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Der Herzog von Ilminster, ein gutaussehender und reicher Höfling wird von der Königin wegen seinem skandalösen Lebensstil für einige Zeit vom Hof verwiesen. Er zieht sich auf einen seiner ländlichen Wohnsitze Queen's Hoo zurück, den Sitz seiner verstorbenen Großmutter, den er schon seit seiner Jugend nicht mehr besucht hat. Dort trifft er auf die junge und sehr hübsche Fabia Wilton, eine sehr entfernte Verwandte, die seit dem Tod ihrer Eltern bei der Herzogin auf Queen's Hoo wohnt und die sich auch nach deren Tod um das Herrenhaus und dessen Gärten kümmert. Fabia hat einen sehr engen Bezug zum Haus, dessen Geschichte und früheren Bewohnern und ist eine begeisterte Reiterin. Kann Queen's Hoo den Herzog in seinen Bann ziehen und können ihn die Spuren seiner Vorfahren auf den richtigen Weg bringen? Oder wird er wieder seinen frivolen Lebensstil weiter führen?
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Seitenzahl: 196
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Lord Chamberlain wirkte nervös. Er spielte mit dem Löscher auf seinem Schreibtisch, rückte das Tintenfass zurecht und schob den Brieföffner ein wenig beiseite. Dabei wurde er die ganze Zeit über vom Herzog beobachtet.
Schließlich begann Lord Chamberlain: „Ich denke, Euer Gnaden, Sie ahnen bereits, was ich Ihnen sagen möchte.“
„Nicht im Geringsten“, erwiderte der Herzog.
Er lehnte sich auf seinem Stuhl vor dem Schreibtisch gemütlich zurück, schlug ein Bein über das andere und gab sich vollkommen gelassen.
Lord Chamberlain blickte ihn kurz an und dachte bei sich, dass der Herzog in der Tat einer der bestaussehenden Männer war, die er je gesehen hatte, und dass es keineswegs überraschte, wenn sein Ruf bezüglich der Frauen so stadtbekannt war, dass er sogar die Aufmerksamkeit Ihrer Majestät erregt hatte.
Da der Herzog sich jedoch mit untadeligen Manieren im Buckingham Palast und auf Windsor Castle bewegte, hatte die Königin nichts gegen ihn sagen oder unternehmen können. Nun war es so, dass niemand, ob er nun in einer Hütte oder im Königlichen Palast lebte, das Gerede der Leute verhindern konnte, und so vermehrten und steigerten sich die Gerüchte um den Herzog von Jahr zu Jahr, bis sie schließlich solche Ausmaße annahmen, dass ein Skandal unvermeidbar schien.
Es entsprach sicherlich der Wahrheit, dass Ihre Majestät dem Herzog mehr Freiheiten zugebilligt hatte als anderen, denn sie mochte schöne Männer. In gewisser Weise bestanden sogar Ähnlichkeiten zwischen dem Herzog und ihrem geliebten Albert.
Diese beschränkten sich jedoch auf Äußerlichkeiten. In jeder anderen Hinsicht waren die beiden Männer jedoch grundverschieden. Der Prinz, steif, pflichtbewusst, ernst und überzeugt davon, dass zu allen Gelegenheiten das Protokoll eingehalten werden müsse, war sogar genau das Gegenteil des Dritten Herzogs von Ilminster, der, seit er Eton verlassen hatte, das Leben in vollen Zügen genoss, von einem Skandal in den anderen schlitterte und schöne Frauen mit atemberaubender Schnelligkeit wechselte.
Beim Pferderennen war er ein allseits beliebter Sportler, der auch die strengsten Regeln des Pferderennens genauso wenig außer acht ließ wie die eines fairen Kartenspiels. Kaum waren jedoch Frauen im Spiel, galten die Regeln der Sportlichkeit nicht mehr, und es gab genügend Ehemänner, die nur mühsam ihren Zorn beherrschten, wenn der Herzog einen Ballsaal betrat. Oft genug brachten Mütter ihre Töchter mit dem Beschützerinstinkt in Sicherheit, den eine Henne beim Anblick eines Fuchses entwickelt.
Unnötig zu erwähnen, dass der Herzog nicht im Geringsten an Mädchen interessiert war, sondern ausschließlich an attraktiven, geistreichen Schönheiten der Gesellschaft, die ihm für eine angenehme Weile die Zeit vertrieben, bevor sein Interesse von einem neuen Gesicht oder von den Kurven einer neuen Gestalt geweckt wurde.
Doch jetzt hatte ihn unausweichlich die strafende Gerechtigkeit eingeholt, und es war die unangenehme Aufgabe von Lord Chamberlain, die Missbilligung Ihrer Majestät an einen Mann weiterzuleiten, den er im Innersten seines Herzens beneidete.
„Ich schlage vor, Sie sagen mir ganz offen, was Sie auf dem Herzen haben“, sagte der Herzog, als Lord Chamberlain immer noch zögerte.
„Nicht auf meinem Herzen, Ilchester“, verbesserte Lord Chamberlain, „sondern auf dem Ihrer Majestät.“
„Das hätte ich mir denken können“, bemerkte der Herzog mit einem leisen zynischen Lächeln.
Trotz seines guten Aussehens hatten sich in den vergangenen ein, zwei Jahren in seinem Gesicht die tiefen Linien eines Mannes gebildet, der oft enttäuscht worden war und der dem Leben nicht mehr mit der gleichen sorglosen Unbeschwertheit entgegentrat, die seine Jugend ausgezeichnet hatte.
Der Herzog war in der Tat sogar öfter gelangweilt als erfreut. Und der Grund für die kurze Dauer seiner Liebesaffären und für den häufigen Wechsel lag in der Erkenntnis, dass Frauen immer wieder das gleiche sagten und sich immer wieder genauso gaben, sobald die Aufregung der Jagd vorüber war.
„Ilminster hat mehr Herzen gebrochen, als ich Wählerstimmen habe“, hatte ein Parlamentsmitglied einmal scherzend im Unterhaus erwähnt. Auf der Wettliste waren gewöhnlich große Geldsummen auf die Frage eingetragen, wie lange die jüngste Affäre des Herzogs wohl dauern werde.
Lord Chamberlain räusperte sich. „Unglücklicherweise wurde Ihrer Majestät zugetragen, was sich vorgestern Abend in der Gemäldegalerie ereignet hat.“
„Ich bin natürlich bereit, für die Vase aufzukommen, die zu Bruch ging“, versicherte der Herzog.
„Sie hat nichts anderes von Ihnen erwartet. Aber es ist nicht der Bruch, der die Königin verstimmt hat, sondern die Ursache, die dieses Unheil ausgelöst hat.“
Der Herzog sagte sich, dass er mit dieser Haltung, die Ihre Majestät und Prinz Consort einnahmen, eigentlich hätte rechnen müssen und dass, wie Lord Chamberlain bemerkt hatte, sie höchst unglücklich war.
Er war gerade im Dienst als Königlicher Kammerherr und schritt die Galerie entlang, als er eine der jüngeren und hübscheren Königlichen Hofdamen Ihrer Majestät auf sich zukommen sah. Sie war ein reizvolles kleines Ding, das ihm bei mehreren Gelegenheiten schöne Augen gemacht hatte. Der Herzog hatte ihr bislang allerdings noch keine Aufmerksamkeit gezollt, da er sich gerade anderweitig vergnügte.
Die junge Dame war also stehengeblieben und hatte sich mit ihm unterhalten. Dabei war ihr sehnlichster Wunsch nicht zu übersehen gewesen, nämlich, dass er irgendetwas Verrücktes tat. Was blieb ihm also anderes übrig, als zu gehorchen?
Er hatte sie in seine Arme gerissen, und sie hatte seine Küsse mit einem Feuer erwidert, das ihm nur zu deutlich verriet, dass sie schon viel zu lange darauf gewartet hatte. Als er dann leidenschaftlicher und fordernder geworden war, hatte sie ein klein wenig protestiert, nicht sehr entschlossen, aber doch genug, um ihn noch mehr anzustacheln.
Dann hatte der Herzog ihr einen Vorschlag gemacht, über den sie mit hervorragender schauspielerischer Leistung schockiert war. Nun hatte sie wieder so getan, als würde sie gegen ihn ankämpfen wollen, und dabei hatte er sie ganz plötzlich losgelassen.
Es war so unerwartet für sie gekommen, dass sie das Gleichgewicht verloren hatte und gegen eine große chinesische Vase gestolpert war, die etwas unsicher auf einem geschnitzten Elfenbeinsockel neben ihnen gestanden hatte.
Der Herzog hatte zwar noch die Hand ausgestreckt, um die Vase zu retten, doch es war schon zu spät gewesen. Die reizende junge Dame war mit dem Ellenbogen gegen die Kostbarkeit gestoßen, so dass der feine Porzellanbehälter auf den polierten Boden fiel und in tausend Scherben zerbrach.
Beide hatten sie bekümmert auf das Unglück hinuntergestarrt, dann hatte die Königliche Hofdame mit einem kleinen Schrei des Entsetzens ihre Röcke gerafft und war, so schnell sie konnte, den Korridor hinuntergelaufen.
Unglücklicherweise war sie dennoch gesehen worden, ebenso der Herzog und die zerbrochene Vase, und zwar von einem der Speichellecker von Prinz Consort, der es für seine Pflicht gehalten hatte, Neuigkeiten aller Art Seiner Königlichen Hoheit zu berichten. Er hatte wohl angenommen, dass er dadurch zu seiner eigenen Wichtigkeit beitragen würde.
Aufgeregt war er auf den Herzog zugeeilt, der immer noch die Scherben auf dem Boden anstarrte, und hatte ausgerufen: „Sie haben eine wertvolle Vase zerbrochen, Euer Gnaden.“
„Ganz offensichtlich“, hatte der Herzog trocken erwidert.
„Ihre Majestät wird äußerst ungehalten sein, da Seine Königliche Hoheit mit der Einrichtung dieser Galerie gerade erst fertig geworden ist.“
„Dann wird Seine Königliche Hoheit wohl eine andere Vase finden müssen“, hatte der Herzog bemerkt und war einfach weggegangen, ohne eine Antwort abzuwarten.
Jetzt vermutete er, dass es besagtem Herrn ein großes Vergnügen bereitet haben muss, einen Bericht über den Vorfall zu schreiben. Der Herzog bedauerte nur, dass die Königliche Hofdame für ihren Anteil an dem Unglück ernsthafte Vorwürfe zu hören bekam, falls ihr nicht noch Schlimmeres passierte. Wenn sie nicht gesehen worden wäre, hätte er auf jeden Fall die volle Verantwortung auf sich genommen.
„Wie soll ich nun meine Reue zeigen?“ fragte er nun. „Soll ich mich in die Ecke stellen?“
„Ich fürchte, darauf wird es hinauslaufen“, erwiderte Lord Chamberlain. „Ihre Majestät ist davon überzeugt, dass Sie eine zweimonatige Ruhepause auf dem Land willkommen heißen werden, anstatt weiterhin Ihre anstrengenden Pflichten im Palast zu verfolgen.“
Der Herzog warf den Kopf zurück und begann zu lachen.
„Es stimmt wirklich, Mylord“, sagte er, „ich soll mich in die Ecke stellen. Es überrascht mich nur, dass man von Ihnen gar nicht erwartet, mir eine Standpauke zu halten.“
Lord Chamberlain lächelte ein wenig bekümmert. „Es war keine ausgesprochen angenehme Aufgabe, Ihnen all das zu sagen, Euer Gnaden, aber ich hatte es früher oder später kommen sehen.“
„Machen Sie sich nichts draus. Außerdem kann ich Ihnen sagen, dass ich in letzter Zeit ohnehin den Eindruck gewonnen habe, dass das Zeremoniell des Hofes mit tödlicher Langeweile gleichzusetzen ist.“
„Dieser Meinung sind wir alle hin und wieder“, seufzte Lord Chamberlain.
„Ich glaube, ich wurde unter der falschen Regierung geboren. Es hätte mir viel besser gefallen, wenn der Onkel Ihrer Majestät noch auf dem Thron säße.“
Lord Chamberlain wusste, dass der Herzog sich auf George IV. bezog, dessen skandalöses Verhalten als Regent mit seinen Extravaganzen und seinen dicken Mätressen die Partys im Carlton House zur besten Unterhaltung von London kürte. Es war auch ein Vergnügen gewesen, den Buckingham Palast zu besuchen, dessen beeindruckende Eleganz ausschließlich George IV. zu verdanken war, und dort zu arbeiten.
Lord Chamberlain musste dem Herzog recht geben. Diese Umgebung hätte vorzüglich zu ihm gepasst. Sein Verhalten entsprach ganz dem von George, und seine schlimmsten Auswüchse hätten unter der Regierung des ‚Prinzen der Freude‘, wo sich jeder nur um sein eigenes Vergnügen kümmerte, kaum auch nur das Heben einer Braue veranlasst.
Im Vergleich dazu stand das ernsthafte Bestreben von Prinz Consort und seiner ergebenen Frau Victoria, ‚gut zu sein‘, und die Empfänge im Buckingham Palast hatten mehr mit psalmsingenden religiösen Treffen als mit vergnügten königlichen Abendgesellschaften zu tun.
Lord Chamberlain wurde aus seinen Betrachtungen über den Unterschied zwischen George IV. und seinem Neffen durch die Frage des Herzogs gerissen: „Ist das alles?“
„Man sollte meinen, das sei wirklich ausreichend,“ erwiderte Lord Chamberlain. „Ich kann nur noch einmal versichern, Euer Gnaden, wie leid es mir tut, dass ausgerechnet ich Ihnen diese schlechte Nachricht überbringen musste.“
„Macht nichts. Ich beklage mein Schicksal nicht, und es stimmt mich auch nicht besonders traurig, dass ich in Ascot nicht auf den königlichen Rängen verweilen darf. Ich werde meinen eigenen Rang belegen, und ich hoffe, Sie leisten mir auf einen Drink Gesellschaft, wenn mein Pferd den Goldpokal gewinnt.“
Lachend erhob sich Lord Chamberlain. „Sie sind sehr siegessicher.“
„Warum nicht? fragte der Herzog. „Ich habe das beste Pferd.“
Nachdem er den Raum verlassen hatte, fügte Lord Chamberlain für sich hinzu: Und von allem anderen das Beste.
Am folgenden Morgen erwachte der Herzog mit schwerem Kopf und trockenem Mund. Jetzt wusste er, dass es äußerst dumm gewesen war, seine Ungnade mit einer ausschweifenden Hingabe zu feiern, die ihm ansonsten nicht eigen war.
Wenn auf seinen Partys dem Wein auch oft in überschwänglichem Maße zugesprochen wurde, so hielt er selbst sich beim Alkoholkonsum doch sehr zurück.
Nachdem er gestern das Büro von Lord Chamberlain verlassen hatte, hatte er einige seiner engsten Freunde zum Abendessen in sein Haus in Park Lane eingeladen. Nach einem vorzüglichen Mahl, das wohl von zu häufigen Toasts unterbrochen wurde, waren sie zur Party von Lady Duncan gegangen. Diese Festivitäten waren zwar berüchtigt, der Herzog hingegen fand sie stets außerordentlich amüsant.
Lady Duncan war Schauspielerin gewesen, wenn man bei dieser Bezeichnung auch beide Augen zudrücken sollte und hatte einen älteren, wenn nicht gar senilen Peer dazu gebracht, sie zu heiraten.
Obwohl ihr Gatte außerordentlich reich war, hatte sie nie versucht, in die Gesellschaft aufzurücken, die ohnehin die Tür vor ihr verschlossen hatte. Stattdessen empfing sie in ihrem Haus am Grosvenor Square schöne Frauen, die ihrerseits Herren anlockten, die Molly Duncans einzigartige Gastfreundschaft zu schätzen wussten. Die Damen, die Lady Duncans Partys besuchten, kamen entweder ursprünglich von der Bühne oder aus einem älteren und weniger ehrenhaften Gewerbe.
Mit der Zeit erhielten auch diejenigen eine Einladung ins Duncan Haus, die sich am Rande der Gesellschaft bewegten oder die trotz hoher Geburt von anspruchsvolleren Gastgeberinnen verbannt worden waren. Lady Duncans Gäste setzten sich so aus einer Mischung aller Typen und Klassen zusammen, obwohl dort alle die gleiche Aufmerksamkeit erhielten.
Männer, die beschäftigungslos waren oder nach einem guten Essen nicht wussten, wohin sie gehen sollten, machten sich an den drei Abenden in der Woche, an denen ‚Königin Molly‘ zu Hause war, auf den Weg zu ihrem Haus.
Gestern Abend, als der Herzog mit seinen Freunden erschienen war, hatte sie mit einem Ausruf des Entzückens die Arme hochgeworfen und war die Treppe hinuntergelaufen, um ihn leidenschaftlich zu küssen.
Sie war immer noch eine sehr schöne Frau mit einer vollen Figur, Augen, die wie Champagner funkelten, und Haaren, die wie eine goldene Krone leuchteten. Was außerdem noch glitzerte, war der Überfluss an Diamanten, die ihren langen weißen Hals, ihre Ohren und ihre schlanken Gelenke schmückten.
„Ich habe Sie vermisst“, beklagte sie sich beim Herzog.
„Wie konnten Sie mich so lange vernachlässigen!“
„Das ist eine lange Geschichte“, erwiderte der Herzog. „Aber jetzt bin ich ja wieder da. Langweilen Sie mich also nicht mit Vorwürfen!“
„Ich habe Sie noch nie gelangweilt, und Ihre Freunde werden sich auch nicht langweilen. Ein paar sehr hübsche Damen sind gerade aus Paris eingetroffen.“
Wie sich der Herzog nun erinnerte, waren die Französinnen wirklich sehr fröhlich und sehr hübsch gewesen. Doch anstatt sich auf sie zu konzentrieren, hatte er den Fehler begangen, sich von Dilys Chertsey vereinnahmen zu lassen.
Lady Dilys Chertsey hatte ebenfalls das Missfallen der Königin erregt und belegte einen sicheren Platz auf der ‚Schwarzen Liste‘ des Buckingham Palastes.
Als Tochter eines Herzogs war sie noch während ihrer Schulzeit mit einem hübschen Armeeoffizier durchgebrannt, den sie mit seiner Uniform unwiderstehlich und ohne diese höchst langweilig gefunden hatte. Zum Glück für seine Frau war er nach nur drei Ehejahren durch einen Fehlschuss getötet worden.
Dilys war nicht zu ihrer Familie zurückgekehrt, sondern hatte sich allein niedergelassen und sich weiterhin auf eine Weise vergnügt, die von den großen Gastgeberinnen als höchst unanständig bezeichnet wurde.
Es fiel ihnen jedoch schwer, sie vollkommen zu ignorieren angesichts der gesellschaftlichen Stellung ihres Vaters und ihrer Mutter, da der Herzog bei der Königin eine hochgeachtete Persönlichkeit war. Die beiden taten ihr Bestes, um Dilys aus dem Weg zu gehen, und sprachen unaufhörlich mit gesenkter Stimme über sie.
Dilys, die nicht nur sehr schön war, sondern auch über genügend Geld verfügte, das ihr ihre Unabhängigkeit sicherte, verfolgte den Herzog schon seit einiger Zeit was ihm auch nicht entgangen war. Er fand jedoch, dass es ein Fehler sei, eine Affäre mit einer Frau anzufangen, die genauso berüchtigt war wie er. Deswegen mied er sie absichtlich.
Und doch war es unmöglich, Dilys’ Schönheit und Sachverstand nicht zu bewundern.
Gestern Abend hatte er seine Ungnade wohl ein wenig zu heftig gefeiert, und so hatte er sich ihren Reizen unterworfen. Gegen Morgengrauen hatte er sich nur unter Schwierigkeiten aus ihrem Bett stehlen und für den Heimweg ankleiden können.
Sie hatte ja wirklich verführerisch ausgesehen mit ihrem flammendroten Haar, das über die Kissen gebreitet war, und mit ihren grünen Augen, mit denen sie ihn unter dunklen Wimpern anblitzte.
Als er dann zur Tür geschritten war, hatte sie gesagt: „Auf Wiedersehen, Vian. Du hast mich sehr glücklich gemacht. Wenn du weniger müde bist, werden wir Pläne schmieden...“
Der Herzog war zu dieser Zeit fast schon zur Tür hinaus. So unglaublich und erschreckend es auch war, so war er nun fast sicher, die drei folgenden Worte richtig verstanden zu haben: „.- für unsere Hochzeit.“
Ich muss mich verhört haben, sagte er sich immer wieder. Ich muss geträumt haben.
Doch als sein Verstand klarer wurde und die Wirkung des Alkohols nach dem mehrstündigen Schlaf verflogen war, hätte er fast schwören können, dass er sich nicht verhört hatte.
„Das ist einfach unmöglich“, murmelte er vor sich hin und klingelte nach seinem Kammerdiener.
Eine Stunde später saß der Herzog im Esszimmer lustlos vor seinem Frühstück, als die Tür sich öffnete und der Butler ankündigte: „Major Edward Bicester, Euer Gnaden!
Der Herzog schob den Teller beiseite, den er kaum angerührt hatte, und blickte erleichtert auf, als sein engster Freund und Vertrauter den Raum betrat.
„Guten Morgen, Vian“, sagte er, während er sich dem Tisch näherte. „Wie kannst du nach so einer Nacht nur so früh aufstehen!“
„Ich wollte dich sprechen, Eddie“, erwiderte der Herzog.
Major Bicester ließ sich vorsichtig auf einem Stuhl nieder, den der Butler ihm hingeschoben hatte, und erklärte auf die Frage nach seinen Wünschen: „Brandy, und zwar eine Menge davon.“
Mit ausdrucksloser Miene stellte der Butler ein Glas vor ihn hin, füllte es zum größten Teil mit Brandy, zum kleinsten Teil mit Soda und ließ die Karaffe und den Siphon auf dem Tisch zurück. Dann zog er sich aus dem Frühstücksraum zurück und schloss die Tür hinter sich.
Edward Bicester nippte an seinem Brandy: „Du siehst unverschämt gut aus nach einer solch bewegten Nacht.“
„Ich fühle mich aber nicht gut“, erwiderte der Herzog.
„Ich auch nicht“, tröstete Eddie. „Wenn du mich fragst, dann verschlechtern sich Mollys Weine, je später der Abend wird. Das ist ein alter Trick, vor dem wir uns in Zukunft in acht nehmen sollten.“
„Diese Sitte wird in vielen großen Häusern gepflegt“, bemerkte der Herzog. „Aber ich habe dich heute Morgen nicht zu mir gebeten, um über Mollys Gastfreundschaft zu diskutieren. Jedenfalls nicht direkt Eddie sah ihn erwartungsvoll an. „Was ist geschehen?“
„Ich habe gestern Abend zu viel getrunken.“
„Der Meinung war ich auch, und es passt gar nicht zu dir, Vian. Du bist gewöhnlich so maßvoll. Aber für deine gestrigen Ausschweifungen hattest du ja einen triftigen Grund.“
„Einen verdammt lächerlichen“, widersprach der Herzog.
„Und der bezog sich nur auf die Party.“
„Ich glaube nicht, jemals besser dort gespeist zu haben“, sagte Eddie nachdenklich.
„Ich will nicht über das Essen reden, sondern darüber, was danach geschehen ist.“
Eddie nahm einen weiteren Schluck. „Was denn?“
„Ich war betrunken und habe Dilys heimgebracht. Sie hatte es darauf angelegt.“
„Sie ist schon seit einiger Zeit hinter dir her. Und das weißt du auch.“
„Sie ist ziemlich deutlich geworden, und da ich in einer - wie du es sicher nennen würdest - recht aufnahmebereiten Stimmung war, war ich mit allem einverstanden, was sie vorschlug.“
„Sie ist nicht nur schön, sondern auch so schlecht wie alle anderen auch“, bemerkte Eddie.
„Das ist es ja, was mir Angst macht. Sie will mich heiraten.“
„Das ist nichts Neues“, fand Eddie. „Sie alle wollen dich heiraten, und wer kann es ihnen verübeln? Es gibt nicht viele hübsche Herzöge.“
„Eddie, ich meine es ernst.“
„Wegen Dilys? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du sie ernst nimmst.“
Der Herzog schwieg eine Weile, dann sagte er: „Offen gesagt, ich erinnere mich nicht mehr, was ich letzte Nacht gesagt habe.“
„Ist das so wichtig?“
„Ich habe das Gefühl, dass Dilys meine Worte nicht nur zu ihren Gunsten auslegt, sondern auch mit Worten ergänzen wird, die ich gar nicht gesagt habe.“
Die Art, wie der Herzog sprach, veranlasste Eddie, sich mit ungläubigem Gesichtsausdruck auf seinem Stuhl vorzubeugen. „Willst du damit sagen, Vian, dass du dir wirklich Sorgen machst wegen Dilys Chertsey? Lieber Himmel! Mit ihrem Ruf kann sie doch nicht erwarten, jemanden wie dich heiraten zu können!“
„Aber ich glaube, sie wird es zumindest versuchen. Und ich kann ausgerechnet jetzt keinen Skandal brauchen.“
Schweigen herrschte, bis Eddie sagte. „Was du damit sagen willst, ist, dass trotz deiner Beteuerungen gestern Abend du nicht gerade erfreut darüber bist, dass man dich mehr oder weniger aus dem Buckingham Palast geworfen hat.“
„Na schön, wenn du die Wahrheit wissen willst, es wird meine Verwandten mehr als alles andere bisher aufregen.“
Eddie schwieg. Er wusste, dass der Herzog im Gegensatz zu der Art, wie er sich in London gab, peinlich darauf achtete, nichts Unehrenhaftes zu tun, wenn er in seinem Elternhaus in Buckinghamshire weilte. Hier, wo seine Mutter im Dower House und zahlreiche andere Verwandte ebenfalls auf dem Gut lebten, war er fast ein Vorbild dafür, wie ein Adeliger und Landbesitzer zu sein hatte. Eddie hatte oft über die zwei Charakterseiten seines Freundes nachgedacht. Er glaubte, dass nur ein äußerst intelligenter Mann das Gleichgewicht halten konnte zwischen dem, was er war, und dem, wie seine Verwandten ihn haben wollten.
„Jetzt begreife ich endlich, warum du gestern Abend so viel getrunken hast“, sagte Eddie laut.
„Es war dumm von mir“, gab der Herzog zu. „Und es gefällt mir gar nicht, meiner Mutter Kummer zu bereiten. Gerade jetzt geht es ihr gesundheitlich nicht gut.“
„Vielleicht wird sie es nicht erfahren“, sagte Eddie voller Hoffnung.
„Glaubst du? Eine meiner Schwestern ist Königliche Hofdame“, erwähnte der Herzog kurz.
„Aber ja!“ rief Eddie. „Hat sie nicht diesen langweiligen Knaben geheiratet, Osborne hieß er, glaube ich? Er war doch immer eifersüchtig auf dich.“
„Genau.“
„Das tut mir leid. Verständlich, dass du zusätzliche Schwierigkeiten mit Dilys ganz und gar nicht brauchen kannst.“
„Irgendwie muss ich mich aus der Sache winden“, erwiderte der Herzog. „Die Frage ist nur wie?“
„Fragst du mich das?“
„Deswegen habe ich dich zu so früher Stunde hergebeten.“
Eddie leerte sein Glas. „Wenn Dilys Chertsey dich heiraten will, dann muss sie inzwischen müde geworden sein, gegen die Verdammung ihrer Verwandten anzukämpfen und all jener bigotten alten Schachteln, die die Nase rümpfen über eine so schöne Frau wie Dilys.“
„Frauen kämpfen niemals fair“, fand der Herzog. „Und letzten Endes gewinnen sie immer.“
„Wahrscheinlich hast du recht“, pflichtete Eddie ihm bei. „Vom gesellschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, kann Dilys nichts Besseres passieren, als sich mit dir zu verehelichen.“
Der Herzog schlug plötzlich mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass die Tassen auf den Untertellern hüpften.
„Verdammt! Ich will überhaupt nicht heiraten“, erklärte er. „Und am allerwenigsten Dilys Chertsey.“
Er konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als mit einer Frau verheiratet zu sein, deren verflossene Liebhaber gut und gern ein Zimmer füllen konnten, und die immer wieder auftauchen würden, wo immer man sich mit dieser Frau auch zeigte.
Der Herzog hatte nie ernsthaft an eine Ehe gedacht, obwohl seine Verwandten besonders seine Mutter ihn immer wieder um einen Erben gebeten hatten.
Als er noch sehr jung gewesen war, hatte er eine unglückliche Beziehung gehabt, die ihn argwöhnisch gemacht hatte, wann immer er sich einer Frau näherte. Er fürchtete nun, dass Frauen nur an seinem Titel, nicht aber an ihm selbst interessiert waren. Er hielt dieses Schicksal inzwischen jedoch für unumgänglich, sobald jemand einen gesellschaftlich angesehenen Namen besaß.
Außerdem befiel ihn das nackte Entsetzen angesichts einer kalt berechneten Ehe mit einer Frau, die ihn bereits langweilte, bevor er mit ihr zu Bett ging, und danach zweifellos noch mehr. Auch wenn er es noch niemandem eingestanden hatte, war er entschlossen, nur aus Liebe zu heiraten, oder um es genauer auszudrücken, wenn er sicher sein konnte, dass die auserwählte Frau aufrichtig in ihn verliebt war.
Voller Zynismus fragte er sich nach diesen Überlegungen stets, wie er jemals sicher sein konnte, dass eine Frau ihn als Mann schätzte und weniger als Herzog. Die Antwort darauf war jedes Mal äußerst deprimierend.
Jemanden wie Dilys Chertsey zu heiraten, bedeutete für ihn eine Beleidigung all dessen, was ihm nicht nur anspruchsvoll, sondern auch idealistisch erschien. Auch wenn er hin und wieder einige Regeln des Anstands außer acht gelassen hatte, beabsichtigte er dennoch nicht, das Vertrauen einiger seiner Verwandten vollkommen zu zerstören, das sie ihm als Familienoberhaupt immer noch entgegenbrachten.
Nun berichtete er Eddie genau, was sich gestern Nacht zugetragen hatte, und er wiederholte die Worte, die Dilys gesprochen hatte, als er das Zimmer verlassen hatte.
„Als ich heimkam, bin ich ins Bett gefallen“, schloss er. „Erst am Morgen, als ich aufwachte, erinnerte ich mich an alles ganz genau. Ich bin sicher, dass ich mich nicht geirrt habe.“
„Sie kann dich nicht an dein Wort binden.“
„Ich traue ihr nicht. Du weißt so gut wie ich, dass sie alles versuchen wird. Es wird Ärger geben.“
„Das musst du verhindern“, ereiferte sich Eddie.
„Wie denn?“ fragte der Herzog zum zweiten Mal.