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Nach den schockierenden Enthüllungen des vergangenen Falls sind Mason, Olivia, Randy und Danielle davon überzeugt, dass nur eine Lösung des Falls "Marietta King" ihr aller Leben retten kann. Dank eines Hinweises von Olivias Kontakt bei der Barrington Cove Gazette entdecken die vier ein altes Waisenhaus im Nachbarort. Brachte Marietta dort ihr Kind zur Welt? Die vier ermitteln. Im Jahr 1984 kommt es in den Stunden vor dem Mord zu dramatischen Ereignissen, und in der Zeit danach werden auf dem Polizeirevier gefährliche Mächte aktiv, die ihr Geheimnis um jeden Preis schützen wollen. Dies ist der fünfte Roman aus der Serie "Ein MORDs-Team." Die Serie "Ein M.O.R.D.s-Team" startet ab August 2014 in der Greenlight Press und erscheint monatlich als E-Book. Alle zwei Monate werden zwei Geschichten gesammelt als Taschenbuch veröffentlicht. Andreas Suchanek (Heliosphere 2265, Professor Zamorra, Maddrax - Die dunkle Zukunft der Erde) ist der kreative Kopf hinter den Abenteuern der vier Jugendlichen aus Barrington Cove.
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Seitenzahl: 136
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Table of Contents
»Schatten der Vergangenheit«
Was bisher geschah
Barrington Cove, 1984
Sunforest Cove, das ehemalige Waisenhaus, ein Freitagabend
Barrington Cove, im Buchladen BUCHstaben, ein Samstagmorgen
Barrington Cove Gazette
Im Schönheitssalon La Salle
Tarnowski-Haus, im geheimen Raum
Auf dem Weg nach Sunforest Cove
Sunforest Cove, ein Sonntagnachmittag
Auf dem Weg zum Internetcafé
In der Wohnung von Hester Stone
Vor dem Internetcafé, kurz zuvor
Im Café Forestsight
Zwischenspiel
In der Wohnung von Hester Stone
Zwischenspiel
Zur gleichen Zeit, eine Mikrofonverbindung weit entfernt
Auf dem Dach des ehemaligen Waisenhauses
In der Wohnung von Hester Stone
Epilog I – Schatten der Zukunft
Epilog II – Schatten der Vergangenheit
Vorschau
Nachwort
Das Erbe der Macht (Urban Fantasy)
Chroniken der Seelenwächter (Urban Fantasy)
Heliosphere 2265 (Science Fiction)
Das Mords-Team
Impressum
Ein MORDs-Team
Band 5
von Andreas Suchanek
1984: Die Jugendlichen Harrison, Marietta, Jamie, Shannon und Billy brechen in ihre Highschool ein, um die Prüfungsfragen eines landesweiten Tests zu stehlen, der am nächsten Tag stattfinden soll. Der Einbruch wird zur Katastrophe. Harrison, der in der Aula Wache hält, beobachtet einen Unbekannten, der mit einem Super-8-Film das Gebäude verlässt. Gleichzeitig werden Shannon und Jamie in einem Putzraum eingeschlossen. Während Jamie dort einen klaustrophobischen Anfall erleidet, kann Shannon durch das Lüftungsrohr fliehen und die Tür wieder öffnen. Es folgt eine Kette aus Ereignissen, an deren Ende Marietta King stirbt. Was geschah in jener Nacht?
Gegenwart: Mason, Olivia, Randy und Danielle finden im Verlauf eines gefährlichen Abenteuers unter dem Haus des verstorbenen Schriftstellers Billy Tarnowski einen geheimen Raum. In ihm sammelte er Unterlagen zum Fall der 1984 ermordeten Schülerin Marietta King, in den auch der Vater von Mason (Jamie) und die Mutter von Danielle (Shannon) verwickelt waren. Gemeinsam wollen die Freunde den Mordfall aufklären.
Die ersten Spuren offenbaren, dass Marietta vor ihrem Tod ein Kind zur Welt brachte und es zur Adoption freigab. Obgleich dessen Identität unbekannt bleibt, erfahren die Vier, dass das Kind in Barrington Cove großgezogen wurde.
Bevor sie weiter ermitteln können, werden Shannon und Danielle von Oswald Kaminski, einem Feind des Grafen, entführt. Es stellt sich heraus, dass Shannon die Identität des unbekannten Gangsterbosses kennt und seit Jahren geheim hält. Sie heiratete den despotischen Richard Holt nur, weil dessen Familie zu einer von vier Dynastien gehört, die aus einem noch unbekannten Grund für den Grafen tabu sind. Damit ist sie die einzige bekannte Person, die die Identität von Barrington Coves Moriarty kennt.
Gleichzeitig scheint auch Elisabeth Jenkins, Danielles Grandma, von den Dynastien zu wissen. Sie spielt die alte gebrechliche Lady nur vor. Shannon und Danielle werden im letzten Augenblick gerettet, Kaminski flieht – lauert im Verborgenen aber auf seine nächste Chance.
Die Suche nach dem Mörder von Marietta King geht weiter …
Das Sekretariat wurde nur vom Licht der Straßenlaternen und der Taschenlampe erhellt, die Marietta hielt. Gespenstische Schatten tanzten an den Wänden, als wollten sie jeden Augenblick zu ihnen herabsteigen, um sie in die Unterwelt zu zerren.
Billy wischte die vor Aufregung schweißfeuchten Hände an seiner Jeans trocken und versuchte erneut vergeblich, den Schlüssel, den Shannon hatte nachmachen lassen, im Schloss der Tür zum Rektorat zu drehen.
Marietta blickte gedankenverloren zur anderen Tür, durch die Jamie und Shannon Arm in Arm verschwunden waren.
Jemand stupste sie in die Seite. »Hallo! Nagelfeile?«
Sie fuhr erschrocken zusammen. Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Natürlich hatte sie eine dabei. Es kostete sie nur wenige Griffe, dann zog sie die Feile aus ihrer Stofftasche und reichte sie Billy.
Es wurde schlimmer. Seit Tagen schon konnte sie nicht mehr klar denken, immer wieder wanderten ihre Gedanken in die Ferne. Die Wochen flogen an ihr vorbei, aber der Schmerz blieb. Eines war mittlerweile offensichtlich: Sie vermochte Sunforest Cove nicht zu vergessen.
In ihrem Inneren hallte das Lied in einer ewigen Endlosschleife wider, das sie kurz zuvor gehört hatte. Es brachte Erinnerungen mit sich.
Ooh, she's a little runaway,
Daddy's girl learned fast,
All those things he couldn't say,
Ooh, she's a little runaway …
Was würde nur aus ihr werden? Ihrer wunderbaren kleinen …
»Macht es dir was aus, dass deine beste Freundin jetzt mit Jamie zusammen ist?«, fragte Billy.
Beinahe hätte Marietta laut aufgelacht. Der gutmütige Jamie, der vor aller Welt den Macho spielte, aber eine verletzliche Seele besaß, passte zu Shannon. Die beiden mussten sich vielleicht noch aneinander gewöhnen, gemeinsam konnten sie jedoch buchstäblich alles erreichen.
Nein, Mariettas Herz gehörte jemand anderem. Zumindest hatte sie das geglaubt. Bevor er sie sitzen gelassen hatte – mit dem Kind.
Sie plapperte ein wenig mit Billy, war aber nicht recht bei der Sache. All das hier wirkte so unbedeutend. Sie wischte die Tränen beiseite. Immerhin hatte man Marietta zugesagt, dass ihr wunderschönes Baby seinen Namen behalten durfte. Wer es auch adoptieren mochte: Dieses letzte Geschenk wurde mit in die Zukunft getragen.
Doch was sollte sie nun tun?
Das Kleine war adoptiert worden, genau wie geplant. Es war hier, so nah, aber gleichzeitig unerreichbar.
Marietta wurde aus ihren Gedanken gerissen, als ein Geräusch erklang. Gemeinsam mit Billy versteckte sie sich unter dem Schreibtisch. Doch es kam niemand.
Erleichterung und Trauer paarten sich in ihrem Inneren zu einem emotionalen Sturm. Sie begann zu singen. Mochte Billy doch glauben, was er wollte.
Der Freund schaute sie mitleidig an, trat von einem Bein auf das andere. Sie prüfte ihre Wimperntusche. Er ging hinaus, um nach dem Rechten zu sehen.
Marietta blieb alleine zurück. So war es immer. Harrison stand in der Halle Schmiere, Shannon und Jamie waren unterwegs, um den Nachschlüssel zu besorgen. Billy schaute vor der Tür nach möglichen Problemen.
Sie lächelte traurig.
Etwas polterte.
Marietta fuhr herum.
Doch statt Billy betrat er den Raum.
Marietta wusste, was nun geschehen würde. Sie sah es in seinen Augen. Seltsamerweise hatte sie keine Angst um sich, nur um ihr Kleines.
Der letzte Gedanke, bevor das Leben sie verließ, galt dem Kind. War es in Gefahr? Würde eines Tages jemand die Wahrheit herausfinden?
*
Gegenwart
Zement rieselte von der Decke. Der feine Staub verteilte sich auf dem sorgfältig zu einem Dutt geknoteten dunkelblonden Haar von Hester Stone. In dem Augenblick bereute sie es, den gelben Schutzhelm abgelehnt zu haben.
»Vielleicht hätten wir uns doch auf den Teil konzentrieren sollen, der bereits renoviert wurde?« Ihre Stöckelschuhe klackten auf dem groben Zementboden.
Vorsichtig stakste sie zwischen zwei aufgeplatzten Zementpulversäcken hindurch, umrundete eine Holzpalette und nickte dem zuständigen Bauleiter dankend zu, als er eine herabhängende Schutzfolie zur Seite hob, damit sie durch die Öffnung gehen konnte.
»Wir haben es ja gleich geschafft«, sagte Franklin Hardman. Er beaufsichtigte die Renovierungen am Sunforest Waisenhaus, das im kommenden Jahr wiedereröffnet werden sollte. Bisher schien er seinen Job gut zu machen.
Ein Räuspern erklang. Markus Chesterton, der Anwalt, der bei der Besichtigung anwesend war, kam neben ihr zum Stehen. Mit pikiertem Blick strich er sich Zementstaub von seinem maßgeschneiderten Anzug. Er trug eine blaue Krawatte, sein kurzes dunkles Haar war frisch geschnitten, der Dreitagebart gepflegt.
»Nach dem damaligen Skandal ist es absolut notwendig, dass jede Bauvorschrift bis ins kleinste Detail beachtet wird«, sagte er. »Der Bürgermeister Ihrer Gemeinde, Hester, hat mich nicht umsonst engagiert.«
»Natürlich, Mister Chesterton.« Sie musste zugeben, dass der Mann nicht nur recht hatte, er schien auch etwas von seinem Fach zu verstehen. Bisher hatte er vier Baumängel festgestellt, die noch zu beseitigen waren. »Bringen wir es also hinter uns.«
Sie befanden sich im Erdgeschoss des alten Waisenhauses, das seit wenigen Monaten aus dem Dornröschenschlaf erwachte. Stück für Stück wurden das Haupthaus und die Flügel erneuert.
»Laut meinen Unterlagen lebten in diesen Raumfluchten die Angestellten, ist das korrekt?«, fragte Chesterton.
Hester nickte. Ein seltsames Gefühl überfiel sie, als sie an ihre alte Wirkungsstätte zurückkehrte. Beginnend als einfache Betreuerin in den 1960er Jahren hatte sie sich in den 80ern bis zur Heimleiterin hochgearbeitet. Dann war es jedoch zu dem tragischen Unfall gekommen, der dafür gesorgt hatte, dass die Pforten des Heims geschlossen wurden. »So ist es. Damals bewarben sich Betreuer von überall im Land bei uns. Neben einer ordentlichen Bezahlung stellten wir auch Logis zur Verfügung.«
Chesterton hatte seine Aktentasche im Auto gelassen, trug allerdings ein Klemmbrett bei sich, auf das ein Formular geheftet war. Immer wieder kritzelte er mit einem Kuli darauf herum. »Dann sollten wir hier die größte Vorsicht walten lassen.«
Sie nickte. »Da kann ich Ihnen nicht widersprechen.«
Franklin Hardman führte sie durch die Räume, in denen der Putz von der Wand bröckelte, der Parkettboden basketballgroße Löcher aufwies und der Schimmel sich an den schiefen Holzrahmen der Fenster sammelte. In Hesters Erinnerung hatte all das hier elegant und heimelig gewirkt.
Sie seufzte.
Vermutlich musste sie von Glück reden, dass damals keinem der Kinder etwas zugestoßen war. Nicht, dass das den tragischen Tod von Violetta in irgendeiner Weise leichter erträglich machte.
Sie erreichten den nächsten Raum.
Hier war es passiert.
Ein Rohr war damals gebrochen. In der Nacht hatte das Wasser sich über den Parkettboden ergossen, wo es gefror. Am darauffolgenden Morgen fand man Violetta. Vermutlich wollte sie in der Nacht das Bügeleisen aus dem Raum holen, der zur Aufbewahrung der Haushaltsgegenstände genutzt wurde. Sie war ausgerutscht.
Genickbruch.
Hester schüttelte den Kopf.
Sie betraten den Raum.
Als das Knirschen erklang, konnte sie es zuerst nicht einordnen. Ihr Blick fiel auf den Boden. Im nächsten Moment gab dieser nach, brach einfach weg, wie ein Sandstrudel in der Wüste. Markus Chesterton ließ sein Klemmbrett fallen, griff Hesters Arm und zog sie mit einem Ruck in Sicherheit.
»Danke«, keuchte sie.
Kreidebleich schaute sie in das Loch, das sich im Boden aufgetan hatte.
Chesterton runzelte die Stirn. »Laut meinen Unterlagen sollte da kein weiterer Raum sein.«
Tatsächlich starrten sie direkt auf ein einzelnes, speisekammergroßes Zimmer. An der Wand stand ein Aktenschrank mit drei Schubfächern. Der schwarze Lack war längst abgeblättert, der Boden von Wasserlachen bedeckt.
»Ich wusste auch nichts davon«, sagte Franklin Hardman. »Auf den Zeichnungen, die uns das Architekturbüro zur Verfügung gestellt hat, ist der nicht drauf.«
Einen Augenblick lang starrten sie schweigend hinunter. Niemand sagte oder tat etwas.
Schließlich handelte Chesterton, trat an den Rand, ging in die Hocke und sprang nach unten. Er war mit einem Schritt bei dem Aktenschrank, zog die oberste Schublade auf und spähte hinein. Er nahm eine in wasserdichte Folie verpackte Akte heraus.
»Wir sollten uns unterhalten«, sagte er nach einem Moment der Stille.
Chesterton verstaute das Papier wieder, zog sich am Rand des Lochs in die Höhe und berichtete, was er vorgefunden hatte. Hesters Puls begann zu rasen.
»Unter diesen Umständen muss ich sofort mit meinem Chef in Kontakt treten«, sagte er. »Bis dahin sollte jeder von uns Stillschweigen über die Sache bewahren.«
Sie nickte. Ihr war es nur recht, wenn der Sheriff nicht eingeschaltet wurde. Wie konnte man mit etwas Derartigem umgehen?
»Sagen Sie Ihrem Chef«, Hester räusperte sich, »sagen Sie van Straten, dass es mir leidtut.«
Gemeinsam verließen sie den Raum.
*
Mason streifte die Sneaker ab und schlich auf den Korbsessel zu, in dem Randy es sich bequem gemacht hatte. Von dem Freund war lediglich der wuschelige Haarschopf zu sehen, der über die Lehne ragte. Vermutlich las er gerade wieder eine seiner geliebten Science-Fiction-Storys.
Ein kleiner Schreck am Samstagmorgen hat noch niemandem geschadet. »Hey!«, brüllte er Randy direkt ins Ohr.
»Waaah.« Der Freund schoss in die Höhe.
Es klirrte, als das Colaglas den Regeln der Physik folgte und auf dem Boden zerschellte. Ein Teil der schwarzen Flüssigkeit spritzte über ein dicht beschriebenes Papier, das auf Randys Schoß gelegen hatte.
»Du blöder Esel!« Randy boxte Mason gegen den Oberarm.
»Du bist aber sehr schreckhaft.« Er grinste. »Probleme mit den Nerven?« Er drehte sich um und stand Auge in Auge Erna Brewster gegenüber, die ihrerseits wie ein Geist von hinten an ihn herangeglitten war.
»Waaah!«, brüllte er, was Randy ein diebisches Grinsen entlockte.
»Mason Collister, du hast nur Flausen im Kopf.«
»Oh … Hi, Miss Brewster.« Er fasste sich an die Brust. »So etwas dürfen Sie nicht mit mir machen, mein Herz.«
Wie dahingezaubert lag ein Putzlappen in ihrer Hand. »Und das von einem ehemaligen Sportler.« Sie reichte ihm den Lappen. »Kümmere dich darum. Es wäre auch ganz toll, wenn deine Turnschuhe nicht direkt vor dem Eingang liegen blieben. Sonst stolpert noch jemand darüber.«
Schon verschwand sie zwischen hohen Regalen des antiquarischen Bereichs ihres Buchladens. Mason hielt den Lappen in der Hand und starrte der alten Lady verdutzt hinterher.
»Wenn du überlegst, wozu der gut ist«, sagte sein bester Freund, wobei er auf den Putzlappen deutete, »damit kannst du die Cola aufwischen.«
»Ist ja gut, Mami.« Er machte sich an die Arbeit.
»Verdammt. Mein Aufsatz. Der hat mich Stunden gekostet.« Randy raufte seine Haare. »Vielleicht kann ich das einscannen, mit ’nem Bildprogramm nachbearbeiten und wieder sauber ausdrucken. Kelso nimmt mir den sonst niemals ab.«
»Welcher Aufsatz?«
»Bio. Fotosynthese. Hast du deinen schon fertig?«
»Ich? Also … fast.«
Randy neigte seinen Kopf und zog eine Braue in die Höhe. »Aha.«
»Boah, faaast halt.« Er nahm den nassen Lappen und legte ihn auf den Hängetisch neben dem Sofa.
Während im vorderen Bereich des Buchladens wie jeden Samstagmorgen Käufer saßen und standen, Buchrücken studierten und die Auslagen bewunderten, befanden Randy und Mason sich im rückwärtigen Antiquariat. Hier verirrte sich so gut wie nie jemand hin. Große breite Panoramafenster gaben den Blick auf den grünen Dschungel hinter dem Laden frei. Miss Brewster wohnte ein Stockwerk höher und hatte grundsätzlich keine Zeit, sich darum zu kümmern.
Mason warf sich auf die Couch unter dem Fenster. Daneben war eine Tischplatte an die Wand genagelt – Füße hatte sie keine –, auf der Chips, Gummibärchen und Cola standen. Er beugte sich über die kleine Glasschüssel, pickte die grünen Bären heraus und begann zu futtern.
»Na schön, lassen wir das Aufsatzschreiben für heute«, sagte Randy. »Wo sind die Mädels?«
»Olivia ist bei der Gazette.«
Der Freund setzte sich kerzengerade auf. »Seit wann?«
»Sie hat vor ’ner halben Stunde getextet, dass sie jetzt dort ist. Danach gibt sie Bescheid.«
Bis dahin hieß es für sie beide: warten. Mason war innerlich so angespannt wie nie zuvor.
Seitdem Danielle entführt worden war und sie um die Verbindung zwischen deren Mum, Shannon, seinem Dad, Jamie, und dem Grafen wussten, hatte sich alles verändert. Es ging nicht länger nur darum, den Mörder von Marietta King zu finden, um Antworten zu erhalten. Sie mussten die geheimnisvollen Verknüpfungen von damals aufklären, damit Danielle und ihre Mum nicht länger in Lebensgefahr schwebten.
Die erste Spur führte zu dem Kind, das Marietta einige Monate vor ihrem Tod bekommen und zur Adoption freigegeben hatte. Wie sie über Danielles Granny herausgefunden hatten, lebte es in Barrington Cove, war hier großgezogen worden. Leider verriet das noch nichts über dessen Identität. Um die herauszubekommen, benötigten sie die Adoptionsunterlagen. Bedauerlicherweise brauchten sie hierfür die Geburtsstätte und das Waisenhaus, über das es adoptiert worden war.
»Mit etwas Glück bringt Olivia endlich Licht in die Sache«, sagte Mason. »Ihr Kontakt hat doch gesagt, dass es damals für die Töchter aus gutem Hause eine Anlaufstelle gab oder so.«
Randy nickte. »Stell dir vor, die wären hier in Barrington Cove ins Krankenhaus gegangen.« Er schüttelte den Kopf. »Das wäre sofort Stadtgespräch gewesen. Ist heute ja immer noch so.«
»Stimmt.« Wer wusste es besser als Mason, dass ein einziger Fehltritt, ob beabsichtigt oder nicht, augenblicklich zerredet wurde.
Der Vorhang, der den Durchgang vom Laden zum Antiquariat abtrennte, wurde beiseitegeschoben. Ein Junge betrat den Raum. Er hatte ein hübsches Gesicht, dunkles bis zur Schulter reichendes Haar und braune Augen.
»Vince«, sagte Randy verblüfft.
»Hey.« Er grinste.
Vince trug eine braune Lederjacke, darunter einen dunkelblauen Hoodie und zerschlissene Bluejeans. Er war zwei Jahre älter als Randy und Mason und vermutlich der Frauenschwarm am Pinehearst College, das er seit wenigen Monaten besuchte.
Dazu passte es irgendwie gar nicht, dass er am liebsten vor dem Computer hockte und Spiele zockte, sich mit Randy ständig in Nerdsprache unterhielt und ein Serienjunkie war.
»Was machst du hier?«, fragte Mason.
Er deutete auf die Regalreihen. »Ich muss für den nächsten Kurs am Pinehearst einen Vortrag vorbereiten.«
»Welches Thema?«, wollte Randy neugierig wissen.
»Der Einsatz von Fotosynthese in modernen Hybridfahrzeugen«, erwiderte Vince. »Ich habe ein wenig im Internet recherchiert und bin auf zwei Vordenker gestoßen, die schon vor Jahren erste Konstruktionen entworfen haben. Erna hat gesagt, dass die Werke von ihnen hier irgendwo stehen.«
»Klingt la…«, begann Mason.
»Interessant«, sagte Randy.