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Dieses eBook: "Das Geschlecht der Zukunft" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: "So will ich denn in aller Kürze sagen, daß, als ich den Ingenieur in das Innere des Bergwerkes begleitete, ich so seltsam von dessen düsteren Wundern überrascht wurde und so großes Interesse an den Forschungen meines Freundes nahm, daß ich meinen Aufenthalt in der Gegend verlängerte und mehrere Wochen hindurch täglich in die Gewölbe und Schächte, die sowohl Kunst wie Natur unter der Erdoberfläche gebildet hatten, hinabstieg. Der Ingenieur war der festen Meinung, daß ein noch weit größerer Reichtum an Mineralien, als schon aufgefunden worden war, in einem neuen Schachte, dessen Bohrung unter seiner Leitung begonnen war, verborgen sei. " Edward Bulwer-Lytton (1803-1873) war ein englischer Romanautor und Politiker des 19. Jahrhunderts.
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Meine Heimat sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Meine Vorfahren wanderten unter Karl II. von England aus. Mein Großvater zeichnete sich im Unabhängigkeitskriege aus, weshalb meine Familie durch Geburt eine hohe Stellung in der Gesellschaft einnahm. Da sie auch reich war, wurde sie zum Staatsdienste für ungeeignet erklärt. Einmal bemühte sich mein Vater um einen Sitz im Kongreß, aber sein Schneider erhielt die Stimmenmehrheit. Seitdem kümmerte er sich nur noch wenig um Politik, und brachte die meiste Zeit in seiner Bibliothek zu. Ich war der älteste seiner drei Söhne; als ich das sechzehnte Jahr erreicht hatte, wurde ich nach England geschickt, meine wissenschaftliche Bildung zu vollenden und meine kaufmännische Laufbahn in einem Geschäfte in Liverpool zu beginnen.
Mein Vater starb, als ich einundzwanzig Jahre alt war. Da er uns in Wohlstand zurückgelassen hatte und ich große Neigung für Reisen und Abenteuer empfand, verzichtete ich für eine Zeit lang auf allen Drang nach den allmächtigen Dollars und ward ein unstäter Wanderer durch die Welt.
Als ich im Jahre 18.. zufällig in * * war, wurde ich von einem Ingenieur, mit dem ich bekannt geworden war, aufgefordert, die Schächte des Bergwerkes, an dem er angestellt war, zu besichtigen.
Der Leser wird, bevor er alle meine Erlebnisse kennen gelernt hat, verstehen, warum ich jeden Aufschluß über die Gegend, von der ich schreibe, verschweige. Er wird mir vielleicht noch dankbar dafür sein, daß ich jede Beschreibung, die zur Entdeckung jenes Distriktes führen könnte, vermeide.
So will ich denn in aller Kürze sagen, daß, als ich den Ingenieur in das Innere des Bergwerkes begleitete, ich so seltsam von dessen düsteren Wundern überrascht wurde und so großes Interesse an den Forschungen meines Freundes nahm, daß ich meinen Aufenthalt in der Gegend verlängerte und mehrere Wochen hindurch täglich in die Gewölbe und Schächte, die sowohl Kunst wie Natur unter der Erdoberfläche gebildet hatten, hinabstieg. Der Ingenieur war der festen Meinung, daß ein noch weit größerer Reichtum an Mineralien, als schon aufgefunden worden war, in einem neuen Schachte, dessen Bohrung unter seiner Leitung begonnen war, verborgen sei. Beim Eindringen in diesen Schacht gelangten wir eines Tages in eine Höhlung, deren Wände zackig und scheinbar verkohlt waren, als seien sie einst in längstvergangenen Zeiten von vulkanischen Feuern auseinandergesprengt worden. In diese Höhlung hatte sich mein Freund in einem Hunde hinabgelassen, nachdem er zuvor die Atmosphäre mit der Sicherheitslampe geprüft hatte. Fast eine Stunde verweilte er in der Tiefe; als er zurückkehrte, war er sehr blaß, und auf seinem sonst offenen, heiteren, furchtlosen Gesichte lag ein ängstlicher, nachdenklicher Ausdruck.
Er meinte kurz, daß ihm das Hinabsteigen unsicher erscheine und daß es zu keinem Resultate führen würde; die weiteren Arbeiten in dem Schachte wurden eingestellt, und wir kehrten zu den bekannteren Teilen des Werkes zurück.
Den Tag über schien der Ingenieur irgend einem ernsten Gedanken nachzuhängen. Er war ungewöhnlich schweigsam, und in seinen Augen lag ein scheuer, unruhiger Blick, als hätte er irgend einen Geist gesehen. Am Abend, als wir in unserer gemeinsamen Wohnung nahe dem Bergwerke beisammen saßen, sagte ich zu meinem Freunde:
»Sage mir aufrichtig, was hast Du in jener Kluft gesehen? Ich bin überzeugt, daß es etwas Seltsames, etwas Entsetzliches war. Was es auch gewesen sein mag, es hat Dich in einen seltsamen Zustand von Furcht und Bedenken versetzt; derlei Angelegenheiten müssen beraten werden. Sprich Dich doch aus!«
Lange versuchte der Ingenieur meinen Fragen auszuweichen; da er aber in der Unterhaltung unbewußt der Branntweinflasche in einem ihm ganz ungewohnten Maße zusprach – er war sonst sehr mäßig – schmolz seine Zurückhaltung allmählich und schließlich erklärte er sich bereit, alles zu erzählen: »Als der Hund anhielt, befand ich mich auf einem Felsenrücken. Unter mir dehnte sich die Kluft in abschüssiger Richtung zu einer beträchtlichen Tiefe aus, deren Dunkelheit meine Lampe nicht zu durchdringen vermochte. Aber zu meiner größten Überraschung strömte daraus ein helles Licht zu mir empor. Sollte es irgend ein vulkanisches Feuer sein? In diesem Falle hätte ich sicher die Hitze gespürt. Doch herrschte darüber irgend ein Zweifel, so war es für unser aller Sicherheit von größter Wichtigkeit, denselben zu heben. Ich untersuchte die Wände des Abhanges und glaubte daraufhin, so weit ich sie überschauen konnte, daß ich es wohl wagen dürfte, mich den unregelmäßigen Vorsprüngen und Ecken anzuvertrauen. Ich verließ den Hund und stieg hinab. Je mehr ich mich dem Lichte näherte, um so größer ward die Kluft, und endlich sah ich zu meinem unaussprechlichen Erstaunen auf dem Boden des Abgrundes einen breiten, ebenen Weg, der, soweit das Auge reichte, wie es schien, durch Gaslampen, die in regelmäßiger Entfernung von einander standen, beleuchtet war, wie die Straßen einer großen Stadt. Aus der Ferne vernahm ich ein Gesumme wie von menschlichen Stimmen. Ich weiß genau, daß keine anderen Bergleute in dieser Gegend beschäftigt sind. Was konnten das für Stimmen sein? Wessen Hände konnten diesen Weg geebnet und diese Lampen angezündet haben?
Der Aberglaube, der so häufig unter den Bergleuten herrscht, daß Gnomen oder Teufel im Inneren der Erde hausen, erfaßte auch mich. Ich fürchtete mich bei dem Gedanken, weiter hinabzusteigen und den Bewohnern dieses unterirdischen Tales begegnen zu können.Außerdem hätte ich es ohne Taue gar nicht vermocht, da von der Stelle, die ich erreicht hatte, bis zum Grunde der Kluft beide Seiten des Felsens steil in die Tiefe gingen. Mit einiger Schwierigkeit lenkte ich meine Schritte rückwärts. Nun habe ich Dir alles erzählt.«
»Wirst Du noch einmal hinabsteigen?«
»Ich sollte es wohl tun, doch mir ist, als wagte ich es nicht.«
»Ein treuer Begleiter verkürzt die Reise und verdoppelt den Mut. Ich will mit Dir gehen. Wir wollen uns mit Tauen von gehöriger Länge und Stärke versehen und – aber verzeih, Du darfst heute Abend nicht mehr trinken. Unsere Hände und Füße müssen morgen fest und standhaft sein.«
Am andern Morgen waren die Nerven meines Freundes wieder gestärkt. Die Neugier regte ihn nicht weniger auf als mich, ja vielleicht noch mehr; denn er glaubte sichtlich an seine eigene Geschichte, während ich beträchtlich daran zweifelte. Ich glaubte nicht, daß er mir absichtlich eine Unwahrheit erzählt habe, ich meinte nur er müßte einer jener Sinnestäuschungen unterworfen gewesen sein, die sich unserer Phantasie und unserer Nerven an einsamen, ungewohnten Orten bemächtigen und in denen wir dem Formlosen Gestalt, dem Stummen Stimme geben.
Wir wählten sechs erfahrene Bergleute, die unseren Abstieg beobachten sollten, und da der Hund nur einen auf einmal faßte, fuhr der Ingenieur zuerst hinab. Als er das vorspringende Felsstück erreicht hatte, auf dem er das erste Mal gehalten hatte, kam der Hund wieder herauf um mich zu befördern. Bald war ich an meines Freundes Seite. Wir waren gut mit starken Tauen versehen. Auch ich erblickte das Licht, das ihn tags zuvor so überrascht hatte. Es drang durch eine schräge Öffnung. Mir schien es ein verbreitetes atmosphärisches Licht zu sein, es rührte nicht wie von einem Feuer her, es war vielmehr weich und silbern wie das Licht eines Nordsternes. Nachdem ich den Hund verlassen hatte, stiegen wir einer nach dem anderen, dank der Vorsprünge an den Abhängen, mit ziemlicher Leichtigkeit tiefer hinab zur Stelle, an der mein Freund tags zuvor Halt gemacht hatte. Es war ein hervortretendes Felsstück, gerade groß genug, daß wir beide nebeneinander darauf Platz hatten. Von hier aus erweiterte sich die Kluft plötzlich wie das letzte Ende eines großen Tunnels, und ich sah deutlich das Tal, den Weg, die Lampen, wie mein Freund sie mir beschrieben hatte. Er hatte nichts übertrieben. Ich hörte die Töne, die er vernommen hatte, – ein wirres, nicht zu beschreibendes Gesumme wie von Stimmen und gedämpften Fußtritten. Ich strengte meine Augen an und erblickte deutlich in der Ferne die Umrisse eines großen Gebäudes. Das konnte kein natürlicher Felsen sein. Es war zu symmetrisch, hatte große ägyptische Säulen, und das Ganze war wie von innen erleuchtet. Mit Hülfe eines kleinen Taschenteleskopes, das ich bei mir hatte konnte ich in der Nähe des Gebäudes zwei Figuren unterscheiden. Sie glichen menschlichen Gestalten, doch war ich dessen nicht ganz sicher. Jedenfalls hatten sie Leben, denn sie bewegten sich und verschwanden beide in dem Gebäude.
Nun suchten wir das Ende des Taues, das wir mitgebracht hatten, mit Hülfe von Krampen und Enterhaken, mit denen wir versehen waren, an dem Vorsprunge, auf dem wir standen, zu befestigen.
Wir waren ziemlich schweigsam bei unserem Werke; wir arbeiteten, als fürchteten wir uns, miteinander zu reden. Nachdem das eine Tauende scheinbar fest an der Felsenkante befestigt war, knüpften wir ein Stück Felsen an das andere Ende und ließen es ungefähr fünfzig Fuß tief auf den Boden hinab.
Da ich jünger und kräftiger war als mein Begleiter und als Knabe an Bord eines Schiffes gearbeitet hatte, war ich mit dieser Art des Hinablassens vertrauter als er. Im Flüstertone bat ich um den Vortritt, damit ich ihm beim Herabsteigen helfen könnte indem ich das Tau unten festhielt. Ich erreichte glücklich den Grund, und nun ließ sich auch der Ingenieur herab; aber kaum war er zehn Fuß von dem Felsvorsprunge entfernt, als die Haken, die wir wie wir meinten gut befestigt hatten, nachgaben. Der Fels hatte sich als trügerisch erwiesen und war unter der Last abgebröckelt. Der unglückliche Mann stürzte herab und fiel gerade vor mir nieder. Ein glücklicherweise kleines Felsstück das bei seinem Falle mit herabgekommen war, traf ihn und betäubte auch mich für einen Augenblick. Als ich wieder zur Besinnung kam, sah ich meinen Begleiter – eine leblose Masse – neben mir liegen.
Während ich mich tiefbekümmert und entsetzt über seinem Leichnam beugte, hörte ich dicht neben mir einen seltsamen Ton, – halb Schnaufen, halb Zischen. Instinktmäßig wandte ich mich der Stelle zu, woher das Geräusch kam, und sah aus einer dunklen Spalte im Felsen einen großen, entsetzlichen Kopf mit gähnendem Rachen und geisterhaften, gierigen Augen auftauchen – den Kopf eines scheußlichen Ungetümes. Es erinnerte an ein Krokodil oder Kaiman, war nur viel größer als das größte Geschöpf dieser Art, das ich je auf meinen Reisen gesehen hatte. Entsetzt richtete ich mich auf und floh in höchster Eile dem Tale zu. Endlich, beschämt über meine Furcht und Flucht, hielt ich inne und kehrte wieder nach der Stelle zurück, wo ich die Leiche meines Freundes verlassen hatte. Sie war verschwunden. Zweifellos hatte das Ungetüm sie schon in seine Höhle gezogen und dort verschlungen. Das Tau und die Enterhaken lagen noch da, gaben mir aber keine Hoffnung auf eine Rückkehr. Es war unmöglich, sie wieder oben am Felsen zu befestigen. Die Wände waren zu glatt, als daß menschliche Füße an ihnen hätten emporklimmen können. Ich war allein in dieser fremden Welt, im Inneren der Erde.
Langsam und vorsichtig schritt ich die mit Lampen erleuchtete Straße entlang, dem großen Gebäude zu, das ich beschrieben habe. Die Straße selbst erschien mir wie ein breiter Alpenpaß, der sich zwischen hohen Felsen erstreckte, zu denen auch der gehörte, durch dessen Klüfte ich herabgekommen war. Tief unten zur Linken lag ein weites Tal, mit untrüglichen Anzeichen von Kunst und Kultur. Auf den Feldern wucherte ein seltsames Getreide, das keinem von denen, die ich auf der Erde gesehen habe, glich. Es war nicht grün, sondern von dunkler Bleifarbe oder goldig rot.
Es waren Teiche und Bäche da, die in künstliche Ufer eingedämmt zu sein schienen. Einige hatten klares Wasser, andere glänzten wie Naphthaquellen. Zu meiner Rechten zeigten sich zwischen den Felsen durch künstliche Pässe verbunden Schluchten und Höhlen. Sie waren mit Bäumen besetzt, die meist Riesenfarren glichen. Das federartige Laub war von wunderbarster Mannigfaltigkeit, und ihre Zweige glichen dem Palmenbaume; andere erinnerten mehr an unser Zuckerrohr, nur waren sie viel größer und trugen üppige Blütenbüschel; wieder andere hatten die Form mächtiger Schwämme: kurze, dicke Stämme trugen ein großes turmartiges Dach, von dem lange, schlanke Zweige herabfielen. Alles war soweit das Auge reichte, von unzähligen Lampen erhellt. Diese Welt ohne Sonne war so hell und warm wie eine italienische Landschaft zur Mittagszeit, nur die Luft war weniger drückend, und die Hitze milder. Auch fehlte es nicht an Zeichen lebender Bevölkerung. Ich konnte in der Ferne, an den Ufern der Teiche und Bäche oder auf kleineren Anhöhen, inmitten von Pflanzen und Bäumen ganz deutlich Gebäude unterscheiden, die jedenfalls menschliche Wohnungen sein mußten. Ja, ich entdeckte sogar, wenn auch weit in der Ferne, Gestalten. Sie bewegten sich in der Landschaft und schienen menschliche Formen zu haben. Als ich stehen blieb, um genauer hin zu sehen, bemerkte ich, wie zu meiner Rechten etwas rasch durch die Lüfte glitt. Es sah wie ein kleines Schiff aus und wurde von Segeln in Form von Flügeln getrieben. Bald entschwand es meinen Blicken und verlor sich im Schatten des Waldes.
Gerade über mir war statt des Himmels ein höhlenartiges Dach. Dieses Dach entfernte sich mehr und mehr von der Landschaft, bis es nach und nach unsichtbar wurde.
Als ich meinen Weg fortsetzte, fuhr ich erschreckt vor einem Gewächse zurück, das einem großen Busche Seegras, mit farrenartigen Sträuchern und Pflanzen vermischt, glich – es stand da ein wunderliches Tier von der Größe und Gestalt eines Rehes.
Als ich ein paar Schritte zurückwich, wandte es sich um und blickte mich fragend an. Da sah ich daß es den Rehen, wie wir sie auf der Erde haben, nicht glich. Es erinnerte mich an eine Gipsform, die ich in irgend einer Ausstellung von vorsündflutlichen Tieren, gesehen hatte. Das Geschöpf schien ziemlich zahm zu sein. Nachdem es mich ein, zwei Minuten angesehen hatte, fuhr es ruhig fort, auf der seltsamen Wiese zu weiden.
Jetzt war ich auch dem großen Gebäude näher gekommen. Ja, es war wirklich von Menschenhand gemacht und zum Teil aus einem großen Felsen gehauen.
Anfangs hielt ich es für ägyptische Architektur. In der Front hatte es große Säulen, die von massiven Sockeln aus spitz zuliefen. Die Kapitale, waren wie ich beim Nähertreten bemerkte, reicher und phantastischer als die ägyptischer Säulen.
Wie das korinthische Kapital die Blätter des Bärenklau nachahmt, so ahmten die Kapitale dieser Säulen das Laub der sie umgebenden teils aloë- teils farrenartigen Pflanzen nach. Und jetzt trat eine Gestalt aus dem Gebäude. – War es eine menschliche Gestalt? Sie stand auf der Straße, schaute sich um bemerkte mich und näherte sich mir. Näherte sich mir, bis auf eine kurze Entfernung. Bei ihrem Anblick, ihrer Nähe bemächtigte sich meiner eine unbeschreibliche Furcht, ein Zittern ergriff mich, und ich blieb wie angewurzelt stehen.
Die Gestalt erinnerte mich an symbolische Bilder von Genien und Dämonen, wie man sie auf etrurischen Gefäßen und morgenländischen Grabmälern sieht, Bilder, die Menschen einer anderen Rasse darzustellen scheinen. Die Gestalt war zwar nicht riesenhaft, doch über Menschengröße.
Ihre Hauptbekleidung schien mir aus zwei großen Flügeln zu bestehen, die über der Brust übereinander fielen und bis an das Knie reichten. Die übrige Kleidung bestand aus einer Tunika und Gamaschen von irgend einem dünnen Stoffe. Auf dem Kopfe hatte sie eine Art Turban, der von Juwelen strahlte, und in der Hand trug sie einen dünnen Stab von glänzendem Metalle wie aus poliertem Stahl. Aber das Gesicht! Das war es, was mir so große Furcht und Schrecken einflößte. Es war das Gesicht eines Menschen. Doch der Typus war den uns bekannten Rassen fremd. In Umriß und Ausdruck kam es dem Gesichte einer in Stein gehauenen Sphynx am nächsten, so regelmäßig war es in seiner ruhigen, geistreichen, geheimnisvollen Schönheit. Seine Hautfarbe war eigentümlich. Sie war rötlich und doch schöner und reicher als die irgend einer Menschengattung. Die großen schwarzen Augen waren tief und glänzend. Die Brauen gewölbt wie ein Halbkreis. Das Gesicht war bartlos, doch lag ein eigentümliches Etwas darauf. So ruhig der Ausdruck, so schön die Gesichtszüge waren, flößten sie eine Furcht ein, wie der Anblick eines Tigers oder einer Schlange. Ich fühlte, daß dieses menschenähnliche Bildnis dem Menschen feindliche Kräfte besaß. Ein kalter Schauer ergriff mich, als es sich mir näherte. Ich sank auf die Knie und bedeckte mein Antlitz mit den Händen.
Eine Stimme drang an mein Ohr – eine sehr ruhige, sehr melodische Stimme – in einer Sprache, von der ich kein Wort verstand, die aber meine Furcht verscheuchte. Ich nahm die Hände vom Gesicht und sah auf. Der Fremde – ich konnte mich kaum überwinden, ihn Mensch zu nennen – betrachtete mich, als wollte er mit seinem Blicke bis in das Innerste meines Herzens dringen. Dann legte er seine linke Hand auf meine Stirn, und mit der rechten berührte er meine Schulter leicht mit dem Stabe. Diese doppelte Berührung hatte eine zauberhafte Wirkung. Statt des früheren Schreckens durchzog mich ein Gefühl der Befriedigung, der Freude. Ich empfand Vertrauen zu mir selbst sowohl wie zu dem Wesen vor mir. Ich stand auf und redete ihn an. Er hörte mir mit scheinbarer Aufmerksamkeit, zugleich aber auch mit dem Ausdrucke leichter Überraschung zu. Dann schüttelte er den Kopf, wie zum Zeichen, daß er mich nicht verstände. Darauf faßte er mich an der Hand und führte mich schweigend nach dem Gebäude. Der Eingang war offen. Er war mit keiner Tür versehen. Wir traten in eine sehr geräumige Halle, die mit demselben Lichte erleuchtet war, nur daß dasselbe hier noch einen angenehmen Wohlgeruch verbreitete. Der Fußboden bestand aus großen Platten kostbarer Metalle und war zum Teil mit einem mattenartigen Teppich bedeckt. Zarte Musik ertönte wie von unsichtbaren Instrumenten. Sie schien so natürlich zu dem Raume zu gehören wie das Gemurmel rauschender Wasser zu einer Gebirgslandschaft oder das Gezwitscher der Vögel zu Hainen in Frühlingspracht.
Eine Gestalt, in ähnlicher, jedoch einfacherer Tracht als mein Führer, stand regungslos an der Schwelle. Als mein Führer sie zweimal mit seinem Stabe berührte, setzte sie sich in rasche Bewegung und glitt lautlos über den Fußboden hin. Ich blickte sie an und bemerkte, daß es keine lebende Gestalt, sondern ein Automat war. Kaum zwei Minuten, nachdem er durch eine halb von Gardinen verborgene Öffnung ohne Tür am anderen Ende der Halle verschwunden war, näherte sich uns durch dieselbe Öffnung ein Knabe von ungefähr zwölf Jahren. Seine Gesichtszüge waren denen meines Begleiters so ähnlich, daß ich sie sofort als Vater und Sohn erkannte. Als das Kind mich sah, stieß es einen Schrei aus und erhob wie zur Drohung einen Stab, der dem meines Begleiters glich. Auf ein Wort des Älteren ließ es ihn wieder sinken. Darauf sprachen die zwei eine Zeit lang miteinander, während sie mich forschend ansahen. Der Knabe berührte meine Kleider und strich mit sichtlicher Neugier über mein Gesicht, indem er einen Laut hören ließ, der einem heiteren Gelächter von uns glich, nur etwas gedämpfter erklang. In demselben Augenblicke tat sich das Dach der Halle auf, und eine Platte kam herab, die anscheinend nach dem Prinzipe der Aufzüge angefertigt war, wie man sie in Hotels und Warenhäusern benutzt, um von einer Etage in die andere zu gelangen.
Der Fremde trat mit dem Knaben auf die Platte und gab mir ein Zeichen, dasselbe zu tun. Ich folgte. Rasch und sicher stiegen wir aufwärts und gelangten in einen Flur mit Gängen zu beiden Seiten. Durch einen dieser Gänge führte man mich in ein Zimmer, das mit orientalischem Luxus ausgestattet war. Die Wände waren mit Metall und ungeschnittenen Juwelen getäfelt. Kissen und Divane waren im Überfluß da. Statt der Fenster hatte das Zimmer Öffnungen ohne Glas, die nach dem Korridor führten. Im Weitergehen sah ich, daß man von denselben auf geräumige Balkone gelangte, die einen weiten Blick über die erleuchtete Landschaft draußen gestatteten. An der Decke hingen Bauer mit Vögeln von seltsamer Form und prächtigem Gefieder. Bei unserem Eintritt stimmten sie im Chore einen Gesang an, dessen Ton so zart war, wie das Zwitschern eines Buchfinken. Ein köstlicher Duft, der kunstvoll gearbeiteten goldenen Räuchergefäßen entströmte, erfüllte die Luft. Mehrere Automaten, gleich dem einen, den ich gesehen hatte, standen stumm und regungslos an den Wänden. Der Fremde nötigte mich neben sich auf den Divan und sprach wieder zu mir. Ich redete ihn ebenfalls an, wir konnten uns aber nicht besser verstehen wie vorhin.
Ich empfand jetzt die Folgen des Schlages, den ich bei dem Herabfallen der Felsstücke erhalten hatte, stärker wie bisher.
Ein Gefühl krankhafter Schwäche, von einem heftigen, stechenden Schmerze im Kopf und Nacken begleitet, befiel mich. Ich sank in die Kissen zurück und bemühte mich vergebens ein Stöhnen zu unterdrücken. Da kniete der Knabe, der mich bis dahin mit Mißtrauen und Widerwillen zu betrachten schien, neben mir nieder, mich zu unterstützen. Er nahm eine meiner Hände und berührte meine Stirn mit einem leichten Hauche seiner Lippen. In wenigen Augenblicken ließen die Schmerzen nach. Eine einschläfernde glückliche Ruhe überkam mich. Ich versank in Schlaf.
Ich weiß nicht, wie lange ich in diesem Zustande verweilte, aber als ich erwachte, war ich vollständig wiederhergestellt. Als ich die Augen wieder aufschlug, fiel mein Blick auf eine Gruppe stummer Gestalten, die ernst und würdig um mich herumsaßen. Sie glichen mehr oder weniger dem ersten Fremden: dieselben mantelartigen Flügel, derselbe Schnitt der Kleidung, dieselben sphynxähnlichen Gesichter mit den tiefen dunklen Augen und der roten Gesichtsfarbe; derselbe Typus einer Rasse, die wohl an die menschliche Rasse erinnerte, doch weit stärker und größer von Gestalt und Ansehen war. Sie flößten mir alle dasselbe unerklärliche Gefühl der Furcht ein wie mein erster Begleiter, und doch waren ihre Züge mild und ruhig, ja selbst gütig im Ausdruck. Seltsamerweise war es mir, als flößten mir gerade die Ruhe und Güte dieser Gesichter die rätselhafte Furcht ein.
Sie schienen von den Linien und Schatten, die Furcht und Sorge, Leidenschaft und Sünde auf des Menschen Antlitz zurücklassen, so frei zu sein wie die Gesichter steinerner Götter. Sie schienen denselben friedlichen Ausdruck zu haben, wie nach christlicher Auffassung der Tod den Gesichtern einprägt.
Ich fühlte eine warme Berührung auf meiner Schulter – es war die Hand des Knaben. In seinen Augen lag Mitleid und ein Ausdruck herablassender Zärtlichkeit, wie wir sie für einen kranken Vogel oder Schmetterling empfinden. Ich wich vor dieser Berührung und vor diesem Blicke zurück. Ich hatte ein unbestimmtes Gefühl, als ob dieses Kind, wenn es wollte, mich so leicht töten könnte wie der Mensch einen Vogel oder Schmetterling. Das Kind schien von meinem Widerwillen schmerzlich berührt zu sein. Es verließ mich und setzte sich an eines der Fenster. Die Anderen fuhren fort, sich in gedämpftem Tone mit einander zu unterhalten. An ihren Blicken, die sich auf mich richteten, konnte ich sehen, daß ich der Gegenstand ihres Gespräches war. Einer besonders schien dem Wesen, dem ich zuerst begegnet war, einen sehr dringlichen Vorschlag in bezug auf mich zu machen. Letzterer ging anscheinend darauf ein, als das Kind plötzlich seinen Platz am Fenster verließ und lebhaft sprechend sich wie zum Schutze zwischen mich und die Anderen stellte. Irgend eine Ahnung, ein Instinkt sagte mir, daß dieser Knabe, den ich vorher so gefürchtet hatte, zu meinen Gunsten rede. Während er noch sprach, betrat ein anderer Fremder das Zimmer. Er erschien, wenn auch nicht alt, so doch älter als die Übrigen. Sein Gesicht war weniger sanft und heiter als das der Anderen, obgleich es ebenso regelmäßige Züge hatte. Es schien mir dem menschlichen Ausdrucke näher zu kommen als das der Übrigen. Ruhig hörte er den Worten, die erst mein Begleiter, dann zwei aus der Gruppe und zuletzt der Knabe an ihn richteten, zu, dann wandte er sich zu mir und sprach mich nicht mit Worten, sondern mit Gesten und Zeichen an. Diese glaubte ich völlig zu verstehen, und ich irrte mich nicht. Ich begriff, daß er mich fragte, woher ich sei. Ich streckte die Hand aus und deutete auf den Weg, den ich von der Kluft im Felsen aus verfolgt hatte. Dann kam mir ein Gedanke. Ich zog mein Notizbuch hervor und entwarf auf einem unbeschriebenen Blatte eine leichte Skizze von dem Felsenriffe und dem Tau, an dem ich mich herabließ, von dem höhlenartigen Felsen unten, dem Kopfe des Ungetümes und dem leblosen Körper meines Freundes. Diese uranfängliche Art von Hieroglyphen gab ich dem Fragenden. Er reichte sie, nachdem er sie selbst ernst betrachtet hatte, seinem nächsten Nachbar und so machten sie die Runde unter den Anwesenden. Der, dem ich zuerst begegnete, sagte ein paar Worte, woraufhin der Knabe näher trat und meine Zeichnung ansah. Er schien ihren Sinn zu verstehen, nickte, kehrte an das Fenster zurück, breitete seine Flügel aus, schüttelte sie ein paarmal und schwebte dann hinaus ins Freie. Verwundert fuhr ich in die Höhe und eilte an das Fenster. Der Knabe schwebte schon in den Lüften. Seine Flügel bewegten sich nicht wie die eines Vogels, sondern sie erhoben sich über seinem Kopfe und trugen ihn ohne sein eigenes Zutun sanft durch die Lüfte. Der Flug war so rasch, wie der eines Adlers, und ich bemerkte, daß er dem Felsen zueilte, von dem ich herabgekommen war und dessen Umrisse deutlich zu erkennen waren.