Peter Kruse, der 400 Führungskräfte interviewte und zu dem Ergebnis kam: »Hierarchisch dominierte Vorausplanungen werden mehrheitlich abgelehnt. Die Zeit des Vordenkens und Anweisens ist vorbei.«1

Wirklich überraschend ist das nicht: Wer wollte bestreiten, dass autoritäre Ansagen im heutigen Unternehmensalltag kaum noch Platz haben? Die Gründe dafür sind vielfältig: Oft wissen Führende weniger über ein Thema als ihre Mitarbeiter. Komplexe Aufgaben erfordern Teamarbeit und gemeinsame Problemlösungen. Matrixorganisationen zwingen zur Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Projekte machen die Einbindung von Kollegen ohne hierarchische Weisungsbefugnis notwendig. Selbstbewusste Wissensarbeiter entfalten ihr Potenzial nur, wenn sie sich nicht gegängelt fühlen.

Die »VUKA-Welt« einer volatilen, unsicheren, komplexen und ambigen (mehrdeutigen) Wirtschaft mit ihrer globalen Verzahnung und ihren digitalen Treibern ist mit den behäbigen Herrschaftsinstrumenten des vorigen Jahrhunderts nicht zu managen. Führung geht heute anders, sie muss schneller auf unvorhersehbare Änderungen reagieren und prozessorientierter und stärker auf Augenhöhe erfolgen. Darüber sind sich eigentlich alle einig. Nur: Wie genau funktioniert das?

Der Kooperationsmythos

Seit Jahrzehnten werden Jahr für Jahr neue Managementtheorien propagiert, Bücher zum Thema Führung füllen Bibliotheken. Theoretisch ist man sich weitgehend einig, dass man »kooperativ« vorgehen sollte. Doch wie das praktisch aussieht, bleibt weitgehend dem Einzelnen überlassen. Ich bin seit mehr als 25 Jahren in Unternehmen unterwegs, um zu moderieren, zu schlichten, zu coachen und Führungskräfte zu trainieren. Mir begegnet zunehmende Ratlosigkeit. Wie soll man gemeinsam Projekte stemmen, wenn die Kollegen genauso überlastet sind wie man selbst und deshalb nicht »mitziehen«? Was tun mit Mitarbeitern, die nach der dritten Umstrukturierung veränderungsmüde sind und vereinbarte Umsetzungsziele achselzuckend unterlaufen? Man wäre ja gern kooperativ, aber was ist, wenn die anderen nicht kooperieren?

Es ist paradox: Die moderne Wirtschaftswelt verlangt von allen Teilnehmern, ob Sachbearbeiter oder Manager, Lieferant oder Kunde, Kollege oder Führungskraft, mehr gegenseitige Abstimmung, mehr Kooperation und damit auch mehr Kommunikation als jemals zuvor. Doch wie man konstruktiv miteinander redet und zielführend kommuniziert, steht auf keinem Lehrplan. Die meisten Menschen verbringen in ihrem Leben mehr Zeit mit der Analyse poetischer Texte des 18. und 19. Jahrhundert als mit der Frage, wie man im (Unternehmens-)Alltag besser miteinander reden kann. In Unternehmen wird daher überwiegend geredet, wie der Schnabel gewachsen ist, und das ist nicht immer zielführend. Wenn ich mich zu Beginn von Seminaren erkundige, welche Situationen die Teilnehmer zukünftig besser bewältigen wollen, lauten typische Anliegen:

• »Wie gehe ich mit einem 55-jährigen Mitarbeiter um, der Leistung verweigert, die alten Zeiten glorifiziert und auch noch die Kollegen runterzieht?«

• »Wie bewege ich einen Kollegen dazu, in unserem Projekt Termine einzuhalten und seinen Part zuverlässig zu erfüllen? Er hat sie schon zweimal verschoben.«

• »Wie kann ich einen Top-Performer, der sich ins Team integrieren soll, überzeugen, eine ungeliebte Zusatzaufgabe zu übernehmen?«

• »Wie schaffe ich es, dass ein Mitarbeiter selbstständiger wird und nicht ständig nachfragt, wenn ich ihm eine Aufgabe übertragen habe?«

• »Wie verhandele ich mit einem ›schwierigen‹ Betriebsrat?«

• »Wie hole ich Kollegen ins Boot bei einem Projekt, das uns alle betrifft?«

• »Wie kann ich mit einem Lieferanten einen Preisnachlass aushandeln und gewährleisten, dass er trotzdem motiviert bleibt?«

• »Ich brauche mehr Budget für ein Projekt. Wie kann ich Entscheider davon überzeugen?«

• »Wie vereinbare ich nachhaltig Ziele? Häufig wird einem Ziel zwar formal zugestimmt, aber hinterher klappt es dann doch nicht.«

Ohne Zweifel ist Leadership mehr als angemessenes und erfolgreiches Handeln im Konfliktfall, auch wenn Reinhard K. Sprenger das anders sieht und postuliert: »Ohne Ziel- und Wertkonflikte bräuchten wir keine Führung.«2 Leadership bedeutet auch, gemeinsam mit Mitarbeitenden, Kollegen, Teams, Kooperationspartnern und Kunden dafür zu sorgen, dass Aufgaben motiviert angepackt, Strategien wirksam umgesetzt, Projekte zielführend vorangetrieben und damit die anspruchsvollen Unternehmensziele erreicht werden. Darüber hinaus sollen die Potenziale der Mitarbeitenden entwickelt, systematische Lernprozesse initiiert und Gesundheit, Spaß und die Work-Life-Balance gesichert werden. Zu Leadership gehört es zudem, Menschen für gemeinsame Visionen zu gewinnen, ihnen Perspektiven aufzuzeigen und das Unternehmen insgesamt voranzubringen.

Doch der Bedarf an funktionierenden Tools wird vor allem dann angemeldet, wenn es »hakt« und schwierig wird. Fragen wie die eben aufgelisteten deuten auf einen Arbeitsalltag, der gleichzeitig hektisch ist und zäh wie Kaugummi, weil Gespräche nicht zum gewünschten Ergebnis führen, Vereinbarungen versanden, Konflikte eskalieren und Probleme verschleppt werden. Mit echter Kooperation und tatkräftiger Bewältigung aktueller Herausforderungen hat das häufig nur wenig zu tun. Selbst erfahrene (und erfolgreiche) Führungskräfte haben das Gefühl, dass es im Unternehmen zwar läuft, dass es aber eigentlich noch besser gehen müsste. Der bekannte Neurobiologe Gerald Hüther wundert sich, dass in zahlreichen Organisationen »sehr viel Energie« verbraucht werde, um die aus »gestörten Beziehungen erwachsenen Reibungsverluste einigermaßen zu kompensieren.«3 Will man das ändern, sind Leadership und wirksame Kommunikation der Schlüssel dazu. Der Erfolg eines Unternehmens, einer Abteilung, eines Mitarbeiters erwächst nicht aus feurigen Visionen, die auf Topebene verkündet werden, sondern aus zielführendem Alltagshandeln.

Dabei sind Führende und auch viele Mitarbeitende in der Regel sehr kompetent darin, Kommunikationstechniken in normalen Kontexten anzuwenden. Doch für kontroverse Situationen oder schwierige Gespräche fehlt ihnen eine klare innere Struktur, ein detailliertes Bild ihrer Vorgehensweise. Gerade wenn es darauf ankommt, regieren Improvisation und Tagesform oder aber versteckte Wege der Einflussnahme wie Seilschaften und Buddy-Systeme. Da helfen dann weder die vier Schubladen situativer Führung noch das Vier-Ohren-Modell verschiedener Kommunikationsebenen nach Friedemann Schulz von Thun, auf die sich zahlreiche Führungstrainings beschränken (müssen). Was es braucht, sind einfache und jederzeit abrufbare Tools, mit denen sich herausfordernde Situationen im Unternehmensalltag besser bewältigen lassen.

Leadership bedeutet also auch, die schwierigen Führungs- und Kooperationssituationen in einer Weise zu lösen, dass die Akteure sich am Ende ehrlich und authentisch auf die Anforderungen einlassen, ungünstiges Verhalten korrigieren und mit hoher Motivation die geforderte Leistung auch bringen. Dafür – und als wirksame Alternative zu Anweisung, einseitigen Vorgaben und dem unstrukturierten Äußern von Erwartungen – liefert dieses Buch konkrete Leadership-Tools.

Wer sie beherrscht, praktiziert eine Zusammenarbeit der Leistungsorientierung und des vertrauensvollen Umgangs auf Augenhöhe. Er prägt eine Kultur der Eigenverantwortung und Sachorientierung, die nicht nur in ruhigem Fahrwasser Erfolge garantiert, sondern auch im Konfliktfall Respekt, Augenhöhe, innere Motivation und Sinnhaftigkeit der Aufgaben im Blick hat. Die Fähigkeit, offen und zielführend zu kommunizieren, entscheidet dabei darüber, ob es gelingt, die »PS auf die Straße zu bringen«. Es nützt nichts, wenn Sie genial sind, die anderen bei Ihren Vorhaben aber nicht mitnehmen können, sondern Gleichgültigkeit oder sogar Widerstand auslösen. Erfolge entstehen erst durch Tun, durch gemeinsame Umsetzung.

Inhaltlich schlägt das Buch den Bogen von einer konstruktiv-positiven Grundhaltung, die Ihr Leben generell leichter machen wird, zu konkreten Formulierungen und Gesprächstechniken, mit denen Sie Ihre Vorhaben besser durchsetzen und gute Lösungen erzielen können. »Lösungen für mehr Leistung« lautet das Versprechen unseres Beratungsunternehmens, und diesem Geist folgt auch das Buch. Es propagiert eine menschlich faire, in der Sache hartnäckige Form der Kommunikation, die den wirtschaftlichen Kontext nicht aus den Augen verliert. Denn für reine Kuschelpädagogik ist im harten Wettbewerb von heute kein Platz.

Berücksichtigt wird auch, dass Leadership heute weit mehr umfasst als die Führung von Mitarbeitern. In internationaler Zusammenarbeit und komplexen Projekten, in Matrixkonstellationen und in neuen, »agilen« Organisationsformen wie Netzwerken ist erfolgsentscheidend, ob es gelingt, Leistungsträger einzubinden und sie auf abgestimmte Vorgehensweisen zu verpflichten. Die Gesprächsbeispiele am Ende der Kapitel decken daher klassische Führungssituationen wie Mitarbeitergespräche ebenso ab wie laterale Führung auf Kollegenebene oder die Verhandlung mit Lieferanten. Verbindende Erfolgsbasis ist das richtige Mindset: Wer verstanden hat, wie Einflussnahme auf Menschen grundsätzlich funktioniert, muss nicht mühsam »passende« Formulierungen im Kopf behalten, sondern kann aus diesem Wissen heraus in unterschiedlichen Kontexten souverän handeln.

6 Leadership-Tools für wirksame Führung heute

Welche Tools erwarten Sie auf den folgenden Seiten? Sie lernen insgesamt sechs Werkzeuge kennen, die Sie zukünftig für jedes Gespräch wappnen.

Positiver Loop

Das erste, grundlegende Tool nennen wir bei CEVEY-CONSULTING den »Positiven Loop«. Damit bezeichnen wir die Fähigkeit, in einer Situation die positiven Beweggründe seines Gegenübers zu sehen und das Gespräch unter diesem Vorzeichen zu führen. Man könnte auch sagen, der Positive Loop ist die Bereitschaft zur konstruktiven Unterstellung und damit die Basis jeder Kooperation. Das mag simpel klingen, ist in der Praxis jedoch alles andere als einfach, wie das folgende Beispiel zeigt:

Im Unternehmen sind Geschäftsführung und Betriebsrat heillos zerstritten. Es geht um Arbeitszeitregelungen, Eingruppierung von Mitarbeitern und Entlohnung. In dieser äußerst angespannten Situation betrachten beide Seiten einen Konflikt-Workshop als letzte Option, um doch noch die eigenen Ziele in einer dringend notwendigen Betriebsvereinbarung durchsetzen zu können. Als Teil eines Konzerns ist die deutsche Geschäftsführung aufgefordert, endlich abgestimmte und konzernweit gültige Regeln einzuführen. Der Betriebsrat dagegen steht unter Beschuss, weil er lange Zeit angeblich »zu weich« agiert hat. Alle sind voller Erwartung, wie dies im Workshop gelöst werden soll.

Statt über einzelne Vereinbarungen zu diskutieren, bitte ich die Beteiligten als Erstes, die aktuelle Situation unter folgenden Vorzeichen zu betrachten: »Unterstellen Sie der Gegenseite eine positive Absicht bei der Zielverfolgung – das heißt, gehen Sie davon aus, dass jeder aus seiner Warte heraus das Beste will – und prüfen Sie sich selbst:

•Schaffen wir diese positive Unterstellung?

•Wie ändert sich damit der Blickwinkel auf den Konflikt?

•Was bedeutet das für die Interpretation der Aktionen der Gegenseite?«

Es folgt langes Schweigen. Dann kommt eine Diskussion darüber in Gang, was das Vertrauen in der Vergangenheit so untergraben hat und warum es nicht einfach ist, der anderen Seite eine konstruktive Absicht zu unterstellen, auch wenn dies eigentlich in einem Unternehmen so sein sollte. »Wenn Sie Ihre Aufgabe, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen zu vertreten, wirklich ernst nehmen, ist diese Fähigkeit wichtiger Bestandteil Ihrer Funktion«, werfe ich ein. Diese Provokation wird sofort akzeptiert. Erstaunlicherweise kann der Konflikt innerhalb kurzer Zeit beigelegt werden.

Kontroverse Gespräche verkommen häufig zu einem bloßen Austausch von Argumenten. Dieses Pingpong der Positionen blockiert eine echte Lösungsfindung, weil das Gegenüber als Gegner wahrgenommen wird, den man »besiegen« muss. Der Positive Loop erzeugt dagegen eine neue Gesprächsqualität und schafft damit die Grundlage erfolgreicher Kommunikation. Denken Sie an die letzte Diskussion mit einem Kollegen, Vorgesetzten oder Mitarbeiter, die Sie als fruchtlos empfunden haben oder die vielleicht sogar »alles nur schlimmer« gemacht hat: Was hätte sich möglicherweise geändert, wenn Sie dem anderen grundsätzlich honorige Beweggründe unterstellt hätten? Im ersten Kapitel dieses Buches erfahren Sie, wie Sie den Positiven Loop in der Praxis einsetzen.

Driver’s Seat

Je komplexer die äußeren Anforderungen, desto eher neigen wir dazu, unsere Selbstbestimmung aufzugeben. Statt auf dem Fahrersitz des Lebens Platz zu nehmen, sind wir nur noch passiver Beifahrer oder – schlimmer noch – kauern wie gelähmt im Kofferraum. Wir sehen uns als Opfer der Umstände und werden zu Getriebenen. Im schlimmsten Fall führt dieses Verhalten geradewegs in die Erschöpfungsdepression (»Burn-out«), im Normalfall liefert die Opferhaltung Entschuldigungen und Ausflüchte: »Mit der Deadline hat es nicht geklappt, weil ich einfach zu viel auf dem Schreibtisch hatte«, vulgo: »Ich kann nichts dafür!« Im zweiten Kapitel lesen Sie, wie Sie das Steuer im Berufsalltag fest in der Hand behalten und wie Sie Mitarbeitende dazu bringen, ebenfalls auf dem »Driver’s Seat« Platz zu nehmen.

Realitätsanker

Die Situation kennt vermutlich jeder: Unser Gegenüber müsste sich bewegen, um ein vereinbartes Ziel zu erreichen, eine getroffene Absprache tatsächlich einzuhalten oder seinen Beitrag zum Projekterfolg zu leisten. Doch der andere mauert, vertröstet zum wiederholten Male, findet Ausflüchte. Führungskräfte mit Weisungsbefugnis greifen schließlich zur Hierarchiekeule (»Ich erwarte von Ihnen, dass Sie …«), Projektkollegen verzweifeln, drohen, schimpfen. Erreicht wird wenig oder nichts, die Beziehung ist belastet und das erschwert die nächste Kooperation. Wirksamer als Interventionen auf der Beziehungsebene ist in so einer Situation der konsequente Hinweis auf unverrückbare Tatsachen (»Bodenpunkte«), beispielsweise durch Aussagen wie: »Die Projektverzögerung kostet unser Unternehmen 500 000 Euro« oder »Wenn wir nicht am 1.10. liefern, droht uns eine Konventionalstrafe von 30 000 Euro«.

Im dritten Kapitel zeige ich Ihnen, wie Sie Ihr Gegenüber durch das Realitätsprinzip dazu veranlassen, die eigene Komfortzone zu verlassen. Damit tritt das Realitätsprinzip an die Stelle des hierarchischen Prinzips. Es ist auch der Schlüssel zum wirksamen Change. Die zentrale Frage lautet dabei: Wie wird ein Changeprojekt so strukturiert, dass Mitarbeiter aktiv mitgehen und zuverlässig ins Tun kommen, weil sie von dessen sachlicher Notwendigkeit selbst überzeugt sind? Als Berater und Begleiter von Changeprozessen antworten wir bei CEVEY-CONSULTING darauf mit dem Realitätsanker: Hat man im Vorfeld eines Changeprojektes die realen Gegebenheiten, deren Bedeutung und die daraus abzuleitenden Maßnahmen mit den Betroffenen ausführlich verhandelt, beugt dies offenem oder verstecktem Widerstand gegen das Projekt weitgehend vor. Kooperativ erarbeitete und damit verbindlich installierte Bodenpunkte sind wirksame Treiber des Geschehens. Sie verhindern, dass nach Projektstart viel Energie investiert werden muss, um nachträglich Beteiligte doch noch mit ins Boot zu holen.

Zielprojektion

Der Mensch ist das einzige Wesen, das sich langfristige Ziele setzen kann und durch positive Zielbilder in seinem Tun beflügelt wird. Viele erfolgreiche Sportler beispielsweise werden durch die Visualisierung ihres Sieges durch kräftezehrende Trainingsphasen getragen. Die Zielprojektion nutzt diese Fähigkeit und sorgt für die nachhaltige Bindung an ein Ziel. Klassische Zielvereinbarungen dagegen erzeugen häufig nur oberflächliche Zustimmung. Der Grund: Nur selbst kreierte Ziele sind langfristig wirksam. Zielprojektion ist ein wichtiges Leadership-Tool, das echtes Ziel-Commitment bewirkt und gleichzeitig die Handlungsplanung erleichtert. Wesentlich ist dabei das Erreichen von Erfolgszuversicht. Wie Sie Ihr Gegenüber zu aktiver innerer Beteiligung an einer Zielformulierung veranlassen, erfahren Sie im vierten Kapitel.

Überzeugungssog

Druck erzeugt Gegendruck, Überredungskünste bewirken allenfalls halbherzige Zustimmung. Um ein Gegenüber wirklich verlässlich ins Handeln zu bringen, muss es sich aktiv selbst auf die entsprechende Position zubewegen und aus eigenem Antrieb Ja sagen. Das gelingt, indem man so argumentiert, dass der Verhandlungspartner die Lösung, die (auch) den eigenen Interessen dient, als beste akzeptiert und »kauft«. Erreicht wird das durch wertschätzende Gesprächsführung, zwingende Argumentation und durchdachte Einwandbehandlung. Das kostet etwas Zeit – Zeit, die sich durch die Verhinderung späterer Reibungsverluste vielfach auszahlt. »Sog statt Druck« ist ein Fundamentalprinzip der Überzeugung, das im fünften Kapitel eingeführt wird.

Gesprächs-Masterplan

Wer einem bewährten Plan folgt, erhöht seine Erfolgschancen beträchtlich. Das gilt auch für wichtige und/oder herausfordernde Gespräche. Das letzte Kapitel vermittelt eine übersichtliche, einfach zu handhabende Gesprächsstruktur und zeigt, wie die fünf Leadership-Tools vom Positiven Loop bis zum Überzeugungssog dabei zum Einsatz kommen. Die fünf Gesprächsschritte, die einen Gesprächspartner mit hoher Wahrscheinlichkeit konstruktiv ins Handeln bringen, sind:

1. Situationsdefinition

2. Kommunikation der Realität

3. Einwandbehandlung

4. Herausarbeiten des Ziels, Vereinbarung

5. Abschluss

Der Masterplan setzt der Improvisation und den bloßen Zufallserfolgen in schwierigen Gesprächen ein Ende und sorgt für eine souveräne, ergebnisorientierte Gesprächsführung. Er garantiert einen echten Dialog und damit die Aktivierung des Gegenübers.

Das Erfolgs-Mindset: Aktivieren statt Anweisen

Lippenbekenntnisse zu »kooperativer« Führung bewirken gar nichts, solange Führungskräfte insgeheim hoffen, dass ihre Mitarbeiter im Ernstfall (also da, wo Interessen aufeinanderprallen) doch bitte schön »vernünftig sind« und sich den Vorstellungen ihres Vorgesetzten rasch beugen. Auch im Umgang mit Kollegen, Kunden oder Dienstleistern verpuffen Kooperationsangebote, wenn es beim ersten Anzeichen von Widerstand zu einem Rückfall in das bekannte autoritäre Verhaltensrepertoire kommt: Überredungsversuche, Unterstellungen, Drohungen, Anweisungen.

Wer es dagegen ernst meint mit der Kooperation, wer echte Zustimmung erreichen und seine Ziele nachhaltig umsetzen will, muss sich auf einen Dialog einlassen. Er sollte in der Lage sein, konstruktiv mit Widerstand umzugehen, die Interessenlage seines Gegenübers einzuschätzen und Zielstrebigkeit mit Wertschätzung und Geduld zu verbinden. Kurz: Er braucht das passende Mindset.

Gute Lösungen sind dann erfolgreich und nachhaltig, wenn die Verantwortlichen mit Offenheit, Augenmaß und Durchsetzungskraft agieren. Dafür ist die innere Haltung entscheidend, man sollte sich also fragen:

• Wie viel Respekt bringe ich meinem Gegenüber entgegen?

• Gestehe ich ihm eine eigene Meinung und Persönlichkeit zu, ohne dies negativ zu werten?

• Gehe ich grundsätzlich davon aus, dass der andere im Rahmen seiner Situationseinschätzung und Handlungsmöglichkeiten ebenfalls das Beste will?

• Behandele ich mein Gegenüber als eigenverantwortlichen Erwachsenen, dem Klartext und sachgerechte Forderungen zumutbar sind?

• Sehe ich mich selbst als jemandem, der sich nicht zum »Getriebenen der Umstände« machen lässt, sondern selbstverantwortlich die Dinge in die Hand nimmt?

• Bin ich in der Lage, widerstreitende Interessen zu erkennen und aus einer Art Vogelperspektive heraus nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen?

• Ist mir bewusst, dass ich andere Menschen zwar nicht ändern oder »erziehen« kann (am wenigsten durch Zwang und Anweisungen), dass ich sie aber zu einem anderen Verhalten veranlassen (»aktivieren«) kann, wenn ich selbst mein Verhalten verändere?

Mit dem richtigen Mindset geht aktivierende Kommunikation in Fleisch und Blut über – sie gelingt, weil sie einer inneren Überzeugung folgt. Erfolgreiche Kommunikation erwächst nicht aus rhetorischen Kniffen, sondern aus der Fähigkeit, mit dem Gegenüber in echten Dialog zu treten, »Resonanz« zu erzeugen. Wer dies glaubwürdig (das bedeutet: aus einer inneren Haltung heraus) anstrebt, kann sein Gegenüber auch dann erreichen, wenn nicht jede seiner Formulierungen optimal ist. Dieses Buch wird Sie ermuntern, nicht nur an Ihren Gesprächstechniken zu arbeiten, sondern vor allem Ihre Einstellung zu anderen Menschen bewusst und gezielt zu gestalten – getreu der psychologischen Grundeinsicht, dass es die tieferen Schichten der Persönlichkeit (Charakterzüge und Einstellungen) sind, die unser Verhalten steuern.

Abb. 1: Das Mindset bestimmt das Verhalten.

Eine wesentliche (vielleicht sogar die wichtigste) Erkenntnis in puncto Einflussnahme ist: Ich kann jemand anderen nicht zu etwas bewegen. Ich kann nur die passenden Voraussetzungen schaffen, dass er sich selbst bewegt. Nachhaltiger Einfluss bedeutet immer, dass beim anderen etwas passiert. Alles andere ist nicht mehr als eine kurzfristige Überredung, Überrumpelung oder widerwillig ertragener Zwang.

Das Geheimnis der Resonanz

Wirklich überraschend ist das nicht. Wir Menschen beeinflussen uns im Alltag ständig, und das mehr oder weniger bewusst. Wir reagieren unweigerlich darauf, wie unsere Umgebung sich verhält. Das beginnt bei körperlichen Reaktionen: Wenn im Konzertsaal einer anfängt zu husten, setzt sich das bald in einer Hustenarie in allen Saalecken fort. Gähnt Ihr Gegenüber in der Bahn mehrfach, müssen Sie wahrscheinlich auch gähnen. Aber auch Emotionen sind ansteckend, wie ich Anfang 2017 am eigenen Leib erfuhr:

Auf einem Businessflug wurden die Flugbegleiter plötzlich nervös. Ein Steward blätterte hektisch in einem Handbuch, seiner Kollegin strömten bereits die Tränen übers Gesicht, Unruhe machte sich breit. Dann wurden wir vom Kapitän informiert, möglicherweise ließe sich das Fahrwerk nicht ausfahren und wir müssten eine Notlandung durchführen. Der Passagier neben mir drohte zu hyperventilieren. Doch bevor allgemeine Panik ausbrechen konnte, ergriff die Chefstewardess das Mikro und erklärte mit ruhiger Stimme und im schönsten Schwäbisch: »Dees kommt immer mal vor.« Bei diesem Flugzeugtyp würden gelegentlich Fahrwerksprobleme angezeigt, obwohl das Fahrwerk funktioniere. Wie zuvor die Panik der jüngeren Kollegen wirkte jetzt auch die Ruhe der Chefstewardess ansteckend. Weniger, was sie sagte, sondern eher, wie sie es sagte, weckte die Zuversicht, dass es vielleicht doch nicht so schlimm kommen würde. In der Tat verlief die Landung dann reibungslos, und das vorausgegangene Wechselbad heftiger Gefühle hatte eindrucksvoll gezeigt, wie stark Menschen aufeinander reagieren.

Diese gegenseitige Einflussnahme, die auch ganz ohne Worte entstehen kann (nervös waren wir schon vor der Durchsage, einfach durch Beobachtung des Kabinenpersonals), bezeichne ich als »Resonanz« (vgl. Abbildung 2). Dafür gibt es eine neurobiologische Ursache: die Spiegelneuronen (siehe Exkurs). Sie befähigen uns zur Empathie, zur Wahrnehmung, wie es um den anderen bestellt ist, und zur angemessenen Reaktion darauf. Diese Reaktion keimt in uns selbst auf und ist weit mächtiger als jede Anweisung von außen. »Hab Mitleid!« zu fordern ist beispielsweise ähnlich absurd wie die Aufforderung, spontan zu sein. Entweder man fühlt Mitleid – oder man fühlt es nicht.

Abb. 2: Resonanz funktioniert positiv wie negativ.

Dass Einflussnahme anders funktioniert, als wir gemeinhin annehmen, betont auch der US-Psychologe Robert Cialdini. Seit seinem viel beachteten Buch über »Die Psychologie des Überzeugens« Ende der Neunzigerjahre gilt Cialdini als der Experte für Beeinflussung. Heute vertritt er die Auffassung, dass die eigentliche Einflussnahme häufig schon beginnt, bevor wir unser Anliegen überhaupt formulieren, und bezeichnet dies in Abwandlung des englischen »Persuasion« mit dem Kunstwort »Pre-Suasion«.

Ein besonders eindrückliches Beispiel Cialdinis handelt von einem extrem erfolgreichen Verkäufer von Brandschutzanlagen für Privathäuser. Jim macht nicht nur etwas mehr Umsatz, sondern ist all seinen Kollegen um Längen voraus. Cialdini begleitete den Ausnahmeverkäufer und beobachtete, dass Jim zu Beginn jedes Gesprächs einen einfachen Trick anwandte: Als Erstes sollten die Kunden (meist Ehepaare) einen Fragebogen zu ihrer Immobilie ausfüllen. Während sie damit begannen, schlug Jim sich an die Stirn: »Oh, ich habe wirklich wichtige Infos im Auto gelassen.« Ob es okay sei, wenn er kurz rausgehe und sie hole? Er wolle den Test nicht unterbrechen. Fast alle Kunden stimmten zu, viele gaben ihm sogar ihren Hausschlüssel, damit er wieder hereinkam. Auf die Frage Cialdinis, warum er so vorging, antwortete Jim: »Wen lässt du ohne Aufsicht in deinem Haus ein- und ausgehen?« und: »Ich möchte in den Köpfen der Familienmitglieder mit ›Vertrauen‹ verbunden werden.«5

Spiegelneuronen – Warum wir spüren, wie es anderen geht

Gähnen oder Lachen sind ansteckend, wir weinen im Kino und frösteln, wenn wir von grausamen Erlebnissen anderer lesen. Seit Mitte der Neunzigerjahre machen Neurowissenschaftler dafür »Spiegelneuronen« verantwortlich: Nervenzellen, die auch dann aktiv werden, wenn wir etwas nur beobachten. Als Entdecker der Spiegelneuronen gilt Giacomo Rizzolatti, der 1996 in einem Experiment zur Handlungsplanung bei Affen zufällig entdeckte, dass im Affengehirn bestimmte Regionen auch dann »ansprangen«, wenn der Affe nicht selbst handelte (nach einer Nuss griff), sondern lediglich den Versuchsleiter beim Handeln (dem Greifen nach der Nuss) beobachtete. Forscher sahen in den Spiegelneuronen alsbald die Quelle von Empathie, ja sogar von Verstehen generell. Inzwischen ist der Hype abgeebbt, und es herrscht weitgehend Konsens, dass zum Verständnis des komplexen Empathiesystems im Gehirn noch viel Forschung nötig ist.

Sicher ist jedoch: Die meisten Menschen sind intuitiv in der Lage, zu spüren, wie es einem anderen geht und welche Emotionen ihn umtreiben, und für diese Fähigkeit gibt es ein neurologisches Korrelat im Gehirn. Beeinträchtigt wird dieses Resonanzsystem durch starke eigene Emotionen – wer wütend oder nervös ist, bekommt weniger vom anderen mit. Auch durch rationale Überlegungen können wir uns abschotten – wer der Meinung ist, Gefühle täten in der aktuellen Situation nichts zur Sache, bremst die Spiegelneuronen aus. Wenn Sie demnächst also ein Gesprächsklima als »unterkühlt« empfinden, den diffusen Eindruck haben, einen Mitarbeiter bedrückt etwas, oder wenn Sie sich von der guten Laune anderer »anstecken« lassen, haben Sie das Ihren Spiegelneuronen zu verdanken.4

Die Resonanzerfahrung, zu der uns Spiegelneuronen befähigen, erfolgt meist unwillkürlich. Doch wer sich dieses Mechanismus bewusst ist, kann damit das Gesprächsklima und die Kooperationsbereitschaft des Gegenübers auch aktiv steuern. Wer sich beispielsweise darauf »polt«, sich auf die positiven Absichten des anderen zu fokussieren, auch wenn dieser in der Sache anderer Meinung ist, schafft einen Rahmen, in dem der andere ebenfalls eher konstruktiv reagiert. Dies ist das Geheimnis des »Positiven Loops«, der im nächsten Kapitel ausführlich Thema ist. Wer selbst ausstrahlt: »Ich gehe davon aus, dass du das Beste willst«, deeskaliert und aktiviert bei seinem Gegenüber Kooperationsbereitschaft.

Der Verkäufer schuf ein Setting, in dem er wie ein guter Bekannter oder Freund wahrgenommen wurde. Wie sein Verhalten ethisch zu beurteilen ist, steht auf einem anderen Blatt. Deutlich wird jedoch, dass eine positive emotionale Einordnung (positive Resonanz) ein positives Gesprächsergebnis offenbar massiv fördert. Neurobiologisch lässt sich dies als Aktivierung entsprechender neuronaler Netzwerke beim Gegenüber beschreiben. Oder alltagssprachlich formuliert: Ich beeinflusse, wie der andere sich fühlt und in welche Richtung er denkt, indem ich Signale sende, auf die er sich empathisch (qua Spiegelneuronen) einschwingt.

Wenn es mir gelingt, diesen Empathie-Mechanismus des Gesprächspartners zu aktivieren, erzeuge ich beim anderen genau die emotionale Verfassung, die letztlich den Überzeugungsprozess und die gute Zusammenarbeit begünstigt:

• Beim Positiven Loop ist das Vertrauen,

• beim Driver’s Seat die Selbstbestimmung,

• beim Realitätsanker die Offenheit für Fakten,

• bei der Zielprojektion die Bereitschaft, sich auf positive Zukunftsszenarien einzuschwingen, und

• beim Überzeugungssog strahle ich aus, dass ich mir ein ehrliches Ja von meinem Gegenüber wünsche und dass dies die Grundlage meiner Beziehung zu der anderen Person ist. Kommt dies beim anderen an (wirkt die Resonanz), spürt der andere unwillkürlich, dass wir dialogisch die Lösung erarbeiten, und bringt sich dann konstruktiv ein.

Überzeugung durch Resonanz – ein Beispiel aus dem Arbeitsalltag

Nehmen wir an, eine engagierte Mitarbeiterin bittet Sie per Mail, ihr ein gerade frei gewordenes Einzelbüro auf der Etage zu überlassen. Sie wollen der Bitte nicht nachkommen, weil Sie befürchten, dass sich das Klima im Team durch diese »Bevorzugung« verschlechtern würde. Andererseits möchten Sie Ihre Leistungsträgerin nicht demotivieren. Statt per Mail bedauernd, aber knapp abzulehnen, könnten Sie die Mitarbeiterin ansprechen und sie in Ihr Büro bitten: »Ich würde das gerne persönlich mit Ihnen besprechen.« Dort erklären Sie die Situation: »Ihre Mail bringt mich in ein Dilemma.« (Selbsteröffnung, vgl. Kapitel 1