Das große Wörterbuch des Wienerischen - Robert Sedlaczek - E-Book

Das große Wörterbuch des Wienerischen E-Book

Robert Sedlaczek

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Beschreibung

Was ist ein Dauerhahn? Warum mussten früher die Wideln brennt sein? Wie gefährlich ist es, wenn einem Striezi der Fisch in der Hosen aufgeht? Das und noch viel mehr verrät uns Robert Sedlaczek im bisher komplettesten Gebrauchswörterbuch des Wiener Dialekts: "Das große Wörterbuch des Wienerischen" enthält neben den oft vielschichtigen Bedeutungen der einzelnen Wörter auch eine phonetische Umschrift, ferner Hinweise auf die Herkunft der Wörter und illustriert deren Verwendung mit zahlreichen Belegstellen – aus den Stücken Johann Nestroys und Ferdinand Raimunds, aus alten Wienerliedern und Schlagern der "Dialektwelle", aus den Programmen beliebter Kabarettisten, aus Tageszeitungen etc. Außerdem werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu anderen Dialektregionen dokumentiert, insbesondere zum Sprachgebrauch in Altbayern mit dem Zentrum München. Im Buch finden sich sowohl Wörter des modernen Wienerischen als auch Wörter der älteren Mundart, wobei manche Belege bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreichen. Sie machen deutlich, wie sich jener Dialekt, der von Wien aus auch in andere Bundesländer ausstrahlt, verändert hat, wie lebendig er nach wie vor ist – und wie auch junge Menschen heute mit dem Wienerischen kreativ umgehen, indem sie alte Wörter aufgreifen und neue erfinden.

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Robert Sedlaczek

Das große Wörterbuch des Wienerischen

Die Herkunft der Wörter und ihre richtige Aussprache.Mit mehr als 10.000 Stichwörtern und zahlreichen Belegstellen.

In Zusammenarbeit mit Roberta Baron

Für Melita (1950–2022)

„... je weiter ich in diesem Studium fortgehe, desto klarer wird mir der Grundsatz: dass kein einziges Wort oder Wörtchen bloß eine Ableitung haben, im Gegenteil jedes hat eine unendliche und unerschöpfliche. Alle Wörter scheinen mir gespaltene und sich spaltende Strahlen eines wunderbaren Ursprungs, daher die Etymologie nichts tun kann, als einzelne Leitungen, Richtungen und Ketten aufzufinden und nachzuweisen, soviel sie vermag.“

Jacob Grimm an Friedrich Carl von Savigny,20. April 1815

„Selbst in der Bibel gebricht es nicht an Wörtern, die bei der feinen Gesellschaft verpönt sind. Wer an nackten Bildsäulen ein Ärgernis nimmt oder an den nichts auslassenden Wachspräparaten der Anatomie, gehe auch in diesem Saal den missfälligen Wörtern vorüber und betrachte die weit überwiegende Mehrzahl der andern.“

Jacob Grimm, Vorwort zum 1. Band des„Deutschen Wörterbuchs“, 1854

 

 

Für Hinweise zu einzelnen Stichwörtern und allgemeinen Fragen aus dem Bereich der Sprachwissenschaft danke ich

Univ.-Prof. Dr. Werner Abraham

Univ.-Prof. Dr. Rudolf de Cillia

Prof. Dr. Jakob Ebner

Univ.-Prof. Dr. Peter Ernst

Univ.-Prof. Dr. Roland Girtler

Univ.-Prof. Dr. Hans Moser

Univ.-Prof. Dr. Stefan Michael Newerkla

Univ.-Prof. Dr. Heinz-Dieter Pohl

Univ.-Prof. Ludwig Zehetner

Die Genannten waren auch eine große Hilfe bei Themen, die ich in meiner Sprachkolumne behandelt habe – sie ist von 2005 bis zur Einstellung des Blattes 2023 wöchentlich in der „Wiener Zeitung“ erschienen.

Seit Juni 2023 erscheinen ähnliche Beiträge über das Wienerische und zu anderen Sprachthemen auf www.sprachblog.at.

Ich danke all jenen aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis, die im Gespräch mit mir Wörter verwendeten, die jetzt im Buch zu finden sind, oder mir diese zugetragen haben.

Hinweise zu Fehlern oder Ungenauigkeiten in diesem Buch erbitte ich unter www.robertsedlaczek.at. Korrekturen und Ergänzungen werden dort kommentiert zu finden sein.

Weitere Informationen zu Robert Sedlaczek sowie zu lieferbaren Titeln des Autors finden Sie am Ende des Buches sowie unter www.haymonverlag.at und www.robertsedlaczek.at.

Inhalt

Hinweise zum gebrauch des Wörterbuchs samt einiger Anmerkungen zum Wienerischen

A

B

C

D

E

F

G

H

I

J

K

L

M

N

O

P

Q

R

S

T

U

V

W

X

Z

Abkürzungen

Fachbegriffe

Quellenverzeichnis

Hinweise zum Gebrauch des Wörterbuchs samt einiger Anmerkungen zum Wienerischen

Diese Sammlung hat den Anspruch, das kompletteste und gleichzeitig komfortabelste Gebrauchswörterbuch des Wienerischen zu sein, das bisher erschienen ist; es enthält neben den Bedeutungen auch die jeweilige phonetische Schreibweise, Etymologien und Belegstellen, ferner Hinweise zur österreichischen Standardsprache und zum Dialekt in Bayern – die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede werden dokumentiert. In das Buch aufgenommen wurden sowohl Wörter des modernen Wienerischen als auch Wörter der älteren Mundart, wobei manche Belege bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreichen. Obwohl ich das höchste wissenschaftliche Niveau angestrebt habe, galt mein besonderes Augenmerk der Benutzerfreundlichkeit, das Buch soll auch einem Laien Freude bereiten. Ich verwende hier und in der Folge „Mundart“ und „Dialekt“ synonym, manchmal wird „Dialekt“ mit „Soziolekt“ gleichgestellt, mit der Sprachvarietät einer sozialen Schicht, die oft auch mit einem Stigma behaftet ist.

Als Mundart oder Dialekt werden regionale Varianten einer Sprache bezeichnet.

Warum ein neues Wörterbuch?

Im Jahr 2011 ist bei Haymon mein „Wörterbuch des Wienerischen“ erschienen, als Taschenbuch-Erstausgabe. Inzwischen ist die achte Auflage am Markt. Im Laufe des folgenden Jahrzehnts sammelte ich weitere Wörter und weitere zusätzliche Belegstellen, die es verdient hätten, in das Buch aufgenommen zu werden. Daraus entstand die Idee, eine völlig neu konzipierte Hardcover-Ausgabe auf den Markt zu bringen, mit vielen zusätzlichen Merkmalen. Ein Kernpunkt sind die Aussprachehinweise. Wer das Wienerische fördern will, der möchte die Wörter, die vom Verschwinden bedroht sind, ja nicht nur lesen und verstehen, sondern auch aussprechen können.

Ein weiteres Motiv für mich war der Umstand, dass das im Österreichischen Bundesverlag 2002 in zweiter, erweiterter Auflage erschienene „Wörterbuch der Wiener Mundart“ von Maria Hornung vergriffen war und verlagsseitig keine Absicht bestand, es neu aufzulegen. In dem wissenschaftlichen Standardwerk sind die Stichwörter phonetisch, also nach der Aussprache, gereiht. Das Wort Quargeltreter findet sich unter Gwagldreda, Überzieher unter Iwadsia und Schädlweh unter Schedlweh. Man muss also wissen, wie das Wienerische lautlich funktioniert, um ein Wort rasch zu finden. Ich wollte hingegen bei meinem Prinzip bleiben und standardsprachliche Schreibweisen, soweit es möglich war, beibehalten. Sie finden also Quargeltreter unter Qu..., Überzieher unter Ü... und Schädlweh unter Schä... Das großartige Wörterbuch von Maria Hornung ist übrigens inzwischen im Internet abrufbar, mein Buch wird Ihnen helfen, die Stichwörter dort zu finden. Wenn Sie ein Wort in meinem Buch nicht finden, lohnt es sich, bei Maria Hornung nachzuschlagen.

„Wörterbuch der Wiener Mundart“ von Maria Hornung: ein Meilenstein der Dialektforschung.

In der Einleitung weist Maria Hornung darauf hin, dass sie Hinweise auf das Vorkommen eines Wortes in schriftstellerischen Werken, zum Beispiel in den Theaterstücken von Johann Nestroy, nur gelegentlich vermerkt hat, und ohne Zitierung. Da inzwischen die historisch-kritische Werkausgabe von Johann Nestroys Werken fertiggestellt ist und auf der Website der Nestroygesellschaft alle Stücke abrufbar sind, konnte ich Nestroy-Zitate in großer Zahl und mit genauer Zitierung aufnehmen. Nestroys Stücke sind ein wertvolles Quellenmaterial, weil es sich um gesprochene Sprache aus der Mitte des 19. Jahrhunderts handelt – zugegeben: vermischt mit standardsprachlichen Elementen, aber mit einem soliden mundartlichen Wortschatz. Viele wienerische Ausdrücke in Nestroys Stücken leben weiter, manche mögen inzwischen ausgestorben sein – diesfalls kann mein Buch dazu beitragen, die von Nestroy geschaffenen Dialoge besser zu verstehen. Da auch die Werke Ferdinand Raimunds inzwischen im Internet abrufbar sind, konnte ich auch in diesem Fall eine Lücke schließen.

Außerdem habe ich mich bemüht, jene Fachsprachen ausführlich zu dokumentieren, die Maria Hornung ausgespart hat, zum Beispiel die Bikersprache oder den Fußballerjargon, den ich für mein Buch „Österreichisch fia Fuaßboifans“ vor einiger Zeit recherchiert hatte – in Gesprächen mit Fußball-Legenden wie Rudi Flögel, Helmut Köglberger, Alfred Körner und einigen anderen. Die Sprache der Kartenspieler kenne ich aus eigener Erfahrung. Auch bei den Belegstellen von H. C. Artmann und Helmut Qualtinger/Gerhard Bronner zitiere ich jeweils aus den Werkausgaben, und zwar unter Angabe des Bandes, der Seite und der Zeile. In gleicher Weise sind die Beispiele aus Ernst Hinterbergers TV-Serien „Mundl. Ein echter Wiener geht nicht unter“, „Kaisermühlenblues“ und „Trautmann“ zur weiteren Recherche belegt, mit Angabe der Folge; es handelt sich um authentische gesprochene Sprache aus dem Ende des 20. Jahrhunderts, manches hat inzwischen auch den Wert eines Zeitdokuments. Was das ältere Wienerisch angeht, habe ich einige Wiener Skizzen von Eduard Pötzl und Rudolf Stürzer durchgesehen sowie die Gedichte Josef Weinhebers.

Weitere Quellen, die die Verwendung von Wörtern illustrieren, waren Wienerlieder und Schlagertexte – auch damit schließe ich eine Lücke, so hat beispielsweise Maria Hornung die Texte des Austropop, also der „ersten Dialektwelle“, die in den 1970er Jahren begann, nicht ausgewertet. In den Liedern von Wolfgang Ambros (viele mit Texten von Joesi Prokopetz), Georg Danzer, Rainhard Fendrich und etwas später Willi Resetarits (fast alle mit Texten von Günter Brödl) finden sich viele interessante und auch erklärungsbedürftige Wörter: Was meinte Georg Danzer mit Dauerhåhn? Woher stammt das Wort Futkarli, das in einem seiner Lieder vorkommt?

Austropop: die Dialektwelle ab den 1970er Jahren.

Auch manche der ganz alten Wienerlieder, die noch immer gesungen werden, enthalten Ausdrücke, die nur noch wenige verstehen. Ein prominenter Sänger fragte einmal einen Journalistenkollegen aus meinem Bekanntenkreis: „Ich bringe schon seit Jahren das ‚Fiakerlied‘: Was bedeutet eigentlich das Wort ‚harb‘ in der Liedzeile: ‚Ich führ zwei harbe Rappen...‘?“ Wir sollten es ihm nachsehen, meist denken wir an die Wendung: „sei mir nicht harb“ (= sei mir nicht böse). Das ist in diesem Fall nicht gemeint. Und wer versteht die folgende Zeile aus dem bekannten Wienerlied „Weana Schnåpper “: „An Zylinder auf’n Plutzer / und ein’ Zwiefel im Gilet / und die Wideln müssen brennt sein“?

Ein Meilenstein in der Dokumentation alter Wienerlieder waren die „Kremser Alben“, bezeichnet nach seinem Herausgeber, dem Komponisten, Arrangeur und Dirigenten Eduard Kremser (1838–1914). Die drei Bände „Wiener Lieder und Tänze“ sind von 1911 bis 1925 erschienen. Kremser hatte nicht nur die damals vorliegenden gedruckten und handschriftlichen Materialien berücksichtigt, sondern auch einen Aufruf gestartet, Texte und Noten einzusenden.

Die „Kremser Alben“: eine wichtige Quelle für Texte alter Wienerlieder.

Wienerlieder werden unter Angabe des Titels zitiert, gefolgt von der Belegstelle:

„Das is ’in Weaner sein Schan“: „A Maderl, recht pfiffig und fein / a Winsel, a guats Glasel Wein, / a Schäler, recht g’schmackig und fesch...“

Es handelt sich also um ein Zitat aus dem Lied „Das is ’in Weaner sein Schan“, die Namen des Textautors und des Komponisten finden Sie wie folgt im Anhang:

Das is ’in Weaner sein Schan (C. Schmitter/Th. Schild): Seite 394 usw.

Auch in den „neuen Wienerliedern“ – ich denke an Roland Neuwirth, Tini Kainrath, Agnes Palmisano, Die Strottern, Trio Lepschi und einige andere – sowie in den Texten der „zweiten Dialektwelle“, beginnend in den 2010er Jahren mit Seiler und Speer, Ernst Molden, Voodoo Jürgens und dem Nino aus Wien, sind erklärungsbedürftige Wörter zu finden. Was bedeutet: Sie håm ihr ’s Handy banelt? Und was ist eine Zwaravasen, ein Burenhäutelverbieger?

Wie Sie ein Wort finden

Sofern in der Standardsprache eine schriftliche Fixierung existiert, wird das Stichwort in dieser Form angesetzt, Sie finden also Årschkitzler unter A, obwohl es Oaschkitzler gesprochen und oft auch so geschrieben wird. Scherzel ist als Stichwort mit r geschrieben, obwohl die Aussprache – und oft auch die Schreibung – Scheazl lautet. Gleiches gilt für Wurzen, gesprochen Wuazn.

Mögliche Trennungen sind durch senkrechte Striche markiert, wie Sie es aus dem „Österreichischen Wörterbuch“ kennen: Årsch|kitz|ler. Da die Trennungen in der deutschen Sprache in vielen Fällen das Ende oder den Anfang von Wortbestandteilen oder (Sprech-)Silben markieren, leisten sie auch einen Beitrag zum Verständnis der Eintragung.

Wenn in einem Stichwort ein Punkt unter einem Vokal zu finden ist, so bedeutet dies betonte Kürze, ein Unterstrich bedeutet betonte Länge. Auch das kennen Sie aus dem „Österreichischen Wörterbuch“. Auch dazu ein Beispiel: Bei Bụs|si|bär ist das u kurz, bei Bu|del|hup|fer ist das erste u lang, das zweite ist unmarkiert und kurz. Der Punkt beziehungsweise der Strich unter einem Vokal gibt gleichzeitig auch die Betonung an: Bas|se|na|tråtsch – betont wird auf der zweiten Silbe. Durch den senkrechten Strich vor der letzten Silbe wird klar, dass es sich um ein Kompositum handelt, zusammengesetzt aus Bassena und Tratsch. Bei fallenden Diphthongen findet sich unter dem ersten Vokal ein Punkt: ụarassen – das u ist betont, nicht das a. Ich setze den Punkt allerdings nicht in unbetonten Silben, weil dies Verwirrung stiften würde.

Vokalisierung: Aussprache eines Konsonanten als Vokal.

Da ich die Wörter so weit wie möglich standardsprachlich ansetze und sie anschließend mit einer phonetischen Umschrift versehe, sind bei vielen Wörtern die Unterschiede zwischen den zwei Sprachvarietäten – Standard und Dialekt – gut zu erkennen. Die zuvor erwähnten Wörter Scherzl und Wurzen können als Beispiel für diese Vorgangsweise dienen: Aus Kurzvokal + r wird in der Mundart ein Diphthong. Dieser Vorgang wird R-Vokalisierung genannt.

Schẹr|zel, Schẹr|zerl, dås; -s, -n (gespr. Schęatsl, Schęatsal).

Wụr|zen, die; -, - (gespr. Wụatsn).

Daraus ergibt sich, dass Sie in Mundarttexten die Schreibungen Scheatsl und Wuatsn finden können – oder eine Mischform: Scheazl und Wuazn.

Ein ähnliches Phänomen ist die L-Vokalisierung: Aus fallen wird foin, aus helfen wird höffm.

Es gibt also im Wienerischen keine standardisierte Schreibung, womit sich bei Abfassung eines Mundarttextes oft die Frage stellt: Soll ich ein Wort in etwa so schreiben, wie es gesprochen wird – auch auf die Gefahr hin, dass nicht gleich erkennbar ist, um welches Wort es sich handelt? Oder soll ich von einer konsequenten phonetischen Wiedergabe Abstand nehmen, um eine gute Lesbarkeit zu gewährleisten?

In der Standardsprache hilft uns die Schreibweise, ein Wort richtig auszusprechen. Die Aussprache von „Schloss“ (= Gebäude) und „Schloße“ (= Hagelkorn), von „Raten“ (= Teilzahlung) und „Ratten“ (= Nagetier) macht uns keine Probleme. Wenn ein Wort in der Mundart angesetzt wird, gelten die gleichen Prinzipien. Doppelkonsonanten beziehungsweise ck sind ein Hinweis darauf, dass der vorhergehende Vokal kurz gesprochen wird. Außerdem ist der Vokal vor b oder d meist lang, der Vokal vor p oder t hingegen kurz; als Beispiel möge die mundartliche Aussprache von Schnittlauch dienen: Schnidlauch.

Im Wienerischen wird im Anlaut zwischen B und P nicht unterschieden. In beiden Fällen wird ein Laut gesprochen, der in etwa in der Mitte liegt. Ich habe diese Wörter so zugeordnet, wie es der etymologischen Entwicklung des Wortes entspricht oder wie der Ausdruck am häufigsten geschrieben wird.

Lenisierung: Konsonantenabschwächung, z. B. b statt p.

Bọ|ckerl, dås; -s, -n [Vkl. von Bock = männliches Tier verschiedener Arten; die Koniferenzapfen versinnbildlichen im Kinderspiel Tiere]: Föhrenzapfen, Tannenzapfen.

Pọ|ckerl, der; -s, -n [ungar. póka]: Truthahn.

Manchmal ist es schwierig zu entscheiden, ob ein Ausdruck unter B oder unter P angeführt werden soll. Wörter, die Sie unter B nicht finden, könnten also unter P stehen und umgekehrt.

Im Wortinneren zwischen zwei Vokalen bleibt hingegen das p, es wird nicht zu einem b: bloßhapert (geschrieben) und bloshapad (gesprochen).

Ähnlich wie zwischen b und p nicht unterschieden wird, kommt es auch zwischen d und t zu einem Laut, der etwa in der Mitte liegt. Auch in diesem Fall gilt: Wörter, die Sie unter D suchen, könnten unter T stehen und umgekehrt.

Die zweifache Darstellung – das eine Mal als Stichwort nach den Grundsätzen des „Österreichischen Wörterbuchs“, das andere Mal in Form einer Lautschrift – ist auch deshalb sinnvoll, weil viele zwischen Dialekt und Standard hin und her pendeln, selbst innerhalb eines Satzes. Der fließende Übergang zwischen den zwei Varietäten wird als Dialekt-Standard-Kontinuum bezeichnet. Georg Danzer, „Ruaf mi ned au“: „er führt dich aus ins theater / des brennt eam sei vater / der dillo.“ In diesem Fall werden die ersten Worte in der Standardsprache gesungen, um das abgehobene Verhalten der Ex-Freundin zu charakterisieren – sie lässt sich vom neuen Liebhaber ins Theater ausführen und dessen Vater zahlt alles. Der anschließende Wechsel in den Dialekt, hier fett gedruckt, ist eine Rückkehr in die Normalsprache des Verlassenen: Standard-Dialekt-Kontinuum als Stilmittel.

Dass im Wienerischen zwischen Dativ und Akkusativ generell nicht unterschieden wird, ist ein populärer Irrtum.

Dativ und Akkusativ im Wienerischen

Der bestimmte Artikel im Dativ und Akkusativ der Maskulina heißt in der Langform den, in der verkürzten Form ’in, ’en oder nur ’n – aber eben nur bei den Maskulina, nicht bei den Feminina und Neutra!

gib’s ’in Våtern (’in = Dativ) (= gib es dem Vater) låss ’in Våtern in Ruah (’in = Akk.) (= lass den Vater in Ruhe)

Hier eine Übersicht der bestimmten Artikel im Wienerischen, beim Maskulinum Baum sind Dativ und Akkusativ gleich, beim Femininum Straße und beim Neutrum Buch gibt es unterschiedliche Formen:

der Baum:

da Bam

die Straße:

d(i) Stråssn

das Buch:

’s Buach

des Baumes:

-------

der Straße:

---------------

des Buches:

-----------

dem Baum:

’in Bam

der Straße:

da Stråssn

dem Buch:

’in Buach

den Baum:

’in Bam

die Straße:

d(i) Stråssn

das Buch:

’s Buach

Im Plural weisen alle Genera unterschiedliche Formen im Dativ und im Akkusativ auf:

die Bäume, Straßen, Bücher:

di Bama, Stråssn, Biacha

der Bäume, Straßen, Bücher:

--------------------------------

den Bäumen, Straßen, Büchern:

denan (’in) Bama, Stråssn, Biacha

die Bäume, Straßen, Bücher:

d(i) Bama, Stråssn, Biacha

Hier eine Übersicht der unbestimmten Artikel im Wienerischen, wieder sind nur bei den Maskulina die Formen von Dativ und Akkusativ gleich:

ein Baum:

a Bam

eine Straße:

a Stråssn

ein Buch:

a Buach

eines Baumes:

--------

einer Straße:

-------------

eines Buches:

--------

einem Baum:

an Bam

einer Straße:

ana Stråssn

einem Buch:

an Buach

einen Baum:

an Bam

eine Straße:

a Stråssn

ein Buch:

a Buach

Bei den Personalpronomen zeigt sich ein ähnliches Bild, bei den Maskulina sind Dativ und Akkusativ gleich: schau eam ned an (= schau ihn nicht an), gib eam a Zuckerl (= gib ihm ein Bonbon). Bei den femininen und neutralen Personalpronomen gibt es hingegen unterschiedliche Formen.

Das Wort „am“ wird im Wienerischen mehrfach verwendet, im Gegensatz zur Standardsprache nicht nur für den Dativ (er sitzt åm Scherbm = eigtl. er sitzt auf dem Nachttopf, er ist auf die Toilette gegangen), sondern auch für den Akkusativ: i’ woat åm Großvåtern (= ich warte auf den Großvater), i schau vom Fenster åm Friedhof åwi (= ich schau vom Fenster auf den Friedhof hinab/hinunter).

Außerdem lauten im Wienerischen Dativ und Akkusativ von „wer“ generell wem, während in der Standardsprache zwischen wem/jemandem und wen/jemanden unterschieden wird.

wem um wås ångehn (= jemanden aufdringlich um etwas bitten).

Jene Stichwörter, bei denen „wem“ als Akkusativ verwendet wird, habe ich mit dem Vermerk „wem = Akk.“ versehen.

wem åbrama wia-r-an Christbam (wem = Akk.): sich in schamloser Weise an jemandem bereichern, jemanden ausnützen.

Wird hingegen das Personalpronomen verwendet, unterscheidet sich der Akkusativ vom Dativ:

geh mi ned ållaweu an (= bedränge mich nicht andauernd)

mia geht die Muffm (= ich habe große Angst)

Im urtümlichen Wienerischen, und oft auch bei Johann Nestroy, wird standardsprachlich beim als bein oder ban ausgesprochen beziehungsweise geschrieben, allerdings nur bei einem nachfolgenden Konsonanten.

des wåchst ma bein Håls außa (= davon hab ich genug).

In gleicher Weise wird im Wienerischen aus „viel zum Tun“ (= viel zu tun) die Lautung „fü dsan duan“.

Die Abweichungen in der Grammatik stellen jene auf eine harte Probe, die „nach der Schrift“ sprechen wollen, dies aber nicht gelernt haben. Dies wirkt oft gekünstelt und komisch. Man sagt in diesem Fall: nach der Glasur spalteln oder die Schrift spritzen oder grean spritzen bzw. nobel spritzen. Selbst Ferdinand Raimund, dem Dialektalen eher abhold, lässt im Stück „Der Diamant des Geisterkönigs“ einen Zauberer sagen: „... besser schön lokal reden als schlecht hochdeutsch.“ (6/15) Die Ziffern in Klammer sind hier und im Wörterbuchteil so zu verstehen: Seite 6, Zeile 15, und zwar im PDF-Textbuch auf ferdinandraimund.at; bei den Zitaten aus den Werken Nestroys wird in gleicher Weise zitiert, und zwar nach nestroy-werke.at.

Der Sprosskonsonant r soll die Aussprache erleichtern.

Endet ein Wort mit dem Vokal a und das darauffolgende Wort beginnt mit a, so wird zwischen den zwei Wörtern meist ein r eingefügt. Dies ist anhand eines Buchtitels schön zu sehen. H. C. Artmanns grandioser Gedichtband heißt: „med ana schwoazzn dintn. gedichta r aus bradnsee“. Ich verwende in diesen Fällen eine Schreibung mit zwei Bindestrichen, um das Verschleifen deutlich zu machen:

då geht ma-r-a Åchtel in die Wäsch.

ausschau’n wia-r-a austrickerte Senfgurk’n.

i hau da-r-ane åwe, auf dass d’ katholisch wiast.

Ein r wird manchmal auch bei der Aufeinanderfolge von verschiedenen Vokalen eingeschoben. Hier zwei Beispiele aus „Preciosen und Effecten“ von H. C. Artmann:

dea Tschako (...) schaut aus, oes warad a in a r Öööfaßl eindaucht wuan.

a brima r englischa Schdoff.

Auch bei den Pluralbildungen gibt es einen Unterschied zum Standarddeutschen. Im Standarddeutschen lautet eine Regel für Wörter, die auf -l enden: Maskulina und Neutra sind endungslos, Feminina haben ein -n. Es heißt also im Standard: der Engel, Pl. die Engel, aber die Gabel, Pl. die Gabeln. In der Mundart wird hingegen einheitlich ein Endungs-n verwendet: der Engel, Pl. die Engeln, die Gabel, Pl. die Gabeln.

Bei den beliebten Verkleinerungsendungen – das Knöderl, das Schwammerl usw. – vermerke ich für die Mehrzahl immer ein -n, also die Knöderln, die Schwammerln usw., obwohl heute auf Speisekarten das Endungs-n oft fehlt. Der Abfall der Endungen ist kein besonders junges Phänomen: Schon in älteren Wienerliedern fehlt hin und wieder das -n im Plural.

Verkleinerungsendungen signalisieren auch emotionale Zuwendung.

Bemerkenswert ist, dass die Endungen -el oder -erl häufig nicht eine Verkleinerung ausdrücken, sondern eine emotionale Zuwendung: ein Glaserl Wein ist nicht ein Wein in einem besonders kleinen Glas, sondern ein besonders guter Wein in einem normalen Glas.

Die Begeisterung für diese Verkleinerungsendungen ist eine Besonderheit des Wienerischen, in einem Stück Nestroys wird sie durch Übertreibung persifliert: „Martha, sei so gut, Engerl, geh’ in’s Kucherl aussi zum Herderl, nimm a Köhlerl, brenn’ dich nicht in’s Bratzerl, und rauch’ mir’s an, mein Tobakpfeifferl.“ Die Dienstbotin tut allerdings nicht wie ihr geheißen, sie wirft die teure Meerschaumpfeife in einer Art Befehlsverweigerung zu Boden. („Martha“ 74/27)

Die Dehnung der Einsilber – so wird zwischen Singular und Plural unterschieden

Am Ende der Anmerkungen zum Wienerischen noch eine wichtige Gesetzmäßigkeit; es geht es um die Aussprache der Selbstlaute in Substantiven: Vokallänge oder Vokalkürze?

Im heutigen Mittelbairischen, zu dem das Wienerische gehört, gibt es zwei Silbentypen: entweder Langvokal + schwacher Konsonant (Lenis) oder Kurzvokal + starker Konsonant (Fortis). Ein Beispiel: das Substantiv der Dreg (Langvokal + g), aber das Adjektiv drẹckig (Kurzvokal + ck).

Lenis: mit schwachem Druck und ungespannten Artikulationsorganen gebildeter Laut, z. B. b.

Damit lässt sich erklären, wie Vokallänge und Konsonantenstärke zu einem Unterscheidungsmerkmal zwischen Einzahl und Mehrzahl werden konnten. Ein beliebtes Beispiel zur Erläuterung dieses Zusammenhangs ist das Wort Fisch. In der Standardsprache ist die Einzahl ein Einsilber (Fisch), die Mehrzahl ist im Standard ein Zweisilber (Fische). In der Mundart schwindet jedoch das Pluralzeichen -e: Sowohl die Einzahl als auch die Mehrzahl lauten in der Mundart Fisch.

Fortis: mit großer Intensität gesprochener und mit gespannten Artikulationsorganen gebildeter Konsonant, z. B. p.

Wie geht die Mundart damit um? Die Einzahlform unterliegt der Einsilberdehnung, die Mehrzahlform hingegen nicht, weil sie ursprünglich zweisilbig war; daher heißt es im Wienerischen: Sg. der Fisch, Pl. die Fịschsch. Unterschiedlich ist nicht nur die Länge des Vokals, sondern auch die Qualität des Konsonanten. Nach einem Langvokal (im Singular) muss der Konsonant lenis, also schwach sein, nach einem Kurzvokal (im Plural) hingegen fortis, also stark. Hier einige weitere Beispiele: der Fuas, die Fịass; der Gnobf, die Gnẹpf; der Schlauch, die Schlẹichch; der Gruas und grịassn.

Hinweise auf ältere Wörterbücher – die diachrone Sichtweise

Manche Wörter tragen frühere Bedeutungen wie in einem Rucksack mit sich herum.

– Das Wort dearisch, eigentlich törisch, hat früher, ganz entsprechend seiner Wortherkunft, töricht, also dumm, verrückt bedeutet. Die alten Wörterbücher zeigen, wie daraus die Bedeutung taub entstanden ist – sie ist leicht abwertend.

– Wieso bedeutet bloßhapert in alten Texten barhäuptig, während wir heute darunter barfüßig verstehen?

– Welcher Farbton ist bei gackerlgelb/gagerlgelb gemeint? In diesem Fall gibt es zwei unterschiedliche Etymologien, zwei Schreibungen und zwei divergierende Bedeutungen.

Diachronie: Sprachbetrachtung auf verschiedenen Zeitebenen.

Diese Sichtweise wird in der Wissenschaft als diachron bezeichnet. Wer sich mit der Geschichte der Wörter befasst, mit den wechselnden Lautformen und Bedeutungen, der denkt zwangsläufig diachron.

Im Zuge meiner diachronen Recherchen konnte ich einige hartnäckige Fehlmeinungen korrigieren, oft waren es sogar anerkannte Lehrmeinungen. Wenn ich diese widerlege, muss ich etwas ausführlicher werden, als es in einem Wörterbuch üblich ist. Beispiele hierfür sind die Wörter Maxen, Mordsgaude, Netsch, Pagat, Teschek, Tschusch etc.

Irren ist menschlich, auch ich habe mich bei Etymologien einige Male geirrt. Früher glaubte ich, das Wort Wule oder Wuhle (= Fußball) würde aus dem Tschechischen abstammen, ähnlich wie die Wuchtel. In der Tat kommt es aus dem Französischen, weil der Fußballsport über den französischen Teil der Schweiz zu uns gelangt ist.

Es scheint mir sinnvoll, auf Irrtümer dezidiert hinzuweisen, auch auf meine eigenen in früheren Publikationen, sie tauchen sonst wie Zeitungsenten immer wieder auf. Ein leidenschaftlicher Produzent von etymologischen Irrtümern war Peter Wehle, wie bei den Stichwörtern ausstallieren, betakeln, ein Bankl/eine Brezn reißen, Blunzenstricker, Grausbirn, Gschwuf, Gspan, Rübenzuzler, schureln, Spielratz, tschari und tschucken nachzuschlagen ist.

Bei den Etymologien stütze ich mich in vielen Fällen auf die Forschungen von Maria Hornung und auf den „Kluge“, das wissenschaftliche Standardwörterbuch für Etymologien im Deutschen. Außerdem habe ich häufig im „Mittelhochdeutschen Taschenwörterbuchs“ von Matthias Lexer nachgeschlagen, einem Kärntner, dessen Arbeiten auch mehr als hundert Jahre nach seinem Tod geschätzt werden.

Bei vielen Stichwörtern finden Sie Hinweise auf Belegstellen in früheren Wörterbüchern, wobei ich den Namen des Autors – abgesehen von Maria Hornung waren es durchwegs Männer – und das Erscheinungsjahr der relevanten Ausgabe des Wörterbuchs anfüge. Diese diachrone Sichtweise, also der Blick in die Sprachgeschichte, förderte interessante Details zutage. Während wir heute unter Buckerl ganz allgemein eine Verbeugung verstehen und Buckerln machen so viel wie „sich unterwürfig verhalten“ bedeutet, vermerkt der Wörterbuchautor Ignaz Franz Castelli 1847 die Bedeutung „Knicks der Frauenzimmer“ und das im gleichen Jahr erschienene Wörterbuch von Carl Loritza „Verbeugung der Kinder“. Ein Häferlgucker war früher ein Mann, der sich zu sehr in die Betätigungsfelder der Hausfrau einmischt; heute ist es eine Person, die in die Küche kommt und in die Töpfe schaut oder auf penetrante Weise nachfragt, was es zu essen gibt. O jegerl war früher ein Ausruf der freudigen Überraschung, zum Beispiel bei einem Gewinn im Zahlenlotto, wie Hügel 1873 vermerkt, heute ist es ein Ausruf des Bedauerns. Trutscherl war ursprünglich ein lieb gemeinter Ausdruck für ein Kind oder für ein junge Frau, so zu finden 1847 bei Castelli und Loritza; erst später benannte man damit ein einfältiges Mädchen, eine einfältige Frau. Bedeutungsverschlechterungen sind auch bei anderen Wörtern für Personen eingetreten: Dirn, Urschel, Tschusch etc. Biografische Angaben zu den von mir in Klammern zitierten Wörterbücher finden Sie am Ende des Vorworts.

Die synchrone Sichtweise: Wie sich Wien von München unterscheidet

Das Bairisch-Österreichische ist ein großer Dialektraum mit vielen Gemeinsamkeiten. Die Sprachwissenschaft unterscheidet zwischen „Bayern“, das ist der Freistaat, und „Baiern“, das ist jener Teil des Freistaats, in dem Bairisch gesprochen wird, nicht Alemannisch, nicht Fränkisch. Das bairische Sprachgebiet wird auch Altbayern genannt. In Österreich gehören Vorarlberg und ein kleiner Teil Tirols nicht zum bairisch-österreichischen Dialektraum.

Synchronie: Sprachbetrachtung auf einer Zeitebene.

Es geht mir auch darum, die Unterschiede zwischen dem Wienerischen und dem spezifisch Bairischen zu dokumentieren, das ist eine synchrone Sichtweise. Oft wird darüber diskutiert, wie sich Wien von München in sprachlicher Hinsicht unterscheidet, wenn Sie dieses Buch durchblättern, können Sie sich ein Bild machen.

Da das Wienerische Teil des großen bairisch-österreichischen Dialektraums ist, wäre es nicht sinnvoll, nur jene Ausdrücke zu vermerken, die ausschließlich in Wien verwendet werden. Dann hätten Wörter wie åltbåchen, Ånrånd und Apportel in einem Wörterbuch des Wienerischen nichts zu suchen, sie sind nämlich auch bairisch. Ich musste daher bei der Themenabgrenzung großzügig sein, sonst würden sich viele beklagen, dass wichtige Wörter fehlen.

„Bairisches Deutsch“ von Ludwig Zehetner: das wichtigste Wörterbuch zum Sprachgebrauch in Ober- und Niederbayern und in der Oberpfalz, 2018 in 5. Auflage erschienen.

Der Klammerausdruck „Zehetner 2005“ ist ein Hinweis darauf, dass ein Wort auch bairisch ist, es steht in dem Buch „Bairisches Deutsch. Lexikon der deutschen Sprache in Altbayern“ von Ludwig Zehetner. Ich habe seinerzeit das Manuskript der 2005 erschienenen Auflage durchgesehen und auf Abweichungen zum Sprachgebrauch in Österreich hingewiesen, nun schlage ich den umgekehrten Weg ein und vermerke in meinem Wörterbuch die Abweichungen des Bairischen gegenüber dem Sprachgebrauch im Wienerischen.

Es gibt viele Wörter, die in beiden Dialekt-Teilräumen mit denselben Bedeutungen verwendet werden, es muss aber nicht immer so sein. Das Wort Bådwaschel beispielsweise bedeutet in Wien Bademeister, in München Friseur. Gschupft heißt in Bayern auch schreckhaft – im Lied „Der gschupfte Ferdl“ begegnen wir einer ganz anderen Bedeutung. Die hier gezogenen Vergleiche basieren also auf einer synchronen Sichtweise.

„Das österreichische Deutsch“ von Jakob Ebner dokumentiert in Form eines Wörterbuchs die österreichische Standardsprache.

Steht ein Wort auch in Jakob Ebners „Das österreichische Deutsch. Wörterbuch der Gegenwartssprache in Österreich“ (2019 in fünfter Auflage erschienen), so ist es in Österreich standarddeutsch – möglicherweise auch ein „Grenzfall des Standards“, also im Graubereich zwischen österreichischem Standard und Dialekt anzusiedeln. In einem Wörterbuch des Wienerischen ist dieses Wort ein „Grenzfall des Dialekts“. Der Hinweis „Ebner 2019“ bedeutet auch, dass die Verbreitung des Wortes über Wien hinausgeht. Wenn Ebner ein Wort als „ostösterreichisch“ bezeichnet oder mit dem Vermerk „besonders Wien“ versehen hat, dann verweise ich nicht auf Ebner. Die mit „Ebner 2019“ gekennzeichneten Wörter sind also entweder gesamtösterreichisch, gesamtbairisch oder sogar süddeutsch.

Ich führe einige Wörter an, die streng genommen in dem Buch nichts verloren haben; sie sind gesamtdeutsch, werden also im gesamten deutschen Sprachraum verwendet. Dazu gehören beispielsweise Fisimatenten, fålscher Fuffzger, Grind und grindig, Lulatsch. Viele werden glauben, dass diese Ausdrücke zutiefst wienerisch sind – sie finden sich sogar in alten Mundartwörterbüchern des Wienerischen. Ich habe sie aufgenommen und darauf hingewiesen: ist gesamtdeutsch, wird aber oft für wienerisch gehalten.

Was dieses Wörterbuch nicht leisten kann

Es steht mir nicht zu, festzustellen, welche Ausdrücke veraltend, veraltet oder bereits ausgestorben sind. Die einen werden das eine oder andere Wort für bereits ausgestorben halten, andere hingegen, und wenn es auch nur wenige sind, werden das Wort noch kennen und verwenden. Außerdem tauchen manchmal in Vergessenheit geratene Wörter wieder auf. Ich unterscheide mich hier von Wolfgang Teuschl, der in seinem Ende der 1980er Jahre erstellten „Wiener Dialektlexikon“ eine „Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Wiener Dialekt-Wortschatzes“ vornimmt, „eine Inventur also“, wie er im Vorwort feststellt.

Den Vermerk „ausgestorben“ werden Sie also bei mir nicht finden. Beschreibt ein Wort eine Person oder eine Sache, die es nicht mehr gibt, so habe ich den Hinweis „historisch“ hinzugefügt.

Åschen|mạnn, der [im Wien des 18. und 19. Jahrhunderts wurde mit Holz, nicht mit Kohle geheizt] (histor.): eine Person, die Verbrennungsrückstände einsammelt, in einer Butte abtransportiert und an Seifensieder oder Leinwandbleicher verkauft.

Das Wort Aschenmann gehört auch deshalb in ein Wörterbuch des Wienerischen, weil Ferdinand Raimund in einem Couplet diesem inzwischen ausgestorbenen Beruf ein bleibendes Denkmal gesetzt hat.

Ein Normalwort des Wienerischen und sein Gegenstück im Standard

Im Wienerischen ist Ross (gespr. mit langem o, daher oft Roß geschrieben) das Normalwort für Equus, während das Wort „Pferd“ verpönt ist, man sagt in der wissenschaftlichen Fachsprache auch: „Pferd“ hat keine Mundartdeckung. Als Schädel werden in der Standardsprache die Knochen des Kopfes bezeichnet, der entsprechende Fachausdruck ist Cranium, im Wienerischen ist Schädel hingegen das Normalwort für „Kopf“, und es ist in seiner Grundbedeutung nicht abwertend gemeint: i håb ma ’n Schädl ån da Latern ånghaut (= ich habe mir an der Straßenlaterne den Kopf angeschlagen). Man kann es auch so sehen: Wo im Standard das Wort „Kopf“ verwendet wird, heißt es im Wienerischen Schädel. So nebenbei wird anhand dieses Satzes deutlich, dass standardsprachlich „sich anschlagen“ im Wienerischen sich anhauen heißt.

Wörter ohne Mundartdeckung: Ausdrücke der Standardsprache, die mit der Mundart nicht kompatibel sind.

Diese Phänomene kommen in vielen Dialektwörterbüchern zu kurz: „Pferd“, „Kopf“ und „sich anschlagen“ sind gesamtdeutsch, Ross, Schädel und sich anhauen sind wienerisch.

Wer einen Text im Wienerischen schreibt und authentisch sein will, wird also die Wörter Ross, Schädel und sich anhauen verwenden – nicht „Pferd“, nicht „Kopf“ und nicht „sich anschlagen“, denn diese Wörter sind nicht dialektkompatibel. Das Wissen um jenes Sprachphänomen ist auch für jene wichtig, die einen standardsprachlichen Text ins Wienerische übersetzen, sie werden instinktiv die wienerischen Normalwörter verwenden und die korrespondierenden Wörter des gesamtdeutschen Standards tunlichst vermeiden.

Aber wann ist ein Wort wienerisch? In vielen Fällen hilft die Mundartprobe. Wenn Sie einen Satz nicht mit einer mundartlichen Lautung aussprechen können, ist es nicht Mundart – sondern ein Zitat aus der Standardsprache. Probieren Sie es mit folgendem Satz: „Beginnen wir!“ Kann man das sagen? Nein! „Beginn’ ma!“ geht nicht. Es heißt fång ma ån! gemma’s ån!

Nach diesem Verfahren entsteht ein neuer Blick auf das Verhältnis zwischen Mundart und Standard; wir bewegen uns dabei oft in einem Grenzbereich zwischen Lexik und Pragmatik – in dieser linguistischen Teildisziplin geht es um die Frage: Wie wird in einer bestimmten Situation kommuniziert?

Sehen wir uns die Gegensätze anhand einiger Beispiele an. Statt standarddeutsch „aus der Ferne“ heißt es im Wienerischen von der Weiten, statt „in der Dunkelheit“ oder „im Dunkeln“ im Finstern oder in der Finstern, statt „am Morgen“ wird in der Früh gesagt ‚ statt „nachts/nächtens/ in der Nacht“ heißt es bei der Nåcht. Aber kummst auf d’ Nåcht? heißt „kommst du am Abend?“ In einem weit verbreiteten Volkslied hat die Wendung einen frivolen Hintergrund: „’s Diandl håt gsågt, ’s Diandl håt gsågt, jetzt kummt der Frühling, / kummst auf d’ Nåcht, kummst auf d’ Nåcht, deafst heit bei mir liegen.“

Im Bereich der Adjektive und Adverbien gilt, dass im Normalfall gschwind verwendet wird, nicht „rasch“ und nicht „flott“. Diese zwei Wörter werden in der Mundart nur dann gebraucht, wenn durch Wechsel in den Standard ein aggressiver Nebenton beabsichtigt wird: åwa rasch! åwa flott! Das Adjektiv schnell ist hingegen sowohl in der Mundart als auch in der Standardsprache gängig.

Ein frequentes und beliebtes Wort ist gscheit, in seiner Grundbedeutung tritt es an die Stelle von standardsprachlich „klug“. Daneben erfüllt es noch eine Reihe anderer Funktionen, zum Beispiel es rengt wia ned gscheit für „es regnet überaus heftig“ oder es is gscheid, dass d’ kumman bist für „es ist gut, dass du gekommen bist“. Ein Gscheiterl ist ein „Neunmalkluger“. Hier zeigt sich bereits, dass ein frequentes Normalwort des Wienerischen oft einen größeren Bedeutungsumfang hat als sein Pendant der Standardsprache, es zeichnet sich durch zusätzliche Verwendungen aus.

Dem standardsprachlichen „rein“ entspricht im Wienerischen sauber, gemeint ist „frei von Schmutz“. Die folgenden zusätzlichen Bedeutungen sind typisch für die Wiener Mundart: a sauwas Madl steht für „ein hübsches Mädchen“, a sauwara Depp für „ein besonders dummer Mensch“, des håt sauwa wehtån für „das hat ordentlich geschmerzt“, den håms sauwa einitunkt für „den haben sie ordentlich hineingelegt, in Schwierigkeiten gebracht“.

Das Lied „Der Papa wird’s schon richten“ beginnt mit den Worten „Neulich, då sitzt ma in da Eden und reden...“ In der Standardsprache wäre das: „Unlängst saßen wir in der Eden-Bar beisammen und unterhielten uns...“

Typisch für das Wienerische und den gesamten bairisch-österreichischen Raum ist freilich an Stelle von „natürlich“. Die Wendung na freilich entspricht dem standardsprachlichen „selbstverständlich“.

Die Adjektive „alle“ und „sämtliche“ sind im Wienerischen nicht besonders frequent, stattdessen wird meist gånz verwendet: die gånzn drei Jåhr’ håt ea si ned griaht soll heißen „drei Jahre lang hat er sich nicht gemeldet“. Mit die gånzn drei Jåhr’ wird auch ausgedrückt, dass man diese Zeitspanne als sehr lang empfunden hat. Zur Vermeidung von „beide“ ist das Wort „alle“ hingegen sehr wohl in Gebrauch: ålle zwaa Madln statt „beide Mädchen“.

In Wien sagt man nicht „eine Menge Leute“, sondern a Hauffm Leit, a Schippl Leit oder an Oaschvoi Leit. Ein „langer Weg“ ist a braader Weg, in Wien scheint es spezielle Mengenmaße zu geben, siehe die Stichwörter Eckhaus, Futzerl, Trumm, Wengerl...

Statt „gegenüber“ heißt es visavis, an Stelle des Adverbs „trotzdem“ wird justament verwendet – das sind Überbleibsel aus jener Zeit, als das Französische modern war, stante pede ist lateinisch, es bedeutet „sofort, ohne Verzug“, parieren wird statt „gehorchen“ verwendet, is wås passiert? für „ist etwas (Ungewöhnliches, Unangenehmes) vorgefallen?“: Latein war in Österreich vereinzelt bis ins frühe 19. Jahrhundert Amtssprache, also die Sprache in der Verwaltung und im Gerichtswesen.

Das Adverb ållerweil steht im Wienerischen für „immer“ und auf einmal für „plötzlich“: sie woa ållerweil då, und auf amoi woa s’ weg.

Unüblich sind auch die Adverbien „ohnedies“ und „ohnehin“, im Wienerischen heißt es stattdessen immer eh – dieses Wort breitet sich im deutschen Sprachraum gegen Norden aus, kommt dort bereits in Zeitungen vor – als standardsprachlicher Ausdruck.

Das Adverb fort wird häufiger verwendet als „weg“: du bist drei Tåg fuat und riahst di n ed steht für „du bist drei Tage weg und meldest dich nicht“. Dasselbe gilt für Präfixverben: fortgehen statt „weggehen, ausgehen“.

Statt „dann“ im Sinn von anschließend heißt es nåchher: Ein Beispiel: wånn s’ amoi fuat is’, wås wirst d’n nåcha måchen? „Wenn sie einmal weg ist, was wirst du denn dann tun?“

In einigen wenigen Fällen sieht es so aus, wie wenn die Bedeutungen willkürlich vertauscht worden wären:

– Wienerisch zeitlich entspricht standardsprachlich „zeitig“: „Mia gengan zeitlich schlåfen, / und mia stengan zeitlich auf.“ (Ostbahn-Kurti, „Zuckagoschal“).

– Was in Wien zeitig heißt, ist standardsprachlich „reif“: die Kirschen san scho’ zeitig.

– Wienerisch gar bedeutet „aufgebraucht, ausgegangen, nicht mehr zur Verfügung“: die Eia san scho’ goa.

– Umgekehrt bedeutet „gar“ in Deutschland und auch im Standarddeutschen so viel wie „durchgebraten, fertiggekocht“.

– Der gleiche Sachverhalt wird im Wienerischen mit durch umschrieben: ’s Fleisch is scho’ duach.

Bei Vergleichen steht im Wienerischen statt „als“ entweder wie oder åls wie: „Er is gressa (åls) wia sei Bruada“.

Das Adverb wieso ist häufiger als standardsprachlich „warum, weshalb“, oft wird aber auch wås verwendet: wås waanst denn? wås gehst denn scho’?

Hier noch einige weitere Gegensatzpaare: zu wås (= wozu), wegen wås (= weswegen), mit wås (= womit), auf wås (= worauf): „auf wås de fraun ollas schaun“ ist der Titel eines Liedes von Georg Danzer, auf dås hinauf bedeutet „daraufhin, folglich“, auf wås hinauf? ist eine Frage: „mit welcher Begründung, mit welcher Überlegung?“

Nebensätze sind selten, meist werden zwei Hauptsätze aneinandergereiht – daher findet man mit einer geringen Zahl von Konjunktionen, also Bindewörtern, das Auslangen.

Eine standardsprachliche Folge von Hauptsatz und Nebensatz wird in der Mundart durch zwei Hauptsätze realisiert.

Es fällt auf, dass „falls“, „sobald“, „sofern“ und ähnliche Konjunktionen nicht verwendet werden; das Wienerische kennt nur wånn, die mundartliche Form von „wenn“: wånn a kummt, is ’s guat, wånn a ned kummt, is ’s aa guat: „wenn er kommt, ist es gut, wenn er nicht kommt, ist es auch gut.“ Oder: wånn ’s zehne is, gemma: „sobald es zehn Uhr ist, gehen wir.“ In der inoffiziellen Hymne Österreichs von Rainhard Fendrich, „I am from Austria“, heißt es: „A wånn ma’s scho vagessn håm: / I bin dei’ Ạ̊pfe, du mei’ Ståmm...“ Statt „während“ heißt es immer derweil: dawäu ös (gespr. es) fuat woats, is vü gschegn.

Konzessivkonjunktionen wie „obwohl“, „obschon“, „obgleich“ waren im Mittelhochdeutschen noch nicht in Gebrauch, sie existieren erst seit dem 16. Jahrhundert. Im heutigen Wienerischen wird auf zwei Hauptsätze ausgewichen: Statt „obwohl sie es weiß, sagt sie es nicht“ heißt es wissen dat s’ as scho’, sie sågts nua ned.

Auch die finalen Konjunktionen „damit“ und „dass“ bzw. „aufdass“ sind im Mittelhochdeutschen noch kaum vorhanden, erst Martin Luther machte „auf dass“ salonfähig. Im Wienerischen gilt „damit“ als dialektfremd, stattdessen heißt es dass: „Ea håt eam wås ’zåhlt, dass er nix sågt“.

Die temporale Konjunktion „als“ ist verpönt, stattdessen steht wie: wia-r-i kumma bin, håts grengt anstatt „als ich kam, regnete es“ – eigentlich: „als ich gekommen bin, hat es geregnet“.

Oberdeutscher Präteritumschwund: Das Perfekt tritt an die Stelle des Präteritums (der Mitvergangenheit).

Hier sehen wir en passant, dass es das Präteritum/die Mitvergangenheit als Erzählform nicht gibt, für Vergangenes wird entweder das Präsens/die Gegenwart verwendet „Neulich, da sitz ma in da Eden...“ oder das Perfekt/die lange Vergangenheit. Um Vorzeitigkeit auszudrücken, gibt es das doppelte Perfekt: i håb g’laubt ghåbt... Nur von „sein“ und einigen anderen Hilfszeitwörtern ist eine Präteritumform in Gebrauch: gestern wår i im Theater. Hier steht also das Präteritum, nicht das Perfekt „ich bin gewesen“.

Damit sind wir bei den Zeitwörtern. Das Verb schmeißen steht oft für „werfen“, des is dsan Schmeiß’n für wörtlich und übertragen „das ist zum Wegwerfen“, den håt’s gschmissen entspricht „er ist gestürzt“, sie schmeißt ’in gånz’n Lådn heißt „sie führt mit Umsicht ganz alleine das Geschäft“.

Für hauen gibt es viele Verwendungen, die das Wienerische ausmachen und an dieser Stelle aufgrund ihrer großen Zahl nur beispielhaft erwähnt werden können: sich über d’ Häuser haun für „verschwinden“, wås um d-r-Erd haun für „etwas auf den Boden werfen, fallen lassen“, sich a Bier in die Venen haun für „ein Bier trinken“; groß ist auch die Zahl an Präfixverben: åbhauen für „weggehen, das Weite suchen“; sich åbhauen für „sich totlachen“; wem um wås ånhauen für „jemanden um etwas anbetteln“ und das eingangs schon erwähnte sich den Schädel anhauen für „sich den Kopf anschlagen“. In der Sprachwissenschaft sagt man in so einem Fall: Das Wort ist überaus produktiv – es ist Basis für viele Wortbildungen und Redewendungen.

Wie bereits eingangs erwähnt: Statt „beginnen“ heißt es im typischen Wienerischen ångehen: Wånn gemmas ån? oder ånfången: Wånn fång ma ån? Auch das Verb ångehen hat zusätzliche Bedeutungen, wie sie in der Liste der Präfixverben nachlesen können: wem ångehn für „jemanden tätlich angreifen“, des geht mi ån für „das ärgert mich, das stört mich“ etc.

Noch produktiver ist schauen, es wird grob gesprochen auch dort verwendet, wo in Norddeutschland „kucken/gucken“ und in der gehobenen Standardsprache „blicken“ steht (siehe Ebner 2019).

Utnter dem Stichwort gernhåben finden Sie den Hinweis, dass das Verb „lieben“ im Wienerischen – und auch im Bairischen – selten verwendet wird; „i liab di“ ist zwar da und dort in Wienerliedern zu hören, in diesen Fällen ist das Verb eine Entlehnung aus der Standardsprache; hier eine Liste jener Wörter, die statt „lieben“ verwendet werden: du gfållst ma, i måg di, i håb di’ gern, i steh auf di, i fliag auf di, i foah åb auf di etc. Die Sänger der „ersten Dialektwelle“, die in den 1970er Jahren begann, haben dieses nuancenreiche Inventar voll ausgeschöpft.

Nicht verpönt ist das Adverb lieber, es ist im Wienerischen sogar häufiger als in der Standardsprache und tritt oft auch an die Stelle von „besser“: liawa a lauwårme Wuchtl ois iwahaupt ka Schmäh.

Das Wort „gehen“ ist in manchen Wendungen äußerst beliebt: gemma schaun, gemma schaun, ob da Kaisa wirklich tot is... (André Heller) oder gemma, gemma koid is’ ’s ned! (H. C. Artmann).

Als Verb der Fortbewegung zu Fuß wird „gehen“ allerdings oft durch andere Ausdrücke ersetzt, zum Beispiel durch das Zeitwort hatschen. Neben der ursprünglichen Bedeutung (schleifend gehen) wird es auch für schlendern und für gehen im allgemeinen Sinn verwendet. Das „Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache“ vermerkt bei hatschen bereits für den gesamten süddeutschen Raum die Bedeutung „gehen“.

Ein weiterer Ersatzausdruck für „gehen“ ist im Wienerischen marschieren. I marschier mit mein Duli-Dulieh / bei der Nacht durch die Grinzinger Allee heißt es in einem alten Wienerlied, bei Voodoo Jürgens findet sich die Zeile: 1991 is da Voda in Häfen marschiert. Wolfgang Teuschl demonstriert mit seiner Übersetzung des Markus-Evangeliums, wie vielfältig das Wienerische in diesen Bedeutungsfeld gehandhabt werden kann: und wia r a amoe bei n Sää draussd umadumschdrawanzd is... (= und als er am Ufer des galiläischen Sees entlangging; S. 38 f.). Oft wird auf einen Ausdruck für „gehen“ überhaupt verzichtet, das Präfix des Verbs, das man sich dazudenkt, reicht aus: daun is a wida in Dempe eine (= dann ging er wieder in eine Synagoge; S. 58 f.); und de haum eanan Oedn, in Zebedäus, midsaumt seine Barawara laana lossn auf den Schinakl und san hinta eam noche (= da ließen sie ihren Vater Zebedäus mit den Taglöhnern im Boot und gingen weg, ihm nach; S. 38 f.). Für die schnelle Fortbewegungsart wird in der österreichischen Standardsprache und auch in der Mundart rennen verwendet.

Das Verb „sprechen“ hat in Wien in der Alltagskommunikation den Nebensinn des Großsprechens und des affektierten Sprechens, denn im Normalfall wird reden verwendet. Mit schön sprechen! wird jemand zurechtgewiesen, der sich einer derben Ausdrucksweise bedient hat.

Mit dem Wort kriegen wollen wir die Auflistung der Verben abschließen. Es wird statt „bekommen“ und „erhalten“ verwendet.

Die doppelte Verneinung, ein Relikt aus dem Mittelhochdeutschen, hat oft eine Verstärkungsfunktion.

Ein Überbleibsel aus dem Mittelhochdeutschen ist die doppelte Verneinung: „Wer ka Geld net håt, der kånn nix kaufen, / wer kane Füß’ net håt, der kånn net laufen, / (...) / wer kane Zähnd net håt, der kånn net beißen“. Oder im Lied „A Schneeflockerl und a Ruaßflankerl“: „Mi dawischt du niemals ned!“ Oder in Raimunds „Hobellied“: „Am End weiß keiner nix.“ Die doppelte Verneinung hat oft auch eine Verstärkungsfunktion: Wer überhaupt kein Geld hat...

Doppelte Verneinungen werden oft verächtlich gemacht, auch mit dem dummen Stehsatz: „eine doppelte Verneinung ist eine Bejahung“. Dass es Verdoppelungen auch in der Standardsprache gibt, wird dabei übersehen: du erwischt mich „nie und nimmer“ (entspricht: du erwischt mich niemals ned).

Genitive werden umschrieben: Statt „der Hut des Vaters“ heißt es dem Våtern sei’ Huat. Manche Genitivendungen, die in diesem Buch angeführt werden, sind also nur theoretischer Natur oder kommen nur dann vor, wenn das Wort in standardsprachlichen Texten verwendet wird. So wird beispielsweise im klassischen Wienerischen vom Wort Bådwaschl kein Genitiv gebildet; aber wenn in einem Standardtext das Wort aufscheint, dann hat der Genitiv ein -s: des Badewaschels.

Im Gegensatz zum Standard ist der Konjunktiv häufiger – mit Formen, die in der bairisch-österreichischen Mundart äußerst frequent sind. Willi Resetarits singt als Ostbahn-Kurti: „Wånn ane kamat und mi frågat / ob bei mia a Plåtz frei waa...“ In der Standardsprache wäre das: „Wenn eine käme und mich fragte, ob bei mir ein Platz frei wäre...“ Die Konjunktive klingen im Wienerischen wie selbstverständlich: Warat i du, und du waratst i, hättst a Verständnis für mi“, singen „Die Strottern“. Roland Neuwirth hat ein Lied geschrieben, in dem nur Konjunktive vorkommen. Es nannte es „Der Wiener Konjunktiv“: „Ålsdånn, wånn S’ wås brauchert’n, es stingert Ihna frei! / Åber net es haßert dånn, mia seilert’n si o!“

Konjunktiv der Höflichkeit, auch Bairischer oder Wiener Konjunktiv genannt.

In der Fachliteratur wird dieses Phänomen als „Bairischer Konjunktiv“ oder „Konjunktiv der Höflichkeit“ bezeichnet: Wer zum vereinbarten Zeitpunkt bei einem Arzt, Friseur etc. erscheint, sagt nicht „ich bin jetzt da“, sondern i warat jetz do. Soll heißen: „Da bin ich, wenn es Ihnen recht wäre. Ich kann aber auch warten“. Hättats ihr ’leicht a Straafhölz’l fia mi’? — in diesem Beispiel wird der Konjunktiv der Höflichkeit zusätzlich mit „vielleicht“ kombiniert. Da höfliche Fragen im Konjunktiv gestellt werden, ist das Wort „bitte“ nicht notwendig, es wird im Wienerischen selten gebraucht, stattdessen wird einleitend oft ein Diskursmarker verwendet: Geh, sei so guat und gib ma... In manchen Fällen vermittelt das standardsprachliche Wort „bitte“ im Dialekt sogar einen aggressiven Unterton, eine Verärgerung, einen Widerwillen: Geh bitte gib a Ruah! Oder: An åndern Ton, bitte! Und bitti går schön ist ein Ausruf des Entsetzens, Erschreckens, der Ablehnung, die Interjektion drückt auch Erstaunen und Unverständnis aus.

Diskursmarker modifizieren Sprechakte oder steuern das Gespräch, oft ein Signal des Sprechenden, das an den Zuhörenden gerichtet ist.

Dass es einen Konjunktiv der Höflichkeit auch in der Standardsprache gibt, soll hier nicht verschwiegen werden: „Könnten Sie bitte das Fenster aufmachen?“ statt In dikativ: „Können Sie bitte das Fenster aufmachen?“ Oder: „Könnten Sie das für mich erledigen?“ statt Imperativ: „Bitte erledigen Sie das für mich!“ Eine Variante ist der Konjunktiv der Bescheidenheit: „Ich hätte gern ein Bier!“ statt „Ich bestelle ein Bier!“ Oder: „Ich würde vorschlagen, dass wir heute zu dieser Frage noch keine Entscheidung treffen“ statt „Ich schlage vor...“ In diesem Fall dient der Konjunktiv dazu, den Wunsch oder den Anspruch auf Erfüllung abzumildern.

Aber unbestritten ist: In Wien und in München haben diese Formen Hochkonjunktur. Dies hängt damit zusammen, dass wir über spezielle Konjunktive verfügen, auf die wir stolz sind: I kamat gern. I tat gern kumma.

In der Standardsprache sind die Konjunktive unter die Räder gekommen, weil bei schwachen Verben der Konjunktiv mit dem Präteritum zusammenfällt; deshalb wird die Form „fragte“ nicht gern verwendet und sie klingt geschwollen. Stattdessen wird mit „würde“ umschrieben: Wenn mich eine (Frau) fragen würde, ob ein Platz frei ist... (Im Standard steht der Nebensatz im Indikativ, im Dialekt im Konjunktiv.)

In der Mundart gibt es bei manchen Wörtern eine Vielzahl von Konjunktivformen: i kent kuma, i kentat kuma, i kunt kuma, i kuntat kuma, i tadt kuma kena, i tatat kuma kena, i tät kuma kena, i tätat kuma kena und natürlich i kamat und i kumat. Die beliebte Einleitung es warat wegn... bedeutet „es geht (jetzt) um...“ Es warat wengan Gaszöhla sagt der Mann von der Gasgesellschaft, wenn er den Zählerstand ablesen will. Ein kurioses Beispiel für die Konjunktivbildung finden Sie unter dem Stichwort Schwårzgebeizter – es ist gleichzeitig ein Zungenbrecher.

Wenn ich in diesem Kapitel von „verpönten Wörtern des Standard“ gesprochen habe, so muss ich zum Abschluss relativierend darauf hinweisen, dass es im Wienerischen, und genauso im Bairisch-Österreichischen insgesamt, das „Dialekt-Standard-Kontinuum“ gibt: Es ist möglich und üblich, von der Mundart ins Standarddeutsche zu wechseln und retour. „I bin, so wiri bin, wiri immer woa, hob mi net vastöt. Ich verstelle mich nicht, bin authentisch. Se soin iwaroi sogn: Da Oide woa r a super Mensch. Ich bin Hans Krankl.“ (aus einem Trailer für eine Sky-Dokumentation, 2023).

Für Textdichter von Liedern ist das Dialekt-Standard-Kontinuum praktisch: Sie können zwischen Mundart und Standard beliebig wechseln – manchmal tun sie es auch deshalb, damit der Reim gut funktioniert.

Das System der fettgedruckten Querverweise in den Belegtexten

Wenn Sie in den Belegstellen ein Wort nicht verstehen oder mehr darüber wissen wollen – der Fettdruck bringt Sie ans Ziel. Hier ein Beispiel, es handelt sich bei der Belegstelle um einen Text von Günter Brödl, Erfinder der Kunstfigur Ostbahn-Kurti und Autor zahlreicher Liedtexte, die Willi Resetarits gesungen hat:

Reb|hendl|haxeln, die (Pl.) [Füße wie jene eines Rebhuhns]: dünne Füße (= Beine): Ostbahn-Kurti, „De Kombinesch von da Loren“: „De Rebhendlhaxln und Spåtzenwadln san lang passe und unmodern. / De Sprudla, de Spragla und de Spennadla wiad kana wirklich nocherean.“

Mit Fettdruck ist im Text des Liedes das Stichwort Rebhendlhaxeln gekennzeichnet, außerdem sind all jene Ausdrücke hervorgehoben, die an anderer Stelle des Wörterbuchs zu finden sind, also nachgeschlagen werden können: Kombinesch, rean, Spåtzenwadln, Spennadler, Spragler, und Sprudler.

Was ist politisch korrekt?

Im Wienerischen haben sich nicht nur sprachliche Elemente des Mittelhochdeutschen erhalten, auch Moralvorstellungen des Mittelalters leben weiter. Demzufolge entsprechen viele Wörter und deren Bedeutungen nicht der heutigen Political Correctness. Ich will diese Wörter nicht negieren, kümmere mich aber bei den Bedeutungserklärungen um politisch korrekte Formulierungen.

Political Correctness: Vermeidung von Ausdrücken, die Gruppen von Menschen kränken oder beleidigen können; Mitte der 1980er Jahre von Studenten der University of California popularisiert.

Wer die alten Wörterbücher des Wienerischen durchforstet, stößt bei den Erläuterungen auf Antiquiertes und Fragwürdiges, das über Jahrzehnte hinweg fortgeschrieben wurde. Eine Frau, die als Beserl, Grammel oder Pferderl bezeichnet wurde, galt als Prostituierte. Ich verwende den heute weitgehend anerkannten Ausdruck Sexarbeiterin.

Wolfgang Teuschl umschreibt die Bedeutung des Wortes Flugerl 1990 noch mit „liederliches Mädchen“. Gemeint war aus früherer Sicht eine Frau, die oft allein ausgeht und von der angenommen wird, dass sie häufig mit verschiedenen Männern sexuellen Kontakt hat, was als „moralisch verwerflich“ galt. Wörter wie Flugerl, Schledern und Zauke sind zu einer Zeit entstanden, als von Frauen „aus gutem Hause“ bei der Anbahnung sexueller Kontakte eine hinhaltende und abwehrende Haltung erwartet wurde.

Übrigens galten nach dem alten Sprachgebrauch nur Frauen als „liederlich“. Für sie gab es abwertende Wörter, für Männer existierten hingegen neutrale oder anerkennende Ausdrücke wie Schweißer, Steiger, Steignåchi und Weiberer oder das scherzhafte Wort Låttenpendler. Wörter mit negativer Bedeutung gibt es in großer Zahl für kleine Männer, z. B. der Åzwickte, Gstauchte, Gsteaml, Sterzl etc. oder für vergreiste, gebrechliche, gedächtnisschwache oder impotente Männer, zum Beispiel Gachbrunzer, Gspuli, Schneebrunzer, Tagerer und Tapperl.

Bei Erklärungen mundartlicher Wörter für die Geschlechtsteile der Frau ist in älteren Wörterbüchern der Ausdruck „die weibliche Scham“ zu finden, abgeleitet von „sich schämen“. Ich verwende bei den Bezeichnungen für die weiblichen Sexualorgane, und auch für die männlichen, die lateinischen Ausdrücke aus der Medizin.

Karl Kraus hat in einigen Fällen darauf hingewiesen, wie problematisch und rückwärtsgewandt manche Ausdrücke des Wienerischen sind, zum Beispiel Gspaßlaberln und Pupperlhutschen. Der große Sprachkritiker fühlt dem Wienerischen immer wieder unbarmherzig auf den Zahn – siehe seine Bemerkungen zu den Substantiven Goderl und Schapsel oder zu den Wendungen da gibt’s kane Würschteln und mia san ja eh die reinen Lamperln.

Was Sie über die Lautschrift wissen müssen

Wenn es mir notwendig erschien, habe ich in Klammern eine lautschriftliche Version angeführt, gesprochene Mundart sozusagen. Es ist eine vereinfachte Form jener Lautschrift, die Maria Hornung in ihrem „Wörterbuch der Wiener Mundart“ gebraucht hat.

– Das verdumpfte a vor m und n wird mit einem Ringerl gekennzeichnet: Båmpaledsch; in der Fachsprache wird der kleine Kreis über dem a als Kroužek bezeichnet. Zwei Scherzsprüche haben die Vokalqualität von å zum Thema: Bei „då stön si aa a ån ‚...“ (= da stellen sich auch welche/einige an) geht es um den Unterschied zwischen å und a, bei „Doni, geh dåni...“ geht es um den Unterschied zwischen å und o (siehe die Stichwörter sich ånstellen und dåni).

Kroužek: aus dem Tschechischen stammende Bezeichnung für Ringakzent, Kreisakzent.

– Das Schwänzchen unter e, o und ö, in der Fachsprache Ogonek genannt, signalisiert, dass der Laut stärker geöffnet ist als der Laut ohne Schwänzchen. In Abschriften von Wienerliedern und von Schlagern sowie in Mundartgedichten wird in diesen Fällen oft ein normales o gesetzt. In diesem Wörterbuch wird jedoch in der phonetischen Umschrift zwischen o und ǫ unterschieden: Krötenlåcken (gespr. Grodnlǫckn) und ned gsotten und ned ’bråten (gespr. ned gsodn und ned brǫdn).

Ogonek: polnisch für Schwänzchen, auch Krummhaken genannt.

– Der Ausfall eines Konsonanten wird durch Hochstellung dargestellt: Koibmreiwa, Gnedl, Kanäufuarǫ̈ln, Ǫarmutschgal. Wir sehen, dass b, d, l und r in diesen Fällen nicht gesprochen werden, sie haben nur einen Erinnerungswert, beeinflussen aber manchmal die Qualität des vorhergehenden Vokals. Würde man die ausgefallenen Buchstaben nicht anführen, wären manche Wörter schwer zu verstehen und im Wörterbuch schwer aufzufinden. H. C. Artmann verzichtet darauf, um „eine Rätselaufgabe“ zu stellen, wie er es einmal formulierte; hier ein Textbeispiel: „es is a gfret met de malfuanauman“ – wenn man dieses verwirrende Schriftbild laut abliest, errät man, was gemeint ist: die Madlvornamen, also die Vornamen der Mädchen. H. C. Artmann verwendet durchgehend die Kleinschreibung, verzichtet auf Betonungs- und Auslassungszeichen sowie auf jede Art von Satzzeichen – er schreibt so, wie er spricht.

– In den Texten von Wienerliedern und in Mundartgedichten werden zwei verschiedene Laute manchmal generell mit å dargestellt. Auch ich erlaube mir diese Vereinfachung, aber nur beim Stichwort selbst. Nur so kommt man zu der gewohnten alphabetischen Reihung, die mir wichtig ist, um eine Benützerfreundlichkeit zu gewährleisten. Bei der lautschriftlichen Darstellung unterscheide ich sehr wohl zwischen å und ǫ.

Pạ̊m|per|letsch, der; -(en), -en (gespr. Bạ̊mpalędsch).

Nạ̊|cker|patzl, dås; -s, -n (gespr. Nǫckabatsl).

– Wie unterscheiden sich å und ǫ? Das å ist ein verdumpfter o-ähnlicher a-Laut vor den Nasalen m und n – wir haben drauf bereits hingewiesen. Das m bzw. das n beeinflusst also die Aussprache des vorhergehenden a. Das ǫ ist ein mitteloffener o-Laut, der ebenfalls aus a entstanden ist:

Wạ̊s|ser|må|cher, der; -s, - (gespr. Wǫssamǫcha).

– Das oft erwähnte Musterwort Wasserhahn verdeutlicht die Unterschiede bei den zwei a-Lauten: Wǫssahån. Das a in Wasser wird verdumpft, es ist aber kein reines o wie in rot.

– Die Hochstellung des n in Hån bedeutet, dass es nicht ausgesprochen wird. Es steht zur Erinnerung bzw. zum besseren Verständnis da, hat es doch die Qualität des a beeinflusst.

– Manche Autoren verschriftlichen das å als au: Aus hochdeutsch Mann wird dann dialektal Mau, aus Hahn wird Hau usw. Auch bei H. C. Artmann und auf der offiziellen Website Georg Danzers ist diese Umschrift zu finden. Sie hat auch eine sprachliche Rechtfertigung, weil früher in solchen Fällen recht stark diphthongiert wurde. Ich schreibe der Systematik wegen Mån und Hån.

– Ein anderer Fall ist Bankert, gesprochen Bångad – in diesem Fall wird das n ausgesprochen, es ist daher nicht hochgestellt.

– Der oft zitierte Mustersatz „Ich bete im Bett“ zeigt, dass es zwei unterschiedliche e-Laute gibt: I bȩt im Bett. Der e-Laut im Verb beten wird offener gesprochen als der e-Laut in Bett. Das Schwänzchen unter dem e beim Wort beten signalisiert die stärkere Öffnung des e-Lautes.

Bet|büchl, dås; -s, -n (gespr. Bętbiachl): Gebetbuch.

Bẹtt|brun|zer, der; -s, - (gespr. Bettbrundsa): 1.Bettnässer 2. vertrottelter, alter Mann.

In Mundarttexten wird der offene e-Laut, also ę, oft als ä geschrieben: i bät im Bett. Diese Methode hat auch Wolfgang Teuschl in „Da Jesus und seine Hawara“ sowie in seinem „Wiener Dialektlexikon“ verwendet. Ich schreibe bętn, denn ich möchte eine stärkere Öffnung auch bei o und ö anzeigen, es ist also ein allgemein anwendbares System vonnöten.

– Beim o-Laut ist zwischen einem o und einem stärker geöffnetem ǫ zu unterscheiden. Letzteres habe ich weiter oben als Variante des a-Lautes bereits vorgestellt.

Rọtz|glöckal, das (gespr. Rots...).

Tråt|schen, die (gespr. Drǫdschn).

– Eine ähnliche Differenzierung gibt es bei den ö-Lauten. „In der Hölle ist es nicht hell.“ Achten Sie auf die unterschiedliche Lautung im Wort Hölle und im Wort hell! In der Hö is es ned hǫ̈. Das ǫ̈ ist offener als das ö.

dụ̈nn|gselcht 〈Adj.〉 (gespr. dinn-gsǫ̈chd): besonders hager, besonders dumm.

ö|lig 〈Adj.〉 (gespr. ölig, ölich): betrunken.

– Buchstaben mit Ogonek spielen auch dann eine Rolle, wenn das r vokalisiert wird; durch die Vokalisierung entsteht ein Diphthong: ǫa und ȩa.

Bạ̊rt, der (gespr. Bǫat; Pl. Bȩat).

Um auch in diesem Fall eine gute Auffindbarkeit zu gewährleisten, setze ich das Wort als Bạ̊rt an. In diesem Fall kommt über das a ein Kringel und unter dem a findet sich ein Punkt – ein Zeichen, dass im Standard der Laut kurz ist. In der Mundart wird daraus der Diphthong ǫa, in der Mehrzahl ȩa.

– Nach einem Kurzvokal muss der Konsonant fortis, also stark sein, nach einem Langvokal hingegen lenis, schwach. Wir sagen also, wenn wir einen Amtsweg vorhaben: i geh aufs Åmpt. Das Prinzip gilt auch für das Ende einer Silbe oder Vorsilbe: H. C. Artmann schreibt daher Opdäu – für Abteil.

– Ein K am Wortanfang gefolgt von einem Konsonanten 1, r oder n wird als G gesprochen: Klapperl = Glappal; Kreuzerl = Greitsal, Knirps = Gniaps.

– Ein K im Anlaut gefolgt von einem Vokal wird als K gesprochen: Kapplbua.

– Eine Ausnahme sind Lehnwörter mit K gefolgt von einem Vokal. In diesen Fällen wird im älteren Wienerischen oft ein G gesprochen: Gaugau (= Kaukau), Gavalier (= Kavalier) etc. Aber auch junge Mundartsprecher sagen Gicka für das englische Lehnwort Kicker. Das k wird manchmal auch im Wortinneren zu einem g: amariganisch.

– Wörter, die standardsprachlich mit v geschrieben, aber mit f gesprochen werden, sind unter V zu finden.

Va|ter, der (kann auf dreierlei Art ausgespr. werden: Fǫta, Fǫda = ländlich, Fatta = ländl. geziert).

– Ein Doppelkonsonant signalisiert im Deutschen generell, dass der davorstehende Vokal kurz gesprochen wird. Dies gilt auch für die Schreibweise von Wörtern des Wienerischen: Dippe für Dübel. Maria Hornung verwendet in ihrer lautschriftlichen Darstellung auch chch und schsch. Dies ist konsequent, führt aber zu ungewöhnten Schriftbildern, was ich vermeiden will. Ich verzichte daher weitgehend auf chch und schsch.

– Es gibt zwei unterschiedliche s-Laute. Ein weiches s, wie in dem Wort Beisel, und hartes s wie in dem Wort beissen. Genauso funktioniert die lautliche Unterscheidung zwischen greisenhaft und Greissler. Leider muss aufgrund der heutigen Rechtschreibregeln nach einem Langvokal und einem Diphthong immer ein ß stehen. Die korrekten Schriftformen lauten daher: Greißler und beißen; in der von mir gewählten Lautschrift steht hingegen ein Doppel-s: Greissler und beissen. Hier ein weiteres Beispiel dieser Art:

Rei|ßen, die; -, - (gespr. Reissn): Kritik, Tadel.

Bitte beachten Sie, dass auch zwischen ds und ts unterschieden wird, um die Länge des vorhergehenden Vokals zu signalisieren.

bịt|zeln •håt• (gespr. bitseln): zornig werden.

Biz, der; -, - (gespr. Bids): kecker Bursche aus vermögendem Hause; anmaßender, genusssüchtiger Lebemann.

Was mich motiviert hat und wem ich danken möchte

Meine Vorfahren waren vor allem Kleinhäusler, also Kleinstbauern mit einem eigenen Haus und einem kleinen Grundstück, das der Eigenversorgung diente. Um zu überleben, musste sie einen Beruf ergreifen, die Frauen waren Näherinnen, einer meiner Vorfahren erlernte immerhin einen handwerklichen Beruf: Fassbinder. Vielleicht hat mich all das motiviert, die Sprache der „Kleinen Leute“ zu erforschen.

Ich hatte das Glück, dass ich von meinem Vater das Wienerische schon als Kind mitbekam: Er war ein gebürtiger Wiener, absolvierte eine Elektrikerlehre, führte nach dem Krieg mit seinem Bruder ein kleines Elektrogeschäft in der Wiener Innenstadt und arbeitete später als Handelsvertreter. Zu seinem Wortschatz gehörten Wörter wie Büsling, Glasen, Nafta, Wan und wenn ich mich bei einer Sache ungeschickt angestellt hatte, sagte er: „Na, du bist ma a schena Wågl!“ Daher haben die alten wienerischen Ausdrücke für mich auch einen emotionalen Wert.

Der Dialekt hat für viele auch einen emotionalen Wert.

Meine Mutter, eine Buchhalterin, legte Wert darauf, dass ich nach der Schrift spreche und dass ich studiere, ich sollte Lehrer werden. Ihr Ehrgeiz und die von Bruno Kreisky entfachte Aufbruchstimmung mit dem Anspruch „Bildung für alle“ hat mich bewogen, an der Universität Wien die Fächer Germanistik und Anglistik zu inskribieren. Als ich zehn Jahre später die Chance bekam, im Büro von Bruno Kreisky als Sekretär zu arbeiten, war ich zuvor jahrelang Journalist gewesen und hatte wenig Motivation, das Doktoratsstudium abzuschließen. Es war Bruno Kreisky, der mich drängte, neben der Arbeit meine Dissertation fertigzustellen und das Studium mit dem Doktorat abzuschließen – in den Fächern Publizistik und Germanistik. Ich verdanke also Bruno Kreisky in zweifacher Hinsicht meinen Doktortitel.

Zurück zum Wörterbuch: Da die Familie meiner Mutter aus Böhmen stammt, gelangten tschechische Lehnwörter wie Fatzku, Hubitschku, des is’ nafta in meinen Wortschatz.

Meine in Zagreb geborene Frau Melita konnte mir durch ihre Kenntnisse mehrerer slawischer Sprachen in vielen Fällen hilfreich zur Seite stehen. Sie ist kurz vor der Fertigstellung des Manuskripts nach langer, schwerer Krankheit verstorben, ihr widme ich dieses Buch.

Meine Tochter Roberta brachte ihre Kenntnisse des modernen Wienerischen ein, sie hat außerdem das Manuskript durchgesehen und Änderungen sowie Ergänzungen vorgenommen.