Das Erbe der Macht - Band 38: Ein Hauch von Anbeginn - Andreas Suchanek - E-Book

Das Erbe der Macht - Band 38: Ein Hauch von Anbeginn E-Book

Andreas Suchanek

0,0

Beschreibung

Um Merlin zu besiegen, müssen Alex, Jen und deren Freunde einen Weg gegen den Pakt des falschen Glücks finden. Die Suche nach einer Lösung führt zu einer überraschenden Entdeckung, die alles verändert. Gleichzeitig macht sich ein Team aus Agenten daran, Iria Kon zu infiltrieren. Im Herzen des Feindes entdecken sie einen geheimnisvollen Gefangenen. Die preisgekrönte Serie. Gewinner des "Deutschen Phantastik Preis", "Skoutz-Award" und "Lovelybooks Leserpreis".

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 220

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ein Hauch von Anbeginn

Das Erbe der Macht

Buch 38

Andreas Suchanek

Inhalt

Was bisher geschah

Prolog

Infiltration

Ruhe

Nächste Schritte

Mission (nearly) Impossible

In Dunkelheit wir leben

Familienbande

Echos

Tauchgang mit Bernstein

Unter Feinden

Ägyptische Klänge

Irgendwann vor Christus

Iria Kon

Vor aller Augen

Zwischen den Zeiten

Akademikus für Kriegszauber

Geheimnisvolle Fracht

Im schwarzen Quader

Die Dunkelheit der Hoffnung

Der Assassine

Was sind schon ein paar Jahre?

Gefangen

Austausch

Schatten über Alexandria

Jagd nach der Klinge

Selbst die besten Pläne

Der Weg zur Klinge

Im Untergrund

Vollendete Einheit

Schoki und Kraftschläge

Der Chronograf

Fahrt auf dem Nil

Falsches Glück

Die Flamme

Diebin wider Willen

Durch Feuer und Eis

Glut über dem Nil

Kinder der Flamme

Eisflucht

Das unbekannte Grab

Die brennende Schrift

Der Schatten der Akazie

Das Erbe der Königin

Chaotische Zustände

Epilog

Seriennews

Über den Autor

Bücher von Andreas Suchanek

Was bisher geschah

Während Chris und Nikki auf Neuseeland ihre wiedergewonnene Zweisamkeit genießen, werden sie von einem der entflohenen Immortalis-Magier attackiert. Sie können den Angreifer besiegen und beschließen, sich endlich auch um die übrigen Entflohenen zu kümmern.

Nach einer Zeitreise kommt es zum Showdown in Venedig, bei dem ein magisches Serum den Alterungsprozess der Immortalis-Gegner erhöht. Sie sterben. Aufgrund einer Verbindung zu den übrigen Entflohenen sind auch diese betroffen. Kein Immortalis-Magier überlebt.

Unterdessen entdeckt das Team um Alex und Jen, dass die Zuflucht in Wahrheit die Zitadelle ist. Damit Merlin und der Anbeginn besiegt werden können, muss der letzte Zeitkreis geschlossen werden. Die Zitadelle wird zusammen mit allen verbliebenen Unsterblichen in die Vergangenheit zurückgeschickt.

Lediglich Kleopatra, Johanna und Leonardo bleiben zurück – jetzt aber als gewöhnliche Menschen. Auch Max verliert seine Unsterblichkeit, doch durch die Verbindung mit einem der Drachen in Alanas Garten wird sein Sigil zu einem Phönix-Drachen-Sigil. Seine Magie bleibt also erhalten.

Prolog

In der Luft lag der Geruch von Kälte und Tod.

Merlin stieg die letzten Stufen empor und erreichte jenen Raum, in dem er dem Wesen vom Anbeginn bereits so oft gegenübergestanden hatte. Hier auf Antarktika, dem gefallenen Kontinent.

»Du hast dir Zeit gelassen«, ertönte es anklagend.

»Es waren viele Stufen«, erwiderte er.

Die Merlin keineswegs hätte zurücklegen müssen. Wozu gab es den Schattensprung? Doch seitdem Chloe O’Sullivan zusammen mit einem Hüterwesen hier eingedrungen war und Rasputin getötet hatte, übte das Hohe Wesen sich mehr in Vorsicht.

Schattensprünge in sein direktes Umfeld waren unterbunden. Sogar für Merlin. So viele Stufen hatte er schon lange nicht mehr zurückgelegt.

»Ich kann es spüren«, sagte das Hohe Wesen. »Das Gleichgewicht hat sich verschoben.«

Was es in so wenigen Worten sprach, hatte Merlin erschüttert. Natürlich hatte auch er es wahrgenommen. Die Zitadelle war fort, und mit ihr waren die Unsterblichen gegangen. Beide Anker existierten nicht länger.

Der Wall, der den Anbeginn von der Wirklichkeit vertrieben hatte, war erloschen. Doch ebenso jener, der Merlin seine Kraft zuführte. Damit wurde das Hohe Wesen stärker, während Merlin deutlich an Macht verlor.

»Wenn Rasputin noch hier wäre, hätte ich die Membran dieser Realität zerfetzt und begonnen, meine hohen Brüder zurückzuholen«, wisperte es, wie immer untermalt von einem feuchten Klacken.

Vor den Mauern gruben Würmer von Hochhausgröße sich durch das Eis. Quecksilberseen bildeten sich, Flugwesen mit tückisch roten Augen patrouillierten am Horizont.

»In Kürze werde ich ausreichend Kraft besitzen«, sagte das hohe Wesen. »Doch das müssen unsere Feinde wissen. Sie werden also tätig werden. Beschäftige sie.«

»Das werde ich.« Merlin neigte leicht sein Haupt. »Auf das sich der Anbeginn wieder erhebt.«

Unter der Kutte konnte er das Antlitz des Wesens nicht erkennen, doch er spürte dessen Blick auf sich ruhen.

»Ich treffe die Vorbereitung. Das wirst du ebenfalls tun. Enttäusche mich nicht.«

Damit war er entlassen.

Das Wesen wandte sich ab, und so tat es Merlin.

Die Kämpfer der Zuflucht hatten es also getan. Sie hatten die Ära der Stille beendet, die den alten Krieg zwischen den Schlachten einfror.

Sie hatten das Endspiel erreicht.

Infiltration

Ruhe

Sie hatten eine Decke ausgebreitet und genossen die Strahlen der Sonne, das Funkeln auf dem Eis des Nordpols und die klare Luft.

Alex gähnte. »Das ist total schön.«

»Du bist so ein Banause«, sagte Jen.

»Kuscheliges Bett auf der einen Seite, eisige Kälte auf der anderen.« Alex schürzte die Lippen.

Jen deutete in die Ferne. »Es gibt Menschen, die das hier niemals sehen können. Wir schon. Außerdem habe ich Kekse dabei, du kannst dich nicht beschweren.«

»Wenn ich müde bin, kann ich das sehr wohl.« Jen saß zwischen Alex‘ Beinen und hatte ihren Rücken gegen seine Brust gelehnt. Er küsste ihr Haar. »Aber ich bin trotzdem glücklich.«

Er konnte ihr Lächeln spüren.

Schweigend blickten sie in die Ferne, sahen dabei zu, wie der Wind Schneeverwehungen über das Eis trieb. Ein Zauber hielt die schlimmste Kälte ab, neutralisierte sie aber nicht vollständig. Jen wollte die Echtheit des ewigen Nordpol-Eises erleben, und daher machte Alex mit.

Hinter ihnen – wenn er sich umwandte gerade noch in Sichtweite – erhob sich das Arsenal. Die neue Zuflucht der Magier, nachdem Talanis mit den Unsterblichen in die Vergangenheit aufgebrochen war.

Das lag nur wenige Tage zurück, und es herrschte noch immer das Chaos der Eingewöhnungszeit.

Ab jetzt mussten sie allein ihre Zukunft bestimmen, den Weg wählen, sich Merlin und dem Anbeginn stellen.

Alex legte sein Kinn auf Jens Schulter. »Es fühlt sich an, als wäre auf einen Schlag die Hälfte unserer Freunde gestorben.«

»Ist sie ja auch«, erwiderte Jen nach einigen Sekunden. »Sie haben in der Vergangenheit ihr Leben gelegt, ihre Schlachten geschlagen … und dann …«

Sie hatten mit Chris gemeinsam die Zitadelle der Gegenwart aufgesucht, sie war vor ihren Augen zerfallen. Ein letzter Abschied von den Unsterblichen, die Erinnerungen für sie zurückgelassen hatten. Wie Geister, die auf alte Freunde trafen, hatten sie sich verabschiedet.

Jen griff in den mitgebrachten Korb, holte die Thermoskanne hervor und schraubte den Deckel ab. Es gluckerte, als sie sich Kaffee in eine Metalltasse goss. »Ich sage mir immer wieder, dass sie das Leben ja hundertfach genießen konnten.«

»Du meinst: genau wie wir?« Alex seufzte schwer. »Ich hatte erneut einen Traum.«

Mit der Zerstörung der Zitadelle und dem Fall der beiden Wälle hatte sich auch etwas für Jen und ihn verändert. Der alte Pakt war zurück.

Sie lebten schon viele Generationen in Form von Inkarnationen. Mordred, die Namenlose, Jen und er waren gefangen in einem ewigen Krieg. In jedem Leben trafen sie aufeinander und kämpften. Die Verlierer starben, die Gewinner konnten ihr Leben bis zum natürlichen Ende auskosten. Danach ging es von vorne los. Starb einer von ihnen vor dem Kampf, starben sie alle. Es glich dem Gefühl, den Kopf in eine Guillotine zu stecken und darauf zu hoffen, dass nichts Schlimmes geschah.

»Wer warst du?«, fragte Jen.

»Mein Name war Jules«, erwiderte er. »Frankreich, 1915. Erster Weltkrieg.«

»Ah«, Jen nickte. »In der Inkarnation haben wir uns wohl nicht gefunden.«

»Ich starb auf dem Schlachtfeld«, erklärte er. »Kurz und schmerzhaft, die Erinnerungen an dich und die Inkarnationsfolge konnten sich gar nicht erst entfalten. Das war ein verlorenes Leben.«

Und irgendwo waren zum gleichen Zeitpunkt die anderen drei gestorben. So waren sie verdammt dazu, in jeder Inkarnation das identische Alter zu haben, gleichzeitig zu leben.

»Bei mir waren es mittlerweile auch zwei Erinnerungen, die durchgebrochen sind«, sagte Jen. »Es geht immer schneller.«

»Wie ist das eigentlich mit …« Alex wedelte mit der Hand. »Du weißt schon … Loser-König?«

»Alex!«

»Jahaaa.« Er räusperte sich. »Ich meinte natürlich Dylan-Artus.«

Jetzt konnte er spüren, wie Jen die Augen verdrehte. Trotzdem wusste er, dass sie noch immer ein wenig sauer auf Artus war. Immerhin hatte der gewusst, dass Jen in ihrem ersten Leben seine Gattin Guinevere gewesen war. Und so hatte er sich als Dylan an sie herangemacht.

»Da erinnere ich mich mittlerweile ebenfalls wieder«, sagte sie. »Er war ein sehr grüblerischer König. Vermutlich wegen Excalibur.«

Alex hatte Erinnerungsfetzen von Turnieren zurückerhalten, die er als Ritter am Hof von Camelot geführt hatte. Eine schöne Zeit. Wenn auch mit schlechtem Ausgang.

Normalerweise hätte er als Magier seine Erinnerungen gar nicht zurückbekommen. Denn laut altem Pakt gab es stets einen Nimag und einen Magier auf beiden Seiten. Sie wechselten in ihren Inkarnationen das Geschlecht, und jeder von ihnen war mal magisch begabt, mal nicht. Nun galten die alten Regeln aufgrund diverser Manipulationen nicht mehr.

»Was tun wir jetzt?«, fragte er.

Jen schwieg lange.

»Haben wir eine Wahl?«, gab sie zurück. »Wir müssen die anderen finden und den Kampf hinter uns bringen.«

Was leichter gesagt war als getan. »Und wo willst du anfangen? Wenn Grace noch hier wäre, würde sie uns sicher helfen. Aber wir sind allein.«

»Mordred und die Namenlose werden uns ebenfalls finden wollen, denkst du nicht?«

Niemand lebte gerne mit der Ungewissheit, im nächsten Augenblick tot umzufallen, weil einer der anderen auf einer Bananenschale ausgerutscht war und sich das Genick gebrochen hatten. »Stimmt.«

»Möglicherweise ist es also leichter als angenommen«, sagte Jen. »Wir …«

Mit einem Krachen schlug ein Körper neben ihnen in das Eis ein. Alex rollte sich ab, kam in die Höhe und hatte bereits seinen Essenzstab in der Hand. Jen glich einem Spiegelbild.

Vor ihnen saß ein Drache, neigte fragend den Kopf und gab ein Geräusch von sich, das irgendwo zwischen ›Ich habe euch lieb‹ und ›Ihr seht lecker aus‹ angesiedelt war.

»Eddy«, entfuhr es Jen.

Seit Max sich neben einem flauschigen Baby-Phönix auch mit einem Drachen verbunden hatten, war die Wohnsituation noch komplizierter geworden.

Eddys Nüstern bebten. Er schnupperte. Seine Schuppen waren so weiß wie das umgebende Eis. Er war ein perfekter Camouflage-Drache.

Sein Maul schoss vor, stoppte über dem Deckel der Thermoskanne.

»Nein!«, sagte Jen.

Eddy warf ihr einen Blick zu und …

… schlabberte den Kaffee auf.

»Toll«, kommentierte Jen. »Max wird richtig mies drauf sein.«

Wie sich herausgestellt hatte, war Eddy ein recht junger Drache, der sich ausprobierte. Durch Zufall hatte er seine Vorliebe für Kaffee entdeckt. Dieser hatte leider eine euphorisierende Wirkung auf das Tier. Hyperaktiv traf es nicht mal ansatzweise.

»Wann ist unser Leben eigentlich so spannend geworden?«, sagte Alex.

»Die einen sagen spannend, die anderen sprechen von ständiger Todesgefahr«, erwidert Jen trocken.

Bevor er dazu etwas erwidern konnte, spürte er die leichte Wärme, die der Aktivierung des Whisperbandes an seinem Handgelenk stets vorausging. Max’ Symbol leuchtete auf.

»Kriegsrat in einer halben Stunde«, erklang die Stimme des Obersten Agenten und Hausherrn des Arsenals.

Ein Rundruf.

»Unser Picknick ist wohl vorbei«, sagte Alex.

Eddy hatte den Kaffee geleert, stieß sich ab und schoss wieder in die Luft.

Sie sammelten alles ein und kehrten zum Arsenal zurück.

Nächste Schritte

Der Kriegsrat hätte auch als Selbsthilfegruppe durchgehen können.

Jeder der Anwesenden war noch immer geschockt, auf einen Schlag alle Unsterbliche verloren zu haben.

Tilda hielt den Vorsitz als frisch ernannte Königin, von ihren Rittern – die alle verschiedene Aufgaben erhalten hatten – saßen Max, Clara und Alfie am Tisch.

Alex freute sich stets, seinen Bruder zu sehen, sie umarmten sich herzlich.

Mit Jen und ihm waren sie vollzählig.

»Ich wollte unser Treffen überschaubar halten«, sagte Tilda. »Die Moral ist momentan aufgrund des erneuten Umzugs, der Verlusts der Zuflucht und unserer Freunde nicht gerade der leuchtendste Stern am Himmel.« Sie deutete auf den Teller in der Mitte des Tisches. »Nehmt euch welche. Frisch gebacken. Das ist ein Befehl.«

Alex musste unweigerlich schmunzeln und griff zu. Es war schön, dass Tilda selbst als Königin so blieb, wie sie immer gewesen war.

»Während wir hier die Artefakte listen und uns einrichten, müssen wir die nächsten Schritte planen«, sprach sie weiter. »Ab sofort gibt es keinen Wall mehr. Das ist schön für uns, weil unsere Kräfte wachsen, doch für den Anbeginn gilt dasselbe.«

»Und vergessen wir nicht, was das bedeutet«, warf Alfie ein. »Ich habe versehentlich alle Krieger im neuen Trainingsraum zerstört, weil meine Kraft plötzlich viel stärker geworden ist.«

Der Wall hatte stets Magie von den Magiern abgeschöpft, um sich zu erhalten und die Magie vor den Augen der Nimags zu verbergen. Leider auch, um Merlin damit zu versorgen. Das war alles vorbei.

»Wir müssen also erst wieder lernen, die richtige Dosis an Essenz zu verwenden«, sagte Max. »Gleichzeitig wird der Anbeginn stärker, und was Merlin macht, wissen wir nicht. Doch er wird garantiert nach einer Möglichkeit suchen, sein verlorenes Potenzial zurückzuerlangen.«

»Und dann wäre da noch die eine Sache, gegen die wir nach wie vor machtlos sind«, warf Clara ein. »Der Pakt des falschen Glücks. Merlin hat gut zwei Drittel aller Magier zu seinen Jüngern gemacht. Dazu kommen die Nimag-Angehörigen, die er sich geholt hat. Er könnte ihnen befehlen, gegen uns zu kämpfen. Oder er sagt ihnen, dass sie sich gegenseitig die Kehle aufschlitzen sollen.«

»Ich entwickle eine Allergie gegen das Wort ›Pakt‹«, murrte Alex.

»Verständlich«, sagte Tilda. »Die Frage ist nun, wie wir ihn lösen. Es gibt nur eine Person, die vollständig geheilt werden konnte.«

»Chloe.« Alex nickte. »Aber dafür musste sie ein lebensgefährliches Ritual durchlaufen und wurde in zwei Personen gespalten. Sie hat den von Merlin hörig gemachten Teil getötet. Wenn es anders ausgegangen wäre, hätten wir sie für immer verloren.«

»Weshalb das auch als Möglichkeit ausfällt«, erklärte Tilda. »Wir brauchen eine Lösung, die den Pakt auf einen Schlag löst. Andernfalls könnte Merlin seine Kontrolle noch nutzen.«

Im Geiste sah Alex, wie dieser Irre mit den Fingern schnippte. Und schon stürzten die Magier sich über die nächste Klippe ins Meer.

Sie würden sich so bereitwillig opfern, wie seine Mutter es getan hatte. Er wechselte einen kurzen Blick mit Alfie. Er konnte seinem Bruder ansehen, dass diesem das Gleiche durch den Kopf ging.

»Falsches Glück«, sagte Alex. »Jen und ich recherchieren gerade sowieso. Wir kümmern uns darum.«

»Ich helfe euch«, kam es von Clara. »Recherche ist mein Steckenpferd. Außerdem habe ich da die eine oder andere Idee.«

»Chloe plant bereits, einen Brückenkopf auf Iria Kon zu errichten«, sagte Max. »Sobald eine Lösung für den Pakt des falschen Glücks gefunden ist, sollten wir einsatzbereit sein. Kevin und ich helfen ihr.«

»Dann haben wir zwei Teams. Ich übergebe euch diese Verantwortung, während ich hier im Arsenal alles vorbereite«, sagte Tilda. »Artus ist bereits dabei, Artefakte zu listen, die wir im Kampf einsetzen können. Alana stellt in ihrem Garten Tränke aus Pflanzen her, die uns helfen. Kleopatra hat ihr all ihre Schriften übergeben.«

Die ehemalige Unsterbliche brachte sich weiter in den Kampf ein. Immerhin ließ sich auch mit Kampfartefakten eine Menge bewerkstelligen. Es war paradox, dass ausgerechnet die ehemals Mächtigsten jetzt fort oder einfache Nimags waren.

Alex fragte sich, wie die magische Welt wohl aussehen mochte, wenn Merlin besiegt war.

Gab es dann überhaupt noch Magie?

Oder bestand die Lösung darin, einfach alles Magische zu entfernen? Würde dies ein ewiges Ungleichgewicht lösen oder verschlimmern?

Falls Merlin und der Anbeginn gewannen, stellte sich diese Frage natürlich nicht. Dann würde es außer Iria Kon keine menschliche Zivilisation mehr geben. Meere aus Quecksilber, Lava am Himmel, unaussprechliche Kreaturen, die die Welt zu ihrem Lebensraum machten.

Sie hatten es weit geschafft. Doch immer wenn Alex dachte: ›Jetzt liegen wir vorne‹, geschah etwas, dass dieses Gefühl im Keim erstickte.

Nach jeder Herausforderung kam unweigerlich die nächste. Und so würde es wohl immer bleiben.

Ein Räuspern neben sich ließ ihn aufblicken. »Was?«

»Die Sitzung ist seit wenigen Minuten beendet«, erklärte Jen.

Erst jetzt bemerkte Alex, dass Max und Tilda im Gespräch vertieft den Raum verließen. Clara stand am Eingang und wartete auf Jen und ihn.

»Oh«, sagte er.

»Nimm dir lieber noch einen Keks, sonst läufst du gegen die nächste Wand«, entgegnete sie, gefolgt von einem zärtlichen Kuss. »Wir grübeln alle. Lass es nur nicht zu lange werden.«

»Ich gebe mein Bestes, Jennifer Freud.«

»Hey, wenn ich Freud wäre, würde ich damit beginnen, deine sexuellen Vorlieben zu analysieren.«

»Das klingt gut.«

Jen gab ihm seufzend einen Klaps auf den Hinterkopf. »Beweg dich, Kent.«

»Weil du es bist, Danvers.«

Er schnappte sich einen Keks und schloss zu ihr auf.

»Ich habe eine Idee«, sagte Clara.

»Das habe ich so was von gehofft«, entgegnete Alex. »Wir nämlich nicht.«

Der Pakt des falschen Glücks war eine Waffe des Anbeginns. Sie hatten Merlin diese Fähigkeit verliehen, damit er Jünger um sich scharen konnte. Durch den Onyxquader gereift, war er ein Hybrid. Halb Mensch, halb Wesen vom Anbeginn. In seinen Adern floss schwarzes Blut.

Doch wie sollte der Ursprung einer solchen Magie aufgedeckt werden?

»Zuerst müssen wir die Struktur des Zaubers erfassen«, sagte Clara.

»In Chloe ist nichts mehr davon enthalten«, erklärte Jen. »Wenn du sie noch mal untersuchen willst, wird sie dich mit ihrem Essenzstab verprügeln. Und der hat Nieten.«

Clara schmunzelte. »Aber es gibt nicht nur Chloe.« Sie blickte sich triumphierend um. »Lustig, dass jeder die andere Person vergessen hat.«

Alex erwiderte Claras Blick verdutzt.

Doch sie schwieg.

Mission (nearly) Impossible

»Titik.«

»Ja, du warst sehr brav.« Max reichte eine Walnuss nach oben, die der kleine pelzige Phönix sofort zu knabbern begann.

Vor dem Fenster sauste ein weißer Blitz vorbei und drehte Pirouetten. Max nahm sich vor, einen Zauber um das Arsenal zu legen, der Kaffee unsichtbar machte. Zumindest Eddy gegenüber.

Chloe stand neben Kevin, beide hatten sich über einen Tisch gebeugt, auf dem ein Pergament zu erkennen war.

»Dir ist klar, dass jemand auf Eddy sitzt?«, fragte Chloe.

Max seufzte schicksalsergeben. »Ja. Wenn er Koffein-euphorisch ist, findet er es immer besonders lustig.«

Vor dem Fenster sauste Eddy erneut vorbei, auf seinem Rücken den schreienden Sahid, der sich so fest an die Schuppen klammerte, wie er nur konnte.

»Das wird schon wieder.« Max wedelte mit der Hand. »Kümmern wir uns um wichtigere Dinge. Was sagen die neuesten Berichte?«

Chloe verschränkte die Arme. »Wir konnten ein Beobachtungsartefakt bis auf drei Kilometer heranbringen. Dann wurde es abgeschossen. Kyra hat sich als Seemöwe herangewagt und immerhin herausgefunden, wer geschossen hat.«

Max ließ eine Braue fragend in die Höhe wandern.

»Varye«, erklärte Kevin.

Die magischen Wesen entstammten einem Splitterreich und glichen menschengroßen Vampirwesen mit ledriger Haut. Sie wurden von einer Königin angeführt. Durch Merlins Eingreifen hatten sie sich in Tschechien angesiedelt.

»Damit ist eine Infiltration durch die Luft unmöglich«, nahm Chloe den Faden auf. »Die spüren Magie bereits von Weitem. Wir kämen nicht mal in die Nähe von Iria Kon. Über dem Meer hatten wir zuerst an die Schiffe gedacht, die Anne hinterlassen hat.«

Mittlerweile war Chris gemeinsam mit Nikki für den Ausbau der Wasserflotte zuständig.

»Noch nicht groß genug«, sagte Max. »Wir haben zu wenig Schiffe, und Merlin wird seine Augen auf das Meer gerichtet halten. Das ist der gefährlichste Angriffspunkt.«

Sie hatten ihm viel Zeit gelassen, die Insel zu einer Festung auszubauen.

»Immerhin hat Clara uns einen Plan gezeichnet.« Chloe deutete auf das Pergament. »So sah die Insel früher aus. Wir haben die wichtigsten Gebäude der Wasserversorgung, magische Reinigung, Kanalisation und dergleichen. Da jetzt Hunderte von Magiern dort mit Nimags leben, wird alles noch weiter ausgebaut worden sein.«

Max rieb sich den Nasenflügel und studierte das Pergament. Waren sie erst einmal bis ins Innere vorgedrungen, lag der schwierigste Teil hinter ihnen. Chloe hatte auf dem Pergament bereits eine Stelle eingezeichnet, die für die Errichtung eines Brückenkopfes geeignet war. »Die Kanalisation?«

»Es gibt nicht mehr genutzte Bereiche«, bestätigte sie. »Selbst wenn die anderen instand gesetzt wurden, war dieser Teil so zerstört, dass es nur bei einer hohen Bevölkerungsdichte Sinn ergeben würde, auch ihn wieder aufzubauen.«

»Ich wollte schon immer mal ein geheimes Lager in der Kanalisation haben«, sagte Kevin.

»Was ist falsch mit dir?«, fragte Chloe. »Da stinkt es.«

»Ich meinte als Kind. Geheime Lager haben da einen magischen Reiz«, erwiderte er. »Hat was Abenteuerliches. Wenn du als Erwachsener ständig verfolgt wirst, verliert es den.«

In diesen Augenblicken wurde Max stets bewusst, dass sie die Rebellion waren. Ein kleiner Haufen an Magiern, viel weniger als Merlins Jünger.

»Wir haben eine Aufgabe«, sagte Max. »Einen Zugang schaffen und einen Brückenkopf etablieren. Der Rest kommt später. Dabei gilt: Wir dürfen nicht entdeckt werden. Ein Kampf zu diesem Zeitpunkt wäre fatal.«

»Ach was, echt?« Chloe schüttelte nur den Kopf. »Was würden wir nur ohne die Ansagen vom großen Boss machen?«

Kevin kniff ihm in die Wange. »Du bist süß, wenn du den Obersten Agenten raushängen lässt.«

»Titik.«

»Er sagt: Man muss mir Respekt zollen«, log Max.

»Titik.«

»Na gut. Er findet euch lustig.«

Titik kicherte und knabberte weiter.

Vor dem Fenster drehte Eddy eine Pirouette, worauf Sahid von seinem Rücken fiel. Kurz stoppte der Drache, ging in einen Kreisflug über und spähte in die Tiefe. Dann schoss er hinterher.

»Wir müssen von unten kommen.« Chloe ignorierte die Umgebung und war vollkommen auf das Ziel fokussiert. »Wir haben hierzu auch verschiedene Experimente mit Nemo durchgeführt.«

»Und?«, fragte Max.

»Jedes Schiff wurde auf dem Weg vernichtet«, erwiderte Chloe. »Auf einer Annäherung von zwei Kilometern gibt es einen Minengürtel. Ich spreche hier von magischen Minen. Dahinter Magiedetektoren. Frag nicht. Wie sich aber herausgestellt hat, gibt es bisher noch eine Schwachstelle.«

Chloe hatte, während sie sprach, ein weiteres Pergament unter dem ersten herausgezogen und obenauf gelegt. Hier waren die bisher bekannten Verteidigungsmechanismen von Ira Kon unter Wasser eingezeichnet.

Kevin sprach in die Stille. »Aus irgendeinem Grund reagieren die Verteidigungsmechanismen nicht auf Aquarianer. Wir gehen davon aus, dass sie für Fische gehalten werden. Testweise hat einer von ihnen sogar einen großen Bernsteinblock mitgenommen. Hat auch funktioniert.«

»Ein Aquarianer könnte also einen Bernstein mit einem Magier darin durch den Gürtel bringen?«, fragte Max.

»Das war die eigentliche Idee«, sagte Chloe. »Leider wird der Magier im Bernstein erkannt. Leere Blöcke gehen durch. Keine Sorge, der Aquarianer konnte fliehen – mit dem Magier. Aber wir mussten die Taktik noch weiter verfeinern.«

Max durchdachte das Problem. Was hätte er getan? Nur leblose Objekte konnten also mit hineingenommen werden? Aquarianer waren selbst keine Magier, sie konnten also keine Sprungkreise oder Ähnliches erschaffen.

Irgendwie musste ein Magier hinein.

»So haben wir auch ausgesehen«, sagte Chloe. »Bis wir uns zurückerinnert haben. Wir haben so viele Lösungen für Probleme entwickelt, warum nicht eine davon erneut benutzen?«

Kevin sagte: »Wir ziehen das Bewusstsein eines Magiers in ein Memorium. Der Aquarianer trägt dann einen Bernstein mit dem ›toten‹ Magier hinein. Auf der anderen Seite des Sperrgürtels wird das Bewusstsein dann in den Körper zurücküberführt.«

Als Jens Geist zersplittert und über ihre eigenen Inkarnationen der Vergangenheit verteilt worden war, hatten sie ebenfalls ein Memorium genutzt.

»Das könnte funktionieren«, murmelte Max.

»Wir haben einen Testdurchlauf gemacht«, sagte Chloe. »Es hat funktioniert. Falls Merlin die Lücke nicht geschlossen hat, können wir sie verwenden. Allerdings gibt es dafür noch ein paar Dinge zu klären.« Sie tippte auf das Pergament.

Max betrachtete die Fragen, die an der Seite notiert worden waren. »Dann finden wir am besten schnellstmöglich eine Lösung.«

Die Diskussion ging weiter.

In Dunkelheit wir leben

Es gab Zeiten, da konnte man Dominosteine in Zeitlupe fallen sehen. Andere Male ging es so schnell, dass man kaum noch hinterherkam.

Merlin behielt das Spielfeld im Blick, so gut er konnte. Doch wo es zu Beginn nur Dominosteine gegeben hatte, war der Ablauf längst zu einem Schachspiel geworden.

Die Rückschläge mehrten sich.

Er musste darauf vorbereitet sein, dass die Dinge nicht so liefen wie gedacht. Gleichzeitig hatte er natürlich Vorkehrungen getroffen und Pläne in Gang gesetzt.

Wie so oft am frühen Abend spazierte er durch die Straßen von Ira Kon. Lächelnde Gesichter begegneten ihm, freundliches Nicken und Aufgeschlossenheit. Menschen lachten. Magier standen beieinander und plauderten. Da sie ihm alle gefallen wollten, existierten keine Streitigkeiten. Niemand gab Widerworte, alle verrichteten ihre Arbeit.

Die Nimags nutzten ihre Muskeln oder ihren Verstand, bei den Magiern war es primär Magie. Die Stadt wuchs, und von der großen Schlacht gegen die Schattenfrau war kaum etwas geblieben.

Lediglich das Areal im Osten der Insel war noch nicht wieder gänzlich hergestellt. Hier und da existierte eine Ruine, waren Teile des Bodens weggebrochen oder Artefaktsplitter lagen herum.

Damit konnte er leben.

Die Verteidigung nach außen wurde ständig erweitert und angepasst. Merlin hatte vom Untergang Camelots gelernt. Das Innere seiner Gesellschaft basierte auf dem Pakt des falschen Glücks und war damit nicht zu lösen. Nach außen nutzte er alle Fähigkeiten in seinem Repertoire, sein Wissen der Jahrhunderte.

Trotzdem gab es da noch eine Sache, die ihm Kopferzerbrechen bereitete.

Er war ein Wesen des Anbeginns geworden. Damit war seine Zukunft in mehr als einer Hinsicht ungewiss.

Die Frage war, ob seine Vorkehrungen ausreichten. Oder musste er sie verschärfen. Niemals hätte er Chloe O’Sullivan zugetraut, nach Antarktika zu spazieren und Rasputin zu töten. Damit gab es seines Wissens nur noch eine einzige Batterie des Anbeginns auf der Welt – Kyra. Den Wechselbalg, der sich dem Widerstand angeschlossen hatte.

Mit ihr in seiner Gewalt hätte das Hohe Wesen jederzeit die Membran zerstören und den Anbeginn zurückholen können. Ohne sie würde es länger dauern, da sich das ursprüngliche Magiepotenzial nach der Vernichtung des Walls nur langsam wiederherstellte.

»Eine Welt, getaucht in Dunkelheit«, flüsterte Merlin.

Er betrat seinen Palast und beschloss, dass der Bewegung heute Genüge getan worden war. Ab jetzt würde er den Schattensprung benutzen.

»Willkommen daheim«, wurde er lächelnd von Eliot Sarin begrüßt. »Verlief das Treffen zu eurer Zufriedenheit?«

Merlin fragte sich, ob der ehemalige Ordnungsmagier der Lichtkämpfer auch schon im alten System ein Speichellecker gewesen war. Vermutlich ja, doch Merlin hatte ihn nur kurz in seiner ursprünglichen Form kennengelernt. Er und Chloe waren die ersten Jünger gewesen, die er sich nach seinem Erwachen untertan gemacht hatte.

»Es war … effektiv«, sagte Merlin.

»Das ist erfreulich. Ich habe die aktuellen Listen in Euer Arbeitszimmer gelegt«, erklärte Eliot. »Wir konnten weitere Verbesserungen an den Aufspürzaubern vornehmen. Außerdem konnten wir ein paar unserer Magier im Umkreis wichtiger Staatsoberhäupter platzieren.«

Mit der Vernichtung des Walls konnten Nimags Magie zwar sehen – genauer: die wirkende Essenz. Doch geistig manipuliert werden konnten sie trotzdem noch. Merlin hatte bisher verzichtet, Staatsoberhäupter in seinen Pakt des Glücks einzubeziehen. Sie würden nach seiner vollständigen Machtergreifung sowieso keine Rolle mehr spielen. Aber es war nie falsch, sie mit einem gezielten Dirigi manipulieren zu können.

Seine Gegner ließen sich von ihren blutenden Herzen doch sofort ablenken und eilten jedem bedrohten Nimag zu Hilfe.

»Wissen wir mittlerweile, wo sie sind?«, fragte Merlin.

»Irgendwo am Nordpol«, erwiderte Eliot. »Talanis ist verschwunden, das wurde bestätigt. Die Zitadelle ist gefallen. Doch die Rebellen haben vorher evakuiert. Schiffe wurden von den Varye gesehen. Seit Kurzem können sie weite Bereiche des Nordpols nicht mehr überfliegen.«

»Da ergreift also jemand Sicherungen gegen Spionage«, sinnierte Merlin.

»Ihr seid so weise, Herr.«

»Was hatte ich zum Thema übermäßige Lobhudelei gesagt?«

»Ich möge es lassen«, erwiderte Eliot. »Doch es tut so gut.«