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Obwohl Léthaniel nichts lieber tun würde, als Gabriella zu befreien, so ist da auch sein Pflichtgefühl der Herrscherin gegenüber. Er muss nach Fayl reisen, um seinen Auftrag zu Ende zu bringen. Aber sind die Götter ihm wirklich gnädig gesinnt und wird er jemals ins Gebirge zurückkehren können, um das zu erlangen, was für ihn kostbarer als alle Juwelen dieser Welt ist – die einzig wahre Liebe?
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Seitenzahl: 532
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Informationen zum Buch
Impressum
Widmung
Landkarte Altra
Kapitel 1 - Léthaniel
Kapitel 2 - Schatten
Kapitel 3 - Léthaniel
Kapitel 4 - Schatten
Kapitel 5 - Léthaniel
Kapitel 6 - Léthaniel
Kapitel 7 - Schatten
Kapitel 8 - Lucja
Kapitel 9 - Léthaniel
Kapitel 10 - Lucja
Kapitel 11 - Léthaniel
Kapitel 12 - Schatten
Kapitel 13 - Léthaniel
Kapitel 14 - Steinwind
Kapitel 15 - Léthaniel
Kapitel 16 - Schatten
Kapitel 17 - Léthaniel
Kapitel 18 - Gabriella
Kapitel 19 - Léthaniel
Kapitel 20 - Léthaniel
Kapitel 21 - Léthaniel
Kapitel 22 - Gabriella
Kapitel 23 - Léthaniel
Kapitel 24 - Gabriella
Kapitel 25 - Gabriella
Kapitel 26 - Léthaniel
Kapitel 27 - Léthaniel
Kapitel 28 - Gabriella
Kapitel 29 - Schatten
Kapitel 30 - Gabriella
Kapitel 31 - Schatten
Kapitel 32 - Gabriella
Kapitel 33 - Léthaniel
Kapitel 34 - Gabriella
Kapitel 35 - Schatten
Kapitel 36 - Gabriella
Kapitel 37 - Gabriella
Kapitel 38 - Léthaniel
Kapitel 39 - Gabriella
Kapitel 40 - Gabriella
Kapitel 41 - Gabriella
Kapitel 42 - Léthaniel
Kapitel 43 - Gabriella
Kapitel 44 - Léthaniel
Kapitel 45 - Léthaniel
Epilog 1 - Léthaniel
Epilog 2 - Schatten
Nachwort 1 der Autorin
Spoilerkapitel 1 - Gabriella
Spoilerkapitel 2 - Gabriella
Spoilerkapitel 3 - Mica
Nachwort 2 der Autorin
Glossar
Zeitstrahl
Weitere Bücher aus demselben Universum
Die Alia-Reihe (5 Bände)
Der rote Tarkar (Einzelband)
Die Legenden von Karinth (4 Bände)
Greifen-Saga (3 Bände)
Damaris (4 Bände)
C. M. SPOERRI
Das Juwel der Talmeren
Band 3
Fantasy
Das Juwel der Talmeren (Band 3)
Obwohl Léthaniel nichts lieber tun würde, als Gabriella zu befreien, so ist da auch sein Pflichtgefühl der Herrscherin gegenüber. Er muss nach Fayl reisen, um seinen Auftrag zu Ende zu bringen. Aber sind die Götter ihm wirklich gnädig gesinnt und wird er jemals ins Gebirge zurückkehren können, um das zu erlangen, was für ihn kostbarer als alle Juwelen dieser Welt ist – die einzig wahre Liebe?
Die Autorin
C. M. Spoerri wurde 1983 geboren und lebt in der Schweiz. Sie studierte Psychologie und promovierte im Frühling 2013 in Klinischer Psychologie und Psychotherapie. Seit Ende 2014 hat sie sich jedoch voll und ganz dem Schreiben gewidmet. Ihre Fantasy-Jugendromane (›Alia-Saga‹, ›Greifen-Saga‹) wurden bereits tausendfach verkauft, zudem schreibt sie erfolgreich Liebesromane. Im Herbst 2015 gründete sie mit ihrem Mann den Sternensand Verlag.
www.sternensand-verlag.ch
1. Auflage, Oktober 2022
© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2022
Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski
Lektorat: Sternensand Verlag GmbH | Natalie Röllig
Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH
Satz: Sternensand Verlag GmbH
ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-254-0
ISBN (epub): 978-3-03896-255-7
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Zuhause ist kein Ort,
sondern ein Gefühl.
C.
Altra
Noch einmal wende ich mich der kleinen Holzhütte zu, die hinter uns im strahlenden Sonnenschein liegt.
Auf der saftigen Wiese glitzert der Tau der Nacht wie magisch vor sich hin.
Es ist ein wahrhaft malerischer Anblick mit den Tannen und den Berggipfeln rundherum. Die höchsten Spitzen des Talmerengebirges tragen ewigen Schnee. Doch bei Gabriellas Zuhause ist es schon morgens warm genug, um ohne Mantel herumzulaufen.
Scheiße, ich hätte nicht gedacht, dass es mir so schwerfällt, diesem Ort den Rücken zu kehren.
Gabriellas Gesicht taucht vor meinem inneren Auge auf und ich vermeine sogar, ihren Duft nach Kräutern zu riechen.
Die vergangene Nacht war ein einziger Albtraum. Immer wieder schreckte ich aus dem Schlaf hoch und glaubte, ihre Stimme zu hören.
Aber sie ist nicht mehr hier … sie wurde von einem verdammten Drachen gefangen genommen, da sie das Juwel der Talmeren trägt und nicht mehr ablegen kann.
Wie dämlich war ich bloß, ihr einfach ein solches Schmuckstück zu schenken, von dem ich nicht einmal wusste, ob es Kräfte hat – und wenn ja welche.
Nur um Gabriellas Herz zurückzuerobern … dabei hätte ich das definitiv auch ohne dieses Amulett geschafft.
Innerlich schlage ich mir zum tausendsten Mal mit der Hand gegen die Stirn, während ich auf meiner Unterlippe herumkaue.
Gabriella wusste, dass sie beim Drachen bleiben muss, als dieser uns in seinen Hort teleportierte, damit sie meiner Gefährtin, der Wassermagierin Lucja, helfen konnte. Ich sah es in ihren Augen, ehe sie diese für einen langen Schlaf schloss, gefangen in der Magie des Drachen.
Sie wusste es … und … sie tat es für mich … damit ich meinen Auftrag in Fayl zu Ende bringen kann.
Scheiße!
»Ich komme zurück«, murmle ich. »Das schwöre ich dir bei meinem Leben, Ella.«
Daraufhin gebe ich Meteor den Befehl, in die Luft zu steigen, und richte den Blick nach vorn. Hinter mir sitzt Lucja, unter uns reiten mein Kumpel Steinwind und der ehemalige Assassine Schatten auf ihren Pferden.
Wir werden nun zu diesem vermaledeiten Zirkelleiter in Fayl reisen, ihn davon überzeugen, dass er verdammt noch mal seinen Arsch bewegen, seine veralteten Ideologien zum Mond schießen und der Herrscherin Altras die Hand reichen soll. Und dann … dann kehre ich in die Talmeren zurück, um Gabriella aus den Fängen des Drachen zu befreien.
Vor unserem Aufbruch haben wir die Vorräte der Schwestern geplündert, da sie diese ohnehin nicht mehr benötigen und das meiste verdorben wäre, wenn sie in ihre Hütte heimkehren. Oder die Sachen wären womöglich Plünderern in die Hände gefallen, die ihr Zuhause finden.
Für Damaris, die nach Chakas geflogen ist, um ihre Magie im Greifenorden beherrschen zu lernen, versteckten wir alles Notwendige in einer Kiste unter ihrem Bett, die sie hoffentlich findet, sollte sie wider Erwarten vor mir zur Hütte zurückkommen. Sie versprach Gabriella, drei Jahre im Magierzirkel von Chakas zu bleiben, aber wer weiß schon, wie schnell sich die Launen eines jungen Mädchens ändern können? Sicher ist sicher. Zudem hinterließ ich einen Brief für Damaris und legte ihn auf ihr Bett, falls sie früher zurück ist. Darin schrieb ich, dass Gabriella bei mir sei und wir in ein paar Wochen zurückkämen.
Nicht ganz gelogen, doch auch nicht die Wahrheit. Ich wollte damit verhindern, dass sie sich Sorgen um ihre Schwester macht und sich womöglich anschickt, den Drachen zu suchen, um Gabriella auf eigene Faust zu befreien. Zuzutrauen wäre es diesem feurigen Mädchen, das öfter auf den Bauch hört als auf den Verstand.
Kurz muss ich schmunzeln … die beiden Schwestern sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht und trotzdem ein Herz und eine Seele.
Nur schon für Damaris muss ich Gabriella zurückholen.
Wir haben auch einen großen Teil von Gabriellas Heiltränken und Tinkturen eingepackt, um sie später gegen andere Dinge in Dörfern zu tauschen, da wir keinerlei Geld mehr besitzen, seit die Dunkelelfen uns gefangen genommen und ausgeraubt haben. Ich werde später den Schwestern alles zurückzahlen, das habe ich mir fest vorgenommen.
Später … wenn ich in Fayl hoffentlich an Geld komme.
Vielleicht kann ich mir dann sogar eine Tabakpfeife kaufen – das Rauchen fehlt mir mehr denn je, was vor allem auf die abermalige Trennung von Gabriella zurückzuführen ist. Früher, als ich noch ein Sandschurke war, hat das Rauchen zu meinem Alltag gehört. Später, in Chakas, benötigte ich es nur noch selten, doch seitdem ich nach Merita gekommen und in die Dienste der Herrscherin getreten war, frönte ich wieder vermehrt meinem Laster.
Tja, meine Tabakpfeife fiel leider wie alles andere in die Hände der Dunkelelfen … Bei der Vorstellung, wie ein Dunkelelf Pfeife raucht, muss ich beinahe schmunzeln. Aber nur beinahe.
Dieses Scheißpack hätte uns fast getötet!
Ich schaue nach unten, wo ich Steinwind und Schatten nur noch als kleine Punkte ausmachen kann. Da die beiden Mühe mit ihren neu erstandenen Pferden im unwirtlichen Gelände der Talmeren haben, beschlossen Lucja und ich, die Gegend zu erkunden und ihnen die besten Wege durch den felsigen Untergrund zu weisen. Sobald wir die höchsten Gebirgsgipfel hinter uns lassen, werden wir schneller vorankommen.
Die Reise zur nächsten größeren Ortschaft mit dem für mich reichlich ironisch klingenden Namen ›Hort‹ verläuft zum Glück ohne weitere Zwischenfälle. Die Stadt liegt direkt in den Ausläufern des Talmerengebirges und wimmelt nur so von Reisenden, die entweder gerade aus den Bergen kommen oder dorthin unterwegs sind.
Ich rümpfe die Nase, als wir sie betreten, da man hier nicht sonderlich Wert auf Reinlichkeit zu legen scheint. Überall liegen Müll und Dreck auf den Straßen, die größtenteils aus gestampfter Erde bestehen.
»Und hier wollen wir wirklich zwei Tage bleiben?«, hake ich sicherheitshalber bei Lucja nach, die neben mir hergeht.
Sie wirft einen Blick auf Schatten zu ihrer Rechten, dann auf mich. »Du kannst auch gern vor der Stadt bei deinem Greif schlafen, wenn dir das lieber ist«, entgegnet sie schulterzuckend.
Inzwischen haben wir aufgehört, einander förmlich anzusprechen – so eine abenteuerliche Reise schweißt eben zusammen.
Na ja, zumindest war mir Lucja noch nie so sympathisch wie in den vergangenen Tagen. Sie hat offenbar ein schlechtes Gewissen, weil Gabriella ihretwegen im Drachenhort bleiben musste, und tat mir so viele Gefallen, dass es fast schon unangenehm war.
Jetzt runzle ich die Stirn und begegne ihren stahlblauen Augen, die in krass faszinierendem Gegensatz zu ihrer dunklen Haut stehen. »Glaub mir, bei Meteor zu sein, wäre mir tatsächlich lieber. Aber wir trennen uns nicht mehr, verstanden? Ich habe keine Lust darauf, dass jemand von uns gefangen genommen, entführt oder gar getötet wird.«
Also das gilt für uns drei Menschen plus Dunkelelf. Meinem Greif indes verbot ich, in die Stadt mitzukommen, da ich nicht weiß, wie die Leute hier auf ein derartiges Geschöpf reagieren. Immer noch bin ich mit ihm verbunden, er ist nicht allzu weit weg von mir, das spüre ich. Sollte ihm etwas zustoßen, wäre ich sofort zur Stelle – und umgekehrt.
»Wenigstens gibt es in diesem Kaff eine Kneipe!«, ertönt Steinwinds polternde Stimme hinter mir, und im nächsten Moment werde ich von meinem Kumpel überholt, der geradewegs auf eine mehr als übel wirkende Spelunke zusteuert.
»Heißt wohl für uns alle: Bier her!«, bemerke ich, während ich dem Hünen folge und mich versichere, dass Schatten und Lucja es mir gleichtun.
Beide natürlich mit den miesepetrigsten Gesichtern, die man sich vorstellen kann. Schatten mag keine Menschen – also nicht nur Menschen, allgemein alles, was auf zwei Beinen geht, atmet und spricht – und Lucja ist ihm in diesem Punkt äußerst ähnlich.
Mir persönlich machen Menschenmassen nichts aus, solange ich einen Grund habe, mich in ihnen aufzuhalten.
Und genau den habe ich jetzt: Bier.
Endlich!
Bei Gabriella gab es zwar Kräuterschnaps, aber den kann man nun mal nicht humpenweise in sich hineinkippen – und mir ist so sehr danach, mir einen hinter die Binde zu gießen. Für einen kurzen Moment alles rund um mich herum zu vergessen. Die verdammten Sorgen und Gedanken endlich ruhig werden zu lassen.
Drauf geschissen, ob das eine gute Art ist, mit seinen Problemen umzugehen, oder nicht!
Dass es Steinwind ähnlich ergeht, kann ich ihm nicht verdenken.
Er ist einfach mal ein verdammter Halbriese!
Auch wenn er es bisher zu verbergen versuchte und ich mich hütete, ihn von mir aus darauf anzusprechen – der kurze Aufenthalt im Olymp und die Konfrontation mit seinesgleichen machen ihm immer noch zu schaffen.
Seine Vision, in der er Vater wurde und seine Frau bei der Geburt starb, jagt auch mir eine Gänsehaut über den Rücken, wenn ich daran denke.
Keine Ahnung, was diese verdammten Titanen dazu bewegte, ihn derart zu foltern.
Wie grausam kann man bloß sein?!
Wieder einmal steigt Wut in mir hoch auf diese Möchtegern-Götter, und der Gedanke, zu ihnen zurückzukehren, um den Wüstenzwerg Elderion zu befreien, und ihnen nochmals so richtig in den Arsch zu treten, beflügelt meine Schritte.
Jap, ich werde ihnen zurückzahlen, was sie Steinwind, Schatten und mir antaten. Und Meteor. Ihn haben sie ja auch entführt!
Aber eins nach dem anderen. Erst mal ruft das Bier nach mir – danach Fayl.
Und dannnnnn … Oh, ihr Titanenschweine, ihr werdet so was von am Arsch sein!
»Ich bin so was von am Arsch«, stöhne ich und bemühe mich, so ruhig wie möglich auf der unbequemen und nach fauligem Stroh stinkenden Matratze zu liegen.
Mein Schädel dröhnt wie eine Zwergenschmiede, in der lauter Lehrlinge ihre stümperhaften Fähigkeiten üben, und der Geschmack in meinem Mund lässt mich würgen. Was zu einem erneuten Stöhnen führt, da ich mich dadurch bewege.
Scheiße … wie viel habe ich gestern getrunken?!
Ist überhaupt heute Morgen oder ist es immer noch heute? Oder übermorgen? Gestern nicht, das wäre schräg …
Während ich mich zurück in die Welt der Lebenden kämpfe, gleiten bruchstückhafte Erinnerungen vor meinem inneren Auge vorbei.
Die Schenke war gut besucht und der Lärm sowie Gestank fast schon überwältigend nach Wochen der Ruhe und frischen Luft.
Trotzdem haben Steinwind und ich zielsicher einen leeren Tisch gefunden und gleich acht Humpen Bier gegen einen Kräutertrank getauscht. Jeweils drei für Steinwind und mich und einen für Schatten und Lucja, die sich wenig begeistert in der Spelunke umsahen.
Schatten hat seit unserer Ankunft in der Stadt Hort sein Äußeres verschleiert, indem er die Kapuze seines Umhangs, so tief es ging, in die Stirn zog. Das änderte er auch in der Schenke nicht und ich hatte fasziniert beobachtet, wie er das Bier trank, ohne dass der Stoff über seinem Gesicht verrutschte. Wie lange man dafür üben musste, konnte ich nur erahnen, wahrscheinlich wurde einem das in der Schattengilde von Karinth bereits als Kind beigebracht.
Die Vorstellung betrunkener Assassinenkinder hatte einen Lachanfall bei mir ausgelöst, den keiner meiner drei Gefährten nachvollziehen konnte, da ich meine Gedanken nicht laut aussprach.
War mir egal, ich lachte endlich wieder mal und genoss es – so lange, bis ich mich am Bier verschluckte und beinahe an einem Hustenanfall krepiert wäre.
Toller Tod … ersoffen am eigenen Sabber …
Steinwind betrank sich in Rekordzeit so sehr, dass selbst ich darüber erstaunt war. Er lallte irgendetwas von einer Frau, die er wohl am Tresen gesehen hatte, und begab sich auf die Suche nach ihr. Das endete damit, dass er kaum zwei Schritte später flach auf dem ekligen Boden lag, da seine Beine ihm nicht mehr gehorchen wollten. Mit Müh und Not – und Schattens Hilfe – hievte ich ihn auf den Stuhl zurück.
Indes hatte Lucja für uns zwei Zimmer besorgt, die sich dankenswerterweise direkt über der Gaststätte im selben Haus befinden.
Ich nehme an, in einem davon liege ich nun auf einem Bett.
Hoffentlich …
Blinzelnd lasse ich ein paar Lichtstrahlen an mein Auge dringen – und schließe es gleich wieder.
Verdammt noch eins, wie hell kann Licht überhaupt sein? Ich habe das Gefühl, dass es direkt mein Gehirn verbrannte … insofern ich das gestern nicht bereits weggesoffen habe.
Ein weiteres Stöhnen entfährt mir und ich ziehe scharf die Luft ein – was ein erneutes Würgen hervorruft, da ich abermals mit meinem scheußlichen Mundgeruch konfrontiert werde.
So gut es sich auch gestern angefühlt hat, sich die Birne zu füllen … heute bereue ich jeden Schluck, der über den ersten Humpen hinausging.
Ehe ich in einem ewigen Kreislauf aus Stöhnen und Würgen gefangen bin, beschließe ich, all meine Kraft zusammenzureißen und mich aufzusetzen.
Der schlechteste Einfall, den ich je hatte!
Kaum habe ich meinen Oberkörper in die Senkrechte befördert, dreht dieser sich auch schon zur Seite und entleert kurz darauf den gesamten Mageninhalt neben sich.
Ich kann nicht viel mehr tun, als hilflos zu versuchen, meine Augäpfel daran zu hindern, während des Würgens aus den Höhlen zu springen, indem ich die Lider zusammenkneife. Und zu hoffen, dass ich nicht gerade das Bett vollkotze.
Boah, ist das eklig!
Mein Magen rebelliert und mein Darm vermeldet, dass er auch noch Dinge beizusteuern hätte, was mich nun wirklich dazu bringt, die Augen aufzureißen.
Wo verdammt ist ein Nachttopf, wenn man einen braucht?!
Noch immer halb benommen sondiere ich die Umgebung. Als Erstes erscheint ein Sonnenaufgang – nur in meinem Kopf, denn er stammt von Meteor, der sich wohl Sorgen um mich machte. Ich wollte eigentlich vor Schließung der Tore nochmals kurz aus der Stadt, um nach ihm zu schauen, das hat das fünfte Bier jedoch verhindert.
Danach weiß ich eh nichts mehr.
Mit Erleichterung stelle ich fest, dass ich mich tatsächlich in einem Zimmer mit zwei Betten befinde. Neben mir schnarcht Steinwind, der sich splitterfasernackt ausgezogen hat und auf statt unter der Decke liegt, die seine Blöße besser mal bedeckt hätte. Dass er von der Tresen-Frau träumt, kann ich leider nur viel zu deutlich seinem Schritt entnehmen.
Heilige Scheiße, ich bewundere gerade jede Frau, die er jemals zwischen seinen Laken beglückte und die mit diesem Gerät umzugehen wusste.
Na, wenigstens ist mein Kumpel an meiner Seite und es scheint ihm gut zu gehen – etwas zu gut, zugegeben.
Nachttopf!
Ich brauche einen, sonst geschieht gleich ein zweites Unglück.
Neben dem mehr schlecht als recht zusammengezimmerten Kasten namens Bett, auf welchem eine fleckige Matratze aus Stroh liegt, hat sich eine scheußlich stinkende Pfütze meines gestrigen Abendessens gebildet.
Immerhin habe ich den Boden getroffen …
Nachttopf!
Endlich fällt mein Blick auf eine Kommode, auf der sich eine Schale zum Waschen und ein Krug befinden.
Nein, nicht zum Kacken geeignet …
Fieberhaft suche ich weiter den Raum ab – und entdecke einen Topf direkt unter Steinwinds Schlafstatt.
Jetzt muss ich mich nur noch vom Bett erheben.
Es kostet mich all meine Überwindung, mich von der Matratze zu quälen, und die Zeit, bis ich zu Steinwind gelange, kommt mir wie Stunden vor. Endlich kann ich den Topf unter seinem Bett hervorziehen – und würge ein weiteres Mal.
»Du alter Schweinehund … der ist nicht für deine verdammte Kotze gedacht!«, fluche ich.
Bringt nichts, da muss ich nun durch … das Zimmermädchen tut mir jetzt schon leid, das die ganze Sauerei am Ende aufräumen muss.
»Bist du sicher, es war eine gute Idee, die beiden allein zu lassen?«, fragt Lucja, die neben mir durch die Straßen geht.
Wir führen die zwei Pferde am Zügel, um sie zu einem Hufschmied zu bringen und für die weitere Reise fit zu machen.
»Die schlafen doch eh heute bloß ihren Rausch aus«, brumme ich und denke angewidert daran zurück, wie Léthaniel und Steinwind sich gestern Abend die Kante gaben.
Die beiden führten sich auf wie kleine Jungen, die noch nie Alkohol getrunken hatten.
Lächerlich …
Am Ende mussten Lucja und ich sie mit vereinten Kräften in ihr Zimmer verfrachten.
Die Ausrüstung nahm ich sicherheitshalber an mich und habe sie in unserem eigenen Quartier eingeschlossen, ehe wir loszogen. Nicht, dass die beiden Deppen in ihrem Vollrausch noch ausgeraubt werden.
Endlich wieder in einem einigermaßen bequemen Bett zu schlafen, war eine Wohltat – auch, dass Lucja und ich mal nicht vom Schnarchen des Hünen oder anzüglichen Bemerkungen Léthaniels in unserer Zweisamkeit gestört wurden.
Die Nacht ging für meinen Geschmack viel zu schnell vorbei, ich hätte noch gut ein paar Stunden länger in Lucjas Armen liegen können.
Jetzt werfe ich ihr einen raschen Seitenblick zu und erhasche ein Lächeln auf ihren vollen Lippen.
Wie sehr ich diese Frau begehre …
Am liebsten würde ich sie gleich hier in aller Öffentlichkeit an mich ziehen und küssen. Viel zu lange habe ich diese Gefühle in mir unterdrückt und mit umso mehr Vehemenz dringen sie nun an die Oberfläche.
»Was?«, fragt sie und bleibt stehen, um mich ihrerseits zu mustern.
Ihre hellen Augen leuchten förmlich und sie schlägt die Kapuze ihres Umhangs etwas zurück, sodass ihr schwarzer Haaransatz zu sehen ist. Ich habe meine extra tief ins Gesicht gezogen, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf mich zu ziehen. Wir befinden uns immer noch am Rande der Talmeren und mir ist klar, dass Dunkelelfen hier keine willkommenen Gäste sind.
»Nichts«, murmle ich und bleibe ebenfalls stehen.
»Du hast mich mit diesem Blick angesehen«, beharrt sie und legt den Kopf schief, während ihr Lächeln etwas breiter wird.
»Was für ein Blick?« Ich lege die Stirn in Falten.
»Diesem Assassinenblick.«
»Assassinenbl…« Ein leises Schnauben entweicht mir. »Ich bin kein Assassine mehr.«
»Wenn du mich so anschaust, schon.« Sie tritt einen Schritt auf mich zu, sodass ich nur die Hand ausstrecken müsste, um sie zu berühren.
»Wie denn?«, brumme ich.
So langsam wird mir das Gespräch zu blöd. Lucja ist ohnehin die einzige Person, die ich länger als ein paar Minuten in meiner Nähe ertrage – sie sollte meine Geduld nicht überstrapazieren.
»Als wäre ich dein nächstes Opfer«, antwortet sie mit vielsagender Miene.
»Du spinnst.« Ich schüttle den Kopf und weiche ihrer Musterung aus. »Ich würde dir niemals etwas antun.«
»So meinte ich das auch nicht.« Sie kommt noch näher, zieht dabei ihr Pferd mit sich. »Eher Opfer im Sinne von …« Dicht vor mir stellt sie sich auf die Zehenspitzen und überwindet die letzte Distanz zwischen uns, um mich zu küssen.
Obwohl es mir unangenehm ist vor all den Leuten und mitten auf der Straße, genieße ich die flüchtige Berührung ihrer Lippen auf meinen, wünschte, dass sie nicht so schnell wieder von mir ablassen würde.
»In deiner Gegenwart bin wohl eher ich das Opfer«, entgegne ich mit einer etwas zu rauen Stimme, was ihr ein dunkles Lachen entlockt.
»So hungrig, wie du mich gerade angesehen hast, bin ich mir da nicht sicher«, bemerkt sie und zeigt mir ihre blendend weißen Zähne. »Komm, lass uns weitergehen, sonst muss ich wirklich noch befürchten, dass du über mich herfällst.«
»Das werde ich auch – aber erst, wenn wir zurück in der Herberge sind«, murmle ich ihren Rücken an, den sie mir zugedreht hat, da sie weitergeht.
Ob sie mich gehört hat oder nicht, kann ich nicht sagen, denn sie marschiert zügigen Schrittes den Weg entlang, zieht ihr Pferd hinter sich her. Ich beobachte ihre anmutigen Bewegungen, wie sie die Hüften schwingt, was ich trotz des Umhangs, den sie trägt, erkenne.
Diese Frau wird eines Tages mein Grab sein …
Mit einem leisen Seufzen greife ich die Zügel meines Reittieres fester und folge ihr durch die Straßen der Stadt.
»Was soll ich damit?«, blafft mich der Hufschmied an, als ich ihm einen von Gabriellas Tränken entgegenhalte.
Im Gegensatz zu den bisherigen Menschen, denen wir in den Talmeren begegnet sind, spricht er wie alle Bewohner der Stadt Lormisch, die Landessprache von Fayl und Lormir. Sowohl Lucja als auch ich beherrschen diese jedoch fließend.
»Das ist ein Heiltrank«, erkläre ich, so ruhig ich kann.
»Von Euch Dunkelelfenbrut nehme ich gewiss nichts an!«, knurrt der weißhaarige Kerl und spuckt knapp vor meinen Füßen auf den ohnehin schon dreckigen Boden. »Wer weiß, ob Ihr mich nicht vergiften wollt.«
»Jetzt macht mal einen Punkt«, mischt sich Lucja ein und baut sich vor ihm auf. »Wir haben eine lange Reise hinter uns und wollen einfach nur in die Hauptstadt. Dieser Trank heilt all Eure Wunden in Sekundenschnelle, ihr tätet gut daran, ihn als Bezahlung für Eure Dienste entgegenzunehmen.«
»Ich habe aber keine Wunden«, erwidert der Schmied barsch.
»Das lässt sich schnell änd…«, beginne ich, werde allerdings von einem scharfen Blick Lucjas unterbrochen.
»Wie viel wollt Ihr?«, fragt sie in immer noch bewundernswert ruhigem Tonfall.
Ich für meinen Teil hätte ihm schon längst die Fresse poliert. Kerle wie der gehen mir gehörig auf den Sack und das nicht nur, weil er ganz augenscheinlich eine Dunkelelfen-Aversion besitzt.
Der Schmied verschränkt die muskulösen Arme vor der Brust und zieht eine Braue nach oben.
Mir ist klar, dass jetzt ein viel zu hoher Preis folgt, und ich knirsche schon mal warnend mit den Zähnen.
»Zehn Goldstücke«, bestätigt er meine Vermutung.
Lucja lacht trocken auf. »Zehn? Warum? Schmiedet ihr uns direkt neue Pferde?«
»Zehn Goldstücke«, beharrt er. »Oder Ihr und Euer Langohr-Freund könnt Euch verziehen.«
Gerade will ich ihm entgegenschleudern, was für ein Arsch er ist, da gewahre ich eine Bewegung neben dem Eingang der Schmiede, vor der wir stehen, und wende den Kopf in die Richtung.
»Wieder mal am Abzocken von Reisenden?«, ertönt eine junge Männerstimme und gleich darauf löst sich aus dem Schatten ein schlanker Mann, der mit geschmeidigen Schritten auf uns zukommt.
Ich verenge die Augen und mustere ihn, derweil er dasselbe mit Lucja und mir tut.
Womöglich ist er um die zwanzig, höchstens dreißig – sein Alter ist schwer zu schätzen, da er zwar trotz des leichten Bartschattens jung aussieht, aber etwas in seinen Iriden liegt, das dort bereits seit Jahrhunderten verweilen könnte. Die Augen sind ohnehin das, was mir als Erstes auffällt. Eines ist dunkel wie die Nacht und das andere von einer goldenen Farbe, die ich bisher erst bei zwei Personen sah: Elfenkapitän Maryo Vadorís und seinem Freund Raelys Avarí, dem Hauptmann der Königinnengarde der Elfenstadt Westend.
Der Mann trägt eine gut gepflegte schwarze Lederrüstung, die mit Metallteilen verstärkt wurde, und an seiner Hüfte erkenne ich ein edel wirkendes Schwert. Aus dem Zopf, zu dem er sein langes Haar zusammengebunden hat, haben sich einige pechschwarze Locken gelöst und fallen ihm über die Ohren, die spitzer als bei einem Menschen üblich anmuten.
Zu meiner Verblüffung trägt er nicht wie alle anderen Bewohner Altras einen Ring, der seine Elementbegabung verraten würde.
Ein Gildenloser also?
»Ist ja klar, dass du zu Angehörigen deiner Brut stehst«, blafft der Schmied mit einem abschätzigen Schnauben zu dem Fremden.
»Meiner Brut?« Er hebt die Augenbrauen, und ein herablassender Ausdruck erscheint auf seinen Zügen. »Du bist also immer noch das rassistische Arschloch.«
Ich wechsle einen Blick mit Lucja, die ebenfalls überrascht aussieht.
Warum mischt sich dieser Fremde in unsere Angelegenheiten?
In ebendiesem Moment wendet er sich uns zu und legt den Kopf schief. »Ihr habt Glück, dass ich gerade in der Gegend war – kommt, ich bringe Euch zu einem Schmied, der besser ist als der da. Und freundlicher.« Er bedenkt den Mann mit einem vielsagenden Blick, was diesen leise knurren lässt.
Jedoch scheint er sich nicht weiter mit ihm anlegen zu wollen, denn er verwirft die Hände in der Luft und geht zurück in seine Werkstatt.
»Es gibt noch einen weiteren Schmied in der Stadt?«, wendet sich Lucja an den Fremden.
»In der Tat«, erwidert der schwarzhaarige Mann. »Ihr wurdet wahrscheinlich von seinem Schwager hergeschickt, der die Herberge ›Zum erschöpften Troll‹ leitet?« Lucja und ich nicken. »Abzocker, alle beide.« Er zuckt mit den Schultern und geht an uns vorbei, dabei fällt mir auf, dass er fast genau so groß ist wie ich. »Folgt mir«, sagt er und marschiert los.
Lucja und ich wechseln erneut einen Blick.
»Schauen wir uns den anderen Schmied mal an«, meint die Wassermagierin. Sie zieht ihr Pferd hinter sich her, und ich schließe mich ihr an.
»Ihr hättet wenigstens unsere Ersatzkleidung dalassen können«, brumme ich missmutig in meinen Bierkrug, während ich Schatten über den Rand des Gefäßes anfunkle.
Der Dunkelelf hat soeben mein Gepäck auf den Tisch vor mir gedonnert und erwidert meinen Blick mit gewohnt stoischer Miene.
»Konnte ja nicht wissen, dass du dich einkotzt«, bemerkt er mit hochgezogener Braue, wie ich gerade so zwischen seiner Augenbinde und der Kapuze erahne. »Hier, jetzt kannst du dich umziehen.«
Ich murmle eine leise Verwünschung und setze das Gefäß ab, indes ich mich an Lucja wende, die neben mir und Steinwind Platz genommen hat. Mein Kumpel sieht so ramponiert aus, wie ich mich fühle.
Kurzerhand ziehe ich aus dem Bündel ein mehr oder weniger frisches Hemd – zumindest hat es keine Kotzflecken – und tausche es gegen das verdreckte. Dass mich dabei alle halb nackt sehen, ist mir einerlei. Ich mag meinen Körper, und die verstohlenen Blicke einer der Schankmägde verraten mir, dass es ihr ähnlich geht.
»Sind noch Tränke übrig gegen einen Kater?«, frage ich in der Hoffnung, dass die beiden nicht alle Fläschchen gegen Geld eingetauscht haben.
Lucja hebt den Blick und sieht Schatten eindringlich an, woraufhin dieser den Kopf schüttelt.
Was? Seit wann unterhalten sich die beiden telepathisch?!
»Ich werde ihn nicht heilen«, schickt der Dunkelelf dem stummen Zwiegespräch hinterher.
»Wir müssen weiter und das geht einfacher, wenn er nicht in der Gegend rumkotzt«, meint die Wassermagierin lapidar.
Jetzt ist es Schatten, der eine Verwünschung murmelt. Gleich darauf tritt er zu mir und beugt sich herunter. »Gewöhn dich nicht dran«, knurrt er, ehe er mir etwas zu grob eine Hand auf den Kopf legt und ich keine Sekunde später seine heilende Magie durch meinen Körper gleiten spüre.
Eine Wohltat …
»Danke.« Ich knirsche bei dem Wort mit den Zähnen, da es mir gegen den Strich geht, in seiner Schuld zu stehen für etwas, das ich ganz allein verbockt habe.
Während sich Schatten nun Steinwind widmet und auch seinen Kater auf magische Weise verscheucht, wende ich mich an Lucja. »Warum hat das so lange gedauert mit den Pferden?«
Sie hebt den Blick und kramt einen kleinen Lederbeutel hervor, der verdächtig klimpert. »Wir waren erst bei einem Schmied, der viel zu viel verlangt hat. Und dann mussten wir noch die Tränke in Geld umwandeln, was sich als gar nicht so einfach herausstellte.«
»Ein Fremder gab uns einen Tipp«, ergänzt Schatten, der sich ebenfalls an den Tisch setzt, den Steinwind und ich in der Schenke unserer Herberge bezogen haben, nachdem wir mehr schlecht als recht die Treppe heruntergewankt sind.
»Wie nett«, murmle ich und senke die Augen, um ein wenig Gabriellas Tränken nachzutrauern. Es war das Letzte, was wir von ihr besaßen.
»Der Kerl war ziemlich schräg«, bemerkt Lucja und ich hebe den Kopf, um sie wieder anzusehen.
»Schräg? Passt doch zu uns.«
Für meine Worte kassiere ich einen flammenden Blick des Dunkelelfen, tue ihn allerdings mit einem Schulterzucken ab.
»Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, er war ein Halbelf«, sinniert Lucja weiter. »Der erste Schmied ließ eine Bemerkung fallen in diese Richtung.«
»Halbelf?« Mir entfährt ein Grunzen. »Also halb Mensch, halb Elf? Das gibt es nicht – diese beiden Völker können keine gemeinsamen Kinder zeugen.«
»Eben.« Sie verengt die Augen. »Dennoch war etwas an dem Kerl komisch. Er führte uns zum zweiten Schmied, gab uns einen Tipp, wo wir die Tränke verschachern können, und war dann einfach so weg, nannte uns nicht einmal seinen Namen.«
»Einfach so weg?«, wiederhole ich amüsiert ihre Worte. »Sicher, dass ihr nicht einem Geist begegnet seid?«
»Geist oder Halbelf … beides gleich unwahrscheinlich«, kommentiert Steinwind trocken, der inzwischen auch wieder unter den Lebenden weilt.
»Sagte der Halbriese.« Ich lache leise und fange mir nun auch von meinem Freund einen schneidenden Blick ein.
Hui, da sind ein paar Leutchen noch schlechter gelaunt als ich …
»Wie auch immer … wir sollten die weitere Reise besprechen.« Lucja verstaut den Beutel mit dem Geld in ihrer Weste und holt eine Karte hervor, die sie wohl in der Stadt erstanden hat.
Sie breitet das Pergament auf dem Tisch aus und befestigt es mit unseren Bierkrügen, sodass es sich nicht wieder zusammenrollt.
»Also, wir sind in Hort«, sagt sie und tippt auf den schwarzen Punkt, der sich nördlich des Talmerengebirgszuges befindet. »Wir könnten nun nordöstlich in Richtung Zwillings-See reisen, oder«, sie zeigt mit dem Finger eine gerade Strecke nach Norden, »wir gehen hierhin und fahren dann den Rott Richtung Osten auf einem Schiff zum Zwillings-See und von dort zur Hauptstadt Fayl.«
»Ich dachte immer, es heißt ›die‹ Rott?«, werfe ich dazwischen.
Sie bedenkt mich mit einem genervten Blick. »Der Fluss. Daher der Rott.«
»Ach ja? Ich finde aber ›die‹ schöner.«
»Ist doch scheißegal«, brummt Steinwind und nimmt seinen Bierkrug von der Landkarte, um einen Schluck zu trinken, woraufhin Lucja das Pergament mit der Hand davon abhalten muss, sich zusammenzurollen. »Ich bin für Variante zwei, denke, so sind wir schneller als mit den Pferden und können uns auf dem Schiff etwas ausruhen.«
»Dem stimme ich zu.« Schatten nickt, ehe er mich mit seinen roten Augen fixiert. »Und wehe, du fängst auf dem Schiff eine Diskussion wegen irgendwelchen Pronomen an.«
»Du meinst ›irgendwelcher‹«, kontere ich mit einem vielsagenden Grinsen. »Herr Dunkelelf, es heißt ›eine Diskussion wegen irgendwelcher Pronomen‹, nicht irgend…«
»Schnauze, verdammt!«, bellt er ungehalten.
»Warum? Das mit den Pronomen ist doch echt eine Diskussion wert«, erwidere ich schulterzuckend. »Vielleicht muss ich mein ganzes Weltbild überdenken. Heißt es wirklich die Talmeren? Oder nicht eher das Talmeren? Weil es ja auch das Gebirge heißt? Und warum …«
»Hör auf damit, ich hab für so was echt keinen Nerv!«, herrscht mich der Dunkelelf an.
Ich plustere die Wangen auf und lasse die Luft mit einem Schnauben daraus entweichen. »Boah, ihr seid heute vielleicht dünnhäutig.«
Wieder einmal wünsche ich mir, Gabriella wäre an meiner Seite. Mit ihr hätte ich diese Diskussion bestimmt noch eine Weile weitertreiben und mich über die Namensgebung unseres Landes amüsieren können.
Götter, wie ich diese Frau vermisse …
»Also, dann ist es beschlossen.« Lucja rollt die Karte wieder zusammen und verstaut sie in ihrem Beutel, in dem sie die andere Ausrüstung verwahrt. »Wir reiten Richtung Norden bis zum Fluss Rott.« Sie betont das ›Fluss‹ mit einem extra Seitenblick auf mich, und ich verdrehe die Augen. »Danach geht es weiter nach Fayl.«
»Wann brechen wir auf?«, will ich in versöhnlicherem Tonfall wissen.
»Von mir aus heute noch.« Schatten sieht sich in der Schenke um, die zur Mittagsstunde gut gefüllt ist. »Dieser Ort stinkt.«
»Da gebe ich dir recht.« Lucja legt ihre Hand auf seine und der intensive Blick, den die beiden tauschen, lässt mich den Kopf wegdrehen. »Lass uns im Zimmer nachsehen, ob wir wirklich alles Gepäck haben.«
Schatten erhebt sich umgehend und zieht die Wassermagierin mit sich hoch.
»Sie könnten doch einfach sagen, dass sie noch eine Runde vögeln wollen, ehe wir losziehen«, murmle ich, während ich die beiden beobachte, wie sie die Treppen zu den Zimmern hochsteigen.
»Ihr seid wirklich eine spannende Gruppe«, ertönt hinter mir eine melodische Stimme und ich wende mich dem Sprecher zu, der Lormisch redete – um im nächsten Moment meinen Mund davon abzuhalten, nach unten zu klappen.
Jap, ich habe in meinem Leben als Schurke schon so einige zwielichtige Männer gesehen, aber der, der vor mir steht, strahlt eine Verwegenheit aus, die mich umgehend fasziniert. Und das nicht nur, weil er keinen Gildenring trägt.
»Wer seid Ihr?«, frage ich ebenfalls in der Landessprache Fayls und mustere ihn ungeniert, was er mir gleichtut.
Sein Blick aus unterschiedlich gefärbten Augen gleitet erst über mein Gesicht, dann über meinen Körper.
Wüsste ich es nicht besser, würde ich glatt vermuten, meinen Nicht-Lieblingstitanen Daenoros vor mir zu haben, da in seinen Augen etwas aufblitzt, was ich als ›bewundernd‹ bezeichnet hätte. Doch schnell weicht es einer kühlen Distanziertheit und er streckt den athletischen Körper durch, verschränkt die Arme vor der Brust.
»Mein Name ist Davyan, ich habe Euren Freunden geholfen.«
»Ah, Ihr seid also der Kerl, der sie zu einem vernünftigen Pferdeschmied brachte.«
Verstohlen halte ich Ausschau nach einem Anzeichen, dass er ein Halbelf sein könnte, wie Lucja es vermutete. Die Ohren wirken tatsächlich etwas spitzer als bei Menschen üblich, sonst entdecke ich allerdings bis auf die anmutigen Gesichtszüge nichts Auffälliges. Im Gegenteil, er besitzt sogar Bartwuchs, wie die Stoppeln deutlich aufzeigen. Mir wäre noch nie zu Ohren gekommen, dass Elfen Bärte haben. Bei diesem Volk hört die Behaarung unterhalb der Augenbrauen auf.
Ob das für alle Körperpartien gilt?
Hätte ich mein Herz nicht ganz und gar Gabriella verschrieben, hätte ich mir direkt vorgenommen, bei passender Gelegenheit in die nächstbeste Elfenstadt zu reisen, um das mit der Behaarung höchstselbst bei ein, zwei oder drei hübschen Elfenmädchen zu ergründen.
Davyan holt mich mit den nächsten Worten aus meinen Gedanken, die beängstigend schnell vom Thema abgedriftet sind.
»Ja, ich bin der Kerl.« Sein Gesichtsausdruck wird forschender. »Ihr macht hier einen Zwischenstopp?«
Umgehend steigt Skepsis in mir auf. »Warum wollt Ihr das wissen?«
Er legt den Kopf schief. »Neugierde?«
»Neugierde.« Ich lache leise. »Ihr seid erfrischend ehrlich.«
Wieder blitzt in seinen Augen etwas auf, das ich nicht genau benennen kann, seine Züge bleiben indes todernst. »Mit Ehrlichkeit kommt man zuweilen weiter als mit Lügen.«
Dass solche Worte ausgerechnet von einem jungen Mann stammen, der selbst wie ein zwielichtiger Geselle anmutet, lässt mich grinsen.
Irgendwie mag ich den Burschen …
»Kennt Ihr Euch in der Gegend aus?«, hake ich nach.
Womöglich kann er uns ein paar Hinweise geben, worauf wir bei der weiteren Reise achten müssen.
»Kann man so sagen.« Er nickt bedächtig. »Ich stamme nicht aus diesem Ort, hatte aber noch was zu erledigen, ehe ich in die Hauptstadt zurückkehre.«
»Ihr wollt in die Hauptstadt?« Ich wechsle einen Blick mit Steinwind, der bisher unser Gespräch stumm verfolgt hat.
In seinen dunklen Augen erkenne ich Misstrauen, das auch bei mir noch nicht gänzlich verflogen ist.
»Ihr ebenfalls?« Davyan hat den Blickwechsel zwischen uns natürlich mitbekommen.
Ich zögere einen Moment, dann nicke ich. Wenn er aus der Hauptstadt stammt, könnte er uns womöglich noch nützlich werden. Von uns allen war einzig Lucja schon mal dort und das auch vor vielen Jahrzehnten, weit bevor der Umbruch der Magierzirkel das Land spaltete.
»Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt«, bemerke ich und deute auf meinen Kumpel. »Das ist Steinwind, ich bin Léthaniel. Da Ihr unseren Freunden geholfen habt, ist es das Mindeste, dass wir Euch ein Bier zum Dank ausgeben.«
»Das Bier in dieser Spelunke ist das schlechteste von ganz Fayl«, entgegnet Davyan immer noch mit so ernster Miene, als würde er gerade eine Grabesrede halten. »Aber wenn man etwas geschenkt bekommt, sollte man es nicht ablehnen.«
Er zieht den Stuhl zurück, auf dem vorhin noch Lucja saß, und nimmt neben uns Platz. Indes winke ich den Wirt herbei, der den neuen Gast zu kennen scheint, denn er bedenkt ihn mit einem undurchsichtigen Blick, der an Davyan jedoch abprallt.
Auf mein Geheiß bringt er ihm einen Humpen und wir prosten uns zu.
»Freut mich, Euch kennenzulernen.«
»Ebenso«, erwidert der junge Mann.
»Was heißt: ›Er begleitet uns‹?!«, schnauze ich Léthaniel an, der mich stinkfrech angrinst.
»Um bei den Grundlagen unserer schönen Sprache Temer zu starten«, er lehnt sich im Stuhl zurück und verschränkt die Hände am Hinterkopf, »das ist ein Satz und er besteht aus drei Wörtern. Zwei davon sind Pronomen, wie du bestimmt schon selbst festgestellt hast, das andere ist ein Verb. Um genau zu sein …«
Weiter kommt er nicht, denn da habe ich eine meiner Klingen gezückt und halte sie ihm an die Kehle.
Wie schnell er einen Schutzschild zu bilden vermag, überrascht mich zwar, doch gegen meine Schattendolche hat er ohnehin keine Chance. Sie durchdringen auf mein Geheiß alles, selbst magische Barrieren.
Die Dolche sind mit mir verbunden, was auch der Grund war, dass selbst die Titanen sie mir nicht entwenden konnten. Sie finden immer wieder zu mir zurück, gleichgültig wo ich mich aufhalte.
»Boah, bist du miesepeterig – und das, obwohl du gerade da oben deinen Spaß mit Lucja hattest.« Léthaniel zuckt nicht einmal mit der Wimper, obwohl die Spitze meines Dolches bereits durch seinen Schild dringt. »Vielleicht solltest du dich in ›Peter‹ umbenennen? Das ›mies‹ kannst du dir schenken, das sieht man dir eh schon von Weitem an.« Er zieht eine Augenbraue nach oben. »Oder war euer Schäferstündchen etwa nicht ganz so spaßig wie erhofft? Soll ich dir nicht nur in Temer, sondern auch noch in Sachen ›Wie werde ich ein toller Stecher, ganz ohne meine Dolche‹ Nachhilfe geben?«
»Hör auf mit dem Scheiß«, knurre ich und spüre, wie Lucja zu mir tritt. Ihre Präsenz ist so stark, dass ich einmal tief durchatme und mich wieder aufrichte.
Diese Frau vermag allein mit ihrer Anwesenheit, mein überschäumendes Temperament zu bändigen … beängstigend.
Den Dolch behalte ich allerdings in der Hand und deute damit in Richtung des Fremden, der neben Léthaniel am Tisch sitzt und unser Intermezzo aufmerksam verfolgt hat. »Er wird uns nicht begleiten«, stelle ich klar, dieses Mal auf Lormisch, damit der komische Kauz mich keinesfalls missversteht.
Das fehlte noch, dass wir Kindermädchen für irgendwelche Halbstarken spielen müssen, die zu hasenfüßig sind, allein durch Altra zu reisen!
»Ich glaube, Euer Gefährte war nicht ganz deutlich«, kommt es nun von dem schwarzhaarigen Kerl und ich wende ihm den Kopf zu. »Nicht ich begleite Euch, sondern Ihr vielmehr mich.« Er verzieht keine Miene bei den Worten, die er in fließendem Temer gesprochen hat.
»Wie meint Ihr das?«, fragt Lucja, die immer noch dicht neben mir steht.
Der Fremde sieht sie abwägend an. »Ihr wollt in die Hauptstadt Fayl. Zum Zirkelleiter Venero, richtig?«, stellt er eine Gegenfrage.
Lucja und ich wechseln einen Blick.
Warum verdammt kann Léthaniel nicht einmal seine vorlaute Schnauze halten?!
»Ähm, woher wisst Ihr das?«, will in ebendieser Sekunde der Greifenreiter wissen, der seine Arme auf dem Tisch abstützt und sich zum Fremden lehnt. »Das haben wir Euch nicht erzählt.«
»War nicht schwer zu erraten.« Der Mann zuckt mit den Schultern. »Und Eure Reaktion zeigt mir, dass ich richtigliege. Wie auch immer … wenn Ihr zu Venero wollt, seid Ihr bei mir an der richtigen Stelle.«
»Weeeeil …?« Léthaniel macht eine Geste mit der Hand, die zeigt, dass er es ebenso wie wir anderen satthat, hingehalten zu werden.
»Weil ich ihn kenne. Ziemlich gut sogar.« Der Fremde sieht uns alle der Reihe nach an und bleibt an mir hängen. »Überzeugend genug?«
»Woher kennt Ihr ihn?« Ich halte seinem Blick stand und versuche zu ergründen, ob er die Wahrheit spricht oder einfach nur ein guter Lügner ist.
Jetzt wäre Gedankenlesen verdammt nützlich!
Ich nehme mir vor, das demnächst noch intensiver zu trainieren.
»Ihr haltet nichts von Überraschungen, oder?« Er lässt seine ungleich gefärbten Augen blitzen.
»Überraschungen können mich am Arsch lecken«, zische ich und stecke den Dolch wieder ein. »Raus mit der Sprache, oder ich prügle die Antworten aus Euch heraus!«
»Das würde ich zwar gerne sehen, aber danach sind wir beide schmutzig und ich habe meine Rüstung erst gerade sorgfältig geputzt. Also lassen wir das doch«, entgegnet der Fremde seelenruhig.
Dass er glaubt, es mit mir aufnehmen zu können, lässt mich die Augen verengen und ihn eingehender mustern.
Der Kerl ist definitiv mit allen Wassern gewaschen, doch da ist auch noch etwas anderes … ein Geheimnis, das ihn zu umgeben scheint.
Wer ist er?
»Davyan«, sagt er in ebendiesem Moment und sein Gesichtsausdruck wird noch eine Spur dubioser.
Dass er soeben meine Gedanken gelesen hat, ohne dass ich es überhaupt bemerkte, lässt mich zugegebenermaßen aus allen Wolken fallen.
Ist er demnach ein Luftmagier?
So gut es geht, versuche ich, mir meine Verblüffung nicht anmerken zu lassen, die hochgezogenen Augenbrauen Davyans strafen meine Bemühungen Lügen.
Er verschränkt die Arme vor der Brust und lehnt sich zurück. »Dann begleitet Ihr mich also? Nach Fayl?«
Mein Blick wandert zu Léthaniel, der nun weniger überzeugt aussieht als vorhin noch. »Ja«, antworte ich und ernte dafür einen verblüfften Gesichtsausdruck des Greifenreiters.
»Ja?«, hakt er mit hochgezogenen Augenbrauen nach.
Ich nicke langsam. »Unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?« Davyan ahmt die Mimik Léthaniels nach.
»Wenn Ihr es noch einmal wagt, meine Gedanken zu lesen, schlitze ich Euch auf!«
»Das ist keine Bedingung, sondern eine Drohung«, stellt Davyan kühl fest und hebt die Hände, ehe ich etwas entgegnen kann. »Aber ich habe den Punkt verstanden, um den es Euch geht, und akzeptiere ihn.«
Ich schenke ihm nochmals einen flammenden Blick, dann ergreife ich Lucjas Hand und ziehe sie hinter mir her, raus aus der Spelunke. »Komm, ich habe die Schnauze voll von hier«, brumme ich.
»Ihr reitet tatsächlich einen Greif?«, höre ich Davyan kurz darauf sagen, als wir vor den Toren von Hort angelangt sind und uns für die Weiterreise rüsten.
Faszination zeichnet das Gesicht des jungen Mannes, während er Meteor betrachtet, der auf Léthaniels Geheiß hin vor uns gelandet ist. Wirkte er vorhin noch zwielichtig und distanziert, so scheint die Anwesenheit des Greifs Davyan etwas aufzutauen.
»Das tue ich«, bestätigt Léthaniel und schwingt sich auf Meteor, ehe er Lucja die Hand hinhält, um ihr zu signalisieren, dass sie aufsteigen soll.
»Wärt Ihr … würdet Ihr mir gestatten, mitzufliegen?«, fragt Davyan und hält damit Lucja davon ab, Léthaniels Aufforderung nachzukommen.
Sie wendet sich ihm schulterzuckend zu. »Ich könnte auf Eurem Pferd reiten«, meint sie und deutet auf den schwarzen Hengst, den Davyan aus der Stadt mitgenommen hat.
»Er mag keine fremden Menschen«, erwidert dieser bedauernd.
»Meteor ebenfalls nicht«, bemerkt Léthaniel und verengt die Augen.
Die Art, wie er Davyan mustert, zeigt mir, dass er inzwischen nicht mehr ganz so glücklich über dessen Anwesenheit ist. Ein Grund mehr, dem Fremden eine Chance zu geben – wenn Léthaniel sich unwohl fühlt, fühle ich mich umso wohler.
»Ich dachte, du kannst Meteor befehlen, jemanden auf ihm reiten zu lassen?«, sage ich so gleichmütig wie möglich.
Meine Worte verfehlen ihre Wirkung nicht, Léthaniel schenkt mir einen messerscharfen Blick und ich ziehe zur Antwort einen Mundwinkel nach oben.
Mir soll es recht sein, wenn die beiden sich in der Luft befinden – eindeutig weniger Stress hier unten und zudem habe ich Lucja an meiner Seite.
Besser geht es nicht.
Gerade in diesem Moment wünsche ich mir, die Bande einfach sich selbst zu überlassen, zum Drachen zu fliegen, Gabriella zu befreien und mit ihr auf immer und ewig zurückgezogen im Talmerengebirge zu wohnen.
Absolut eine annehmbare Alternative … wäre da nicht mein verfluchtes Pflichtbewusstsein der Herrscherin gegenüber, die uns diesen verdammten Auftrag aufhalste.
Daher atme ich tief durch. »Dann probier mal, ob Davyans Pferd dich aufsitzen lässt«, sage ich an Lucja gewandt. »Falls ja, kannst du mit mir mitfliegen.« Die letzten Worte sind an Davyan gerichtet.
Die komischen Augen des Kerls leuchten, als hätte ich ihm einen Strauß Blumen gepflückt.
Mir graut schon jetzt davor, die nächsten Stunden mit ihm zu verbringen …
Kurz darauf sitzt Lucja tatsächlich auf Davyans Pferd, und ich befehle Meteor seufzend, den Fremden vor mir aufsteigen zu lassen.
Als mein Greif sich in die Luft erhebt, spannt sich alles im Körper des jungen Mannes an, doch kaum sind wir ein paar Minuten geflogen, hat er sich daran gewöhnt und sieht sich staunend um.
»So muss sich ein Vogel fühlen«, stößt er andächtig hervor.
»Oder ein Greif, Drache, eine Harpyie, Fledermaus, Schmetterling, Mücke …«, murmle ich.
»Ihr stammt aus Chakas, oder?« Er wirft mir einen Blick über die Schulter zu.
»Jap.« Ich nicke zur Unterstreichung meiner Worte.
»Ich habe vom Greifenorden schon gehört«, fährt er fort. »Wurdet Ihr dort ausgebildet?«
»Jap.« Mir ist ganz und gar nicht nach einer Fragestunde und das will ich ihm mit meinen kurz angebundenen Antworten zeigen.
Davyan sieht über die hügelige Landschaft, die sich vor uns erstreckt, und verfällt zum Glück für die nächsten Minuten in Schweigen.
Ich beschließe, den Spieß umzudrehen. »Ihr habt Schattens Frage vorhin nicht beantwortet«, bemerke ich.
Er schaut mich erneut über die Schulter an. »Welche? Der Dunkelelf hat ziemlich viele Fragen gestellt …«
»Woher kennt Ihr Venero?«
Davyan zieht einen Mundwinkel nach oben. »Ach, diese Frage.«
»Weicht nicht schon wieder aus«, knurre ich.
»Ist eine längere Geschichte.«
»Wir haben Zeit.«
»Das stimmt wohl.« Davyan atmet leise durch. »Sagen wir so: Ich habe eine Weile im Magierzirkel von Fayl verbracht. Aus … Gründen. Und dabei Venero gut kennengelernt. Ziemlich gut – er lässt die wenigsten an sich ran.«
»Und bei Euch hat er eine Ausnahme gemacht, weil Ihr so unfassbar speziell und besonders seid?«
»So ungefähr.« Er sieht mich erneut über die Schulter an und in seinen Augen erkenne ich keinerlei Regung, die auf meinen Sarkasmus zurückzuführen wäre.
Entweder ist er immun gegen Sarkasmus oder aber der Kerl meint es tatsächlich ernst.
Ich kenne Venero nur von Lucjas Erzählungen – sie hat ihn als eigenbrötlerisch und arrogant bezeichnet. Na ja, auf welchen ehemaligen Zirkelleiter trifft das nicht zu? Allesamt waren sie überhebliche Narzissten, die ihre Macht über Jahrhunderte auf ungesunde Weise auskosteten. Wenn ich da nur an Xenos aus Lormir denke oder Roís aus Chakas … Letzterer war ein bisschen mein Vaterersatz, hat mich unter seine Fittiche genommen und dennoch traute ich ihm nicht über den Weg.
Womöglich besitzen Davyan und ich diesbezüglich Gemeinsamkeiten.
»In welcher Beziehung steht Ihr zu Venero?«, hake ich nach.
»Dafür, dass Ihr keine meiner Fragen richtig beantwortet, seid Ihr aber selbst ziemlich neugierig«, kontert er.
Ich beiße mir auf die Unterlippe. Na gut, da ist was dran … »Was wollt Ihr denn sonst noch von mir wissen?«
»Warum möchtet Ihr zu Venero?«
»Wir … haben einen Auftrag zu erfüllen.« Ich werde ihm nicht die ganze Wahrheit erzählen, dafür kenne ich ihn einfach zu wenig.
»Beinhaltet der Auftrag, ihn zu töten?« Jetzt dreht er seinen Oberkörper so zu mir, dass er mich richtig anschauen kann.
»Was? Nein«, wiegle ich ab.
»Dann ist ja gut, sonst hätte ich Euch hier und jetzt erledigen müssen.« Er wendet sich wieder nach vorn.
»Ähm …« Ich starre perplex seinen Hinterkopf an. »Wie war das?«
Davyan zuckt mit den Schultern. »Ich bin für Veneros Wohl zuständig.«
»Leibwächter?«
»Sozusagen.«
»Na super, hättet Ihr uns auch mal direkt verraten können.« Ich verdrehe die Augen, was er nicht sehen kann.
»Ich habe es Euch jetzt gesagt.«
Mir entfährt ein leises Schnauben. »Um das klarzustellen: Wir sind in friedlichen Absichten unterwegs.«
»Das würde ich Euch auch raten.«
Warum er ständig diesen drohenden Unterton benutzt, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ebenso wenig, weshalb er glaubt, gegen einen Greifenreiter, der obendrein auf seinem Greif sitzt, auch nur den Hauch einer Chance zu haben.
Ich meine, ja, er mag ein zwielichtiger Kerl mit etwas zu spitzen Ohren sein, aber Meteor und ich hätten ihn zehnmal vom Himmel geschmissen, ehe er überhaupt einen Zauber zu wirken vermag. Wenn er nicht das Kunststück beherrscht, sich Flügel herbeizuzaubern, ist er geliefert.
»Seid so gut und verratet mir mal, warum Veneros’ Leibwächter sich am Rande der Talmeren herumtreibt«, brumme ich angepisster als beabsichtigt.
»Wie gesagt, hatte noch etwas zu erledigen.« Er zuckt erneut mit den Schultern.
»Na gut.« Ich schneide hinter ihm eine Grimasse. »Ihr traut mir nicht über den Weg und ich Euch nicht. Dabei können wir es von mir aus vorerst belassen.«
»Na gut.« Davyan zuckt schon wieder mit den Schultern – eine echt blöde Angewohnheit von ihm. Sie gibt mir das Gefühl, nebensächlich zu sein.
Ich wünsche mir Lucja als Reisebegleiterin zurück … apropos …
Mein Blick schweift über die Hügel, die wir hinter uns gelassen haben. »Suchen wir eine Stelle, wo wir am Abend rasten können«, schlage ich in versöhnlicherem Tonfall vor. »Dann fliegen wir zurück zu den anderen und weisen ihnen den Weg dorthin.«
»Nicht weit von hier gibt es eine Ortschaft, die Eure Gefährten in etwa sechs Stunden erreichen können.«
»Klingt gut, somit haben wir den Schlafplatz für den Abend. Fehlt noch eine Stelle, um in Ruhe eine Mittagspause einzulegen.«
Davyan beschreibt mir den Weg zu einem kleinen Weiler, der ihm zufolge ungefähr in der Mitte der Strecke liegt, die wir zu unserem Übernachtungsort zurücklegen. Wenigstens diesbezüglich stellt er sich als wertvolle Informationsquelle heraus – er kennt die Gegend echt gut.
Nachdem ich mich versichert habe, dass der Weiler in Ordnung und die Leute dort freundlich sind, kehren wir zurück zu Schatten, Steinwind und Lucja, die Meteor problemlos ortet.
Wir teilen ihnen die Richtung mit, in die sie zu reiten haben, und fliegen dann wieder ein Stück voraus, um nach etwaigen Gefahren Ausschau zu halten.
Obschon ich anfangs skeptisch war, Davyan als Reisebegleiter zu haben, so versöhne ich mich nach und nach mit diesem Umstand. Er verfügt über wirklich nützliches Wissen bezüglich der Gegend, und auch in den nächsten Tagen stellt er sich als hilfreich heraus, um einen möglichst raschen Weg zum Fluss Rott zu finden.
Mit der Zeit beginne ich sogar, Vertrauen ihm gegenüber zu fassen, da er mich kein einziges Mal verarscht und stets zur Stelle ist, wenn es darum geht, zu helfen.
Er mag seine Geheimnisse haben, aber wer von uns hat die nicht?
Die Gespräche mit ihm verlaufen meist in einem gleichen Muster. Man stellt ihm eine Frage und er weicht aus, nur um gleich darauf mit einer Gegenfrage um die Ecke zu kommen.
Trotzdem bildet er eine Bereicherung für unsere Gruppe, da er nicht nur die Ortschaften kennt, sondern auch einige Leute, die uns mit Proviant und Ausrüstung versorgen.
Mehr als einmal gleiten meine Gedanken zu Damaris.
Inzwischen wird sie in Chakas angekommen sein und sich womöglich gerade im Magierzirkel einleben. Ich bin mir sicher, dass Cilian sie unter seine Fittiche nimmt und ihr alles beibringt, was sie wissen muss. Die nächsten Monate werden für sie kein Zuckerschlecken, aber sie ist taff genug, um die Ausbildung zu meistern, daran zweifle ich nicht eine Sekunde.
Je weiter wir nach Norden gelangen, desto stärker verändert sich die Landschaft. Wir kommen an unzähligen Mohn- und Lavendelfeldern vorbei, die einen betörenden Duft verströmen. Die Gegend ist wirklich einmalig schön. Viele Weinreben zieren die Hügel, das Gras wird saftiger, die beackerten Felder ziehen sich weit über die Ebenen, und die Menschen wirken aufgeschlossener. Selbst Schatten wird nicht mehr so oft schief angesehen, anscheinend sind es die Bewohner gewohnt, allen möglichen Gestalten auf der Durchreise zu begegnen.
Mehr als einmal lädt man uns zu einem kostenlosen Abendessen mit viel Wein ein – hervorragendem Wein, wie ich ihn noch nie gekostet habe.
Nur schon deswegen lohnt es sich, Venero von unserer Sache zu überzeugen, dann kann diese Köstlichkeit auch endlich wieder in die anderen Regionen exportiert werden. Natürlich vermag niemand ein riesiges Land wie Altra komplett zu überwachen – ein paar Händlern gelingt es ab und an, an Wein aus Fayl zu kommen. Aber in großen Mengen ist der Handel mit Fayl-Gütern seit dem Umbruch verboten.
Etwas verwundert über die friedvolle Landschaft bin ich ja schon. Die Herrscherin erwähnte vor unserer Abreise Aufstände, die niedergerungen werden müssten, doch nirgends ist eine Spur von Kämpfen oder Ähnlichem zu erkennen. Wurde sie absichtlich falsch informiert? Auf jeden Fall werden wir sie darüber in Kenntnis setzen.
Nach zwei Wochen kommen wir endlich beim Rott an, der sich als breiter Fluss durch die Gegend zieht. Schon von Weitem entdecke ich zahlreiche Schiffe darauf.
Davyan organisiert uns eine Fahrt mit einem davon und wir verkaufen die beiden Pferde aus den Talmeren an einen Händler. Unser neuer Begleiter behält natürlich seinen Hengst, der ihm ziemlich am Herzen zu liegen scheint. Kann ich nachvollziehen, es ist ein wirklich edles Tier. Nach kurzer Verhandlung willigt unser Schiffskapitän ein, das Pferd im Frachtraum unterzubringen.
Danach geht die Fahrt los in Richtung Osten zum Zwillings-See.
Unterwegs haben wir endlich Gelegenheit, uns etwas von den vergangenen Wochen und Monaten zu erholen. Selbst Meteor begnügt sich damit, die meiste Zeit dösend und zusammengerollt an Deck zu liegen, statt durch die Luft zu pflügen.
Die unvergleichlich schöne Landschaft zieht an uns vorbei, während ich stundenlang auf einer Kiste nahe der Reling sitze und meinen Gedanken nachhänge.
Es kommt mir unwirklich vor, bereits so weit weg von den Talmeren und damit von Gabriella zu sein. Ein Teil von mir will umgehend dorthin zurück, der andere weiß sehr wohl, dass wir erst unseren Auftrag erfüllen müssen.
Dennoch wächst die Sehnsucht nach ihr ins Unermessliche. In der Nacht, wenn ich in meiner Hängematte unter Deck schlafe, höre ich ihre Stimme, spüre ihre Berührungen, ihre Küsse … sehe ihre Augen, die mich mit so viel Wärme betrachten, dass ich schier durchdrehe.
Und dann, wenn ich aus den Träumen erwache, sind da die kalte Nachtluft, der stickige Schiffsrumpf und das Schnarchen der anderen Passagiere, die mich der knallharten Realität zum Fraß vorwerfen.
Scheiße, ich war echt noch nie so verliebt wie in Gabriella …
Ich habe mir inzwischen Pergament und Kohlestifte besorgt und zeichne, wann immer es geht – größtenteils natürlich die wunderschöne Heilerin aus den Talmeren. Aber auch ihre Hütte mit den Bergen rundherum ist eines meiner Lieblingsmotive.
Ich liebe es, Bilder auf Pergament entstehen zu lassen, und es ist besser für meine Gesundheit, als ständig Tabak zu rauchen. Letzteres habe ich dennoch wieder angefangen.
In jeder größeren Ortschaft, in der wir vorbeikommen, verschicken wir Nachrichten an die Herrscherin, um sie über unseren Standort und die Mission auf dem Laufenden zu halten. Ich hoffe, eine davon wird sie erreichen, sodass sie weiß, dass wir die Aufgabe zu Ende bringen.
»Na, in Gedanken an dein Mädchen versunken?«, reißt mich eine tiefe Stimme eines Nachmittags aus ebenjenen, als ich wieder einmal grübelnd auf einer Kiste an Deck des Schiffes sitze und die vorbeiziehende Landschaft anstarre, ohne wirklich etwas davon zu sehen.
Dabei rauche ich die Pfeife, die ich in einer der letzten Ortschaften erstanden habe. Natürlich nur unter Lucjas Protest, die es als einen beschissenen Luxus betitelte, dass ich unser ohnehin schon spärliches Geld für meine Laster wegschmeiße. Doch dank meines Verhandlungstalents und ein paar geschickt platzierter Komplimente der Tabakhändlerin gegenüber ergatterte ich einen saftigen Rabatt, gegen den auch die miesepetrige Wassermagierin am Ende nichts mehr einwenden konnte.
Nun schiebe ich die Pfeife von einem Mundwinkel in den anderen und hebe den Kopf, um meinen Kumpel zu betrachten, der sich mir unbemerkt genähert hat.
Als ich nichts antworte, nimmt Steinwind kurzerhand neben mir auf der Kiste Platz und kratzt sich an der Glatze.
»Auch was?« Er hält mir einen Wasserschlauch entgegen.
Es ist früher Sommer, und die Sonne brennt schon den ganzen Tag auf uns herunter. Nur der leichte Wind, der über den Fluss zieht, schafft etwas Abkühlung.
Ich nicke dankbar und lege die Pfeife neben mich auf die Kiste, bevor ich nach dem Trinkschlauch greife, um einen großen Schluck zu nehmen – nur um hustend auszuspucken. »Boah, du hättest mir sagen können, dass Wein darin ist.« Ich funkle meinen Freund an.
»Da ist Wein drin. Dachte, das ist klar. Wir sind in Fayl.« Er zuckt mit den breiten Schultern.
Ich nehme einen weiteren Schluck, dieses Mal vorsichtiger. Der Wein ist zwar zweitklassig und warm, dennoch tausendmal besser als das Gesöff, das ich normalerweise in Chakas oder Merita getrunken habe.
»Wie geht es dir?«, frage ich an Steinwind gerichtet, als ich ihm den Schlauch zurückgegeben habe und mich wieder meiner Tabakpfeife widme.
In den vergangenen Wochen hatten wir wenig Zeit, in Ruhe miteinander zu reden, da er auf dem Pferd und ich in der Luft unterwegs war. Und abends fielen wir todmüde in irgendein Bett, ins Gras, Laub, Stroh oder auf ein Feldlager.
»Das wollte ich dich auch gerade fragen.« Er grunzt und setzt den Trinkschlauch wieder selbst an, um ebenfalls einen großen Schluck zu nehmen. »War ziemlich viel, was in den Talmeren vorgefallen ist.« Er wirft mir einen Blick von der Seite zu.
»Wem sagst du das …« Ich seufze. »Hast du …« Ich wende mich ihm zu. »Hast du das mit deinen Riesenkräften nochmals probiert?«
Die Frage wollte ich ihm schon des Öfteren stellen, fand aber nie eine passende Gelegenheit dazu.
Steinwind senkt den Blick und nestelt mit den Fingern an dem Weinschlauch herum. »Ich …« Er schüttelt den Kopf. »Ich habe eine Scheißangst davor«, gesteht er leise.
Ich nicke verstehend. Dass er vor mir so etwas zugibt, zeugt davon, wie stark unsere Freundschaft ist. Steinwind zeigt niemals Schwäche – nie. Doch jetzt wirkt er auf mich gerade so zerbrechlich, dass ich ihm am liebsten einen Arm um die massigen Schultern gelegt hätte. Lasse ich natürlich bleiben, das hätte mir höchstens einen Kinnhaken eingebracht, so gut kenne ich ihn.
»War irgendwie einfacher, als ich noch nichts von den Kräften wusste«, fährt er mit matter Stimme fort.
»Nun, vielleicht versöhnst du dich ja doch noch mit deiner Herkunft.«
Er sieht mich erneut an. »Wag ich zu bezweifeln.«
»Für mich bist und bleibst du jedenfalls mein bester Kumpel.« Ich stoße ihn mit der Schulter an. »Egal, was kommt.«
Für ein paar Herzschläge sieht er mich unverwandt an, dann nickt er. »Danke.«
Er reicht mir den Wein und ich trinke nochmals ein paar Schlucke. Der Alkohol beginnt bereits, meine Sinne zu vernebeln, da er viel stärker ist als die verdünnte Brühe, die ich sonst kenne.
Eine Weile sitzen wir schweigend da, während wir den Wein hin und her gehen lassen.
»Wir werden sie befreien«, unterbricht Steinwind irgendwann die Stille.
Ich sehe ihn wieder an. »Gabriella?«
Er nickt. »Sie hat es nicht verdient, bei einem Scheißdrachen gefangen zu sein. Sie hat mein Leben gerettet – und deins.«
»Nein, viel mehr als das«, murmle ich. »Sie hat nicht nur mein Leben, sondern mich gerettet.«
Warum der Zwillings-See Zwillings-See heißt, ist mir noch ein Rätsel, als wir ihn bereits hinter uns gelassen haben. Es ist ein scheißnormaler See mit scheißnormalem Wasser … klar, die Ausmaße sind etwas größer als das, was man sonst so kennt, doch nichts ist dort doppelt.