Das Escortehepaar! Geld oder Liebe? | Erotischer Roman - Jens Polt - E-Book

Das Escortehepaar! Geld oder Liebe? | Erotischer Roman E-Book

Jens Polt

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Beschreibung

Dieses E-Book entspricht 268 Taschenbuchseiten ... »Dann werde ich auch eine Escort-Dame.« Mit dieser Entscheidung schockiert Melissa nicht nur ihren Ehemann Jürgen, sondern auch dessen Freund Walter. Der hatte dem arbeitslosen Jürgen einen Escort-Job angeboten, denn die Geldschulden lasten schwer auf dem jungen Ehepaar. Schließlich fangen beide in Walters Agentur als Escorts an. Während Jürgen zarte Bande zu einer Kundin knüpft und gleichzeitig Gefühle für eine einstige Jugendfreundin entwickelt, verliert sich Melissa im Traum vom Luxusleben. Als Jürgens Erzfeind Gerd auf Melissa aufmerksam wird und sie immer häufiger bucht, müssen sie sich entscheiden: Geld oder Liebe? Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.

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Seitenzahl: 371

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Impressum:

Das Escortehepaar! Geld oder Liebe? | Erotischer Roman

von Jens Polt

 

Aufgewachsen in einer Zeit, in der von HIV noch lange keine Rede war, lernt Jens Polt seine Sexualität kennen. Nach der Schule folgt das Studium, danach Job und ernsthaftere Beziehungen. Er beginnt verhältnismäßig spät zu schreiben, wobei er bald für sich feststellt, dass ihn die „heile“ Welt nicht interessiert, sondern ihn das Dunkle im Menschen wesentlich mehr fesselt. So schreibt er Geschichten abseits des Mainstreams, die von Kommunikationslosigkeit, Irrtümern, physischen und vor allem psychischen Veränderungen handeln. Dabei liebt er es, seine Leser in die Irre zu führen, Lösungen anzubieten um diese wieder verpuffen zu lassen. Inspiriert wird er durch alltägliche Vorkommnisse wie Zeitungsberichte, die Urlaubsplanung oder auch nur eine dunkle Straßenseite im tiefsten Winter.Jens Polt lebt mit seiner Familie samt zwei Hunden und drei Katzen in der Nähe von Wien.

 

Lektorat: Ulrike Maria Berlik

 

 

Originalausgabe

© 2022 by blue panther books, Hamburg

 

All rights reserved

 

Cover: © InvisibleV @ 123RF.com

Umschlaggestaltung: MT Design

 

ISBN 9783750755420

www.blue-panther-books.de

Die Anwerbung

»Wieder nichts«, dachte sich Jürgen, als er aus dem Hauptportal der Firma, bei der er sich eben beworben hatte, trat.

Schlecht gelaunt reihte er sich in den Strom der Menschen ein, die hastend vorbeieilten. Wie schon in den vergangenen Monaten lief der Anlass für seine prekäre Situation wieder vor seinem inneren Auge ab. Wie stolz war er gewesen, als ihn sein Firmenchef zum Abteilungsleiter für die Innenausstattung der Wohnungen machte, die seine Firma baute. Dann war für ihn das Unvorstellbare geschehen. Sein Chef, der so viele Stücke auf ihn hielt, hatte nur wenige Monate danach eine Gehirnblutung und war gestorben. Dessen Sohn war daraufhin der Firmeninhaber geworden, und von da an war im Prinzip alles schiefgelaufen.

Bis dahin hatte Jürgen nicht allzu viel mit Gerd, so hieß der Sohn des verstorbenen Seniors, zu tun gehabt, da sich dieser eher im Hintergrund gehalten hatte. Jürgen hatte schon damals den Eindruck gehabt, dass Gerd viel lieber das Leben eines Millionärs geführt hatte, als sich um die Firma und deren Belange zu kümmern. Daher hatte er ihn, was im Nachhinein wahrscheinlich sein größter Fehler gewesen war, fast gänzlich ignoriert, ausgenommen ein paar unverbindliche Worte, die er mit ihm auf Firmenfeiern gesprochen hatte. Obwohl Gerd damals nach außen hin einen verständnisvollen, ja beinahe freundschaftlichen Eindruck hinterließ, hatte Jürgen zu ihm Abstand gehalten.

Es war nicht so, dass Gerd den Juniorchef heraushängen ließ. Es war seine Ausstrahlung gewesen, die Jürgen zurückweichen ließ. Er hatte bei diesen Treffen immer das Gefühl gehabt, dass die ganze präsentierte Freundlichkeit nur das wahre Wesen Gerds übertünchte.

So war es auch gewesen. Wenige Wochen nach dem Tod des Seniors wurde Jürgen zu Gerd zitiert. Bei dem folgenden Gespräch forderte Gerd von ihm, dass er die Grundausstattung der Wohnungen minderwertiger gestalten sollte. Er hatte sich damals geweigert, hatte darauf hingewiesen, dass diese Richtlinien mit Gerds Vater eindeutig abgesprochen worden waren. Lächelnd hatte Gerd damals Jürgens Weigerung hingenommen, doch keine zwei Wochen später hatte Gerd reagiert.

Wieder wurde Jürgen zu Gerd zitiert, der ihm eröffnete, dass sein Arbeitsplatz wegen firmeninternen Umstrukturierungen gestrichen würde und er daher keine Verwendung mehr für Jürgen hätte. Wenn Jürgen auf die Kündigungsfrist verzichtete, indem er zum Beispiel auf unbezahlten Urlaub gehen würde, würde er Jürgen eine Abfindung von acht Monatsgehältern anbieten. Geschockt hatte Jürgen damals das Ansuchen um unbezahlten Urlaub und seine Kündigung unterschrieben und hatte noch am gleichen Tag seinen Schreibtisch geräumt.

Der Verlust seines Arbeitsplatzes war damals der zweite Tiefschlag für seine Frau Melissa, die er Meli nannte, und ihn gewesen, denn Meli hatte nur zwei Wochen zuvor ihren Arbeitsplatz verloren. Sie hatte als studierte Volkswirtin bei einer Consultingfirma gearbeitet. Keiner von ihnen hätte gedacht, dass in einer Geschäftsstadt wie Frankfurt eine Consultingfirma beschließen würde, einen anderen Firmenstandort zu suchen. Meli hatte die Wahl gehabt, mit der Firma zu gehen oder gekündigt zu werden, und sie hatte sich für die Kündigung entschieden. Erstens, da sie damals dachten, dass er einen sicheren, guten Job hatte, und zweitens, da sie sich wenige Monate zuvor ein nettes Häuschen im Speckmantel von Frankfurt gekauft hatten.

Alles war damals genau durchgerechnet worden, rund dreißig Prozent hatten sie selbst erspart, die restlichen 250.000 Euro hätten sie locker in den nächsten zwanzig Jahren abzahlen können. Noch funktionierte es ganz gut. Die Rückzahlung und der Hauserhalt waren durch Melis Arbeitslosengeld gedeckt und sie lebten von Jürgens Arbeitslosengeld. Ihre Abfindungen hatten sie als Notgroschen zurückbehalten. Aber trotzdem drohte ihnen in wenigen Wochen Hartz IV, denn sie fanden nichts.

Anfänglich hatten sie es mit Humor getragen, doch der Druck hatte von Woche zu Woche zugenommen. Nach drei Monaten hatten sie beschlossen, ihre Autos zu verkaufen, Jürgen seinen 5er BMW und Meli ihr schickes Mini-Cabrio, da die Steuern und die Versicherungen zu hoch waren. Stattdessen fuhren sie jetzt mit einem alten Golf durch die Gegend.

***

Jürgen achtete nicht auf den Weg. Er hatte den Weg zum Bahnhof in den letzten Monaten zigmal zurückgelegt, sodass er ihn von allen Seiten beinahe blind ablaufen konnte. Er wich automatisch den anderen Passanten aus und lief doch plötzlich gegen ein Hindernis, welches sich als ein anderer Mann entpuppte. Er knurrte eine heisere Entschuldigung und wollte weitergehen, da hörte er ein fragendes: »Jürgen?«

Jürgen sah überrascht auf und sah vor sich seinen Jugendfreund Walter stehen, natürlich jetzt erwachsen, doch er war es, ganz sicher.

»Walter?«, fragte Jürgen sicherheitshalber nach, und als Walter nickte, umarmte Jürgen ihn aus einer inneren Eingebung heraus herzlich.

»Mensch, Walter, das ist doch eine Ewigkeit her, dass wir uns gesehen haben.«

»Stimmt, Jürgen, ich schätze mal sicher zehn Jahre oder sogar mehr.«

»Ganz sicher zehn Jahre?«

»Das letzte Mal war, als wir die Clubs in einer Nacht unsicher gemacht haben, da warst du noch Student.«

»Genau, das muss gewesen sein, knapp, bevor ich Meli kennenlernte.«

»Meli?«

»Melissa, meine Frau.«

»Du bist verheiratet und hast mich nicht mal zu deiner Hochzeit eingeladen? Wie lange bist du denn schon?«

»Vier Jahre. Das mit der Einladung tut mir leid. Ich wollte dich einladen, aber du warst doch damals im Ausland und ich wusste nicht, wie ich dich erreichen sollte.«

»Schon vergeben. Komm, lass uns schnell etwas trinken und von alten Zeiten sprechen.«

Gern wäre Jürgen auf dieses Angebot eingegangen, Walter war damals sein bester Freund gewesen und sie hatten viele gemeinsame Stunden als Teenager verbracht. Doch jetzt hatte er nur mehr zehn Euro in der Börse, die gerade so für die Bahnkarte heim reichten. Er wollte soeben ablehnen, da hörte er, wie Walter freundlich sagte, dass alles auf ihn ginge. So stimmte er zu und bemerkte nicht, dass ihn Walter nachdenklich betrachtete.

Walter führte ihn zu einem teuer aussehenden Lokal. Schon während sie die ersten Schritte in dieses Lokal machten, bemerkte Jürgen, dass Walter hier gut bekannt war. Nachdem sie bestellt hatten, begannen sie über die alten Zeiten zu sprechen, über die Dummheiten, die sie damals angestellt hatten.

Doch plötzlich stellte Walter die Frage, vor der Jürgen Angst gehabt hatte: »Wie geht es dir jetzt?«

Obwohl Jürgen insgeheim darauf vorbereitet war, druckste er einige Zeit bei seiner Antwort herum, bevor er beschloss, ehrlich gegenüber Walter zu sein.

»Ehrlich gesagt miserabel. Ich bin seit mehreren Monaten arbeitslos und finde keinen Job. Auch wenn es anfänglich gut aussieht – manchmal kommt es mir vor, dass irgendetwas im letzten Moment verhindert, dass ich einen Arbeitsvertrag unterschreibe.«

»Und deine Frau?«

»Leider ist auch Meli arbeitslos. Noch können wir uns beinahe alles leisten, aber wenn es so weitergeht, werden wir bald unser Haus aufgeben müssen. Ich denke mit Schaudern an Hartz IV.«

»Hast du Alternativen?«

»Welche Alternativen? Ich sehe mich schon als Regalbetreuer und Meli als Kellnerin oder am Packtisch.«

»Das macht das Kraut aber auch nicht fett.«

»Nein, ganz und gar nicht.«

»Ich will dir einen Vorschlag machen.«

»Jetzt bin ich aber gespannt.«

»Was hältst du von der Idee, im Escort zu arbeiten?«

»Ich soll was? Ich soll als Callboy arbeiten? Bist du bei Sinnen?« Ohne es zu wollen, war Jürgens Stimme lauter geworden.

»Nein, nicht als Callboy, als Escort.« Die sichtliche Erregung Jürgens ignorierend, lächelte Walter Jürgen an.

»Dann erklär mir bitte mal den Unterschied.«

»Mache ich gern! Escort ist im gehobenen Preissegment. Du begleitest eine Dame, wohin sie will, ins Theater, zum Essen, zu einer Vernissage. Sollte Sympathie zwischen euch herrschen, dann kannst du noch immer, du weißt schon. Ein Callboy ist nur für eines da.«

»Trotzdem, wenn ich mir vorstelle, mit so einer alten Frau turtelnd durch die Gegend zu laufen.«

»Das stellst du dir vollkommen falsch vor. Deine Kundinnen werden gepflegte Damen im mittleren Alter sein, die meistens aus geschäftlichen Gründen nach Frankfurt kommen und einen angenehmen Abend erleben wollen, wie gesagt, Theater, Oper oder nur ein angenehmes Gespräch während eines Abendessens.«

»Falls ich es mache, ich betone falls, wo müsste ich mich melden?«

»Ganz einfach bei mir.« Ein fröhliches Lachen perlte aus Walter.

»Bei dir?« Verwundert sah Jürgen Walter an.

»Ja, bei mir, ich leite eine Escort-Agentur. Der Bedarf nach niveauvollen männlichen Escorts wird immer größer.«

»Wie kommst du zu so etwas?«

»Du erinnerst dich an meine Tante?«

»Diese Wahnsinnsfrau?«

»Genau, sie hatte schon damals eine Escort-Agentur und hat sie mir vor fünf Jahren übergeben.«

»Wie würde das Ganze ablaufen und wie hoch wäre mein Verdienst?«

»Zunächst müssten wir von dir Fotos machen, die ich dann ins Netz stelle. Sollte Interesse an deiner Begleitung vorliegen, wirst du von mir kontaktiert und über Termin und Ort informiert: also Treffpunkt, zu welchem Zweck und Dauer. Die Kundin bucht dich für diesen Zeitraum und bezahlt an die Agentur den vorgegebenen Preis, von dem du achtzig Prozent erhältst. Sollte die Kundin die Zeit mit dir verlängern wollen, rate ich dir, dass du es über die Agentur laufen lässt. Alles, was in diesem Zeitraum passiert, ist deine Angelegenheit. Solltest du mehrere Male von der gleichen Kundin gebucht werden, erhältst du neunzig Prozent. Dein Verdienst wird natürlich höher, je länger die Zeit ist, die du mit der Kundin verbringst. Minimum ist zweihundertvierzig Euro, nach oben gibt es kaum Grenzen.«

»Wo würde das Ganze stattfinden?«

»Hauptsächlich hier in Frankfurt. Manchmal wollen Kunden, ich spreche jetzt von männlichen Kunden, ganze Wochenenden oder sogar Wochen mit dem Escort verbringen, die fahren dann weg. Die Damen sind eigentlich immer beruflich in Frankfurt und bleiben auch da.«

»Wie häufig hätte ich dann eine Kundin?«

»Das schwankt natürlich, aus meiner Erfahrung heraus würde ich sagen ungefähr einmal in zehn Tagen. Es kann aber auch Monate geben, wo du zweimal die Woche Anfragen hast.«

»Sorry, Walter, der Kopf schwirrt mir. Ich muss mal darüber schlafen, ist das in Ordnung?«

»Keine Frage, ich gebe dir meine Nummer. Ruf mich an, wenn du dich entschieden hast, und hier …« Walter drückte Jürgen ein Bündel Geldscheine in die Hand. »Das ist mein Wiedersehensgeschenk, kauf dir einen schicken Anzug.«

Sprachlos nahm Jürgen das Bündel entgegen und steckte es ein, hörte nur beiläufig, wie sich der Kellner überschwänglich für das Trinkgeld bedankte und folgte anschließend Walter aus dem Lokal. Dort verabschiedeten sie sich und Jürgen ging Richtung Bahnhof. Dort musste er feststellen, dass es wesentlich später war als angenommen, dabei wollte er heute Meli noch sehen, bevor sie in den Club aufbrach, wo sie servierte. Gerade noch erreichte er den Zug, der ihn heimbringen sollte, und schnaufend ließ er sich auf den Sitz fallen.

Er versuchte, sich Meli vorzustellen, wenn er ihr von dem Angebot Walters erzählte, und wusste schon jetzt ihre Antwort: ein entschiedenes Nein. Im Prinzip hatte er es auch nicht vor. Dennoch, es war für ihn seit Wochen der erste leichte Hoffnungsschimmer, eine Alternative, wie es Walter ausgedrückt hatte. Das gleichmäßige Rattern des Zugs lullte Jürgen ein und ließ seine Gedanken zu der Zeit zurückschweifen, als er Meli kennengelernt hatte.

***

Er war damals knapp fünfundzwanzig gewesen, sein Studium schon fertig, aber noch einen Job suchend, da war sie ihm bei einer Studentenfete über den Weg gelaufen. Er war sofort fasziniert von ihrer unschuldigen Art gewesen, ihren Augen, die blau wie der Himmel waren, ihrem Lächeln, welches gleichzeitig Unschuld und Fröhlichkeit verströmte. Sie hatte wirklich wie ein Engel mit ihren damaligen einundzwanzig Jahren auf ihn gewirkt, der sich, in all seiner Unschuld, unter die Sterblichen gemischt hatte. Ihre langen, gelockten blonden Haare und ihr zarter Teint hatten das Bild noch vervollständigt. Jürgen wusste nicht mehr genau, wie er mit Meli ins Gespräch gekommen war, er wusste aber noch sehr deutlich, dass sie seit diesem Abend zusammen waren.

Schon nach wenigen Wochen zog Meli zu ihm in seine kleine Studentenbude, in der sie noch einige Jahre blieben. Nachdem sie schon vier Jahre zusammengelebt hatten, heirateten sie, da sie eine Familie gründen wollten. Jürgen musste schmunzeln, als er Meli vor seinem inneren Auge sah, nachdem sie das erste Mal ihr frisch gekauftes Haus betraten. Sie lachte laut vor Freude, tanzte durch die Zimmer, nahm ihn an der Hand, um mit ihm durch das ganze Haus zu rennen. Immer wieder blieben sie stehen, um sich zu küssen, und abschließend hatten sie sich auf dem nackten Boden geliebt und sich, wie so oft zuvor, ihre gegenseitige Liebe erklärt.

Doch so sanft und unschuldig Meli wirkte, so hart und entschlossen konnte sie auch sein, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Wiederum musste Jürgen schmunzeln, als er an die, im Nachhinein betrachtet, Banalitäten dachte, weswegen sie sich gestritten hatten. Jedes Mal war Meli Siegerin geblieben. Mittlerweile konnte er schon an ihrer Körpersprache ablesen, wann es sinnlos war, zu argumentieren, denn man war chancenlos gegen Melis Willen.

***

Unsanft wurde Jürgen durch die automatische Ansage, die seinen Heimatbahnhof ankündigte, aus seinen Gedanken gerissen. Schnell schnappte er seine Jacke und seine Unterlagen und stieg aus. Es dämmerte bereits, als er den halbstündigen Fußmarsch zu seinem Haus antrat. Während er ging, rief er Meli an und sagte ihr, dass er in etwa dreißig Minuten zu Hause wäre, und wurde von ihr zur Eile aufgefordert, da sie schon knapp dran sei. Er erhöhte sein Tempo und schaffte es tatsächlich, früher als gedacht bei seinem Haus zu sein. Meli empfing ihn schon abfahrbereit, hauchte ihm ein Abschiedsküsschen auf die Lippen und eilte mit einem hastigen »Bis später, Schatz« zu ihrem Wagen, um zur Arbeit zu fahren.

Die ersten Minuten zu Hause verschnaufte Jürgen und gönnte sich ein Fläschchen Bier. Dann überlegte er, wie er die Zeit bis Melis Rückkehr, die sicher erst in der zweiten Nachthälfte erfolgen würde, verbringen sollte. Als Erstes sah er sich um, ob Tätigkeiten im Haushalt notwendig waren, und führte diese durch. Dann durchforstete er seinen Kleiderschrank nach Abendkleidung, doch er fand keine. Nicht, dass er keine Sakkos oder Anzüge gehabt hätte, sie waren aber nicht abendtauglich. Danach setzte er sich an den PC und sah die Stellenangebote für Innenarchitekten durch. Es gab einige, nur das Nächste befand sich gut dreihundert Kilometer entfernt. Er sah in ähnlichen Berufen nach, machte sich Notizen, allerdings eher, um die Zeit totzuschlagen, als aus richtigem Interesse.

Er wollte schon seine PC-Sitzung beenden, da juckte es ihn, sich über Escort-Angebote zu erkundigen. Schnell tippte er seine Suchanfrage ein und war verwundert über die Menge an Angeboten. Als er sich durchklickte, musste er mehrmals ob der hohen Preise schlucken, die für Begleitungen gefordert wurden. Außerdem fiel ihm auf, dass die meisten Frauen zwar durchweg freizügig abgelichtet waren, doch ihre Gesichter waren meist unkenntlich. Danach versuchte er männliche Begleiter zu finden und wurde sehr schnell fündig. Er war überrascht, dabei Männer aller Altersstufen zu finden. Ursprünglich hatte er gedacht, dass nur junge Männer, bis maximal Mitte zwanzig, sich so anbieten würden, doch diese waren eindeutig in der Minderheit.

»Bei den Damen zählt also doch auch Lebenserfahrung«, dachte er, als er den PC hinunterfuhr.

Der Blick auf ihre Wanduhr verriet ihm, dass es beinahe Mitternacht war, und er wunderte sich, wie schnell die Zeit vergangen war. Jürgen nahm sich noch eine Flasche Bier, setzte sich auf das Sofa und schaltete den Fernseher ein. Er sah zwar in den Fernseher, doch von dem dortigen Geschehen bekam er nicht viel mit. Vielmehr kreisten seine Gedanken um Walters Angebot. Einmal verwarf er es, nur um es sofort darauf als äußerst reizvoll zu empfinden.

***

Das laute Krachen der Haustür riss Jürgen aus seinem Halbschlaf. Schläfrig taumelte er Richtung Garderobe und sah dort, wie Meli vor lauter Zorn ihre Schuhe von ihren Füßen schleuderte.

»Was war denn los, Schatz?«, fragte Jürgen, der sich bei diesem Anblick sofort munter fühlte.

»Die Männer sind doch alle Schweine«, fauchte Meli erbost und zwängte sich an Jürgen vorbei.

»Schatz?«, fragte Jürgen ratlos, der keine Ahnung hatte, was Meli so zornig gemacht hatte.

»Nicht du, Schatz«, rief Meli aus dem Badezimmer, »aber alle anderen.«

»Vielleicht ein Glas Sekt, Schatz, um runterzukommen?«, rief Jürgen.

»Ja bitte«, tönte es zurück, »das brauche ich jetzt.«

Jürgen schlurfte zum Kühlschrank und öffnete die Flasche Billigsekt. Sie tranken gern mal ein bis zwei Gläser. Früher war es Spitzenschampus, jetzt nur das Billigste. Er goss Meli und sich ein Glas ein, und kaum war er fertig, war Meli neben ihm und küsste ihn sanft auf die Wange.

»Mein Ausbruch tut mir leid, Schatz«, sagte sie in einem entschuldigenden Tonfall, »aber ich war, nein, bin total wütend.«

Jürgen reichte ihr das Glas Sekt, welches Meli auf einen Zug austrank und ihm anschließend auffordernd hinhielt. Sofort kam Jürgen Melis Wunsch nach und befüllte das Glas abermals.

»Erzähl!«, forderte Jürgen Meli auf und lehnte sich gegen die Spüle.

»Der Abend verlief zunächst wie immer«, begann Meli. »Viel Betrieb und ich hatte kaum Zeit, zu schnaufen. Nach einiger Zeit fiel mir auf, dass mich so ein schmieriger Typ andauernd anstarrte. Ich war froh darüber, dass er nicht bei den Tischen saß, die ich zu bedienen hatte, und versuchte ihn zu ignorieren. Mit Fortlauf des Abends wurden die Gäste weniger, auch diesen Typen sah ich nicht mehr und ich war erleichtert. Zu meinem Leidwesen hatte er aber nur den Platz gewechselt und saß an einem meiner Tische. Kaum hatte er bemerkt, dass ich ihn gesehen hatte, rief er mich schon zu sich und bestellte. Ich brachte ihm die Bestellung und von da an wurde es immer schlimmer. Immer, wenn ich an ihm vorbeimusste, streckte er wie unabsichtlich seinen Arm aus, um mich zu betatschen.«

Meli trank einen Schluck Sekt und verzog ihr Gesicht. »Zuerst versuchte ich, ohne etwas zu sagen, auszuweichen, aber irgendwann reichte es mir und ich sagte ihm, dass er damit aufhören soll. Er ignorierte mich und grinste nur schmierig. Daraufhin ging ich zum Chef und sagte ihm, dass ich von einem Gast belästigt werde und er antwortete, dass das eben zum Geschäft gehört in einem Club. Am liebsten wäre ich meinem Chef ins Gesicht gesprungen. Da es aber nur mehr eine knappe Stunde bis Dienstschluss war, dachte ich, dass ich die Zeit irgendwie über die Runden bringe. Ich hatte es fast geschafft, stand bei der Theke und machte schon meine Abrechnung, da kam dieses schmierige Arschloch und fuchtelte mit einem Fünfziger vor mir herum. Ich fragte ihn, was das soll, und er sabberte, dass er mir den Fünfziger geben würde, wenn er meine Möpse angreifen und mit ihnen spielen darf. Daraufhin habe ich ein halb volles Glas Bier genommen, welches neben mir stand, habe ihn damit angeschüttet, bin zu meinem Chef, ließ mir meinen Tagessatz geben und habe anschließend gesagt, dass ich nicht mehr kommen werde. Stell dir vor, Schatz, der Typ hat zu meiner Brust ›Möpse‹ gesagt. Nicht einmal du hast das bis jetzt gesagt. Was noch wesentlich ärger ist, er wollte mich kaufen wie eine Ware.«

Sanft umarmte Jürgen Meli, die noch immer vor Wut bebte, versuchte, ihr ein Ventil zu sein, wo sie ihren Zorn abrinnen lassen konnte, und es gelang. Meli vergrub ihren Kopf an Jürgens Brust, ihr Zittern wurde weniger und weniger.

»Lass uns schlafen gehen, Schatz«, raunte Jürgen Meli ins Ohr. »Das war heute für uns beide ein langer Tag.«

Liebevoll blickte Meli Jürgen an und nahm nickend seinen Vorschlag an. Sie gingen zu Bett, ließen ihre Kleidung achtlos neben dem Bett fallen und schlüpften unter die Bettdecke. Wie immer kuschelte sich Meli an Jürgens Schulter und ehe es sich Jürgen versah, war sie eingeschlafen.

»Meli soll nicht mehr leiden müssen«, dachte sich Jürgen, knapp, bevor er einschlief, »ich werde Walters Angebot annehmen, besser ich leide als Meli.«

Melis Wille geschehe

Am nächsten Morgen wachte Jürgen vor Meli auf und taumelte verschlafen in die Küche, wo er als Erstes eine Kaffeekapsel in die Maschine rammte. Genüsslich schlürfte er seinen Muntermacher und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Ihm wurde bewusst, dass er sich vor dem Einschlafen fest vorgenommen hatte, Walters Angebot anzunehmen, doch jetzt überfielen ihn wieder Zweifel. Er zweifelte an sich, ob er es auch durchstehen könnte, und er zweifelte daran, dass Meli es akzeptieren würde. So wie sie heute Nacht wütend gewesen war, weil ihr ein schmieriger Typ Geld für das Berühren ihrer Brüste angeboten hatte.

»So komme ich auf keinen grünen Zweig«, dachte sich Jürgen, als er die schmutzige Tasse in den Spüler stellte. »Ich lasse mir mal Fotos machen und dann sehe ich weiter.«

Er nahm sein Handy zur Hand und tippte schnell eine Zusage, die er per SMS an Walter sendete. Er hatte eben sein Handy aus der Hand gelegt, da schlurfte Meli schlaftrunken in die Küche.

»Du bist schon auf, Schatz?«, fragte sie gähnend. »Hast du etwas Wichtiges vor?«

»Nein, Liebling.« Jürgen bedauerte es zutiefst, dass er schon jetzt Meli anlügen musste. »Ich habe mir nur überlegt, ob es für die nächsten Vorstellungsgespräche nicht besser wäre, mir einen neuen Anzug zu kaufen, einen Anzug, der mehr Seriosität ausstrahlt als meine bisherigen Anzüge. Ich habe an einen dunklen Anzug gedacht, einen Anzug, den man sowohl am Abend als auch bei Meetings tragen kann. Was sagst du dazu?«

Fest blickte Jürgen dabei Meli in die Augen, er wollte nicht, dass bei ihr auch nur die Spur eines Zweifels aufkam.

»Geht das noch mit unserem Geld, Schatz?« Meli kramte sich eine Kaffeekapsel aus der entsprechenden Lade.

»Wenn nicht«, antwortete Jürgen, »dann greif ich auf unser Erspartes zurück, natürlich nur, wenn es dir recht ist.«

»Ja, Schatz, mach nur.« Meli, die noch immer schlaftrunken war, kratzte sich dabei am Kopf. »Du weißt selbst am besten, was du für deine Vorstellungsgespräche benötigst.«

Melis Vertrauen zu ihm traf Jürgen tief ins Herz. Am liebsten hätte er sich in jenem Moment vor Meli auf die Knie geworfen und ihr alles gestanden, doch ein leises »Komme gleich« Melis verhinderte es. Schon huschte sie an ihm vorbei Richtung Toilette.

Als Meli zurückkam, hatte Jürgen den Gedanken an ein Geständnis schon wieder verworfen. Was sollte er auch gestehen, sagte er sich, er würde den Anzug kaufen und ein paar Fotos von sich schießen lassen, also nichts, was eine Liebe belasten könnte.

Auch für Meli schien dieses Thema abgehakt, denn sie schwenkte auf Alltagsthemen über. Sie kamen überein, dass Jürgen nach Frankfurt fahren sollte, um sich einen schicken Anzug zu kaufen, und Meli würde die Haushaltseinkäufe besorgen und danach etwas Sport machen. So frühstückten sie noch gemächlich miteinander, bevor sich ihre Wege für ihr heutiges Tagwerk trennten. Meli ließ Jürgen den Vortritt im Badezimmer und so verließ er als Erster das Haus.

***

In Frankfurt suchte Jürgen jenes Herrenmodegeschäft auf, welches er früher, als er noch seinen Arbeitsplatz hatte, gern besucht hatte. Zu seiner Verwunderung wurde er erkannt und wie gewohnt gut beraten. Nach fünfundvierzig Minuten verließ er gut gelaunt das Geschäft. Nicht so sehr deswegen, weil der Anzug so toll war, sondern, weil von Walters Geldbündel doch noch einiges übrig war. Kurz entschlossen betrat er das nächstgelegene Schuhgeschäft und kaufte sich noch ein Paar Schuhe. Er stand soeben bei der Kasse, da klingelte sein Handy. Er sah auf dem Display, dass es Walter war, und nahm das Gespräch an.

»Hallo, Walter.«

»Hallo, Jürgen, wie geht es dir?«

»Danke, gut, bin eben am Einkaufen.«

»Wunderbar.« Walter lachte ins Handy. »Ich rufe wegen des Fototermins an.«

»Ja?«

»Passt es dir am kommenden Montag um elf Uhr? Styling erhältst du vor Ort, Service der Firma.«

»Passt wunderbar, was soll ich mitnehmen?«

»Deinen neuen Anzug, Freizeitkleidung und gute Laune. Ach ja, ehe ich es vergesse, rasiere dich nicht, wir wollen schauen, was der Stylist zu einem Drei-Tage-Bart sagt.«

»Okay, mach ich, dann bis Montag.«

»Hast du nicht noch etwas vergessen?«

»Was denn?«

»Nach der Adresse zu fragen.«

»Ich Idiot.« Jetzt lachte auch Jürgen laut auf. »Wo muss ich hin?«

»Kein Problem.« Walter gluckste in sein Handy. »Ich sende dir eine SMS, dann bis Montag.«

»Bis Montag«, antwortete Jürgen in eine schon geschlossene Leitung.

»Der erste Schritt ist nun getan«, dachte sich Jürgen, als er langsam zum Bahnhof zurückging.

So sehr er das Gespräch mit Walter als angenehm empfunden hatte, es hatte ihn aus einer gewissen Euphorie geholt, die er empfunden hatte, als er sich die neuen Klamotten kaufte. Jetzt wusste er auch, was ihm die ganzen Monate gefehlt hatte: die Möglichkeit, sich etwas Neues zu leisten, die Möglichkeit, einmal nicht auf Geld zu achten. Meli hatte sich nie darüber beschwert, hatte nie ein Wort des Bedauerns gesagt, doch er konnte sich denken, dass auch ihr vieles fehlte.

Als er in den Zug einstieg, rief Jürgen Meli an, in der Hoffnung, dass sie Zeit hätte, ihn abzuholen. Doch wie er befürchtet hatte, war sie nicht erreichbar. Missmutig lehnte er sich daraufhin zurück und ließ seine Gedanken schweifen. Hauptsächlich sah er Meli vor sich, Meli, wie sie lächelte, Meli, wie sie ihn unschuldig ansah, als könnte sie kein Wässerchen trüben, Meli, wie sie ihren Beharrungsstandpunkt einnahm, Meli, wie sie ihm ihre Lust schenkte.

»Ich liebe diese Frau.« Jürgen fühlte Gänsehaut aufsteigen. »Mehr, als ich es ausdrücken kann. Und ich spiele mit dem Gedanken, sie zu betrügen. Was bin ich nur für ein Idiot.«

An seinem Ziel angekommen, hatte sich Jürgen vorgenommen, zwar die Fotos machen zu lassen, dann aber Walter abzusagen. Er wollte Meli nicht betrügen, wollte nicht sein Glück wegen scheinbar leicht verdientem Geld verlieren. Gemächlich machte er sich auf den Heimweg, sah zu seiner Freude, dass der Golf vor ihrem Haus stand, und freute sich darauf, Meli in seine Arme zu schließen. Zu seiner Enttäuschung wurde sein Willkommensgruß nicht beantwortet. Stattdessen fand er eine Nachricht vor, auf der ihm Meli mitteilte, dass sie Laufen sei. Darunter war auch die Uhrzeit angegeben. Vor fünfzehn Minuten war sie losgejoggt.

Jürgen war nie ein Läufer gewesen, sein Sport waren Ballsportarten und da besonders jene, bei denen es auf Vorahnung und schnelle Reflexe ankam, egal ob es Tennis, Volleyball oder Tischtennis war. Mit Ausdauersportarten hatte er es nie. Im Gegensatz zu Meli, sie liebte Laufen, Radfahren und Schwimmen. Es war nicht so, dass Jürgen keine Ausdauer hatte, das stimmte so nicht, er mochte diese Sportarten nicht.

Jetzt hatte er allerdings so große Sehnsucht nach Meli, dass er sich sein Sportgewand anzog und Melis Laufrunde in Gegenrichtung anlief in der Hoffnung, sie früher zu treffen als zu Hause. Gemächlich setzte er Laufschritt um Laufschritt, versuchte, seinen Kopf freizubekommen von den seelischen Belastungen der letzten Tage. Immer wieder sah er auf seine Uhr, versuchte die Zeiten mit Melis Zeiten zu korrelieren, hoffte minütlich auf das Auftauchen eines wippenden blonden Haarschopfs. Endlich sah er weit vor sich einen hellen Haarschopf um eine Kurve biegen. Das machte in Jürgen neue Kräfte frei, sofort erhöhte er sein Tempo, um so schnell wie möglich bei Meli zu sein. Kaum hatte er sie erreicht, stoppte er sie, indem er ihr um den Hals fiel.

»Mann, Jürgen«, grummelte daraufhin Meli, »jetzt bringst du mich aus meinem Rhythmus, was ist denn los mit dir?«

»Ich liebe dich, mein Schatz«, keuchte Jürgen in ihr Ohr, »ich wollte so schnell wie möglich bei dir sein.«

»Ich liebe dich ja auch«, antwortete Meli leicht säuerlich, »hätte die Begrüßung trotzdem nicht warten können, bis ich zu Hause bin?«

»Entschuldige, Meli.« Jürgen kam sich töricht vor. »Ich dachte, es wäre eine nette Überraschung.«

»War es ja auch«, beschwichtigte Meli, »wir hätten aber auch einfach gemeinsam weiterlaufen können und nicht hier stehenbleiben.«

»Du hast recht, mein Liebling.« Jürgen tat seine Aktion jetzt wirklich leid. »Dann los«, sagte er und setzte sich in Bewegung.

Gemächlich liefen sie zu ihrem Haus und stellten sich gemeinsam unter die Dusche. Dort konnte sich Jürgen nicht mehr halten, begann Meli zu liebkosen, zu küssen. Meli wehrte sich anfangs, ließ dann aber Jürgens Liebkosungen unter lautem Auflachen zu. Glücklich und entspannt lümmelten sie sich nach der Dusche auf ihr Sofa, jeder ein volles Glas Sekt in der Hand.

»Weißt du, Schatz«, begann Meli, die Stille unterbrechend. »Unsere Situation ist gelinde gesagt scheiße. Kein Job, bald vor Hartz IV stehend und einen Berg an Schulden. All das ist mir jedoch gleichgültig, wenn du bei mir bist. Dann weiß ich, dass wir es schaffen werden.«

Jürgens Reaktion war nur ein engeres Kuscheln an Meli. Er hatte Angst, dass Meli, wenn er gesprochen hätte, seine große Rührung erkannt hätte. So blieb er stumm, innerlich nannte er sich jedoch einen Idioten, dass er Walters Angebot überhaupt in Betracht gezogen hatte.

***

Der Sonntag verging wie jeder Sonntag in den letzten Monaten. Meli kochte etwas Besseres als an den Wochentagen, danach gingen sie stundenlang händchenhaltend spazieren und malten sich eine schöne Zukunft aus. Der Abend wurde damit verbracht, einen Speiseplan für die Woche zu erstellen und die Einkaufsliste darauf abzustimmen. Danach überprüften die beiden ihre Postfächer, ob eine Einladung für ein Vorstellungsgespräch dabei war, und wie so oft, war keine dabei. Daraufhin versuchten sie, sich gegenseitig aufzuheitern, was eher schlecht als recht gelang. Jürgen erzählte Meli, dass er ein Vorgespräch hätte und dass er am morgigen Tag wieder nach Frankfurt fahren müsste. Es tat ihm weh, dass Meli daraufhin ein hoffnungsvolles Lächeln aufsetzte, da er genau wusste, dass es keines war, zumindest nicht so, wie Meli dachte. So ging er betrübt zu Bett, versuchte Meli seine Betrübnis nicht zu zeigen, genauso wie Meli es nicht tat.

***

Pünktlich um elf Uhr läutete Jürgen am Montag bei der angegebenen Adresse, die in einem teuren Villenviertel lag. Es meldete sich eine angenehme weibliche Stimme, und als Jürgen seinen Namen sagte, wurde die Tür geöffnet. Staunend betrat Jürgen die Villa. Er schätzte ihr Baujahr auf Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Er erblickte die geschmackvolle Einrichtung des Empfangsraumes und geriet noch mehr ins Staunen.

»Schön, dass du da bist«, begrüßte ihn Walter. »Hast du alles dabei?«

Jürgen schaffte es nur zu nicken, so beeindruckt war er von dem Reichtum und der Eleganz, die diese Villa ausströmte.

»Toll«, dröhnte Walter weiter, »dann können wir gleich anfangen.«

Er zog Jürgen in einen kleineren Nebenraum, welcher trotzdem die zweifache Größe seines Wohnzimmers hatte.

Dort sah er einen Stylisten, der soeben sein Arbeitsmaterial bereitlegte. Jürgen wurde zu einem bequem aussehenden Drehstuhl komplimentiert, während Walter es sich auf einem anderen bequem machte.

»Lassen wir jetzt mal den Profi seine Arbeit tun«, sprach Walter fröhlich weiter. »Wir können ja trotzdem etwas quatschen. Wie waren deine letzten Tage?«

»Mir wurde bewusst«, begann Jürgen, noch immer von der Villa beeindruckt, »wie sehr ich meine Frau liebe und dass ich sie auf keinen Fall betrügen will.«

»Das ist auch richtig so«, antwortete Walter, »ich würde von dir auch nie so etwas erwarten, geschweige denn verlangen. Aber ist eine Begleitung zu einem Theaterbesuch oder zu einem Abendessen schon ein Ehebruch? Dann müsste jede betriebliche Feier eine Unmenge an Ehebrüchen ergeben.«

Jürgen konnte keinen klaren Gedanken fassen. Einerseits war er noch immer durch die Villa beeindruckt, andererseits begann der Stylist an seinen Haaren herumzuschnipseln.

»Aber das ist doch etwas ganz anderes«, versuchte Jürgen Walters Argument abzuwehren.

»Das ist überhaupt nichts anderes«, setzte Walter nach. »Es ist dann etwas anderes, wenn du es nicht sagst, und das wirst du doch, oder?«

»Wenn ich es Meli sage …« Jürgen fühlte sich immer unwohler. »… dann sagt sie bestimmt Nein.«

»Dann erkläre es ihr.« Immer tiefer bohrte Walter. »Oder lass mich es ihr erklären.«

»Bitte, Walter.« Beinahe flehte Jürgen Walter an. »Dränge mich nicht, ich bin mir noch nicht schlüssig, ich bin jetzt mal hier, lassen wir es vorerst, bitte.«

»Wie du meinst.« Walters begeisterter Tonfall war auf normal umgestellt. »Machen wir die Fotos und dann sehen wir weiter.«

In den nächsten Minuten sprach niemand, nur das zeitweilige Klappern der Schere und das Brummen eines elektrischen Haarschneiders war zu hören. Nach etwa dreißig Minuten sah Jürgen ein verändertes Ich im Spiegel und er musste sich eingestehen, es gefiel ihm, was er sah, nur den Drei-Tagesbart fand er unpassend. Das fand auch der Stylist, denn dieser schnappte sich ein Rasiermesser und begann, ihn zu rasieren. Als er fertig war, war Jürgen mehr als zufrieden mit seinem Aussehen, er fühlte sich richtig wohl. Auch Walter klatschte begeistert in die Hände, als er Jürgen von vorn betrachtete.

»Jetzt zu den Fotos.« Walter zog Jürgen schon in einen angrenzenden Raum. »Dort hinter der spanischen Wand kannst du dich umziehen. Ich denke, wir beginnen mit dem Anzug.«

Gehorsam ging Jürgen hinter die spanische Wand und begann sich umzuziehen. Nachdem er fertig war und hervortrat, hatte mittlerweile eine Fotografin Beleuchtungsschirme und einen Hintergrund aufgebaut. Sofort begann das Shooting. Jürgen musste ernst blicken, dann lächeln, den Krawattenknopf leicht öffnen und in einer legeren Pose stehen. Immer wieder korrigierte die Fotografin ihn, nur um dann in schneller Folge mehrere Bilder zu schießen. Als das erledigt war, musste sich Jürgen Freizeitkleidung anziehen und in ihnen wiederum posieren. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch als er fertig war, fühlte er sich müde. Walter sah es ihm an und sagte ihm, dass er ihm ein Taxi bestellen würde. Jürgen wollte ablehnen, doch Walter wischte mit einer Handbewegung und den Worten »Geht aufs Haus« seine Ablehnung beiseite.

Walter begleitete Jürgen bis zum Taxi, welches wie durch Zauberhand schon wartete. Sie verabschiedeten sich und Jürgen stieg in das Taxi ein. Plötzlich klopfte Walter an das Fenster und Jürgen öffnete es.

»Die Fotos kommen in vier bis fünf Tagen mit der Post«, sagte Walter, »und lass es mich bitte wissen, was Meli zu deinem neuen Styling sagt.« Dann schlug er auf das Fahrzeugdach und das Taxi fuhr los.

***

Meli war total begeistert von Jürgens neuem Styling, durchlöcherte ihn mit Fragen, wie es dazu gekommen war, und Jürgen musste sie wiederum belügen. Er fühlte sich unglaublich schlecht, dabei ihr Vertrauen so zu hintergehen, doch er hatte nicht den Mut dazu, ihr zu gestehen, was im Prinzip der Hintergrund für sein neues Aussehen war. Jedenfalls war sie so angetan, dass in dieser Nacht beide lange nicht zur Ruhe kamen.

Schon am nächsten Tag hatte sie der Alltagstrott jedoch wieder. Eine Ausnahme war, dass Meli eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bekam, wobei der Wermutstropfen war, dass diese Firma zweihundert Kilometer entfernt lag. Sonst vergingen die Tage wie immer, ihre Hoffnung wurde geringer und ihr Frust immer größer. Freitags hielt es Jürgen nicht mehr aus.

»Ich muss einfach raus, Schatz«, sagte er am Frühstückstisch. »Wollen wir nicht gemeinsam nach Frankfurt und etwas bummeln?«

»Nein, Schatz«, antwortete Meli einsilbig, »ich will meine Bewerbungsschreiben überarbeiten, fahr ruhig ohne mich.«

So fuhr Jürgen allein nach Frankfurt, ging ziellos durch die Straßen und verfluchte sein Schicksal. Als er heimkam, herrschte Stille im Haus und er wunderte sich. Er fand auch kein Posting Melis, die ihm sonst so immer mitteilte, wo sie war. Beunruhigt begab er sich durch das stille Wohnzimmer in die Küche, wo er Meli mit verquollenen Augen vorfand. Vor ihr lag ein braunes geöffnetes Kuvert. Jürgen wusste sofort den Inhalt, ohne diesen zu sehen. Trotzdem ging er, als wäre nichts gewesen, zu Meli und wollte sie umarmen.

»Rühr mich nicht an.« Fauchend wehrte sie ihn ab. »Was soll das hier?«

»Schatz«, sagte Jürgen und versuchte Meli zu beruhigen, »das sind nur Fotos.«

»Und zu welchem Zweck?«, bohrte Meli weiter nach.

Jetzt blieb Jürgen nichts mehr anderes übrig, als Meli die Wahrheit zu erzählen. Er erzählte ihr von dem Angebot Walters und dass er sich dafür fotografieren hatte lassen, aber auch, dass er nicht zugesagt hatte.

»Du willst ein Callboy werden?« Entsetzt starrte ihn Meli an. »Ohne Rücksicht darauf, was du mir damit antust, unserer Liebe antust?«

»Nein, Schatz.« Jürgen rang um Worte. »Ich würde dich nie betrügen, ich würde nur Geschäftsfrauen am Abend einige Stunden begleiten, mehr nicht.«

»Mach dich doch nicht lächerlich mit so einer Aussage«, fauchte Meli weiter. »Interessant ist das, was nach dem Theater geschieht, hältst du mich für blöd? Warum würdest du es eigentlich machen, genüge ich dir nicht mehr?«

»Bitte, Meli, so höre doch zu.« Jürgen wusste schon nicht mehr, was er sagen sollte. »Ich habe noch nichts entschieden. Da du es nicht willst, mache ich es nicht. Ich hätte es nur für uns gemacht, wegen unserer Situation. Wenn ich einen Job antreten würde, hätte ich sofort damit aufgehört.«

»Also du hättest es wegen uns gemacht, behauptest du.« Jürgen erschrak über den harten Unterton in Melis Stimme. »Dann will ich es auch für uns tun. Dann werde ich auch eine Escort-Dame.«

»Schatz …« Jetzt flehte Jürgen. »… ich habe dir doch gesagt, dass ich es nicht mache, warum solltest du es dann machen?«

»Weil ich es vielleicht als Alternative sehe …« Melis Stimme klang hart und trocken. »… wie es dein Jugendfreund so nett ausgedrückt hat. Und wenn du es nicht machst, dann mache ich es eben allein. Also los, ruf deinen Freund an und sage ihm, dass ich auch ins Escort-Gewerbe einsteigen will.«

»Bitte, Schatz.« Jürgen war ratlos, denn mit so einer Wendung hatte er nicht im Entferntesten gerechnet. »Das ist doch Unsinn, was du jetzt sagst, es spricht der Zorn aus dir, lass uns eine Nacht darüber schlafen, ja?«

»Zum letzten Mal, ruf deinen Freund an.« Jürgen konnte eindeutig an Melis Körpersprache sehen, dass jede Diskussion sinnlos war. »Oder ich melde mich bei irgendeiner Agentur an, ist das klar?« Wortlos nahm Jürgen sein Handy zur Hand und wählte Walters Nummer. Sehr schnell wurde sein Anruf von Walter angenommen.

»Hallo, Jürgen, was gibt es, alter Kämpfer?«

»Hallo, Walter, Meli hat die Fotos gesehen.«

»Und gefallen sie ihr?«

»Sie will als Escort-Dame arbeiten.«

»Was?«

»Ja, du hast richtig gehört, sie will ebenfalls durch dich vermittelt werden.«

»Nein, Jürgen, das mach ich nicht, das mach ich wegen dir nicht.«

»Gib mir deinen Freund«, unterbrach Meli Jürgen. »Ich will mit ihm sprechen.«

»Ich übergebe dich jetzt an Meli.« Jürgen fühlte, wie Tränen der Angst in ihm hochstiegen. »Sie will mit dir sprechen.«

Er übergab Meli sein Handy. Wie durch Watte hörte er Meli sprechen, dann wiederum lange schweigen, nur um sie dann umso heftiger reden zu hören. Er wusste nicht, wie lange Meli mit Walter gesprochen hatte, als sie ihm sein Handy mit den Worten »dein Freund« wieder zurückgab.

»Hier Jürgen wieder.«

»Kann sie uns hören?«

»Nein, sie ist aus dem Zimmer gegangen.«

»Gut, jetzt hör mir gut zu. Ihr beide habt morgen einen Termin bei mir. Ich muss ihr wohl vor Augen führen, worauf sie sich einlässt, und ich werde dir dabei wehtun, weil ich ihr zeigen muss, was auf sie zukommt, wenn sie einsteigt. Bitte vertraue mir, ich verspreche dir, dass ich es nicht bis zum Äußersten kommen lasse, aber bis knapp davor. Also halte dich bitte zurück und wenn du es nicht schaffen solltest, dann schließe die Augen. Bitte verzeihe mir jetzt schon, aber ich tue es auch für dich und vor allem für Meli. Klar?«

»Ja, ich weiß zwar nicht, was du machen willst, aber bitte rede Meli diesen Irrsinn aus.«

»Ich kann es nur versuchen, Jürgen, ich kann es nur versuchen.«

Jürgen hatte den Eindruck, dass Walter verzweifelt war, als er auflegte. Langsam ging er aus der Küche ins Wohnzimmer und sah sein Bettzeug auf dem Sofa liegen. Ohne Protest nahm der den Hinauswurf zur Kenntnis und schlief mit Angst vor dem morgigen Tag ein.

***

Jürgen wurde durch ein Klirren und einen darauffolgenden Aufschrei Melis aus einem unruhigen Schlaf gerissen. Verdattert stand er auf, wunderte sich einen Sekundenbruchteil, warum er nicht in seinem Bett lag, doch sofort fiel ihm der gestrige Abend ein und sein Magen schien sich zu verkrampfen. Langsam ging er zur Küche, woher der Aufschrei Melis gekommen war. Er blieb im Türrahmen stehen und sah, wie Meli soeben Scherben vom Boden kehrte. Trotz seiner leisen Bewegung hatte Meli ihn bemerkt und lächelte ihn freundlich an.

»Kleinen Moment noch, Liebling«, sagte sie, während sie die letzten Scherben einer Tasse vom Boden kehrte, »tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.«

»Kein Problem, Schatz.« Jürgen lächelte. »Scherben bringen Glück, sagt man doch, außerdem müssen wir heute sowieso raus.«

»Ja, schon.« Meli leerte die Scherben in den Abfalleimer. »Ein gutes Frühstück geht jedoch noch.«

Jürgen bemerkte erst jetzt den sorgfältig gedeckten Küchentisch, auf Tellern war Wurst und Käse bereitgelegt, Brotschnitten standen schon in einem Körbchen auf dem Tisch, ein weich gekochtes Ei stand zum Verzehr bereit. Jürgen setzte sich und ließ sich von Meli eine dampfende Tasse Kaffee servieren, er genoss es immer, wenn er so von Meli verwöhnt wurde. Er wartete, bis sich auch Meli gesetzt hatte und griff anschließend zu seiner Tasse. Nachdem er getrunken und die Tasse abgesetzt hatte, blickte er Meli fragend an. Sie bemerkte seinen Blick, gönnte sich noch einen Schluck Kaffee und begann danach zu sprechen.

»Mein gestriges Verhalten tut mir leid, Liebling. Ich fühlte mich so hintergangen und betrogen. Diese Nacht konnte ich nicht schlafen und habe über deine Überlegungen nachgedacht, und ich musste dir zustimmen. Bald rutschen wir in Hartz IV ab und können uns unser Haus nicht mehr leisten. Darum will ich auch meinen Beitrag leisten und wenn ich eben Männer begleite, so wie du Frauen.«

»Bitte, Meli, das musst du nicht, irgendwie schaffen wir das.«

»Nein, Jürgen.« Meli setzte einen harten Blick auf. »Das hab ich mir auch in der Nacht durchgedacht, auch wenn wir beide Hilfsarbeiten annehmen, wir können dann vielleicht die monatlichen Raten zahlen, aber was bleibt uns zum Leben? Machen wir es so, wie du gestern gesagt hast, wenn wir eine Arbeitsstelle haben, hören wir sofort auf, und bis dahin …«

»Wir könnten doch die Bank bitten, unsere Raten zu senken, haben wir eben eine längere Laufzeit.«

»Dann arbeiten wir Jahre nur für die Bank, nein, Schatz, wir fahren heute zu Walter. Ich weiß, er will mich dir zuliebe dazu bringen, meinen Entschluss zu ändern. Ich werde es machen, komme, was da wolle.«

Jürgen resignierte, wenn Meli so sprach, wusste er aus Erfahrung, dass zumindest er sie nicht von ihrem Entschluss abbringen konnte.

»Wann müssen wir bei Walter sein?«, fragte er, da eigentlich schon alles besprochen war.

»Um zwölf Uhr«, kam die knappe Antwort Melis, »also können wir noch gemütlich frühstücken, bevor ich ins Bad muss.«

Sie genossen nun das Frühstück, plauderten über Alltägliches, dies konnte allerdings nicht über die Spannung hinwegtäuschen, welche in der Luft lag. Gemeinsam räumten sie den Tisch ab und dann suchte Jürgen schnell das Bad auf, damit es Meli danach ungestört benutzen konnte. Während Meli das Bad frequentierte, überlegte sich Jürgen, was er anziehen sollte, und entschied sich schlussendlich für Sakko mit Jeans und Shirt. Er war froh, dass er noch einen halbwegs flachen Bauch hatte und noch eng anliegende Shirts tragen konnte. Nachdem er fertig war und sein Spiegelbild betrachtete, war er sehr mit sich zufrieden.

Jürgen fiel auf, dass sich Meli an diesem Tag wesentlich mehr Zeit nahm, um sich zu stylen. Da er sie nicht stören wollte, zog er sich kurz zu seinem PC zurück und durchforstete die Stellenangebote. Wie er vermutet hatte, fand er auch nach längerem Suchen nichts, war eben dabei, den PC abzuschalten, da hörte er die Stimme Melis, die laut »Fertig« rief. Sofort stand er auf und ging ins Wohnzimmer, aus dem Melis Ruf gekommen war. Als Jürgen sie sah, konnte er es im ersten Augenblick nicht fassen. Die Frau, die er sah, war eindeutig Meli, aber auch irgendwie nicht. Er kannte ihr Businesskostüm, welches sie jetzt trug, doch die Zehn-Zentimeter-Stilettos waren bis jetzt Abendveranstaltungen vorbehalten, auch die Bluse, die sie trug, wäre Meli nie eingefallen in der Firma zu tragen, da sie ziemlich transparent war. Außerdem war Meli stärker geschminkt als sonst und ihre Fingernägel blutrot lackiert.

Während Jürgen seine Blicke bewundernd über seine Frau schweifen ließ, trat diese mit kleinen Schritten, wobei jeder von einem deutlich sichtbaren Hüftschwung begleitet wurde, zu ihm.

»Gefalle ich meinem Göttergatten?«, gurrte Meli und legte ihre Arme um Jürgens Nacken.

»Und wie.« Jürgen beugte sich schon zu Meli, um sie zu küssen.

»Bitte nicht jetzt, Schatz.« Lachend wandte Meli ihren Kopf ab. »Der Lippenstift soll zwar kussecht sein, aber ganz vertraue ich der Werbung nicht. Komm, es ist Zeit, wir wollen doch nicht unpünktlich sein.«