Das Ende der Rastlosigkeit - John Mark Comer - E-Book
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Das Ende der Rastlosigkeit E-Book

John Mark Comer

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Beschreibung

Ruhe. Radikal. Jetzt. Rastlosigkeit ist der größte Feind für unser geistliches Leben. Das sagt Dallas Willard. Und John Mark Comer merkt selbstkritisch: »Ja, trifft auf mich zu.« Woran du Rastlosigkeit erkennst? An chronischem Zeitmangel. An Gedankenkarussells, wenn du eigentlich ausruhen willst. An dem penetranten Gefühl von leeren Tanks – emotional, geistlich, körperlich – trotz Inputüberfluss. An Performance-Druck und der Überforderung mit Beziehungen im »real life«. Und wenn du voller geistlichem Tatendrang auf To-dos surfst wie auf der perfekten Welle. Trifft auch auf dich zu? Dann ist dieses Buch für dich!

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Seitenzahl: 318

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JOHN MARK COMER

Das Ende der Rastlosigkeit

Mach Schluss mit allem, was dich hetzt – und komm bei Gott an

Aus dem amerikanischen Englisch von Renate Hübsch

SCM R.Bockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.   Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wurden nachträglich einige Namen geändert.

ISBN 978-3-417-27055-6 (E-Book)

ISBN 978-3-417-00039-9 (lieferbare Buchausgabe)

Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck

2. Auflage 2022

© 2022 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Str. 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-brockhaus.de · E-Mail: [email protected]

Originally published in English under the title The ruthless elimination of hurry

Copyright © 2019 by John Mark Comer

This translation published by arrangement with WaterBrook, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC.

Published in association with Yates & Yates, www.yates2.com.

Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:

Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen (NLB)

Weiter wurden verwendet:

Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Witten/Holzgerlingen (ELB)

Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, vollständig durchgesehene und überarbeitete Ausgabe © 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart (EÜ)

Hoffnung für alle ® Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis – Brunnen Basel (HfA)

The Message, copyright © 1993, 2002, 2018 by Eugene H. Peterson. Dt. Fassung: Renate Hübsch. (MSG)

Zürcher Bibel, © 2007 Verlag der Zürcher Bibel beim Theologischen Verlag Zürich. (ZÜ)

Übersetzung: Renate Hübsch

Lektorat: Imke Früh

Umschlaggestaltung: Grafikbüro Sonnhüter, www.grafikbuero-sonnhueter.de

Autorenfoto: Ryan Garber

Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach

Inhalt

Über den Autor

Prolog: Autobiografie einer Epidemie

Teil eins: Das Problem

Hektik – Der große Feind des geistlichen Lebens

Eine kurze Geschichte der Geschwindigkeit

Etwas ist grundverkehrt

Teil zwei: Die Lösung

Kleiner Hinweis: Mehr Zeit ist nicht die Lösung

Das Geheimnis des sanften Jochs

Worum es eigentlich hier geht, ist ein Leben mit Regeln

Kurze Unterbrechung: Geistliche Übungen – was genau hat’s damit noch mal auf sich?

Teil drei: Vier Wege gegen Rastlosigkeit

Stille und Einsamkeit

Sabbat

Einfach leben

Entschleunigen

Epilog: Ein ruhiges Leben

Über mich

Danke

Anmerkungen

Über den Autor

John Mark Comer (Jg. 1980) ist Gründer und Pastor der »Bridgetown Church« in Portland, Oregon. Dort lebt er auch mit seiner Frau und seinen drei Kindern. Er ist als Autor und Sprecher international erfolgreich.

Stimmen zum Buch

»Du hast keine Zeit, dieses Buch zu lesen? Dann solltest du es unbedingt lesen!

Das Ende der Rastlosigkeit ist ein Segen für unsere digitale und rastlose Gesellschaft. Unsere Welt schreit ›höher, schneller, weiter, besser‹, aber unsere Seelen spüren längst, dass wir für einen anderen Rhythmus geschaffen wurden: den Rhythmus der Gnade.

John Mark Comer nimmt uns mit auf seinen Weg, raus aus dem Hamsterrad und hin zu einem Lebensstil der Jüngerschaft unter dem ›leichten Joch‹ von Jesus. Er legt den Finger in die Wunde: Ehrlich und praktisch zeigt er uns, wie wir in einer Zeit voller Hektik und vollen Terminkalendern geistliche Disziplinen einüben können, um Ruhe und Frieden zu finden.

Dieses Buch hat uns persönlich erwischt und herausgefordert, einige wichtige Entscheidungen zu treffen. Wir haben neu gelernt, den Sabbat zu genießen (eines der Zehn Gebote, das wir regelmäßig gebrochen und uns dabei sogar cool und wichtig gefühlt haben). Auch wenn sich innere Antreiber nicht über Nacht abschütteln lassen und Gewohnheiten zu verändern nicht einfach ist, kann dieses Buch dabei helfen, zu einem gesünderen Lebensstil zu finden. Eine absolute Pflichtlektüre in der heutigen Zeit.«

RENKE & SARA BOHLENPastoren in der Kirche im Pott/letsgrabacoffee.de

»Dieses Buch hat mein Leben positiv verändert. In einer Zeit von Stress, Hetze und innerlichem Getriebensein wird die Sehnsucht nach Stille und göttlichen Momenten immer größer. Der Autor schafft es messerscharf, eines der größten Krebsgeschwüre unserer Gesellschaft zu analysieren, und er gibt praktische Antworten für einen Weg raus aus dem Stress, hin zu göttlicher Ruhe.«

TOBIAS TEICHENLeitender Pastor im ICF München und im internationalen ICF-Leitungsteam/tobiasteichen.com

»Mein Leben ist in den vergangenen Jahren schneller geworden. Deutlich schneller. Das festzustellen, ist das eine. Einen für mich passenden Weg zu finden, diese ungute Beschleunigung zu stoppen, die deutlich größere Herausforderung.

John Mark Comer hat mich dabei total abgeholt, weil er schonungslos ehrlich seine Fragen, seine Überforderung und schlussendlich sein Scheitern mit dem zunehmenden Stress skizziert. Danach bewegt er sich sehr langsam und kleinschrittig an der Hand Gottes in eine Richtung, die mir schon beim Lesen mehr Ruhe, Muße, Fokussierung und den Zugang zu Wesentlichem verspricht.

Das Gute: Er hat mir Lust gemacht, erste Schritte zu gehen. Das allein tut schon richtig gut.«

THOMAS JOUSSENMit Peter Karliczek Inhaber der Werbeagentur joussenkarliczek/www.j-k.de

»Du hältst mein Buch des Jahres in den Händen! Wirklich. Warum? Wie oft hast du in den letzten Monaten auf die Frage ›Wie geht’s dir?‹ mit ›Gut, aber echt viel los‹ geantwortet? Eben, genau deswegen!

Wir leben in einer unfassbar schnellen Zeit. Multitasking und Dauererreichbarkeit sind der Normalfall. Wie ist es möglich, in dieser Hektik und Rastlosigkeit Jesus zu folgen? Genau da setzt John Mark Comer an. Ausgehend von einer persönlichen Krise entfaltet er direkt und humorvoll, woher diese Geschwindigkeit überhaupt kommt. Dann zeigt er, welche andere Art zu leben Jesus uns anbietet. Und zuletzt, mit welchen Gewohnheiten er die Geschwindigkeit seines Lebens angepasst hat, um mehr Raum für tiefes Leben zu schaffen. Mir hat das Buch im schnellen Alltag zwischen Familie, Beruf und Leitungsaufgaben sehr geholfen, um das Spannungsfeld zwischen Richtung und Geschwindigkeit konstruktiv zu gestalten. Besonders die der Kraft von Stille und Einsamkeit wiederzuentdecken, hat mich persönlich sehr bereichert.

Egal, in welcher Lebensphase, du musst das Buch unbedingt lesen. Du wirst danach anders leben.«

LUKAS HERBSTJugendreferent/365steps.de

»Das Ende der Rastlosigkeit ist erfrischend, belebend und ein Schock für das System. Elegant und fesselnd geschrieben, ist es eine prophetische Botschaft für unsere Zeit.«

PETE GREIGGründer der 24/7-Gebetsbewegung, Pastor und Autor

»Als geistig und seelisch gesunder Nachfolger von Jesus in unserer technologischen, kalendergesteuerten Kultur zu leben, ist, wie sich zeigt, ziemlich schwierig. In diesem Buch schenkt uns John Mark Comer einen praktischen, persönlichen und herausfordernden Aufruf, neue Wege zu entwickeln, wie unser Leben dem von Jesus gleichen kann.«

TIM MACKIEMitbegründer von The Bible Project

Für Dallas Willard – danke.

Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir! Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.Jesus1

PROLOG

Autobiografie einer Epidemie

Es ist Sonntagabend, 22 Uhr. Mein Kopf lehnt an der Scheibe eines Uber-Fahrzeugs, ich bin zu müde, um aufrecht zu sitzen. Ich habe heute sechs Mal gepredigt – ja, sechs Mal. Die Gemeinde, in der ich Pastor bin, hat gerade einen weiteren Gottesdienst eingeführt. So macht man das doch, oder? Raum schaffen für Menschen. Bis nach Predigt Nummer vier hab ich’s gerade noch geschafft. Was danach lief, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich bin jenseits von müde – emotional, mental, sogar geistlich.

Als wir das mit dem sechsten Gottesdienst am Sonntag anfingen, rief ich diesen Megachurch-Pastor in Kalifornien an, der schon länger sechs Gottesdienste hintereinander anbot.

»Wie machen Sie das?«, fragte ich.

»Kein Problem«, sagte er. »Es ist so, als laufe man einmal in der Woche einen Marathon.«

»Okay, vielen Dank.«

Klick.

Momentchen … ein Marathon, ist das nicht echt heftig?

Ich fange also an, für Langstrecken zu trainieren.

Er hat eine Affäre und verlässt seine Gemeinde.

Hm, kein gutes Omen für meine Zukunft.

Bin jetzt zu Hause, esse spät. Kann nicht schlafen. Wieder dieses Gefühl von Todmüde, aber komplett aufgedreht.

Mach mir ein Bier auf. Sitze auf der Couch. Vor mir flimmert ein obskurer Kung-Fu-Film, von dem noch nie jemand gehört hat. Chinesisch mit Untertiteln. Keanu Reeves ist der Schurke.2 Ich mag Keanu.

Ich seufze.

In jüngster Zeit enden meine Abende meist so: auf der Couch, lange, nachdem die Familie schlafen gegangen ist. Früher hab ich mich nicht die Spur für Kung-Fu interessiert. Das macht mich nervös. Ist das vielleicht der Vorbote einer psychischen Erkrankung? Es fing alles damit an, dass er von Indie-Filmen über Kampfsport nicht mehr loskam …

Aber Fakt ist: Ich fühle mich wie ein Gespenst. Halb lebendig, halb tot. Vor allem abgestumpft. Das mehr als alles andere. Flach, eindimensional. Emotional lebe ich mit einer ständigen unterschwelligen Angst, die kaum je verschwindet, und mit einem Anflug von Traurigkeit. Aber meistens fühle ich mich geistlich gesehen nur wie Blabla … leer. Als sei meine Seele hohl.

ICH FÜHLE MICH, ALS SEI MEINE SEELE HOHL.

Mein Leben ist so schnell. Eigentlich mag ich es schnell.

Im DISG-Modell bin ich Persönlichkeitstyp D. Engagiert. Effizient. Ein Entscheider. Einer, der die Sachen durchzieht. Aber inzwischen bin ich weit darüber hinausgeschossen. Ich arbeite sechs Tage die Woche, von früh bis spät, und die Zeit reicht immer noch nicht, um alles zu erledigen. Was schlimmer ist, ich fühle mich gehetzt. Ich rase durch den Tag und bin so mit dem Leben beschäftigt, dass ich den Augenblick verpasse. Und was ist das Leben anderes als eine Reihe von Augenblicken?

Geht’s noch irgendwem so? Ich kann nicht der Einzige sein …

Montagmorgen. Früh auf. Beeile mich, ins Büro zu kommen. Immer in Eile. Noch ein Tag voller Meetings. Und ich kann Meetings partout nicht ausstehen. Absolut. Ich bin introvertiert und kreativ, und wie für die meisten Millennials gilt auch für mich: Die Dinge langweilen mich viel zu schnell. Ich in einer Reihe von Meetings – das ist ätzend, für alle Beteiligten. Aber unsere Gemeinde ist wirklich schnell gewachsen, und das ist Teil des Problems. Ich traue mich kaum das zu sagen, denn glaubt mir, wenn überhaupt, dann ist es peinlich. In den letzten sieben Jahren sind wir jedes Jahr um 1 000 Mitglieder gewachsen. Ich dachte, das sei genau das, was ich wollte. Ich meine, eine rasant wachsende Gemeinde, das ist doch der Traum jedes Pastors. Aber manche Lektionen lernt man am besten auf die harte Tour: Sieht so aus, als ob ich tatsächlich gar kein Geschäftsführer einer Non-Profit-Organisation, Personalexperte, Strategie-Guru, Leiter von Leitern von Leitern usw. sein will.

Ich bin da reingeraten, weil ich vermitteln wollte, wie man mit Jesus lebt. Sieht so ein Leben mit Jesus aus?

Wenn wir grade von Jesus reden – da gibt es irgendwo in meinem Hinterstübchen diesen erschreckenden Gedanken. Die nagende Frage in meinem Gewissen, die nicht verschwindet. Zu was für einem Menschen entwickle ich mich?

Ich habe grad die Dreißigermarke geknackt, habe also schon ein paar Lebensjährchen auf dem Buckel. Genug, um die Flugbahn meiner charakterlichen Entwicklung ein paar Jahrzehnte vorauszuberechnen.

Ich halte inne. Atme. Stelle mir vor, wie ich mit vierzig sein werde. Fünfzig. Sechzig. Kein schönes Bild.

DU KANNST ALS PASTOR ERFOLGREICH SEIN UND GLEICHZEITIG ALS SCHÜLER VON JESUS VOLL SCHEITERN.

Ich sehe einen Mann, der »erfolgreich« ist, aber nur gemessen an falschen Zahlen: Größe der Gemeinde, verkaufte Buchauflagen, Anzahl der Vortragseinladungen, sozialer Status usw., dazu der neue amerikanische Traum – ein Eintrag in Wikipedia. Ich rede zwar viel von Jesus, aber ich sehe einen Mann, der emotional instabil und geistlich ohne Tiefgang ist. Ich bin noch verheiratet, aber die Ehe ist keine Freude mehr, sondern Pflicht. Meine Kinder wollen nichts mit meiner Gemeinde zu tun haben. Denn sie war Daddys Geliebte, seine Affäre, die Liebhaberin, zu der er ging, um den Schmerz seiner Wunden zu verbergen. Ich bin im Grunde noch derselbe wie heute, nur älter und schlimmer: gestresst, gereizt, viel zu schnell dabei, die Menschen, die ich am meisten liebe, anzufahren, unglücklich, einer, der einen Lebensstil predigt, der viel besser klingt, als er wirklich ist. Und immer auf dem Sprung.

Warum habe ich es so eilig, jemand zu werden, den ich nicht mal mag?

Es trifft mich wie ein Güterzug: Du kannst als Pastor der Erfolg sein – und gleichzeitig als Schüler von Jesus voll scheitern. Du kannst eine Gemeinde gewinnen und deine Seele verlieren. Und ich will nicht, dass mein Leben so aussieht.

Wir spulen drei Monate vor: Ich auf dem Rückflug aus London. Habe die Woche mit meinen charismatischen anglikanischen Freunden verbracht und von ihnen etwas über das Leben im Geist gelernt. Eine völlig andere Dimension der Wirklichkeit, die mir bisher entgangen ist. Aber mit jeder weiteren Flugmeile fliege ich zurück in ein Leben, das ich nicht leiden kann.

Am letzten Abend dort hat dieser Typ, ein gewisser Ken, für mich gebetet, mit seinem noblen britischen Akzent. Und er hatte ein Bild für mich, irgendwas in Richtung: Ich käme an eine Weggabelung. Einer der Wege sei gepflastert und führe in eine erleuchtete Stadt. Der andere sei ein unbefestigter Waldweg. Er führe ins Dunkel, ins Unbekannte.

Ich solle den unbefestigten Weg nehmen.

Ich habe absolut keine Ahnung, was das bedeutet. Aber irgendwas bedeutet es. Als er es aussprach, fühlte ich meine Seele vor Gott erbeben. Aber was genau sagt mir Gott?

Ich arbeite meine Mails ab. Das geht auf Flügen prima. Wie üblich hänge ich hinterher. Wieder schlechte Nachrichten. Ein paar Leute aus unserem Team regen sich über mich auf. Ich fange an, dieses ganze Megachurch-Ding zu hinterfragen. Weniger die Größe an sich, eher wie wir Gemeinde bauen und leiten.3 Kann es das wirklich sein? Ein Haufen Leute, die kommen, sich einen Vortrag anhören und danach wieder in ihr überbeschäftigtes Leben zurückkehren?

Aber meine Fragen kommen arrogant und zornig rüber. Ich bin emotional so vergiftet, dass ich nur noch Sondermüll über unsere armen Mitarbeiter auskippe. Wie war noch mal der Führungsgrundsatz? »Wie die Leitung, so die Gemeinde.«4Autsch! Ich hoffe nur, dass unsere Gemeinde nicht so endet wie ich.

Ich sitze da so auf Sitz Nr. 21C am Gang und grüble rum, wie ich auf die nächste angriffige Mail antworten soll. Plötzlich kommt mir ein ganz neuer Gedanke. Vielleicht ist es die dünne Luft in einer Flughöhe von zehn Kilometern, aber ich glaub’s eigentlich nicht. Dieser Gedanke versucht schon seit Monaten, wenn nicht Jahren, zu mir durchzudringen, aber ich habe ihn nicht zugelassen. Er ist zu gefährlich. Zu bedrohlich für den Status quo. Aber jetzt ist die Zeit reif, dass er aus dem Käfig geholt und in die freie Wildbahn gesetzt wird.

Und hier ist er: Was wäre, wenn ich mein Leben ändere?

Weitere drei Monate und tausend schwierige Gespräche später, in denen ich jeden Pastor und Mentor und Freund und Verwandten in den Strudel dieser lebensentscheidenden Frage hineingezogen habe, sitze ich in einem Meeting der Gemeindeleitung. Das Essen ist vorbei. Jetzt sind nur noch ich und das Leitungsteam da. Das ist der Moment. Von jetzt an wird es in meiner Biografie ein Vorher und ein Nachher geben. Ich spreche es aus: »Ich kündige.«

Na ja, nicht völlig. Ich schmeiße nicht alles hin. Wir sind eine Gemeinde mit vielen Standorten. (Als ob eine Gemeinde zu leiten für jemanden wie mich nicht ausreichen würde.)

Unsere größte Tochtergemeinde ist in einem Vorort. Ich habe die letzten zehn Jahre meines Lebens dort verbracht, aber mein Herz hat immer der Stadt gehört. Schon seit der Highschool, als ich mit meinem 77er-VW unsere Straße rauf- und runterfuhr und davon träumte, in der Innenstadt eine Gemeinde zu gründen. Unsere Gemeinde in der Innenstadt ist kleiner, viel kleiner. Und das Umfeld ist viel schwieriger. Das urbane Portland ist ein säkulares Wunderland – da hast du alle Karten gegen dich. Aber ich spüre, dass die Schwerkraft des Geistes mich drängt, gerade hier zu landen.

MEIN TRAUM IST ES, MEIN LEBEN ZU ENTSCHLEUNIGEN, ES ZU VEREINFACHEN, UM VERWEILEN ZU KÖNNEN.

Also keine Kündigung, eher eine Art Zurückstufung. Ich möchte nur eine Gemeinde leiten. Völlig neue Idee, was? Mein Traum ist es, mein Leben zu entschleunigen, es zu vereinfachen, um verweilen zu können. Zu Fuß zur Arbeit gehen. Ich möchte die Maßstäbe für den Erfolg neu setzen, sage ich. Ich möchte mich mehr darauf konzentrieren, was für ein Mensch ich werde, und von Jesus lernen. Ob ich das tun könne.

Sie sagen Ja. (Vermutlich denken die meisten: Endlich!)

Die Leute werden reden, das ist immer so: Er hat’s nicht gepackt (stimmt). War nicht smart genug (stimmt nicht). War nicht zäh genug (okay, stimmt überwiegend). Oder – das werde ich noch monatelang hören –: Er verrät Gottes Berufung für sein Leben. Verschwendet seine Gaben irgendwo im Abseits.

Tja, dann tschüss. Lass sie reden. Ich habe jetzt neue Maßstäbe.

Ich beende meinen Zehnjahreslauf in der Gemeinde. Unsere Familie nimmt sich eine Auszeit. Es ist das reinste Gnadengeschenk. Die erste Hälfte verbringe ich wie im Koma, aber langsam wacht meine Seele wieder auf. Ich komme zurück in eine viel kleinere Gemeinde. Wir ziehen in die Stadt. Ich gehe zu Fuß zur Arbeit. Ich beginne eine Therapie. Dazu nur eins: Wow! Sieht so aus, als hätte ich das dringend nötig gehabt. Ich konzentriere mich auf emotionale Gesundheit. Arbeite weniger. Gehe mit meiner Frau aus. Spiele mit meinen Kids Star Wars mit Lego. (Das mach ich für sie, nicht für mich.) Ich praktiziere den Sabbat. Entgifte mich von Netflix. Und zum ersten Mal seit der Highschool lese ich wieder Romane. Und: Ich gehe vor dem Schlafengehen mit dem Hund raus.

Ich lebe.

Klingt gut, was? Bisschen utopisch? Wohl kaum. Ich fühle mich eher wie ein Junkie auf Meth-Entzug. Wer bin ich ohne das Mega? Ohne Leute, die Schlange stehen, um mit mir zu reden? Ohne eine Mailflut kurz vor Mitternacht? Ein Leben auf der Überholspur lässt man nicht einfach so hinter sich. Aber im Lauf der Zeit gelingt der Entzug. Ich spüre, wie meine Seele sich öffnet.

ICH SPÜRE, WIE MEINE SEELE SICH ÖFFNET.

Es gibt kein Feuerwerk am Himmel. Veränderung passiert langsam, schrittweise und auch mal in Schüben. Drei Schritte vor, einen oder zwei Schritte zurück. An manchen Tagen krieg ich’s hin, an anderen rutsche ich zurück in die Hektik. Aber zum ersten Mal seit Jahren bewege ich mich wieder in Richtung Reife, Zentimeter für Zentimeter. Dahin, Jesus ähnlicher zu werden. Und auch meinem besseren Selbst.

Und was noch genialer ist: Ich spüre Gott wieder. Ich spüre meine eigene Seele.

Ich bin auf dem unbefestigten Weg und ohne jeden Anhaltspunkt, wohin er führt, aber das ist okay. Was für ein Mensch aus mir wird, das ist mir wichtiger, als wo ich ende. Und zum ersten Mal seit Jahren lächle ich meiner Zukunft entgegen.

Dieser Abend, an dem ich heimfuhr, um mir sinnlos Keanu Reeves reinzuziehen, liegt fünf Jahre und ebenso viele Leben hinter mir. Seitdem hat sich so viel verändert. Dieses Buch hier ist die Frucht meiner kurzen und höchst ereignislosen Autobiografie, meiner Reise aus einem Leben der Hektik in ein Leben von, hm … etwas anderem.

In gewisser Weise bin ich der Letzte, der etwas über Hektik schreiben sollte. Ich bin der Typ, der an der Ampel die Spur wählt, in der nur zwei statt drei Autos vor ihm stehen. Der Typ, der damit geprahlt hat, »im Büro morgens der Erste und abends der Letzte zu sein«. Einer, der schnell geht und schnell redet. Ein chronisch multitaskender Speed-Fanatiker (nein, nicht die Art von Speed!). Oder zumindest war ich das. Jetzt nicht mehr. Ich habe den Absprung aus diesem Leben geschafft. Also bin ich vielleicht doch nicht der Letzte, der ein Buch über Hektik schreiben sollte? Das darfst du selbst beurteilen.

Ich kenne deine Geschichte nicht. Es spricht viel dafür, dass du kein Ex-Megachurch-Pastor bist, der schon mit dreiunddreißig ein Burn-out und eine Midlife-Crisis hatte. Wahrscheinlich bist du eher ein Student oder ein Mittzwanziger aus der Großstadt oder eine Frau in der Familienphase oder ein Versicherungsvertreter in den besten Jahren. Gerade voll am Durchstarten im Leben oder damit beschäftigt, irgendwie durchzuhalten.

Der koreanisch-stämmige deutsche Philosoph Byung-Chul Han beendet sein Buch The Burnout Society mit einer gruseligen Bemerkung über die meisten Menschen in der westlichen Welt: »Sie sind zu lebendig, um zu sterben, und zu tot, um zu leben.«5

Das war ich, haargenau.

Und du? Vielleicht auch ein bisschen?

Wir haben alle unsere eigenen Erfahrungen mit dem Versuch nicht durchzudrehen in Zeiten von iPhones und Wi-Fi und Rund-um-die-Uhr-Nachrichten und Urbanisierung und nervtötenden Staus auf mehrspurigen Innenstadtstraßen und Dauerbeschallung und einem frenetischen Lebensstil von ständigem los, los, los ….

Nimm dieses Buch als so was wie ein Treffen bei einer Tasse Kaffee (was ist deine Lieblingssorte?), bei dem ich alles abspule, was ich in den letzten Jahren darüber gelernt habe, wie man durch die trügerischen Wasser dessen steuert, was der französische Philosoph Gilles Lipovetsky die »hypermoderne« Welt nennt.6

Aber ganz ehrlich: Alles, was ich dir hier anbiete, habe ich aus dem Leben und der Lehre von Jesus von Nazareth geklaut. Er ist mein Rabbi – und so viel mehr als das.

Meine Lieblingseinladung von Jesus erreicht uns über das Matthäusevangelium:

Kommt alle her zu mir, die ihr müde seid und schwere Lasten tragt, ich will euch Ruhe schenken. Nehmt mein Joch auf euch. Ich will euch lehren, denn ich bin demütig und freundlich, und eure Seele wird bei mir zur Ruhe kommen. Denn mein Joch passt euch genau, und die Last, die ich euch auflege, ist leicht.

Matthäus 11,28-30

Fühlst du dich »müde«? Wie sieht’s aus mit »schweren Lasten«?

Jemand da, der nicht nur in Körper und Geist bis auf die Knochen müde ist, sondern auch in seiner Seele?

Wenn’s so ist: Du bist nicht allein.

Jesus lädt uns alle ein, das »sanfte Joch« zu tragen. Er kennt die leichte Weise, das Leben zu schultern, und er bietet sie kostenlos an, für alle: ein Leben mit seinem Dreigestirn von Liebe, Freude und Frieden. So, wie Eugene Peterson dieses Kernwort von Jesus übersetzt: »frei und leicht zu leben«.7

WAS, WENN DAS GEHEIMNIS EINES LEBENS, NACH DEM WIR HUNGERN, TATSÄCHLICH »LEICHT« WÄRE?

Was, wenn das Geheimnis eines glücklichen Lebens nicht irgendwo da draußen zu entdecken ist, sondern viel näher bei und daheim? (Und es ist ein Geheimnis, ein offenes zwar, aber doch ein Geheimnis: Warum sonst kennen es nur so wenige?) Was, wenn man nichts anderes tun müsste, als lange genug die Geschwindigkeit des Lebens zu reduzieren? So lange, bis das Leben, das im Achterbahntempo an einem vorbeirauscht, sich beruhigt und wieder klar zu erkennen ist? Was, wenn das Geheimnis eines Lebens, nach dem wir hungern, tatsächlich »leicht« wäre?

Und bevor wir beginnen, lass mich noch ein zwei Dinge klarstellen:

Erstens: Ich bin nicht du. Das ist zwar sonnenklar, muss aber trotzdem gesagt werden. Denn ich hab da so eine Ahnung, dass sich ein paar Leute an diesem Anti-Hektik-Manifest reiben werden. Das ging mir ja zuerst auch so. Es legt eine tiefe Sehnsucht in uns allen offen – die Sehnsucht nach einem Leben, das anders ist als das, das wir tatsächlich leben. Die Versuchung besteht darin, mich als unrealistisch oder weltfremd abzustempeln.

Er hat keine Ahnung, wie es ist, als alleinerziehende Mutter mit zwei Jobs durchzukommen und gerade mal die Schulden und die Miete bezahlen zu können.

Stimmt: Ich habe keine Ahnung.

Er kapiert nicht, wie es in meiner Stadt/meinem Land/meiner Generation aussieht.

Nun, vielleicht nicht. Mein Wunsch ist: Lass mich ausreden.

Zweitens: Ich bin nicht Jesus. Nur einer, der bei ihm in die Lehre geht und schon ein Weilchen dabei ist. Meine Agenda für unsere gemeinsame Zeit ist einfach: Ein paar der besten Dinge weiterzugeben, die ich gelernt habe, weil ich zu Füßen des Meisters gesessen habe. Einem Mann, dessen engste Freunde sich alle darin einig waren, dass er mehr als jeder andere mit dem Öl der Freude gesalbt war (Hebräer 1,9). Ich übersetze das so: Er war der glücklichste Mensch auf der Welt.

JESUS WAR DER BRILLANTESTE, EINFÜHLSAMSTE UND HERAUSFORDERNDSTE LEHRER ALLER ZEITEN.

Die meisten kämen überhaupt nicht darauf, sich an Jesus zu wenden, wenn sie einen Rat wollen, wie man glücklich sein kann. Dafür schauen wir auf den Dalai-Lama oder unser örtliches Achtsamkeitsstudio oder belegen Kurse für positive Psychologie an der Uni. Die haben alle gute Dinge zu sagen, und dafür bin ich dankbar. Aber Jesus ist eine Klasse für sich. Vergleiche ihn mit jedem anderen Lehrer, jeder Tradition oder Philosophie – religiös oder säkular, alt oder modern – von Sokrates über Buddha und Nietzsche bis hin zum Yogi-Podcaster deiner Wahl. Für mich bleibt Jesus der brillanteste, einfühlsamste und am meisten zum Nachdenken anregende Lehrer, der jemals über diese Erde gegangen ist. Und er ging langsam (dazu gleich mehr).

Also, statt dich anzuschnallen, mach es dir lieber bequem.

In diesem Sinne, will ich es abschließend ganz offen sagen: Wenn du schneller, höher, weiter suchst, dann ist das hier nicht das richtige Buch für dich. Eigentlich hast du gar nicht wirklich die Zeit, ein Buch zu lesen. Vielleicht gerade mal, um das erste Kapitel zu überfliegen? Dann lass es lieber gleich.

Wenn du eine schnelle Lösung oder eine Drei-Schritte-Formel in einem einfachen Akronym willst, ist dieses Buch auch nichts für dich. Es gibt keine schnelle Patentlösung für das Leben. Keinen Lifehack für die Seele. Das Leben ist außerordentlich komplex. Veränderung ist noch komplexer. Jeder, der etwas anderes behauptet, will dir nur etwas verkaufen.

Aber: Wenn du müde bist, wenn du das Leben, wie du es kennst, satthast. Wenn du den leisen Verdacht hast, es könnte eine bessere Weise geben, Mensch zu sein. Wenn du denkst, dass du vielleicht das Wesentliche verpasst, dass die Maßstäbe für Erfolg, die unsere Kultur vorgibt, möglicherweise verzerrt sind und dass besagter Erfolg sich als ein Scheitern entpuppen könnte. Vor allem, wenn für dich die Zeit gekommen ist und du bereit bist, dich auf eine kontraintuitive und dem kulturellen Mainstream entgegenlaufende Reise zu begeben, um in der Realität von Gottes Reich deine Seele kennenzulernen. Dann genieß die Lektüre.

Dieses Buch ist nicht lang und nicht schwer zu verstehen. Aber es gibt ein paar Geheimnisse zu entdecken.

TEIL EINS

Das Problem

Hektik – Der große Feind des geistlichen Lebens

Letzte Woche habe ich mich mit meinem Mentor John Ortberg zum Essen getroffen.

Okay, ich geb’s zu: Er ist eigentlich nicht mein Mentor. Denn dafür ist er mehrere Nummern zu groß für mich. Aber wir essen regelmäßig zusammen zu Mittag und ich zücke meinen Notizblock und überfalle ihn mit einer Flut von Fragen über das Leben. John ist ein Mensch von der Sorte, die man trifft und sofort denkt: So will ich auch werden, wenn ich groß bin. Er ist wirklich klug, aber noch mehr als das – er ist weise. Dabei wirkt er nicht im Entferntesten überheblich oder hochnäsig. Sondern er ist fröhlich, lässig, fühlt sich wohl in seiner Haut, ist total erfolgreich (aber nicht auf diese nervige Promi-Art), freundlich, neugierig, aufmerksam für dich und präsent im Augenblick. Im Grunde hat er ziemlich viel von dem, wie ich mir Jesus vorstelle.8

John ist ein Pastor und Schriftsteller aus Kalifornien, der zufällig selbst einen Mentor hatte, der ebenfalls zu meinen Helden gehört: Dallas Willard. Wenn dir dieser Name nichts sagt, dann ist es mir ein Vergnügen, das zu ändern.9

Willard war Professor für Philosophie an der University of Southern California, ist aber außerhalb der akademischen Welt vor allem als jemand bekannt, der vermittelt hat, wie Jesus lebte. Mehr als jeder andere Lehrer außerhalb der Bibliothek der Heiligen Schrift haben seine Bücher die Art und Weise geprägt, wie ich Jesus nachfolge – oder, wie er sagen würde, wie ich bei Jesus in die Lehre gehe.10 Kurz und gut: John war über zwanzig Jahre lang ein Mentee von Willard, bis zu dessen Tod im Jahr 2013.

Ich hatte nie die Gelegenheit, Dallas Willard persönlich kennenzulernen. Als John und ich also das erste Mal in Menlo Park zusammensaßen, fing ich sofort an, ihn über Willard auszuquetschen. Und dabei stießen wir auf Gold.

Hier eine von Johns Geschichten über Willard, an die ich immer wieder denken muss:

John ruft Dallas an und bittet um Rat. Es sind die späten 90er-Jahre, und John arbeitet zu dieser Zeit in der Willow Creek Community Church in Chicago, einer der einflussreichsten Gemeinden der Welt. John ist selbst ein bekannter Lehrer und Bestsellerautor – ein Mann, von dem man annimmt, dass er ziemlich gut darüber Bescheid weiß, was Jesus gelehrt hat. Aber hinter den Kulissen fühlte er sich, als würde er immer tiefer in den Strudel des Megachurch-Wahnsinns hineingesogen.

Wie gut ich das nachvollziehen kann!

Also ruft er Willard an und fragt: »Was muss ich tun, um der zu werden, der ich sein will?«11

Langes Schweigen am anderen Ende der Leitung. (John meint: »Bei Willard gibt es immer langes Schweigen am anderen Ende der Leitung.«)

Dann: »Du musst alle Hektik aus deinem Leben verbannen. Radikal.«

Können wir hier einfach mal kurz unterbrechen und uns darauf einigen, dass das brillant ist?

Danke.

Dann kritzelt John diese Zeile in sein Tagebuch – leider war das vor Twitter, sonst wäre das im Netz viral gegangen. Dann fragt er: »Okay, was noch?« Wieder ein langes Schweigen.

Willard: »Es gibt nichts anderes. Du musst jegliche Hektik aus deinem Leben verbannen. Radikal.«

Ende der Geschichte.12

»DU MUSST ALLE HEKTIK AUS DEINEM LEBEN VERBANNEN. RADIKAL.« – DALLAS WILLARD

Als ich das zum ersten Mal hörte, rief das ein unmittelbares Echo in mir hervor. Hier redete jemand von der Wirklichkeit. Hektik ist das Grundproblem hinter so vielen Symptomen von Toxizität in unserer Welt. Und doch ist Willards Antwort nicht das, was ich erwarten würde. Ich lebe in einer der säkularsten und fortschrittlichsten Städte Amerikas, aber wenn du mich fragen würdest: Was ist die größte Herausforderung für dein geistliches Leben in Portland? – nun, ich bin nicht sicher, was ich antworten würde.

Am ehesten würde ich sagen, es ist die Moderne oder Postmoderne oder die liberale Theologie oder die Popularisierung des Wohlstandsevangeliums oder die Neudefinition von Sexualität und Ehe oder die Auslöschung von Geschlechterunterschieden oder Internetpornografie oder es sind die Millionen von Fragen, die die Menschen haben – über Gewalt im Alten Testament oder den Sturz prominenter Pastoren oder Donald Trump. Ich weiß es nicht.

Wie würdest du die Frage für dich beantworten? Ich wette, nur sehr wenige von uns würden als Antwort »Hektik« wählen.

Aber schauen wir mal in die Bibel: Satan taucht nicht als Dämon mit Mistgabel und heiserer Raucherstimme auf oder als Will Ferrell mit E-Gitarre und Feuer in Saturday Night Live. Er ist viel intelligenter, als wir es ihm zutrauen. Heutzutage ist es viel wahrscheinlicher, dass man dem Feind in Form eines Klingelns auf dem Handy begegnet, während man in der Bibel liest. Oder in Form eines mehrtägigen Netflix-Trips oder einer totalen Dopaminabhängigkeit von Instagram. Oder wieder einmal am Samstagmorgen im Büro oder schon wieder am Sonntag im Fußballstadion oder in einer endlosen Reihe von Verpflichtungen in einem Leben auf Höchstgeschwindigkeit.

WENN DER FEIND DICH NICHT ZUM SÜNDIGEN BRINGEN KANN, SORGT ER DAFÜR, DASS DU BESCHÄFTIGT BIST.

Corrie ten Boom hat einmal gesagt, wenn der Feind dich nicht zum Sündigen bringen kann, sorgt er dafür, dass du beschäftigt bist. Da ist etwas Wahres dran. Sünde und Geschäftigkeit haben genau den gleichen Effekt – sie kappen die Verbindung zu Gott, zu anderen Menschen und sogar zu deiner eigenen Seele.

Der berühmte Psychologe Carl Jung sagte gern diesen kleinen Satz: Die Eile ist nicht vom Feind, die Eile ist der Feind. Jung war übrigens der Psychologe, der die Definition von introvertierten und extrovertierten Persönlichkeitstypen entwickelt hat und dessen Arbeit später zur Grundlage für den Myers-Briggs-Typenindikator wurde. Es soll hier genügen, zu sagen: Der Mann wusste, wovon er sprach.

Kürzlich habe ich die Vision für unsere Gemeinde mit meinem Therapeuten besprochen, der ein Jesus-liebender, hochintelligenter Mensch mit Doktortitel ist. Unser Traum ist es, unsere Gemeinden so zu gestalten, dass wir alle bei Jesus in die Lehre gehen. (Es fühlt sich so seltsam an, das zu schreiben, denn was sollten wir als Gemeinde denn sonst tun?) Er war begeistert, wiederholte aber immer wieder dasselbe: »Das größte Problem, dem ihr begegnen werdet, ist die Zeit. Die Menschen sind einfach zu beschäftigt, um ein emotional gesundes und reiches geistliches Leben zu führen.«

WIR SIND ALLE STÄNDIG BESCHÄFTIGT.

Was antworten die Menschen normalerweise, wenn man sie fragt, wie es ihnen geh? »Oh, gut, bin nur etwas im Stress.« Wenn du genau hinsiehst, wirst du diese Antwort überall finden – unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, Lebensphase oder gesellschaftlicher Stellung. Studenten sind im Stress. Junge Eltern sind dauerbeschäftigt. Senioren, die ihre Zeit auf dem Golfplatz verbringen, haben viel zu tun. CEOs sind gestresst, ebenso wie Baristas und Teilzeit-Babysitter. Amerikaner sind beschäftigt, Kiwis sind beschäftigt, Deutsche sind beschäftigt – wir sind alle ständig beschäftigt.

Zugegeben, es gibt eine gesunde Art von Beschäftigtsein. Eine Art, bei der das Leben mit wichtigen Dingen angefüllt ist und nicht mit trivialen Ablenkungen vergeudet wird. Nach dieser Definition war auch Jesus sehr »beschäftigt«.

Das Problem ist nicht, dass man viel zu tun hat, sondern dass man zu viel zu tun hat! Und die einzige Möglichkeit, alles unter einen Hut zu kriegen, besteht dann anscheinend darin, sich zu hetzen. Diese Art von Geschäftigkeit ist es, die uns allen den Atem raubt.

Michael Zigarelli von der Charleston Southern University hat eine Umfrage unter 20 000 Christen auf der ganzen Welt durchgeführt. Dabei hat er festgestellt, dass Geschäftigkeit eine der größten Ablenkungen vom geistlichen Leben ist. Das ist seine Hypothese:

Es mag sein, dass (1) die Christen sich an eine Kultur der Geschäftigkeit, Hektik und Überlastung anpassen. Dies führt dazu, dass (2) Gott im Leben der Christen immer mehr an den Rand gedrängt wird, was dazu führt, dass (3) die Beziehung zu Gott sich verschlechtert, was dazu führt, dass (4) die Christen noch anfälliger dafür werden, säkulare Vorgaben dafür zu übernehmen, wie sie zu leben haben, was (5) zu noch mehr Anpassung an eine Kultur der Geschäftigkeit, Hektik und Überlastung führt. Und dann beginnt der Kreislauf von Neuem.13

Pastoren sind dabei übrigens die schlimmsten. Zigarelli bewertete die Geschäftigkeit in meinem Beruf gleichauf mit der von Anwälten und Ärzten. Das betrifft natürlich nicht mich. Nur die anderen …

Wie sagt ein finnisches Sprichwort so treffend? Gott hat die Zeit erschaffen. Von Eile hat er nichts gesagt.

Dieses neue Lebenstempo ist nicht christlich, es ist antichristlich. Denk mal drüber nach: Was hat den höchsten Wert in der Ökonomie des Reiches Gottes? Ganz einfach: die Liebe. Jesus hat das klipp und klar gesagt. Er sagte, das größte Gebot in der ganzen Thora sei, »den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft lieben«. Dem folgt nur noch: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst« (Markus 12,28-31).14 Aber die Liebe kostet schmerzlich viel Zeit. Alle Eltern wissen das, ebenso wie alle Liebenden und die meisten langjährigen Freunde.

HEKTIK UND LIEBE SIND WIE ÖL UND WASSER: SIE VERBINDEN SICH EINFACH NICHT.

Hektik und Liebe sind unvereinbar. Meine schlimmsten Momente als Vater, Ehemann und Pastor, ja allgemein als Mensch, stehen fast immer in Zusammenhang mit Zeitdruck – wenn ich zu spät zu einem Termin komme, mit meiner unrealistischen To-do-Liste im Rückstand bin, versuche, zu viel in meinen Tag zu packen. Ich verbreite Wut, Anspannung, kritische Nörgelei – das Gegenteil von Liebe. Glaubst du nicht? Dann achte mal drauf, wie du reagierst, wenn du das nächste Mal versuchst, deine Frau (die vielleicht Persönlichkeitstyp G ist) und deine drei kleinen, wuseligen Kinder aus dem Haus zu bekommen, wenn du spät dran bist (ein Szenario, mit dem ich viel Erfahrung habe). Wie gehst du mit ihnen um? Sieht es aus wie Liebe? Fühlt es sich so an? Oder riecht dein Verhalten eher nach Aufregung, Wut, bissigen Bemerkungen, scharfen Blicken?

Hektik und Liebe sind wie Öl und Wasser: Sie verbinden sich einfach nicht.

In der Definition der Liebe, die der Apostel Paulus gibt, steht nicht umsonst an erster Stelle die Geduld (1. Korinther 13,4). Es gibt einen Grund, warum es heißt, ein Mensch »wandelt« oder »geht« mit Gott. Es heißt nicht, er »rennt«. Das liegt daran, dass Gott Liebe ist.

In seinem Buch Three Mile an Hour God hat der verstorbene japanische Theologe Kosuke Koyama es so formuliert:

Gott geht »langsam«, weil er Liebe ist. Wenn er nicht Liebe wäre, wäre er viel schneller unterwegs. Die Liebe hat ihre eigene Geschwindigkeit. Es ist eine innere Geschwindigkeit. Es ist eine geistliche Geschwindigkeit. Es ist eine andere Art von Geschwindigkeit als das technologische Tempo, an das wir gewöhnt sind. Sie ist »langsam«, aber sie ist allen anderen Geschwindigkeiten überlegen, denn sie ist die Geschwindigkeit der Liebe.15

In unserer Kultur ist langsam ein abwertendes Wort. Wenn jemand einen niedrigen IQ hat, bezeichnen wir ihn oder sie als langsam. Wenn der Service in einem Restaurant lausig ist, nennen wir ihn langsam. Wenn ein Film langweilig ist, beschweren wir uns, dass er langsam ist. Ein typisches Beispiel: Das Wörterbuch Merriam-Webster definiert »langsam« u. a. so: »geistig stumpfsinnig, dumm, von Natur aus träge oder schwerfällig, antriebsschwach, willensschwach«.16

Die Botschaft ist klar: Langsam ist schlecht, schnell ist gut.

Aber im Reich Gottes wird unser Wertesystem auf den Kopf gestellt: Hektik ist vom Feind; Langsamkeit ist von Jesus, denn Jesus ist die Liebe in Person.

Das Gleiche gilt für Freude und Frieden – zwei weitere zentrale Elemente in Gottes Reich. Liebe, Freude und Friede sind das Dreigestirn, das im Mittelpunkt der Vision vom Reich Gottes steht, die Jesus verkündet. Alle drei sind mehr als nur Emotionen. Es sind Grundzustände des Herzens. Es sind nicht nur angenehme Gefühle. Sie beschreiben, zu was für Menschen wir werden, wenn wir bei Jesus in die Lehre gehen, der alle drei ad infinitum verkörpert.

Und alle drei sind unvereinbar mit Rastlosigkeit.

Denken wir an die Freude. Alle geistlichen Meister innerhalb und außerhalb der Jesus-Tradition sind sich in diesem Punkt einig, ebenso wie weltliche Psychologen, Achtsamkeitsexperten usw.: Wenn es ein Geheimnis des Glücks gibt, dann ist es ganz einfach – Dasein im Augenblick. Je wacher wir im Jetzt leben, umso mehr Freude können wir empfinden.

»MIT EINER GEHETZTEN SEELE KANN ICH NICHT IM REICH GOTTES LEBEN.«

Und der Frieden? Muss ich dazu überhaupt etwas sagen? Stell dir vor, du bist in Eile im Blick auf deine nächste Verpflichtung: Spürst du dann den tiefen Shalom Gottes in deiner Seele? Ein geerdetes, präsentes Empfinden von Ruhe und Wohlbefinden?

Um es noch einmal zu sagen: Liebe, Freude und Friede sind das Herzstück all dessen, was Jesus auf dem Boden deines Lebens wachsen lassen will. Und alle drei sind unvereinbar mit Eile.