Das Geheimnis um die alte Dame & Das Geheimnis um den toten Pfarrer - Simone Jöst - E-Book
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Das Geheimnis um die alte Dame & Das Geheimnis um den toten Pfarrer E-Book

Simone Jöst

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Beschreibung

Die ersten beide Fällen von Klara Golder in einem E-Book Bundle!

Das Geheimnis um die alte Dame

Royale Ermittlungen.

Klara Golders neue Putzstelle ist mehr als außergewöhnlich: Die alte, reiche Dame wird von allen nur „die Queen“ genannt, sammelt alles über das englische Königshaus und lässt sich von einem Chauffeur in einem englischen Taxi durch die Gegend fahren. Immer wieder behauptet sie, dass wertvolle Gegenstände und Geld aus ihrer Wohnung entwendet werden. Als die Polizei ihr nicht glaubt, bitte sie kurzerhand Klara um Hilfe. Das lässt sich die couragierte Reinmachefrau nicht zweimal sagen!

Schnell stellt sie fest: es gibt tatsächlich einen Dieb und es ist kein Unbekannter. Dann wird jedoch der Chauffeur der alten Dame tot aufgefunden und die Ereignisse überschlagen sich …

Das Geheimnis um den toten Pfarrer

Heiliger BimBam.

Klara Golders neue Putzstelle hat es wieder in sich: nach einem Bestseller floppten die nachfolgenden Bücher des ehemaligen Erfolgsautors und nun ertränkt er seinen Kummer in Alkohol und lässt sich von seiner Schwester bedienen. Als diese eine Auszeit benötigt, engagiert sie kurzerhand Putzperle Klara, damit sie in der Wohnung ihres exzentrischen Bruders Ordnung hält. Doch als der beliebte Pfarrer ermordet im Beichtstuhl aufgefunden wird, ist Klara sofort klar: hier ist ihre Spürnase gefragt! Mit Monsieur Bloque an ihrer Seite stößt Klara auf einige Ungereimtheiten, die ihr zu denken geben. Als sie dann auch noch von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt wird, nimmt das Chaos seinen Lauf …

Klara Golder - die scharfsinnige Putzfrau ermittelt in zwei Fällen!

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Über das Buch

Das Geheimnis um die alte Dame

Royale Ermittlungen.

Klara Golders neue Putzstelle ist mehr als außergewöhnlich: Die alte, reiche Dame wird von allen nur „die Queen“ genannt, sammelt alles über das englische Königshaus und lässt sich von einem Chauffeur in einem englischen Taxi durch die Gegend fahren. Immer wieder behauptet sie, dass wertvolle Gegenstände und Geld aus ihrer Wohnung entwendet werden. Als die Polizei ihr nicht glaubt, bitte sie kurzerhand Klara um Hilfe. Das lässt sich die couragierte Reinmachefrau nicht zweimal sagen!

Schnell stellt sie fest: es gibt tatsächlich einen Dieb und es ist kein Unbekannter. Dann wird jedoch der Chauffeur der alten Dame tot aufgefunden und die Ereignisse überschlagen sich …

Das Geheimnis um den toten Pfarrer

Heiliger BimBam.

Klara Golders neue Putzstelle hat es wieder in sich: nach einem Bestseller floppten die nachfolgenden Bücher des ehemaligen Erfolgsautors und nun ertränkt er seinen Kummer in Alkohol und lässt sich von seiner Schwester bedienen. Als diese eine Auszeit benötigt, engagiert sie kurzerhand Putzperle Klara, damit sie in der Wohnung ihres exzentrischen Bruders Ordnung hält. Doch als der beliebte Pfarrer ermordet im Beichtstuhl aufgefunden wird, ist Klara sofort klar: hier ist ihre Spürnase gefragt! Mit Monsieur Bloque an ihrer Seite stößt Klara auf einige Ungereimtheiten, die ihr zu denken geben. Als sie dann auch noch von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt wird, nimmt das Chaos seinen Lauf …

Klara Golder - die scharfsinnige Putzfrau ermittelt in zwei Fällen!

Über Simone Jöst

Simone Jöst lebt im Odenwald. Beflügelt von der Lust, sich ständig neue Geschichten auszudenken, schreibt sie humorvolle Unterhaltungskrimis, die nicht nur von Mord und Totschlag erzählen, sondern auch die Lachmuskeln ihrer Leser fordern. Für sie gibt es nichts Schöneres als schwarzen Humor und weiße Schokolade. Sie veröffentlichte zahlreiche Kurzgeschichten und Romanserien und ist Herausgeberin von Krimi-Anthologien.

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Simone Jöst

Das Geheimnis um die alte Dame & Das Geheimnis um den toten Pfarrer

Die ersten beide Fällen von Klara Golder in einem E-Book Bundle!

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Informationen zur Autorin

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Das Geheimnis um die alte Dame

Prolog

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Sonntag

Montag

Dienstag

Das Geheimnis um den toten Pfarrer

Prolog

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Samstag

Epilog

Impressum

Simone Jöst

Das Geheimnis um die alte Dame

Clara Golder ermittelt

Für Meike und Linda,

Emilia und Tiana

Prolog

Die Stimme am Telefon war kaum zu hören. Der wachhabende Polizeibeamte hielt sich das Ohr zu und drehte sich zur Seite. Hinter seinem Rücken randalierte ein Betrunkener und setzte sich lautstark gegen zwei uniformierte Beamte zur Wehr. Seine wüsten Beschimpfungen und vergeblichen Fluchtversuche übertönten das gesamte Revier.

»Wie bitte? Was haben Sie gesagt?«, fragte der Polizist, als der Geräuschpegel langsam wieder auf Normalniveau sank.

»Herrgott noch einmal!«, fluchte die Dame am anderen Ende der Leitung, »wie oft denn noch? Sie haben mich genau verstanden, junger Mann. Bei mir wurde eingebrochen. Schicken Sie umgehend jemanden vorbei, der sich das ansieht.«

Der Beamte hatte den Namen seiner Gesprächspartnerin nicht verstanden, aber er ahnte, mit wem er sprach. Vorschriftsgemäß dokumentierte er den Anruf und würde den Einsatz an seine Kollegen weitergeben.

»Nennen Sie mir bitte Ihren Namen und Adresse, dann ...«

»Das habe ich Ihnen doch schon alles gesagt!«

»Natürlich, aber ...«

»Nicht dass Sie später behaupten, Sie wüssten nicht, wer angerufen hat«, fuhr die alte Dame barsch dazwischen, »hier ist Maria Kronknecht. Meine Adresse liegt Ihnen vor. Ihre Leute wissen, wer ich bin.«

»Frau Kronknecht«, sagte der Beamte mit einem aufgesetzten Lachen, kratze sich am Kopf und rollte die Augen, »selbstverständlich weiß ich, wer Sie sind.« Er gab sich die äußerste Mühe freundlich zu bleiben, obwohl er am liebsten den Hörer aufgelegt hätte. Mit dem Zeigefinger winkte er einen uniformierten Kollegen zu sich heran.

»Was genau, sagten Sie, ist passiert?«, fragte er und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er griff nach einem Kugelschreiber und einem Blatt Papier.

»Junger Mann, treiben Sie es nicht zu weit. Haben Sie mir nicht zugehört?«, keifte die Alte wütend.

»Entschuldigung, aber bei diesem Lärm vorhin habe ich leider nichts von Ihrem Anliegen verstanden.« Seine Halsschlagader fing an zu pochen, mit den Fingern trommelte er nervös auf die Schreibtischunterlage.

»Bei mir ist e-i-n-g-e-b-r-o-c-h-e-n worden«, wiederholte sie, als ob sie mit einem Schwerhörigen oder mit einem kompletten Idioten spräche.

»Das hätte ich mir denken können«, murmelte der Polizist und schüttelte resigniert den Kopf, »bleiben Sie, wo Sie sind, und fassen Sie nichts an. Unsere Leute kommen sofort.«

»Ihr Wort in Gottes Gehörgang!«, schimpfte die Frau. »Das letzte Mal hat es ganze zwei Stunden gedauert, bis jemand aus Ihrem Verein hier auftauchte, nur um mich dann zu beleidigen.« Sie legte auf.

»Hallo?« Der Polizist lauschte in den Hörer, hielt ihn dann ein Stück vom Ohr fort und starrte ihn ungläubig an. »Hast du da noch Töne?« Er sah seinen Kollegen an, der vor ihm am Schreibtisch stand und wartete.

»Was ist los?«, fragte dieser und steckte die Daumen lässig in den Hosenbund.

»Wir haben einen Einbruch. Kannst du mit Ollie mal hinfahren und nachsehen?«

»Adresse?«

Der Beamte am Schreibtisch sah beschäftigt auf seine Notizen und mied den Blickkontakt. Er schob ihm einen kleinen Zettel mit dem Namen Kronknecht zu.

»Och nein, bitte nicht.« Die Schultern des Mannes sackten nach unten. Er wandte sich ab. »Kann nicht Thomas zu ihr fahren? Wenn ich dieser Person noch einmal begegne, weiß ich nicht, was ich mit ihr anstelle. Nehmt mir meine Pistole fort, sonst erschieße ich diese Nervensäge auf der Stelle.«

»Jens!«

»Ist doch wahr. Muss ich mir die Beschimpfungen dieser alten spleenigen Schachtel anhören, bloß weil ich Polizist bin? Ich habe auch Gefühle.«

Von hinten trat ein verschmitzt lächelnder Polizist mit Dreitagebart und blauer Uniform hinzu. Er legte Jens eine Hand auf die Schulter.

»Du und Gefühle? Seit wann das denn?«

Jens drehte sich um und funkelte Thomas böse an. Er reichte ihm den Zettel mit Frau Kronknechts Namen und sagte: »Ihr habt einen Einsatz. Einbruch.«

Thomas nahm das Stück Papier, las den Namen darauf und rollte ebenfalls die Augen. »Superwitzig.«

»Finde ich auch«, lachte Jens, lehnte sich mit dem Po gegen den Schreibtisch und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ach, und liebe Grüße.«

Thomas setzte seine Polizeimütze auf, zeigte seinem Kollegen den Mittelfinger und wandte sich zum Gehen. Eine junge Polizistin folgte ihm.

»Was war das denn eben?«, fragte sie und beeilte sich, um mit ihrem Partner Schritt zu halten.

Er hielt ihr die Tür nach draußen auf, sprang die Stufen hinter ihr hinab und marschierte zum Streifenwagen. Julia folgte ihm.

»Hey, sag was.«

Thomas öffnete den Wagen, legte beide Unterarme auf dem Wagendach ab und sah seine Kollegin an.

»Wir fahren zu Frau Kronknecht. Einbruch.«

Die junge Polizistin zuckte mit den Schultern.

»Ja und?«

»Frau Kronknecht?« Thomas wartete auf eine Reaktion.

»Sollte mir der Name etwas sagen?«, fragte Julia und sah ihn mit ihren wasserblauen Augen an.

»Die Queen?« Thomas trommelte mit den Fingerspitzen auf das Wagendach.

»Die Queen? Och nee, bitte nicht.« Julia blies die Wangen auf und stieg widerwillig ein.

Montag

Laut Navigationsprogramm auf dem Handy stand Klara keine fünfzig Meter vor der eingegebenen Adresse. Ein breites Grinsen flog über ihr Gesicht und sie strahlte mit der heißen Augustsonne um die Wette.

»Happy Birthday, Klara«, sagte sie und lief mit ihrem Reisetrolley im Schlepptau über den gepflasterten Platz auf das Fachwerkhaus zu. Die Räder verhakten sich ständig und so kam sie langsamer von der Stelle, als ihr lieb war. Sie platzte fast vor Neugier und Vorfreude auf ihr neues Zuhause im Dachgeschoss dieses wunderschönen Hauses. Sie hatte keine Ahnung, was genau sie dort erwartete. Das winzige Bild im Internet war nicht besonders aussagekräftig gewesen. Sie hatte sich einzig und allein auf die Beschreibung der Wohnung verlassen. Worte waren geduldig. Klara nicht. Vielleicht hatte ihr Mann Harald recht gehabt, als er ihr vorwarf, dass sie blauäugig in ihr Unglück rannte, wenn sie eine Wohnung anmietete, ohne sie vorher besichtigt zu haben. Vielleicht war es aber auch nur ein verzweifelter Versuch, sie davon abzuhalten, ihn zu verlassen. Diese Möglichkeit zog Klara viel eher in Betracht. Für ihn war eine Welt zusammengebrochen, als sie ihm heute früh zwischen Morgenzeitung und einer Tasse Kaffee am Frühstückstisch mitgeteilt hatte, dass sie sich von ihm trennen und ausziehen wolle. Während sie ein Jahr lang akribisch an diesem Plan gefeilt hatte, erfuhr er erst unmittelbar vor ihrer Abreise davon. Hätte sie ihn vorher eingeweiht, wäre er ausgeflippt und hätte sie wahrscheinlich noch überzeugen können, zu bleiben. Sie knickte viel zu oft ein, wenn er anfing, zu argumentieren. Dieses Mal nicht. Sie hatte ihn verlassen und das heute, an ihrem fünfzigsten Geburtstag. Halleluja!

Auf dem Marktplatz tummelten sich viele Menschen. Sie schlenderten mit bunten Einkaufstüten von Geschäft zu Geschäft oder ließen sich in Straßencafés die Sommersonne auf die Nase scheinen. Kinder sprangen juchzend in Badehosen zwischen kleinen Wasserfontänen umher, die aus dem Boden in die Höhe spritzten und prasselnd wieder in sich zusammensackten. Mütter mit Kinderwagen und Wechselwäsche saßen auf den Parkbänken und sahen ihren Sprösslingen beim Spielen zu. Es fehlte nur ein opulenter Soundtrack, und Klara hätte sich wie in einem Film gefühlt. Sie konnte es immer noch nicht fassen: Sie hatte den Absprung aus ihrer Ehe geschafft. Voller Vorfreude eilte sie über den Marktplatz und hielt die Spannung kaum noch aus. Mit jedem Schritt, den sie auf ihr neues Zuhause zulief, ihren Koffer dabei hinter sich herzerrend, rumorte ihr Magen ein wenig mehr und wurden ihre Hände feuchter.

Im Erdgeschoss des Fachwerkhauses befand sich eine Buchhandlung, die dem Vermieter gehörte. In der Etage darüber wohnte er selbst, und unter dem Dach war ihre neue Wohnung. Wie sich das anhörte: ihre Wohnung. Noch nie zuvor hatte sie allein gelebt. Klara lächelte.

Über der Ladentür der Buchhandlung stand in geschwungenen roten Lettern Le livre. Monsieur Bloque, der Besitzer, war Franzose. Seine Stimme hatte am Telefon melodisch und äußerst angenehm geklungen. Er sprach langsam, als wolle er seinen Worten genügend Raum zur Entfaltung geben. Ganz anders als ihr Mann Harald. Er sprach meist gar nicht. Links und rechts neben der Eingangstür befanden sich zwei Schaufenster mit breiten Sandsteinfensterbänken, auf denen bunte Sitzkissen und ein Stapel gebrauchter Bücher lagen, die zum Hinsetzen und Lesen einluden. Eine junge Frau saß mit angezogenen Beinen gegen den Fensterrahmen gelehnt und schmökerte mit einem Becher Kaffee in der Hand in einem Roman.

Klara bugsierte ihren Koffer über zwei Stufen zur Ladentür hinauf und betrat die Buchhandlung. Die Räder des Trolleys verhakten sich. Sie zerrte ihn ruppig zu sich, damit er wieder auf Spur kam. Von der Sonne geblendet, übersah sie leider den Prospektaufsteller auf Rollen, der direkt neben der Tür stand. Dafür hörte sie ihn, als er mit Getöse zu Boden schepperte. Eine Kundin schrie erschrocken auf. Der junge Verkäufer, der sie bediente, stellte ein Buch ins Regal zurück und eilte zu Klara. Er war schlank, hatte kurze, dunkelbraune Haare und sah nett aus. Trotz des Malheurs schenkte er Klara ein freundliches Lächeln. Hinter der Theke stand ein weiterer Mann, der zu ihr herübersah und fragte, was passiert sei.

»Alles in Ordnung, Monsieur Bloque«, sagte der junge Verkäufer, hob den Aufsteller wieder auf und steckte die Prospekte zurück.

»Oh mein Gott! Das tut mir entsetzlich leid«, rief Klara, bestürzt über ihre Schusseligkeit. Sie ließ ihren Koffer stehen, ging in die Hocke und wollte beim Auflesen der Broschüren helfen. Dabei stießen sie mit den Köpfen zusammen. Ihre Blicke kreuzten sich. Klara wäre am liebsten mit feuerrotem Kopf im Erdboden versunken.

»Entschuldigung. Das wollte ich nicht. Ich bin mit meinem Koffer hängen geblieben. So etwas Peinliches aber auch.«

»Ist doch nichts passiert«, sagte der junge Mann und lächelte. Er griff nach dem letzten Prospekt, steckte ihn an seinen Platz zurück und schob den Aufsteller ein wenig von der Eingangstür zur Seite.

»Alles in Ordnung?«, fragte er, und als Klara nickte, bat er sie, sich noch einen kleinen Moment zu gedulden, bis er seine Kundin fertig bedient habe.

Klara strich verlegen eine gelöste Haarsträhne hinter ihr Ohr und zupfte an ihrem dunkelbraunen Pferdeschwanz, nur um sicherzugehen, dass wenigstens ihre äußere Erscheinung nicht ihrem tollpatschigen Auftritt gleichkam. Der erste Eindruck zählte. Obwohl das jetzt schon der zweite wäre. Sie strich nervös über ihre geblümte Sommerbluse, die sie sich selbst zum Geburtstag geschenkt hatte und heute zum ersten Mal trug. Ihre Wangen glühten, ihr war heiß.

»Madame«, sagte plötzlich eine tiefe Stimme.

Klara erschrak und wirbelte herum. Der Mann hinter der Theke stand neben ihr. Er überragte sie um einen halben Kopf und sah verdammt gut aus. Die kurz geschnittenen Haare waren leicht ergraut, seine Figur wirkte athletisch und sein Lächeln spitzbübisch. Er trug Jeans und ein weißes Hemd, das er wegen der Hitze an den Armen hochgekrempelt hatte. Der obere Knopf stand offen.

»Kann ich Ihnen weiterhelfen?«, fragte er mit einem leicht französischen Akzent.

Diese Stimme hätte Klara unter Tausenden wiedererkannt. Das war eindeutig Monsieur Bloque, mit dem sie zuvor schon einige Male telefoniert hatte. Sie hatte sich den Mann komplett anders vorgestellt. Keine Ahnung, wie, aber anders, nicht so gut aussehend. In ihrer Phantasie war er ein staubiger Bücherwurm mit einem schier endlosen Wissen über Gott und die Welt. Und nun stand dieser Mann vor ihr und glich viel eher einem Model für Designermode. Trotzdem stimmte etwas nicht an ihm.

»Entschuldigen Sie bitte meinen missglückten Auftritt gerade eben«, stammelte Klara, »es tut mir entsetzlich leid, dass ich ...«

Monsieur Bloque hob die Hand und winkte ab.

»Pas de problème. Das kann jedem passieren.«

Obwohl Klara das bezweifelte, lächelte sie dankbar für seine Nachsicht.

»Ich bin Monsieur Philippe Bloque, und sie sind Madame Golder, wenn ich mich nicht irre?« Er reichte ihr die Hand.

»Ähm, ja, woher wissen Sie das?«, fragte Klara verwirrt. Sie hatte sich noch nicht vorgestellt.

»Sie sagten am Telefon, Sie kämen um vierzehn Uhr, und nun Sie stehen mit einem Koffer in meinem Laden. Da liegt der Schluss doch nahe. N’est-ce pas?« Er lächelte verschmitzt.

Klara nickte und bemerkte plötzlich, was an ihm nicht stimmte. Oder stimmte etwas an ihr nicht? Der Mann starrte die ganze Zeit auf ihren Busen. Jetzt da es ihr auffiel, fand sie sein Verhalten mehr als taktlos. Scheinbar nebenbei griff sie mit ihrer Hand an den Ausschnitt, um sicherzugehen, dass hier nichts herausblitzte, was sie nicht zeigen wollte. Das Dekolleté saß so, wie es sollte, aber warum zur Hölle starrte der Mann unablässig dorthin? Klara trat ein kleines Stück zur Seite, doch der Blick des Mannes folgte ihr.

»Nach der langen Anreise wollen Sie sicherlich als Erstes Ihre Wohnung sehen. Wenn Sie möchten, bringe ich Sie gleich nach oben.«

»Ja, das wäre wundervoll«, sagte Klara und fühlte sich unbehaglich. Was war mit dem Kerl nur los? Vielleicht war die Miete der Wohnung nur deshalb so günstig, weil der Vermieter ein Perverser war und niemand lang hier wohnen blieb?

»Würden Sie mir bitte Ihren Koffer geben?«, fragte Monsieur Bloque und streckte die Hand aus, die direkt neben ihrem Gepäck in der Luft schwebte.

Sein Verhalten war merkwürdig. Er brauchte nur fünf Zentimeter weiter zur Seite zu greifen und hätte den Koffer in der Hand. Was sollte das? Sie zögerte.

»Excusez. Entschuldigen Sie bitte.« Er zog die Hand zurück. »Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig.«

»Mir?«, fragte Klara und überlegte, was sie von diesem Mann halten sollte.

»Ich bin blind, kann also nicht sehen, deswegen erscheine ich manchmal ein wenig merkwürdig.« Er lachte, als ob diese Tatsache das Selbstverständlichste der Welt sei.

»Sie sind blind?«, fragte Klara. Das erklärte, weshalb er auf ihre Brust starrte, die er gar nicht sah, warf aber eine ganz andere Frage auf. »Woher wissen Sie dann, dass ich mit meinem Koffer hier in Ihrem Laden stehe?«

Monsieur Bloque grinste.

»Sie hatten ihn vorhin als Verursacher Ihres kleinen Malheurs beschuldigt.«

Hatte sie das? Faszinierend, welche Rückschlüsse dieser Mann zog.

»Ich bin beeindruckt«, sagte sie und war es tatsächlich.

»Alors, wenn Sie mir freundlicherweise Ihren Koffer reichen, dann bringe ich Sie nach oben.« Er streckte abermals die Hand aus.

»Nein, das kommt nicht infrage«, entschied Klara kategorisch, »ich trage ihn selbst. Das macht keine Umstände.«

Monsieur Bloque zuckte die Schultern und lächelte. Er bat seinen jungen Kollegen Lukas, ihn für einen Moment zu entschuldigen, und führte Klara hinter der Ladentheke vorbei durch ein angrenzendes Büro mit zwei Schreibtischen. Von dort führte eine Tür ins Treppenhaus nach oben. Der Fußboden war schwarz-weiß gefliest, und die Treppe war aus frisch poliertem Holz.

Klara war Putzfrau mit Leib und Seele und roch Reinigungsmittel sofort. Hier waren es Möbelpolitur und Bohnerwachs. Der Geruch in diesem Haus gefiel ihr. Er hatte die richtige Mischung aus frisch geputzt, aber nicht steril. Sie legte die Hand auf das blank abgewetzte Treppengeländer und schloss die Augen. Sie sog die Luft ein und ließ sie mit einem Seufzen wieder frei. Noch bevor sie ihre Wohnung gesehen hatte, fühlte sie sich schon zu Hause. Sie lächelte.

Monsieur Bloque war einige Stufen weiter stehen geblieben und wartete auf sie.

»Es ist schön, jemanden zu treffen, der die Welt mit allen Sinnen wahrnimmt.«

»Wie meinen Sie das?« Klara öffnete erschrocken die Augen. Woher wusste er, was sie gerade empfand?

»Ich bin blind, was nicht heißt, dass ich die Welt nicht sehe. Meine Augen verwehren mir leider ihren Dienst, doch dafür nehme ich die Dinge mit meinen anderen Sinnen wahr. Ich höre, fühle, schmecke vielleicht ein wenig intensiver als andere Menschen. Und eben habe ich bemerkt, dass Sie stehen geblieben sind und tief eingeatmet haben. Wahrscheinlich hatten Sie auch die Augen geschlossen. N’est-ce pas?«

»Ja, das stimmt«, antwortete Klara überrascht. »Es riecht wundervoll hier.«

»Das Haus ist alt und schon lang im Besitz meiner Familie. Wenn es reden könnte, wüsste es unendlich viele Geschichten zu erzählen. Lassen Sie uns nach oben gehen.« Er wandte sich um und lief weiter. Mit der Hand fuhr er über das Geländer, und die Stufen knarrten unter seinen Füßen.

Ein blinder Buchhändler und ein stummes Haus. Klara schmunzelte und folgte ihm.

Vor knapp einem Jahr hatte Klara beschlossen, ihren Mann Harald zu verlassen und aus dem gemeinsamen Reihenhaus auszuziehen. Die Entscheidung war ihr schwergefallen, doch wenn sie es nicht täte, würde sie unter der dicken Staubschicht ersticken, die das Leben über ihr ausgebreitet hatte. Sie war Putzfrau aus Leidenschaft, liebte es, zu bohnern, abzustauben, aufzuräumen und klar Schiff zu machen, nur in ihrem eigenen Leben hatte sie das schon viel zu lange versäumt. Im Lauf ihrer Ehe hatten Harald und sie sich zu einem zweckmäßigen Nebeneinander zusammengerauft. Sie waren von Wolke sieben auf Wolke eins gesunken, und bevor sie komplett auf dem Boden der Realität landeten, zog Klara die Reißleine. Sie brauchte Luft zum Atmen, vermisste das Lachen, das Spontane, das Verrückte. Ihr Leben bestand nach all den Jahren an Haralds Seite nur noch aus Routinen, an denen sie eines Tages zugrunde gehen würde. Dieser monotone Trott konnte nicht alles gewesen sein, was das Leben ihr zu bieten hatte. Klara sehnte sich nach mehr. Deswegen beschloss sie, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Trotz aller Sehnsucht und Abenteuerlust hatte sie aber auch eine Heidenangst vor dem, was die Zukunft bringen würde.

Zuerst waren es Spinnereien mit ihren Freundinnen Bella und Anni gewesen. Bei einem feuchtfröhlichen Mädelsabend stand plötzlich die Frage im Raum: Was täten sie, wenn sie noch einmal ganz von vorn anfangen könnten? Kichernd phantasierten die drei Frauen mit einem Glas Prosecco in der Hand. Jede hatte eine andere Vorstellung von ihrem perfekten Leben, und alle waren sich einig, dass es bunt, wild und prickelnd sein solle. Klara ließ diese Frage im Anschluss nicht mehr los. Sie hatte in ihrem Leben definitiv den falschen Weg eingeschlagen. Das ließ sich beim besten Willen nicht leugnen oder schönreden. Plötzlich fielen ihr so viele Details auf, die nicht mehr passten. Früher hatte sie ihr kleines Reihenhaus und den winzigen Garten, den sie liebevoll kultivierte, geliebt. Heute glaubte sie in dieser Enge zu ersticken. Wo blieben die Gespräche mit ihrem Mann über die wichtigen Dinge des Lebens? Also nicht darüber, wo die Fernbedienung des Fernsehers lag, obwohl das für Harald schon extrem wichtig war, sondern was aus ihren Träumen geworden war und solcherlei Themen? Die Alltagsroutine und die Bequemlichkeit ihres Mannes fraßen Klaras Freude am Leben auf wie die Schnecken ihren Kopfsalat im Garten. Sie war an dieser Situation weiß Gott nicht unschuldig. Sie bediente Haralds Macken und nahm immer öfter den Weg des geringsten Widerstands, den Weg des Schweigens und Hinnehmens. Wenn sie nicht endlich etwas änderte, alles beim Alten blieb, wenn sie nicht den zweiten Schritt wagte, würde ihr irgendwann die Luft zum Atmen ausgehen. Den ersten Schritt hatte Harald kategorisch abgeschmettert, als sie ihm vorgeschlagen hatte, eine Eheberatung aufzusuchen. Sie war zutiefst enttäuscht gewesen, als er ihre Idee als unnötigen und teuren Humbug abtat.

Der Entschluss, ihn zu verlassen war schleichend, leise und unaufhaltsam gekommen. Anfangs hatte Klara keine Ahnung gehabt, wie sie das anstellen sollte und ob sie es überhaupt schaffte, ihren Lebensunterhalt allein zu verdienen. Zum Glück unterstützten sie Bella und Anni. Ohne ihre Freundinnen hätte Klara die Vorbereitungen für ihren Auszug nicht geschafft. Jedes Mal, wenn die Zweifel wie Biber an ihr nagten und sie kurz davor war, alles beim Alten zu lassen, waren die Mädels da, unterstützen sie und malten ihr ihre neue Freiheit in schillernden Farben aus. Vor allem Bella, die gleich noch einen Mr Right hinzudichtete. Klara hatte ständig Angst, dass sie sich zu Hause verplapperte oder aus Angst vor der eigenen Courage zwischenzeitlich einknickte. Es konnte so vieles schiefgehen, und womöglich müsste sie aus finanziellen Gründen zu Harald zurückkehren. Sein Spott wäre unausweichlich und der absolute Super-GAU. Die Entscheidung, auszuziehen, war eine Sache, die Umsetzung eine ganz andere. Plötzlich hagelten tausend Fragen und Befürchtungen auf Klara ein. Nur eines war ihr von Anfang an wichtig: Sie wollte weit weg von ihrem Mann, und er durfte nicht wissen, wohin sie zog. Sie kannte Harald, er ließe sie nicht in Ruhe, bis sie wieder zu ihm zurückkehrte.

Klara fiel diese Kleinstadt ein, in der sie als Teenager mit ihren Eltern einen Urlaub verbracht hatte. Eigentlich dachte sie weniger an die Stadt als an Adrian. Er war damals achtzehn Jahre alt gewesen, und Klara war unsterblich in ihn verliebt gewesen. Ein Sommerflirt. Sie erinnerte sich noch genau an jenen Abend, an dem er sie zu einem Open-Air-Musikfestival an einen großen Stausee etwas außerhalb der Stadt mitten zwischen Wäldern und Wiesen mitgenommen hatte. Sie waren eng umschlungen im Fackelschein auf einer Bank am Ufer gesessen und hatten den Bässen der Musik gelauscht. Die vielen Stechmücken waren zur Nebensache geworden, als er sie geküsst hatte. Sie war in seinen Armen gelegen und hatte das Dröhnen ihres Herzschlags gespürt. Klara hatte an die große Liebe und eine gemeinsame Zukunft geglaubt. Obwohl sie der festen Überzeugung gewesen war, in Adrian den Mann fürs Leben gefunden zu haben, hatte sie am Tag darauf mit ihren Eltern wieder nach Hause abreisen müssen. Die Ferien waren zu Ende gewesen. Klara war nicht ohne das Versprechen gegangen, jede Woche zu schreiben und ihn niemals zu vergessen. Sein letzter Brief war gekommen, noch ehe ihre Mückenstiche abgeheilt waren. Von wegen ewige Liebe! Je länger Klara an Adrian dachte, desto fester stand ihr Entschluss: Sie würde ihr neues Leben dort beginnen, wo sie die schönsten Stunden verbracht hatte, an die sie sich erinnerte.

Und heute war es endlich so weit. Klara betrat ihre erste eigene Wohnung im Dachgeschoss über der Buchhandlung. Bislang hatte Klara nur das kleine Foto, das Monsieur Bloque im Internet gepostet hatte, die dazugehörige Beschreibung und den Mietpreis gekannt. Ihre Befürchtung, dass alles optimaler dargestellt werde, als es in Wirklichkeit war, zerschlug sich schon beim ersten Schritt über die Schwelle. Es roch nach Zitrusreiniger. Die Wände waren frisch gestrichen, die Fenster blitzblank geputzt. Klara achtete auf solche Dinge, eine Art Berufskrankheit. Monsieur Bloque führte sie durch alle Räume, und sie konnte immer noch nicht glauben, dass dies nun ihr neues Zuhause sein sollte.

Der Buchhändler verschwand mit einem »Herzlich willkommen« wieder nach unten. Kaum war die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen, sprang Klara in die Luft und ließ einen Freudenschrei fahren. Sie lief von Dachfenster zu Dachfenster, öffnete sie und sah hinaus. Der Ausblick über die Stadt war gigantisch. Bei Nacht, wenn überall die Lichter brannten, musste es wunderschön aussehen.

Zum Glück war die Wohnung möbliert. Alles andere hätte Klara sich nicht leisten können. In der Küche standen knallrote Einbauschränke. Gut, daran würde sie sich gewöhnen müssen, aber warum nicht? Ihr neues Leben sollte bunt werden. Et voilà! Das Badezimmer war weiß gekachelt, und blaue Frotteevorleger lagen auf dem Boden. Nebenan in einem kleinen Vorratsraum konnte man nur mit eingeschaltetem Licht hantieren, so winzig war das Dachfenster. Am Ende des Flurs schloss sich ein großes Schlafzimmer an. Durch das Fenster an der Giebelseite schien schräg die Sonne herein. Das Wohn-und-Ess-Zimmer lag zum Marktplatz hin und war mit hellen Holzmöbeln ausgestattet. Ein gemütliches Sofa in Anthrazit stand unter der Dachschräge, davor ein Tisch, der zu den Esszimmermöbeln passte. Von hier aus gelangte man in einen weiteren Raum, ein kleines Büro, an der Giebelseite, das an das Schlafzimmer grenzte. Darin standen ein Schreibtisch, ein Stuhl und ein Regal. Die Bodendielen in der gesamten Wohnung knarzten, wenn man darüberlief, nicht störend, sondern heimelig gemütlich. Klara drehte sich im Kreis und strahlte über das ganze Gesicht. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer ihrer Freundin Bella. Diese und Anni saßen bestimmt schon auf glühenden Kohlen und wollten wissen, ob alles gut gegangen war.

Es tutete nur zweimal in der Leitung, bis Bella den Videoanruf entgegennahm. Anni reckte ihren Kopf über Bellas Schulter, damit Klara sie sehen konnte. Bevor Klara zu Wort kam, sangen die beiden ein Geburtstagsständchen, so falsch und voller Liebe. Klara tupfte eine Träne aus den Augenwinkeln. Ihre neue Freiheit fühlte sich gigantisch gut an, aber sie kostete auch einen hohen Preis. Ihre Freundinnen lebten ab heute dreihundert Kilometer weit entfernt.

»Danke, Mädels«, schniefte sie.

»Du hast es durchgezogen«, sagte Bella, »ich bin stolz auf dich. Happy Birthday, Süße.«

»Wie ist die Wohnung?«, fragte Anni.

»Der Hammer. Wartet ...« Klara nahm das Handy und lief durch die Zimmer, damit die beiden sich selbst ein Bild machen konnten. »Es ist traumhaft.«

»Schau mal in deinen Kühlschrank«, sagte Bella plötzlich.

»Wieso?«

»Schau halt mal.« Anni und sie kicherten und stießen sich gegenseitig mit den Ellenbogen in die Seite.

Klara lief in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Er war gähnend leer, nur eine Flasche Sekt und drei wunderschöne Cupcakes mit Sahnehäubchen in Rosa, Weiß und Braun standen darin und warteten auf Klara.

»Was ist das denn? Ist das von euch?« Jetzt traten Klara doch die Tränen in die Augen. »Wie habt ihr das gemacht?«

»Süße«, setzte Bella empört an, »du solltest uns inzwischen gut genug kennen, dass wir dich nicht alleinlassen, und dein charmanter Vermieter zeigte sich mehr als hilfsbereit, als wir ihn um einen kleinen Gefallen baten.«

»Nein!« Klara schlug die Hand vor den Mund. »Ihr habt ihm doch nicht gesagt, dass ich heute Geburtstag habe?«

Die beiden nickten eifrig. »Yep!«

»Und ihr habt ihm nicht eventuell auch noch erzählt, dass ich Harald verlassen habe und mein Leben endlich genießen möchte?« Klara ahnte Schlimmes.

Die beiden Frauen kicherten.

»Das habt ihr nicht. Bitte sagt, dass das nicht wahr ist.« Klara schloss die Augen und ließ den Kopf mit einem Seufzer sinken. Wie peinlich war das denn?

»Könnte schon sein, dass er so etwas in dieser Art mitbekommen hat«, kicherte Bella.

Sie lachten alle drei, und Klara erzählte von ihrem Malheur in der Buchhandlung, worüber sie noch mehr lachten. Klara warf sich auf das Sofa und legte die Füße auf dem Tisch davor ab.

»Ihr fehlt mir jetzt schon«, sagte sie schließlich und warf den beiden eine Kusshand über das Display zu.

»Sobald du dich eingerichtet hast und in deinem neuen Leben angekommen bist, stehen wir bei dir auf der Matte, und dann machen wir einen drauf.« Anni sagte das in ihrem mütterlichen Ton. »Ich werde zum Dauergast bei dir, wenn meine Jungs mich daheim nerven.«

»Und ich möchte unbedingt deinen Vermieter kennenlernen. Klingt, als ob er eine echte Sahneschnitte sei.« Bella lachte. Er entsprach tatsächlich ihrem Beuteschema, und so wie Klara Bella kannte, würde sie ganz schön mit ihm flirten, sobald die beiden sich jemals begegnen sollten. Sie plapperten eine Weile munter durcheinander, bis Klara schließlich auflegte und sich an die Arbeit machte. Sie packte ihre Habseligkeiten aus und machte sich auf den Weg in die Stadt, um die nötigsten Dinge einzukaufen und ihre Schränke mit Lebensmitteln und allen möglichen Haushaltsutensilien zu bestücken.

Nachdem sie abends völlig erschöpft ihre Einkäufe in der Küche verstaut hatte, holte sie die Cupcakes aus dem Kühlschrank und entkorkte die Flasche Sekt. Sie goss sich ein Glas voll ein und trug alles auf einem Tablett ins Badezimmer. Dort ließ sie heißes Wasser in die Wanne laufen, kippte grünen Tannennadelbadeschaum hinzu und sog den herrlichen Duft ein, der sich wohlig warm im Raum ausbreitete. Klara zog sich aus und steckte ihre langen, braunen Haare zu einem Knoten nach oben. Mit der Fußspitze tauchte sie vorsichtig in das Wasser und wollte gerade hineinsteigen, als es an der Wohnungstür klopfte.

»Madame Golder?«, rief Monsieur Bloque.

»Oh nein!« Klara drehte den Wasserhahn zu. Ihre Kleider lagen im Schlafzimmer, deswegen schnappte sie hastig ein großes Badehandtuch und wickelte es um ihren Körper. Der Mann war blind, was sollte schon geschehen?

»Ich komme«, rief sie durch den Flur, stopfte sich das lose Ende des Handtuchs oben an der Brust unter den Rand und hielt es sicherheitshalber noch fest. Sie tapste barfuß über den Holzboden und öffnete die Tür.

»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, chèreMadame Golder«, hörte sie ihn sagen und blickte geradewegs in einen wunderschönen Blumenstrauß. Orangefarbene Gerbera, gelbe Rosen und ein weißes Kraut, das sie nicht kannte.

Völlig überrascht, schlug sie beide Hände vor den Mund, und dummerweise glitt ihr dabei das Handtuch zu Boden. Da stand sie plötzlich nackt, wie sie war, vor ihrem neuen Vermieter. Just in diesem Moment ließ er den Strauß sinken, starrte, wie heute Mittag, wieder auf ihren Busen und lächelte. Klara schoss die Schamesröte bis über beide Ohren. Blitzschnell bückte sie sich, schnappte das Handtuch und verbarg ihre Blöße, so gut es ging.

»Oh mein Gott«, stammelte sie und hätte ihm am liebsten die Tür vor seiner Nase zugeschlagen. Monsieur Bloque zeigte keine Reaktion und lächelte weiterhin freundlich.

»Ihre Freundinnen haben mir verraten, dass Sie heute Geburtstag feiern, deswegen eine kleine Aufmerksamkeit von Lukas, meinem Kollegen im Buchladen, und mir.«

Klara nahm den Strauß mit einer Hand entgegen. Mit der anderen umklammerte sie das Handtuch und wäre vor Scham am liebsten tief in den Erdboden versunken.

»Ich habe Sie gestört, Madame. Es tut mir leid. Sie sind im Begriff, ein Bad zu nehmen.«

»Scheiße!«, entfuhr es Klara. Woher wusste er das? Konnte er doch sehen? Vielleicht gerade genug?

»Pardon?«, fragte er höflich und zog eine Braue in die Höhe.

»Entschuldigung, Monsieur Bloque«, stammelte Klara, »ich bin nur erschrocken, weil ich tatsächlich gerade ein Bad nehmen möchte. Davon, dass sie halb nackt vor ihm stand, sagte sie nichts. »Ich frage mich nur, woher sie das wissen?«

Er lachte schelmisch.

»Der Geruch, Madame. Es ist der Geruch nach warmem Tannennadelduft, der mir das verrät. Außerdem stehen Sie in einem Badehandtuch vor mir.«

»Das sehen Sie?« Klara wurde schlecht. »Ich dachte, Sie sind blind.«

»Das bin ich. Keine Sorge. Ich habe nichts gesehen.«

»Oh mein Gott! Sie haben gemerkt, dass mir das Handtuch zu Boden fiel und ich mich danach bückte. Haben Sie ...«

»Non, non, vraiment non. Ich habe wirklich nichts gesehen, was Ihnen unangenehm sein müsste. Wie gesagt, ich bin blind. Ich kann nur sehr vage Schemen erkennen oder hell und dunkel unterscheiden. Alles andere bleibt mir verborgen. Ehrenwort! Ich habe nichts gesehen.« Sein Lächeln war einem mitfühlenden Gesichtsausdruck gewichen. »Es tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe. Ich glaube, ich sollte jetzt besser gehen.« Er drehte sich auf dem Absatz um und lief zur Treppe.

Klara kam sich unsagbar dämlich vor.

»Monsieur?«

»Oui?« Er drehte sich zu ihr um.

»Vielen lieben Dank. Die Blumen sind phantastisch. Entschuldigen Sie bitte. Sie müssen einen total bekloppten Eindruck von mir haben. Erst heute Mittag, dann jetzt hier.«

»Sie sind eine wundervolle Frau, und lassen Sie sich das von niemandem ausreden, auch nicht von sich selbst.« Er hob die Hand zum Gruß, lief die knarrende Treppe nach unten und verschwand in seiner Wohnung.

Das war an Peinlichkeit nicht zu übertreffen gewesen. Klara schloss die Tür, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und vergrub die Nasenspitze in den Blumen.

»Happy Birthday, Klara. Du wolltest Abenteuer? Hier sind sie.«

Dienstag

Die erste Nacht in der neuen Wohnung war eigenartig. Kein Schnarchen auf dem Kopfkissen neben ihr, kein Harald, der morgenmuffelig durch den Flur schlurfte und seine Klamotten im Badezimmer verstreute oder die Zahnpastatube offen auf dem Waschbecken liegen ließ. Klara stand früh auf, riss alle Fenster auf und ließ die Sonnenstrahlen in die Wohnung fallen. Sie startete ihre Playlist und tanzte vom Schlafzimmer ins Bad und wieder zurück. Im Flur blieb sie vor einem großen Spiegel stehen und betrachtete sich. Vielleicht sah sie ein wenig blass um die Nase aus, aber ansonsten gefiel ihr, was sie sah. Für ihre fünfzig Jahre besaß sie eine gute Figur, und die grauen Haare ließen Gott sei Dank noch auf sich warten. Gewöhnlich trug sie einen Pferdeschwanz oder drehte die Haare zu einem Knoten zusammen. Ihre Garderobe bestand hauptsächlich aus bequemen Sachen, Jeans, Sneakers, Blusen oder Shirts. Wenn sie zur Arbeit ging und putzte, musste ihr Outfit praktisch sein. Für Harald zog sie schon lange keine hübschen Kleider mehr an. Er legte keinen Wert darauf, denn sonst müsste er sich an die Nase fassen und seine eigene Garderobe überdenken. Nur wenn sie mit den Mädels ausging, brezelte Klara sich auf, legte einen dezenten Lippenstift auf, gönnte sich ein tieferes Dekolleté und Pumps. Bella mit knallrotem Lippenstift, Designerklamotten und Highheels belächelte das als Casual Chic, wie sie es täglich zur Arbeit trage, und fragte schelmisch, was genau Klara unter Aufbrezeln verstand. Während Bellas Füße im Laufe des Abends immer mehr schmerzten, genoss Klara jede Minute. Dieses Spielchen trieben sie jedes Mal und hatten jede Menge Spaß dabei.

Monsieur Bloques Worte beeindruckten Klara: Sie sind eine wundervolle Frau, und lassen Sie sich das von niemandem ausreden, auch nicht von sich selbst. Woher wollte er das wissen, wenn er sie nicht sehen konnte? Die Situation gestern Abend war so unsagbar peinlich gewesen. Klara überlegte und grübelte, wie sie sich bei ihrer nächsten Begegnung ihm gegenüber verhalten sollte. Am besten, sie ignorierte den Vorfall und schwieg. Ihren roten Kopf würde er zum Glück nicht sehen können.

Klara kramte einen Lippenbalsam aus der Umhängetasche und fuhr damit über die Lippen. Sie drehte sich nach allen Seiten, betrachtete die Jeans und die kurzärmlige weiße Bluse und war zufrieden mit ihrem Spiegelbild. Heute war ihr erster Arbeitstag als Putzfrau bei einer gewissen Frau Kronknecht. Alte Villa und gute Bezahlung. Von jetzt an verdiente sie ihr Geld nicht länger für die gemeinsame Haushaltskasse, sondern für ihre eigene. Es würde nicht einfach werden, auf eigenen Füßen zu stehen, aber zusammen mit ihrem Ersparten sollte es für die erste Zeit funktionieren. Alles Weitere kam dann. Klara nahm den Schlüssel von der kleinen Kommode im Flur und verließ die Wohnung. Ihr letzter Blick im Hinausgehen fiel auf diesen wunderschönen Blumenstrauß von Monsieur Bloque auf dem Wohnzimmertisch. Klara lächelte und zog die Tür hinter sich zu.

Vorsichtig schlich sie über die knarrenden Stufen das Treppenhaus nach unten, weil sie ehrlich gesagt nicht scharf auf eine Begegnung mit ihrem Vermieter war, nicht jetzt. Im Haus war alles still, und die Buchhandlung öffnete erst in einer Stunde. Sie huschte an Monsieur Bloques Wohnungstür im ersten Stock vorbei. Auf seinem Fußabtreter stand Merci geschrieben. Klara lächelte. Der Mann liebte offensichtlich die Sauberkeit, genau wie sie. Ein Pluspunkt für ihn. Unten angekommen lief sie über die schwarz-weißen Bodenfliesen, vorbei an zwei Briefkästen zur Haustür. Auf dem einen stand Monsieur Bloques Name und auf dem anderen ihrer. Sie blieb stehen und lächelte. Ja, hier wohnte ab heute Klara Golder!

Zur Feier des Tages, bevor sie die neue Arbeitsstelle antrat, gönnte Klara sich ein Frühstück in dem gemütlichen Cupcakecafé nebenan. Die drei kleinen Küchlein, die ihre Freundinnen ihr in den Kühlschrank hatten stellen lassen, stammten von hier und waren das Köstlichste, was sie jemals gegessen hatte. Klara liebte alles, was mit Marzipan, Zucker und Schokolade zu tun hatte, und so stand es außer Frage, dass sie sich persönlich in dem Laden umsah, der für sie dem Paradies auf Erden gleichkam.

Beim Eintreten in Monas Café bimmelte eine alte Ladenglocke. Der warme Duft von Kaffee und Gebäck umhüllte Klara wie eine zarte Liebkosung. Sie schloss die Augen und lächelte. Dieser Ort verströmte das Gefühl von Geborgenheit. Es roch wie in Großmutters Backstube. Das Café war klein und gemütlich. Tische mit weißen Decken standen entlang der Wand. Kein einziger Stuhl glich dem anderen. Jeder sah aus, als sei er aus einem Keller der letzten Generation zusammengesucht und individuell aufgearbeitet worden. Alle Sitzgelegenheiten waren bunt lackiert, manche mit wild gemusterten Sitzpolstern bezogen oder mit dekorativen Quasten an den Rückenlehnen oder mit Sitzkissen bestückt. Hinter der Theke stand eine junge Frau mit lockigen blonden Haaren und brauner Schürze. Sie hantierte an einem Kaffeeautomaten. Milch und Kaffee zischten aus den Düsen in eine Tasse und hinterließen eine kleine Dampfwolke. Eine ältere Dame wartete mit abgezähltem Kleingeld auf ihren Kaffee. Die Verkäuferin hörte die Ladenglocke, drehte sich mit einem freundlichen Lächeln zu Klara um und begrüßte sie.

In der Auslage der Theke lachten Klara Cupcakes in den unterschiedlichsten Variationen entgegen. Sie waren verziert mit Schlagsahnehäubchen in allen möglichen Farben, mit Schoko- oder Zuckerguss, mit Marzipanblumen, mit bunten Zuckerstreuseln, mit Mokkabohnen oder Schokoraspeln bestreut. Die Phantasie der Bäckerin kannte keine Grenzen. Klara erinnerte sich an ihre eigene Ausbildung zur Konditorin vor gefühlten hundert Jahren.

»Guten Morgen. Haben Sie schon gewählt?«, fragte eine zweite Verkäuferin, die aus einem Raum hinter der Theke eintrat und ein gefülltes Backblech mit Schokoladenküchlein abstellte.

»Guten Morgen. Ich bin ehrlich gesagt nicht sicher, welche dieser leckeren Köstlichkeiten ich nehmen soll. Alle geht wohl schlecht.« Sie lachte.

»Sind Sie zum ersten Mal hier?«, fragte die Frau und strahlte mit der Sonne um die Wette.

»Ja«, antwortete Klara, obwohl sie nicht wusste, warum das von Belang sein sollte.

»Dann empfehle ich Ihnen unseren Einsteiger.« Sie deutete auf einen Cupcake mit weißem Zuckerguss und bunten Streuseln darauf. »Mandarine mit Zitronenguss.«

»Das klingt lecker«, entgegnete Klara und biss auf die Unterlippe. »Was soll‘s, packen Sie den da bitte auch dazu.« Sie zeigte auf einen Schokokuchen.

»Das ist unser Seelentröster mit flüssigem Schokokern.«

»Hm«, seufzte Klara und bestellte noch einen Milchkaffee dazu.

»Gern. Ich bringe Ihnen alles an den Tisch.«

»Danke.«

Um diese frühe Uhrzeit saßen nur wenige Gäste im Café, und Klara hatte freie Platzwahl. Sie entschied sich für einen kleinen Tisch ganz hinten in der Ecke mit einem roten und einem gelben Stuhl. Klara nahm auf dem roten Platz und setzte sich mit dem Rücken zur Wand, damit sie das Café besser im Blick behielt. Auf den Fensterbänken standen alte Porzellantassen und Kaffeekannen zur Dekoration. Aus dem Radio säuselte leise Musik. Und immer wieder zischte der Kaffeeautomat oder bimmelte die Ladenglocke.

»So, bitte schön«, sagte die Bedienung und stellte Kuchen und Kaffee vor Klara auf dem Tisch ab. »Sind Sie auf der Durchreise? Entschuldigen Sie, wenn ich so direkt frage, aber morgens um diese Uhrzeit sind selten fremde Gäste im Café.«

»Nein, ich wohne seit gestern hier, also drüben im Dachgeschoss über der Buchhandlung«, antwortete Klara.

»Ach, dann sind Sie die Dame, die gestern Geburtstag hatte? Philippe hat mir davon erzählt.« Sie streckte Klara die Hand entgegen und gratulierte ihr.

Klara dankte verlegen. Ihre Ankunft hatte im Vorfeld offensichtlich schon für Wirbel gesorgt.

»Ich bin Mona«, sagte die Frau, »mir gehört dieses Café, und ich würde mich freuen, Sie öfter hier begrüßen zu dürfen.«

Mona war etwas kleiner als Klara, und ihre Hüften waren etwas runder. Ihre braunen Haare hatte sie zu einem seitlichen Pony gekämmt und hinter die Ohren geklemmt. Sobald die Frau lachte, zeichneten sich zwei Grübchen auf ihren Wangen ab, und es schien, als ob die Sonne aufginge. Sie trug eine dunkelbraune Schürze mit dem Logo des Cafés auf dem Latz, einem stilisierten Cupcake. Klara fand die Frau auf Anhieb sympathisch.

»Ich bin Klara«, stellte sie sich vor und reichte Mona die Hand, »und natürlich werde ich öfter hierherkommen. Bei diesen wundervollen Küchlein wird das Café zu meinem zweiten Wohnzimmer werden.«

Sie lachten.

»Im Ernst, ich bin begeistert, von der Vielfalt Ihres Angebots.« Klara blickte versonnen zur Vitrine.

»Danke.«

»Das erinnert mich an meine Ausbildung zur Konditorin. Ich habe es geliebt, mit Zucker und Schokolade zu arbeiten.«

»Echt? Sie sind Konditorin?« Mona rückte den gelb lackierten Stuhl zur Seite und nahm Klara gegenüber Platz.

»Nicht mehr«, winkte diese ab und lachte, »ich habe nur zwei Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Das ist schon eine halbe Ewigkeit her. Heute bin ich Putzfrau.«

»Aha.« Mona schien verwirrt zu sein über diese berufliche Veränderung.

»Das ist eine lange Geschichte. Inzwischen liebe ich es, zu putzen, Fenster streifenfrei zu polieren, Böden zu wischen, bis sie wieder glänzen, oder Möbel abzustauben. Das hat etwas Meditatives. Finden Sie nicht?« Klara putzte tatsächlich gern. Sie liebte es, sich durch schmutzige Wohnungen zu arbeiten, bis anschließend alles wieder blitzblank strahlte und der Geruch von Reinigungsmitteln in der Luft lag. Viele Menschen hassten diese Arbeit, aber wenn Klara ihre Kopfhörer aufsetzte, Musik aufdrehte und sich rhythmisch zum Takt mit dem Feudel durch die Wohnung bewegte, dann war sie in einer anderen Welt, dachte nach oder träumte. Seit ein paar Jahren hatte sie abends in einem Reinigungstrupp in einem Großraumbüro gearbeitet. Dann, wenn Harald nach Hause kam, hatte sie sich mit Kittelschürze und Gummihandschuhen auf den Weg gemacht. Tagsüber hatte sie in zwei privaten Haushalten mit Kindern und Hunden geputzt. An Dreck mangelte es nie.

Ihre erste Putzstelle hatte sie vor vielen Jahren aus der Not heraus angenommen. Das Café, in dem sie als Konditorin angestellt gewesen war, hatte schließen müssen, und sie hatte plötzlich arbeitslos auf der Straße gestanden. Für einen neuen Job hätte sie kilometerweit fahren müssen. Harald fand das unwirtschaftlich. Klara überlegte nicht lange und nahm aus einer finanziellen Notlage heraus vorübergehend eine Putzstelle an. Es war nicht ihr Traumjob gewesen, aber sie fand Gefallen daran und nahm noch weitere Reinigungsaufträge an. Aus einer Notgeburt wurde ein Dauerzustand, bis sie sich eines Tages eingestand, dass ihre Fähigkeiten als Konditorin nicht mehr ausreichten, um sich irgendwo neu zu bewerben. Die alten Träume hatte sie längst begraben.

»Für welchen Weg auch immer Sie sich entschieden haben«, sagte Mona und legte ihre Hand auf Klaras, »er sollte Ihnen Freude machen.«

»Das tut er«, schmunzelte Klara.

»Haben Sie hier im Ort schon eine neue Anstellung gefunden?«

»Ja. Ich werde«, Klara sah auf ihre Armbanduhr, »in genau einer Stunde bei einer älteren Dame anfangen. Sie lebt im Villenviertel hier in der Stadt und bezahlt fürstlich gut.«

»Ach?« Mona zog eine Braue in die Höhe. »Im Villenviertel?«

»Ich war noch nicht dort, aber so hat mir die Dame das am Telefon beschrieben.«

»Wie heißt die Frau denn?«

»Kronknecht.«

»Frau Kronknecht?« Monas Stimme wurde etwas lauter, ihre Augen größer.

»Kennen Sie sie?«, fragte Klara.

Mona nickte.

»Die Queen kennt hier jeder.«

»Die Queen?«

»Entschuldigen Sie, ich tuschle nicht über meine Gäste, aber diese Person ist schon sehr speziell.« Mona verkniff sich ein Lächeln.

»Wie meinen Sie das? Gibt es etwas, was ich wissen sollte, bevor ich bei ihr auftauche?« Vor ihrem ersten Arbeitstag war Klara immer ein wenig nervös, weil sie nicht wusste, in welchen Haushalt sie kam. In den vergangenen Jahren hatte sie so einiges erlebt und war ab und an sogar schon gegangen, bevor sie die Schwelle des Hauses überschritten hatte. Für Geld ignorierte sie vieles, was an Unordnung oder Chaos vorherrschte, aber nicht alles! Die Arbeitgeber studierten vorab die Referenzen ihrer neuen Putzhilfe, um sich ein Bild von der Person zu machen, die bei ihnen bis in die privatesten Räume vordrang, während Klara im Vorfeld keine Ahnung hatte, was auf sie zukam, außer wie groß das Haus war und wie viele Menschen und Tiere dort lebten, die Dreck machten.

»Ich möchte nicht indiskret wirken, aber die Queen hat schon die eine oder andere Eigenart.« Mona zupfte an ihrer Nasenspitze.

»Und die wären?«

»Das sollten Sie besser selbst herausfinden.« Mona erhob sich. Bevor sie wieder hinter dem Tresen verschwand, drehte sie sich noch einmal um. »Seit dem Tod ihres Mannes vor einem halben Jahr kommt sie regelmäßig hier im Café vorbei. Die Dame ist sehr anglophil und besessen von allem, was rund um das englische Königshaus geschieht.«

Das kam Klara nicht wirklich skurril vor. Es gab viele Menschen, die Geschichten und Tratsch um die Royals liebten.

»Am besten Sie bilden sich selbst eine Meinung«, sagte Mona, verschwand mit einem Schmunzeln hinter die Theke und bediente eine neue Kundin.

Was immer diese Andeutung bedeutete, Klara würde es herausfinden. Hauptsache, die alte Dame bezahlte gut. Das war das Einzige, was zählte.

Von der Bushaltestelle bis zur Villa von Frau Kronknecht benötigte Klara laut Navi auf ihrem Handy genau sieben Minuten, wenn sie schnell lief. Da der Bus Verspätung hatte, würde sie zwei Minuten zu spät bei der alten Dame eintreffen. Es war alles noch im grünen Bereich. Der erste Arbeitstag war immer aufregend, und nach Monas eigenartigen Andeutungen war Klara verunsichert. Der Bus schloss die Türen hinter ihr mit einem lauten Zischen und fädelte sich von der Haltestelle wieder in den Verkehr ein.

Die Straßen in diesem Wohnviertel waren mit dicht belaubten Platanen bepflanzt, die bei dieser mörderischen Sommerhitze eine angenehme Kühle spendeten. Autos parkten in kleinen Haltebuchten zwischen den Bäumen. Klara schwang ihre Umhängetasche über die Schulter und eilte den gepflasterten Fußweg entlang. Sie bog in eine Seitenstraße ab und suchte nach Frau Kronknechts Hausnummer. Die Anwesen links und rechts waren beeindruckend. Hinter hohen schmiedeeisernen Zäunen mit goldenen Spitzen entdeckte Klara gepflegte Gärten und teure Autos vor den Garagen. Die Fassaden der Villen waren zum Teil mit wunderschönem Stuck verziert und sehr gepflegt. Klara fielen sofort die hohen Räume hinter den Fenstern auf. Spinnweben an der Decke konnte man nur mit einem Teleskopstiel am Besen abfegen. Hoffentlich besaß ihre neue Arbeitgeberin keine Kronleuchter mit diesen schrecklich vielen Glassteinen. Klara bevorzugte große, pflegeleichte Flächen. Angeblich waren bei Frau Kronknecht alle Putzutensilien vorhanden, deswegen brachte Klara nur ihre Kittelschürze und Gummihandschuhe mit.

Das Haus hätte Klara dank Monas Hinweisen auch ohne Hausnummer gefunden. In der Einfahrt stand vor dem geschlossenen Garagentor ein altes englisches Taxi. Das schwarze Auto glänzte frisch poliert in der Sonne. Hinter dem Gartentürchen führte ein gepflasterter Weg in einem geschwungenen Bogen bis zur Haustür. Die Fassade des Gebäudes war zart mintgrün gestrichen, die Fensterrahmen weiß, die Klappläden dunkelgrün. Rund um das Haus wuchsen Bäume und Büsche, die die Blicke der Nachbarn aussperrten und das Anwesen kuschelig umringten. Auf dem kurz geschnittenen Rasen im Vorgarten standen ein kleiner, runder Eisentisch und zwei dazugehörige Stühle, daneben ein blutrot blühender Rosenstock. Bienen schwirrten um die Blüten und summten leise. Vor dem Haus wuchsen bunte Stockrosen in einem Blumenbeet. Links und rechts neben der Haustür standen zwei Gartenzwerge in schwarzen Hosen, roten Uniformjacken und großen, schwarzen Bärenfellmützen auf dem Kopf, so wie sie die britischen Grenadier Guards trugen, die Wachen vor dem Buckingham Palace. Klara runzelte die Stirn. Schön war das nicht unbedingt. Sie lief den Gartenweg entlang zum Eingang und wunderte sich über die Fußmatte vor der Haustür, auf der das Porträt von Prinz Charles zu sehen war. Sollte sie ihre Schuhe tatsächlich auf seinem Gesicht abstreifen? Klara ließ es bleiben. Neben dem Eingang hing ein roter Briefkasten mit dem königlichen Emblem in Gold darauf. Sie drückte den Klingelknopf und erschrak, als das Glockenspiel von Big Ben im Haus ertönte. Langsam ahnte sie, was Mona gemeint haben könnte, als sie gesagt hatte, Frau Kronknecht sei ein wenig speziell. Sie strich zwei lose Haarsträhnen hinter die Ohren und zog den Saum ihrer Bluse zurecht. Die Tür flog auf, und eine kleine alte Dame tauchte im Türrahmen auf. Klara verschlug es die Sprache. Die Frau sah aus wie die englische Queen, die Haare noch ein wenig dunkler, aber ansonsten stimmte fast alles. Sie trug ein zartrosa Kleid und dazu passende Pumps und Ohrringe. Hätte jemand behauptet, es handle sich hier um die Schwester der Königin, Klara hätte es sofort geglaubt. Die Ähnlichkeit war verblüffend.

»Sie sind zwei Minuten zu spät«, keifte die Alte statt einer Begrüßung sofort los und betrachtete die neue Reinigungskraft mit zusammengekniffenen Augen.

»Ähm, ja«, stammelte Klara erschrocken. War das zu fassen? Wegen dieser lächerlichen zwei Minuten wurde sie angefaucht? Nur nicht aufregen, der erste Eindruck zählte, und den wollte sie nicht verspielen. Obwohl, dies hier war wie bei Monsieur Bloque nun auch schon wieder der zweite Eindruck. Klara straffte die Schultern, streckte der Frau die Hand entgegen und sagte: »Guten Tag, Frau Kronknecht. Ich bin Ihre neue Putzhilfe.«

Die Alte schwieg.

»Sind Sie immer unpünktlich?«, wollte sie unverblümt wissen.

»Nein, natürlich nicht.« Ganz ruhig bleiben.

»Kommen Sie herein. Vom Reden wird das Haus nicht sauber.« Sie trat zur Seite und machte eine auffordernde Handbewegung.

Klara bemühte sich, freundlich zu bleiben, und wollte eintreten.

»Füße abputzen! Sie als Putzfrau sollten das doch wissen!« Empört schüttelte die alte Dame den Kopf.

Klara sah zu Prinz Charles auf der Fußmatte hinab und strich wie befohlen die Schuhsohlen über seine Wangen ab. Sorry, Your Royal Highness.

»Bitte hier entlang.« Frau Kronknecht schloss die Haustür hinter Klara. Sie schritt voran in ein Wohnzimmer, das eher einem Museum entsprach, nicht wegen der teuren Möbel oder Wandgemälde, sondern wegen der unendlich vielen britischen Souvenirs, die jeden Millimeter Stellfläche auf Regalen und Kommoden einnahmen. Das komplette Zimmer war damit vollgestellt. Ein abstaubtechnischer Super-GAU! Da stand eine goldene Miniaturkutsche voller Schnörkel auf einer Kommode. Daneben eine rote Telefonzelle in der Münzen steckten, und rundherum lauter Bilderrahmen mit Fotos der englischen Königsfamilie. Hochzeitsbilder, Krönungsbilder, Bilder der royalen Enkel und Urenkel. Neun Teddybären mit genau derselben Uniform wie die Gartenzwerge vor dem Haus saßen der Größe nach sortiert auf der Rückenlehne des mit Rosenmuster geblümten Sofas. Auf den beiden dazugehörigen Sesseln lagen Sitzkissen mit Porträtfotos von Prinz Charles, Lady Diana und den anderen Mitgliedern der königlichen Familie. Drei aus Holz geschnitzte und rot bemalte Doppeldeckerbusse standen auf dem Boden, von groß nach klein sortiert. Auf dem Sofatisch lag eine Spitzentischdecke und darauf ein dickes Buch über das Leben des englischen Königssohns.

Klara sah sich erstaunt im Raum um und hielt sich am Riemen ihrer Umhängetasche mit beiden Händen fest. Trotz der vielen Souvenirs wirkte das Zimmer aufgeräumt. Entweder waren die Sachen farblich, der Größe nach oder thematisch sortiert.

»Ich bin beeindruckt«, sagte sie, und ihr Blick wanderte zu einem antiken Sekretär, auf dem neben jeder Menge Papier auch jede Menge Krimskrams stand, wie eine kleine umgefallene goldene Uhr mit vier verschnörkelten Füßchen oder eine Nachbildung von Big Ben. An der Wand hing ein Ölgemälde des Buckingham Palace.

Je länger Klara sich umsah, desto merkwürdiger erschien es ihr, dass sie nichts Privates von Frau Kronknecht entdeckte. Hatte die Frau keine eigenen Kinder oder Enkel, deren Fotos sie aufhängen wollte? Die alte Dame bemerkte Klaras Erstaunen.

»Zugegeben, ich fühle mich dem englischen Königshaus zugeneigt. Vielleicht ein wenig mehr als andere.« Frau Kronknecht huschte ein winziges Lächeln über ihr fast faltenfreies Gesicht.

Klaras Blick blieb an der Unordnung auf dem Sekretär hängen. Das passte nicht in das Gesamtbild des Raumes. Alles hatte seinen Platz. Es herrschte eine gewisse Ordnung. Nicht so auf dem Sekretär. Dort lagen Papiere kreuz und quer verteilt, ein Kaffeebecher mit dem Union Jack darauf hatte einen Schmutzrand auf einem Briefbogen hinterlassen, der auf den ersten Blick wie eine Rechnung aussah. Klara wollte nicht hinstarren und indiskret sein, aber so penibel, wie sie Frau Kronknecht einschätzte, war sie nicht der Typ, der so ein Durcheinander hinterließ. Kugelschreiber lagen quer über die Arbeitsfläche verstreut, und ein grüner Faserschreiber ohne Verschlusskappe lag sogar auf dem cremefarbenen Teppichboden. Wenn die Tinte auslief, bekäme Klara als die neue Putzfrau ein Problem. Instinktiv bückte sie sich danach und wollte ihn aufheben.

»Stopp!«, fuhr Frau Kronknecht sie an.

Klara erschrak und blieb mitten in der Bewegung nach unten gebeugt stehen.

»Nichts anfassen!« Die alte Dame wedelte nervös mit den Händen.

»Okay«, sagte Klara und richtete sich langsam wieder auf. »Ein Tintenfleck könnte Ihren Teppich ruinieren.«

»Dessen bin ich mir sehr wohl bewusst, und ich täte nichts lieber, als dieses dumme Ding aufzuheben und an seinen Platz zurückzulegen.« Die Queen war den Tränen nahe.

»Und warum tun Sie es nicht?«

»Ich kann nicht. Ich darf nicht.«

»Sie dürfen nicht? Entschuldigen Sie bitte, aber das verstehe ich nicht. Warum sollten Sie in Ihrem Haus nicht einen Faserschreiber aufheben dürfen?« Das war nun wirklich verrückt. Veralberte die Frau Klara, oder stellte das eine Art Einstellungstest dar?

Die Queen setzte sich auf die vordere Kante ihres Sofas, legte beide Hände auf die Brust und drückte ihren Rücken kerzengerade durch.

»Hier wurde eingebrochen, und ich warte auf die Polizei. Wegen der Fingerabdrücke dürfen wir nichts anfassen oder verändern. Das muss alles erst spurentechnisch untersucht werden.«

»Hier wurde eingebrochen? Das ist ja schrecklich.« Klara sah sich intuitiv um, als ob sie etwas Relevantes entdecken könnte. »Haben Sie den Täter gesehen?«

»Natürlich nicht«, antwortete die Alte und sah Klara verärgert an. »Sie glauben auch, ich spinne. Nicht wahr?«

»Wieso sollte ich?«

»Ach«, die Queen winkte ab und kniff die Lippen aufeinander.

Es klingelte an der Haustür. Das Glockenspiel von Big Ben hallte erneut durch die Wohnung.

»Das ist die Polizei.« Frau Kronknecht erhob sich, strich ihren Rock glatt, richtete die Frisur und lief in den Flur. »Sie entschuldigen mich bitte?«

Klara nickte und blieb allein im Raum zurück. Sie sah zur Terrassentür. Sie war geschlossen. Sie sah auf den Teppich, ob dort eventuell Fußspuren des Einbrechers auf dem hellen Teppichboden zu sehen waren. Nichts.

»Sie kennen den Weg«, sagte Frau Kronknecht und bat zwei uniformierte Polizisten ins Wohnzimmer, einen Beamten mit kurzen, braunen Haaren und einem Dreitagebart und seine zierliche Partnerin, deren blonder Pferdeschwanz keck unter der Kappe hervorschaute und beim Gehen hin und her schaukelte.

»Guten Tag«, sagte der Mann, als er Klara entdeckte. »Und wer sind Sie?«

»Ich bin die neue Reinigungskraft. Klara Golder.«

»Die Frau hat mit der ganzen Sache nichts zu tun«, fuhr die Queen barsch dazwischen, »hier!« Sie deutete auf den Sekretär. »Das sollten Sie sich ansehen und die Spurensicherung einbestellen.«

Der Polizist ließ einen kleinen Seufzer fahren, und Klara sah ihm an, dass es ihm schwerfiel, freundlich zu bleiben.

»Frau Kronknecht ...«

»Fangen Sie mir bloß nicht schon wieder so an. Diesen Ton kenne ich von Ihnen mehr als genug.« Sie verschränkte verärgert die Arme vor der Brust.

»Frau Kronknecht«, versuchte es der Beamte erneut und rang sich ein Lächeln ab, »was wurde denn dieses Mal gestohlen?«

Die junge Beamtin lief um den Sekretär, ging zur Terrassentür und überprüfte, ob dort Einbruchspuren zu finden waren. Sie sah sich im gesamten Raum um, bückte sich, sah unter den Tisch, leuchtete sogar mit der Taschenlampe unter das Sofa. Dann erhob sie sich und schoss mit ihrem Handy ein Foto von dem Schreibtisch.

»Junger Mann, ich weiß, was hier los ist.«

»Ja?«

»Sie nehmen mich nicht ernst. Sie glauben, ich spinne. Die ganze Wache nimmt mich nicht ernst.« Ihre Gesichtsfarbe wechselte zu Rot. »Wenn ich Ihnen sage, dass hier eingebrochen wurde, dann ist das so. Ich weiß doch, was in meiner Wohnung vor sich geht.«

Der Polizist steckte seine Daumen in den Hosenbund und atmete tief durch, ehe er antwortete.

»Gnädige Frau. Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber wie viele Einbrüche haben Sie in der letzten Zeit gemeldet?«

»Fünf.«

»Fünf Einbrüche, und Sie behaupten jedes Mal, dass Geld abhandengekommen sei, was Sie nicht glaubhaft beweisen konnten. Die Spurensicherung hat bisher keine Fingerabdrücke oder andere Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen gefunden.« Er lächelte die Dame liebevoll, irgendwie mitleidig an.

»Es war aber jemand im Haus. Sie sind doch Polizist und müssen so etwas selbst bemerken.« Sie deutete auf den Schreibtisch.

»Gut. Können Sie mir sagen, was dieses Mal gestohlen wurde?« Er zog sein Notizheft und einen Kugelschreiber hervor.

»Woher soll ich das wissen? Ich habe gestern erst aufgeräumt und die Papiere sortiert. Bei diesem Durcheinander kann ich das auf Anhieb nicht sagen.« Die alte Frau war den Tränen nahe.

»Sie können mir also nicht sagen, ob etwas gestohlen wurde?«

Sie biss auf die Unterlippe. »Nein.«

»Waren es vielleicht wieder tausend Euro? Oder andere Wertgegenstände?«

»Ich weiß es nicht.« Eine Träne lief ihr über die Wange.

Klara trat hinter sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Plötzlich schien das ganze königliche Gehabe von ihr abzufallen, und zurück blieb eine alte Dame, die einfach nur verzweifelt war.

Der Polizist steckte sein Notizbuch wieder ein und gab seiner Kollegin ein Zeichen, dass sie hier fertig waren.

»Frau Kronknecht, es tut mir leid«, die Stimme des Polizisten klang aufrichtig, »für Sie muss das sehr belastend sein, aber wir können hier nichts tun, also nicht mehr, als wir schon getan haben. Vielleicht gibt es jemanden in Ihrer Familie, mit dem Sie über diese ganze Angelegenheit sprechen können?« Er sah Klara auffordernd an.

Die Queen schnaubte beleidigt und sah an ihm vorbei. Die beiden Beamten verabschiedeten sich und verließen das Haus. Nachdem sie gegangen waren, gab Frau Kronknecht sich keine Mühe, ihren Groll zu verbergen.

»Dieses verdammte Bullenpack«, schimpfte sie plötzlich ganz und gar nicht königlich. »Es ist jedes Mal dasselbe mit den Kerlen. Sie denken, ich spinne und bilde mir das alles nur ein. Ich kann mir ihr Getuschel auf der Wache lebhaft vorstellen, aber nicht mit mir. Und Sie«, dabei sah sie Klara an, »stehen Sie nicht so dumm in der Gegend herum! Kommen Sie.«

Als ob es Klaras Schuld war, dass die Polizei nicht an Einbrüche glaubte! Die barsche Art, mit der die Queen Klara anschließend durch das Haus führte, war grenzwertig. Diese schnippische Hochnäsigkeit!

»Auf was warten Sie?«, fragte die alte Dame und machte sich auf den Weg ins Obergeschoss, »wenn Sie beim Arbeiten genauso trödeln, dann hat sich das hier schnell geklärt, und ich suche mir eine neue Putzhilfe. Ich brauche kein unfähiges Personal.«

Klara blies hinter ihrem Rücken die Wangen auf und ballte die Fäuste. Für einen Moment war sie versucht, auf dem Absatz kehrtzumachen und zu gehen. Herumschikanieren brauchte sie sich nicht lassen, aber dann siegte die Vernunft, und sie erinnerte sich an die gute Bezahlung. Geld war nicht alles, aber in ihrem speziellen Fall benötigte Klara jeden Cent. Sie atmete tief durch und folgte der Alten nach oben.

In der Villa gab es einige leer stehende Zimmer, die Frau Kronknecht als Gästezimmer titulierte. Nach dem Tod ihres Mannes war das Haus zu groß für sie geworden. Sein altes Büro in der Bibliothek im Erdgeschoss wirkte, als ob der Hausherr jeden Moment wieder zurückkehrte. Auf seinem Schreibtisch lagen ordentlich gestapelte Mappen, Briefbeschwerer und Brieföffner. Zwischen Regalen, die bis zur Decke hinauf mit Büchern vollgestopft waren, standen ein dunkelbraunes Ledersofa mit goldenen Nieten und ein Ohrensessel mit Fußschemel davor. Klara sah Herrn Kronknecht regelrecht vor ihrem geistigen Auge, wie er mit einer dicken Zigarre im Mund und einem Glas Whisky in der Hand auf dem Sessel saß und in einem Buch las. Was er wohl von dem Spleen seiner Frau gehalten hatte?