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Der kleine Fuchs wird im Bau eines Dachses geboren, mitten im Land der Menschen. Er spürt, dass er nicht hierhergehört. Doch irgendwo auf der Welt gibt es einen Ort, der für ihn bestimmt ist, davon ist er überzeugt! Ein Glück, dass er gut darin ist, Dinge zu finden: Mäuse, Käfer, Ideen … So gibt er sich den Namen "Finder" und macht sich auf die Suche nach einem Zuhause. Vielleicht liegt es in der geheimnisvollen Stadt, in der es viele Füchse geben soll? Die Wunder des Waldes Aufregende Abenteuer, erstaunliche Wunder der Natur und das spannende Leben der Tiere – diese Kinderbuch-Reihe entführt Jungen und Mädchen ab 8 Jahren in die verschiedenen Lebensräume der Erde. Ob im tiefen Meer oder im dichten Wald: In diesen Geschichten erleben Tiere wunderschöne und zugleich bewegende Abenteuer. Die Kinder tauchen in die Welt der Tiere ein, werden für die Vielfalt der Natur begeistert und lernen viel Neues auf den Wissensseiten. Mit berührenden und coolen Schwarz-Weiß-Illustrationen. Lehrreich wie ein Sachbuch und berührend wie ein Disney-Klassiker! Für Fans von Peter Wohlleben und Karsten Brensing. Die Titel sind auf Antolin.de gelistet. Alle Bände dieser Reihe: Das geheime Leben der Tiere (Wald) - Die weiße Wölfin Das geheime Leben der Tiere (Wald) - König der Bären Das geheime Leben der Tiere (Wald) - Stadt der Füchse Das geheime Leben der Tiere (Wald) - Revier der Raben Klimaneutrales Produkt – Wir unterstützen ausgewählte Klimaprojekte!
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Seitenzahl: 148
Für Tone und die Füchse, die ihre Gärten mit uns teilen, auch wenn wir ihre Namen nicht kennen.
Teil 1: Land
Frühling im Bauch
Tanz ums Glück
Mütter wetten nicht
Geboren
Stinkefüchse im Dachsbau
Namen finden
Mit Fressen spielen
Der Hühnerdieb
Schwimmerin
Teil 2: Stadt
Hase und Igel
Zauberfrüchte im Wunderland
Zwischen den Welten
Gejagt
Tot spielen
Wald der Lichter
Chefin des Clans
Die Gefährtin
Teil 3: Wald
Zwei Vagabunden
Welt der Füchse
Noch Fragen?
„Die Menschen haben diese Wahrheit vergessen”, sagte der Fuchs. „Aber du darfst sie nicht vergessen.Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“
Antoine de Saint-Exupéry, Der kleine Prinz, 1943
Es ist die Mitte des Winters. Das merkt man daran, dass die Erinnerung an den letzten Sommer genauso weit weg ist wie die Hoffnung auf den nächsten. Die Luft über der Ebene hat den Duft von Blumen vergessen. Die wenigen Bäume im Flachland haben längst aufgehört, ihre Blätter zu vermissen. Das Wasser des kleinen Flusses weiß kaum noch, dass es einmal flüssig war. Es ist schwer, Nahrung zu finden. Alles, was grün war, ist nun braun und alles, was saftig war, verdorrt. Viele Tiere verstecken sich unter der Erde, manche schlafen. Einige besonders feige sind sogar in den Süden geflohen, um der Kälte zu entgehen.
Nicht die Füchsin.
Sie hält keinen Winterschlaf. Sie braucht nicht einmal eine Höhle, sondern schläft einfach auf dem Boden, sogar im Schnee. Mit der Kälte kann sie umgehen, dafür hat sie ihr dichtes Winterfell. Ihr buschiger Schwanz ist halb so lang wie ihr Körper und eignet sich hervorragend zum Zudecken, wenn sie sich einrollt. Im Herbst war sie fleißig und hat extraviele Mäuse gefangen, um eine zusätzliche Fettschicht anzulegen.
Die Dunkelheit stört sie ebenso wenig. Hinter der Netzhaut ihrer Augen liegt eine Oberfläche, die Licht zurückwirft. Dadurch verstärkt sie selbst den schwächsten Schimmer. Die Pupillen der Füchsin sind nicht rund wie die von Hunden oder Menschen, sondern senkrechte Schlitze. Sogar bei gleißender Sonne, wenn sie sich zum Schutz zusammenziehen, sieht sie immer noch alle Farben.
Kälte, Hitze, Dunkelheit, Jäger, Dürre, Fluten, Hunger … Es gibt nichts, woran sich Füchse nicht anpassen können.
Doch in dieser mondhellen Nacht fährt so etwas wie ein ziehender Schmerz durch ihre Eingeweide. Ihr Magen ist es nicht. Sie hat zwar ein Eichhörnchen gefressen, das schon länger tot war, aber das verursacht keine Probleme. Ihr Immunsystem ist durch tausend Keime so gut trainiert, dass es fast selbst ein Raubtier ist.
Nein, dieses Ziehen ist eine Leere, mit dem Hunger verwandt und doch ganz anders. Vielleicht ist es der Mond oder der lange Winter? Nein, die Füchsin sehnt sich … nach einem Gefährten.
Jedes Jahr kommt das Sehnen zur selben Zeit über sie, bricht über sie herein wie der Frühling über die weite Landschaft. Und jedes Jahr überrascht sie die Heftigkeit des Gefühls. Lästig ist es. Und gefährlich. Eine Naturgewalt.
Das ganze Jahr über ist die Fähe vorsichtig und umsichtig und unsichtbar. So versucht sie, den Wölfen zu entgehen, den Hunden und vor allem den Menschen, die nichts so gern jagen wie Füchse.
Nun kommt dieses Ziehen und sie muss ihm nachgeben, unvorsichtig sein, riskieren, entdeckt zu werden.
Die Füchsin läuft auf einen Hügel und blickt auf ihr Revier: Kahl und flach ist es, mit weiten Horizonten. Im Frühling gluckert und gurgelt der Fluss zwischen endlosen gelben und grünen und goldenen Flächen. Jetzt glänzt er reglos im silbernen Licht. Im Mondschein bewegen sich zwei Rehe. Uninteressant für die Füchsin.
Es gibt nur eines, was gerade zählt: Zum ersten Mal in diesem Jahr und zum zweiten Mal in ihrem Leben lässt sie ihren Ruf ertönen. Es ist ein selbstbewusster, dringlicher, heiserer Schrei. Sie hält sich nicht zurück. Er muss den Richtigen erreichen. Möglicherweise viele Kilometer entfernt, aber mit denselben ausgezeichneten Fuchsohren ausgestattet.
„Hör mich!“, schallt ihr Ruf durch die Nacht und in die Einsamkeit. „Hörst du mich, Gefährte? Ich warte auf dich! Komm zu mir!“
Kein anderes Tier versteht diesen Ruf. Sie halten ihn für einen gequälten Schrei, sogar für ein Todesröcheln – dabei ist er genau das Gegenteil!
In der Stille danach drehen sich ihre Ohren halb um sich selbst. Dutzende Muskeln arbeiten, um alle Richtungen abzudecken. Da ist das Rascheln einer Maus im Nordnordosten. Aus Südwesten das Rauschen trockener Gräser im sanften Wind. Ein Rotkehlchen singt südlich von ihr den Sonnenaufgang herbei, während ein Uhu noch seine Nacht verteidigt. So viele Geräusche, bloß keine Antwort auf ihre Einladung. Das Ziehen wird stärker.
Wieder schickt sie ihren Ruf auf die Reise zu den Horizonten. Und diesmal hört sie tatsächlich einen anderen Fuchs. Sie öffnet das Maul und zieht die Mundwinkel zu den Ohren, die Zunge hängt seitlich heraus: Enttäuschung. Das ist kein Gefährte. Es ist ein anderes Weibchen, eine ältere Fähe. Sie bewohnt das Revier nebenan. Man kennt sich vom Sehen und vom Riechen.
Der Ruf der anderen ist kürzer, schriller, weniger heiser. Bald werden weitere Rufe ertönen aus den Revieren ringsum. Das Sehnen kommt zu allen Füchsinnen um diese Zeit.
Währenddessen spitzen hinter den Horizonten einsame Rüden ihre Ohren – und machen sich auf den Weg.
Es ist die Zeit der Füchse. Die Zeit, in der sie träumen. Von einem neuen Revier, einer Familie, vom ewigen Fortbestehen ihrer Art trotz aller Beschwerden und Gefahren.
So wird jedes Jahr mitten im tiefsten Winter der Gedanke an den Frühling geboren. In den Bäuchen der Füchse, die sich nach neuem Leben sehnen. Lästig. Gefährlich. Eine Naturgewalt.
Der Gefährte ist endlich angekommen. Er hat sich furchtbar beeilt und ist doch zu spät: Ein anderer Fuchsrüde wirbt bereits um seine Füchsin. Nun, dann wird der sich eben verziehen müssen.
„Ich bin Strecker!“, bellt der Gefährte, die aufgehende Sonne im Rücken.
Die Fähe wendet den Kopf und sieht ihn interessiert an. Blaue Augen hat sie, mit einem Stich ins Grüne. Wie ein Waldsee an einem wolkigen Tag. Das ist selten. Streckers eigene Augen sind goldbraun wie die der meisten Füchse.
Endlich kann er seine ersehnte Gefährtin damit sehen, nachdem er sie kilometerweit nur gehört und gerochen hat: Sie ist kleiner als er, aber ihr Schwanz ist buschiger. Ihr rotes Fell glänzt im Licht der Morgensonne wie Gold. Nur der anmutige Hals und die schmale Brust strahlen in einem Weiß, das bis zu ihren Beinen verläuft. Passend dazu die weiße Schwanzspitze, wie er selbst sie hat.
„Verpiss dich!“, keift der Rivale Strecker an. „Das ist meine Gefährtin!“ Er versucht, Überzeugung zu demonstrieren: Der Schwanz ist hoch aufgerichtet, der Rücken nach oben gekrümmt, die Ohren sind aufgestellt. Er spritzt sogar eine Markierung auf den gefrorenen Boden. Es hilft nichts: Er ist kleiner und jünger als Strecker. Und die Fähe, das macht ihre Körperhaltung völlig klar, hat sich auch ohne Konkurrenten nicht für ihn entschieden.
„Ist das dein Gefährte?“, fragt Strecker sie trotzdem. Er will ja auch keine Zeit verschwenden. Das Sehnen der Füchsinnen hält nur wenige Tage an.
Die Fähe lässt gelangweilt das Maul aufklappen und wendet sich ab. Mal gucken, heißt das. Noch ist nichts entschieden.Strecker versteht. Zeit, den Anderen auf den Weg zu schicken. Er stellt sich auf die Hinterbeine und läuft auf den kleineren Rüden zu. Dabei erklärt sich Streckers Name: Er ist lang! Auf den Hinterbeinen überragt er den anderen um einen Kopf. Das muss bloß nichts heißen. Fuchskämpfe werden nicht nur durch Stärke entschieden. Füchse beißen einander im Spiel, als Warnung und als Beweis ihrer Zuneigung. Nicht, um einen anderen Fuchs zu töten oder schwer zu verletzen. Ihre Kämpfe sind Tänze, zeitweise auf den Hinterbeinen ausgetragen. Oft gewinnt der Klügere, der Erfahrenere oder einfach der, dem die Sache wichtiger ist. Strecker weiß, dass er die richtige Fähe gefunden hat. Sie ist ihm wichtiger als alles andere. Er muss siegen. Sich nach dem Sieg strecken. Das kann er.
Auf den Hinterbeinen stehend, die Vorderbeine aneinander abgestützt, keifen sich die beiden Männchen mit weit aufgerissenen Mäulern an.
„Mager bist du und kahl hinter den Ohren!“, brüllt Strecker dem Rivalen ins Gesicht.
„Ein Großmaul mit kurzen Zähnen bist du“, gibt der andere zurück, muss dabei aber blinzeln, weil ihn die Sonne blendet.
Strecker keift ihm direkt ins Maul, seine Vorderbeine stoßen den Anderen zurück. Mit steifen Beinen und ausgestreckter Brust läuft er vorwärts und zwingt den Rivalen, rückwärts zu staksen. Die buschigen Schweife helfen beim Balancieren.
„Deine Reißzähne sind flach wie Steine“, kläfft Strecker. „Du stinkst nach totem Fleisch – und nicht aus dem Maul!“
„Lahmer Hüpfer!“
„Flohwiese!“
Im Hintergrund kichert leise die Fähe, die es sich auf dem Boden gemütlich gemacht hat.
„Triefnase!“
„Siechauge!“
Doch mit jeder neuen Beschimpfung wird der Rivale leiser, muss er wieder ein paar Schritte zurückweichen. Mit jedem Schritt gewinnt Strecker Boden. Alles an ihm schreit, dass er nicht aufgeben wird. Niemals! Er zwickt den Anderen ins Ohr. Der verliert den Mut. Schließlich lässt er sich auf alle viere fallen. Strecker folgt ihm, hält das Maul des Konkurrenten mit seinem eigenen umklammert. Sie ringeln sich umeinander, wälzen sich auf dem Boden, ein einziges Fellknäuel jetzt. Die Füchsin weicht zurück, um nicht versehentlich eine Pfote ins Auge zu bekommen. Zweifel am Sieger gibt es keine. Der kleinere Fuchs gibt auf und löst sich aus Streckers Zangengriff.
„Meinetwegen“, murrt er und fängt an, mit der Zunge das Fell zu putzen, um sich zu beruhigen und nach Wunden zu suchen. „So gut riecht die Fähe gar nicht.“
Unverschämtheit! Strecker läuft zu ihm und schnappt nach den Hacken des anderen Rüden. Der Verlierer quiekt und rennt ein bisschen schneller davon. Die Nase hat er schon im Wind und die Ohren gespitzt für den Ruf einer anderen Fähe.
Strecker aber kehrt um und kommt zurück zu seiner Gefährtin. Er hat die Füchsin aus Hunderten Metern Entfernung gerochen. Was für ein Duft! Er hat ihn lauter gerufen als ihre Stimme. Halb hat er Strecker bereits ihren Namen verraten. Die Melodie des Wassers liegt darin und sein Rhythmus. Unaufhörlich, verspielt, ein ständiges Bewegen. Er witterte ihre Lust am Spielen und ihren Humor.
Die Fähe steht auf.
„Mein Name ist Schwimmerin“, sagt sie. „Wenn das Wasser flüssig ist, schwimme ich im Fluss.“
Voller Stolz sagt sie es, denn die wenigsten Füchse schwimmen gern.
„Wozu?“
„Keine Fährte“, lautet die Antwort.
Aaah! Strecker stupst sie mit der Schnauze gegen die Schulter. Was für eine wunderbare Idee! Wie oft wurde Strecker von Hunden verfolgt, die schon fast seine Schwanzspitze im Maul hatten! Selbst wenn er es schaffte, sie abzuhängen, blieben sie ihm immer auf der Duftspur. Seine Pfoten schreiben stets ihre eigene Nachricht auf den Boden, Schritt für Schritt. Unmöglich, das Schwitzen der Ballen abzustellen. Ein großartiger Gedanke, keine Fährte zu hinterlassen. „Einmal“, erzählt Strecker, „da bin ich in meiner eigenen Fährte rückwärts gelaufen und auf einen Baum geklettert. Die dummen Köter haben gedacht, ich wäre davongeflogen. Auf einmal war die Duftspur zu Ende. Sie haben sich nur noch jaulend im Kreis gedreht.“
Sie lachen beide und stoßen sich gegenseitig mit den Schnauzen an. Übermütig zwickt Schwimmerin ihren Gefährten in den Hals. Strecker weicht aus und stellt sich wieder auf die Hinterbeine, diesmal so weit gestreckt, wie es ihm nur möglich ist. Einen größeren Fuchs hat die Füchsin nie gesehen. Er lässt sich auf alle viere fallen und springt dann aus dem Stand hoch. Seine Gefährtin soll sehen, was er kann.
„Beinahe“, sagt die Füchsin, „kannst du fliegen. Du könntest Vögel aus der Luft fangen.“
„Manchmal“, gibt Strecker zu und schmiegt sich an Schwimmerin. „Aber Vögel sind anstrengend.“
„Und mager.“
„Zu viele Federn.“
Sie sind sich einig.
Doch gleich darauf schlägt Strecker vor, nachts den Mond vom Himmel zu holen. Falls Schwimmerin ihn haben möchte.
„Lieber eine Maus“, lautet ihre Antwort. „Der Mond kann nicht schmecken. Er riecht ja nach nichts.“
Den ganzen Tag tauschen sie Geschichten aus. Sie schreiben ihre Namen mit dem Veilchenduft ihrer Drüsen auf die Grashalme und an die Baumstämme. Sie spielen Fangen. Sie schlafen eng aneinandergeschmiegt. Auch am nächsten Tag. Und am Tag darauf. Irgendwann klammern sie sich so fest aneinander, dass sie sich eine Weile gar nicht mehr voneinander unterscheiden lassen. Sogar der Mond ist verwirrt und malt einen einzigen Schatten mit Köpfen an beiden Enden auf die Ebene.
Das Sehnen geht zu Ende, doch der Traum wird wahr.
Dreiundfünfzig Tage sind vergangen, seitdem aus zwei Fuchskörpern für eine kleine Weile einer wurde. Dreiundfünfzig Tage, nach denen aus zweien nun plötzlich acht wurden. Das ist Fuchs-Einmaleins. Das Ergebnis sind sechs Fuchswelpen, die nackt und blind und taub auf dem Boden einer Dachshöhle liegen. Der Dachs hat es erlaubt. Sein Bau ist groß genug für die Untermieter. Auch wenn es viele sind.
„Meinetwegen“, sagte seine Körpersprache. „Ich mag dich nicht, Fuchsweibchen, aber du bist mir zu egal, um dich zu vertreiben. Wenn du Ärger machst, beiß ich dich. Oft und fest.“
Er wiegt mehr als die Füchsin und ist viel fieser. Aber für ihre Jungen braucht sie ein sicheres Zuhause. Der Körper der Füchsin hat entschieden, dass es sechs Welpen sein müssen. Er ist ein großer Mathematiker. Alles hat er dabei berechnet: Wie viel Nahrung gibt es im Revier? Wie viele Feinde sind in der Nähe und wie gefährlich sind sie? Wie viele andere Füchse leben in der Gegend und wie groß sind ihre Reviere? Es ist ein ewiges Gleichgewicht, zu dem jeder Fuchs beiträgt. Es darf nie zu wenig Füchse auf der Welt geben. Aber auch nicht zu viele.
Das letzte Jahr war hart und lang. Es hat kaum geregnet. Oft hat die Luft falsch gerochen, giftig. Selbst der Fluss hat danach geschmeckt. Der Gestank ist mit den Menschen gekommen, hat aber nicht nach ihnen gerochen. Im Winter war er verschwunden und Luft und Wasser waren klar gewesen. Nicht alle Füchse der Umgebung haben den Winter noch gesehen.
Die Fähe hat das ganze Jahr über das laute Knallen gehört, das die Jagd der Menschen begleitet, und das Bellen ihrer Hunde. Jedes Mal waren es danach weniger Füchse. Immer wieder hat die Füchsin gesehen, wie ihre Artgenossen in Fallen gefangen und weggebracht wurden. Allerdings kamen neue Nachbarn aus anderen Gebieten, oft jüngere. Es war kein schlechtes Revier. Es gab Mäuse genug und wenn es warm wurde auch fette Käfer. Regenwürmer waren zwar selten, aber wenn mal genügend Wasser vom Himmel kam, gab es einen Festschmaus.
Strecker hat keine großen Probleme, in diesem Revier ausreichend Beute für seine Gefährtin zu finden. Die Babys trinken erst mal nur Milch. Er bringt die Mäuse zum Höhleneingang. Zu seinen Kleinen darf er noch nicht. Sie sind zu winzig, zu schutzlos. Schwimmerin muss sie um jeden Preis beschützen. Vor allem und jedem. Auch vor ihrem Vater.
„Später“, vertröstet sie ihn, wenn er den Kopf in die Höhle steckt. Also macht er sich wieder auf den Weg.
Sie hat keine Namen für die Kleinen, sie kennt sie ja noch nicht. Und taub sind sie obendrein. Selbst wenn sie Namen hätten, würden sie nicht hören, wenn man sie ruft. Später wird Schwimmerin „Kinder!“ rufen oder „Achtung!“ oder „Fressen!“.
Die Kleinen werden bald genug feststellen, wer sie sind und wie sie sich nennen wollen. Es wäre anmaßend, ihnen Namen aufzudrängen. Schwimmerin hofft aber, dass sie erfahren wird, wie sie sich nennen. Ihre vier Welpen aus dem letzten Frühjahr waren verschwunden, bevor man sich richtig kennenlernen konnte. Wahrscheinlich war der Bau nicht gut genug gewesen. Zu leicht zu finden für die Menschen, die besonders im Frühjahr gern mit ihren Fallen kommen. Den Fehler wird die Füchsin nicht noch einmal machen.
Diesmal hat sie alles richtig gemacht: Der Dachsbau riecht nach Dachs. Hier hat nie zuvor ein Fuchs gewohnt. Er liegt zwischen den Wurzeln zweier gewaltiger Eichen. Es gibt sieben Notausgänge! Und der Haupteingang befindet sich über der Uferböschung. Unter sich kann sie das Glucksen des neu erwachten Flusses hören. Das Geräusch wird das Winseln der Welpen verschlucken.
„Hier sind wir in Sicherheit“, versichert sie ihren Kleinen, die sie nicht hören können. Sie können es spüren und riechen und schmecken.
Noch sind sie fast gleich groß, gleich leicht, gleich nackt und gleich schwach. In den nächsten Tagen aber beginnt der Wettbewerb um die Rangordnung im Wurf. Mit Zähnen, Klauen und Köpfchen. Schwimmerin ist gespannt, welches der strampelnden, saugenden Babys sich am besten behaupten wird.
Mütter wetten nicht und wenn, dann auf alle ihre Kinder. Doch Schwimmerins Blick haftet auf dem einen Welpen, dessen Nase besonders heftig zuckt. Ein kleiner Rüde, der es immer irgendwie schafft, bei einer der hinteren Zitzen zu landen, deren Milch besonders nahrhaft ist. Sie leckt ihm über den Rücken. Und dann sofort auch den anderen fünf Welpen. Weil Mütter nicht wetten.
Er ist geboren. So viel steht fest. Bisher keine durchgehend gute Erfahrung. Erst war es eng, dann nass und kalt. Wobei er das eine nicht so ganz vom anderen unterscheiden kann. Dann kam Hunger. Grausige Sache. Will man nie wieder haben. Aber danach: eine Saug-Gelegenheit. Milch. Ein Hochgenuss! Er stellt das Wimmern vorübergehend ein. Hören kann er es ohnehin nicht. Was wäre das für ein Stress, wenn die Welt nicht nur kalt und nass, sondern auch noch laut und grell wäre! Undenkbar. So ist es doof genug. Er hat kein Fell und kann seinen Körper nicht selbst warm halten. Sein Bauch ist zu klein, da passt nicht genug Nahrung rein, um Energie zu erzeugen. Vor allem die Ohren kriegen es ab. Eiskalt sind sie. Brrr!