Das Lied von Laendrom -Sinfonie des Schicksals - Lydia Rieß - E-Book

Das Lied von Laendrom -Sinfonie des Schicksals E-Book

Lydia Riess

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Beschreibung

Verrat und Gerüchte haben das Heerlager erschüttert. Dennoch bewegt sich das Bündnis aus Menschen und Naësari unablässig weiter seinem Ziel entgegen: Travahel. Laryana und ihre Freunde müssen jedoch noch einige schwere Prüfungen bestehen, bis alle Steine zu diesem Ziel aus dem Weg geräumt sind. Dabei treffen sie auch auf alte Bekannte - und Feinde. Eine Neuinterpretation des Vampirmythos, eingebunden in eine eigene Fantasywelt. "Sinfonie des Schicksals" ist der Nachfolgeband von "Klänge der Seele" und der vierte Band der Laendrom-Reihe. Der erste Band, "Ouvertüre der Nacht", ist 2014 erschienen.

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Das Lied von

Laëndrom

Buch IV

Sinfonie des Schicksals

 

Von Lydia Riess

 

 

 

 

 

Text und Bild Copyright © 2019 Lydia Riess

Alle Rechte vorbehalten

 

 

 

c/o AutorenServices.de

Birkenallee 24

36037 Fulda

 

 

Kevin, vielen Dank dafür, dass du mich auf den letzten Metern motiviert hast. Doro, danke für deine Ermutigung und Mithilfe. Und danke an alle, die mir geholfen haben, diese Geschichte zu Ende zu bringen.

 

Inhalt

 

I. Sturm

II. Ruhe

III. Risiko

IV. Wunden

V. Bedrohung

VI. Verhandlungen

VII. Wahl

IIX. Überleben

IX. Rettung

X. Urteil

XI. Hinterhalt

XII. Schuld

XIII. Härte

XIV. Verlust

XV. Verständnis

XVI. Fortschritt

XVII. Vertrauen

XVIII. Vorsicht

XIX. Ehre

XX. Geheimnis

XXI. Einfluss

XXII. Versprechen

XXIII. Gemeinschaft

XXIV. Prüfung

XXV. Verantwortung

XXVI. Pläne

XXVII. Konfrontation

XXVIII. Liebe

XXIX. Blut

Epilog

 

 

Das Lied von Laëndrom

 

 

Sind dies des Liedes neue Klänge?

Verkünden sie des Handelns Zeit?

Aus Schatten und aus Schuld erhoben

So wollen wir erneut geloben

Den Mensch zu schützen unser Eid

 

 

In zarten Banden ward gewoben

Ein Bündnis, alt und neu zugleich

Lasst Volk und Volk zusammenstehen

Gemeinsam unsre Banner wehen

Im Kampf gegen das finst’re Reich

 

 

Erneut regt‘ sich der Königsmörder

Erreicht‘ zuletzt der Mutter Herz

Der Hoffnung Melodie verklungen

Ein Trauerlied zuletzt gesungen

Ein Abschied voller Zorn und Schmerz

 

 

Doch blieb die Linie ungebrochen

Die Wurzel tot, der Spross entkam

Die Tochter durch den Schlaf entronnen

Durch Liebe ward der Sohn gewonnen

Der Name rein von alter Scham

 

 

Und Hand in Hand war‘n sie am Werke

Zu bringen Heilung für das Land

Doch wer wird diesen Ruhm erringen

Mit starker Hand den Thron erklimmen

Wenn einst das Blutgeschöpf gebannt?

 

 

Ein Krieg in trügerischen Zeiten

Doch ohne Furcht brennt unser Licht

Wird unser Ruhm erneut erschallen

Wird Wächtervolk für immer fallen

Wenn endlich dieser Tag anbricht?

 

 

Wird dieses Lied von Frieden singen

Erzählt es unsern Untergang?

Des Blutgeschöpfes wildes Toben

Zu enden wollen wir geloben

In Siegeslied und Todesklang

 

 

Lasst eine Sinfonie erklingen

Ein Hoffnungslicht in dunkler Zeit

Der Menschen Welt soll sich erheben

Der dunkle Thron, er soll erbeben

Zur letzten Schlacht sind wir bereit

 

 

 

 

I. Sturm

 

 

 

 

Funken tanzten durch die Luft, als Metall auf Metall traf. Das gewaltige Schwert zuckte zurück wie ein verwundetes Tier, nur um dann erneut zuzuschlagen. Diesmal fand es sein Ziel. Die Klinge verfärbte sich rot, als das Blut seines Gegners wie ein Schleier darüber floss. Ein letztes Flimmern in seinen Augen, dann war es vorbei. Sie hatten gesiegt.

Der Himmel war bedeckt von grauen, schweren Wolken, die Regen und Unwetter versprachen. Schon jetzt hörte er das Grollen des herannahenden Donners, sah das helle Zucken am fernen Horizont wie ein unheilverkündendes Omen. Vielleicht würde der Regen den Geruch von Angst, Blut und Tod fortwaschen. Wenn doch nur das Vergessen so einfach wäre.

Er schaute sich um. Das Schlachtfeld um ihn her war übersät mit Gefallenen. Von manchen war nur Staub geblieben. Dieser Sieg war bitter erkauft gewesen. Eines Tages wird es das wert gewesen sein, dachte er.

„Mein Herr.“ Ein Mann trat an ihn heran. Seine lederne Rüstung war mit Beschlägen verziert und sein Waffenrock wies ihn als Offizier aus. „Wir haben die Flüchtenden gefangen und in Gewahrsam genommen, wie befohlen.“ Mit einer auffordernden und gleichzeitig unterwürfigen Geste bedeutete er ihm zu folgen.

„Habt ihr sie alle aufhalten können?“

„Bis auf ein paar wenige. Sie starben durch das Schwert. Wir haben uns darum bemüht, so viele am Leben zu erhalten, wie es uns möglich war. So wie Ihr es wolltet.“

Er schob das Schwert zurück in die Lederscheide auf seinem Rücken. Das Gewicht des kalten Metalls schien für einen Moment schwerer zu wiegen als sonst, so als trage es die Last all der Seelen, die es an diesem Tag gefressen hatte. Aber hatte es nicht auch Leben gerettet?

Der Hügel, über den der Offizier ihn führte, war kohlschwarz. Ein Feuer hatte hier gewütet. Knochen ragten aus der Asche, blanke Schädel blickten ihn mit weit aufgerissenen Mündern an. Er schloss die Augen. Niemand hatte solch einen Tod verdient. Aber im Krieg gewannen nicht die Edelmütigen, sondern die, die bereit waren, mit allen Mitteln für ihre Sache zu kämpfen.

Sie erreichten eine Ruine. Einst musste hier ein Schloss oder ein Palast gestanden haben. Nur die von Wind und Zeit zerfressenen Marmorstatuen und die verzierten Säulen, die viele Meter in den Himmel ragten und dann plötzlich in unebenen Bruchstellen endeten, zeugten noch von der Pracht, die es einmal besessen haben musste. Noch immer war ein Wappen über dem breiten Torbogen angebracht. Auch dieses war verblasst. „Nichts hält für die Ewigkeit“, flüsterte er. „Wie mächtig es auch erscheint.“

Ein großer Hof eröffnete sich vor ihnen. Er war gefüllt mit Soldaten. Einige standen, andere knieten – Gefangene. Und es waren nicht wenige. Er ließ seinen Blick über sie schweifen. „Das sind alle?“, fragte er den Offizier.

„Alle“, sagte dieser. Er holte tief Luft. „Zieht die Schwerter!“, rief er.

Ein Schauer lief über seinen Rücken beim Klang von dutzenden Waffen, die gleichzeitig gezogen wurden und dann in der Luft verharrten. Es hatte eine bizarre Schönheit an sich, wie ein einstudierter Tanz, eine tödliche Choreografie.

Aber etwas war nicht richtig. „Warum die Schwerter?“, fragte er.

Der Offizier sah auf, eine Frage in seinen Augen. „Um sie hinzurichten, mein Herr.“

Der Schauer ergriff ihn erneut und umklammerte sein Herz, füllte es mit der eisigen Kälte des herannahenden Sturms. Die Augen des Offiziers schimmerten rot, tiefer und klarer als das Blut, das noch immer seine Klinge zierte. Ruckartig flog sein Kopf herum, studierte fieberhaft die Gesichter der Soldaten vor ihm. Rot, rot, rot in all ihren Augen. Und sie alle waren auf ihn gerichtet. Warteten auf seinen Befehl. Den Befehl zu töten.

Einer der Knienden hob den Kopf. Er besaß ein stolzes Gesicht, eines, das viel Leid gesehen hatte und stärker geworden war, anstatt daran zu zerbrechen. „Wir werden nicht um Erbarmen bitten“, sagte der Soldat und fixierte ihn mit stechendem Blick. Seine violetten Augen wirkten ebenso hart wie sein Gesicht, und doch brannte ein lebendiges Feuer darin, die ungebändigte, kraftvolle Hitze eines Mannes, der nichts bereute. „Denn Erbarmen aus Eurer Hand zu erwarten, ist nur Haschen nach Wind. Wir sterben mit reinem Herzen und in Frieden, in dem Wissen, für eine gute Sache gekämpft zu haben. Ihr werdet uns nicht brechen. Wir werden weiterkämpfen. Bis zum Ende.“

„Und dieses Ende wird euch ereilen“, sagte der Offizier. Er hob eine Hand. Die Soldaten hoben ihre Schwerter.

„Halt!“, sagte er, seine Stimme ein tiefes Grollen. „Halt! Senkt die Waffen! Ich befehle es euch!“

Niemand rührte sich.

„Habt ihr nicht gehört?“, rief er. „Ich befehle euch, die Waffen zu senken!“

„Es ist zu spät“, sagte der Offizier. „Die Entscheidung ist schon gefallen, ihr Schicksal längst besiegelt. Und auch Ihr könnt daran nichts mehr ändern. Es ist doch nur das letzte Aufbäumen eines Sterbenden, das Ihr hier erlebt. Auch Ihr werdet das Ende sehen, schon bald wird es kommen.“ Seine Hand fuhr herab.

Er stieß einen Schrei aus, erfüllt von Zorn und Schmerz. Hörte das grauenvolle, dumpfe Geräusch von dutzenden Köpfen, die zu Boden fielen. Der Geruch von Blut erfüllte die Luft, so dicht, dass er ihn beinahe vor sich sah, ein roter, tödlicher Vorhang, der Leben und Tod voneinander trennte. Blut, das an seinen Händen klebte, und kein Sturm würde es je fortwaschen können.

„Warum?“, entfuhr es ihm, als er sich zornig zu dem Offizier umdrehte. Automatisch glitt sein Körper in eine Angriffshaltung, bereit, sich auf den Mann zu stürzen und ihn zu zerreißen. „Warum habt Ihr …“ Die Worte blieben ihm im Halse stecken. Noch immer sahen ihm rote Augen entgegen, doch diese waren anders, kälter, starrer, erfüllt von Stolz, Macht, unbesiegter Stärke – und der Grausamkeit vieler Jahre der ungebrochenen Herrschaft. Sie trafen ihn mit der Kraft eines Hammerschlags, warfen ihn zurück und brachten ihn beinahe zu Fall.

„Vater“, flüsterte er.

Lange Eckzähne funkelten im fahlen Licht, als sich die Lippen des Mannes vor ihm zu einem bedrohlichen und verächtlichen Lächeln kräuselten. „Vater“, wiederholte der Mann, „So hast du mich schon lange nicht mehr genannt. Hast es nicht gewagt. Was hat sich verändert?“

Er schluckte, nahm sich einige Sekunden, um seine Fassung zurückzuerlangen. Keine Schwäche. Er durfte keine Schwäche zeigen. Angst half ihm hier ohnehin nichts. Und er brauchte ihre Warnung nicht. Er richtete sich auf, nahm Haltung an und erwiderte den eisernen Blick entschlossen. „Ich habe mich verändert“, erwiderte er. „Ich weiß, wer ich bin. Ich kann vor meinem Erbe nicht davonlaufen. Aber es ist meine Entscheidung, was ich daraus mache.“

„Und das hier ist deine Entscheidung.“

Er sah zu den Gefallenen. Zu den Soldaten, die noch immer neben ihnen wachten und auf neue Befehle warteten. Er schüttelte den Kopf. „Nein, Vater. Es gab eine Zeit, als ich glaubte, es sei richtig, was wir tun. Es sei das Beste für unser Volk, ja sogar das Beste für die Menschen und dieses Land. Ich wäre gestorben für diese Sache. Jetzt nicht mehr.“

„Nein, du hast nun eine neue Sache. Etwas, wofür du sterben würdest. Und doch hat sich nichts verändert. Sieh genau hin.“

Er blinzelte. Etwas war anders an der Szene vor ihm. Es dauerte einen Moment, bis er begriff. Mit einem Mal strahlten die leeren Augen der Gefallenen im Rot des Blutes, das sie umgab, die Augen der Soldaten hingegen, die ihm noch immer folgsam entgegensahen, leuchteten violett.

„Es hat sich nichts verändert. Du hast lediglich deine Meinung darüber geändert, wer das Leben verdient hat und wer den Tod. Wer recht hat und wer unrecht. Wann wirst du erkennen, dass du noch immer genau dasselbe tust, nur andere Worte benutzt? Dass du bloß eine fehlerhafte Rasse gegen eine andere getauscht hast? Du nennst es Weisheit. Ich nenne es Opportunismus.“

„Ich habe nicht grundlos die Seiten gewechselt.“

„Ebenso wenig hast du zuvor grundlos auf der anderen Seite gestanden.“ Die grausamen Augen musterten ihn. „Sieh es ein, mein Sohn. Dein Weltbild steht auf wackeligen Füßen. Dein Stolz auf deine Sache steht und fällt mit deinem Erfolg und mit dem, was du für dich gewinnen kannst. Ich habe es selbst viele Jahre lang beobachtet, bevor ich meine Entscheidung gefällt habe. Ich habe nie gewankt. Und ich werde es nie tun.“

Er schloss die Augen.

„Wir werden uns wiedertreffen, mein Sohn. Am Ende, wenn du erkennst, dass alles im Sand verläuft, wofür du einmal gekämpft hast. Und du weißt, was dich dann erwartet.“

Sofort riss er die Augen wieder auf. Die Landschaft um ihn her hatte sich verändert. Die verkohlte Ruine war einem edlen Raum gewichen, ausgekleidet mit Marmor. Nur eines war geblieben: der Geruch von Blut, Angst und Tod. Er rannte los, eilte zu der Stelle, die er schon so oft aufgesucht hatte. Vielleicht war er dieses Mal schnell genug. Vielleicht konnte er das Schicksal verändern. Und doch wusste er mit einer erbarmungslosen Gewissheit, dass er auch diesmal zu spät sein würde.

Graues, kaltes Licht erstrahlte, schien durch die bleiverglasten Fenster vor ihm, doch über ihm flammte mit einem Mal ein zweites Licht auf, heller, wärmer. Obwohl er es nicht wollte, sah er nach oben. Ein kunstvoll gearbeiteter, goldbeschlagener Kronleuchter hing dort, besetzt mit unzähligen weißen Kerzen.

Er verlangsamte seine Schritte und ließ sich auf den Boden sinken. Direkt in die Blutlache, die zu groß schien, um von einer einzigen, so kleinen Person zu stammen. Zitternd streckte er eine Hand aus nach dem gekrümmten und bleichen Leib, der inmitten des roten Sees lag, ein geborstenes Schwert noch immer mit einer Hand umklammert. Unzählige blutige Striemen zierten ihre Arme, ihr Gesicht, und ein dunkelroter Fleck in ihrer Seite offenbarte die Wunde, die sie das Leben gekostet hatte. „Geliebte …“, flüsterte er und strich über ihre kalte Wange.

Ihre Lider zuckten, flatterten und hoben sich dann mühsam. Das Licht in ihren Augen schwand bereits. Sie sprach kein Wort, sah ihn einfach nur an. Die Wärme und Zärtlichkeit darin trafen ihn härter, als jeder Vorwurf es hätte tun können. „Ich hätte hier sein müssen“, sagte er. „Ich hätte es verhindern müssen.“

„Das war nicht deine Entscheidung.“ Selbst diese wenigen Worte schienen zu viel für ihren zerbrochenen Körper zu sein. Sie schloss die Augen und regte sich nicht mehr.

Er senkte den Kopf, legte die Stirn auf ihre Brust. „Yana“, wisperte er …

 

 

 

Fareas öffnete die Augen. Der Boden unter ihm war weich. Zu weich. Das Donnergrollen war auch hier, gemeinsam mit einem regelmäßigen Prasseln. Licht zuckte auf, erhellte den Raum. War es das, was ihn geweckt hatte?

Etwas regte sich in seinen Armen.

„‘reas?“

Fareas‘ rasender Herzschlag beruhigte sich mit einem Mal. Wärme breitete sich in ihm aus und vertrieb die Kälte des Traums. Er küsste Laryanas Haar. „Schlaf weiter“, flüsterte er. „Alles ist gut.“

Er schloss die Augen, als sie sich näher an ihn heran schob und den Kopf an seine Brust lehnte. Sanft festigte er den Griff um sie. Ihre Haut war warm. Beinahe schon zu warm. Aber es war ein vertrautes Gefühl. Ein gutes Gefühl. Schweigend lauschte er ihren Atemzügen, bis sie wieder leise und regelmäßig wurden. Es wurde Zeit für ihn, aufzustehen. Doch er wollte hier noch ein wenig verweilen. Wenigstens noch ein paar Minuten.

Erneut zuckten Blitze vor dem Fenster auf und leuchtete durch den Schlitz zwischen Vorhang und Fenster, so grell, dass er fast schon glaubte, sie hätten das Gebäude getroffen. Er schirmte seine Augen mit einer Hand ab, trotzdem sah er, wie die hellen Lichtbögen sich innen auf seinen Lidern abzeichneten. Er mochte solche Naturgewalten. Aber für die empfindlichen Augen eines Naësaru konnten sie schmerzhaft sein.

Der Donner ließ nicht lange auf sich warten. Laryana regte sich kurz, erwachte jedoch kein zweites Mal. Sie hatte vermutlich zu viele Nächte im Freien verbracht, um sich von einem Gewitter den Schlaf rauben zu lassen.

Noch einmal küsste er sie, vorsichtig, um sie nicht doch zu wecken, dann legte er behutsam die Decke um sie und erhob sich von dem Bett. So leise wie möglich zog er die Vorhänge beiseite.

Obwohl er inzwischen einige Nächte unter freiem Himmel verbracht hatte, war er es gewohnt, mit verdeckten Fenstern zu schlafen, wenn er sich in einem Gebäude befand. Laryana hingegen hasste es, so blind zu sein – das Ergebnis jahrelanger Nächte auf der Flucht in der Wildnis. Sie hatten sich auf den Kompromiss geeinigt, dass sie zumindest die schweren Holzläden wegließen, die außen am Gebäude auf sehr provisorische Weise angebracht worden waren. Zusätzlich öffnete er die Gardinen, wenn er aufstand. Es war manchmal ein unbequemer Kompromiss, aber er funktionierte. Und Kompromisse gehörten dazu, wenn man mit einem Menschen verheiratet war.

Er starrte nach draußen, während er sich anzog. Es war dunkel. Selbst der Mond schaffte es nicht durch die dicke Wolkendecke. Schon seit Tagen wütete dieses Unwetter. Stürme waren nichts Ungewöhnliches in dieser Gegend und zu dieser Jahreszeit. Wahrscheinlich hatten sie Glück im Unglück, dass es sie getroffen hatte, als sie in Eisenberg angekommen waren. Nun saßen sie hier fest.

Er blickte über die Schulter und lächelte. Nicht alles daran war schlecht.

Lautlos verließ er das Zimmer.

 

 

 

Asnera knüllte den Bericht zu einem festen Ball und schleuderte ihn gegen die Zeltwand. Ein dumpfes, eher unbefriedigendes Klatschen erklang, dann rutschte das Papier an der Stoffbahn herab und blieb liegen. Zornig starrte sie es an, griff nach der Tasse neben sich auf dem Tisch und holte aus. Eine Bewegung in ihrem Augenwinkel ließ sie im letzten Moment die Wurfbahn ändern. Harod wich erschrocken beiseite, als die Tasse mit lautem Klirren an dem Balken zerschellte, der die rechte Seite des Eingangsbereichs stützte.

Harod betrachtete die Scherben zu seinen Füßen und wischte geistesabwesend ein paar Tropfen von seiner Wange. Anscheinend war doch noch etwas Tee in der Tasse gewesen.

„Klärt mich auf: Richtete sich diese Attacke gegen mich oder gegen die Tasse?“

Asnera warf die Hände in die Luft und stieß einen Laut aus, der irgendwo zwischen einem Stöhnen und einem Knurren lag. Dann ließ sie sich auf einen der Stühle fallen, stützte die Ellbogen auf den Besprechungstisch und legte den Kopf in ihre Hände. „Verzeiht, Harod“, murmelte sie.

Der Heerführer schob die Überreste der Tasse mit dem Fuß an den Zeltrand, dann zog er einen der Stühle unter dem Tisch hervor und ließ sich langsam darauf nieder, den Blick auf die Heerführerin gerichtet. Behutsam stellte er seine eigene Tasse auf den Tisch und schob sie herüber zu Asnera.

„Was soll ich damit?“

„Ich dachte, Ihr bräuchtet vielleicht noch mehr Munition.“

Sie hob den Kopf. Kalte Flammen tanzten in ihren Augen.

Der Heerführer grinste, dann fielen seine Mundwinkel wieder herab. Erst jetzt bemerkte sie, wie müde er aussah. Wie grau sein Gesicht war. Er zog die nasse Kapuze von seinem Kopf. Das dunkle Haar darunter war feucht.

„Ihr habt den Bericht ebenfalls gesehen“, schloss sie.

Harod nickte. Und zuckte zusammen, als ihre Faust krachend auf den Tisch herabsauste.

„Sie haben nichts gefunden!“, fauchte sie. „Gar nichts! Das kann einfach nicht sein!“

„Sie haben ein Schlachtfeld im Norden gefunden“, korrigierte Harod und betrachtete mit vorsichtiger Skepsis ihre Faust, bevor er sich die müden Augen rieb. „Hunderte Tote auf beiden Seiten, die meisten von ihnen Menschen. Taerim hat bis zuletzt nicht aufgegeben, aber sie waren in der Unterzahl. Nichts, was wir nicht erwartet hätten, nachdem ihr Mesarams Erinnerungen gesehen habt.“

Das stimmte. Dennoch, es nun wirklich schwarz auf weiß zu lesen, war etwas anderes. Asnera erinnerte sich an den Schmerz in Mesarams Augen. Er hatte es gewusst. Hatte mitgewirkt bei der Täuschung, die sie dazu gebracht hatte, Taerim und einen Teil des Heers nach Norden zu schicken. Es hatte ihn fast zerrissen. Aber seine Reue war zu spät gekommen. „Und das Trainingslager der Menschen ist verlassen, selbst die Frauen und Kinder sind fort. Wir wissen nicht, wie viele von ihnen nun unterwegs sind, und vor allem wohin. Welche Rolle sie in all dem gespielt haben. Ob es Überlebende auf unserer Seite gibt und was aus ihnen geworden ist. Ein ganzes Heer, einfach vernichtet, und wir wissen nichts!“

„Wir wissen genug. Teneris wollte unser Heer auseinanderreißen und schwächen. Was ihm auch gelungen ist. Jetzt müssen wir uns überlegen, wie wir weiter vorgehen. Besonders in Anbetracht dessen, was wir von Mesaram erfahren haben.“

Asnera betrachtete Harod. Ein seltsames Einverständnis herrschte zwischen ihr und dem verbliebenen Heerführer der Menschen, seit sie die Bestätigung bekommen hatten, dass Taerims Heer nicht mehr existierte – inklusive des Heerführers selbst. Er und Harod waren langjährige Freunde gewesen, und auch sie hatte Taerim sehr zu schätzen gelernt. Ihre Anteilnahme an dem Tod so vieler, obwohl nur eine Handvoll ihrer eigenen Leute umgekommen waren, schien Harod zu beeindrucken. Ein eigenartiges Bündnis, geschmiedet aus Tod und Schmerzen.

Nicht zuletzt waren sie die letzten beiden verbliebenen Heerführer, bis Fareas und Laryana zurückkehrten. Sie hatten es noch nicht gewagt, nach Nachfolgern für Mesaram und Taerim zu suchen, solange das Ausmaß von Mesarams Verrat noch ungewiss war.

Asnera verzog das Gesicht, als das Prasseln auf der Zeltplane über ihr lauter wurde. Der Regen war zu Hagel geworden. Sie hatte den Winter noch nie sonderlich gemocht, und dieser schien besonders früh kommen zu wollen. Selbst ein Naësaru begann irgendwann zu frieren. Und im Winter war alles grau und tot.

„Die Spione haben vorgeschlagen, die Gefallenen zu verbrennen und einen Gedenkstein zu errichten“, sagte sie schließlich. „So ist es üblich bei unserem Volk. Ich hoffe, dies ist in Eurem Sinne?“

Harod zog seine Tasse an sich und umschloss sie mit beiden Händen. „In Zeiten wie diesen ist das wohl die einzige Ehre, die wir ihnen zukommen lassen können.“

„Wir könnten Taerims Leichnam ins Heerlager bringen lassen und von dort aus zu seiner Familie nach Nisirta.“

„Nein. So gerne ich meinem Freund auf diese Weise Respekt zollen würde, es wäre zu gefährlich, ihn durch dieses Gebiet zu transportieren. Und er würde das nicht wollen. Er hat immer betont, dass er nur ein Soldat wie alle anderen war.“ Harod trank einen Schluck seines Tees und starrte dann mit leerem Blick in die Tasse.

„Manchmal ist es nicht verkehrt“, bemerkte Asnera. „Die Soldaten brauchen jemanden, zu dem sie aufschauen können. Deshalb werden Könige und Königinnen ehrenvoll und in einer großen Zeremonie begraben. Zumindest war es so in Travahel. Ich erinnere mich noch allzu gut an das Begräbnis meines Großvaters.“

Harod hob die Brauen, wandte den Blick jedoch nicht von seinem Tee ab.

„Was?“

„Nichts. Ich vergesse nur manchmal, wie alt Ihr seid.“

„Charmant.“

Sie erntete nur ein weiteres halbherziges Grinsen von Harod. Es war schwermütiger als sonst. Wie viele Freunde hatte er wohl schon in diesem Krieg verloren?

„Also, was genau ist unsere Situation?“

Sie richtete sich auf. „Ich habe es Euch doch erklärt.“

Wieder dieses Grinsen. „Ihr habt mir ein paar Wortfetzen vor die Füße geworfen und seid dann losgerannt, um alle möglichen Dinge zu regeln, während ich versucht habe, in meinem Teil des Heeres die Strukturen so zu ordnen, dass wir Mesarams Tod und Verrat noch eine Weile geheim halten können. Jetzt wird es Zeit, das weitere Vorgehen zu planen. Und dafür brauche ich mehr als vage Worte.“

Asnera seufzte tief. „Na schön, lasst es mich auf den Punkt bringen: Teneris hat auf einen Schlag unser Heer schmerzhaft dezimiert – allerdings nicht genug, um einen Angriff gegen Travahel unmöglich zu machen, sollten wir diesen Pass in das Tal finden, auf den die Karte in Tanehu hinweist. Es wird lediglich schwieriger. Auf dem Crudall-Pass im Tornugebirge befindet sich ein Heer von Cruem, das von Norden her in Richtung Nisirta zieht und die Stadt in wenigen Wochen erreichen wird. Zudem haben wir von einem Lager im Südwesten nahe Nisirta erfahren, in dem die Cruem Katapulte bauen, vermutlich, um Nisirta damit anzugreifen. Allerdings sind die Silbergrenzen der Stadt großzügig gesetzt, und selbst mit Katapulten aus dem widerstandsfähigen Nablu-Holz, das sie im Norden abgeholzt haben, würden sie die Stadt wahrscheinlich nicht erreichen. Und selbst wenn, was würde es ihnen bringen, die Mauern zu durchbrechen? Sie kommen ja nicht über die Grenze. Deshalb haben wir uns zunächst keine großen Sorgen gemacht. Das ganze Bild verschiebt sich jedoch, wenn man das hinzunimmt, was wir von Mesaram erfahren haben.“

Harod stützte die Arme auf den Tisch und beugte sich vor. Anspannung lag in seinen Zügen. „Süden. Er sagte Süden. Was genau geht dort vor sich?“

Die Naësara holte sich noch einmal die Bilder vor Augen, die Mesaram ihr gezeigt hatte. Er hatte im Sterben gelegen und es waren kaum mehr als Erinnerungsbruchstücke gewesen. Aber sie hatten ausgereicht. „Wir hatten uns gewundert, warum Teneris das Heerlager gerade mit Menschen angreifen ließ, um sich befreien zu lassen. Wir hatten durch die Spione bereits von den entvölkerten Dörfern gewusst und uns gefragt, was mit den Bewohnern geschehen war. Durch Erion in Taris haben wir von Menschen erfahren, die aufgrund ihres treuen Dienstes für die Cruem von ihnen verwandelt werden, auch wenn sie kein hellblondes Haar besitzen. Der Orden setzte beides für uns zusammen und erklärte uns, Teneris würde nicht nur Menschen als Soldaten in seinen Dienst zwingen, indem er ihre Familien als Druckmittel gefangen hält, sondern auch Verwandelte aus ihren eigenen Reihen einsetzen, um sie zu kontrollieren. Teneris konnte nicht wissen, dass wir all das bereits herausgefunden hatten, so dachten wir zumindest bis zu Mesarams Verrat. Fareas glaubte also nicht grundlos, Teneris habe die Menschenheere früher als beabsichtigt offenbart und uns somit die Chance gegeben, dieser neuen Entwicklung noch entgegenzusteuern. Teneris wusste allerdings ganz genau, was er tat. Denn mit all dem hat er unser Augenmerk allein auf den Norden gerichtet. Er hat uns glauben lassen, es wäre das einzige Lager. Aber es ist nur jenes, das er uns finden ließ. Um uns von dem abzulenken, was er schon viel länger im Süden vorbereitet. Und wir sind darauf hereingefallen. Haben ihm unsere Truppen regelrecht zum Fraß vorgeworfen.“

Harods Augen weiteten sich. „Was habt ihr in Mesarams Erinnerung gesehen?“

„Ich sah sein Heimatdorf. Szenen eines Angriffs. Sie siegten, aber die Cruem kehrten mit mehr Truppen zurück. Das halbe Dorf wurde ausgelöscht, die andere Hälfte gefangen genommen. Man verschleppte sie. Und brachte sie in ein Lager. Nicht das im Norden. Im Süden. Ein größeres. Sehr viel größer.“ Sie schloss die Augen, um das Bild deutlicher zu sehen. „Es liegt in einem Tal. Auf dem Weg dorthin bekam Mesaram einen guten Blick darauf. Er sah Tausende. Sie bilden dort ein Heer von Menschen aus, das mehr als groß genug ist, um Nisirta dem Erdboden gleich zu machen. Eines, das die Silbergrenzen mühelos überwinden kann. Und Nisirtas Mauern sind nicht stark genug für eine Belagerung, erst recht nicht mit Katapulten. Die Cruem auf dem Crudall-Pass dienen nicht dazu, Nisirta anzugreifen. Sie sollen lediglich jene Menschen kontrollieren, die ihrem eigenen Volk den Untergang bringen werden.“

Harod saß nun völlig regungslos vor ihr, sein Blick ging haarscharf an ihrem Kopf vorbei. Sie konnte es regelrecht hinter seiner Stirn rattern sehen.

„Wir müssen so bald wie möglich Ciaran Nachtschatten in Nisirta und Suram in Arkengrund warnen“, sagte er schließlich.

„Ja. Aber das wird kaum reichen. Der Großteil der Truppen sowohl aus Nisirta als auch aus Arkengrund ist hier bei uns.“

Sie sah den genauen Moment, in dem er verstand. „Wenn wir also weiter machen wie geplant und Travahel angreifen, wird zeitgleich Nisirta fallen“, sagte Harod. „Und wenn wir kehrt machen, um Nisirta zu beschützen, riskieren wir womöglich unsere einzige Chance, Travahel einzunehmen, falls wir denn überhaupt rechtzeitig dort ankämen. Auf jeden Fall würde das Risiko wachsen, dass Teneris von dem Pass erfährt. Außerdem gibt es ihm Zeit, genügend Truppen zurück nach Travahel zu ziehen und seine Verteidigung auszubauen. Und wenn wir unsere Truppen aufteilen, um sowohl Travahel anzugreifen als auch Nisirta zu beschützen …“

„… verlieren wir wahrscheinlich beide Kämpfe. Schon jetzt könnten wir zu wenige sein, um Travahel besiegen zu können. Umso wichtiger, dass wir so bald wie möglich an die Informationen über den Pass kommen. Die Beschreibungen über die Traumsicht sind ein Anfang und die Spione haben bereits mit der Suche begonnen, aber es würde helfen, könnte mein Spionagemeister Taolon einen genauen Blick darauf werfen. Er kennt das Gebirge um Travahel recht gut und könnte die Karte womöglich besser lesen als irgendjemand sonst.“

„Euer Bruder ist dort aufgewachsen“, warf Harod mit skeptischer Miene ein. „Sollte er Euch nicht eine bessere Beschreibung geben können?“

„Unwahrscheinlich“, erwiderte Asnera. „Er mag sein halbes Leben lang Karten studiert und Gegenden bereist haben, doch der Ring um Travahel gehörte nie dazu. Für die Cruem galt ihr Tal stets als sicher. Es gab nie einen Grund, das näher zu erforschen, selbst für jemanden wie Fareas. Zudem galt sein Interesse eher den Gebieten, die er erobern sollte.“ Sie rieb sich die Schläfe. „Die Cruem werden bei diesem Wetter noch eine ganze Weile brauchen, um Nisirta zu erreichen. Aber irgendwann werden sie dort ankommen. Und bis dahin brauchen wir einen Plan.“

Harod erhob sich mit einem Ruck und begann, im Zelt auf und ab zu laufen. „Wie konnte es so weit kommen? Wie kann es sein, dass wir ihm so exakt in die Hände gespielt haben?“

Sie beobachtetet seine Wanderung mit skeptischer Miene. „Mesaram wurde von Teneris in den Widerstand der Menschen eingeschleust, um dort für ihn zu spionieren – und später auch zu sabotieren, indem er falsche Informationen säte. Er tat es nicht freiwillig, sondern um seine Familie zu retten. Vermutlich war er deshalb stets so verbissen in unseren Kämpfen. Cruem in der Schlacht zu töten war die einzige Weise, wie er es ihnen heimzahlen konnte, ohne seine Familie zu gefährden. Unglücklicherweise war er nicht der einzige Verräter.“

„So viel habe ich verstanden. Deshalb habt ihr die Arbeit der Traumseher auf Eis gelegt. Weil wir noch nicht wissen, wer diese Verräter sind.“

„Richtig. Was mich zu den Dingen bringt, die ich regeln musste: Ihr habt dafür gesorgt, dass Eure Soldaten die Abwesenheit Mesarams nicht bemerken, zumindest für eine Weile. Ich hingegen musste die wenigen Leute in Gang setzen, denen ich noch bedingungslos vertrauen kann, damit sie genau diese Verräter ausfindig machen – und zwar subtil genug, um den Verrätern keine Warnung zu geben.“ Unwillkürlich wanderte ihr Blick zum Rand des Zeltes. Verwaschene rote Flecken zeugten von dem Ereignis, das nicht nur Mesaram, sondern auch Kittev das Leben gekostet hatte. Kittev war ihr wichtigster Wahrheitsseher gewesen. Seine beiden Lehrlinge Navatev und Bazaniel waren nun pausenlos darum bemüht herauszufinden, wem von den übrigen offiziellen Wahrheitssehern und Traumsehern sie trauen konnten, um sich von dort aus langsam durch das gesamte Heerlager zu arbeiten. Es würde ihnen nicht ewig gelingen, unbemerkt zu bleiben. Und sie würden kaum jeden einzelnen Soldaten prüfen können. Aber sie wussten, wie man zuhörte und die richtigen Fragen stellte, um zu jenen zu gelangen, deren Antworten sie hören mussten.

Harod rieb sich die Stirn. „Hat sich Euer Bruder schon zu der Situation geäußert?“

„Wir hatten in den vergangenen Tagen keinen weiteren Kontakt zu ihnen“, meinte Asnera. „Ich habe momentan nur wenige Traumseher zur Verfügung, denen ich wirklich traue. Die meisten davon sind damit beschäftigt, die Situation im Norden zu klären, schließlich suchen wir noch immer nach Überlebenden. Und aus der Ferne kann er ohnehin nicht viel helfen.“

„Üblicherweise melden sie sich bei Euch, oder nicht?“

Irrte sie sich, oder lag Panik in seinen Worten? Sie betrachtete ihn genauer. Auch an Harod waren die Ereignisse der letzten Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Der sonst oft sarkastisch und selbstgefällig wirkende Mann schien mit einem Mal zutiefst verunsichert.

„Normalerweise, ja. Aber ich habe in den letzten Tagen wenig geschlafen und meist zu eher unüblichen Zeiten. Das wird sich so schnell nicht ändern. Vielleicht ist es an der Zeit für Euch, der Traumsicht eine Chance zu geben.“

Der Heerführer verzog das Gesicht, doch dann nahm seine Miene einen scharfen und gleichzeitig überraschten Ausdruck an. „Soll das heißen, Ihr traut mir?“

„Ja, das tue ich.“ Asnera legte die Hände vor sich auf den Tisch und tat, als würde sie ihre Fingernägel betrachten. Sie war nicht weniger überrascht als Harod. Sie traute ihm tatsächlich. Und aus irgendeinem Grund wusste sie, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Ein eigenartiges, wohltuendes Gefühl, einen Vertrauten zu haben, inmitten von Verrat. Und dann auch noch einen Menschen.

Harod erhob sich mit einem Grummeln, doch seine Züge wirkten mit einem Mal weniger düster. „Na schön. Wenn der nächste Kontakt gelingt, teilt ihnen mit, sie dürfen auch mich besuchen – wenn es sein muss.“

Sie bemerkte, dass er noch immer die Seite schonte, an der Mesarams Dolch ihn durchbohrt hatte. Sie streckte eine Hand aus, und er zuckte unwillkürlich zurück.

„Was?“, fragte er barsch.

„Gebt mir Eure Hand.“

Harod richtete sich auf und versteckte seine Hände hinter dem Rücken. „Nein!“

Sie unterdrückte ein Grinsen. In dieser Haltung wirkte er eher wie ein ungezogener Junge als wie ein stolzer Heerführer. „Ihr seid der letzte verbleibende Heerführer der Menschen. Ich brauche Euch voll einsatzfähig.“

„Es fühlt sich … seltsam an“, sagte Harod.

Sie wusste, dass ihre Gabe der Regeneration sich bei Menschen anders anfühlte als bei ihr selbst. Bisher hatte sich allerdings noch niemand so sehr gesträubt wie Harod. „Es hilft“, beharrte sie.

Harod gab einen tiefen Seufzer von sich, der eher wie ein Knurren klang, dann ließ er sich wieder auf seinem Stuhl nieder und reichte ihr widerstrebend die Hand. Er schloss die Augen und verkrampfe sich, als ihre Gabe zu wirken begann.

Sie hatte erst vor kurzem begonnen, sie zu trainieren, und so gelang es ihr meist nur wenige Minuten lang, ihre Regeneration auf eine andere Person zu übertragen. Aber wahrscheinlich würde es diesmal genügen, um die Wunde fast vollständig zu heilen.

„Entspannt Euch“, mahnte sie Harod. „Und lasst es geschehen. Je weniger ihr Euch wehrt, desto eher kann ich Euch helfen.“

 

 

 

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend beobachtete Ameres Aya, wie sie mit dem Mann vor sich sprach. Er hatte ein freundliches, wenn auch strenges Gesicht und eine tiefe, wohlklingende Stimme. Höflich antwortete er auf jede ihrer Fragen und erwiderte ihr ermunterndes Lächeln sogar hier und da.

Dennoch war Ameres mehr als froh, dass den Mann und seine Frau ein paar dicke und mit Silber beschichtete Gitterstäbe trennten. Die roten Augen des Cruem vor Aya betrachteten sie forschend, so als erhoffe er sich, durch dieses Gespräch genauso viel zu lernen wie sie.

Das weite Kellergewölbe des alten Rathauses war ursprünglich errichtet worden, um Vorräte zu lagern. Der Verliestrakt war erst später hinzugekommen und hatte zu Beginn wohl vor allem Kerek beherbergt. Selbst im Sommer war es hier angenehm kühl. Wahrscheinlich hatte die Dorfgemeinschaft hier vor dem Krieg sogar gemeinsam Vorräte für den Winter gesammelt. Auch jetzt konnte er in einem Areal zwischen den weiten, steinernen Bögen noch Kisten und Säcke voll mit Lebensmitteln erkennen. Diese gehörten allerdings erst seit kurzem der Dorfgemeinschaft. Die Cruem, die Eisenberg bis vor wenigen Tagen verwaltet hatten, gehörten anscheinend zu der Sorte, die ab und an eine normale Mahlzeit genoss. Das meiste war jedoch gewiss für ihre Kerek bestimmt gewesen – die meisten davon ehemalige Mitglieder der Dorfgemeinschaft. Sie befanden sich inzwischen in Laigims Heilungshaus und wurden dort versorgt. Gemeinsam mit Saria, ging es ihm durch den Kopf, und er schob den Gedanken rasch beiseite. Aya hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, ihre Schwester aus diesem grauenvollen Zustand zu befreien. Aber auch die letzten Tage hatten keine Fortschritte erbracht.

Sein Blick wanderte weiter zu den übrigen Zellen. Knapp fünfundzwanzig Gefangene waren es insgesamt. Fünf von ihnen waren ehemalige Wachleute, deren Aufgabe es gewesen war, die Bevölkerung Eisenberges unter Kontrolle zu halten und den Abbau in den Mienen zu überwachen. Fünf weitere waren Frauen. Etwas, das auch Ameres überraschte. In Antra waren die Soldaten selbst für alle Arbeiten verantwortlich gewesen, die anfielen. So kannte er es selbst aus seiner Zeit als Soldat Travahels. In der Festung nahe Eisenberg hatten sie in einem der Räume allerdings diese Frauen gefunden, und es war schnell klargeworden, dass sie den Haushalt der Festung führten. Ihnen war eine eigene Zelle zugewiesen worden.

Der Rest von ihnen waren Soldaten, die sich bei der Eroberung des Stützpunktes nicht weit von hier ergeben hatten. Etwas, das selten geschah. Fareas war es irgendwie gelungen.

Einige von ihnen saßen in die dunkleren Ecken ihrer Gefängnisse zurückgezogen, gebeugt von der Wirkung des Silbers an ihren Armen. Doch eine der Zellen war anders. Die Augen der Gefangenen dort waren violett. Ihre Aufmerksamkeit war auf Aya gerichtet, teils neugierig, teils ängstlich, und in wenigen Fällen zornig.

Plötzlich änderte sich der Gesichtsausdruck des Cruem, der vor Aya stand, und die zuvor betont freundliche Miene verdüsterte sich. Anscheinend hatte sie etwas gesagt, das ihm so wenig gefiel, dass er sein Missfallen nicht zu verbergen wusste. Noch immer wirkte er höflich und schenkte Aya eine elegante Verbeugung, als das Gespräch vorüber war. Aber der Blick, den er ihr nachwarf, weckte in Ameres den Impuls, seine Waffen zu ziehen und sie ihm zwischen die Rippen zu stoßen.

„Und?“, frage er, als Aya ihn erreichte. Rasch ergriff er ihre Hand. Obwohl es ihm gelungen war, nicht nach vorne zu stürmen und sich als ihr Beschützer aufzuspielen, hatte er jetzt doch das Bedürfnis, sie nahe bei sich zu wissen.

Aya, die für solche Dinge nicht blind war, drückte die Hand und nahm auch seine andere. „Er glaubt, mich überlisten zu können“, sagte sie leise genug, dass die Gefangenen es nicht hörten. „Ich denke, er nimmt mich nicht besonders ernst. Schließlich bin ich nur eine Frau und zudem eine Verwandelte.“

Ameres nickte verstehend. Für die Cruem war eine Frau keine Autorität, und eine dunkelhaarige Verwandelte wie Aya, die so ganz und gar nicht dem travahelischen Ideal entsprach, mochte für manche von ihnen kaum mehr sein als ein Mensch.

„Du hast dich recht lange mit ihm unterhalten“, meinte Ameres.

Anscheinend hörte Aya die unausgesprochene Frage darin. Ihr Lächeln wurde breiter. „Ich wollte mich nicht damit begnügen, ihm zu erklären, was ich vorhabe. Ich wollte erst einmal wissen, wer er ist. Wo er herkommt, ob er Familie hat, und wie alt er wirklich ist.“

Wieder nickte Ameres. Natürlich. So war Aya. Sie konnte durchaus praktisch denken, doch sie sah immer zuerst die Person vor sich. Sie war wohl eine der Wenigen, die es kümmerte, wie sich ein Cruem fühlte.

„Er sah nicht aus, als sei er einverstanden.“

„Natürlich nicht. Aber ich will wenigstens darum werben, sein Einverständnis zu erlangen. Spätestens dann, wenn die Entzugserscheinungen eintreten, mag er es sich tatsächlich anders überlegen. Auch wenn ich fürchte, dass es dann schon zu spät sein könnte.“

Ameres‘ Ohren zuckten, als er Schritte auf der Treppe hörte. Sie waren leise, doch es klang nicht wie jemand, der absichtlich seine Anwesenheit zu verbergen suchte. „Fareas?“, fragte er versuchsweise in die Dunkelheit.

Wenige Augenblicke später tauchte der hochgewachsene Naësaru neben ihm auf. Seine Kleidung und sein Haar waren feucht, sein Umhang hingegen klatschnass. Offensichtlich war er bereits draußen gewesen. Er nickte sowohl Ameres als auch Aya eine förmlich wirkende Begrüßung zu, aber Ameres fiel auf, dass er um einiges weniger angespannt wirkte als noch vor ein paar Tagen. Ganz im Gegenteil.

„Laryana?“, fragte er.

„Sie schläft noch“, erwiderte Fareas.

„Natürlich.“ Verstohlen sah Ameres zu Aya herüber. Er hatte sie als Mensch genauso sehr geliebt wie jetzt. Aber es gab einige Schwierigkeiten, die sie durch ihre Verwandlung vermeiden konnten. Wahrscheinlich würde es für Fareas und Laryana noch herausfordernd werden, ihre unterschiedlichen Lebensrhythmen miteinander zu vereinbaren.

„Wie geht es den Gefangenen?“

Ameres sah kurz über seine Schulter. Wenn Fareas das Verlies betrat, gab es stets zwei Gruppen von Naësari: jene, die ihn mit weiten Augen anstarrten, und jene, die um jeden Preis versuchten, nicht in seine Richtung zu schauen. In ihren Köpfen war er noch immer der Fürst. Ein Mann, den sie sowohl verehrt als auch gefürchtet hatten.

„Einige sind bereits gereinigt. Wir sind noch nicht sicher, inwieweit ihnen zu trauen ist. Laryana wollte ein paar von ihnen heute befragen. Ein paar andere sind inzwischen soweit, dass wir ihnen Medelyas Tee geben können.“ Er überlegte, wie er den nächsten Punkt am geschicktesten formulierte.

Aya kam ihm zuvor. „Es sind einige dabei, die zu alt sind. Medelyas Tee ist zu stark für sie und würde sie töten. Ich habe allerdings gemeinsam mit den Heilern im Heerlager ein Verfahren überlegt, das auch sie vom Wahnsinn befreien könnte.“ Sie unterbrach sich und ein ungewohnt harter Ausdruck verzerrte ihre Züge für einen Moment. Ameres erinnerte sich, dass die Heiler im Heerlager bereits verschiedene Methoden getestet hatten, auch die älteren Cruem zu heilen. Nur bei einzelnen war es gelungen, und diese wenigen hatten nicht lange überlebt. Er wusste, dass Aya auf die Ergebnisse dieser Experimente zurückgriff bei ihren Überlegungen. Und wie schwer es ihr fiel, sich so nahe an der Grenze dessen zu bewegen, was der Orden des Mondfalken mit seinen Gefangenen machte – wie sie vor nicht allzu langer Zeit hautnah miterlebt hatte. „Einige von den Cruem habe ich bereits angesprochen und gefragt, ob ich ihre Erlaubnis habe, es zu testen.“

Die Falte zwischen Fareas Brauen vertiefte sich, als er diese zusammenschob. „Du hast sie gefragt?“

„Es sollte ihre Wahl sein“, erwiderte Aya. „Sie könnten dabei sterben.“

„Das werden sie so oder so, wenn sie kein Blut mehr bekommen.“

„Ja, vermutlich“, sagte Aya. „Wir glaubten zunächst, man könne sie heilen, indem man ihnen Blut vorenthält und ihnen normale Nahrung gibt. Aber wenn sie eine bestimmte Zeit lang Cruem waren, reagiert ihr Körper kaum noch darauf. Er ist zu sehr an Blut gewöhnt. Und bis er sich umgewöhnt hat, verhungern diese Cruem.“

„Und was wäre die Lösung?“

Aya griff in ihre Tasche und holte ein Fläschchen mit einer bläulichen Flüssigkeit darin hervor. „Medelyas Tee bewirkt, dass die Veränderungen des Blutes beseitigt werden. Dazu gehört die Gewohnheit des Körpers, Blut zu bevorzugen. In ihren Experimenten haben die Elhar erkannt, dass ihr eigenes Blut einen Cruem bis zu einem gewissen Grad versorgen kann und zudem eine in Ansätzen reinigende Wirkung hat. Ich möchte versuchen, den Cruem nach und nach kleinste Mengen des Tees zu verabreichen, der mit Elhar-Blut gemischt wurde, und sie auf diese Weise gerade so in einen Zustand bringen, in dem sie wieder richtige Nahrung zu sich nehmen können. Ich weiß allerdings nicht, ob es tatsächlich funktioniert, wie hoch die Dosis sein darf und ob die Veränderung rechtzeitig gelingt. Wenn sie durch Hunger zu sehr geschwächt sind, könnte auch solch eine geringe Menge sie töten, wenn ihr Körper noch nicht fähig ist, Kraft aus normaler Nahrung zu gewinnen. Deshalb halte ich es für richtig, sie zu fragen. Wenn ich den Tee anwende, könnten sie bereits beim ersten Mal sterben, und das unter großen Schmerzen. Tue ich es nicht, haben sie womöglich noch ein paar Wochen zu leben.“

„Im Gefängnis“, fügte Fareas hinzu.

„Natürlich. Aber ich bin Heilerin. Ich mache keine Experimente gegen den Willen meiner Patienten.“

Ameres legte einen Arm um sie. Es war noch immer befremdlich für ihn, wenn sie die Cruem als ihre Patienten beschrieb. Doch genau das waren sie für Aya, genau wie all die verwundeten Soldaten im Lazarett, die sie üblicherweise versorgte.

Fareas sah eine Weile ins Nichts. Dann richtete er den Blick zurück auf die junge Heilerin. „Ich verstehe. Dies ist deine Verantwortung. Ich werde mich nicht einmischen, solange die Sicherheit des Dorfes gewahrt bleibt.“

Aya nickte und Ameres spürte, wie die Anspannung ihre Schultern verließ.

„Ich war kurz drüben bei Laigim“, sagte Fareas. „Er sagte mir, Stürme wie diese seien zu dieser Jahreszeit hier in der Gegend keine Seltenheit. Er sagte auch, wir müssten wohl damit rechnen, dass wir eine Weile hier sind. Selbst wenn es in den nächsten Tagen aufklart, wird der nächste Sturm rasch folgen.“

„Ich habe schon Feldmärsche im Sturm mitgemacht“ erwiderte Ameres. „Der Regen ist unangenehm, aber Laryana kennt sich gut aus mit Unterschlupfmöglichkeiten in dieser Gegend, so dass wir es zumindest nachts trocken hätten. Fallende Bäume werden wir rechtzeitig erkennen, und wenn wir auf höherem Gelände bleiben und Gewässer meiden, brauchen wir uns keine Sorgen wegen Überschwemmungen zu machen. Sind unsere Informationen für das Heerlager nicht wichtig genug, dass wir es trotzdem wagen sollten?“

Fareas‘ Mundwinkel bogen sich nach oben, doch es sah nicht wirklich aus wie ein Lächeln. „Für uns Naësari ist solch ein Wetter zu bewältigen“, sagte er. „Für die Menschen ist das schwieriger. Derim kämpft bereits jetzt mit einer Erkältung – und das, obwohl er neben Tara der einzige ist, der nicht durch die eisigen Wasser von Tanehu schwimmen musste. Für Saria wird es kaum zu schaffen sein. Außerdem könnten diese Regenfälle bald zu Schneestürmen werden.“

Ameres fühlte Beschämung in sich aufsteigen. Hatte er nicht gerade erst an Saria gedacht? Derims Krankheit hatte er ebenfalls fast vergessen. Wahrscheinlich deshalb, weil es so ungewohnt für ihn war. Auch Naësari konnten krank werden. Es geschah nur weitaus seltener. Und noch seltener hatte er von einer Krankheit gehört, die einen Naësaru das Leben gekostet hatte. Wenn sich Derims Erkältung allerdings zu einer Lungenentzündung ausweitete, konnte es gefährlich werden, das hatte Aya ihm erklärt.

„Und wenn nur ein paar von uns loslaufen? Tara und ich beispielsweise.“ Beinahe hätte er noch Aya hinzugefügt. Doch sie würde hierbleiben und sich um die Gefangenen kümmern müssen. Und Saria.

Fareas‘ Gesicht wurde nachdenklich. „Das wäre eine Option. Lass uns dies beim Mittagessen mit den anderen besprechen. Mir gefällt der Gedanke nicht, die Gruppe auseinanderzureißen. Das ist allerdings auch nicht meine Entscheidung, sondern Laryanas. Dennoch, du hast recht, unsere Informationen sind wichtig. Dabei fällt mir ein: Hast du das Heerlager heute Nacht über die Traumsicht erreicht?“

„Nein. Und Tara auch nicht. Seit Tagen schon gelingt es uns nicht, Asnera zu finden. Vielleicht sollte ich es doch bei den Traumsehern versuchen.“

„Warte damit noch. Im Grunde haben wir ihnen bereits das Wichtigste mitgeteilt.“ Er ließ den anderen Grund für seine Zurückhaltung unausgesprochen, aber Ameres kannte ihn nur zu gut. Seit sie erfahren hatten, dass die Cruem, die Tanehu bewachten, von Laryanas Rückverwandlung wussten, waren sie vorsichtig geworden. Und dann war da noch der mögliche Verräter im Heerlager, von dem Asnera gesprochen hatte. Ob sie inzwischen mehr wusste?

Fareas ließ den Blick noch einmal über die Gefangenen gleiten, dann drehte er sich um. „Cannaid Weitblick hat uns etwas zu Essen bringen lassen. Gemeinsam mit der Bitte, ihn und die anderen später bei Laigim zu treffen. Anscheinend wünschen sie unsere Hilfe, wenn es um die Frage geht, wie sie Eisenberg in Zukunft verteidigen sollen.“

Aya folgte ihm und Ameres schloss sich an. Es war gut zu hören, dass die Dorfbewohner nun doch offen dafür waren, ihre Ratschläge zu hören. Der neu erstarkte Rat des Dorfes schien wenig begeistert darüber, dass die Naësari noch immer hier waren. Aber womöglich hatten sich Cannaid und die anderen durchgesetzt. „Hoffen wir, sie bleiben eine Weile davon verschont, solche Dinge in die Praxis umsetzen zu müssen“, murmelte er.

 

 

 

Darna öffnete die Augen und sah herab auf ihre Hände. Seit sie ein kleines Mädchen war, hatte sie jeden Morgen ein Gebet gesprochen. Zuerst die Kinderreime, die ihre Mutter sie gelehrt hatte. Irgendwann waren ihre Gebete freier geworden. Persönlicher. Auch jetzt gaben sie ihr stets Zuversicht und Kraft.

Aber es gab eine Sache, um die sie nicht mehr beten konnte.

Sie erhob sich von ihren Knien und warf einen flüchtigen Blick auf ihr Nachtlager. Eine Männertunika lag neben dem Kissen. Alles andere hatte sie bereits in eine Kiste gepackt. Eine Kiste, die sie immer wieder öffnete, um jedes einzelne Teil in die Hände zu nehmen.

„Mutter der Schlafenden! Mutter der Schlafenden!“ Etwas raschelte und die Eingangsplane ihres Zeltes geriet in Bewegung, doch es trat niemand ein. Sie seufzte innerlich, eilte zum Eingang ihres Zeltes und riss die Plane beiseite.

Ein blonder Mann, kaum jünger als sie, starrte sie aus tiefschwarzen, weit aufgerissenen Augen an. Sein kurzes Haar und seine Kleidung waren durchtränkt vom Regen. Er zitterte. „Ich kann sie nicht finden“, flüsterte er und räusperte sich dann.

Darna sah genauer hin. Nasse Spuren liefen über sein Gesicht, die Ränder seiner Augen waren gerötet. Es waren Tränen, die ihm die Stimme raubten. „Wen, Arom? Wen kannst du nicht finden?“

Der Demecru schlug die Hände vors Gesicht und nahm einen tiefen Atemzug, der fast wie ein Stöhnen klang. „Sie war neben mir, als ich eingeschlafen bin! Und heute Morgen war sie weg! Ich habe überall gesucht, jeden gefragt. Sie ist fort, fort, fort …“

Darna griff behutsam nach seinen Händen und zog sie von seinem Gesicht fort. „Arom, sieh mich an. Meinst du Gaira?“

„Sie hat es wieder getan.“ Die tiefe Traurigkeit in Aroms Zügen brach Darna fast das Herz. „Sie hat gesagt, sie würde nie wieder fortgehen. Aber sie ist fort. Warum ist sie fort?“

„Komm rein.“ Wie ein Kind führte sie Arom an der Hand in ihr Zelt und setzte ihn auf einen hölzernen Stuhl. Dann goss sie ihm eine Tasse von dem Tee ein, den sie vor ihrem Morgengebet aufgegossen hatte, und reichte sie ihm. „Trink das. Du bist ganz unterkühlt.“

Geistesabwesend griff Arom nach der Tasse, behielt sie dann aber in seinen Händen. Seine Augen hatten erneut ihre übliche blaue Farbe angenommen, doch der Boden um ihn her zuckte mit schwarzen, formlosen Schatten. Etwas, das ihr längst keine Angst mehr machte.

Auch Darna setzte sich. „Wir hatten angenommen, dass das passieren könnte“, sagte sie vorsichtig. „Gaira ist zuvor immer von allein zu dir gekommen, weil du immerzu an sie gedacht hast. Nun, da du mehr Kontrolle über deine Fähigkeiten hast, musst du sie wahrscheinlich bewusst herbeirufen.“

Der Demecru sah sie nur stumm an.

Darna seufzte. Arom hatte in den letzten Wochen Fortschritte damit gemacht, seine Illusionsfähigkeit besser unter Kontrolle zu bekommen. Nach den Experimenten, die er im Gefängnis des Ordens über sich hatte ergehen lassen müssen, hatten sie ihren eigenen Kopf und traten besonders dann zutage, wenn er emotional instabil war – ein recht häufiger Zustand. Doch es gab Wunden, die sich nicht so einfach heilen ließen. Bis heute war Darna nicht ganz sicher, inwieweit Arom bewusst war, dass es sich bei Gaira nur um eine Illusion seiner Frau handelte. Irgendwann würden sie sich Zeit nehmen müssen, ihm die Wahrheit klarzumachen. Zunächst war es allerdings besser, kleine Schritte mit ihm zu gehen.

Sie überlegte kurz, ob sie Haliv holen sollte. Aber er gehörte zu jenen Naësari, die in den Morgenstunden schliefen. „Arom, schließ deine Augen“, sagte sie.

Der Demecru blinzelte ein paar Mal, dann gehorchte er. Rasch sprang Darna auf und schnappte die Tasse aus seinen Händen, die ihm zu entgleiten drohte. „Stell dir Gaira vor, so wie du dich an sie erinnerst.“

Aroms Stirn kräuselte sich, doch dann nickte er.

„Halte dieses Bild fest. Versuche, danach zu greifen.“

Sie sah, wie Arom eine Hand ausstreckte. Eine weitere Träne löste sich aus seinem Augenwinkel. Vielleicht war das doch keine gute Idee gewesen.

Bevor sie den Mund erneut öffnen konnte, erschien aus dem Nichts eine Frau neben Arom. Ihre blonden Locken wehten in einer unsichtbaren Brise und ihr roter Mund öffnete sich zu einem warmen Lächeln, als sie Arom betrachtete. Die Schatten um ihn her beruhigten sich und verschwanden.

„Arom.“

Er öffnete die Augen. Erleichterung löste die Verspannung aus seinem Gesicht und er griff nach Gairas Hand. „Tu das nie wieder“, sagte er leise. Er nickte Darna zu und erhob sich. „Danke für den Tee, Mutter der Schlafenden. Wir sehen uns später bei der Frau auf der Wiese.“ Mit diesen Worten verließ er das Zelt.

Darna schüttelte den Kopf. Namen waren für Arom manchmal ein verwirrendes Konzept. Als er sie kennengelernt hatte, hatte Laryana in einem tiefen Schlaf gelegen, aus dem sie als Mensch erwacht war. Noch immer hatte Darna Albträume davon, wie oft sie sie von der Schwelle des Todes zurückgeholt hatten, bevor sie endlich erwacht war. Und auch danach noch.

Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, mit ihm zu gehen. Bei der Kälte holte er sich noch eine Erkältung, durchnässt wie er war. Aber als Demecru war er robust. Und bisher war er in dieser Hinsicht sehr selbstständig gewesen. Etwas, das sie ihm auf keinen Fall nehmen wollte.

Noch einmal wanderte ihr Blick zu der Tunika auf dem Bett. Vielleicht wurde es Zeit, sie ebenfalls in die Kiste zu packen. Darna streckte die Hand aus und ließ sie über den ausgeblichenen Stoff gleiten, dann griff sie danach und zog das Kleidungsstück an ihr Gesicht. Es roch noch immer nach Tanas.

Sie legte die Tunika zurück. Auch ihre Kraft reichte gerade wohl nur für kleine Schritte. „Bis heute Abend“, flüsterte sie. Dann machte sie sich auf den Weg ins Lazarett.

 

 

 

Laryana schlug die Augen auf. Ein gleichmäßiges Rauschen drang an ihr Ohr. Noch im Halbschlaf versuchte sie, das Geräusch zuzuordnen. Plötzlich zerriss ein grelles Licht die Dunkelheit. Hastig setzte sie sich auf und atmete dann erleichtert aus. Der Sturm tobte noch immer. Und sie hatte sich davon erschrecken lassen.

Automatisch wanderte ihre Hand zu ihrer linken Seite, doch die Matratze war kalt. Natürlich, Fareas war längst erwacht. Vorsichtig tasteten ihre Finger weiter und ergriffen die kleine, gelbe Blume, die dort lag. Zärtlichkeit durchströmte sie. Sie hatte keine Ahnung, wo Fareas zu dieser Jahreszeit Blumen fand – dazu noch bei diesem Wetter. Seit der Nacht, in der er ihr Mann geworden war, hatte sie an jedem Morgen eine solche Blume gefunden.

Noch einmal schaute sie zum Fenster. Es war düster, obwohl die Sonne bereits aufgegangen war. Nur wenig Licht drang durch die dicke Wolkendecke. Es war das erste Mal seit Jahren, dass sie solch einen Sturm im Trockenen erlebte. Und dafür war sie sehr dankbar.

Sie fröstelte, als es erneut aufblitzte, doch das lag weniger an dem Gewitter. Rasch hüllte sie sich in die warme Wolldecke. Wirre Träume hatten sie wieder heimgesucht. So war es oft, seit sie Garradu den Weg zu ihren Träumen abgeschnitten hatte. Vermutlich hatte nicht nur sein Rumwühlen in ihrem Kopf Wunden hinterlassen, sondern auch ihr Kampf gegen ihn. Hoffentlich würden diese Wunden heilen.

Die Dorfbewohner hatten ihnen das alte Rathaus zur Verfügung gestellt, als abzusehen war, dass sie eine Weile hierbleiben würden. Die Räume waren wundervoll eingerichtet mit hochwertigen und wunderschön verzierten Möbeln, Teppichen, Gardinen und allerlei Zierrat wie Statuen, Vasen und Gemälde. Es gab sogar einen Waschraum mit einem beheizbaren Kessel und fließendem Wasser aus einer Quelle, so dass sie warme Bäder nehmen konnten. Die Böden bestanden aus Marmor oder poliertem Holz, und überall lagen alte, wunderschön geknüpfte Teppiche. Es hatte sie zunächst gewundert, dass man ihnen gerade dieses Haus als Unterkunft zugeteilt hatte. Aber jeder Besuch des Verlieses unter ihnen, bei dem einer der Dorfbewohner dabei war, verriet ihr den Grund: Dieses Haus war lange Jahre das Symbol für ihre Unterdrückung gewesen. Der Rathausplatz lag an der Hauptstraße. Beinahe jeder Dorfbewohner kam täglich hier vorbei. In der Zeit der Besatzung war vermutlich für kaum jemanden ein Tag vergangen, an dem er nicht einen seiner Bewacher gesehen hatte.

Und auch jetzt waren die Cruem noch hier, wenngleich einige Etagen tiefer. Sobald dies nicht mehr der Fall war – auf welche Weise auch immer – würde wahrscheinlich der neue Rat von Eisenberg hier einziehen. Die große Versammlungshalle im Erdgeschoss würde dann nach fast hundert Jahren wieder ihren eigentlichen Zweck erfüllen.

Bis dahin kamen sie in den Genuss dieser recht luxuriösen Unterkunft. Zumindest luxuriöser als alles, das sie je bewohnt hatte, erinnerte sich Laryana. Für Fareas mochte dies nicht gelten.

Sie streckte sich und griff nach ihrer Kleidung, um sie mit unter die warme Decke zu ziehen, dann zog sie sich rasch an. Vermutlich würden sie auch heute nicht weiterziehen. Vielleicht konnte sie dann diesen Besuch heute machen, den sie schon seit Tagen vor sich herschob.

Sie hatte die letzten Tage der erzwungenen und doch sehr willkommenen Ruhe genossen, die seit der kleinen Zeremonie im Keller von Cannaids Haus vergangen waren, dort, wo sich der versteckte Tempelraum befand. Sie lächelte und berührte den Ring an ihrer Hand. Es war schön gewesen, diese Zeit mit Fareas verbringen zu können, zumal in den Wochen zuvor so viel schiefgelaufen war zwischen ihnen. Ihretwegen. Doch das lag nun hinter ihnen. Behutsam nahm sie die gelbe Blume und stellte sie in ein Glas mit Wasser, in dem sich bereits ein paar weitere Blumen befanden.

Sie griff nach ihrem Seidenschal und wickelte ihn um ihren Hals. Gerade jetzt war sie froh, ihn zu haben, selbst wenn er kaum so sehr wärmte wie ein Schal aus Wolle. Und wie immer ergriff sie ein Hauch von Wehmut, wenn ihre Finger den weichen Stoff berührten. Erinnerungen, die wehtaten, und die sie doch bewahren wollte.

Sie berührte die Doppelflöte, die auf dem Tisch neben dem Glas mit den Blumen stand. Auch daran waren Erinnerungen gebunden. Seit sie hier waren, hatte sie jeden Abend für Fareas gespielt. Es war beinahe wie damals gewesen. Und sie liebte es, Fareas zu beobachten, wenn er ihrem Flötenspiel lauschte. Musik schien das einzige zu sein, bei dem er wirklich zur Ruhe kam. In diesen Momenten war er wunderschön.

Sie warf ihren Mantel über und verließ den Raum. Ein großer, hoher Flur mit Marmorboden und feinen Teppichen empfing sie. Sie schüttelte den Kopf. Unvorstellbar, dass jemand so viel Wohnraum verschwendete, nur um andere zu beeindrucken. Sie konnte sich nur schwer vorstellen, einmal dauerhaft in solch einem Haus zu wohnen. Und doch mochte es sie eines Tages erwarten …

Der Regen hatte etwas nachgelassen, als sie nach draußen trat, aber es war noch immer genug, um sie zögern zu lassen. Sie zog die Kapuze etwas tiefer und starrte grimmig in das Unwetter hinaus. Ihr Umhang hatte sie schon vor Schlimmerem bewahrt, weshalb sie ihn immer noch trug, obwohl er bereits an mehr als einer Stelle Flicken trug. Sie atmete einmal tief durch, dann rannte sie los.

Wenige Minuten später erreichte sie Laigims Haus und trat ein. Im Flur schlug ihr sofort der typische Geruch eines Heilungshauses entgegen. Wie so oft durchströmte sie eine Mischung aus Unbehagen und Vertrautheit.

Stimmen drangen aus einem der Räume. Sie lauschte. Eine Lagebesprechung. Sie hörte Ameres, Saorim und Fareas. Vermutlich wäre auch sie dort willkommen. Doch zunächst hatte sie ein anderes Ziel.

 

 

 

„Und als die Bewohner sahen, dass das schreckliche Ungeheuer besiegt war, ergriffen sie den jungen Ritter und brachten ihn vor den König. ‚Du hast unsere Stadt gerettet‘ sagte der König. ‚Nun sollst du meine Tochter zur Frau erhalten, so wie ich es dir versprochen habe.‘ Und so geschah es. Und als der alte König starb, wurde der tapfere Ritter nach ihm König und regierte das Land lange Zeit in Güte und Milde.“

Derim ließ das Buch sinken und sah zu seiner Schwester herüber. Saria saß auf dem kleinen Tisch und lächelte selig, während sie ins Nichts starrte. Er war nie ganz sicher, wie viel sie verstand, aber jedes Mal, wenn er ihr aus dem Märchenbuch vorlas, das er in einem der Bücherregale in der Ecke des Raumes gefunden hatte, erschien es ihm zumindest, als würde sie zuhören.

„Warum ist es eigentlich immer ein Ritter, der eine Prinzessin rettet?“, erklang es neben ihm. „Warum nicht mal umgekehrt?“

Derim lächelte. „Weil es ein Märchen ist, Tara. Und in den alten Geschichten gibt es nur selten Kriegerinnen.“

Tarelya gab ein ungehaltenes Schnaufen von sich und ließ ihren Stuhl wippen. „Wenn ich jemals ein Märchen schreibe, dann wird es die Prinzessin sein, die den Drachen tötet, um damit ihren Prinzen zu retten.“

„Klingt nach einer spannenden Geschichte.“ Er sah auf. „Was nähst du da schon wieder?“

„Ich flicke eins von Ayas Kleidern. Sie hat es auf unserem Weg hierher an einem Strauch zerrissen.“

Derim sah herüber zu seiner anderen Schwester, die gerade dabei war, irgendetwas über einer kleinen Flamme zusammenzubrauen. „Du musst nicht immer all unsere Kleidung flicken“, meinte er. „Aya hat ebenfalls nähen gelernt und selbst mir hat Mutter ein paar Sachen beigebracht.“

Tarelya zuckte mit den Schultern, die Aufmerksamkeit noch immer auf ihrer Arbeit. „Ich finde nichts dabei, wenn jeder das tut, was er am besten kann. So wie Laryana immer den Weg für uns findet und Saria immer unser Essen kocht.“ Sie verzog kurz das Gesicht und schielte herüber zu dem blonden Mädchen mit dem abwesenden Ausdruck herüber. „Ich bin recht gut im Nähen und ich mache es gerne. Es war eines der wenigen Dinge, bei denen meine Mutter mir viele Freiheiten ließ.“

„Wirklich? Was für Freiheiten?“

Tarelya sah kurz auf. „Nun … ich durfte experimentieren. Mir ist mehr als einmal etwas dabei misslungen, weil es sich nicht so umsetzen ließ, wie es in meinem Kopf ausgesehen hat. Mutter hat nie geschimpft. Stattdessen hat sie mir geduldig geholfen, alle Nähte wieder aufzutrennen und etwas Neues aus dem Stoff zu machen.“ Ein Lächeln zuckte über ihre Lippen, nur ganz kurz. „In anderen Bereichen war sie strenger. Gerade dann, wenn sie mich wieder einmal beim Schwertkampf mit meinen Brüdern erwischt hatte. Aber ich habe immer gerne mit ihr zusammen genäht.“

„Vermisst du sie?“, fragte Derim.

Tarelya senkte den Blick und nahm den Faden auf, der ihr entglitten war. „Ja. Manchmal schon. Ich weiß nicht, welches Bild du von den Familien in Travahel hast. Die meisten Eltern sind sehr streng, schließlich wollen sie, dass ihre Kinder zum Wohl des Volkes beitragen. Ich für meinen Teil habe meine Mutter immer geliebt. Auch meinen Vater in gewisser Weise, obwohl ich ihn nur selten zu Gesicht bekommen habe und er weitaus strenger war als Mutter. Und ich kenne andere Familien, die sehr fürsorgliche Eltern hatten.“

Derim nickte langsam. Es war nicht schwer, Tarelya zum Erzählen zu bringen. Und es war immer wieder faszinierend für ihn, auf diese Weise mehr über die Cruem zu erfahren, die noch vor nicht allzu langer Zeit für ihn nicht mehr gewesen waren als die absolute Verkörperung des Bösen.

Die Tür öffnete sich. Laryana trat ein, ihren nassen Umhang in einer Hand. Vorsichtig legte sie ihn über die Lehne eines freien Stuhls. „Guten Morgen“, sagte sie und trat dann auf Saria zu. „Guten Morgen“, wiederholte sie etwas sanfter.

Saria blinzelte, so als versuche sie, Laryana zu fokussieren, dann streckte sie beide Hände aus. Laryana zögerte nicht und nahm das Mädchen in den Arm.