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Wie hat sich die Welt verändert, Frühjahr 2020: Kantine -geschlossen. Essen an der Uni? Fehlanzeige. Restaurants und Kneipen dicht gemacht. Der Schock über plötzlich leere Regal im Supermarkt sitzt tief. Die Suche nach industriellen Küchenhelfern blieb oft erfolglos. Zu allem Ärger kommt die Einsicht hinzu, dass die eigenen Fertigkeiten am Herd sehr begrenzt sind. Versuche es einmal mit Kartoffeln. Ganz nebenbei: Die Kartoffel ist vegan, modern und schmeckt! Zu banal um hip zu sein? Ganz und gar nicht, so schlicht wie sie ist, so einfach lässt sie sich zubereiten. Das Kartoffel-Lesebuch verbindet Kochen mit Wissenswertem. Schritt für Schritt führt es mit einfachen Rezepten zu viel Genuss auf dem Teller.
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Seitenzahl: 97
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Der Autor bedankt sich bei Gudrun, Beatrice und Rainer für die Unterstützung, sowie bei Hedwig für die historischen Fotos.
Jetzt schlägt deine schlimmste Stunde,
du Ungleichrunde,
du Ausgekochte,
du Zeitgeschälte,
du Gipfel meines Entzückens.
Jetzt kommt der Moment des Zerdrückens
mit der Gabel! - Sei stark!
Joachim Ringelnatz, 1883-1934
aus „Abschiedsworte an Pellka“
Herbststimmung
Plötzlich sind die Regale leer
Verunsicherung?
Nebenwirkungen
Es muss nicht immer Kaviar sein
Safety first
Die inneren Werte
Von schlicht bis wenig Aufwand
Pellkartoffeln
Die Küche ist kein Krisenherd
Kapitel 1: Ein Dutzend „Schlichte“
Rosmarinkartoffeln
Backofenkartoffeln
Sesamkartoffeln
Potato Wedges
Gewürzkartoffeln
Berghütten Kartoffeln
Am Spieß gegrillte Speckkartoffeln
Kartoffel-Tatar
Kartoffelmatten
Petersilienkartoffeln
Reibeplätzchen oder Kartoffelpuffer
Schlichte Bratkartoffeln
Schlicht - und was dazu?
Thunfisch Dip
Curry-Apfel-Dip
Räucherlachs Dip
Schnittlauch Dip
Matjestatar
Senf-Dill-Dip
Das Märchen vom Dickmacher
Am Kiosk im Freibad
Pommes Frites
„Ernteromantik“ an der Mosel
Kapitel 2: Da haben wir den Salat
Schwäbischer Kartoffelsalat
Kartoffelsalat mit Fenchel
Bratkartoffelsalat mit Weißwurst
Blattsalat mit Kartoffel-Croûtons
Kartoffel-Dressing
Kartoffelstampf mit Endivien und Ei
Kapitel 3: „Mittags gestampft“
In Ewigkeit Kartoffeln
Der Klassiker – das Kartoffelpüree
Kartoffel-Sellerie-Püree mit Blutwurst
Kartoffeln, mal literarisch
Kapitel 4: „Suppenhelden“
Ein Süppchen in Ehren
Klare Kartoffelsuppe
Kartoffelsuppe mit roten Linsen
Kartoffelsuppe mit Bratwürstchen
Kartoffel-Lauch-Kaltschale
Rahmige Kartoffel-Sauerkraut-Suppe
Kartoffel-Zwiebelsuppe
Österreichische Erdäpfelsuppe
Kartoffel-Gulaschsuppe
Geflügelfond
Von früh bis spät
Kapitel 5: „Mischen und in ’n Ofen“
Ofen Sahne-Kartoffeln
Geschmorte Soßenkartoffeln
Mediterrane Blechkartoffeln
Backofen Eintopf
Wedges and Chicken
Ofenlachs auf Naturlieblingen gegart
Döbbekooche
Bäckerinkartoffeln
Kapitel 6: Da der Ofen noch glüht - „Potato Joe“
Baked Potato
Baked Potato
Kartoffeln unter der Salzkruste
Eat the American c(d)ream
Guacamole
Kapitel 7: Einen besseren Partner als den Fisch konnte sich die Kartoffel nicht angeln
Graved Lachs
Heringsstipp
Himmel und Erd mal aus der Pfanne
Pannfisch
Feldsalat mit gebratenen Lachswürfeln
Kapitel 8: Vom „Schlaumeier“
Kartoffelsorten und ihre Kocheigenschaften
Kartoffelsorten und ihre Erntezeitpunkte
Kartoffeln perfekt garen
Kräuter zu Kartoffeln sind ein Must-have
Nichts geht verloren
Namensforschung
Die schönsten Redensarten
Über den Autor
Die Dämmerung setzt nun schon zeitiger ein. Gedanklich hängen wir noch am Sommer, für viele wohl die schönste Jahreszeit. Sonniges Wetter, lauschige Abende am Grill mit Freunden, eine ausgedehnte Wanderung zum örtlichen Waldgasthof, entspannen am Badesee, die Radtour. Die Natur überwältigt uns mit wundervollen Farbkontrasten – Klatschmohn und Kornblumen lassen grüßen. Die Fantasie hält uns gefangen.
Aufwachen, der Traum ist vorbei! Anhaltender ungemütlicher Nieselregen macht einem zu schaffen. Ratsch, Ratsch – die Scheibenwischer sorgen im monotonen Takt für etwas bessere Sicht. Dazu ein Herbstwind, der die ersten Blätter von den Ästen rüttelt. Feierabend – auf dem Nachhauseweg meldet sich der Magen: Hunger! Er treibt an, wollen nur noch heim. Die Lust nach etwas Essbarem und Behaglichkeit wird quälend. Endlich! Durchatmen – schon beim Öffnen der Haustür empfängt uns ein sagenhafter Duft. Eine Melange aus gebratenen Zwiebeln und Rauchfleisch, nach ungebremstem Genuss, nach Kindheit und Großmutter. Nichts passt besser zum Herbst als liebevoll zubereitete Kartoffeln.
So war es mal. Dass jemand zu Hause das Abendessen kocht während der Fahrt in den Feierabend, ist die große Ausnahme. Die Wirklichkeit zeigt ein anderes Bild. Gekocht wird heute höchstens am Wochenende. Dann wird Kochen zelebriert. Die Küche verwandelt sich in eine Eventarena.
Im März 2020 herrscht Verunsicherung. Zum Start ins neue Jahrzehnt werden wir ordentlich durchgerüttelt. Plötzlich befinden wir uns alle in einer Krise. Der „Duden“ beschreibt Krise als „schwierige Lage, Situation, Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt“. Die Leiden der Einschränkungen und der Isolation hinterließen Spuren. Wachstum, Konsum, immer schneller, immer mehr? Alles wird hinterfragt. Bei aller Verzweiflung und Angst, mit dem Blick in die Zukunft nehmen wir wahr, was wichtig ist im Leben: Gesundheit, Lebensmittel ohne Skandale, eine Umwelt ohne Schäden, nette Nachbarn, liebe Freunde und eine Familie, die zusammenhält.
Nach Regen kommt Sonne und nach einem Herbst erwarten wir wieder einen neuen Sommer!
Winfried Teck
Ohne sie geht nichts
Seit es Menschen gibt, gibt es die Lust am Essen. Essen ist nicht nur das Zuführen von Kalorien, um zu überleben. Essen ist mehr, Essen ist Genuss. Noch nie konnte man dieser Leidenschaft so vielfältig nachgehen wie heutzutage. Und genau das macht die Sache so kompliziert. Haben wir ausgesucht, so bedeutet das automatisch ein Verzicht auf etwas anderes. Das ist nicht immer so einfach. Früher war man damit zufrieden, gut satt zu sein und dass es schmeckt. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass das, was so einfach war, nicht mehr den Zeitgeist trifft.
Essen als Kunstwerk auf dem Teller? Jedenfalls seit es Smartphones, Instagram, Whatsapp und Facebook gibt, ist nichts mehr so, wie es einmal war. Kaum, dass der „Herr Ober“ den Hauptgang serviert hat, greift man zum Handy statt zu Messer und Gabel und knipst das Seeteufelbäckchen. Die kostenlose Fotoapp optimiert das Bild, Licht, Farbe und Glanz, alles automatisch, und kurz vor dem Nachtisch wird es mit der Welt geteilt. In Echtzeit trudeln die Likes ein. „Lecker!“ „Sieht megalecker aus!“ „Supi, superlecker, ich beneide euch!“ Der arme Seeteufel ist zu einem Exponat mutiert. Auf dem Nachhauseweg ein zufriedener Seufzer - „Ach Schatz, die anderen sollen sehen, was wir uns leisten können“.
Frühsommer 2020, die Welt um uns hat sich verändert. Die Betriebskantine ist immer noch geschlossen. Essen in der Schule oder der Uni? Fehlanzeige, es wird nicht gekocht und das Küchenteam ist zu Hause. Restaurants und Kneipen dicht gemacht. Der Schock über plötzlich leere Regale im Supermarkt sitzt tief. Die Suche nach den „schnellen Küchenhelfern“ wie Nudeln, Reis, Tütensuppen, Trockensaucen und Fertiggerichte, Mehl und Hefe – erfolglos. Alles weg, ausverkauft. Es wird ordentlich eingekauft und weil es in kaum einem Haushalt einen vernünftigen Vorrat gibt, wird entsprechend über den Bedarf hinaus eingekauft. Mit dieser Situation waren nicht nur die meisten Kunden, sondern auch die Liefer- und Beschaffungssysteme des Handels überfordert.
Dass es so gekommen ist, erklärt rückblickend der Ernährungsreport 2018 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Darin ist festgehalten, dass nur 69 Prozent der Deutschen zu Hause etwas selbst Zubereitetes essen. Hingegen sind belegte Brötchen vom Bäcker, das Mittagessen in der Betriebskantine und Besuche im Restaurant fester Bestandteil des Alltags geworden. Ein flexibler Arbeitsalltag und die städtische Lebensart, mit unzähligen Freizeitangeboten, treiben die Entwicklung hin zu mehr Essen außer Haus voran. Der Bericht weist auch darauf hin, dass nicht nur häufig auswärts gegessen wird, sondern auch mehr Geld dafür ausgegeben wird. Wenn alle Futterkrippen zugesperrt sind, kochen wir eben zuhause. Viele tun das auch, aber eben mehr mit Industriefutter. Das Angebot frischer und gekühlten Lebensmitteln, wie Gemüse und Früchte, Fleisch, Geflügel und Milchprodukte blieb stabil. Auch das verwundert rückblickend nicht, denn die Corona-Krise hat die Deutschen als Kochmuffel entlarvt. Seit Jahren ist es bekannt, dass die Fertigkeiten von Mann und Frau am Herd immer weiter sinken. Das stellt viele Menschen nun, wo alles geschlossen ist, vor große Probleme und viele erkennen, dass ihre Kochkünste eher bescheiden sind. Und genau hier bietet das Kartoffel-Lesebuch Hilfestellung, damit zu Hause mit frischen Zutaten gelingsicher und ohne überflüssigen Aufwand zubereitet werden kann.
Bundesernährungsministerin Julia Klöckner sagte bei der Vorstellung des Ernährungsreportes 2020 in Berlin: „Corona verändert auch den Ernährungsalltag der Deutschen. Lebensmittel aus der Region haben an Bedeutung gewonnen. Es ist ein neues Bewusstsein für Lebensmittel entstanden und für die Arbeit derjenigen, die sie produzieren. Diese neue Wertschätzung gilt es, aufrechtzuerhalten". 39 Prozent der Befragten, für den Ernährungsreport gaben an, das für sie die Bedeutung der Landwirtschaft zugenommen hat. Die gestiegene Wertschätzung für Landwirte und deren Arbeit ist sehr erfreulich.
Unser Essen soll die Laune anheben und den Stress abbauen. Ein Trend hetzt den anderen. Snackification, Eating Art, Paleo, Clean – und Urban Eating, vegan, vegetarisch, flexitarisch. Essen soll die Gesundheit fördern, schlank machen, Glückshormone aktivieren. Wo aber ist der kulinarische Leuchtturm, an dem wir uns orientieren können? Vorschlag: Versuchen Sie es einfach mal mit Kartoffeln. Und ganz nebenbei: Die Kartoffel ist vegan, modern und lecker! Zu banal, um hip zu sein? Könnte man meinen. Betrachtet man die kleinen Knollen, wirken sie eher unspektakulär, ohne aufregenden Geschmack, noch besonders begehrenswert. Außerdem musste sie sich, historisch besehen, erst gegen den Willen vieler Bauern durchsetzen. Doch ihre Vielseitigkeit ist sprichwörtlich. Mal wird die Kartoffel im Rezept als Hauptkomponente verarbeitet, ein anderes Mal ist sie nur Nebendarsteller. Clever kombiniert ist sie allemal Genuss-Superfood.
Neben dem Spaß am Herd und dem Vergnügen bei Tisch besitzen Kartoffeln eine ganz wesentliche Nebenwirkung. Kein Arzt oder Apotheker würde davor warnen, im Gegenteil. Sie werden die Inhaltsstoffe einer frischen Kartoffel als wertvoll hervorheben, liefert sie dem Körper mehr natürliche Vitamine, Mineralstoffe und andere wichtige Aufbaustoffe als die bunte Tüte Industriepüree oder die sterilisierten Bratkartoffeln aus einem angeblichen Frischepack. Kartoffeln mit anderen Lebensmitteln zu kombinieren und zubereiten ist einfacher als man denkt. Im Vordergrund stehen Rezepte mit einer unkomplizierten Herangehensweise und der Geschmack, weniger das Kalorienzählen. Ohne Zweifel steht man hier vor einer grundsätzlichen und daher bedeutenden Frage, nämlich: Steht Kalorienzählen im Einklang mit Genießen? Nun, die Antwort könnte so lauten: Nicht die absolute Summe der Kalorien sollte von Bedeutung sein, sondern das Verhältnis der Nährwerte zueinander. Also, woher kommen die Kalorien und wie ist die Zusammensetzung von Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten?
Der Star in der Manege ist die Kartoffel. Dazu gesellen sich frische Kräuter und Gemüse, ein Stückchen Fisch oder Geflügel, gute Öle und nicht zu vergessen, die wertvollen Milchprodukte. Alles Zutaten, die das Wohlbefinden fördern können. Kommen sie aus der Region, umso besser. Ihre Küche wandelt sich vom Krisenherd in eine Wohlfühloase!
Sie ist eine kleingewachsene Knolle, aber mit einer Vergangenheit, die beeindruckt. Auf allen Kontinenten, in fast allen Ländern unseres Planeten bereichert die Kartoffel den Küchenalltag. Zu verdanken haben wir die Superknollen wagemutigen Seefahrern, die beschwerliche und oft gefährliche Seereisen auf sich nahmen, bis sie die andere Seite unserer Erdkugel erreichten. In Südamerika entdeckten die „neuen Herren“, Spanier und Portugiesen, eine Pflanze, deren Knollen sie an Trüffel erinnerten. Aus „Tartuffo“, der spanische Name für Trüffel, so wird überliefert, entstand ihr heutiger Name „Kartoffel“.
Nicht den Knollen galt zunächst das Interesse, als sie Mitte des 16. Jahrhunderts in Europa eingeführt wurde. Als eine der ersten Importe aus dem neu entdeckten Kontinent begann ihr Siegeszug erst einmal als bescheidene Gartenpflanze. Wie Historiker berichten, erfreuten sich die Wohlhabenden jener Zeit an den zierlichen Kartoffelblüten. Fachleute mögen sich darüber streiten, wer die Kartoffel als erster mit nach Europa brachte, wichtiger sind uns die Kartoffeln als abwechslungsstarker Rohstoff im regionalen Zutatenkatalog.
Oft wird Friedrich der Große genannt, wenn es darum geht, die Frage zu beantworten, wer den Anbau der Kartoffeln in Deutschland auf den Weg brachte. Er befahl zwar im März 1756, seine Beamten sollen den Leuten den Kartoffelanbau begreiflich machen, doch erst Krisen und Kriege brachten den Durchbruch. Not und Hunger führten dazu, dass die Kartoffel als Ackerfrucht mehr und mehr an Bedeutung gewann. Als Nothelfer erwarb sich die Kartoffel einen guten Ruf, der ihr Sympathie und Wertschätzung ganzer Völker einbrachte.
Es wurde schnell erkannt, dass die Kartoffeln pro Hektar einen wesentlich höheren Nährwert bringen als Getreide. So konnten die Bauern mehr Menschen ernähren als je zuvor. Pflanzenschutz im heutigen Sinne existierte in diesen Zeiten praktisch noch nicht. Die Gefahr beträchtlicher Ernteeinbußen durch einen