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Saska, das einzige Kind aus der glücklichen Liebesheirat zwischen Lady Margaret Lang, der einzigen Tochter des zweiten Marquis von Langworth mit dem mittellosen Vikar Mervyn Waverley ist eine sehr schöne und intelligente junge Dame, die seit dem Tod der Mutter von der adeligen Verwandtschaft zurückgewiesen wird, da diese die Entscheidung der Mutter nie verstanden hatte. Saskas Kusine, Lady Deirdre Lang, überredet Saska, an ihrer statt nach Schottland zu ihrem Verlobten den sehr reichen Duke von Silchester auf Strathconna Castle zu reisen, um ihm Gesellschaft zu leisten und zu versorgen, da dieser durch einen Jagdunfall erblindet ist und genesen soll. Deirdre selbst will Partys besuchen, die ihr zu Ehren gehalten werden. Saksa stimmt zu, um etwaige Folgen, die ihren Vater betreffen könnten zu vermeiden. Deirdre stattet Saksa mit herrlichen Kleidern aus, die sie selbst nicht mehr braucht, da diese nichts dergleichen besitzt. Saska begibt sich mit der Eisenbahn nach Schottland, wo sie von Talbots Großmutter erwartet wird und herzlich empfangen wird. Kann Saska glaubhaft in die Rolle ihrer Kusine schlüpfen und Talbot überzeugen, dass seine Verlobte ihn am Krankenbett umsorgt? Kann sie ihn mit ihren Erkenntnissen der Heilkunde and gesunden Ernährung zur Heilung verhelfen? Und wird das Licht der griechischen Götter sie beide umhüllen, so daß sie die wahre Liebe erfahren dürfen?
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Seitenzahl: 252
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Das Licht der Götter
Saska ordnete die Blumen im Wohnzimmer, als sie draußen vor dem Haus das Geräusch einer haltenden Rutsche vernahm.
Da ihr Vater und Nanny, die ihnen den Haushalt führte, ausgegangen waren, legte sie die Blumen rasch aus der Hand und Strich sich das Kleid glatt. Dann warf sie einen schnellen Blick in den Spiegel über dem Kaminsims, um zu sehen, ob ihr Haar noch in Ordnung war.
Sie hatte den ganzen Morgen gearbeitet und nicht die Zeit gehabt, auf ihr Äußeres zu achten; sie hoffte, daß es sich bei dem Besuch, der vermutlich ihrem Vater, dem Vikar, galt, nicht um jemanden von Bedeutung handelte. Andererseits gab es nur wenige Menschen im Kirchspiel, die in einer Kutsche fuhren.
Die Farmer benutzten hohe Holzkarren, und der Doktor fuhr im Sommer einen offenen Einspänner, den er im Winter mit einem alten Lederverdeck versah, das ihm einen notdürftigen Schutz gegen das Wetter gewährte.
Doch wer es auch sein mochte, er hatte vor der Haustür angehalten und betätigte nun den Klopfer. Saska eilte aus dem Zimmer in die kleine Halle und sah zu ihrer Überraschung eine Erscheinung in blassem Pink durch die unverschlossene Tür ins Haus treten.
»Deirdre!« rief sie.
»Guten Morgen, Saska«, erwiderte, ihre Cousine, Lady Deirdre Lang.
»Ich nehme an, du bist überrascht, mich zu sehen.«
»Sehr überrascht sogar«, erwiderte Saska. »Ich wähnte dich in London.«
»War ich auch. Bin gestern abend zurückgekommen.« Deirdre betrat vor Saska, das Wohnzimmer und blickte sich naserümpfend darin um. Dann sagte sie in befehlendem Ton: »Schließ die Tür! Ich muß mit dir reden.«
Fragend schaute Saska sie an.
Deirdre war ihre Cousine ersten Grades, sie waren etwa gleich alt. Doch seit sie aus den Kinderschuhen herausgewachsen waren, mußten sie feststellen, daß die Vertrautheit, die früher einmal zwischen ihnen geherrscht hatte, verschwunden war.
Im Gegenteil! Bei den seltenen Gelegenheiten, da Deirdre sie besuchte, wurde sich Saska stets schmerzlich bewußt, wie groß der gesellschaftliche Abstand war, der zwischen ihnen klaffte. Sie war nichts als die arme Verwandte, und Deirdre und ihre Eltern schauten mit nicht zu überbietender Geringschätzung auf den mittellosen Vikar und dessen Tochter hinab. Das war nicht so gewesen, als ihre Mutter noch lebte. Aber sie war vor drei Jahren gestorben, und von dem Augenblick an hatte Saska erfahren müssen, wie unbedeutend die Tochter des Vikars von Little Langworth war - bis auf die eine Ausnahme, daß sie zudem Schirmherrn der Vikarspfründe, dem Marquis von Langworth, Onkel sagte.
Als Lady Margaret Lang, einzige Tochter des zweiten Marquis von Langworth, gegen den heftigen Widerstand des Vaters beschloß, Reverend Mervyn Waverley zu heiraten, wandten sich praktisch sämtliche Verwandten von ihr ab.
»Wie kannst du nur so dumm sein, dein gutes Aussehen und deine gesellschaftliche Stellung einem klerikalen Hungerleider zu opfern?« hatten sie entrüstet gefragt.
Und so hörten sie gar nicht hin, als Lady Margaret ihnen antwortete, daß sie sich unsterblich in den schönsten, liebenswürdigsten und attraktivsten Mann verliebt habe, dem sie je begegnet sie.
Die Empörung der Verwandten war verständlich, denn Lady Margaret war in London ein großer Erfolg gewesen, und es gab zahlreiche angesehene Freier, die um ihre Hand warben.
In der Tat überlegte ihr Vater verzweifelt, ob er bei der Wahl des Schwiegersohns einem Peer aus einem der ältesten Adelsgeschlechter Englands oder einem Baron, dessen Besitz und Vermögen den eigenen Reichtum um ein Vielfaches überstieg, den Vorzug geben sollte.
Doch Lady Margaret erklärte, daß man ihr entweder die Heirat mit dem Mann, den sie liebte, gestattete oder damit rechnen müsse, daß sie mit ihm durchbrenne, was zweifellos einen Skandal heraufbeschwören werde. Nach monatelangen Diskussionen, Tränen und Bitten, die Lady Margaret völlig ungerührt ließen, gab ihr Vater schließlich nach.
Sie heiratete den Erwählten in aller Stille, ohne Glückwünsche und Geschenke, und zwei überglückliche junge Leute bezogen außerhalb des väterlichen Besitzes das kleine Vikariat im Dorf, das zufällig frei geworden war.
Der alte Vikar war im hohen Alter von fast neunzig Jahren verschieden, und der Marquis hatte sich gesagt, daß er als Vater wenigstens dafür sorgen sollte, daß seine Tochter ein Dach über dem Kopf und ihr Mann eine Pfründe bekam.
Dennoch hütete er sich, seinen neuen Schwiegersohn mit materiellen Gütern zu verwöhnen. Armut war der ständige Gast im Vikariat von Little Langworth, und zu einem Luxus irgendwelcher Art reichte das Geld nicht.
Doch all das änderte nicht das geringste daran, daß die beiden Jungvermählten glücklich waren und aneinander genug hatten. Auf ihre Verwandten jedenfalls konnten sie gut und gern verzichten. Daß sie von ihnen weder eingeladen noch im mindesten beachtet wurden, störte sie in keiner Weise.
Erst einige Jahre später mußte Lady Margaret erkennen, daß sie ihre Tochter um alle Vergnügungen betrog, die dieser auf Grund ihrer Abstammung zustanden. Und da ihr Bruder inzwischen der dritte Marquis von Langworth geworden war, erhielten seine Tochter Deirdre und Saska eine gemeinsame Gouvernante.
Für Saska bedeutete dies, daß sie in den Genuß einiger Vorzüge kam, auf die sie vorher hatte verzichten müssen.
Da gab es ein herrliches frühgregorianisches Haus, in dem sie umherstreifen konnte, eine riesige Bibliothek mit unzähligen Büchern zum Schmökern und einen Stall voller Pferde, die ihr und der Cousine zur Verfügung standen.
Die neue Marchioneß jedoch folgte dem Beispiel ihrer Vorgängerinnen. Sie war davon überzeugt, daß Lady Margaret mit ihrer Heirat eine Riesendummheit begangen hatte was sie bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit unmißverständlich zum Ausdruck brachte.
»Immer wenn ich singe: ,Der Reiche auf hohem Roß, der Arme in seinem Troß Gott machte sie hoch oder niedrig..’«, sagte Margaret Waverley eines Tages zu ihrem Ehemann, »muß ich an Alice denken, die sich so viel darauf einbildet, daß Gott sie zu einer Hochgestellten machte, während wir es vorzogen, zu den Niedrigen zu gehören.«
Ihr Mann lachte, sagte jedoch:
»Wenn es dich wirklich beunruhigt, Darling, werde ich um Versetzung in eine andere Gemeinde bitten. Ich bin sicher, der Bischof wird Verständnis für unsere Situation haben und mir eine andere Pfründe zuweisen.«
»Nein, das möchte ich auf keinen Fall«, erwiderte Lady Margaret. »Saska müßte auf alle Vorteile verzichten, die sie jetzt genießt, denn du weißt sehr wohl, daß wir uns die Art von Pferden, die sie reitet, und die Lehrer, die sie und Deirdre unterrichten, niemals leisten könnten.« Sie dachte vor allem daran, wie glücklich Saska über den Musikunterricht war, den die Mädchen von einem sehr begabten Lehrer erhielten. Er war zuvor ein berühmter Musiker gewesen, hatte seinen Künstlerberuf jedoch aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen.
Außerdem war Saska von den Tanzstunden begeistert, die im Ballsaal des Schlosses abgehalten wurden und die es Deirdre, als sie nach London ging, ermöglichten, alle modernen Tänze zu erlernen und sie mit einer Leichtigkeit und Anmut zu tanzen, die sie von Natur aus nicht besaß.
Und zuguterletzt war Saska überaus dankbar für die vielen Bücher in der Bibliothek, denn nichts faszinierte sie so sehr wie Lesen. Und so war sie in Wirklichkeit der einzige Mensch im ganzen Schloß, der von dem gewaltigen Angebot an Lesestoff vollen Gebrauch machte.
»Weißt du, Papa«, hatte sie zu ihrem Vater gesagt, als sie fünfzehn wurde, »der Kurator sagte heute zu mir, ich sei die Einzige, die jemals einen Band der griechischen Klassiker mitgenommen hat. Und ich habe dort viele Titel entdeckt, die du nicht in deiner Sammlung hast.«
Ihr Vater hatte interessiert aufgeschaut.
»Vielleicht könnte ich sie gut für meine Übersetzungen gebrauchen«, sagte er dann.
»Ich werde dir die Titel aufschreiben, Papa«, sagte Saska bereitwillig. »Oder besser noch, ich bringe sie mit nach Hause, damit du einen Blick darauf werfen kannst.«
Eine kurze Pause entstand, bevor der Vikar erwiderte:
»Ich weiß nicht, ob wir uns ohne Erlaubnis deines Onkels Bücher aus der Bibliothek entleihen sollten. Und ehrlich gesagt, bin ich im Augenblick nicht sehr versessen darauf, ihn um einen Gefallen zu bitten.«
Saska lächelte.
Sie wußte, ihr Vater hatte eine Meinungsverschiedenheit mit seinem Schwager wegen des miserablen Zustands der Häuser, in denen die Pensionäre wohnten.
Trotz seines Reichtums konnte der Maquis ungewöhnlich knauserig sein, wenn es sich um Dinge handelte, die nicht ihn persönlich betrafen. Und dabei hatte ihr Vater nachdrücklich darauf hingewiesen, daß sich einige Pensionäre schlimme Gesundheitsschäden zugezogen hätten, weil in ihren Häusern die Dächer undicht waren oder die Türen nicht richtig schlossen.
»Das geht schon in Ordnung, Papa«, beruhigte ihn Saska.
»Der Kurator ist so begeistert darüber, daß ich mich für die Bücher interessiere, die auch er mag, daß ich mir alles entleihen darf, was ich will.«
Sie hörte nicht auf seinen Protest und brachte ihm jedes Buch mit nach Hause, das er für seine Übersetzungsarbeit aus dem Griechischen brauchen konnte.
Der Vikar hatte vor vier Jahren damit begonnen, sein kärgliches Einkommen durch das Schreiben von Büchern ein wenig aufzubessern.
Es handelte sich dabei vornehmlich um Übersetzungen griechischer Klassiker, die bei einem kleinen, aber sehr treuen Kreis von Schülern und Professoren großen Anklang fanden.
»Auch kleine Beträge sind willkommen«, pflegte Lady Margaret zu sagen, die im übrigen stolz darauf war, daß ihr Gatte in Fachkreisen als Experte des griechischen Altertums geschätzt wurde.
Auf Longworth Hall allerdings war man nur an der großen Gesellschaft interessiert, an deren Himmel Deirdre, sowie sie als Debütantin nach London kam, einen kometenhaften Aufstieg erlebte.
Deirdre war nicht nur außergewöhnlich hübsch, sondern sie trug auch Kleider der teuersten Schneidergeschäfte der Hauptstadt. Und sie konnte ihren Einladungen einen so großartigen Rahmen geben, wie es nur dem Besitzer von Longworth House auf dem Berkeley Square möglich war.
Kein Wunder also, daß sich alle Welt um sie bemühte und zahlreiche Gentlemen ihr den Hof machten.
Für Saska bedeutete die Vertreibung aus dem Schulzimmer, daß sich ihr Leben über Nacht völlig veränderte.
Der tägliche Besuch auf Longworth Hall entfiel. Der Unterricht, den sie regelrecht genossen hatte, während Deirde ihn nur murrend ertrug, brach jäh ab. Zu Ende war es auch mit dem Reiten und den Tanzstunden.
Das schlimmste jedoch war, daß es fast unmöglich wurde, ein Buch aus der Bibliothek zu entleihen.
Zwar wäre Mr. Cornwall entzückt gewesen, sie zu sehen, doch um so unangenehmer würde eine Begegnung mit ihrer Tante ausgefallen sein, die von ihr auf eine so erniedrigende Weise einen Grund für ihre Anwesenheit verlangt hätte, daß ein offen ausgesprochenes Hausverbot Saska nicht schmerzlicher hätte treffen können.
Es bedurfte keiner Frage: Nun, da Saska erwachsen war, erwartete man von ihr, daß sie sich von Longworth Hall fernhielt und begriff: Ihr Platz war jetzt im Vikariat und im Dorf.
Ohne die Unterstützung der Mutter war das Herrenhaus zum verbotenen Gebiet geworden. Saska tat gut daran, die Vergangenheit, die so glücklich für sie gewesen war, zu vergessen.
Zum Glück blieb ihr keine Zeit zur Trauer und zum Trübsal blasen, denn zu Hause wartete immer ein gehöriges Maß an Arbeit auf sie.
Mit dem Tod von Lady Margaret versiegte auch die finanzielle Beihilfe, die sie von Longworth Hall erhalten hatten. Saska und ihr Vater mußten nun ausschließlich von dem leben, was die Pfründe und der Verkauf seiner Bücher ihm einbrachten.
Das bedeutete, daß sie sich keine Hausgehilfin mehr leisten konnten. Was Nanny, die inzwischen schon recht alt geworden war, nicht mehr schaffte, mußte Saska übernehmen.
Aber da sie gerne für ihren Vater sorgte, machte ihr das nichts aus. Sie war zufrieden, wenn sie sich am Abend zu ihm ins Studierzimmer setzen und sich mit ihm unterhalten konnte.
Sie hatten beide tagsüber ihre Arbeit, und die Stunden vergingen wie im Flug, bis sie sich am Abend wieder zu einem angeregten Gespräch über geschichtliche Themen treffen konnten, das zuletzt unweigerlich bei den Griechen, deren Kunst, Mythologie und Literatur endete.
Die Kenntnisse ihres Vaters auf diesem Gebiet waren faszinierend, so daß Saska nie genug darüber hören konnte.
Sie versuchte auch, ihrem Vater bei seinen Übersetzungen zu helfen, und fand das passende englische Wort oft schneller als er.
Dennoch war es ein sehr zurückgezogenes Leben, das Saska führte. Vor allem wenn man bedachte, daß sie ein junges Mädchen von achtzehn und außergewöhnlich schön war.
»Wenn Sie mich fragen, Vikar«, hatte Nanny, vor ein paar Tagen unverblümt zu ihm gesagt, »ist es ein schreiendes Unrecht, daß Seine Lordschaft nichts für seine Nichte tut, wo sie und Lady Deirdre sich als Kinder doch so nahestanden.«
Der Vikar blickte von seinem Schreibtisch auf und fragte ein wenig vage:
»Was meinst du damit konkret?«
»Was ich damit meine, Sir, ist ganz einfach. Ich glaube, es wäre nur recht und billig, daß Miß Saska auch einmal zu einem Ball gehen und junge Männer kennenlernen kann, die sie bewundern und ihr den Hof machen, wie sie es bei Lady Deirdre tun. So groß ist der Unterschied bei den beiden nämlich nicht. Im Gegenteil! Schließlich ist Miß Saska das genaue Ebenbild ihrer Mutter, und Lady Deirdre kommt ganz auf ihren Vater. Sie könnten Zwillinge sein, die beiden.«
»Ich gebe zu, eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden«, bemerkte der Vikar und nickte zustimmend.
»Und die würde noch größer sein, wenn Miß Saska etwas Ordentliches anzuziehen hätte«, brummte Nanny. »Ein hübsches Kleid, wissen Sie, nicht immer diese billigen Leinenkittel, die ich ihr nähe.«
Nach einer Pause sagte der Vikar:
»Du weißt, Nanny, daß wir es uns im Augenblick nicht leisten können, Geld für Kleidung auszugeben.«
»Ich weiß, Sir«, entgegnete Nanny. »Aber selbst wenn das möglich wäre, wenn Sie Miß Saska ein Kleid in der Bond Street kauften wo sollte sie es tragen? Die Kohlköpfe im Garten würde sie nicht damit beeindrucken, und die wenigen Dorfbewohner, die am Sonntag in die Kirche kommen, wohl auch nicht.«
Da der Vikar keine Antwort gab, fuhr Nanny fort: »Es ist eine himmelschreiende Sünde, wie sich das hübsche Kind den ganzen Tag hier abplagt und nie einmal zu den Gesellschaften eingeladen wird, die im Großen Haus stattfinden. Ich bin sicher, wenn Ihre Ladyschaft noch lebte, würde sie ein Wörtchen dazu zu sagen haben. Und mir brennt es regelrecht unter den Fingernägeln, Seiner Lordschaft einmal gehörig die Leviten zu lesen.«
Nachdem Nanny ihre Rede beendet hatte, stolzierte sie aus dem Studierzimmer und warf die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zu.
Der Vikar seufzte schwer.
Er wußte nur zu gut, daß Nanny die Wahrheit sagte, doch es gab nichts, was er an diesem Zustand hätte ändern können.
Jedenfalls brachte er es nicht über sich, vor seinem Schwager einen Kniefall zu machen und ihn anzuflehen, Saska zu den Partys einzuladen, die regelmäßig im Großen Haus, wie die Dorfbewohner Langworth Hall zu nennen pflegten, stattfanden.
Erst recht wußte er, daß die Chancen tausend zu eins standen, daß Deirdre Saska jemals dazu auffordern würde, sie während der Saison nach London zu begleiten,
Bedrückt warf er einen Blick auf die Miniatur seiner Frau, die auf seinem Schreibtisch stand. Er fragte sich, ob er in ihren Augen vielleicht einen Vorwurf zu erkennen vermöchte.
»Was soll ich denn tun, Liebste?« fragte er leise. »Das ist auch einer der Gründe, weshalb du mir so schrecklich fehlst und ich mir ohne dich so einsam, und verloren vorkomme.«
Obwohl der Vikar an ein Weiterleben nach dem Tod und ein Wiedersehen mit seiner Frau glaubte, war er sich klar darüber, daß er sie gern jetzt bei sich gehabt hätte.
Die Lücke, die sie mit ihrem Weggang zurückgelassen hatte, schien mit den Jahren immer schmerzlicher und tiefer zu werden, und in jedem Augenblick des Tages wuchsen sein Kummer und seine Verzweiflung über ihren frühen Verlust.
Als Nanny vor Saska wiederholte, was sie dem Vikar gesagt hatte, lachte diese nur.
»Kannst du dir vorstellen, Deirdre würde mich jemals zu einer Party einladen?« fragte sie. »Wir wissen beide, du und ich, daß sie sich meiner schämt, weil ich nur die Tochter eines armen Dorfgeistlichen bin.«
»Irrtum«, widersprach Nanny ihr unerwartet, »Sie ist eifersüchtig auf dich.«
Wieder ließ Saska ein amüsiertes Lachen hören.
»Liebste Nanny, du weißt genau, daß es nichts gibt, weshalb Ihre Ladyschaft eifersüchtig auf mich sein könnte.«
Noch während sie dies sagte, wurde ihr bewußt, daß dies nicht ganz der Wahrheit entsprach. Deirdre war von Natur aus eifersüchtig. Sie neidete jedem alles, was er hatte und was sie nicht besaß.
Sie hatte die Tochter des Friedensrichters um den jungen Mann beneidet, der ihr überallhin folgte und mit keinem anderen Mädchen tanzte als mit ihr. Damals waren sie noch Kinder gewesen und mehrmals zu Kindergesellschaften im Haus des Friedensrichters eingeladen worden.
Auch Saska hatte daran teilgenommen. Meist war Deirdre sehr unfreundlich gewesen, weil ihre Cousine sich auf diesen Partys herrlich unterhielt und nicht zuletzt, weil sie so liebreizend aussah.
Auf einer Heimfahrt sagte sie einmal zu ihr:
»Ich glaube, du produzierst dich zu sehr, wenn du ,Orangen und Zitronen’ tanzt. Außerdem bin ich sicher, du hast die Jungen mit irgendwas bestochen, weil sie sich beim ,Cotillon’ alle um dich reißen.«
»Aber die meisten wollen doch immer nur mit dir tanzen«, sagte Saska und hoffte die Cousine damit zu beschwichtigen.
»Ja, und wenn ich das schönste Kleid auf der Party angehabt hätte, würden sie alle mit mir getanzt haben«, erwiderte Deirdre.
Die Marchioneß hatte sich eingemischt.
»So ist es, Liebling. Madame Yvonne wird dir ein neues Kleid machen, obwohl sie sehr teuer ist.«
Und weil sie entschlossen war, Saska zu erniedrigen, fügte sie hinzu:
»Du solltest deiner Mutter sagen, daß du unbedingt ein anderes Kleid brauchst. Das, was du jetzt trägst, ist dir viel zu eng und auch zu kurz.«
»Ich werde es Mama ausrichten, Tante Alice«, antwortete Saska gleichmütig.
Sie wußte, daß ihr Kleid völlig in Ordnung war und ihre Tante sich nur dafür rächen wollte, daß Deirdre eifersüchtig auf sie war.
Seitdem war eine lange Zeit vergangen. Sie hatte Deirdre fast ein Jahr nicht mehr gesehen. Auch sonst gab es keinerlei Verbindung zwischen ihnen. Das einzige, was Saska über die Cousine erfuhr, hatten ihr die Leute im Dorf erzählt.
Da die meisten Diener, die im Großen Haus beschäftigt waren, aus Little Langworth kamen, gingen die Geschichten über Deirdres gesellschaftliche Erfolge im Dorf von Mund zu Mund. Es gab nur wenige Dinge, die sich in London oder der Grafschaft zutrugen, von denen Saska nichts erfuhr.
Sie hörte, daß bereits einige angesehene Gentlemen ihrer Cousine einen Heiratsantrag gemacht hatten, die Queen ihr bei der Vorstellung im Buckingham-Palast ein besonderes Lächeln geschenkt hatte und man sich hinter vorgehaltener Hand von der Heirat mit einer Persönlichkeit aus dem Hochadel erzählte,
Saska fand all diese Dinge faszinierend, obwohl sie sich ab und zu ein wenig wehmütig wünschte, Deirdre selbst zu sehen und aus ihrem Mund zu erfahren, was es in ihrem Leben an aufregenden Neuigkeiten gab. Und nun war ihr Wunsch in Erfüllung gegangen. In einem Moment, da sie nicht mehr damit gerechnet hatte.
Seltsamerweise war die Cousine zu ihr gekommen. Anstatt sie zu sich nach Langworth Hall rufen zu lassen, hatte Deirdre sich herabgelassen, Saska im Vikariat aufzusuchen.
Wie es nun einmal Saskas Art war, rief sie impulsiv: »Du siehst, wundervoll aus, Deirdre. Ich habe dich noch nie in Pink gesehen, ich muß sagen, es steht dir wirklich ganz ausgezeichnet.«
»Das sagt jeder«, antwortete Deirdre selbstzufrieden. »Doch ich weiß nicht, ob ich in Blau nicht noch besser aussehe.« Sie näherte sich dem Kaminsims und betrachtete sich im Spiegel, wie Saska es vorhin getan hatte, »Gestern abend trug ich auf einem Ball im Buckingham-Palast eine Robe völlig in Grün. Ich hörte später, daß der Prinzgemahl gesagt haben soll, es sei das schönste Kleid im Saal gewesen.«
»O Deirdre, wie wundervoll für dich. Hast du jeden Tanz getanzt?«
»Natürlich«, erwiderte Deirdre, »und eine Reihe sehr eleganter Herren waren äußerst verärgert, als sie feststellen mußten, daß ich völlig ausgebucht war und nicht einmal einen einzigen Tanz für sie frei hatte.«
»Ich glaube, du bist die Schönste auf jedem Ball, den du besuchst.«
»Ja, natürlich bin ich das«, antwortete Deirdre und wandte sich zu Saska um. »Übrigens bin ich zu dir gekommen, weil ich dir ein Geheimnis anvertrauen möchte, das du allerdings niemandem verraten darfst.«
»Du weißt doch: Wenn du mir etwas im Vertrauen mitteilst, schweige ich wie ein Grab.«
Aufgeregt dachte sie: Deirdre will mir etwas anvertrauen. Alles ist wieder so wie in alten Zeiten, als wir uns gegenseitig Dinge verrieten, die niemand, nicht einmal die Eltern, wissen durfte.
»Nimm Platz, Liebes«, sagte sie und deutete auf das Sofa. »Weshalb willst du mich sehen? Ich habe dich sehr vermißt - mehr, als ich dir sagen kann.«
Sekundenlang ließ sich Deirdre dazu herab, überrascht dreinzublicken. Dann erklärte sie:
»Weißt du, ich bin so entsetzlich beschäftigt, Saska. Gestern noch sagte ich zu Mama, daß ich keinen Augenblick mehr für mich selbst habe.«
»Das verstehe ich natürlich«, antwortete Saska. »Und jetzt bist du hier, um mir ein Geheimnis anzuvertrauen?«
Deirdre senkte die Stimme.
»Das Geheimnis ist, daß ich mich mit dem Duke von Silchester verloben werde.«
Saska schaute sie aus großen Augen an.
»Wie aufregend! Wie wundervoll für dich! Liehst du ihn sehr?«
»Der Gedanke, einen Duke zu heiraten, raubt mir den Atem. Stell dir vor, Saska, ich werde eine Ducheß sein und vor Mama zum Dinner gehen!«
»Erzähl mir von ihm! Sieht er gut aus?«
»Ja, sehr. Aber es paßt zu dir, daß du noch nie etwas von ihm gehört hast! Er gehört zu den angesehensten und bedeutendsten Herzogen in England. Er ist Besitzer eines berühmten Rennstalls und hat ein stattliches Haus in Buckinghamshire, das noch viel größer ist als Langworth Hall.«
»Das klingt ja großartig!« rief Saska. »Wann werdet ihr denn heiraten?«
Eine Pause entstand.
Dann erwiderte Deirdre:
»Papa trifft die Vorbereitungen. Zunächst werden wir eine Verlobungsparty geben, zu der wir alle unsere Verwandten einladen und natürlich jeden, der in der Grafschaft Rang und Namen hat.«
»Wann wird das sein?« fragte Saska.
»In etwa drei Wochen. Doch Papa sagt, niemand dürfe vorher erfahren, daß wir verlobt sind, damit die Überraschung um so größer ist.«
»Ich freue mich, daß du es mir verraten hast.« Saska lächelte die Cousine an. »Und du weißt, Deirdre, daß ich dir alles Glück der Welt wünsche.«
Deirdre antwortete nicht darauf, und nach einem Augenblick fragte Saska:
»Stimmt etwas nicht?«
»Alles stimmt«, erwiderte Deirdre. »Es ist nur, daß ich deine Hilfe brauche.«
»Meine Hilfe?«
»Ja, Saska. Du kannst mir helfen, und du darfst mich unter keinen Umständen hängenlassen!«
»Aber natürlich nicht!« versprach Saska. »Ich tue alles, was du von mir verlangst wie ich es immer getan habe, Deirdre.«
»Ich wußte, du würdest das sagen«, erwiderte Deirdre. »Aber nun hör mir genau zu! Es ist nämlich sehr wichtig.«
Saska hatte sich neben der Cousine auf dem Sofa niedergelassen. Deirdre wandte sich ihr zu und sagte:
»Papa erfuhr vorgestern, daß der Duke einen Unfall hatte.«
»Einen Unfall? Wurde er verletzt?«
Deirdre nickte.
»Er weilt in Schottland bei seiner Großmutter. Er trat auf eine Legbüchse.«
»O nein!« rief Saska aus. »Wie schrecklich!«
Sie wußte, wie gefährlich diese Legbüchsen waren. Ihr Vater hatte ihr schon mehrmals deren Mechanismus erklärt und hielt sie für ebenso grausam und verwerflich wie Fangeisen und Fußangeln.
Er hatte Saska erklärt, daß Legbüchsen in Nordengland und Schottland verwendet wurden, im Süden des Königreichs aber weniger gebräuchlich waren. Man fing damit Füchse und Wildkatzen, die auf Enten und Rebhühner Jagd machten.
Kleinere Tiere, wie Kaninchen oder manchmal auch Lämmer, benutzte man als Köder. Wenn dann ein Fuchs, angelockt durch ihr Quieken oder Blöken an der Falle schnupperte, löste sich der Schuß und tötete ihn oder brachte ihm schlimme Verletzungen bei. »Legbüchsen sind reine Tierquälerei« hatte ihr Vater voller Empörung gesagt. »Kein Mensch dürfte solche Folterinstrumente benutzen!«
Er war zornig gewesen, denn er vermutete, daß einer der Wildhüter des Marquis diese Vorrichtung benutzte, nicht nur um Füchse zu fangen und zu töten, sondern auch um Wilddiebe abzuschrecken Es war ihm dann auch tatsächlich gelungen, die Entfernung dieser Selbstschußanlagen auf dem Langworth-Besitz durchzusetzen. Doch zuerst war es zwischen ihm und dem Marquis zu hitzigen Auseinandersetzungen gekommen.
»Du machst dir sicher große Sorgen wegen des Dukes«, sagte Saska nun ein wenig atemlos.
»Ja, er tut mir leid«, antwortete Deirdre. »Doch gleichzeitig habe ich nicht die geringste Lust, nach Schottland zu fahren.«
»Hat er dich denn gebeten, zu ihm zu kommen?«
»Seine Großmutter hat Papa geschrieben und ihn wissen lassen, daß der Duke sehr niedergeschlagen sei. Man mußte ihn operieren, um etliche Splitter aus seinem Körper zu entfernen, und nun hütet er das Bett. Seine Großmutter meint, es wäre sehr nett von mir, wenn ich in den Norden käme und einige Tage an seinem Krankenbett verbringen würde.«
»Es ist eine lange Reise«, erwiderte Saska. »Aber ich bin sicher, daß du die Beschwernisse der Fahrt gerne auf dich nimmst.«
Eine Weile schwieg Deirdre, bis sie sagte:
»Das ist genau der Punkt, Saska. Ich habe keine Lust, nach Schottland zu reisen. Und tatsächlich bin ich im Augenblick auch nicht abkömmlich.«
»Warum nicht?«
»Weil Lord Gerard mich zu einer Party eingeladen hat, die er mir zu Ehren in seinem Haus gibt, das etwa dreißig Meilen von hier entfernt liegt. Ich habe seine Einladung bereits angenommen und denke nicht daran, ihn zu enttäuschen,«
»Aber Deirdre, wenn du den Duke heiraten willst, möchtest du doch bestimmt bei ihm sein, wenn er dich braucht.«
Deirdre schien nach Worten zu suchen, bevor sie antwortete:
»Nein, nein, die Sache mußt du anders sehen. Lord Gerard ist ein sehr guter Freund von mir, und die Party ist schon seit langem geplant. Er veranstaltet einen kleinen Ballabend, sehr intim und in engstem Kreis. Und vorher gibt es einige faszinierende kleine Überraschungen, auf die ich mich schrecklich freue. Ich muß einfach dabei sein. Und mehr noch, ich bin fest entschlossen, mir diesen Spaß nicht entgehen zu lassen.«
Deirdres Stimme hatte einen harten Klang, der Saska nicht verborgen blieb. Und da sie Deirdre sehr gut kannte und man ihr nicht so schnell ein X für ein U vormachen konnte, sagte sie:
»Ich habe den Eindruck, Liebes, Lord Gerard bedeutet dir sehr viel, nicht wahr?« ‘
Sekundenlang glaubte sie, Deirdre würde diese Tatsache abstreiten.
Doch dann sagte die Cousine:
»Ich habe ihn sehr gern, und es ist mein sehnlichster Wunsch, zu seiner Party zu gehen.«
Saskas Augen forschten im Gesicht der Cousine. »Du liebst ihn, Deirdre. Weshalb heiratest du ihn dann nicht?«
»Wie soll das gehen? Der Duke hat doch um meine Hand angehalten«, antwortete Deirdre. »Papa und Mama sind völlig aus dem Häuschen vor Freude, weil ich Ducheß werde. Denk doch an die Position, die ich bei Hofe, auf dem Stammsitz des Duke und überall dort, wo er einen Wohnsitz hat, einnehmen werde.«
Deirdre holte Luft, bevor sie aufgeregt weitersprach:
»Und die Silchester-Diamanten sind berühmt. Es soll sogar ein Diadem geben, das aussieht wie eine Krone.«
»Aber du liebst Lord Gerard!«
»Das brauchst du nicht in einem fort zu betonen«, sagte Deirdre gereizt. »Und selbst wenn ich ihn liebe, wäre es verrückt, wenn ich den Duke abweisen würde. Es würde Papa und Mama zur Raserei bringen. Nein, ich bin fest entschlossen, ihn zu heiraten. Aber ich werde auch zu Harrys Party gehen, weil es das letzte Mal ist, daß ich ihn vor meiner Hochzeit sehen werde.« In Deirdres Stimme klang ein leises Beben. Saska streckte die Hand aus und berührte die Hand der Cousine.
»Und du bist sicher, du wirst mit dem Duke glücklich sein, obwohl du einen anderen liebst, nur weil diese Heirat dir eine hohe gesellschaftliche Stellung einbringt? Wirst du es nicht eines Tages bereuen, Lord Gerard nur dieser Stellung wegen aufgegeben zu haben?«
»Er kann mir nicht genug bieten«, erwiderte Deirdre. »Sein Besitz ist sehr klein, und ich weiß, daß er hoch verschuldet ist. Doch ich will reich sein, sehr reich und eine Ducheß.«
Saska wollte entgegnen, daß ihre Mutter ihren Vater geheiratet und dies niemals bereut habe. Aber sie wußte, Deirdre würde ihr das nicht abnehmen, denn schließlich hatte sie ihr dies in der Vergangenheit oft genug zu verstehen gegeben.
»Wie konnte deine Mutter nur das Leben, das sie früher führte, aufgeben und einen kleinen mittellosen Vikar heiraten?« hatte sie oft genug gesagt.
»Ich habe nie zwei Menschen gesehen, die glücklicher miteinander waren als Mama und Papa.«
»Well, ich für meinen Teil glaube, es war reine Verrücktheit auf seiten deiner Mutter. Mir kannst du nicht einreden, daß sie sich nicht manchmal nach schönen Kleidern, Kutschen, Pferden, Dienerschaft und natürlich nach der Gesellschaft hochgestellter und angesehener Menschen gesehnt hätte.«
Es ist zwecklos, dachte Saska, Mama als Beispiel anzuführen, an dem sich ihre Cousine orientieren sollte. Gleichzeitig jedoch war sie davon überzeugt, daß Deirdre einen Fehler machte, den sie einmal bitter bereuen würde.
»Natürlich besitze ich selbst sehr viel Geld«, sagte Deirdre nachdenklich. »Aber ich habe nicht die Absicht, dieses Geld für einen Mann auszugeben, da ich erwarte, daß ein Mann sein Geld für mich ausgibt.«
»Wenn du heiratest, geht dein Vermögen aber in den Besitz des Mannes über«, sagte Saska. »So jedenfalls will es das Gesetz. Und dann hast du sowieso nichts mehr davon.«
»Doch«, behauptete Deirdre. »Ich werde mich nämlich am Geld des Mannes schadlos halten. Und der Duke ist unermeßlich reich.«
Saska schlug die Hände zusammen.
»O Deirdre, denke doch in Ruhe darüber nach! Ich möchte, daß du glücklich wirst. Ich möchte, daß du wirklich die Liebe findest. Ich hatte immer Angst, du könntest einmal zu einer Ehe gezwungen werden.«
»Na schön«, erwiderte Deirdre. »Ich werde zu dieser Ehe gezwungen. Meine Eltern arrangieren sie für mich. Aber was ist schon dabei? Bedenke die Vorteile, die ich haben werde. Ich werde den Duke heiraten und eine Stellung erringen, die ich bestimmt genießen werde. Aber zunächst werde ich noch zu Harrys Party gehen, und dabei sollst du mir helfen.«
»Und wie?« fragte Saska verwirrt. »Was kann ich tun?«
Deirdre wartete einen Augenblick, bevor sie ganz langsam sagte:
»Du wirst an meiner Stelle nach Schottland reisen und dich um den kranken Duke kümmern.«
»Das ist doch lächerlich!« rief Saska entsetzt. »Er will nicht mich sehen, sondern dich.«
»Genau dieser Wunsch soll ihm erfüllt werden. Jedenfalls soll er das glauben.«
Schweigen.
Dann sagte Saska:
»Das verstehe ich nicht. Erklär mir, wie du das meinst.«
»Du bist aber wirklich äußerst begriffsstutzig«, erwiderte Deirdre ungeduldig. »Ich gehe zu Harrys Party, während du nach Schottland reist und dich als Deirdre Lang ausgibst. Du wirst bei der Großmutter des Duke wohnen und ihm die fiebrige Stirn kühlen. Du tust einfach alles, was eine liebende Braut tut, die am Krankenbett ihres Verlobten weilt.«
»Ich glaube, du hast den Verstand verloren!« rief Saska entgeistert. »Bist du wirklich der Meinung, der Duke könnte mich mit dir verwechseln?«
»Oh, ich hab’ ganz vergessen, dir zu sagen, daß er im Augenblick blind ist.«
»Blind?«