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Das Fort E-Book

Bernard Cornwell

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Beschreibung

Gerade drei Jahre ist die amerikanische Unabhängigkeitserklärung alt, doch der Kampf um die Freiheit ist noch lange nicht gewonnen. Überall im jungen Staat versuchen die britischen Rotröcke Aufstände niederzuschlagen, um das Land zurückzuerobern. In Penobscot Bay bauen sie eine kleine, aber für die Verteidigung von Massachusetts strategisch wichtige Garnison. Siebenhundert «rote Teufel» und drei Kriegsschaluppen beschützen sie. Es ist eine Kriegserklärung an die Amerikaner. Die schicken eine riesige Flotte und laufen mit mehr als vierzig hochgerüsteten Schiffen in die Penobscot Bay ein. Doch der Angriff ist schlecht geplant. Keiner der Rebellen versteht etwas vom Krieg, keiner hat die charakterliche Stärke, eine Armee zu führen. Bald verlieren sich die Kommandanten in Missverständnissen und Kleinkriegen. Nur ein einziger Mann hat echten Kampfgeist – ausgerechnet ein ehemaliger Lehrer. Doch was kann ein Einzelner gegen die Entschlossenheit der Briten ausrichten?

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Seitenzahl: 744

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Bernard Cornwell

Das Fort

Historischer Roman

Aus dem Englischen von Karolina Fell

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Gerade drei Jahre ist die amerikanische Unabhängigkeitserklärung alt, doch der Kampf um die Freiheit ist noch lange nicht gewonnen. Überall im jungen Staat versuchen die britischen Rotröcke Aufstände niederzuschlagen, um das Land zurückzuerobern.

In Penobscot Bay bauen sie eine kleine, aber für die Verteidigung von Massachusetts strategisch wichtige Garnison. Siebenhundert «rote Teufel» und drei Kriegsschaluppen beschützen sie.

Es ist eine Kriegserklärung an die Amerikaner. Die schicken eine riesige Flotte und laufen mit mehr als vierzig hochgerüsteten Schiffen in die Penobscot Bay ein. Doch der Angriff ist schlecht geplant. Keiner der Rebellen versteht etwas vom Krieg, keiner hat die charakterliche Stärke, eine Armee zu führen. Bald verlieren sich die Kommandanten in Missverständnissen und Kleinkriegen.

Nur ein einziger Mann hat echten Kampfgeist – ausgerechnet ein ehemaliger Lehrer. Doch was kann ein Einzelner gegen die Entschlossenheit der Briten ausrichten?

Über Bernard Cornwell

Bernard Cornwell, geboren 1944, machte nach dem Studium Karriere bei der BBC. Nach Übersiedlung in die USA entschloss er sich, einem langgehegten Wunsch nachzugehen, dem Schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er als unangefochtener König des historischen Abenteuerromans. Bernard Cornwells Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt, die Gesamtauflage liegt bei über 20 Millionen Exemplaren.

 

Weitere Informationen zum Autor

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Inhaltsübersicht

WidmungMottoKarteEin Kommentar zu Namen und BegriffenAuszug eines Briefes ...EinsAuszug eines Briefes ...ZweiAuszüge aus einem ...DreiAus einem Brief ...VierAus dem Eid, ...FünfAus einer Petition ...SechsAuszug eines Briefes ...SiebenAus Brigadegeneral Lovells ...AchtAuszüge aus den ...NeunAuszug eines Briefes ...ZehnBrief des Brigadegenerals ...ElfAuszüge aus der ...ZwölfAus Lieutenant George ...DreizehnAus einem Brief ...VierzehnAus einer Regierungsverordnung, ...Nachwort des AutorsHinter dem MythosDer Mitternachtsritt des Paul Revere

DAS FORT ist in großer Bewunderung Colonel John Wessmiller a.D. von der US Army gewidmet, der gewusst hätte, was zu tun ist.

Eine furchtlose Stimme, die durchs Dunkel schallt,

Und ein Wort, das immer noch widerhallt!

Denn der Nachtwind der Vergangenheit

Weht’s durch die Geschichte für alle Zeit.

In dunkler Stund, wenn die Not zu groß,

Erwacht unser Volk, und dann hören wir

Den hastigen Hufschlag von jenem Roß

Und die Mitternachtsbotschaft des Paul Revere.

 

Aus Henry Longfellows

Der Mitternachtsritt des Paul Revere

So ließen wir ihn auf seinem Feld,

Blutfeucht von Heldentume,

Da liegt er und schläft er allein, unser Held,

Allein mit seinem Ruhme.

 

Aus Charles Wolfes

General Sir John Moores Begräbnis

Ein Kommentar zu Namen und Begriffen

Im Jahr 1779 gab es keinen Staat Maine, das Gebiet war damals die östlichste Provinz von Massachusetts. Auch manche Ortsnamen haben sich geändert. Majabigwaduce heißt heute Castine, Townsend wurde zu Boothbay und Falmouth zu Portland, Maine. Bucks Plantation (eigentlich Plantation Number One) ist Bucksport, Orphan Island ist Verona Island, Long Island (im Fluss Penobscot) heißt nun Isleboro Island, Wasaumkeag Point wurde zu Cape Jellison und Cross Island zu Nautilus Island.

 

In diesem Roman geht es vielfach um «Schiffe», «Schaluppen», «Briggs» und «Schoner». All das sind natürlich Schiffe, ebenso wie es Boote sind, aber genau genommen war ein Schiff ein großer, rahgetakelter Dreimaster, wie zum Beispiel eine Fregatte (stellen Sie sich etwa die USSConstitution vor) oder ein Kriegsschiff (wie die HMSVictory). Heutzutage denken wir bei einer Schaluppe an einen Einmastsegler, 1779 aber verstand man darunter einen Dreimaster, der normalerweise kleiner war als ein Schiff und sich von ihm durch ein ebenes Hauptdeck unterschied (und somit durch das Fehlen eines erhöhten Poopdecks). Schaluppen waren, ebenso wie Schiffe, rahgetakelt (was bedeutet, dass sie rechteckige Segel trugen, die an Querrahen hingen). Eine Brigg, oder Brigantine, war ebenfalls ein großer, rahgetakelter Segler, besaß jedoch nur zwei Masten. Auch Schoner waren Zweimaster, deren Besegelung jedoch längsschiffs ausgerichtet war, sodass die gehissten Segel eher parallel zur Achslinie des Seglers und nicht quer dazu verliefen. Es gab Varianten wie Brigg-Schaluppen, doch in der Bucht von Penobscot befanden sich 1779 nur Schiffe, Schaluppen, Briggs und Schoner.

Mit Ausnahme der Felicity sind die Namen sämtlicher Boote historisch verbürgt.

 

Die meisten Figuren dieses Romans haben wirklich gelebt. Die einzigen erfundenen Namen tragen Personen, deren Familienname mit einem F beginnt (mit Ausnahme Captain Thomas Farnhams von der königlichen Marine) und der Namen britischer Soldaten und Unteroffiziere (mit Ausnahme Sergeant Lawrence’ von der königlichen Artillerie).

Auszug eines Briefes der Ratsregierung von Massachusetts an Brigadegeneral Solomon Lovell, 2. Juli 1779:

Sie werden über Ihre sämtlichen Operationen mit dem Flottenkommandeur beraten, sodass die Seestreitkräfte mit den Truppen unter Ihrem Kommando in dem Bemühen kooperieren, die gesamten feindlichen Kräfte zu Wasser und auch zu Land Gefangen zu nehmen, zu Töten oder zu Vernichten. Und nachdem guter Grund zu der Annahme besteht, dass einige hochrangige Männer in Majorbagaduce den Feind zur Besatzung aufgefordert haben, werden Sie genau darauf achten, keinen von ihnen entkommen zu lassen, sondern sie aufgrund ihrer bösartigen Machenschaften festzusetzen … Wir empfehlen Sie nun dem Allerhöchsten an und beten darum, dass Er Ihnen und den Truppen unter Ihrem Kommando Gesundheit und Sicherheit gewährt & Sie bekränzt mit dem Siegeslorbeer zurückkehren lässt.

Aus einer Nachbemerkung über Majabigwaduce in Doktor John Calefs Kriegstagebuch, 1780:

In dieses neue Land flüchten die Loyalisten mit ihren Familien … und finden Asyl vor der Tyrannei des Kongresses und seiner Steuereinnehmer … und dort leben sie in der Hoffnung und freudigen Erwartung, dass sie schon bald wieder die Freiheiten und Privilegien genießen können, die in ihren Augen am besten von der … britischen Verfassung gewährleistet werden.

Brief Captain Henry Mowats, königliche Marine, an Jonathan Buck, geschrieben an Bord der HMSAlbany auf dem Penobscot, 15. Juni 1779:

Sir, nachdem ich Gehört habe, dass Sie auf diesem Fluss und in angrenzenden Gebieten der Anführer eines Regiments irregeleiteter Untertanen des Königs sind, und dass Sie im Rang eines Colonels unter dem Einfluss einer Versammlung stehen, die sich Generalkongress der Vereinigten Staaten von Amerika nennt, ist es meine Pflicht, Sie dazu aufzufordern, unverzüglich mit einer Musterrolle aller Ihrer Untergebenen vor General McLean und dem Kommandooffizier der Königlichen Flotte auf der Blonde vor Majorbigwaduce zu erscheinen.

Eins

Es herrschte kaum Wind, sodass die Schiffe nur langsam flussaufwärts vorankamen. Es waren zehn; fünf Kriegsschiffe, die fünf Transportschiffe eskortierten, und die einsetzende Flut half ihnen mehr dabei, nordwärts weiterzukommen, als es die unbeständige Brise tat. Es hatte aufgehört zu regnen, aber die grauen, unheilschwangeren Wolken hingen niedrig am Himmel. Monoton tropfte das Wasser von Segeln und Takelage.

Von den Schiffen aus war nicht viel zu erkennen, obwohl an jeder Reling Männer standen und zu den Flussufern hinüberstarrten, die so stark zurückwichen, dass sich ein großer Binnensee gebildet hatte. Die Hügel über dem See waren niedrig und bewaldet, während die Uferzone aus einem Gewirr von Wasserläufen, Landzungen, waldigen Inseln und kleinen, steinigen Stränden bestand. Hier und da waren zwischen den Bäumen Lichtungen zu erkennen, auf denen Holzstapel lagen oder wo auch einmal eine Holzhütte neben einem kleinen Kornfeld stand. Rauch stieg von diesen Lichtungen auf, und manche der Männer auf den Schiffen fragten sich, ob mit diesen Feuern die Leute in der Gegend vor der Ankunft der Flotte gewarnt werden sollten. Die einzigen Menschen, die sie sahen, waren ein Mann und ein Junge, die von einem kleinen, offenen Boot aus fischten. Der Junge, der William Hutchings hieß, winkte begeistert zu den Schiffen hinüber, doch sein Onkel spuckte nur aus. «Da kommen die Teufel», sagte er.

Die Teufel verhielten sich ruhig. An Bord des größten Kriegsschiffs, einer Zweiunddreißig-Kanonen-Fregatte namens Blonde, senkte ein Teufel in einem blauen Rock und einem mit Öltuch bespannten Dreispitz sein Fernrohr. Mit nachdenklich gerunzelter Stirn sah er zu den dunklen, schweigenden Wäldern hinüber, an denen sein Schiff vorüberglitt. «Ich finde», sagte er, «es sieht hier aus wie in Schottland.»

«Ja, das tut es», gab sein Begleiter, ein rotberockter Teufel, verhalten zurück, «eine Ähnlichkeit besteht zweifellos.»

«Etwas stärker bewaldet als Schottland, nicht wahr?»

«Beträchtlich stärker bewaldet», sagte der zweite Mann.

«Aber doch wie die schottische Westküste, meinen Sie nicht auch?»

«Nicht unähnlich», stimmte der zweite Teufel zu. Er war zweiundsechzig Jahre alt, recht klein gewachsen und hatte ein gewitztes, wettergegerbtes Gesicht. Es war ein freundliches Gesicht mit kleinen, strahlend blauen Augen. Er war seit über vierzig Jahren Soldat und hatte in dieser Zeit beinahe zwei Dutzend schwere Schlachten durchgestanden, die ihm einen fast unbrauchbaren rechten Arm, ein leichtes Hinken und einen nachsichtigen Blick auf die sündige Menschheit eingebracht hatten. Sein Name war Francis McLean, und er war Brigadegeneral, Schotte, kommandierender Offizier von Seiner Majestät 82stem Infanterieregiment, Gouverneur von Halifax und nun, jedenfalls den Befehlen des englischen Königs zufolge, der Herr über alles, was er vom Achterdeck der Blonde aus überblicken konnte. Er war seit dreizehn Tagen an Bord der Fregatte, so lange hatte es gedauert, von Halifax in Nova Scotia hierherzusegeln, und er spürte einen Anflug von Sorge darüber, dass diese Reisedauer ein schlechtes Vorzeichen sein könnte. Er überlegte, ob es nicht vielleicht besser gewesen wäre, die Fahrt auf vierzehn Tage auszudehnen, und berührte verstohlen das Holz der Reling. Am östlichen Ufer lag ein ausgebranntes Schiffswrack. Einst war es ein stolzes Schiff gewesen, mit dem man den Ozean hatte überqueren können, doch nun war es nur noch ein Gerippe aus verkohltem Holz, das halb von der hereinkommenden Flut verschluckt wurde, mit der die Blonde flussaufwärts fuhr. «Wie weit sind wir jetzt vom offenen Meer entfernt?», fragte er den blauuniformierten Captain der Blonde.

«Sechsundzwanzig Seemeilen», antwortete Captain Andrew Barkley sofort, «und dort», er deutete über den Steuerbordbug und den löwengeschmückten Kranbalken hinweg, an dem einer der Anker hing, «ist Ihr neues Zuhause.»

McLean lieh sich das Fernrohr des Captains aus, nutzte seinen schlechten rechten Arm als Ablage und richtete das Teleskop bugwärts. Einen Moment lang behinderten ihn die Schiffsbewegungen, sodass er nichts weiter wahrnahm als verschwommene graue Wolken, dunkles Land und träge fließendes Wasser, doch dann fand er sicheren Stand und erkannte die Erweiterung des Penobscot zu dem großen See, den Captain Barkley die Bucht von Penobscot nannte. Die Bucht, dachte McLean, war eigentlich ein breiter Meeresarm, der, wie er aus der Beschäftigung mit Barkleys Karten wusste, von Osten nach Westen etwa acht Meilen maß und drei von Norden nach Süden. Am östlichen Ufer der Bucht lag ein Hafen. Der Hafenzugang war von Felsen begrenzt, und auf seiner nördlichen Seite erhob sich ein dichtbewaldeter Hügel. Eine Siedlung stand auf dem Südhang des Hügels; etwa zwanzig Holzhäuser und Scheunen zwischen kleinen Kornfeldern, Gemüsebeeten und aufgestapelten Holzbalken. Ein paar Fischerboote ankerten im Hafen neben einer kleinen Brigg, die MacLean für einen Handelsfahrer hielt. «Das ist also Majabigwaduce», sagte er leise.

«Toppsegel bergen!», rief der Captain, «Befehl an die Flotte zum Beidrehen. Geben Sie bitte das Signal für einen Lotsen, Mister Fennel!»

«Aye, aye, Sir!»

Mit einem Mal wimmelte es auf der Fregatte von Männern, die losrannten, um Segel loszumachen. «Das ist Majabigwaduce», sagte Barkley, und sein Ton machte klar, dass er den Namen genauso lachhaft fand wie den Ort.

«Erste Kanone!», rief Lieutenant Fennel und löste damit eine weitere Welle von Männern aus, die zur vordersten Steuerbordkanone hasteten.

«Haben Sie irgendeine Vorstellung davon», fragte McLean den Captain, «wofür Majabigwaduce steht?»

«Steht?»

«Bedeutet der Name irgendetwas?»

«Nein, keine Ahnung», sagte Barkley, leicht gereizt von dieser Frage. «Jetzt, Mister Fennel!»

Die Kanone, mit Pulver und einem Wergpfropfen, jedoch ohne Kanonenkugel geladen, wurde abgefeuert. Der Rückstoß war schwach, doch der Knall schien sehr laut, und die Rauchwolke hüllte das halbe Deck der Blonde ein. Der Schuss verhallte, wurde dann vom Land zurückgeworfen und verhallte ein zweites Mal.

«Jetzt werden wir gleich eine Entdeckung machen, nicht wahr?», sagte Barkley.

«Und was für eine?», fragte McLean.

«Ob sie loyal sind, General, ob sie loyal sind. Wenn sie von der Rebellion infiziert wurden, werden sie uns wohl kaum ein Lotsenschiff zur Verfügung stellen, oder?»

«Ich vermute, nicht», sagte McLean, obwohl er argwöhnte, dass ein illoyaler Lotse der Sache des Aufstandes sehr nützlich sein könnte, indem er die HMSBlonde auf einen Felsen führte. Viele davon durchbrachen den Wasserspiegel der Bucht. Auf einem, keine fünfzig Schritte von der hafenseitigen Reling der Fregatte entfernt, spreizte ein Kormoran die Flügel, um sein Gefieder zu trocknen.

Sie warteten. Die Kanone war abgefeuert worden, und das war das übliche Signal dafür, dass ein Lotse angefordert wurde, der Rauch aber verhinderte, dass irgendwer an Bord sehen konnte, ob man ihrem Wunsch in der Siedlung von Majabigwaduce nachkam. Die fünf Transportschiffe, vier Schaluppen und eine Fregatte, glitten mit der Flut weiter flussaufwärts. Das lauteste Geräusch war das Ächzen, Keuchen und Plätschern der Pumpe auf einer der Schaluppen, der HMSNorth. Das Wasser spritzte und sprudelte rhythmisch aus einem Ulmenholz-Speier, dessen anderes Ende in den Rumpf hinunterreichte, wo Seeleute die Bilge leer pumpten. «Man hätte sie abwracken und zu Feuerholz verarbeiten sollen», sagte Captain Barkley säuerlich.

«Kann man sie denn nicht flicken?», fragte McLean.

«Die Balken sind vollständig verrottet. Sie ist das reinste Sieb», sagte Barkley geringschätzig. Kleine Wellen schwappten an den Rumpf der Blonde, und die blaue Flagge am Heck flatterte im unbeständigen Wind. Noch immer war kein Boot in Sicht, und Barkley befahl einen zweiten Signalschuss. Der Knall wurde zurückgeworfen und verhallte, und gerade als Barkley erwog, die Flottille ohne die Unterstützung eines Lotsen in den Hafen zu bringen, rief ein Matrose vom Vormasttopp herunter: «Boot kommt, Sir!»

Als sich der Pulverrauch gelegt hatte, sahen die Männer auf der Blonde in der Tat ein kleines, offenes Boot vom Hafen aus herankommen. Die Brise aus Südwest war so leicht, dass die hellbraunen Segel dem Boot gegen die hereinströmende Flut kaum etwas nützten, und deshalb hatte sich ein junger Mann an zwei lange Ruder gesetzt. Einmal in der weiten Bucht angekommen, zog er die Ruder ein, hisste mühsam die Segel und nahm, langsam gegen den Wind segelnd, Kurs auf die Flottille. Ein Mädchen saß an der Ruderpinne und lenkte das kleine Gefährt auf die Steuerbordseite der Blonde, wo der junge Mann flink auf die Bootsleiter sprang, die an dem sich verjüngenden Rumpf nach oben führte. Er war groß, blond, und seine Hände hatten Schwielen und Verfärbungen vom Umgang mit geteertem Takelwerk und Fischernetzen. Er trug Kniehosen aus selbstgewebtem Leinen und eine Segeltuchjacke, grobe Stiefel und eine Strickmütze. Er kletterte an Deck und rief dann zu dem Mädchen hinunter: «Pass gut auf sie auf, Beth!»

«Hört auf zu gaffen, ihr Puddingköpfe!», brüllte der Bootsmann, als die Matrosen das blonde Mädchen anstarrten, das ein Ruder benutzte, um ihr kleines Boot vom Rumpf der Fregatte abzustoßen. «Bist du der Lotse?», fragte der Bootsmann den jungen Mann.

«James Fletcher», sagte der junge Mann, «und das bin ich vermutlich, aber ihr braucht ohnehin keinen Lotsen.» Grinsend ging er zu den Offizieren im Heck der Blonde. «Hat einer der Gentlemen ein bisschen Tabak?», fragte er, während er den Niedergang zum Poopdeck hinaufstieg. Er erntete nur Schweigen, bis General McLean in die Tasche griff und eine kurze Tonpfeife zutage förderte, die schon gestopft war.

«Genügt das?», fragte der General.

«Das genügt vollkommen», sagte Fletcher anerkennend, klopfte den Tabak aus dem Pfeifenkopf und steckte ihn in den Mund. Dann reichte er dem General die leere Pfeife zurück. «Hatte seit zwei Monaten keinen Tabak», sagte er zur Erklärung und nickte Barkley leutselig zu. «Es gibt in Bagaduce keine großen Gefahrenstellen, Captain, solange Sie vom Dyce’s Head wegbleiben. Sehen Sie?» Er deutete auf die dreizackige Felsklippe an der Nordseite des Hafeneingangs. «Da sind Felsen. Und noch mehr Felsen sind vor Cross Island auf der anderen Seite. Halten Sie sich hier in der Mitte der Fahrrinne, und Sie sind absolut sicher.»

«Bagaduce?», fragte General McLean.

«So nennen wir es, Euer Ehren. Bagaduce. Sagt sich leichter als Majabigwaduce.» Der Lotse grinste, dann spuckte er einen Strahl Tabaksaft auf die mit Sandstein gescheuerten Planken der Blonde. Stille hing über dem Achterdeck, während die Offiziere auf den dunklen Fleck starrten.

«Majabigwaduce», brach McLean das Schweigen, «bedeutet das irgendetwas?»

«Große Bucht mit großen Tiden», sagte Fletcher, «hat jedenfalls mein Vater immer gesagt. Aber das ist ein Indianerwort, also kann es alles Mögliche bedeuten.» Der junge Mann sah sich mit sichtbarem Wohlgefallen auf dem Deck der Fregatte um. «Das ist wirklich mal ein aufregender Tag», bemerkte er heiter.

«Aufregend?», fragte General McLean.

«Phoebe Perkins ist guter Hoffnung. Wir haben alle gedacht, der Säugling müsste inzwischen aus ihr rausgerutscht sein, ist er aber nicht. Und es wird ein Mädchen!»

«Das wissen Sie?», sagte General McLean amüsiert.

«Phoebe hat schon sechs Kinder, und allesamt sind Mädchen. Sie sollten noch eine Kanone abfeuern, Captain, dann erschrickt das Neue so, dass es aus ihr rauskommt!»

«Mister Fennel!», rief Captain Barkley durch ein Sprechrohr. «Schoten anholen, wenn ich bitten darf.»

Die Blonde nahm Geschwindigkeit auf. «Bringt sie rein», sagte Barkley zum Steuermann, und so kamen die Blonde, die North, die Albany, die Nautilus, die Hope und die fünf Transporter, die sie eskortierten, nach Majabigwaduce. Sie erreichten sicher den Hafen und warfen Anker. Es war der 17. Juni 1779, und zum ersten Mal, seit man sie im März 1776 zum Rückzug aus Boston gezwungen hatte, waren die Briten wieder in Massachusetts.

 

Etwa zweihundert Meilen westlich und etwas südlich von der Stelle, an der die Teufel angekommen waren, ließ Brigadegeneral Peleg Wadsworth sein Bataillon auf der Gemeindewiese exerzieren. Es waren nur siebzehn Truppenangehörige da, und von diesen siebzehn konnte keiner als ordentlicher Soldat bezeichnet werden. Der jüngste, Alexander, war fünf, wohingegen die ältesten die zwölfjährigen Fowler-Zwillinge Rebecca und Dorcas waren, und alle betrachteten den Brigadier, der einunddreißig Lenze zählte, mit ernstem Blick. «Ich möchte», sagte der General, «dass ihr in einer geraden Linie vorrückt. Auf Befehl bleibt ihr stehen. Wie heißt das Befehlswort, Jared?»

Jared, der neun Jahre alt war, dachte kurz nach. «Halt?»

«Sehr gut, Jared. Der nächste Befehl heißt ‹Vorbereiten zum Formieren einer Linie›, und ihr macht gar nichts!» Der Brigadier musterte seine Zwergentruppe, die in einer Marschlinie nach Norden ausgerichtet war. «Verstanden? Ihr macht nichts! Dann werde ich rufen, dass sich die Kompanien eins, zwei, drei und vier nach links ausrichten sollen. Diese Kompanien», und damit schritt der General die Linie ab und zeigte an, welche Kinder die ersten vier Kompanien bilden sollten, «sind der linke Flügel. Was bist du, Jared?»

«Der linke Flügel», sagte Jared und flatterte mit seinen Armen.

«Sehr gut! Und ihr», der General ging die übrige Aufstellung ab, «seid die Kompanien fünf, sechs, sieben und acht, also der rechte Flügel, und ihr dreht euch nach rechts. Dann gebe ich euch den Befehl ‹Augen geradeaus›, und ihr dreht euch um. Dann schwenken wir um. Alexander? Du bist der Fahnenträger, also bewegst du dich nicht.»

«Aber ich will einen Rotrock töten, Papa», bettelte Alexander.

«Du bewegst dich nicht von der Stelle», beharrte der Vater des Fahnenträgers, und anschließend wiederholte er alles, was er gesagt hatte. Alexander hielt einen langen Stock in der Hand, der als amerikanische Flagge herhalten musste. Nun zielte er mit dem Stock auf die Kirche und tat so, als würde er Rotröcke abschießen, sodass er in die Schlachtreihe zurückgescheucht werden musste, deren Mitglieder mehr oder weniger übereinstimmend erklärten, verstanden zu haben, was ihr einstiger Schulmeister von ihnen wollte. «Und denkt daran», ermunterte sie Peleg Wadsworth, «dass ihr bei dem Befehl ‹Schwenkt› in eurer Blickrichtung weitergeht, aber um einen Mittelpunkt herum, wie die Zeiger einer Uhr! Das soll rund laufen! Sind alle bereit?»

Eine kleine Zuschauergruppe hatte sich zusammengefunden, aus der auch mancher Ratschlag ertönte. Ein Mann, ein Pastor auf der Durchreise, entsetzte sich darüber, dass so kleine Kinder das Kriegshandwerk gelehrt wurde, und er hatte General Wadsworth deshalb getadelt, aber der Brigadier hatte dem Gottesmann versichert, es seien nicht die Kinder, die sich hier übten, sondern er selbst. Er wollte genau verstehen, wie sich eine Kolonne Kompanien zu einer Regimentslinie formierte, die den Feind mit Musketenfeuer vernichten konnte. Es war schwer, eine Truppe in einer Gefechtslinie vorrücken zu lassen, weil eine lange Reihe Männer unweigerlich auseinanderdriftete und ihren Zusammenhalt verlor, und um das zu vermeiden, mussten die Männer in Kolonnen vorrücken, einer hinter dem anderen, doch solch eine Kolonne war sehr anfällig für Kanonenbeschuss und beinahe außerstande, die Musketen einzusetzen, und deshalb bestand die Kunst des Manövers darin, in Kolonnen vorzurücken und sich dann rasch zu einer Linie zu formieren. Wadsworth wollte den Drill beherrschen, doch weil er ein General der Miliz von Massachusetts war und weil die Milizionäre zum größten Teil auf ihren Bauernhöfen und in ihren Handwerksbetrieben beschäftigt waren, musste Wadsworth mit Kindern üben. Die führende Kompanie, die normalerweise aus drei Gliedern zu dreißig oder mehr Männern gebildet wurde, bestand an diesem Tag aus der zwölfjährigen Rebecca Fowler und ihrem neunjährigen Cousin Jared. Beide waren aufgeweckte Kinder und imstande, so hoffte Wadsworth jedenfalls, ein Beispiel zu geben, dem die anderen folgen würden. Das Manöver, das er durchführen lassen wollte, war schwierig. Das Bataillon würde in Kolonnen auf den Feind zumarschieren und dann stehen bleiben. Dann würden sich die führenden Kompanien in die eine, die nachrückenden in die entgegengesetzte Blickrichtung ausrichten, und dann würde die gesamte Linie um den Fahnenträger als Achsmittelpunkt herumschwenken, bis sie den Befehl zum Stehenbleiben erhielt. Damit würden die ersten vier Kompanien mit dem Rücken zum Feind stehen, und Wadsworth würde den acht Kindern den Befehl zum Kehrtmachen geben, und dann endlich wäre das ganze formidable Bataillon bereit, das Feuer auf den Feind zu eröffnen. Wadsworth hatte zugeschaut, als britische Regimenter ein ähnliches Manöver auf Long Island ausgeführt hatten, und er hatte widerwillig ihre Präzision bewundert und selbst mit angesehen, mit welcher Geschwindigkeit sie sich von einer Kolonne zu einer langen Linie formiert hatten, die wilde Musketensalven auf die amerikanischen Streitkräfte niedergehen ließ.

«Sind wir bereit?», fragte Wadsworth erneut. Wenn er Kindern erklären konnte, wie es funktionierte, hatte er beschlossen, dann wäre es ein Leichtes, es den Milizionären beizubringen. «Vorwärts marsch!»

Die Kinder bewegten sich in löblicher Ordnung vorwärts, wenn auch Alexander auf und ab hüpfte vor Lust, mit seinen Kameraden im Gleichschritt zu marschieren. «Bataillon!», rief Wadsworth. «Halt!»

Sie blieben stehen. So weit, so gut. «Bataillon! Vorbereiten zum Formieren einer Linie! Noch nicht bewegen!» Er hielt einen Moment inne. «Der linke Flügel dreht sich nach links! Der rechte Flügel dreht sich nach rechts! Auf mein Kommando. Bataillon! Augen geradeaus!»

Rebecca drehte sich nach rechts statt nach links, und im Bataillon brach Verwirrung aus. Jemand wurde am Haar gezogen, und Alexander begann «Peng» zu rufen, während er imaginäre Rotröcke erschoss, die vom Gemeindefriedhof her angriffen. «Schwenkt um! Marsch!», rief Wadsworth, und die Kinder drehten sich in unterschiedliche Richtungen. Inzwischen, so dachte der General verzweifelt, hätten die britischen Truppen schon zwei mörderische Salven auf sein Regiment abgefeuert. Vielleicht, überlegte Wadsworth, war der Einsatz von Kindern aus der Schule, an der er unterrichtet hatte, bevor er Soldat wurde, doch nicht der beste Weg, um sich in der Beherrschung von Infanterietaktiken zu üben. «Formiert eine Linie!», rief er.

«Es geht folgendermaßen», kam es von einem Mann auf Krücken, der zu den Zuschauern gehörte. «Man macht es Kompanie für Kompanie. Das geht zwar langsamer, General, aber langsam und beharrlich gewinnt man den Kampf.»

«Nein, nein, nein!», mischte sich jemand ein. «Der vordere rechte Kompanieführer der Ersten Kompanie macht einen Schritt nach links und einen Schritt nach vorn, dann wird er zum linken Kompanieführer, hebt die Hand, und die Folgenden schließen sich ihm an. Oder ihr, in Ihrem Regiment, General.»

«Besser eine Kompanie nach der anderen», beharrte der Krüppel auf seiner Meinung. «So haben wir es in Germantown gemacht.»

«Aber in Germantown habt ihr verloren», sagte der zweite Mann.

Johnny Fiske gab vor, erschossen worden zu sein, taumelte dramatisch herum und fiel zu Boden, und Peleg Wadsworth, dem es kaum gelang, sich selbst in der Rolle eines Generals zu sehen, kam zu dem Schluss, dass es ihm nicht gelungen war, das Manöver richtig zu erklären. Er fragte sich, ob er die Beherrschung des komplizierten Infanteriedrills überhaupt jemals benötigen würde. Die Franzosen hatten sich dem Unabhängigkeitskampf der Amerikaner angeschlossen und eine Armee über den Atlantik geschickt, und der Krieg wurde nun sehr weit von Massachusetts entfernt in den Südstaaten geführt.

«Ist der Krieg gewonnen?», unterbrach da eine Stimme seine Gedanken, und als er sich umwandte, hatte er seine Frau Elizabeth vor sich, die ihre einjährige Tochter Zilpha auf dem Arm trug.

«Ich glaube», sagte Peleg Wadsworth, «die Kinder haben die Rotröcke in Amerika bis auf den letzten Mann getötet.»

«Dafür sei Gott gedankt», sagte Elizabeth heiter. Sie war sechsundzwanzig, fünf Jahre jünger als ihr Mann, und wieder schwanger. Alexander war ihr Ältester, dann kamen der dreijährige Charles und die kleine Zilpha, die ihren Vater mit ernster Miene und weit aufgerissenen Augen anstarrte. Elizabeth war beinahe so groß wie Peleg, der nun ein Notizbuch und einen Stift in eine Tasche seiner Uniformjacke zurückschob. Die Uniform stand ihm sehr gut, dachte sie, auch wenn der blaue Soldatenrock mit den weißen Aufschlägen und den elegant geknöpften Schößen unbedingt geflickt werden musste. Aber man bekam keinen blauen Stoff, nicht einmal in Boston, jedenfalls nicht zu einem Preis, den Peleg und Elizabeth Wadsworth aufbringen konnten. Elizabeth amüsierte sich heimlich über die angespannte, besorgte Miene ihres Gatten. Er war ein guter Mann, dachte sie voller Zuneigung, immer redlich und von allen Nachbarn geachtet. Er hatte einen Haarschnitt nötig, obwohl die leicht zerzausten dunklen Locken seinem schmalen Gesicht einen anziehend verwegenen Ausdruck verliehen. «Es tut mir leid, wenn ich den Krieg unterbreche», sagte Elizabeth, «aber du hast einen Besucher.» Sie nickte in Richtung ihres Hauses, vor dem ein Uniformierter sein Pferd an die Pferdestange band.

Der Besucher war dünn, hatte ein rundes Gesicht und eine Brille, und er kam Wadsworth bekannt vor, doch er konnte ihn nicht einordnen. Als der Mann sein Pferd festgebunden hatte, zog er ein Papier aus der Schoßtasche seines Uniformrocks und kam über die sonnenbeschienene Gemeindewiese heran. Seine Uniform war hellbraun mit weißen Aufschlägen. Ein Säbel hing an einer Lederschlaufe von seinem Schwertgürtel herab. «General Wadsworth», sagte er beim Näherkommen. «Schön, Sie bei bester Gesundheit anzutreffen, Sir», fügte er hinzu, und nachdem Wadsworth einige Sekunden lang vergeblich nach einem Namen gesucht hatte, der zu diesem Gesicht passte, fiel er ihm gottlob wieder ein.

«Captain Todd», sagte er, seine Erleichterung verbergend.

«Major Todd inzwischen, Sir.»

«Glückwunsch, Major.»

«Ich bin zur Unterstützung General Wards eingesetzt», sagte Todd, «der Ihnen dies hier sendet.» Er reichte Wadsworth das Papier. Es war ein einzelnes Blatt, gefaltet und gesiegelt, und der Name General Artemas Ward stand in spinnenhafter Schrift unter dem Siegel.

Major Todd blickte ernst zu den Kindern hinüber, die immer noch in einer etwas unordentlichen Linie standen und zurückstarrten, fasziniert von der gebogenen Klinge an seiner Hüfte. «Rührt euch», befahl Todd und lächelte Wadsworth an. «Sie rekrutierten Ihre Soldaten recht jung, General.»

Wadsworth, dem es etwas unangenehm war, beim Exerzieren mit Kindern überrascht worden zu sein, antwortete nicht. Er brach das Siegel auf und las die kurze Nachricht. General Artemas Ward entbot dem Brigadegeneral Wadsworth seine besten Grüße und bedauerte, ihn darüber informieren zu müssen, dass gegen Lieutenant Colonel Paul Revere, den kommandierenden Offizier des Artillerieregiments von Massachusetts, Klage geführt werden sollte, weil er Rationen und Sold für dreißig nicht existierende Männer abgezweigt hatte, und General Ward forderte Wadsworth nun auf, den Wahrheitsgehalt dieser Beschuldigungen zu überprüfen.

Wadsworth las die Nachricht ein zweites Mal, schickte dann die Kinder weg und bat Todd mit einer Geste zu einem kleinen Spaziergang Richtung Friedhof. «Ist General Ward wohlauf?», erkundigte er sich höflich. Artemas Ward kommandierte die Miliz von Massachusetts.

«Im Großen und Ganzen», antwortete Todd, «nur die ewigen Schmerzen in den Beinen.»

«Er wird alt», sagte Wadsworth, und dann tauschten die beiden Männer eine Weile lang Neuigkeiten über Geburten, Heiraten, Krankheiten und Todesfälle aus, was es eben in ihrer kleinen Gemeinschaft an Veränderungen so gab. Sie waren im Schatten einer Ulme stehen geblieben, und schließlich wedelte Wadsworth mit dem Brief. «Es erscheint mir seltsam», sagte er bedächtig, «dass eine so unbedeutende Nachricht von einem Major überbracht wird.»

«Unbedeutend?», fragte Todd ernst. «Es handelt sich um Unterschlagung.»

«Was sich, wenn es wahr ist, aus den Musterungsbüchern belegen lässt. Braucht man einen General, um die Bücher zu prüfen? Das kann ein Schreiber machen.»

«Ein Schreiber hat es bereits getan», sagte Todd grimmig, «aber der Name eines Schreibers auf dem offiziellen Bericht hat keinerlei Gewicht.»

Wadsworth hörte Todds Gereiztheit. «Und Sie wollen, dass er Gewicht hat?», fragte er.

«General Ward will die Angelegenheit gründlich untersucht haben», gab Todd zurück, «und Sie sind der Generaladjutant der Miliz und damit für die Disziplin der Streitkräfte verantwortlich.»

Wadsworth zuckte bei diesen Worten leicht zusammen, die er für eine impertinente und überflüssige Erinnerung an seine Pflichten hielt, ließ die Anmaßung jedoch kommentarlos durchgehen. Todd galt als gründlicher und fleißiger Mann, aber Wadsworth erinnerte sich auch an ein Gerücht, nach dem Major William Todd und Lieutenant Colonel Paul Revere eine tiefsitzende gegenseitige Abneigung pflegten. Todd hatte gemeinsam mit Revere in der Artillerie gedient, war dann jedoch unter Protest gegen die schlechte Organisation des Regiments ausgeschieden, und Wadsworth vermutete, dass Todd seine neue Position ausnutzte, um seinem alten Feind zu schaden. Das gefiel Wadsworth nicht. «Colonel Revere», sagte er milde, wenn auch vorsätzlich provozierend, «genießt einen Ruf als guter und glühender Patriot.»

«Er ist kein Ehrenmann», gab Todd heftig zurück.

«Wenn Kriege nur von Ehrenmännern geführt würden», sagte Wadsworth, «müssten wir dann nicht dauerhaften Frieden haben?»

«Sind Sie mit Colonel Revere bekannt, Sir?», fragte Todd.

«Mehr als eine flüchtige Bekanntschaft ist es nicht», sagte Wadsworth.

Todd nickte, als sei das die richtige Antwort. «Ihr Ruf, General», sagte er, «ist unanfechtbar. Wenn Sie eine Unterschlagung nachweisen, wird kein Mann in Massachusetts das Urteil anzweifeln.»

Wadsworth warf einen erneuten Blick auf die Nachricht. «Nur dreißig Mann?», fragte er zweifelnd. «Wegen solch einer Kleinigkeit sind Sie von Boston hierhergeritten?»

«Der Ritt ist gar nicht so lang», sagte Todd abwehrend, «und ich habe in Plymouth zu tun, also konnte ich Ihnen bequem meine Aufwartung machen.»

«Wenn Sie zu tun haben, Major», sagte Wadsworth, «dann will ich Sie nicht aufhalten.» Die Höflichkeit verlangte, dass er Todd zumindest eine Erfrischung anbot, und Wadsworth war ein höflicher Mann, doch er ärgerte sich darüber, in etwas hineingezogen zu werden, das er für eine Privatfehde hielt.

«Es gibt Gerüchte», bemerkte Todd, während sie auf dem Rückweg die Gemeindewiese überquerten, «über einen Angriffsplan auf Kanada.»

«Über einen Angriff auf Kanada gibt es immerzu Gerüchte», sagte Wadsworth etwas ruppig.

«Sollte solch ein Angriff stattfinden», sagte Todd, «muss unsere Artillerie unter dem Befehl der besten Männer stehen, die wir haben.»

«Das ist auf jeden Fall wünschenswert», sagte Wadsworth, «ganz gleich, ob wir gegen Kanada marschieren oder nicht.»

«Wir brauchen einen redlichen Mann», sagte Todd.

«Wir brauchen einen Mann, der geradeaus schießen kann», gab Wadsworth schroff zurück und fragte sich, ob Todd selbst den Posten als Artilleriekommandeur anstrebte, doch er sagte nichts weiter. Seine Frau erwartete sie mit einem Glas Wasser an der Pferdestange, und Todd trank dankbar, bevor er Richtung Süden nach Plymouth weiterritt. Wadsworth ging ins Haus und zeigte Elizabeth den Brief. «Ich fürchte, hier geht es um Politik, meine Liebe», sagte er. «Nur um Politik.»

«Ist das schlecht?»

«Es ist unangenehm», sagte Wadsworth. «Colonel Revere ist ein Mann der Fraktionen.»

«Fraktionen?»

«Colonel Revere ist sehr eifrig», sagte Wadsworth und wägte seine Worte ab, «und sein Eifer macht ihm sowohl Freunde als auch Feinde. Ich vermute, dass Major Todd die Klage ins Rollen gebracht hat. Dahinter stecken Neid und Eifersucht.»

«Also glaubst du, die Beschuldigung trifft nicht zu?»

«Ich habe keine Meinung», sagte Wadsworth, «und ich würde nur allzu gern in meiner Unwissenheit verharren.» Er las den Brief noch einmal ganz durch.

«Es ist trotzdem ein Fehlverhalten», sagte Elizabeth streng.

«Oder ist es eine falsche Anschuldigung? Hat sich der Schreiber geirrt? Die Sache verwickelt mich jedenfalls in all diese Fraktionshändel, und das hasse ich. Wenn ich ihm ein Fehlverhalten nachweise, mache ich mir halb Boston und die gesamte Freimaurerschaft zum Feind. Und genau deshalb würde ich lieber unwissend bleiben.»

«Also wirst du nicht darauf reagieren?», fragte Elizabeth.

«Ich werde meine Pflicht tun, meine Liebe», sagte Wadsworth. Er hatte seine Pflicht immer getan, und sehr gut. Als Student in Harvard, als Schullehrer, als Captain in der Stadtgarde von Lexington, als Flügeladjutant General Washingtons in der Kontinentalarmee und nun als Brigadier in der Miliz. Doch es gab Zeiten, dachte er, in denen er mit seiner Seite sehr viel mehr Schwierigkeiten hatte als mit den Briten. Er faltete den Brief zusammen und setzte sich an den Mittagstisch.

 

Majabigwaduce war eine Landausbuchtung, beinahe eine Halbinsel, und geformt wie ein Amboss. Von Osten nach Westen maß sie etwas unter zwei Meilen und von Norden nach Süden kaum eine halbe Meile. Der Kamm ihres felsigen Hügelrückens stieg von Osten nach Westen an, wo er in einem stumpfen, hochgelegenen, bewaldeten Felsvorsprung endete, von dem man über die weite Bucht von Penobscot blicken konnte. Die Siedlung lag auf der Südseite des Hügelrückens, wo die britische Flotte im Hafen ankerte. Es war ein Dorf mit kleinen Häusern, Scheunen und Lagerhallen. Die kleinsten Häuser waren einfache Blockhütten, doch einige waren erheblich größer, mit zwei Stockwerken, und zum Teil mit Zedernschindeln verkleidet, die im milden Sonnenlicht silbrig schimmerten. Eine Kirche gab es noch nicht.

Auf dem Hügel über dem Dorf stand dichter Fichtenwald, nur weiter im Westen, wo sich die höchste Erhebung befand, gab es schöne Ahornbäume, Buchen und Birken. Eichen wuchsen unten am Wasser. Um die Siedlung war viel Land gerodet und mit Getreide bepflanzt worden, und nun fraßen sich Äxte in die Fichten, weil sich die Rotröcke darangemacht hatten, den Hügelkamm über dem Dorf freizulegen.

Siebenhundert Soldaten waren nach Majabigwaduce gekommen. Vierhundertfünfzig waren kilttragende Highlander vom 74sten, zweihundert waren Lowlander vom 82sten, und die übrigen fünfzig waren Pioniere und Kanoniere. Die Flotte, die sie gebracht hatte, war aufgelöst worden. Die Blonde segelte Richtung New York, und zurück blieben nur drei leere Transportschiffe und drei kleine Kriegsschaluppen, deren Masten nun den Hafen Majabigwaduce’ dominierten. Am Strand stapelte sich der gelöschte Proviant, und ein neuer Weg, dessen Fahrspuren sich tief in die Erde gruben, führte direkt vom Wasser den Abhang hinauf zum Kamm des Hügels. Brigadier McLean stieg diesen Weg mit Hilfe eines gekrümmten Schwarzdornstocks hinauf. Er wurde von einem Zivilisten begleitet. «Unsere Einheit ist klein, Doktor Calef», sagte McLean, «aber Sie können sich darauf verlassen, dass wir unsere Pflicht tun.»

«Calf», sagte Calef.

«Verzeihung?»

«Mein Name, General, wird Calf ausgesprochen.»

«Oh, entschuldigen Sie, Doktor», sagte McLean und neigte den Kopf.

Doktor Calef war ein stämmiger Mann und ein paar Jahre jünger als McLean. Er trug einen flachen Hut auf einer Perücke, die seit Wochen nicht gepudert worden war und ein rundliches Gesicht mit hervorspringendem Kinn einrahmte. Er hatte sich McLean selbst vorgestellt, seinen Rat, seine Hilfe und jede andere Unterstützung angeboten, die er geben konnte. «Sie werden doch hierbleiben, hoffe ich», sagte der Arzt.

«Zweifellos, Sir, zweifellos», sagte McLean und bohrte seinen Stock in die dünne Erdkrume. «In der Tat, wir beabsichtigen zu bleiben.»

«Um was zu tun?», fragte Calef knapp.

«Nun», McLean blieb stehen und schaute zwei Männern zu, die von einem halbgefällten Baum zurücktraten, der sich zunächst langsam neigte und dann in einer Explosion aus splitternden Ästen, Kiefernnadeln und Staub zu Boden stürzte. «Meine erste Pflicht, Doktor», sagte er, «ist es, die Aufständischen daran zu hindern, die Bucht als Hafen für ihre Kaperschiffe zu nutzen. Diese Piraten sind ein Ärgernis.» Das war noch milde ausgedrückt. Die amerikanischen Rebellen hielten mit Ausnahme der belagerten britischen Garnison Newport auf Rhode Island die gesamte Küstenlinie zwischen Kanada und New York, und britische Handelsschiffe konnten auf ihrer langen Fahrt jederzeit von den gutbewaffneten, schnellen Kaperseglern der Aufständischen angegriffen werden. Indem sie Majabigwaduce besetzten, würden die Briten die Bucht von Penobscot beherrschen und die Aufständischen daran hindern, den guten Liegeplatz zu nutzen, aus dem ein Stützpunkt der königlichen britischen Marine werden sollte. «Zugleich», fuhr McLean fort, «habe ich Befehl, jeden Angriff auf Kanada zu verhindern, und drittens, Doktor, soll ich den Handel hier beleben.»

«Mastbäume», knurrte Calef.

«Ja, vor allem Holz für Mastbäume», stimmte McLean zu, «und viertens sollen wir diese Region besiedeln.»

«Besiedeln?»

«Für die Krone, Doktor, für die Krone.» McLean lächelte und deutete mit seinem schwarzen Stock auf die Landschaft. «Sehet, Doktor Calef, Seiner Majestät Provinz New Ireland.»

«New Ireland?», fragte Calef.

«Von der kanadischen Grenze achtzig Meilen südwärts», sagte McLean, «all das ist New Ireland.»

«Dann wollen wir hoffen, dass es nicht so papistisch ist wie das alte Irland», sagte Calef säuerlich.

«Ich bin sicher, dass es ein gottesfürchtiges Land sein wird», sagte McLean taktvoll. Der General hatte viele Jahre in Portugal gedient und teilte die Abneigung seiner Landsleute gegen die Katholiken nicht, doch er war als Soldat erfahren genug, um zu wissen, wann es sich nicht zu kämpfen lohnte. «Und was hat Sie nach New Ireland verschlagen, Doktor?», fragte er, um das Thema zu wechseln.

«Ich wurde von den verdammten Aufständischen aus Boston vertrieben», sagte Calef wütend.

«Und anschließend haben Sie sich diesen Ort hier ausgesucht?», fragte McLean, außerstande, seine Überraschung darüber zu verbergen, dass der Arzt von Boston in diese neblige Wildnis geflüchtet war.

«Wohin hätte ich meine Familie sonst mitnehmen können?», fragte Calef, immer noch wütend. «Bei Gott, General, zwischen New York und hier gibt es keine rechtmäßige Regierung! Vom Namen einmal abgesehen, sind die Kolonien schon unabhängig! In Boston haben die Schufte eine eigene Verwaltung, ein Parlament, Staatsämter und Gerichte! Warum? Warum wird das erlaubt?»

«Sie hätten doch nach New York gehen können», sagte McLean, ohne auf Calefs empörte Frage einzugehen, «oder nach Halifax.»

«Ich komme aus Massachusetts», sagte Calef, «und ich vertraue darauf, eines Tages nach Boston zurückkehren zu können, aber in ein Boston, in dem es keine Aufständischen mehr gibt.»

«Auch ich bete darum», sagte McLean. «Sagen Sie, Doktor, hat die Frau ihr Kind gut zur Welt gebracht?»

Doktor Calef blinzelte überrascht. «Die Frau? Oh, Sie meinen die Frau von Joseph Perkins. Ja, alles ist gut verlaufen. Ein gesundes Mädchen.»

«Also wieder ein Mädchen», sagte McLean und ließ den Blick über die weite Bucht hinter der Hafenzufahrt schweifen. «Große Bucht mit großen Tiden», sagte er leichthin und bemerkte den verständnislosen Blick des Arztes. «Mir wurde erklärt, das sei die Bedeutung von Majabigwaduce», sagte er.

Calef runzelte die Stirn und machte eine wegwerfende Geste, als wäre diese Überlegung vollkommen unwichtig. «Ich habe keine Ahnung, was der Name bedeutet, General. Da müssten Sie die Wilden fragen. Es ist ihr Name für diesen Ort.»

«Nun, jetzt ist das alles New Ireland», sagte McLean und tippte an seine Hutkrempe. «Guten Tag, Doktor, wir werden sicher noch öfter die Gelegenheit haben, miteinander zu sprechen. Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung, aber wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, die Pflicht ruft.»

Calef sah dem General nach, der weiter den Hügel hinaufhinkte. Dann rief er ihm nach: «General McLean!»

«Sir?» McLean wandte sich um.

«Sie glauben doch nicht, dass die Aufständischen Sie hier in Ruhe lassen werden, oder?»

McLean schien einen Moment lang über die Frage nachzudenken, beinahe, als hätte er sie sich noch nicht selbst gestellt. «Ich denke nicht», sagte er dann milde.

«Sie werden Sie angreifen», warnte ihn Calef. «Sobald sie wissen, dass Sie hier sind, werden sie kommen und Sie angreifen.»

«Wissen Sie was?», sagte McLean. «Das glaube ich auch.» Er tippte sich erneut an den Hut. «Guten Tag, Doktor. Ich freue mich für Mrs.Perkins.»

«Mrs.Perkins soll der Teufel holen», sagte der Doktor, aber so leise, dass es der General nicht hören konnte. Dann wandte er sich um, starrte südwärts die langgezogene Bucht hinunter, an Long Island vorbei, wo der Fluss auf seinem Weg zum Meer verschwand, und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis eine Flotte der Rebellen auftauchte.

Und diese Flotte würde auftauchen, das war sicher. Boston würde von McLeans Anwesenheit erfahren, und Boston würde an diesem Ort keine Rotröcke dulden. Und Calef kannte Boston. Er war dort für Massachusetts Mitglied im Abgeordnetenhaus gewesen, aber er war auch ein starrköpfiger Loyalist, der aus seiner Heimat vertrieben worden war, nachdem sich die Briten aus Boston zurückgezogen hatten. Und nun lebte er hier, in Majabigwaduce, und die Aufständischen würden kommen und ihn erneut jagen. Er wusste es, er fürchtete ihre Ankunft, und er fürchtete, dass ein General, der sich nach dem Wohlergehen einer Frau und ihres Babys erkundigte, zu weich war, um zu tun, was notwendig war. «Einfach alle umbringen», knurrte er vor sich hin. «Einfach alle umbringen.»

 

Sechs Tage nachdem Brigadegeneral Wadsworth die Kinder hatte exerzieren lassen und Brigadegeneral McLean in den geschützten Hafen von Majabigwaduce eingelaufen war, ging ein Captain auf dem Achterdeck seines Schiffes auf und ab, der Fregatte Warren aus der Kriegsflotte der Kontinentalstreitkräfte. Es war an diesem Morgen warm in Boston. Nebel hing über den Hafeninseln, und ein feuchter Südwestwind brachte die Ahnung eines nachmittäglichen Gewitters.

«Das Wetterglas?», fragte der Captain knapp.

«Fallend, Sir», antwortete ein Seekadett.

«Wie ich mir dachte», sagte Captain Dudley Saltonstall, «genau wie ich mir dachte.» Er ging von Backbord nach Steuerbord und von Steuerbord nach Backbord. Sein Gesicht mit dem länglichen Kinn wurde von der vorstehenden Ecke seines Dreispitzes beschattet, unter dem heraus seine dunklen Augen aufmerksam zwischen den vielen ankernden Schiffen und seiner Mannschaft hin und her wanderten, die über das Deck, die Seitenplanken und die Takelage wuselte, um die Fregatte ihrer Morgentoilette zu unterziehen. Saltonstall hatte das Kommando über die Warren erst vor kurzem erhalten, und er war entschlossen, sein Schiff sauber zu halten.

«Wie ich mir schon dachte», sagte Saltonstall erneut. Der Seekadett stand in respektvollem Schweigen neben der Backbordkanone, den Fuß auf die Lafette gestützt. Der Wind war lebhaft genug, um die Warren an ihren Ankerseilen zerren und sie auf den niedrigen Wellen tanzen zu lassen, die mit weißen Kronen durch das Hafenbecken liefen. Die Warren, ebenso wie die beiden Segler neben ihr, die ebenfalls zur Flotte der Kontinentalstreitkräfte gehörten, führte die rotweiß gestreifte Flagge, auf der eine Schlange über den Worten «Don’t Tread on Me» – Tritt nicht auf mich – aufstieg. Viele der anderen Schiffe in dem überfüllten Hafen führten die nagelneue Flagge der Vereinigten Staaten mit Streifen und Sternen, doch zwei elegante Briggs, die beide mit vierzehn Sechspfünder-Kanonen bewaffnet waren und beide nahe der Warren ankerten, ließen die Flagge der Kriegsflotte von Massachusetts flattern, die eine grüne Kiefer auf weißem Grund und die Worte «An Appeal to Heaven» – Eine Anrufung des Himmels – trug.

«Eine Anrufung des Humbugs», brummte Saltonstall unwillig.

«Sir?», fragte der Seekadett ängstlich.

«Wenn unsere Sache gerecht ist, Mister Coningsby, warum müssen wir dann den Himmel anrufen? Lassen Sie uns lieber an die Macht, an die Gerechtigkeit und an die Vernunft appellieren.»

«Aye, aye, Sir», sagte der Seekadett, verunsichert von der Angewohnheit des Captains, an dem Mann, mit dem er sprach, vorbeizuschauen.

«Anrufung des Himmels!», höhnte Saltonstall und blickte immer noch am Ohr des Seekadetten vorbei auf die beleidigende Flagge. «Im Krieg, Mister Coningsby, wäre es vermutlich sogar besser, die Hölle anzurufen.»

Die Flaggen anderer Segler waren verspielter gestaltet. Ein tiefliegendes Schiff, dessen Masten nach hinten geneigt und dessen Geschützpforten schwarz gestrichen waren, zeigte eine zusammengerollte Klapperschlange auf seiner Flagge, auf einer zweiten waren ein Schädel und gekreuzte Knochen zu sehen und auf einer dritten König George von England, der seine Krone an einen äußerst fröhlichen Yankee verlor, der eine nagelgespickte Keule schwenkte. Captain Saltonstall missbilligte all diese selbstgemachten Flaggen. Sie symbolisierten für ihn Unordnung. Ein Dutzend andere Schiffe führten britische Flaggen, doch über all diesen Flaggen waren die amerikanischen Farben aufgezogen worden, zum Zeichen, dass diese Schiffe erbeutet worden waren, und auch das missbilligte Captain Saltonstall. Nicht, dass die britischen Handelsschiffe erbeutet worden waren, das war sogar ausgesprochen vorteilhaft, und auch nicht, dass die Flaggen den Erfolg im Kampf verkündeten, denn das war ebenfalls wünschenswert, aber dass die Beuteschiffe nun als Privateigentum angesehen wurden! Nicht als Eigentum der Vereinigten Staaten, sondern als Eigentum von Freibeutern, wie die niedrig im Wasser liegende Schaluppe mit den nach achtern geneigten Masten und der Klapperschlangen-Flagge.

«Das sind nichts weiter als Piraten, Mister Coningsby», knurrte Saltonstall.

«Aye, aye, Sir», gab Seekadett Fanning zurück. Seekadett Coningsby war in der Vorwoche am Fieber gestorben, doch sämtliche zaghaften Versuche Fannings, seinen Captain zu korrigieren, waren gescheitert, und so hatte er die Hoffnung begraben, bei seinem richtigen Namen genannt zu werden.

Saltonstall sah immer noch stirnrunzelnd zu den Kaperschiffen hinüber. «Wie sollen wir eine ordentliche Mannschaft zusammenstellen, wenn die Piraterie lockt?», beschwerte sich Saltonstall. «Erklären Sie mir das, Mister Coningsby!»

«Das weiß ich nicht, Sir.»

«Es ist unmöglich, Mister Coningsby, unmöglich», sagte Saltonstall, erbost über die Ungerechtigkeit der Gesetze. Es stimmte wohl, dass die Freibeuter patriotische Kaperer waren, die sich wie grimmige Wölfe in den Kampf stürzten, doch sie kämpften für ihren privaten Profit, und das machte es für ein Kriegsschiff der Kontinentalstreitkräfte wie die Warren unmöglich, eine gute Crew zu finden. Welcher junge Bostoner würde seinem Land für ein paar Pennys dienen, wenn er bei einem Freibeuter anheuern und einen Anteil der Beute einstreichen konnte? Kein Wunder, dass es auf der Warren an Leuten fehlte! Sie führte zweiunddreißig Kanonen und war eine der schmucksten Fregatten an der amerikanischen Küste, doch Saltonstall hatte so wenige Männer, dass er nur mit der Hälfte seiner Waffen kämpfen konnte, während die Kaperschiffe alle voll bemannt waren. «Es ist eine Schande, Mister Coningsby!»

«Aye, aye, Sir», sagte Seekadett Fanning.

«Sehen Sie sich das an!» Saltonstall unterbrach sein Auf-und-ab-Gehen, um auf die Ariadne zu zeigen, ein breites britisches Handelsschiff, das von einem Kaperer erbeutet worden war. «Wissen Sie, was sie geladen hatte, Mister Coningsby?»

«Eine Fracht Nussbaumholz von New York nach London, Sir?»

«Und sechs Kanonen, Mister Coningsby! Neunpfünder! Sechs Stück. Gute, lange Neunpfünder! Ganz neu! Und wo sind diese Kanonen jetzt?»

«Das weiß ich nicht, Sir.»

«Sie werden in Boston zum Kauf angeboten!», zischte Saltonstall verächtlich. «Zum Kauf, Mister Coningsby, in Boston, während unser Land dringend Kanonen braucht! Das macht mich wütend, Mister Coningsby, wirklich wütend.»

«Aye, aye, Sir.»

«Diese Kanonen werden für irgendwelchen Firlefanz eingeschmolzen werden. Für reinen Firlefanz! Meiner Treu, das macht mich ungeheuer wütend.» Captain Saltonstall trug seinen Ärger zur Steuerbordreling, wo er stehen blieb, um einen kleinen Kutter zu beobachten, der aus Norden ankam. Seine dunklen Segel erschienen zuerst nur als Fleck im Nebel, dann gewann der Fleck deutlichere Konturen, und langsam schälte sich ein etwa vierzig Fuß langer Einmaster aus dem Dunst. Es war kein Fischerboot, dazu war der Segler zu schmal, doch in den Seitenplanken befanden sich Ruderdollen, die deutlich machten, dass der Segler an windstillen Tagen mit zwölf Rudern bewegt werden konnte, und Saltonstall erkannte in ihm eines der schnellen Kurierboote, die von der Regierung von Massachusetts eingesetzt wurden. Ein Mann stand mittschiffs und hatte die Hände um den Mund gelegt; offenkundig rief er den ankernden Seglern, an denen er vorbeifuhr, Neuigkeiten zu. Saltonstall hätte allzu gern gewusst, was der Mann rief, doch er hielt es als Captain der Kontinentalflotte für unter seiner Würde, auf solch vulgäre Art an seine Informationen zu kommen, und so wandte er sich ab, während ein Schoner, dessen Relings von Geschützpforten durchbrochen waren, Geschwindigkeit aufnahm, um an der Warren vorbeizufahren. Der Schoner war ein Freibeuter mit schwarzem Rumpf, auf dem in aufdringlichem Weiß der Name King-Killer stand. Die schmutzigen Segel der King-Killer waren zur Ausfahrt aus dem Hafen gerefft. Sie führte ein Dutzend Deckkanonen, die ausreichten, um die meisten britischen Handelsschiffe zur schnellen Aufgabe zu zwingen, und sie war auf Geschwindigkeit ausgelegt, sodass sie jedem Kriegsschiff der britischen Flotte entkommen konnte. Auf ihrem Deck drängten sich die Männer, und an der Gaffel hing eine blaue Flagge, auf die in Weiß das Wort «Liberty» gestickt war. Saltonstall wartete darauf, dass die Flagge als Gruß an sein eigenes Hoheitszeichen gesenkt wurde, doch der schwarze Schoner glitt ohne jedes Zeichen der Achtung vorüber. Ein Mann an der Heckreling sah Saltonstall an und spuckte anschließend ins Wasser, sodass der Captain der Warren wütend auffuhr, weil er eine Beleidigung vermutete. Er sah der King-Killer nach, die auf den Nebel zusteuerte. Sie ging auf Jagd, fuhr über die Bucht, nördlich um Cape Cod herum und hinaus auf den Atlantik, wo sich die fetten britischen Frachter auf ihrem Westkurs von Halifax nach New York heranwälzten.

«Firlefanz», knurrte Saltonstall.

Eine offene Barkasse mit gedrungenem Mast, um deren Reling ein schwarzer Streifen verlief, legte vom Kai von Castle Island ab. Ein Dutzend Männer saßen an den Rudern und legten sich gegen die niedrigen, kabbeligen Wellen in die Riemen. Beim Anblick der Barkasse fischte Captain Saltonstall eine Uhr aus der Tasche. Er ließ den Deckel aufschnappen und stellte fest, dass es zehn Minuten nach acht war. Die Barkasse war hundertprozentig pünktlich, und in einer Stunde würde er sie von Boston zurückkehren sehen, den Kommandanten der Garnison von Castle Island an Bord, der es vorzog, in der Stadt zu übernachten. Saltonstall schätzte die Castle-Island-Barkasse mit ihrem eleganten schwarzen Farbstreifen und der Mannschaft, die, auch wenn sie nicht in Uniform war, einheitlich blaue Hemden trug. Das zeugte von einem Streben nach Ordnung, nach Disziplin, nach Anstand.

Der Captain begann erneut, ruhelos von Backbord nach Steuerbord und von Steuerbord nach Backbord zu gehen.

Die King-Killer verschwand im Nebel.

Die Castle-Island-Barkasse zog die Ankerkette ein. Eine Kirchenglocke begann zu läuten.

Im Hafen von Boston, an einem warmen Morgen, dem 23. Juni 1779.

 

Der Zahlmeister von Seiner Majestät 82stem Infanterieregiment schritt auf dem Hügelkamm von Majabigwaduce westwärts. Hinter ihm hallten Axtschläge, während er selbst von Nebel eingehüllt war. Von dichtem Nebel. Seit die Flotte eingetroffen war, hatte es jeden Morgen Nebel gegeben. «Er wird sich in der Sonne auflösen», sagte der Zahlmeister gut gelaunt.

«Aye, aye, Sir», gab Sergeant McClure stumpfsinnig zurück. Der Sergeant hatte einen Feldposten von sechs Mann aus dem 82sten Infanterieregiment unter sich, dem Regiment des Herzogs von Hamilton, das deshalb auch die Hamiltons genannt wurde. McClure war mit seinen dreißig Jahren wesentlich älter als seine Männer und zwölf Jahre älter als der Zahlmeister, ein Lieutenant, der den Feldposten mit schnellem, begeistertem Schritt anführte. Sein Befehl lautete, einen ständigen Wachdienst an der westlichen Hügelspitze einzurichten, von dem aus die weite Bucht von Penobscot beobachtet werden sollte. Sollte ein Feind kommen, würde er sich höchstwahrscheinlich über die Bucht nähern. Die Feldposteneinheit befand sich nun in dichtem Wald, unter mächtigen Bäumen, durch die Nebelschwaden zogen. «Der Brigadier, Sir», wagte sich Sergeant McClure vor, «sagte, hier würden sich vielleicht Rebellen verstecken.»

«Unsinn! Hier gibt es keine Rebellen! Die sind alle geflohen, Sergeant!»

«Wenn Sie meinen, Sir.»

«Ja, das meine ich», sagte der junge Offizier lebhaft. Dann blieb er unvermittelt stehen und deutete ins Unterholz. «Da!»

«Ein Aufständischer, Sir?», fragte McClure, der unter den Kiefern nichts Besonderes entdecken konnte.

«Ist das eine Drossel?»

«Ach so.» Jetzt sah McClure, was die Aufmerksamkeit des Zahlmeisters erregt hatte, und schaute genauer hin. «Das ist ein Vogel, Sir.»

«Es mag Ihnen merkwürdig erscheinen, Sergeant, aber diese Tatsache war mir bekannt», sagte der Lieutenant belustigt. «Nehmen Sie die Brust zur Kenntnis, Sergeant.»

Pflichtbewusst nahm Sergeant McClure die Brust des Vogels zur Kenntnis. «Rot, Sir?»

«In der Tat. Rot. Glückwunsch, Sergeant. Müssen Sie da nicht an unser einheimisches Rotkehlchen denken? Aber dieser Bursche ist größer, viel größer! Ein hübscher Bursche, nicht wahr?»

«Soll ich ihn abschießen, Sir?», fragte McClure.

«Nein, Sergeant, ich ziehe es vor, dass Sie sein Gefieder bewundern. Eine Drossel trägt den roten Rock Seiner Majestät, würden Sie das nicht als gutes Omen deuten?»

«Oh, aye, Sir, das würde ich.»

«Mir fehlt bei Ihnen ein gewisser Eifer, Sergeant.» Der achtzehnjährige Lieutenant lächelte zum Zeichen, dass er das nicht ernst meinte. Er war groß, einen ganzen Kopf größer als der stämmige Sergeant, hatte ein rundliches, ausdrucksvolles Gesicht, in dem ständig ein Lächeln aufblitzte, und einen klugen, aufmerksamen Blick. Sein Uniformrock war aus kostspieligem scharlachrotem Tuch geschneidert, mit schwarzen Aufschlägen geschmückt, und es ging das Gerücht, die schimmernden Uniformknöpfe bestünden aus purem Gold. Lieutenant John Moore war nicht vermögend, er war ein Arztsohn, aber jedermann wusste, dass er mit dem jungen Herzog befreundet war, und der Herzog war angeblich reicher als die zehn reichsten Männer in ganz Schottland, und ein reicher Freund, wie ebenfalls jedermann wusste, war das Zweitbeste, wenn man nicht selbst reich war. Der Herzog von Hamilton war so reich, dass er die gesamten Kosten für die Aufstellung des 82sten Infanterieregiments aufgebracht hatte. Er hatte Uniformen, Musketen und Bajonette gekauft, und es wurde erzählt, dass er noch zehn weitere solcher Regimenter aufstellen konnte, ohne die Ausgabe auch nur zu bemerken. «Vorwärts», sagte Moore, «vorwärts, immer vorwärts.»

Die sechs Soldaten, alle aus den schottischen Lowlands, rührten sich nicht. Sie starrten Lieutenant Moore einfach nur an, wie ein seltsames Geschöpf aus einem fernen Heidenlande.

«Vorwärts!», rief Moore erneut und ging schnellen Schritts zwischen den Bäumen weiter. Der Nebel dämpfte den hellen Klang der Axtschläge aus der Richtung, in der Brigadier McLeans Leute den Hügelkamm rodeten, sodass um das geplante Fort offenes Schussfeld lag. Die Feldposteneinheit vom 82sten stieg inzwischen eine sanfte Anhöhe hinauf, die zu einem weiten Plateau mit dichtem Unterholz und dunklen Tannen führte. Moore stapfte durch das Gebüsch und blieb erneut unvermittelt stehen. «Da», sagte er und streckte den Zeigefinger aus, «Thalassa, Thalassa.»

«Dalassen?», fragte McClure.

«Haben Sie etwa Xenophons Anabasis nicht gelesen, Sergeant?», fragte Moore in gespieltem Entsetzen.

«Ist das die nach Leviticus, Sir?»

Moore lächelte. «Thalassa, Sergeant, Thalassa», sagte er, «war der Ruf der Zehntausend, als sie endlich, nach ihrem langen Marsch und nach ihrer schweren Mühsal, das Meer erreichten. Das bedeutet das Wort. Das Meer! Das Meer! Und es war ein Freudenruf, denn sie fanden ihre Sicherheit in der sanften Wölbung seines Busens.»

«Seines Busens, Sir», echote McClure und spähte eine jäh abfallende, dicht bewaldete Klippe hinunter, um durch Laubwerk und Nebelschwaden einen Blick auf das kalte Meer zu erhaschen. «Es ist aber nicht sehr vollbusig, Sir.»

«Und über dieses Wasser, Sergeant, von seinem Schlupfwinkel in den düsteren Landen Bostons, wird der Feind kommen. Sie werden zu Hunderten und zu Tausenden kommen, sie werden sich anschleichen wie die schwarzen Horden des Midian, auf uns niederkommen wie die Assyrer!»

«Aber nicht, wenn sich der Nebel hält, Sir», sagte McClure. «Dann werden sich diese Kerle nämlich verlaufen.»

Ausnahmsweise einmal sagte Moore nichts. Er blickte die Klippe hinunter. Es war keine richtige Klippe, mehr ein Steilufer, doch niemand würde leicht heraufklettern können. Ein Angreifer würde sich die zweihundert Fuß durch das wuchernde Unterholz hocharbeiten müssen, und ein Mann, der seine Hände brauchte, um sich festzuhalten, konnte seine Muskete nicht benutzen. Ein schmaler, steiniger Strand war gerade eben zu erkennen.

«Kommen die Kerle denn?», fragte McClure.

«Das können wir nicht sagen», sagte Moore unaufmerksam.

«Aber der Brigadier denkt es, Sir?», erkundigte sich McClure ängstlich. Die Soldaten hörten zu und ließen dabei ihre Blicke unruhig von dem kleinen Sergeant zu dem großen Offizier wandern.

«Wir müssen davon ausgehen», sagte Moore leichthin, «dass diesen erbärmlichen Kreaturen unsere Anwesenheit zuwider ist. Wir machen ihnen das Leben schwer. Indem wir uns in diesem Land der sauren Milch und des bitteren Honigs festsetzen, hindern wir ihre Kaperer daran, die Häfen zu nutzen, die sie für ihre schändlichen Plünderungen brauchen. Wir sind ein Stachel in ihrem Fleisch, wir sind unbequem, wir sind eine Bedrohung ihres Friedens.»

McClure kratzte sich an der Stirn. «Also glauben Sie, dass die Kerle kommen, Sir?»

«Ich hoffe sogar darauf, verdammt», sagte Moore mit plötzlicher Heftigkeit.

«Aber nicht hier, Sir», sagte McClure überzeugt. «Zu steil.»

«Sie werden irgendwo in Reichweite ihrer Schiffskanonen landen wollen», sagte Moore.

«Kanonen, Sir?»

«Große Metallrohre, die Kugeln ausspucken, Sergeant.»

«Oh, danke, Sir. Ich hatte mich das gerade gefragt, Sir», sagte McClure mit einem Lächeln.

Moore versuchte vergeblich, sein eigenes Lächeln zu unterdrücken. «Sie wollen einen Kanonenhagel auf uns niedergehen lassen, Sergeant, daran gibt es keinen Zweifel. Und ich bezweifle außerdem nicht, dass von Schiffen aus dieser Abhang unter Kanonenbeschuss genommen werden kann, aber Männer, die hier heraufklettern, würden direkt in unser Musketenfeuer laufen. Trotzdem hoffen wir, dass sie hier landen. Keine Einheit kommt diesen Hang herauf, wenn wir sie oben erwarten, was? Bei Gott, Sergeant, wir werden die Reihen dieser aufständischen Bastarde ordentlich lichten!»

«Das werden wir, Sir», sagte McClure pflichtbewusst, doch in seinen sechzehn Jahren Militärdienst hatte er sich an forsche junge Offiziere gewöhnt, deren Selbstbewusstsein wesentlich größer war als ihre Erfahrung. Lieutenant Moore, dachte der Sergeant, war ein weiteres Exemplar dieser Spezies, doch McClure mochte ihn. Der Zahlmeister besaß eine natürliche Autorität, was selten war bei einem so jungen Mann, und er wurde für einen gerechten Offizier gehalten, der sich um seine Truppen kümmerte. Dennoch, ging es McClure durch den Kopf, würde John Moore entweder Vernunft lernen müssen oder jung sterben.

«Wir werden sie niedermetzeln», sagte Moore leidenschaftlich. Dann streckte er die Hand aus. «Ihre Muskete, Sergeant.»

McClure reichte dem Offizier seine Muskete und sah zu, wie Moore eine Guinee auf den Boden legte. «Der Soldat, der schneller feuern kann als ich, wird mit dieser Guinee belohnt», sagte Moore. «Das Ziel ist dieser abgestorbene Baum, der dort auf dem Abhang umgestürzt ist. Sehen Sie ihn?»

«Zielt auf den abgeknickten Baum», erklärte McClure den Soldaten. «Sir?»

«Sergeant?»

«Wird das Knallen der Musketen nicht das Lager in Alarm versetzen, Sir?»

«Ich habe dem Brigadier gesagt, dass wir schießen werden, Sergeant. Ihren Patronenkasten, wenn es genehm ist.»

«Seid schnell, Leute», ermutigte McClure seine Männer. «Verdient euch ein bisschen Offiziersgeld!»

«Sie können laden und sich schussbereit machen», sagte Moore. «Ich schlage fünf Schüsse vor. Wenn einer von Ihnen vor mir fünf Schüsse abgefeuert hat, bekommt er die Guinee. Stellen Sie sich am besten vor, Gentlemen, dass eine Horde übelriechender Rebellen die Klippe heraufklettert, und dann tun Sie Ihren Dienst für den König und schicken die Halunken zur Hölle.»

Die Musketen wurden geladen: Das Schießpulver, das Schusspflaster und die Kugel wurden in die Läufe gestopft, die Zündschlösser vorbereitet und die Batterien geschlossen. Das Klicken, mit dem die Waffen gespannt wurden, klang seltsam laut in der nebelverhangenen Morgenluft.

«Gentlemen vom 82sten», kam es dann großartig von Moore, «sind Sie bereit?»

«Die Kerle sind bereit, Sir», sagte McClure.

«Anlegen!», befahl Moore. «Feuer!»

Sieben Musketen knallten und stießen stinkenden Pulverrauch aus, der wesentlich dicker war als der Nebel. Der Rauch verzog sich nur langsam, während Vögel durch den dichten Wald flüchteten und Möwen über dem Wasser kreischten. Über das Echo der Schüsse hinweg hörte McClure die Kugeln Blattwerk zerfetzen und klappernd auf den steinigen Strand fallen. Die Männer rissen mit den Zähnen ihre nächste Patronenkartusche auf, doch Lieutenant Moore hatte schon Vorsprung. Er hatte die Muskete schussbereit gemacht, die Zündpfanne geschlossen, und nun stellte er den schweren Kolben auf den Boden und füllte das Pulver in den Lauf. Dann stopfte er das Patronenpapier und die Kugel in den Lauf, hob den Ladestock, rammte ihn kraftvoll in den Lauf, zerrte ihn mit einem Geräusch von Metall, das auf Metall rieb, wieder heraus, steckte den Ladestock in den Boden, hob das Gewehr an die Schulter, spannte den Hahn und schoss.

Noch keiner hatte Lieutenant John Moore geschlagen. Major Dunlop hatte einmal die Zeit gemessen und danach ungläubig verkündet, dass der Lieutenant fünf Schüsse innerhalb von sechzig Sekunden abgegeben hatte. Die meisten Männer schafften drei Schüsse pro Minute, ein paar brachten es auf vier, doch der Arztsohn und Freund eines Herzogs konnte fünf Schüsse abfeuern. Moore war von einem Preußen an der Muskete ausgebildet worden, und als Junge hatte er geübt und geübt, hatte die wichtigste Fertigkeit eines Soldaten perfektioniert, und er war sich seines Könnens so sicher, dass er, als er die beiden letzten Schüsse lud, nicht einmal einen Blick auf die geliehene Waffe verschwendete, sondern stattdessen McClure mit einem schiefen Lächeln ansah. «Fünf!», rief Moore, und in seinen Ohren dröhnte der Knall der Schüsse. «Hat mich jemand geschlagen, Sergeant?»

«Nein, Sir. Soldat Neill ist auf drei Schüsse gekommen, die anderen auf zwei.»

«Dann ist meine Guinee ja in Sicherheit», sagte Moore und klaubte sie vom Boden auf.

«Und wir?», murmelte der Sergeant.

«Sagten Sie etwas, Sergeant?»

McClure starrte die Klippe hinab. Der Rauch verzog sich, und er konnte erkennen, dass der umgeknickte Baum, der gerade nur dreißig Schritte entfernt war, von keiner einzigen Musketenkugel getroffen worden war. «Wir sind hier nur sehr wenige, Sir», sagte er, «und wir sind allein, und die Aufständischen sind viele.»