Das Geheimnis der Höhle am Tannenberg - Jürgen Scheibler - E-Book

Das Geheimnis der Höhle am Tannenberg E-Book

Jürgen Scheibler

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Beschreibung

Durch Zufall findet Anton den Eingang einer alten Höhle am Tannenberg. Gemeinsam mit seinen Freunden Max und Paula startet er eine Erkundungstour. Sie finden drei mysteriöse Dinge, ein Vogelskelett, eine Landkarte und einen Ring mit einem Saphir. Schnell wird klar, dass der Ring aus einem Einfamilienhaus gestohlen wurde. Aber was hat es mit dem Skelett und der Karte auf sich? Die drei Freunde recherchieren auf eigene Faust. Sie erfahren, dass es sich um einen vom Aussterben bedrohten Vogel handelt. Sie starten eine abenteuerliche Bootsfahrt, um einen lebenden Seggenrohrsänger zu finden. Währenddessen kämpft eine Gruppe junger Leute um den Erhalt des Moores bei Falkhausen. Eine Firma plant dessen Trockenlegung, um Torf abzubauen. Es stellt sich heraus, dass Paula, Max und Anton wichtige Beweise für die Gruppe in der Hand haben. Werden Sie es gemeinsam schaffen, das Moorgebiet vor der Zerstörung zu retten?

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Der Autor Jürgen Scheibler, Jahrgang 1959, hat Elektrotechnik an der TU Dresden studiert und war in seiner Kindheit von den Abenteuern von Alfons Zitterbacke begeistert. Sein erstes Buch „Liebe, Arbeit, Gottvertrauen“ beschreibt die dramatische Familiengeschichte seiner Großmutter Liesbeth Jakob und deren sieben Kinder nach der Vertreibung aus Seitendorf im Jahr 1945.

Nach seinem ersten Kinderbuch „Das Rätsel des vierköpfigen Drachens“ mit den Hauptfiguren Paula und Max gehen die Abenteuer der beiden im neuen Buch „Das Geheimnis der Höhle am Tannenberg“ weiter.

Wer erwachsen wird und im Herzen Kind bleibt, hat das Leben verstanden.

Erich Kästner (1899-1974)

Inhaltsverzeichnis

Die Entdeckung

Der Ring

Das Fest am Badesee

Das Vogelskelett

Das Falkner Moor

Der Seggenrohrsänger

Die Rettung des Moores

Die Entdeckung

Zwei Wochen Erholung lagen hinter den Schülern. Nun hatte die Schule wieder begonnen. War das Wetter in der ersten Woche noch stürmisch und regnerisch, besserte es sich pünktlich zu den Osterfeiertagen in der Ferienmitte. Der Frühling brach sich mit aller Macht seine Bahn in die Natur. Man konnte förmlich zusehen, wie die Blütenknospen der Kirschbäume immer größer wurden und sich die ersten grünen Blätter an den Sträuchern zeigten.

Paula stand mit anderen Schülern aus ihrer Klasse auf dem Schulhof. Es war große Pause und die nutzte fast jeder für eine Begegnung mit der Frühlingssonne. Sie erzählte gerade von ihren Erlebnissen in der Vogelstation, wo sie in der zweiten Ferienwoche gearbeitet hatte, als Max dazukam. Er kannte die Geschichte seiner Freundin schon, blieb aber trotzdem stehen und hörte zu.

»Die Station liegt am Stadtrand, direkt dahinter beginnt der große Wald«, berichtete Paula. »Die Mitarbeiter kümmern sich vor allem um die Aufzucht von Jungvögeln. Es kommt gar nicht so selten vor, dass im Frühjahr nach dem Ausbrüten Jungvögel aus dem Vogelnest fallen und schutzlos auf dem Boden liegen. Meistens werden sie von den Eltern weiter gefüttert, aber die Gefahr, dass sie von anderen Tieren gefressen werden, ist ziemlich groß. Wenn tierliebende Menschen solche Jungvögel finden, bringen sie diese in eine Vogelstation. Die Leute, die dort arbeiten, haben viel Erfahrung und erkennen in den meisten Fällen, um welche Vogelart es sich handelt. Aber es kann auch mal sein, dass sie es nicht auf den ersten Blick herausfinden oder unsicher sind.«

»Und was machen sie dann?«, wollte Emilia wissen, die Paulas Erzählung gespannt zuhörte.

»Das war eine von meinen Aufgaben«, antwortete Paula stolz. »Ich durfte die Bestimmung der Vogelart vornehmen. Es gibt in der Station dicke Bücher, in denen fast alle Vogelarten, die bei uns leben, beschrieben sind. Dort habe ich auch Fotos oder Zeichnungen der Federkleider von Jungvögeln, die erst wenige Tage alt sind, gefunden. Das hat richtig Spaß gemacht.«

»Das glaube ich dir«, sagte Emilia begeistert, »ich liebe Vögel.« In Gedanken sah sie sich in den nächsten Ferien auch in einer solchen Station oder im Tierpark arbeiten.

Das freute Paula. Die Tage im Praktikum waren ihr wie im Flug vergangen. Sie wäre gern noch länger geblieben, aber es war nun mal ein Schnupperpraktikum, um herauszufinden, ob ihr die Arbeit mit Tieren Spaß machen würde. Die schönsten Momente waren diejenigen, als die aufgezogenen Jungvögel kräftig genug waren und in die Freiheit davonflogen.

Max, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, sah Paula an und nickte mit dem Kopf, was so viel bedeutete wie „coole Sache“.

Paula hielt seinem Blick stand und lächelte zurück. Sie hatte sich mit Max am vergangenen Sonntagvormittag getroffen. Deshalb wusste sie auch, dass er in den Ferien ein paar Tage bei einem Fahrradhändler gearbeitet hatte.

»Ihr könnt auch andere Dinge machen«, sagte Paula, »weil sie merkte, dass die Aufmerksamkeit der anderen Schüler immer noch bei ihrer Erzählung lag.«

Max kannte seine Freundin gut und ahnte, was jetzt kam.

»Hey Max, erzähl doch mal ein paar Stories von deinem Praktikum im Fahrradladen.«

Jetzt spitzte Anne, Paulas beste Freundin, die Ohren. Fahrradfahren war ihre große Leidenschaft. Sie hatte in den letzten Sommerferien mit ihren Eltern eine große Tour auf dem Elberadweg gemacht. Sie liebte Radwege, die an Flüssen entlangführten. Und das nicht nur, weil es praktisch keine Berge gab, sondern vor allem, weil es auf dem Wasser und am Ufer so viel zu sehen gab.

Max hatte schon verstanden. Er fing den Ball, den Paula ihm zugeworfen hatte, und begann zu erzählen.

»Paula hat recht. Ihr kennt doch den großen Fahrradladen in der Neustadt. Dort durfte ich eine Woche mitarbeiten. Der Besitzer heißt Jakob und ist ein alter Freund von meinem Vater. Die beiden sind zusammen in eine Schulklasse gegangen. Ich habe Jakob geholfen, den diesjährigen Fahrradtrial auf dem großen Keilberg zu organisieren. Er hat die Strecke zuerst am Computer geplant, dann sind wir zusammen mit noch zwei Kumpels und seiner Tochter zum Berg gefahren. Dort haben wir uns das Gelände genau angesehen und die Besonderheiten in die Karte eingetragen.«

»Was sind denn dort für Hindernisse«, wollte Anne wissen, die selbst schon einmal bei einem Trial mitgefahren war.

»Wir haben nur natürliche Hindernisse gesucht«, erklärte Max, »also große Steine, Baumstämme, Wurzeln und so was eben. Ein Wassergraben ist auch dabei. Dort fehlerfrei durchzukommen ist schwerer, als es auf den ersten Blick aussieht, kann ich euch sagen.«

»Bist du die Strecke selbst mal gefahren?«, wollte Tom, ein anderer Schüler aus der Klasse, wissen, der bisher nur zugehört hatte.

»Klar, das konnte ich mir doch nicht entgehen lassen. Ich durfte mir sogar ein richtiges Trialbike ausleihen. Hat irre Spaß gemacht. Und bevor ihr fragt: Fehlerfrei bin ich nicht runtergekommen. Im Wassergraben habe ich mir nasse Füße geholt«, grinste Max.

Bei der Vorstellung, wie Max vor sich hin schimpfend mit einem Fuß im Wasser stand, konnten sich Paula und Anne das Lachen nicht verkneifen.

Die große Pause war zu Ende. Zwei Stunden mussten die Schüler noch durchhalten, dann war der Schulstart nach den Osterferien geschafft. Im Gegensatz zu Max freute sich Paula auf den ersten Tag nach den Ferien. Da gab es immer so viel zu erzählen. Am nächsten Tag war ihre Aufmerksamkeit wieder voll auf Schule ausgerichtet.

Den Nachmittag des ersten Schultages verbrachten Max und Paula gemeinsam. Sie hatte ihn überredet, mit den Fahrrädern zum See zu fahren. Es war Mitte April und das Wasser noch zu kalt zum Baden. Sie saßen auf dem Bootssteg und jeder hing mit dem Blick auf die glatte Wasserfläche seinen Gedanken nach, als Anton aus der Parallelklasse plötzlich hinter ihnen stand.

»Hey, ihr beiden. Schön, dass ich euch hier treffe. Ich wollte euch etwas fragen.«

Anton erzählte ihnen, dass er in den Ferien den Eingang einer Höhle am südlichen Hang des Tannenberges entdeckt hatte. Es war reiner Zufall, dass er dort vorbeikam. Er suchte eine Abkürzung auf dem Weg zum Gipfel und lief einfach quer durch den Wald den Hang hinauf. Dabei fiel ihm auf, dass die Brombeersträucher an einer Stelle eine merkwürdige Form hatten und dichter gewachsen waren als anderswo. Der Eingang zur Höhle war über die Jahre mit Gestrüpp zugewachsen. Mit einem langen Stock, der von einem heruntergefallenen Ast stammte, drückte er die Zweige der Sträucher so weit auseinander, dass er hindurchsehen konnte.

»Das sieht aus wie die Tür zu einem Versteck«, dachte er.

Aber er war sich nicht sicher. Angetrieben von Neugier und einer Portion Abenteuerlust vergrößerte er das Loch im Gestrüpp so weit, bis er gerade hindurchpasste. Der Dorn einer Brombeere streifte seine Hand. Ein wenig Blut drang aus der kleinen Wunde. Anton beachtete es nicht, weil er bereits die Bretter untersuchte, mit denen der Eingang verschlossen war. Ihm schien es so, als wären sie schon lange nicht mehr angefasst worden. Ein Brett fehlte bereits und ein anderes war so morsch, dass er nur ein wenig kräftiger ziehen musste, um es zu entfernen.

»Wow, ein Geheimgang oder vielleicht eine Höhle«, sagte er laut vor sich hin. Erschrocken drehte er sich um, aber zum Glück war niemand zu sehen, der es gehört haben könnte.

Sehr groß war der Eingang nicht. Man würde gebückt oder auf allen vieren hineinkriechen müssen. Aber das konnte auch Tarnung sein, damit das Versteck nicht so leicht gefunden werden konnte.

Anton holte sein Handy aus der Hosentasche, schaltete die Lampe ein und leuchtete in das dunkle Loch hinein. Aber mehr als einen schmalen niedrigen Gang, der in den Berg hineinführte, konnte er beim besten Willen nicht erkennen.

Er war ein mutiger Junge, der selten vor etwas Angst hatte. Aber allein traute er sich doch nicht in die Höhle. Wenn etwas Unvorhergesehenes passierte, war niemand da, der ihm helfen konnte. Der Verstand siegte dieses Mal über die Neugier. Aber er würde wiederkommen, so viel stand fest. Er wollte seine Freunde Max und Paula fragen. In letzter Zeit hatten die drei viel gemeinsam unternommen. Max war immer für neue Abenteuer zu begeistern, da war sich Anton sicher. Gemeinsam würden sie auch Paula überreden. Ein Versuch war es auf jeden Fall wert.

Anton verschloss den Eingang der vermuteten Höhle so gut es ging und verteilte die Brombeersträucher wieder gleichmäßig davor. Er war guter Dinge, dass ihn niemand so schnell finden würde, da die Stelle von den Wanderwegen, die auf den Berggipfel führten, nicht einzusehen war.

Als Anton mit seinem Bericht über die Entdeckung der Höhle fertig war, sah er gespannt in die Gesichter seiner beiden Zuhörer. Ein Schwanenpaar schwamm lautlos am Bootssteg vorbei, interessierte sich aber nicht für die drei Freunde.

Er hatte sich nicht getäuscht.

Max war sofort begeistert.

»Krass. Du kennst eine geheime Höhle am Tannenberg?«, fragte er Anton noch einmal, um sicher zu gehen, dass er sich nicht verhört hatte.

»Na ja, so genau weiß ich das nicht. Ich habe ja nur mit der Lampe hineingeleuchtet und einen langen Gang gesehen, der in das Innere führt. Wir müssen herauskriegen, wie weit der Gang hineingeht und ob er begehbar ist«, antwortete Anton.

»Vielleicht endet er auch nach ein paar Metern.«

»Oder er führt in eine große Höhle, wo die Leute früher wertvolle Sachen versteckten«, mutmaßte Max. In Gedanken öffnete er schon eine Schatztruhe mit goldenen Trinkbechern und Silbermünzen aus dem Mittelalter.

»Könnte auch sein, wäre echt mega«, erwiderte Anton.

»Vielleicht bildet ihr euch das auch alles nur ein«, platzte Paula mit zweifelnder Stimme in die Phantasiewelt der beiden Jungen und blickte Anton direkt ins Gesicht.

Anton widerstand ihrem Blick und antwortete nach einer Pause des Nachdenkens: »Glaub mir Paula, ich stand wirklich vor dem Eingang eines längeren Ganges. Ich habe mir die Stelle genau gemerkt und zur Sicherheit die Koordinaten in meinem Handy gespeichert.«

»Kommst du mit«, fragte Max und sah Paula erwartungsvoll an.

»Wann soll es denn losgehen?«, antworte Paula und versuchte, so gut es ging, das mulmige Gefühl im Bauch nicht bis zu ihrer Stimme wandern zu lassen.

»Du bist echt super«, freute sich Anton.

Drei Tage später trafen sich die drei Freunde bei Max zur Vorbereitung der Entdeckertour. Gemeinsam überlegten sie, was sie alles mitnehmen mussten, um für Gefahrensituationen gewappnet zu sein. Zu ihrer Ausrüstung gehörten Stirnlampen, Handys, ein Taschenmesser, ein Hammer, eine kleine Gartenschaufel, Handschuhe und ein wenig Proviant. Das alles kam in die Rucksäcke, in denen trotzdem noch genug Platz war, um die erhofften Schätze mitnehmen zu können. In Gedanken gingen sie die Begehung der Höhle durch und hielten den Goldschatz bereits in den Händen. Die Jungs waren mit der Vorbereitung zufrieden, aber Paula beschäftigte noch eine Frage. Max merkte, dass sie über etwas grübelte. Er kannte diesen Gesichtsausdruck, bei dem sich kleine waagerechte Fältchen auf der Stirn bildeten.

»Was ist mit dir? Kommst du doch nicht mit?«

»Doch, doch«, beruhigte Paula die Jungs. »Klar bin ich dabei. Aber was ist, wenn der Gang im Inneren der Höhle eine Verzweigung hat, und wir uns nicht zum Eingang zurückfinden?«

Kurzes Schweigen. Paula hatte recht. Auf diese Frage mussten sie bis zum Start der Expedition eine Antwort finden. Keiner wollte riskieren, in der Höhle gefangen zu sein.

»Ich werde mir etwas ausdenken«, durchbrach Anton die Stille. »Versprochen.«

Bevor sie auseinandergingen, einigten sie sich auf den Startzeitpunkt. Sonnabend 13 Uhr, Treffpunkt bei Paula.

***

Es stellte sich schnell heraus, dass es alles andere als eine leichte Aufgabe für Anton war. Er hatte versprochen, eine Lösung zu finden und grübelte bereits mehrere Tage, aber alle Ideen erwiesen sich am Ende als nicht praktikabel. Schließlich klappte er den Laptop seines Vaters auf und recherchierte im Internet. Er hoffte, dass jemand vor ihm ein ähnliches Problem gehabt haben könnte und so freundlich gewesen war, die Lösung im Internet zu beschreiben. Die Frage war: Wie finde ich sicher zum Ausgangsort einer Expedition zurück, egal welchen unbekannten Weg ich gehen würde. Anton fand heraus, dass andere Leute mit einer Wanderkarte einen Rundweg gegangen waren, der genau an der Stelle endete, an der sie losgegangen waren. Ein Rundweg war in einer Höhle eher nicht zu erwarten, Verzweigungen in verschiedene Richtungen schon eher.

Anton gab nicht auf und so stieß er auf das Märchen von Hänsel und Gretel. Seine Mutter hatte es ihm vorgelesen, als er noch nicht in die Schule ging. Um aus dem Wald wieder nach Hause zu finden, ließ Hänsel in regelmäßigen Abständen Brotkrumen auf den Weg fallen. Auf dem Heimweg nahm er seine Schwester bei der Hand und suchte die Brotstücke. Doch die hatten die Vögel längst aufgefressen, so dass sie schließlich am Hexenhaus landeten.

Anton suchte weiter. Geduld und Ausdauer waren gefragt. Paula hatte jedenfalls recht. Sie brauchten eine Absicherung, damit sie den Eingang der Höhle sicher wiederfänden, egal was drin auch passieren würde. Keiner der drei Freunde wusste, wie weit der Weg in die Höhle hineinführte und ob es Verzweigungen oder gar Kreuzungen gab. Langsam wurde er doch nervös und sah sogar schon die ganze Expedition in Gefahr, bis er zufällig auf die Internetseiten der griechischen Mythologie stieß.

»Das klingt ja gar nicht schlecht«, dachte er sich.

Er las weiter und lernte, dass die griechische Mythologie Geschichten der Götter und Helden des antiken Griechenland waren. Ganz neu war das Thema für ihn nicht. Er wusste aus dem Geschichtsunterricht, dass die alten Griechen mehrere Götter verehrten. Von Zeus, dem Gottvater, und Poseidon, dem Gott des Meeres, hatte er schon gehört. Beim Durchblättern stieß er auf die Geschichte des Ariadnefadens, in der Minotaurus und Theseus die Hauptfiguren waren.

Der Minotaurus war ein gewaltiges Ungetüm, halb Mensch, halb Stier. Die Menschen verehrten ihn als Gott und fürchteten ihn zugleich. König Minos war eifersüchtig auf ihn und wünschte sich nichts sehnlicher als dessen Tod. Aufgrund der göttlichen Abstammung wagte es Minos aber nicht, ihn umzubringen. So beschloss der König, ein unterirdisches Gefängnis für die unerwünschte Kreatur zu bauen. Er entwarf ein kreisförmiges Labyrinth von gewaltigen Ausmaßen, welches zu einem Tempel im Mittelpunkt führte, in dem Minotaurus frei, aber letztlich doch gefangen war. Das Labyrinth war so angelegt, dass man nie mehr herausfinden konnte, wenn man einmal drin war. Aber da gab es auch noch Theseus, den jüngsten Sohn des attischen Königs. Er war entschlossen, die Bestie Minotaurus zu erschlagen. Als das Schiff mit Theseus aus Athen im Hafen landete, spazierte Prinzessin Ariadne gerade nahe dem Hafen am Strand entlang. Sie sah Theseus und verliebte sich auf der Stelle in ihn. Sie hatte in ihn den strahlenden Helden erkannt, der die Dunkelheit besiegen konnte. Da Ariadne die Halbschwester des Ungeheuers war, kannte sie das Geheimnis, wie man Minotaurus erschlagen und aus dem Labyrinth fliehen konnte. Sie wob Strähnen ihres seidigen Haares zu einem goldenen Faden, um dem Geliebten bei der Flucht zu helfen. Und sie gab ihm ein wundersames Schwert, das einst für Poseidon geschmiedet worden war. Ariadne wusste, dass diese Waffe ihren Halbbruder töten konnte. In der Mitte des Labyrinths traf Theseus auf Minotaurus und besiegte ihn. Nachdem seine Aufgabe erfüllt war, folgte er seinen eigenen Schritten wieder aus dem Labyrinth hinaus, geleitet von Ariadnes Faden. Am Ausgang erwartete sie ihn schon sehnsüchtig. Die Kraft der Liebe hatte das Ungeheuer besiegt und der Faden den Weg heraus gewiesen.

Anton war zufrieden. Er hatte eine Antwort auf Paulas Frage gefunden. Jetzt wusste er, wie sie im Notfall wieder aus der Höhle herausfinden würden. Er suchte im Keller im Regal mit den Gartensachen zwei Rollen von Mutters Gartenschnur und steckte sie zu den anderen Sachen in den Rucksack.

***

Überpünktlich standen Max und Anton am Sonnabend mit ihren Rädern vor Paulas Haus und klingelten sie aus der Wohnung. Ihre Mutter fragte sie noch einmal, ob sie an ihr Handy und die Wasserflasche gedacht habe. Paula nickte nur, stürmte die Treppe hinunter, holte ihr Fahrrad aus dem Keller und stand wenige Augenblicke später abfahrbereit neben den Jungs.

Die Fahrt verlief ohne Probleme. Ein paar Mal mussten sie an Kreuzungen halten und auf dem Radweg überholten sie eine größere Gruppe von Kindern mit Rollerblades. Das war gar nicht so einfach, da immer wieder Fahrradfahrer im Gegenverkehr unterwegs waren. Schließlich hatten sie es geschafft. Sie bogen auf den schmalen Feldweg ein, der zum Tannenberg führte. Sie waren nicht böse darüber, dass ihnen auf dem holprigen Weg niemand folgte. Immer wieder mussten sie größeren Steinen ausweichen. Zum Glück waren die Löcher ausgetrocknet, weil es in den letzten Wochen wenig geregnet hatte. Ohne Pause fuhren sie, angeführt von Anton, weiter in den Wald hinein. Es war nicht zu überhören, dass der Frühling in der Natur längst da war. Ein lautes Vogelkonzert unterschiedlichster Stimmen erklang in den Baumkronen. Bei vielen Vogelarten war der Nestbau bereits abgeschlossen. Die Brutzeit hatte begonnen.

Anton hatte nicht zu viel versprochen. Ohne Umwege fand er die Stelle mit den Brombeersträuchern wieder. Unter den neugierigen Augen von Paula und Max schob er die Zweige auseinander und zeigte auf den notdürftig verschlossenen Eingang.

»Glaubt ihr mir jetzt?«

Paula nickte und Max war als erster durch die Öffnung in der Hecke durchgestiegen, um sich die Bretter genauer anzusehen. Ohne große Mühe legten sie den Eingang wieder frei.

Anton suchte einen besonders kräftigen Brombeerstrauch und band den Anfang der Schnur an der Rute am Boden fest. Für den Rucksack hatte er eine Vorrichtung gebaut, wo er die Rolle so befestigen konnte, dass sich die Schnur automatisch abrollte, wenn er vorwärtsging. Als die anderen seine Konstruktion sahen, waren sie schon ein wenig beeindruckt, aber nicht überrascht. Sie wussten, dass Anton gern bastelte und sich neue Dinge ausdachte.

Gebückt gingen sie die ersten Meter in den Gang hinein. Die Decke war mit Holzpfeilern und Brettern abgestützt, damit die darüberliegende Erde den Gang nicht zuschütten konnte. Teilweise waren auch die Wände mit waagerecht angebrachten Brettern ausgekleidet worden. Der Boden war trocken, allerdings ragten immer wieder größere Steine heraus, so dass man gut aufpassen musste, um nicht zu stolpern. Noch wichtiger war ein Kopfschutz. Von der Decke konnte jederzeit etwas herunterfallen. Aber das Problem hatten sie schnell gelöst. Sie behielten einfach ihre Fahrradhelme auf den Köpfen.

Mit jedem Schritt, den sie weiter in die unbekannte Höhle hineingingen, wurde es dunkler. Anton schaltete seine Stirnlampe ein, um sich besser orientieren zu können. Max und Paula, die hinter ihm gingen, taten es ihm gleich. Es war erstaunlich, wie viel Licht die kleinen LED-Lampen ausstrahlten.

Paula fühlte sich wieder sicherer, nachdem sie die erleuchtete Umgebung nach Gefahrenstellen abgesucht hatte.

»Halt! Kurze Pause.« Anton kramte in seinem Rucksack, in den Max mit seiner Lampe hineinleuchtete.

***

Sie war sich damals so sicher, dass sie keine Angst haben würde, als Anton sie vor ein paar Tagen am Badesee fragte, ob sie mit ihm und Max mitkommen wolle. Oder hatte sie das nur gehofft? Nein, sie war kein ängstlicher Typ, sonst wäre sie schon lange nicht mehr mit Max befreundet. Seine Abenteuer und Entdeckungstouren wurden so manches Mal zum spannenden Erlebnis. Bisher ist alles gutgegangen, von kleinen Missgeschicken mal abgesehen. Aber eine unbekannte Höhle war schon eine andere Herausforderung. Das musste Paula jetzt, als sie die beiden Jungs im Lampenlicht vor sich sah, doch zugeben. Ein Glück, dass Max dabei war. Er war zwar ein Draufgänger, aber er kannte auch seine Grenzen und war selten leichtsinnig.

***

Es gab kein Zurück mehr. Paula stand leicht gebeugt in einem zwar beleuchteten, aber trotzdem unheimlichen Gang im Tannenberg.

»Ah, es geht weiter«, bemerkte sie.

Offensichtlich hatte Anton im Rucksack das gefunden, was er suchte. Sie kamen zwar nur langsam voran, freuten sich aber, dass der Gang allmählich höher wurde. Fast schon konnten sie aufrecht stehen.

»Pass auf, dass du nicht drauftrittst«, sagte er zu Max, der hinter ihm ging und um ein Haar auf die am Boden liegende Schnur getreten wäre.

Anton zog die Schnur ein Stück zu sich heran. Er musste vorsichtig sein, damit sie sich nicht an einer Wurzel oder einem Stein am Boden verhakte oder, was noch schlimmer war, ganz zerriss, was durchaus passieren konnte, wenn seine Begleiter hinter ihm aus Versehen auf die ausgerollte Schnur traten.

Kurze Zeit später gelangten die drei Freunde tatsächlich an eine Stelle, wo sich der Weg verzweigte. Sie mussten sich für eine Richtung entscheiden, halb rechts oder halb links.

Anton schaute zu Max und dieser zu Paula.

»Lasst mich rechts ein Stück hineingehen und nachsehen, wie weit der Gang noch geht«, schlug Max vor. »Ihr wartet hier, bis ich von meiner Erkundung wieder zurück bin.«

»Nein, das machst du nicht«, entgegnete Paula. Ihre Stimme verriet, dass sie es ernst meinte.

»Aber wenn ich die Schnur mitnehme, komme ich sicher wieder zurück«, gab Max nicht auf.

»Mag sein, aber was ist, wenn du Hilfe brauchst? Dann bist du allein und wir können dich nicht hören.«

»Schon gut, ihr zwei«, schaltete sich Anton in den Disput ein. »Ich sehe es wie Paula. Wir dürfen uns nicht trennen. Das ist zu gefährlich.«

»Gib mir mal deine Stirnlampe«, sagte er zu Max. »Und du, Paula, leuchtest mit deiner Lampe zu Max hinüber, damit er sich besser orientieren kann.«

Er folgte Antons Anweisungen, nahm die Lampe vom Kopf und reichte sie ihm.

»Was hast du vor?«

Jetzt nahm auch Anton seine Stirnlampe ab und hielt beide Lampen so in der Hand, dass ihre Lichtstrahlen genau in die gleiche Richtung zeigten. Dadurch verdoppelte sich die Leuchtkraft. Er trat einen Schritt nach rechts und hockte sich auf den Boden, um besser in den dunklen, rechten Gang hineinleuchten zu können.

»Ich hab’s geahnt«, freute er sich. »Der Gang ist schon nach ein paar Metern zu Ende. Seht ihr das auch?«

Max und Paula rückten näher heran und bestätigten seine Beobachtung.

»Jemand hat versucht, den Gang in diese Richtung weiterzugraben, musste aber offensichtlich aufgeben«, stellte Paula fest.

»Vielleicht liegt dort ein besonders großer Stein oder sowas Ähnliches«, ergänzte Max.

Anton nickte. »Und dann haben die Erbauer der Höhle eben auf der linken Seite weitergemacht.«

Die Expedition konnte weitergehen. Paula war froh, dass sich das Problem mit der Weggabelung so leicht gelöst hatte.

Es gab nur den Weg nach links, das war jetzt klar. Aber wo der Weg hinführte, das wusste keiner von den dreien. Und ob sich am Ende des Ganges ein größerer Raum verbarg, war keinesfalls sicher. Vielleicht hörte er einfach irgendwo auf, so wie auf der rechten Seite der Gabelung. Um das herauszufinden, blieb den drei Abenteurern nichts anderes übrig, als weiter in den Berg hineinzugehen.

Anton übernahm wieder die Führung. Er leuchtete mit seiner Lampe den Weg vor ihm aus und ging vorsichtig leicht gebückt voran.

»Aua«, rief Max, der am Ende der Gruppe ging und einen halben Kopf größer war als die anderen.

Paula drehte sich sofort um.

»Was ist passiert?«, frage sie erschrocken.

»Es ist alles gut. Ich bin nur mit dem Kopf an den Querbalken gestoßen. Zum Glück habe ich den Helm auf. Zieht den Kopf ein, der Gang wird langsam wieder niedriger.«

»Stopp!«, rief Anton plötzlich und blieb abrupt stehen.

Paula und Max gingen zu ihm nach vorn und sahen Wasser auf dem Boden.

»Eine kleine Pfütze ist das aber nicht mehr«, stellte Max fest.

»Das kann man wohl sagen«, bestätigte Anton die Situation vor ihnen.

Soweit er mit der Lampe in den Gang hineinleuchten konnte, war nichts als Wasser zu sehen. Anton kramte in seinem Rucksack und holte die größere Stabtaschenlampe heraus, die er zusätzlich mitgenommen hatte. Damit suchten sie die Wände und die Decke ab, um herauszufinden, wo das Wasser herkam.

»Halt! Warte mal«, rief Paula. »Leuchte nochmal an die rechte Wand. Seht ihr die Steine dort? Die unteren sind nass.«

»Tatsächlich«, sagte Max. »Zwischen den Steinen tritt Wasser hervor. Dahinter muss eine Quelle sein. Von dort läuft es nach unten und versickert im Boden.«

»Alle Achtung! Jetzt weiß ich, warum ich euch mitgenommen habe«, scherzte Anton. »Was schlagen die Detektive vor?«

»Wir geben nicht auf. Dafür sind wir schon zu weit gelaufen. Also weitergehen und bei jedem Schritt vorsichtig prüfen, wie tief das Wasser ist«, lautete Paulas klare Ansage.

Die Jungen waren einverstanden. Sie wechselten sich in der Führung ab. Nun ging Max voran.

»Nur gut, dass ich die festen Wanderschuhe angezogen habe«, sagte er zufrieden mit seiner Entscheidung.

Sie hatten Glück. Die Wasserstelle erstreckte sich zwar über mehrere Meter, aber nur an einer Stelle war sie tiefer als die dicken Sohlen ihrer Schuhe. Trotzdem mussten sie höllisch aufpassen, weil der feuchte Boden ziemlich glitschig war.

Paula sah sich nach dem Durchqueren der Wasserstelle noch ihre nassen Schuhe an und rückte gerade den Rucksack zurecht, als Anton einen Freudenschrei ausstieß.

»Wow, wie cool ist das denn? Seht euch das an!.«

Der Gang wurde noch niedriger. Noch einmal mussten sie sich bücken, fast schon auf allen vieren kriechen, aber dann standen sie am Eingang einer Höhle, die doppelt so hoch war wie sie selbst.

»Hier kann ja unsere halbe Klasse mit ihren Isomatten schlafen«, witzelte Max.

Es gab keinen Zweifel mehr. Anton hatte seit der Entdeckung des zugewachsenen Eingangs gehofft, dass der Gang zu einer größeren Höhle führen würde. Max träumte von einem Schatz. Und Paula? Sie war froh, dass der dunkle Gang nun ein Ende gefunden hatte. Sie freute sich für die Jungs, dass ihr Plan aufgegangen war. Und sie war auch ein wenig stolz auf sich, dass sie den Mut hatte, mitzugehen.

Das Staunen währte nur kurze Zeit. Danach gewann die Neugier wieder die Oberhand.

Um diese Höhle in den Berg zu graben, hatten viele Menschen lange Zeit arbeiten müssen. Jeder Eimer Erde, der mühsam von den Wänden abgehackt wurde, musste den langen Gang nach draußen geschafft worden sein.

Der Boden war erstaunlich eben und mit feinkörniger Erde bedeckt. Kein Stein ragte heraus. Die Wände und die Decke waren mit breiten Holzbrettern verkleidet. Dicke, senkrechte Bohlen gaben der Konstruktion ihren Halt. Auf der rechten Seite war nicht die ganze Wand mit Brettern verkleidet. Die Erbauer hatten ein nicht allzu großes, nahezu quadratisches Stück in der halben Höhe freigelassen.

Mit ihren Lampen leuchteten die drei Entdecker der Höhle schrittweise den Raum aus. Nicht die geringste Kleinigkeit durfte ihnen entgehen. Sie waren überzeugt davon, dass sie kostbare Sachen aus früheren Zeiten finden würden. Die Spannung war kaum noch auszuhalten.

Als Paula mit der Stirnlampe Max direkt ins Gesicht leuchtete, sah sie, dass er in Gedanken versunken war.

»Hey, träumst du?«, fragte sie.

Max blinzelte mit den Augen und lächelte.

»So kann man das nennen. Ich musste gerade an meinen Traum mit den Schatzkisten im Spiegelsaal des Schlosses denken. Erinnerst du dich an den vierköpfigen Drachen, der die echte Kiste bewachte?«

Paula lachte. »Und ob ich mich erinnere. Und jetzt denkst du, dass hier in der Höhle auch eine Schatzkiste mit einer Aufgabe für dich steht.«

»Okay, du hast recht, das ist albern«, antwortete Max. »Aber warum eigentlich nicht? Komm, lass uns weitersuchen. Wo steckt denn Anton?«

»Der steht schon eine ganze Weile da hinten«, sagte Paula, »vielleicht hat er etwas gefunden.«

»Hey Anton, hast du was entdeckt?«, rief Max und schaute in seine Richtung.

»Weiß ich noch nicht«, antwortete er. »Da drüben an der Wand stehen noch ein paar Reste eines Holzregals. Die meisten Bretter sind morsch. Ich schätze mal, da haben Kriminelle früher ihre Schmuggelware eingelagert.«

»Echt jetzt?«, sagte Paula ungläubig.

»Was sind denn das für Kisten vor dir?«, wollte Max wissen.

»Das untersuche ich gerade. Die eine fällt schon beim Hinsehen auseinander, aber das Ding vor mir ist noch ganz gut erhalten.«

»Ich wette, da wurden Sachen verstaut, die nicht nass werden durften«, vermutete Paula.

»Mein Opa kennt viele Grenzgeschichten«, berichtete Max. »Er erzählte uns, dass früher Kaffee und Alkohol und sogar Zucker geschmuggelt wurden, wenn die legale Einfuhr verboten war.«

»Und noch früher Waffen und Munition, das habe ich mal gelesen«, ergänzte Paula.

»Und heute Zigaretten und Drogen«, beendete Anton das Gespräch über Schmuggelware.

»Sieh mal nach, ob noch ein paar Reste vom Schmuggelgut zu finden sind«, lenkte Max die Aufmerksamkeit wieder auf die geheimnisvolle Holzkiste.

»Mmh, sieht leider nicht so aus, nur ein paar Reste von verendeten Spinnen und anderem Getier.«

»Das ist ja eklig«, rümpfte Paula die Nase, »lass die Finger davon.«

»Beruhige dich, es kann nichts passieren, ich habe die Handschuhe angezogen.«

Anton neigte den Kopf von einer Seite zur anderen, um alle Ecken in der Kiste auszuleuchten. Irgendetwas stimmte mit dem Boden nicht. Er fegte den Dreck mit der Hand zur Seite und zog an den Brettern, die noch erstaunlich stabil waren. Plötzlich löste sich doch eine Seite des mittleren Brettes, so dass er mit der Hand darunterfahren konnten. Ohne große Kraftanstrengung hob er es hoch.

»Jetzt wird es interessant«, teilte er den anderen, die gespannt über seine Schultern schauten, seine Entdeckung mit.

»Max, gib mir mal bitte die große Taschenlampe.«

»Wo hast du die denn hingelegt?«

»Ich glaube, ich habe sie wieder in den Rucksack getan. Sieh mal dort nach.«

»Okay, da ist sie.«

Max reichte ihm die nagelneue LED-Stabtaschenlampe, die er von seinem Taschengeld für die Entdeckertour gekauft hatte.

Inzwischen waren alle Bodenbretter von Anton entfernt worden.

»Ist ja interessant«, sprach er zu sich, als er mit der großen Lampe hineinleuchtete.

Max kniete sich neben Anton hin. Paula stand dahinter und guckte zwischen den beiden Köpfen der Jungs hindurch.

»Kein Zweifel. Die Kiste hat einen doppelten Boden«, stellte Max fest.

»Ja, und wie es aussieht, hat der Letzte, der hier vorbeigekommen ist, nicht gewusst, dass in dem Geheimfach unter dem Boden etwas versteckt worden war.«

»Oder man ist nicht mehr dazu gekommen, die Sachen aus dem Versteck zu holen«, fügte Paula eine andere Erklärung dazu.

»Ist doch egal«, antwortete Max, der viel zu aufgeregt war, um über die Vergangenheit nachzudenken.

»Lass mal sehen, was du gefunden hast.«

Anton holte einen unbekannten Gegenstand aus der Kiste und zeigte ihn Paula.

»Sieht aus wie ein zusammengerolltes Stück Papier«, stellte sie fest, allerdings ohne es anzufassen.

»Nein, das ist kein Papier«, antwortete Anton. »Es fühlt sich an wie Leder.«

»Zeig mal her«, mischte sich jetzt auch Max ein.

Anton gab ihm das Fundstück in die Hand.

„Paula, leuchte bitte mal genau auf meine Hände.“

»Ja, mach ich.« Sie drehte ihren Kopf mit der Stirnlampe in Max‘ Richtung.

»Gut so?«, fragte sie.

»Perfekt. Danke.«

»Stimmt. Das ist ein zusammengerolltes Ledertuch. Und die Schnur, die die Rolle zusammenhält, ist auch aus Leder.«

»Nun roll das Teil schon auf«, sagte Anton ungeduldig. »Wir wollen ja nicht ewig in der Höhle bleiben.«

»Ich wette, da ist eine Karte oder ein Plan eingewickelt.«

Max zog die Schnur über eine Seite herunter und rollte das Ledertuch auseinander. Er kam sich vor wie ein Bote aus dem Mittelalter, der damals dem Volk den Erlass des Königs vorlesen musste.

Paula erkannte den Inhalt als Erste, als der Lichtstrahl ihrer Lampe direkt auf das Stück Papier fiel.

»Anton, bist du Hellseher?«, freute sie sich. »Das ist eine Landkarte. Die Zeichnungen darauf könnten Straßen, Wälder oder Flüsse sein. Oder ein Wohngebiet. Ich kann es nicht genau sehen, dafür ist es zu dunkel.«

»Mmh, was machen wir jetzt?«, fragte Max, der das aufgerollte Papier und das Ledertuch in den Händen hielt.

Kurzes Schweigen. Keiner wusste so recht, was der Fund zu bedeuten hatte. Vielleicht enthielt die Karte irgendwelche geheime Informationen. Aber selbst wenn, das Stück Papier schien schon ziemlich alt zu sein. Wer sollte damit heute noch etwas anfangen können?

Max rollte das Ledertuch wieder zusammen und schob die Schnur darauf. Er gab die Rolle Anton zurück und bat ihn, das Teil wieder in die Kiste zurückzulegen.

»Wir nehmen sie mit!«

»Was?«, riefen Paula und Max gleichzeitig.

»Ich bin dafür, dass wir die Zeichnung näher untersuchen. Paula hat doch gesagt, dass sie nicht alles erkennen kann. Vielleicht steht auch noch etwas auf der Rückseite, was wir noch gar nicht gesehen haben.«