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Nach dem Verrat durch den Orden des Mondfalken befinden sich Laryana und Aya in Gefangenschaft. Ihre Freunde setzen alles in Bewegung, um sie zu befreien, doch mehr als ein Hindernis stellt sich ihnen dabei in den Weg. Zudem scheint der Orden besondere Pläne für Laryana zu haben und ist daher nicht gewillt, sie einfach so kampflos aufzugeben. Eine Erfahrung, die nicht nur sie bis in ihre Grundfesten erschüttert. Währenddessen versuchen Asnera und Fareas einen Hinweis Ereyas zu entschlüsseln, der eine entscheidende Wende im Krieg bringen könnte. Aber wird ihnen das gelingen, bevor Teneris erneut zuschlägt? Eine Neuinterpretation des Vampirmythos, eingebunden in eine eigene Fantasywelt. Der Band enthält ca. 780 Taschenbuchseiten.
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Das Lied von
Laëndrom
Buch III
Klänge der Seele
Von Lydia Riess
Text und Bild Copyright © 2016 Lydia Riess
Alle Rechte vorbehalten
c/o AutorenServices.de
Birkenallee 24
36037 Fulda
Christian, vielen Dank für deine Anregungen,
deine tatkräftige Unterstützung und auch deine Provokationen,
die mir immer wieder neue Blickwinkel gegeben haben.
Kevin, danke dafür, dass du Taram über alles liebst
und ihm so viele Facetten gegeben hast.
Inhalt
I. Träume
II. Dissonanz
III. Ohnmacht
IV. Schuld
V. Schwäche
VI. Verlust
VII. Chance
VIII. Flammen
IX. Flucht
X. Erwachen
XI. Blau
XII. Kälte
XIII. Umbruch
XIV. Nebel
XV. Entscheidungen
XVI. Jagd
XVII. Wunden
XVIII. Blut
XIX. Zusammenschluss
XX. Geheimnisse
XXI. Heilung
XXII. Aufstand
XXIII. Spannungen
XXIV. Herausforderung
XXV. Offenbarung
XXVI. Seele
XXVII. Treue
Wird nun das Lied erneut erwachen?
Ist dies der Anfang neuer Zeit?
Wird einst das Blutgeschöpf bezwungen?
Wird dann ein neues Lied gesungen
Wenn wir erneuern unsren Eid?
So fern erscheinen nun die Zeiten
Der Bund der alten Melodie
Als Mensch und Wächter nicht im Streite
Stattdessen kämpften Seit‘ an Seite
In einträchtiger Harmonie
Doch als der Wächter erster Frevel
Sie einschloss in ihr fernes Tal
Verborgen vor der Menschen Herzen
Ließ sie allein in ihren Schmerzen
Verrat ward Folge dieser Wahl
Auch Menschenseele ward verdunkelt
Und Zwielicht macht‘ sich Heimat dort
Verzweiflung trieb manch gift’ge Triebe
Erblindet‘ Herzen, tötet‘ Liebe
Trug Wärme, Licht und Leben fort
Wir gaben sie dem Biest zum Fraße
Besiegelten den Untergang
Mit Feuer und mit Schwert geschlagen
Und aus der Heimat fortgetragen
Als Schatten in des Bisses Bann
Zum Schrecken sind wir nun geworden
Der Wächter Name blutgetränkt
Wo einst war Freundschaft ist nun Fehde
Und tiefer Hass fraß Glück und Friede
Zerbrach das Band, das uns geschenkt
In Trümmern nun die prächt’gen Städte
Das Land ein weites Gräberfeld
Der Menschen Ehre ist zerschlagen
Zum Himmel schallen ihre Klagen
Verstummt ist Hoffnung in der Welt
Als neuer Frevel ward geboren
Im finst‘ren Tal des dunklen Herrn
Das holde Haar ward zum Verderben
Denn er wollt‘ neue Kraft erwerben
Raubt‘ ihre Töchter nah und fern
Und so ward stolzer Königsname
Zum Wort des Fluchs für alle Zeit
Doch hob sich aus dem kalten Trümmer
Ein sanfter, neuer Hoffnungsschimmer
Aus der Familie zweigeteilt
Sind wir auch nur die letzten Reste
Ein sterbend‘ Volk, ein schwacher Hauch
Zur Flamme wird das schwache Schwelen
Und Feuer brennt in unsren Seelen
Erneuert wird der Wächter Brauch
Noch hören wir des Liedes Klänge
Die Melodie noch nicht verstummt
Drum lasst uns unsre Stimmen heben
Wo wir einst nahmen, lasst uns geben
Steht auf und kämpft, die ihr noch träumt!
Sind dies des Liedes neue Klänge?
Verkünden sie des Handelns Zeit?
Aus Schatten und aus Schuld erhoben
So wollen wir erneut geloben
Den Mensch zu schützen unser Eid
Die Flammen schienen bis an den Himmel zu ragen. Gierig leckten sie an dem, was von dem alten Bauernhaus noch übrig war. Funken tanzten durch die Nacht, erleuchteten sie mit einem obskuren, fast schon eleganten Glanz, vermischten sich mit den durch die Luft treibenden Aschefetzen, die alles in ein düsteres, totes Grau färbten. Der Himmel war wolkenbedeckt, nicht ein einziger Stern war zu sehen. Obwohl die Luft erfüllt war von feinen Schneeflocken, herrschte eine stickige, brodelnde Hitze.
Jegliche Löschversuche waren bereits vor einer ganzen Weile eingestellt worden. Sie alle wussten, dass sie längst verloren hatten. Nun ging es nur noch darum, das eigene Leben zu retten.
Fassungslos starrte sie auf das in sich zusammenfallende Gebäude. Es war kaum einige Stunden her, dass sie dort zu Abend gegessen und mit ihren Freunden gelacht hatte. Es war so ein friedlicher Tag gewesen, der erste Sonnenschein seit langem.
Nun erschien ihr das alles wie ein ferner Traum. Sie wandte sich ab. Wieso hatten sie den Feind nicht kommen sehen?
Schatten rannten durch den Rauch rings um sie her. Erst jetzt hörte sie die Stimmen der Flüchtenden. Schreie der Furcht und der Verzweiflung. Aber schlimmer waren die Schreie der anderen. Jener, die zum letzten Mal ihren Mund öffneten.
„Wo seid ihr?“ Die Furcht raubte ihrer Stimme jegliche Kraft. Stolpernd lief sie ein paar Schritte auf die Straße hinaus und versuchte, etwas durch den Rauch zu erkennen. Sie hörte den Klang von Schwertern und das Zischen von fliegenden Pfeilen. In der Ferne konnte sie schemenhaft einige Kämpfende erkennen. Die meisten jedoch hatten den Kampf bereits aufgegeben.
Ein seltsames Gefühl veranlasste sie dazu, sich umzudrehen. Jemand kam durch den Rauch auf sie zu. Wie erstarrt beobachtete sie, wie die Konturen der Gestalt vor ihr klarer und klarer wurden. Sollte sie weglaufen? Nein, dazu war es längst zu spät. Jetzt konnte sie nur noch hoffen.
„Hier bist du! Ich hatte schon befürchtet …“ Der junge Mann unterbrach sich, so als wage er nicht, den Rest des Satzes auszusprechen, dann trat er auf sie zu und schloss sie fest in die Arme. „Endlich habe ich dich gefunden. Bitte, erschrecke mich nie wieder so!“
Sie nickte nur leicht und spürte, wie ein Zittern sie schüttelte. Noch immer schien die Angst Ihren Körper zu lähmen und ihm jegliches Gefühl zu entziehen. „Wir müssen hier weg, Derim“, flüsterte sie. „Bevor sie uns finden.“
Derim löste sich von ihr und ergriff ihre Hand. „Komm. Saria und Ranam warten bei den Tunneln auf uns. Die anderen sind schon fort. Was ist mit Laineam und Deira?“
„Nicht mehr hier.“ Sie räusperte sich. „Vielleicht sind sie schon geflohen.“
Er musterte sie vorsichtig. „Ja, bestimmt. Sie kennen die Tunnel ja auch.“
Sie rannten los. Derims Hand umschloss die ihre so fest, dass es wehtat, und doch war sie dankbar dafür. Um nichts in der Welt wollte sie ihn wieder in der Dunkelheit verlieren.
Unheilvoll flackerten die Flammen durch den Rauch um sie her. Es sah so aus, als stünde das ganze Dorf bereits in Flammen. Wahrscheinlich war dies auch nicht fern von der Wahrheit. Sie waren schließlich nicht hier, um Gefangene zu machen.
„Es ist nicht mehr weit“, keuchte Derim und zeigte nach vorne. „Da, die Tunnel.“
Ein leiser Schrei entfuhr ihr, als plötzlich eine Gestalt aus dem Schatten einer zerfallenen Mauer sprang und ihnen den Weg versperrte. Derim kam schlitternd zum Stehen und sie prallte ungebremst gegen seinen Rücken. Es gelang ihm gerade noch, sein Gleichgewicht zu halten.
„Was haben wir denn hier?“, sagte die Gestalt. Es war eine seltsame Stimme, melodisch wie auch kraftvoll. Und sie strotzte nur so von der Blutgier, die auch in den Augen der Kreatur lagen, deren Rot das gierige Flackern der Flammen widerzuspiegeln schien.
„Aus dem Weg, oder es wird dir sehr leidtun!“, zischte Derim. Er hatte sein Schwert gezogen. Sie konnte sehen, wie seine Hände zitterten, trotz der Hitze des Feuers um sie herum. Sie griff nach seinem Arm und drückte sich an ihn. Zum einen, um Schutz zu suchen. Ebenso wollte sie ihn jedoch wissen lassen, dass er nicht alleine war.
„Oh, du willst mit mir spielen?“, fragte die Gestalt und lächelte breit. Zwei lange Fangzähne funkelten im Feuerschein. „Dann lass uns spielen.“ Die Bestie griff an.
Sie spürte, wie Derim ihr einen Stoß gab und sie zu Boden fiel, fort aus der Reichweite der Bestie. Es gelang ihr gerade noch, sich mit den Händen abzufangen, doch sie spürte, wie der Schotter ihre Knie aufrieb und sich in ihre Handflächen bohrte. Sie ignorierte das Brennen. Hastig drehte sie sich auf den Rücken, um zu beobachten, was geschah, da hörte sie auch schon den Klang von Metall auf Metall. Die Bestie und Derim standen einander gegenüber, Schwerter gekreuzt, und es war nur allzu deutlich, wer der Stärkere von beiden war. Der Kampf war nur deshalb noch nicht zu Ende, weil die rotäugige Kreatur anscheinend Gefallen an diesem Spiel gefunden hatte.
Blanke Furcht flimmerte in Derims Augen, während er versuchte, die Klinge der Bestie zurückzudrücken, die seinem Gesicht immer näher kam.
„Du enttäuschst mich, Mensch“, kommentierte die Bestie, das letzte Wort wie eine Beschimpfung ausspuckend. Sie schien diese Furcht regelrecht zu genießen. „Ich hatte mir nun wirklich mehr von dir erhofft.“
Derims Augen zuckten zu ihr herüber. „Lauf“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Bring dich in Sicherheit, schnell.“
Die Bestie lachte. „Ja, lauf, kleines Mädchen. Ich freue mich schon auf die Jagd.“
Wieder spürte sie, wie Panik ihre Glieder lähmte, und mehr als zuvor versuchte sie, sie abzuschütteln. Suchend tasteten ihre Hände umher, bis sie etwas Kaltes fanden. Sie schleuderte es der Bestie entgegen.
Ein Fauchen erklang, als der Stein die Kreatur an der Schläfe traf und sie zurückzuckte. Derim nutzte diesen Moment, um sich aus der misslichen Lage zu befreien und auszuholen. Die Bestie brüllte wütend, als Derim sie mit dem Schwert am Bein streifte, doch sofort reagierte sie, holte ihrerseits aus und schwang ihr Schwert. Derim gelang es zwar noch, schützend seine Waffe zu heben, trotzdem fegte ihn die Wucht des Schlages von den Beinen. Er schrie auf, als die Spitze des Schwertes über seine Brust fuhr. Er rollte einige Meter weit, blieb dann liegen und rührte sich nicht.
Die Bestie trat zu ihm und holte aus, um ihr Schwert in seinen Bauch zu rammen, als ein weiterer Stein sie an der Schulter traf. Ruckartig drehte sie den Kopf und bohrte ihre feurigen Augen in das Mädchen, das schwer atmend wenige Meter entfernt stand, die rechte Hand zu einem weiteren Wurf erhoben.
Die Bestie schüttelte den Kopf und lachte. „Das hättest du nicht tun sollen, kleines Mädchen. Du hättest auf ihn hören sollen. Vielleicht hättest du es ja geschafft. Jetzt wirst du sterben.“
Sie wich zurück, als die Bestie näherkam, aber bevor sie einen weiteren Wurf versuchen konnte, war das Wesen auch schon bei ihr und hatte ihr Handgelenk umfasst. Sie versuchte, die Umklammerung abzuschütteln, doch sofort spürte sie kalte Finger, die sich um ihre Kehle schlossen und sie hochhoben. Verzweifelt rang sie nach Luft, während ihre Füße hilflos über dem Boden strampelten.
„So jung“, sagte die Bestie und neigte den Kopf zur Seite, um sie zu begutachten. Sie seufzte und ein erwartungsvolles Lächeln zuckte über ihre Lippen. „So frisch. Genau das, was ich jetzt brauche.“
Sie riss die Augen auf, als die Bestie den Mund öffnete und ihre spitzen Zähne entblößte. Sie versuchte zu schreien, doch es gelang ihr kaum ein leises Röcheln.
Plötzlich hörte sie einen Schlag, und Funken sprühten hinter dem Rücken der Bestie auf. Ein gellender Schrei erklang, und mit einem Mal war sie frei. Sie kam hart auf ihren Füßen auf, stolperte nach hinten und fiel zu Boden, dann griff sie nach ihrer Kehle und nahm einen tiefen, rasselnden Atemzug.
„Lass sie in Ruhe, du verdammtes Monster!“, schrie Derim und schlug ein weiteres Mal zu. Funken stoben erneut, und wieder erklang ein entsetzter und wimmernder Laut von der Kreatur, die nun am Boden lag und schützend beide Hände über sich erhoben hatte.
Ein brennendes Holzscheit lag in Derims Händen. Immer und immer wieder ließ er es auf die Bestie herabsausen – mehr von Verzweiflung als von Geschick gelenkt –, bis es dieser schließlich gelang, sich zur Seite zu rollen und auf die Beine zu kommen. Ohne zu zögern rannte sie los und verschwand in der Dunkelheit, Kleidung und Haar in Flammen. Todesangst lag in den Schreien, die sie ausstieß, bis sie schließlich in der Ferne verklangen.
Derims Atem kam stoßweise, während er der fliehenden Kreatur hinterher sah, die Augen weit geöffnet und der Blick ins Leere gerichtet. Das brennende Holzscheit hielt er noch immer in einer Hand erhoben. Blut sickerte aus der Wunde an seiner Brust und auch sein Gesicht war blutüberströmt. Eine Platzwunde zierte seine rechte Schläfe, und er zitterte am ganzen Leib vor Anstrengung und Schock.
„Derim …“
Er blinzelte und erwachte aus seiner Erstarrung. Hastig warf er das Holzscheit beiseite und rannte auf sie zu. „Bist du verletzt?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nur ein paar Kratzer. Aber du …“
Er winkte ab und zog sie auf die Beine. „Nicht weiter schlimm. Wir müssen weiter. Schnell.“
Er hob sein Schwert auf und befestigte es umständlich an seinem Gürtel, dann ergriff er wieder ihre Hand und zog sie mit sich. „Komm, es ist nicht mehr weit.“ Sie liefen weiter, mehr stolpernd als rennend. Sie versuchte, die vielen leblosen und teilweise verkohlten Körper zu ignorieren, die überall zwischen den Häusern und auf der Straße herumlagen. Es gelang ihr nicht.
Eine weitere Gestalt tauchte vor ihnen zwischen den Rauchschwaden auf. Derim legte eine Hand auf seinen Schwertknauf, doch dann ließ er sie wieder sinken und wurde langsamer. „Saria?“, fragte er die Dunkelheit.
Ein blondes Mädchen trat aus den Schatten hervor. Ihre zerrissene Kleidung war angesengt, ihr Gesicht nass und rußig. Sie hatte geweint. Als sie die beiden sah, schluchzte sie auf und warf sich Derim an den Hals. „Warum habt ihr so lange gebraucht?“ Wütend hieb sie mit der Faust gegen seine Schulter. „Ich habe mir Sorgen gemacht!“ Ihre Augen weiteten sich, als sie das Blut sah. „Derim, was ist denn passiert? Du siehst schrecklich aus!“
„Mir geht es gut“, erklärte Derim ungeduldig und packte ihre Schultern. „Wo ist Ranam?“
Saria verzog das Gesicht. „Deira … Sie kam vor wenigen Minuten hier vorbei. Sie … Sie haben Laineam erwischt, sagte sie. Deira wollte nicht mehr warten und Ranam auch nicht. Sie sind schon fort. Immerhin konnte ich verhindern, dass sie all unsere Vorräte mitnehmen.“ Sie zeigte auf ein Bündel neben sich.
„Warum bist du nicht mit ihnen gegangen? Es war gefährlich, hier auf uns zu warten!“
„Bist du verrückt? Und euch hier zurücklassen? Niemals! Wenn die beiden anderen uns im Stich lassen wollen, bitteschön, aber ich gehe nicht ohne euch!“ Sie schluchzte erneut und wischte trotzig mit dem Ärmel über ihre Nase. „Ihr seid doch alles, was ich habe!“
Derim ergriff die Hände der beiden Mädchen. „Kommt. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Raus hier!“
Sie rannten los, hinein in den düsteren Tunnel. Die Flammen hinter ihnen flackerten unheimlich an den unebenen Wänden, aber je weiter sie liefen, desto dunkler wurde es, bis sie schließlich nichts mehr sehen konnte. „Kommt schon, es ist nicht mehr weit“, hörte sie Derims Stimme vor sich.
Mit einem Mal griff sie ins Leere. Sie keuchte auf und streckte die Hand aus, doch da war nichts. „Derim? Saria?“ Sie hörte die Angst in ihrer eigenen Stimme, hörte das Echo, das von den Wänden des Tunnels zurückgeworfen wurde. „Derim!“ versuchte sie noch einmal. Es klang schrill. „Saria! Wo seid ihr?“ Stille und Dunkelheit umgaben sie. Verzweifelt tastete sie nach den Tunnelwänden. Wieder griff sie ins Leere. „Lasst mich hier nicht alleine zurück, bitte!“ Es war kaum mehr ein Flüstern. „Lasst mich nicht zurück!“
„Aya?“
Sie fuhr herum. Weiße Funken leuchteten vor ihr auf, tanzten durch die Finsternis. Farblose Nebelschwaden krochen über den Boden, hüllten ihre Füße ein und bedeckten den Boden um sie herum, der sich mit einem Mal ins Endlose zu erstrecken schien. Die weißen Funken wurden größer, breiteten sich aus und erfüllten den weiten Raum mit einem sanften, farblosen Licht.
Sie blinzelte, als eine Gestalt aus dem Nebel hervortrat. Er verharrte, als er sie erblickte, und der sorgenvolle Ausdruck auf seinem Gesicht wich sofort der Erleichterung und Freude, als der Rest des Traumes verblasste. „Aya!“
Aya schloss die Augen und ließ ihren angehaltenen Atem entweichen. „Du bist hier“, flüsterte sie. „Endlich.“
Wie sehr hatte sie ihn vermisst. Wie sehr gefürchtet, nie wieder seine Stimme zu hören. Und wie gerne wäre sie auf ihn zu gerannt und hätte ihn in die Arme geschlossen. Doch in dieser Welt war das nicht möglich.
„Aya“, sagte er noch einmal, als sie die Augen wieder öffnete.
„Ameres. Ich hatte gehofft, dass du deine Schlafzeiten nicht geändert hast. Ich wusste, du würdest es schaffen. Ich wusste, du würdest nicht aufgeben. Wir haben vermutlich nicht viel Zeit.“
Ameres trat näher und betrachtete sie einen Moment lang, so als müsse er sich vergewissern, dass sie wirklich vor ihm stand, dann sah sie direkt an. „Ich versuche seit Wochen, euch zu finden. Asnera hat alle Traumseher aufgerufen, es zu jeder Tages- und Nachtzeit zu versuchen. Wir standen immer vor verschlossenen Türen. Ich hatte schon das Schlimmste befürchtet. Was ist mit euch geschehen?“
„Sie haben uns blockiert. Sie geben uns einen Schlaftrank, damit sie genau bestimmen können, wann wir schlafen und wann wir aufwachen, und steigen dann in unsere Träume ein, damit niemand anderes es tun kann. Jetzt allerdings wissen sie nicht, dass ich schlafe. Aber sie werden es bald merken. Und ich weiß nicht, was sie dann tun werden.“
Ameres zog die Brauen zusammen. „Sie?“
„Der Orden des Mondfalken. Saganuv und seine Brüder. Erinnerst du dich an den Abend nach der Trauerfeier?“
Sein Gesicht verfinsterte sich. „Natürlich.“
„Ich wollte noch einmal kurz ins Lazarett, um nach meinen Patienten zu sehen. Als ich herauskam, packte mich jemand und legte mir ein Reinsilberamulett um. Ich konnte nichts tun. Ameres, sie haben nicht nur dieselben Gaben wie die Elhar, sie missbrauchen sie. Garradu konnte Laryanas Träume manipulieren und sie so in die Falle locken, und Edurus kann mit seiner Stimme sogar geübte Wahrheitsseher täuschen. Sie haben auch ein paar andere mitgenommen. Nur Verwandelte und Pacru. Und … Laryana.“
Ameres hatte die Lippen fest aufeinandergepresst, während er ihren Erklärungen lauschte. Nun ballte er die Hände zu Fäusten. Sie zitterten. „Ja, das haben wir mitbekommen. Wir haben alles versucht, um die Ordensleute ausfindig zu machen. Keine Spur. Wir wissen nicht einmal, wie sie aus dem Lager herausgekommen sind, ohne dass wir etwas mitbekommen haben. Wir vermuteten …“
„Prodim“, unterbrach Aya ihn.
Ameres stockte. „Prodim? Was ist mit ihm?“
„Er hat ihnen Informationen gegeben. Er hat ihnen geholfen, ungesehen aus dem Heerlager herauszukommen. Ich weiß nicht warum, es schien ihm sogar leid zu tun, uns beide zu verraten. Soweit ich es verstanden habe, hatten Henam und die anderen aus Roterde nichts damit zu tun.“
„Das erklärt einiges. Vor etwa zwei Wochen bat Prodim darum, mit ein paar seiner Leute eine Angelegenheit zwei Dörfer weiter zu klären. Er meinte, er könne vielleicht weitere Verbündete für uns gewinnen. Seitdem ist er spurlos verschwunden. Warum hat er das getan? Warum hat er diesen Verrat begangen?“
„Das hat er nicht sagen wollen.“ Sie schlang die Arme um ihren Leib. „Sie haben ihn nicht gezwungen, das weiß ich. Ich glaube, er hat es einfach nicht über sich gebracht, den Elhar zu trauen. Der Orden hat dieses Misstrauen erkannt und es für sich genutzt. Womöglich haben sie ihn manipuliert, mit Lügen und geschickten Worten.“
„Wir haben Blut in Laryanas Zelt gefunden. Ihr Blut. Was weißt du darüber?“
Aya fröstelte erneut. „Sie haben einen Dolch in ihr Herz gestoßen, um sie zu lähmen. Aber sie lebt. Noch.“ Ein weiteres Mal lief ein Zittern über ihren Körper und sie gab ein leises Zischen von sich.
Beunruhigt kam Ameres etwas näher und streckte eine Hand nach ihr aus. „Aya, was ist los? Irgendetwas stimmt nicht, oder?“
Sie schüttelte den Kopf. „Sie … Sie sind hier. Sie versuchen, mich zu wecken. Ich habe nicht mehr viel Zeit. Laryana wird allerdings bald schlafen, in einer, vielleicht zwei Stunden. Vielleicht kannst du sie finden, wenn Garradu nicht schneller ist.“ Ein leiser Schmerzenslaut entfuhr ihr und sie krümmte sich leicht nach vorne. „Ich werde gleich aufwachen. Was auch immer ihr tut: Sie sind gefährlich. Und … Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, sie haben uns nach Westen gebracht.“
Wieder versuchte Ameres, nach ihrer Schulter zu greifen, doch seine Hand glitt hindurch. „Aya!“, rief er. Er biss sich auf die Lippe. „Halte durch, meine Liebste. Wir werden euch finden.“
„Beeilt euch“, flüsterte Aya und wimmerte leise. „Laryana … Ich weiß nicht, was sie mit ihr machen, aber es tut ihr weh und nimmt ihr jegliche Kraft. Ich habe Angst, sie könnte …“ Sie riss die Augen auf.
„Aya!“
Es kostete sie viel Anstrengung, als sie noch einmal den Kopf hob und ihn direkt ansah. „Ameres, ich liebe dich. Pass gut auf meine Geschwister auf.“
„Aya!“
Ameres schlug die Augen auf. Sanftes Licht strahlte ihm entgegen und verriet ihm, dass es bereits früher Morgen war. Er schloss noch einmal die Augen und wiederholte in Gedanken, was er erfahren hatte, dann warf er seine Decke beiseite, erhob sich und verließ sein Zelt. Sein Gang war steif und hölzern, gleichzeitig angespannt und rasch, wie elektrisiert. Er wandte sich zu dem Zelt rechts von seinem und klopfte einmal kurz an den Zeltpfosten. Während er auf eine Antwort warte, drehte er gedankenverloren den Ring an seinem linken Zeigefinger. „Halte durch“, flüsterte er. „Bitte, gib nicht auf. Ich werde dich finden, und wenn es das Letzte ist, was ich tue!“
„Was ist denn?“, erklang es schließlich mürrisch aus dem Inneren des Zeltes.
Ameres warf einen Blick nach Osten. Die Sonne war noch nicht über den Horizont getreten. Wahrscheinlich hatte Derim wieder bis spät in die Nacht Karten gewälzt auf der Suche nach einem möglichen Ort, an dem der Orden seinen Stützpunkt haben könnte – wenn es denn so etwas überhaupt gab. Nur waren Karten vom Westen Laëndroms leider rar, und wenn es sie gab, konnte man nie sicher sein, inwieweit sie der Wirklichkeit entsprachen.
„Derim, ich bin es. Aya lebt.“
Er hörte ein kurzes Rascheln, dann einen Schlag und ein Fluchen, als etwas im Zelt umgestoßen wurde. Einen Moment später kam Sarias Kopf aus dem Eingang des Zeltes hervor. Ihr Haar stand in alle Richtungen ab und trotz des verschlafenen Ausdrucks in ihrem Gesicht wirkte sie sehr wach. „Sie lebt? Du hast sie gefunden? Bist du sicher? Geht es ihr gut? Hast du …“
„Sie lebt“, wiederholte der Naësaru schnell, als Derim sich an seiner Schwester vorbeischob und so ihren Schwall an Fragen unterbrach. Sein Haar war wirr wie das von Saria und er war nur mit einer Hose bekleidet. Wohlgeformte Muskeln zeugten von vielen Stunden des Trainings und des Kampfs. Noch vor einem halben Jahr hatte er ganz anders ausgesehen.
Seit dem Zwischenfall nach der Trauerfeier teilten sich die beiden Geschwister das Zelt. Mehr als sonst war Derim darum bemüht, ein Auge auf seine jüngste Schwester zu haben, und auch Saria schien es sehr wichtig zu sein, ihn so nahe wie möglich zu wissen.
„Wo ist sie? Wie geht es ihr?“ Tiefe Schatten lagen unter Derims Augen und seine Haut wirkte für seine Verhältnisse blass. Seine Augen selbst jedoch waren hellwach und tasteten über Ameres‘ Gesicht auf der Suche nach Hinweisen.
Ameres nahm sich einige Sekunden, um ihn zu mustern. Man sah Derim an, dass er seit Wochen nicht richtig schlief – im Gegensatz zu ihm selbst, der seinem Körper momentan wohl mehr Schlaf aufzwang, als gut für ihn war – und dennoch hing ihm eine sachliche Entschlossenheit an, die er so von Derim nicht gewohnt war. Unermüdlich hatte sich der junge Mann in den letzten Wochen immer wieder an Suchaktionen beteiligt und Informationen zu sammeln versucht. Auch an den Kämpfen, die sie in dieser Zeit ausgefochten hatten – ein paar Dörfer und eine kleinere Festung – hatte er sich des Öfteren beteiligt und die ein oder andere Narbe errungen. Es war seltsam, aber manchmal hatte Ameres das Gefühl, Derim in diesen letzten Wochen besser kennengelernt zu haben als in all den Monaten davor. Oft hatten sie zusammengesessen, hatten über Aya und auch über Laryana gesprochen. Gerade in seinen schwächsten Momenten war Derim zu ihm gekommen und hatte sich ihm anvertraut. Es war seltsam, ihn so verletzlich zu erleben, und gleichzeitig war es wohltuend. Es half ihm, seinem eigenen Frust Ausdruck zu verleihen, seiner eigenen Furcht.
Dennoch, wenn sie nicht unter sich waren, umgab Derim sich mit einer scheinbaren Gleichgültigkeit, die ihm zwar eine gewisse Ruhe und Gelassenheit verlieh, ihn aber gleichzeitig oft kalt erscheinen ließ. Ameres hörte ihn ab und an mit Saria streiten deswegen, und auch, wenn sie sich meist recht schnell wieder vertrugen, machte er sich Sorgen um die beiden.
„Ich weiß nicht, wo sie ist. Es scheint ihr gut zu gehen, wenn man von den Umständen absieht“, erwiderte Ameres schließlich, während Saria ebenfalls das Zelt verließ und sich neben ihren Bruder gesellte. „Sie meinte, sie befinden sich irgendwo Richtung Westen, wie wir bereits vermutet hatten. Sie ist aufgewacht, bevor sie mehr erzählen konnte. Ich werde es in einer Stunde noch einmal versuchen. Sie sagte, Laryana schlafe bald. Und sie meinte, Prodim hätte mit der Sache etwas zu tun.“
Derim strich sich über das Kinn und nickte langsam. Noch immer wirkte er ernst und gefasst. „Prodim. Das erklärt natürlich sein plötzliches Verschwinden. Hat sie …“
„Was ist mit Laryana?“, unterbrach Saria ihn ungeduldig. Auch ihr waren die Sorgen der letzten Wochen deutlich anzusehen. Während Derim sich jedoch eher zurückgezogen und darüber gebrütet hatte, was man unternehmen konnte, schien sie aufgedrehter und übermütiger als sonst zu sein. Besonders Derim hatte immer wieder unter ihren kleinen Wutausbrüchen zu leiden gehabt, ebenso unter der ein oder anderen waghalsigen Aktion, während sie die Festung Tannukat und einige Dörfer eingenommen hatten. Auch jetzt lag ein seltsames Glitzern in ihren Augen, als sie den Naësaru mit stechendem Blick betrachtete. Sie wirkte wie eine gespannte Sprungfeder, die jeden Moment losgehen konnte.
Ameres hob die Schultern und ließ sie müde wieder fallen. „Ich weiß es nicht genau. Sie lebt ebenfalls. Aber Aya deutete Schwierigkeiten an. Was es auch ist, es gefällt mir nicht.“ Er wandte den Kopf und sah noch einmal zum Horizont, an dem sich nun bereits ein heller, schimmernder Rand andeutete. „Ich werde Asnera und Fareas suchen und sie informieren. Ich weiß jetzt, warum es so lange gedauert hat, Aya zu finden. Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn ich mich erst einmal mit den anderen Traumsehern bespreche. Vielleicht weiß jemand von ihnen Rat.“
„In Ordnung, ich werde Taram suchen“, erwiderte Saria. „Und auch Tara. Sie trainiert wahrscheinlich bereits, oder?“
Ameres nickte geistesabwesend. Immer, wenn Derim sich in seinen Karten vergraben hatte, hatte Saria ihre Zeit stattdessen mit Taram und Tarelya verbracht. Sie trainierten zusammen und machten Pläne, was die Sondereinheit anging, die sie vor Laryanas Verschwinden hatten gründen wollen. Ameres war froh zu wissen, dass seine Schwester Anschluss gefunden hatte und er sie alleine lassen konnte, um andere Dinge zu tun. Dennoch verspürte er auch so etwas wie ein schlechtes Gewissen, wenn er daran dachte, wie selten er sie in letzter Zeit zu Gesicht bekommen hatte, obwohl sie sich ein Zelt teilten. „Ja, sie schläft inzwischen nachts und ist deshalb früh morgens bereits wach. Aber lass dir ruhig Zeit damit, ihr etwas zu sagen. Noch können wir ohnehin nichts unternehmen. Wir müssen erst mehr herausfinden.“
„Trotzdem, ich will, dass sie Bescheid wissen.“
„Ich komme mit dir, Ameres“, meinte Derim und griff in das Zelt, um sein Hemd und seinen Umhang herauszuholen. „Vielleicht ist ja einem der Traumseher gelungen, Laryana oder einen der anderen Entführten zu erreichen.“ Er streifte sein Hemd über. „Fareas will sofort losziehen, wenn sie auch nur irgendeinen Anhaltspunkt haben. Wenn dem so ist, will ich bereit sein.“
„Haltet mich auf dem Laufenden.“ Saria verschwand im Zelt, um sich umzuziehen.
Ameres fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Es reichte inzwischen wieder fast bis zu seinem Kinn. „Gehen wir.“
Aya öffnete die Augen und rang nach Luft. Ihr Haar und ihr Gesicht waren klatschnass, ebenso der Boden um sie herum. Unwillkürlich erzitterte sie. „Ich bin wach!“ rief sie und verzog das Gesicht, als eine weitere Ohrfeige sie traf. „Ich bin ja wach!“
„Hört auf damit, ihr Mistkerle! Lasst sie in Ruhe!“
Aya drehte den Kopf. Zwei Soldaten hielten eine dritte Person zurück, die mit aller Gewalt versuchte, sich loszureißen. Blut sickerte aus ihrer Nase, und obwohl ihr Gesicht bleich und kränklich wirkte, schienen ihre Augen nur so zu sprühen. Auch die Nase des einen Soldaten blutete, während die Haltung des anderen leicht gekrümmt erschien, so als habe ihn jemand in den Bauch geschlagen. „Beruhige dich gefälligst, sonst kannst du was erleben!“, drohte er und versetzte ihr einen groben Stoß gegen die Schulter.
„Es ist schon in Ordnung, Laryana“, sagte Aya schnell und betrachtete ängstlich ihre Peinigerin, die noch immer über sie gebeugt war und sie mit einem unzufriedenen Ausdruck im Gesicht betrachtete, die Hand zum Schlag erhoben. Ein leerer Eimer stand neben ihr. Schließlich ließ sie Ayas Schulter los und richtete sich auf. „Wie lange?“, fragte sie mit herrischer Stimme.
Der linke Soldat zuckte mit den Schultern. Er wirkte eingeschüchtert, auch wenn er es zu überspielen versuchte. „Nicht lange. Ich habe vor zehn Minuten einen Kontrollgang gemacht, da war sie noch wach.“
Die Wachfrau stemmte die Hände in die Hüfte. Ihr Gesicht war angespannt. „Na schön. Gebt Saganuv trotzdem Bescheid. Wir müssen die Wachen verstärken. So etwas darf auf keinen Fall noch einmal geschehen! Gerade diese beiden dürfen nur zu den festgeschriebenen Zeiten schlafen. Verstanden?“
Die Soldaten nickten betreten, während der linke von ihnen Aya einen finsteren Blick zuwarf. Offensichtlich hatte sie ihn in Schwierigkeiten gebracht.
Der rechte Soldat machte eine Geste in Laryanas Richtung. „Was soll mit ihr geschehen?“ Sein Gesichtsausdruck verriet nur allzu deutlich, welche Antwort er sich darauf erhoffte.
Die Wachfrau überlegte einen Moment lang, während sie Laryana betrachtete. Diese hatte noch immer die Fäuste geballt, hatte aber jegliche Kampfversuche eingestellt und erwiderte den Blick der Wachfrau hasserfüllt.
„Lasst sie los“, meinte diese schließlich mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Und behaltet sie im Auge. Wenn sie sich wieder danebenbenimmt, bringt sie für ein paar Stunden in die Einzelzelle. Und bereitet ihren Trank vor. Ihre Zeit zu schlafen ist bald gekommen. Tasharus braucht sie ausgeruht und möglichst unversehrt für die Sitzung heute Mittag.“
Enttäuschung flackerte über das Gesicht des Soldaten, dann nickte er. „Verstanden.“
Die beiden Soldaten gaben Laryana einen Stoß, so dass sie nach vorne stolperte und das Gleichgewicht verlor. Unsanft fiel sie zu Boden, und es gelang ihr gerade noch, sich mit den Händen abzufangen. Sie versuchte, sich wieder hochzudrücken, doch ihre Arme gaben nach. Ein frustriertes Zischen erklang. Vorsichtig versuchte sie es noch einmal. Diesmal gelang es ihr, auf ihre Knie zu kommen.
„Du hast es gehört“, sagte einer der Soldaten. „Noch so eine Aktion und du kommst wieder in Einzelhaft. Verstanden?“
„Laut und deutlich“, gab Laryana in einem sarkastischen Tonfall zurück. Sie wischte sich mit dem Ärmel über die Nase und betrachtete das Blut daran. „Dann werde ich sichergehen, dass es sich auch lohnt“, fügte sie etwas leiser hinzu.
Der Soldat machte eine rüde Geste, erwiderte jedoch nichts und verschwand gemeinsam mit seinem Kollegen wieder auf seinem Posten. Die Wachfrau warf noch einen scharfen Blick auf Aya und trat dann zurück. „Dasselbe gilt für dich, falls du noch einmal ohne Erlaubnis schläfst“, sagte sie bestimmt. „Macht euch das Leben nicht selbst schwer. Wenn ihr kooperiert, bekommt ihr auch keine Schwierigkeiten.“ Sie verließ die Zelle und verriegelte die vergitterte Tür, dann verschwand auch sie.
Aya rappelte sich auf und eilte zu Laryana. Sie legte eine Hand auf ihre Schulter.
„Mir fehlt nichts“, sagte die Naësara. Es klang müde. Ein weiteres Mal wischte sie über ihre Nase. Mehr Blut floss nach.
„Dir fehlt eine ganze Menge“, widersprach Aya. „Was machen sie nur mit dir?“
Laryana schüttelte den Kopf. „Ich schaffe das schon. Wir müssen nur durchhalten. Sie werden uns finden.“ Sie nahm einen tiefen Atemzug und senkte die Stimme. „Ist noch etwas da?“
„Von dem Trank?“ Aya nickte. „Ich habe nicht alles verbraucht, sonst hätten sie mich nicht so schnell wachbekommen. Sie dürfen ja keinen Verdacht schöpfen. Aber ich schätze, in nächster Zeit werden wir nichts mehr abzweigen können. Und für eine zweite Runde wird es wahrscheinlich nicht reichen.“ Sie warf einen vorsichtigen Blick über die Schulter. Die Wachleute waren wieder auf ihren Posten und beobachteten sie. Wahrscheinlich würde es eine Weile dauern, bis man sie wieder aus den Augen ließ.
Man hatte ihnen verboten, die Gabe des Erinnerungssehens zu gebrauchen. Da ein solcher Austausch allerdings nur einer Berührung bedurfte, gab es wenig, was sie dagegen tun konnten. Zumal sie inzwischen gute Übung darin hatte, es zu verbergen.
„Verhalte dich unauffällig“, bat Aya leise und ergriff Laryanas Hand. „Bleib einfach sitzen und tu so, als würdest du versuchen, wieder zu Atem zu kommen.“
„Nichts leichter als das.“ Laryanas Körper spannte sich an. „Du hattest tatsächlich Erfolg?“
„Still. Sieh genau hin.“
Sie umschloss Ayas Hand fest mit der ihren. „Zeig es mir.“
Fareas starrte auf die Karte, die vor ihm ausgebreitet lag. Unzählige Linien und Punkte waren darauf eingezeichnet und bunte Steinchen lagen hier und da verteilt. Die meisten der Punkte waren rot, doch einige waren mit schwarzer Farbe übermalt worden und bildeten so etwas wie eine Schneise. Die vergangenen Wochen waren recht erfolgreich gewesen. Wenn es ihnen gelang, die Schneise zu vollenden, konnten sie ein paar der erst kürzlich durch die Cruem eroberten Gebiete im Westen und Norden vom Hauptherrschaftsgebiet Travahels abschneiden.
Fareas ergriff einen farbigen Stein und setzte ihn auf einen der roten Punkte. Der Name Narud war mit schwungvoller Handschrift daneben verzeichnet.
„Nein“, murmelte Fareas zu sich selbst und hob das Steinchen wieder auf. Sein Finger fuhr über die Karte und blieb bei einem weiteren roten Punkt stehen, wenige Zentimeter neben dem ersten. Dieser war mit Goldacker beschriftet.
Er lächelte humorlos und dennoch mit Zufriedenheit. Die Festung Narud lag westlich des Dorfes Goldacker und damit zuerst auf ihrer Route. Es würde schwierig werden, Narud unbemerkt zu umgehen und das Dorf zu erreichen, ohne zuerst die Festung eingenommen zu haben. Aber er kannte den Mann, der Narud verwaltete. Goldacker war ein wichtiger Lieferant für Eisen – die meisten Bewohner arbeiteten in den nahegelegenen Minen. Wenn das Heerbündnis das Dorf angriff, würde der Kommandant von Narud einschreiten und Soldaten senden. Es war einfacher, die Truppen der Festung zu schwächen, wenn diese sich außerhalb befanden. Zudem war es eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen die Tore geöffnet wurden. Taolons Spione waren geschickt, sie würden das Chaos zu nutzen wissen, um jemanden in die Festung einzuschleusen. Anschließend hatten Fareas‘ Truppen es mit einer Festung zu tun, deren Tore ihnen von innen geöffnet wurden und die um einiges schwächer war als zuvor.
Er ließ das Steinchen auf die Karte fallen und erhob sich, die Aufmerksamkeit noch immer auf Goldacker gerichtet. Die Spione hatten sich gezwungenermaßen schnell von dem Schlag erholt, ihre langjährige Anführerin Nolara Silberweide verloren zu haben, auch wenn es eine Weile gedauert hatte, bis Taolon sich vollständig in seinen neuen Posten als Spionagemeister eingefunden hatte. Nolara hatte eine starke und geschickte Truppe hinterlassen, und manchmal erschien es Fareas, als würden sie nun nur umso engagierter arbeiten. Es war wohl ihre Art, Nolara Ehre zu erweisen und dem, was sie hinterlassen hatte. Fareas hatte die fröhliche Naësara nicht lange gekannt, aber er bedauerte ihren Verlust sehr.
Und auch der Tod seiner Großmutter, Königin Ereya, lastete weiterhin schwer auf ihm, wie auch auf dem Rest der Elhar. Diese Lücke zumindest notdürftig zu schließen, erwies sich für ihn noch immer täglich als Herausforderung. Besonders jetzt.
Geistesabwesend strich er über das geflochtene, schwarze Band an seinem Handgelenk. Erst vor einer Woche hatte er Asnera den Vorschlag unterbreitet, das Spionagenetzwerk weiter auszubauen. Sie hatte sich zunächst gescheut, weitere Elhar auszusenden, hatte schließlich jedoch eingelenkt. Sie brauchten die zusätzlichen Augen. Vor allem, da sie nicht mehr nur nach dem Cruem Ausschau halten mussten. Trotzdem konnte er ihre Sorge verstehen. Die Elhar waren ein kleines Volk und fast die Hälfte von ihnen war am Feldzug beteiligt. Je mehr von ihnen das Tal verließen, desto geringer waren die Chancen für sie, als Volk zu überleben, sollte der Krieg eine unvorteilhafte Wende für sie nehmen. Dennoch, wenn sie nicht ganze Sache machten, hatten sie keine Aussichten auf Erfolg. Teneris würde sich gewiss nicht zurückhalten. Umso weniger durften sie es tun.
Er drehte sich um, als sich Schritte dem Zelt näherten. So früh am Morgen hatte er niemanden erwartet. Er neigte den Kopf zur Seite und lauschte. Es war Asnera.
Er grüßte sie knapp, als sie eintrat und wollte sich gerade wieder der Karte zuwenden, als etwas in ihrem Gesicht ihn zögern ließ.
„Du bist früh hier“, sagte sie. „Hast du überhaupt geschlafen?“
Er warf einen kurzen Blick auf die Karte hinter sich. „Gibt es Neuigkeiten?“, erwiderte er statt einer Antwort.
Asnera hob missbilligend die Brauen, doch dann verschränkte sie die Arme und nickte. „Ja, die gibt es tatsächlich, und es sind ziemlich gute. Ameres war gerade gemeinsam mit Derim bei mir. Ihm ist eine kurze Verbindung gelungen. Er bespricht sich gerade mit den anderen Traumsehern.“
Fareas‘ Gesicht blieb unbewegt. „Laryana?“, fragte er schließlich.
„Nein, Aya. Aber Laryana ist bei ihr. Sie leben, und die anderen Entführten auch.“
„Verstehe. Irgendwelche hilfreichen Informationen?“
„Noch nicht. Die Verbindung war nur kurz. Anscheinend kontrollieren sie ihren Schlafrhythmus und blockieren ihre Träume mit ihren eigenen Traumsehern. Aya gab aber den Hinweis, dass Laryana bald schlafen wird. Vielleicht gelingt es einem der Traumseher, sie vor dem Orden zu erreichen. Prodim scheint in die ganze Sache verwickelt gewesen zu sein. Ich werde mit Henam reden, sobald die Sonne aufgegangen ist, und herausfinden, was er weiß.“
Fareas‘ Augen sahen einige Sekunden lang ins Leere in dem Versuch, seine Gedanken zu ordnen. Schließlich lenkte er die Aufmerksamkeit wieder auf seine Schwester.
„Irgendwelche neuen Nachrichten von den Spionen?“, fragte er.
„Taolon hat gerade eben unsere Vermutung bestätigt. Es sieht aus, als habe Teneris es unbeschadet zurück nach Travahel geschafft. Außerdem haben wir weitere Cruem-Heere entdeckt. Allerdings sind sie klein. Sie ziehen in Richtung Arkengrund. Heerführer Suram, der dort noch stationiert ist, wurde bereits benachrichtigt.“
„Nach Arkengrund. Und damit auch Richtung Nisirta. Sie sammeln sich.“ Fareas gab ein leises Zischen von sich. „Irgendetwas Neues von den Menschenheeren?“
„Bisher nicht. Ehrlich gesagt beunruhigt mich das. Wer weiß, wo Teneris sie versteckt hält. Und was er mit ihnen noch vorhat.“
„Nichts Gutes, das steht fest. Ich habe so eine Ahnung, wo sie irgendwann auftauchen werden.“
Asneras Gesicht verhärtete sich. „Nisirta.“
„Ja. Ratsherr Ciaran Nachtschatten ist zwar gewarnt und hat mit den Vorbereitungen begonnen, aber trotz allem ist Nisirta nur eine einzelne Stadt. Viele ihrer Streitkräfte sind hier bei uns im Heerlager. Zudem haben sie sich bisher immer auf die Reinsilbergrenze verlassen können. Die Stadt wurde nicht dafür errichtet, gegen Menschen verteidigt zu werden. Hoffen wir, dass Travahel noch eine Weile braucht, um sich zu organisieren. Wir können es uns kaum leisten, an zwei Fronten zu kämpfen.“
„Früher oder später müssen wir das wohl. Ich habe aber die Vermutung, dass Teneris die Existenz der Menschenheere durch das Auftauchen des Heerbündnisses früher offenbaren musste als geplant und sie noch in dem Prozess stecken, sich zu organisieren. Wenn wir Glück haben, gibt uns das noch ein wenig Zeit. Außerdem sind die Heerführer dieser Heere zum größten Teil Verwandelte, und diese können die Silbergrenzen nicht überwinden. Das mag Teneris noch zögern lassen. Die menschlichen Soldaten könnten desertieren, sobald sie sich hinter der Grenze befinden.“
„Er hat noch immer ihre Familien als Druckmittel.“
„Das ist natürlich richtig.“ Sie neigte den Kopf zur Seite. „Tu dir selbst einen Gefallen und gönn dir etwas Ruhe. Wenn du wirklich die Rettungsaktion leiten willst, musst du ausgeruht sein. Womöglich haben wir in wenigen Stunden einen Grund loszuziehen.“
Fareas drehte sich um zu der Karte und griff nach einem der bunten Steinchen. „Es geht mir gut“, sagte er ruhig. „Und wenn es wirklich bald losgeht, möchte ich bereit sein.“
Er rückte ein weiteres Steinchen zurecht, doch dann verharrte er mitten in der Bewegung. Asnera stand noch immer hinter ihm. „Gibt es sonst noch etwas?“, fragte er.
Asnera hatte den Mund zu einem unzufriedenen Ausdruck verzogen. „Fareas, du kannst nicht die ganze Zeit in diesem Zelt vor dich hinbrüten. Du wirst noch wahnsinnig, wenn du so weitermachst.“
Er ließ das Steinchen fallen und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch vor ihm. „Wir sind im Krieg, Asnera. Und wir stehen unter Zugzwang. Ich tue das, was ich tun muss, besonders jetzt, wo sich die Führungsverhältnisse so plötzlich geändert haben und unser Volk Stabilität braucht.“
„Ich weiß, du machst dir Sorgen um Laryana, auch wenn du es anscheinend weiter bevorzugst, so zu tun, als käme nichts an dich heran. Aber es nützt ihr doch nichts, wenn du dich zu Tode arbeitest, um alles andere zu verdrängen!“
Er richtete sich ruckartig auf und fuhr herum. Plötzlich war jegliche Ruhe aus seinen Zügen verschwunden, so als sei ein Hebel umgelegt worden. Seine Augen blitzten. „Glaubst du, ich versuche hier bloß, mich abzulenken? Ja, verdammt, ich mache mir Sorgen um Laryana! Ich habe Angst davor, was sie ihr antun! Und ich mache mir Sorgen darum, dass da draußen Menschen sind, die sich an unseren Leuten vergreifen und wer weiß was mit ihnen anstellen, obwohl wir auch so schon genügend Herausforderungen haben!“
Er streckte einen Finger nach der Karte aus. Seine Hand zitterte leicht. „Denkst du, ich verkrieche mich einfach nur in meiner Arbeit? Wenn ich könnte, würde ich jede freie Minute darauf verwenden, nach meiner Verlobten zu suchen und diejenigen bezahlen zu lassen, die ihr das angetan haben! Aber ich habe auch eine Verantwortung unserem Volk gegenüber, und zwar eine ziemlich große! Gerade jetzt!“ Er unterbrach sich und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
Asnera hatte den Blick zu Boden gewandt, doch noch immer lag eine Mischung aus Trotz und Zorn darin. Sie gab ein leises Schnaufen von sich.
„Ich … weiß, du meinst es nur gut“, sagte Fareas schließlich, und seine Stimme klang wieder gefasst. „Aber das ist jetzt nicht die Zeit, wo ich auf mich selbst übermäßige Rücksicht nehmen kann. Wir müssen mit diesem Feldzug so schnell wie möglich weitermachen, wenn wir verhindern wollen, dass Teneris sich neu organisiert und uns überrennt. Und das bedeutet, ab und an auch Opfer zu bringen. Es gibt ohnehin nicht viel, das ich momentan für Laryana tun könnte. Außer zu warten, zu beten und zu hoffen.“
Asnera legte den Kopf in den Nacken. „Nun gut. Ich weiß, wie viel Druck gerade auf dir lastet, ich spüre es ja auch. Versuche dennoch abzuwägen. Ereya hat dir die Verantwortung übergeben, aber nicht dir alleine. Du musst nicht alles selbst machen. Das kannst du auch gar nicht.“
Er wandte sich ab. „Ja, ich weiß. Ich werde mich später mit den Garnisonsführern und mit Taolon besprechen. Sie können dann alles Weitere regeln, was unseren nächsten Feldzug angeht, und die Details ohne mich planen.“
„Ich kann dir ebenfalls helfen, das weißt du. Und auch, wenn es dir nicht gefällt, denk noch einmal über das Angebot von Naytala nach, an deiner Stelle die Rettungsaktion zu leiten. Sie ist eine sehr fähige Kriegerin und wird es gut machen.“
„Meinetwegen. Ich ziehe es in Betracht. Ich werde sie benachrichtigen, damit sie sich bereithält. Sollte es dazu kommen, möchte ich trotzdem informiert bleiben über jede Entwicklung.“
„Lass das meine Sorge sein.“
„Du hast bereits genug zu tun.“
„Fareas, ich …“
„Du hast ein Heer zu leiten, Asnera, und genau dort brauche ich dich jetzt. Alles andere lass meine Sorge sein.“
Wieder wirkte sie unzufrieden, doch dann nickte sie. Sie machte eine Geste in Richtung der Karte. „Wie sieht es aus?“
„Ich habe einen Plan für Narud ausgearbeitet. Wenn alles gut läuft, sollten zwei kleine Truppen dafür genügen. Wir könnten bereits übermorgen losziehen. Es wäre eine Möglichkeit für Mesaram, sich zu beweisen. Und für mich, den neuen Heerführer der Menschen etwas besser kennenzulernen.“
„Gut. Die Besprechung mit den Heerführern ist heute Nachmittag. Dabei wollen wir auch Mesaram in seinen neuen Posten einführen. Schlafe bis dahin ein wenig. Vielleicht wissen wir dann auch mehr über die Entführten.“
Fareas holte sich kurz das Bild Mesarams vor Augen. Harod und Taerim hatten ihn vorgeschlagen, um das Heer von Tanas Morgentau zu leiten, während sie Werens Soldaten auf die übrigen Heere verteilt hatten. Er war ein robust gebauter Mann Mitte vierzig, mit buschigem Bart und buschigen Augenbrauen, die beide in seine feuerrote und üppige Mähne überzugehen schienen. Darunter verborgen funkelten zwei wache und aufmerksame Augen. Er sprach nur selten, schien eher zuzuhören, aber wenn er etwas sagte, wurde recht schnell offensichtlich, dass er eine ausgeprägte Meinung hatte, die nicht so leicht ins Wanken gebracht werden konnte. Fareas konnte noch nicht genau sagen, ob das nun gut oder schlecht war.
Mesaram schien ein recht kompetenter Kämpfer zu sein und reich an Erfahrung. Er hatte sein Heimatdorf vor einigen Jahren in einen Aufstand geführt, nachdem die Cruem angefangen hatten, Menschen als jährliche Tribute zu fordern – etwas, das immer öfter geschah und immer häufiger Aufstände mit sich brachte. Mehr als einmal hatte Fareas selbst solche Aufstände niedergeschlagen. Und die Kriegsgefangenen dann nach Travahel gebracht.
Er behielt diesen Gedanken einen Moment vor Augen, dann schob er ihn beiseite. Jetzt war kein guter Zeitpunkt für Selbstvorwürfe.
Mesarams Aufstand war damals erfolgreich gewesen – allerdings hatte Teneris recht schnell weitere Truppen geschickt, um das Dorf zu vernichten. Mesaram und ein paar andere waren entkommen und hatten sich schließlich Tanas und seinem Widerstand angeschlossen. Mesarams Familie war bei Teneris‘ Gegenschlag umgekommen. Er war ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hatte. Und fest entschlossen, das zu seinem Vorteil zu verwenden.
Abgesehen von diesem Ausschnitt seiner Lebensgeschichte wusste Fareas noch recht wenig über ihn. Gewiss würde es helfen, ihn einmal auf dem Feld zu erleben.
„In Ordnung“, sagte er schließlich.
Asnera schickte sich an, das Zelt zu verlassen, doch dann verharrte sie. „Du machst deine Sache sehr gut, Fareas“, sagte sie leise. „Gerade die letzten Wochen zeigen das. Ereya wäre stolz auf dich.“
„Und auf dich.“ Zum ersten Mal verirrte sich so etwas wie ein Lächeln auf seine Lippen.
Asneras Mundwinkel hoben sich sanft. „Bis später.“ Sie verschwand.
Fareas griff nach der schwarzen Haarsträhne, die in sein langes, weißblondes Haar eingeflochten war. „Yana“, flüsterte er und schloss die Augen. Dann wandte er sich wieder der Karte zu.
„Blockierte Träume. Das erklärt einiges.“
Ameres warf einen Blick durch die Runde. Etwa fünfzehn Traumseher hatten sich in dem großen Zelt versammelt, das normalerweise für militärische Besprechungen genutzt wurde. Asnera hatte ihnen eigentlich ein kleines Zelt zur Verfügung gestellt, in dem sie sich besprechen konnten, und das immer von mindestens drei Traumsehern besetzt war, um Nachrichten so schnell wie möglich weiterzugeben. Es war bequem eingerichtet und mit Büchern und Brettspielen bestückt, um den diensthabenden Traumsehern eine Beschäftigung zu bieten. Für eine Vollversammlung war es allerdings nicht geeignet.
Nur wenige der Anwesenden waren ausgebildete Traumseher im Dienste des Rates von Refnan. Asnera hatte nach der Entführung einen Aufruf gestartet, und viele mit dieser Gabe waren gefolgt, um zu helfen.
Derim hatte Ameres hierher begleitet, war dann aber wieder aufgebrochen. Niemand anderem von den Traumsehern war es gelungen, zu einem der Gefangenen Kontakt aufzunehmen, und Derim wollte seine Zeit lieber darauf verwenden, weiterhin Karten zu erforschen.
Unruhe brannte nun in Ameres. Es war ihm wichtig, den Rat der anderen einzuholen, die größtenteils erfahrener und älter waren als er. Größer jedoch war die Angst, Laryanas Schlafphase zu verpassen. Falls er denn überhaupt eine Chance hatte, in ihren Traum zu gelangen.
„Das stellt uns natürlich vor eine Herausforderung“, Saelus nun fort, Leiter der Traumseher im Heerlager. Die Arme verschränkt und das Kinn nachdenklich in eine Hand gestützt, lief er in der Mitte des Kreises auf und ab. „Wenn es stimmt, was Aya Esmel sagte, und der Orden des Mondfalken die Schlafphasen der Gefangenen kontrolliert – dazu noch ihre Träume – bedeutet das wohl, dass sie sehr gut organisiert sind. Sie haben zudem viel Erfahrung mit der Traumsicht, scheinbar noch mehr als wir. Die Erfahrungen der letzten Wochen lehren uns auch, dass sie sehr sorgfältig arbeiten.“ Saelus blieb stehen. „Was können wir tun?“
Eine junge Naësara erhob sich. „Wir müssen schneller sein als sie. Wir müssen die Traumtüren beobachten und sofort eintreten, sobald sie sich öffnen.“
„Versuchen wir nicht genau das schon seit über vier Wochen, Murysia?“, schaltete sich ein anderer Naësaru ein. Leichter Spott lag in seiner Stimme.
Murysia zuckte unbeeindruckt mit den Schultern, warf ihm dann aber ein irritiertes Funkeln zu. „Wir haben meistens nur stichprobenartig versucht, in Träume einzusteigen. Vor einer Traumtür zu warten in der Hoffnung, dass sie sich öffnet, ist eine sehr anstrengende Sache. Ich behaupte, keiner von uns hat dort je über einen längeren Zeitraum hinweg Wache gestanden.“
„Trotzdem, selbst mit unseren Methoden hätte es innerhalb so langer Zeit auch mal funktionieren müssen“, meinte Ameres. Er saß vornübergebeugt, die Arme auf die Oberschenkel gestützt, und spielte nervös mit seinen Fingern. „Der Orden weiß im Gegensatz zu uns, wann die Gefangenen schlafen. Damit haben sie die besseren Chancen, selbst wenn wir die Traumtüren rund um die Uhr bewachen.“
„Ich glaube, ich bin einmal reingekommen“, meinte ein weiterer Naësaru. „Aber etwas hat mich wieder hinausgeworfen. So fühlte es sich zumindest an.“
Ein anderer nickte. „Ja, bei mir auch, mehrmals sogar. Ich weiß nicht genau, was das war. Das ist mir noch nie passiert.“
Stille legte sich auf die Versammlung. Man konnte fast die Gedanken rattern hören.
Plötzlich richtete Ameres sich auf seinem Stuhl auf. „Gegen das Erinnerungssehen kann man sich doch wehren“, sagte er. „Man kann jemanden aus seinen Gedanken werfen, wenn man nicht will, dass er darin herumsucht. Müsste das nicht auch mit der Traumsicht funktionieren?“
Der Naësaru in der Mitte schüttelte den Kopf. „Ja, aber das hilft uns nicht. Es ist weitaus schwieriger als beim Erinnerungssehen. Und selbst wenn es gelingt, wacht der Träumende normalerweise einfach auf, ebenso wie der Traumseher.“
Ameres sank erneut in sich zusammen. Die Unruhe verstärkte sich und brachte den bitteren Nachgeschmack der Enttäuschung mit sich. Zum ersten Mal wussten sie, wann einer der Gefangenen schlafen würde. Diese Chance durften sie nicht verpassen!
„Es war Eure Frau, die Ihr erreicht habt, nicht wahr?“
Er sah auf. Ein älterer Mann, der etwas zurückgezogen in einer Ecke saß, hatte sich erhoben und fokussierte ihn eindringlich. Genau wie seine Stimme wirkte sein Gesicht ruhig und nachdenklich. Sein Haar war weißblond wie das der anderen, seine Augen hingegen wirkten weitaus bläulicher als die violetten Augen der anderen. Pacru, dachte Ameres. Aber das Gegenteil von Taram. Mehr Naësaru als Mensch.
„Das ist richtig. Was für eine Relevanz hat das?“
Der Pacru nickte langsam und strich mit der Hand über seine Nase, während er etwas vor seinem inneren Auge zu betrachten schien. „Nun, wir waren noch nie in einer Situation wie der diesen und hatten daher nie Grund, die Grenzen der Traumsicht weiter zu erforschen. Aber ich erinnere mich noch an meine erste Lehrerin vor vielen Jahren. Sie hatte die These, dass eine Traumsicht größere Chancen hat, je besser man eine Person kennt. Sie glaubte sogar, man könne auf diese Weise bestehende Traumsichten durchbrechen.“
„Habt Ihr das je ausprobiert?“
„Dazu ergab sich nie Gelegenheit. Und ich habe es bis jetzt auch nie für notwendig befunden. Ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal, ob sie es je selbst ausprobiert hat.“
„Theorien“, winkte Murysia ab. „Das hilft uns jetzt auch nicht weiter.“
„Da wäre ich mir nicht so sicher.“ Ameres erhob sich. „Bei meiner ersten Traumsicht landete ich im Traum von Laryana Morgentau. Man sagte mir später, es sei ungewöhnlich, dass ich die Dynamiken der Traumsicht alleine und durch Zufall entdeckt hatte. Man vermutete, ich hätte ein besonderes Talent dafür. Aber vielleicht lag es daran, dass ich Laryana gut kenne.“
Der Pacru lächelte. „Das halte ich nicht für ausgeschlossen.“
„Dennoch, wieder nur eine Vermutung“, warf Murysia ungeduldig ein.
Saelus unterbrach seine Wanderung und betrachtete Ameres nachdenklich. „Ja, ist es“, bestätigte er. „Allerdings ist es alles, was wir bis jetzt haben.“ Er machte eine Geste in Ameres‘ Richtung. „Du bist mit Laryana Morgentau gut vertraut?“
Ameres nickte langsam.
„Nun gut. Dann wirst du dich ab jetzt auf sie und auf deine Frau konzentrieren. Wer sonst noch einen der Entführten näher kennt, soll sich bei mir melden. Und fordert eure Gabe ein wenig. Überlegt euch, was noch möglich sein könnte. Vielleicht ist jetzt die Zeit gekommen auszuprobieren, wozu wir noch fähig sind. Das wäre dann alles für jetzt. Wir treffen uns wieder, wenn es Neuigkeiten gibt.“
Als Ameres das Zelt verließ, war die Sonne bereits aufgegangen. Er beschleunigte seine Schritte. Selbst mit den Tricks, die die Traumseher ihm beigebracht hatten, fiel es ihm immer schwerer einzuschlafen, zumal er die innere Unruhe, die ihn ständig begleitete, nicht einfach abschalten konnte. Und sein Körper reagierte nicht gut auf die ausgiebigen Nächte, so sehr er es auch durch intensives Training auszugleichen versuchte. Aber er hatte keine andere Wahl. Ayas Andeutungen gefielen ihm nicht. Es behagte ihm überhaupt nicht – dieses Gefühl, nichts tun zu können. Sie brauchten endlich Informationen. Irgendetwas, das ihnen einen Grund gab loszuziehen.
Bevor er sein Zelt betrat, warf er noch einen Blick umher. Sie hatten einen Zeltplatz am Rande des Heerlagers gewählt, in dem Areal, wo auch die Refnaner lagerten. Trotz der frühen Stunde waren die meisten ihrer Nachbarn schon auf den Beinen. In einigen Metern Entfernung konnte er eine kleine Gruppe von Soldaten erkennen, die ihrer Ausrüstung nach auf dem Weg zum Trainingsplatz waren. Einige von ihnen kannte er. Er erwiderte ihren Gruß flüchtig, als sie ihn sahen, dann schlüpfte er in sein Zelt.
Tarelya hatte ähnlich wie Saria empfunden und beschlossen, in der Nähe ihres Bruders zu bleiben. Meistens war es wohltuend. Noch immer hatten sie viel aufzuholen aufgrund der sieben Jahre, die er als Cruem verbracht hatte. Zwar war er immer mal ein paar Tage zuhause gewesen, wenn einer seiner Einsätze geendet hatte, aber es hatte doch stetig etwas zwischen ihnen gestanden. Erst im Nachhinein war ihm bewusst geworden, wie kalt und unnahbar er oft auf Tarelya gewirkt haben musste. Besonders, da auch sie schließlich den Plan gefasst hatte, Travahel zu verlassen, und sich somit vor ihm zurückgezogen hatte.
Momentan war sie allerdings nicht im Zelt. Gerade dann, wenn seine düstere Laune sie zu sehr bedrückte, zog es sie zum Kampfplatz, um sich auszutoben. Manchmal ängstigte es Ameres, mit welchem Eifer seine Schwester sich an den Kriegszügen beteiligte. Andererseits konnte er sich eines gewissen Stolzes nicht erwehren. Sie war gut. Und sie nutzte so viel Zeit wie nur möglich, um besser zu werden.
Er begab sich zu seinem Schlaflager und ließ sich auf die Knie sinken. Noch einmal warf er einen Blick hinter sich und lauschte. Erst, als er sicher war, dass sich niemand in der Nähe befand, griff er unter sein Kissen und zog ein Tuch darunter hervor, in das etwas eingewickelt war. Sorgsam öffnete er das Paket. Ein Fläschchen kam zum Vorschein, etwa zur Hälfte mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt und mit einem Korken verschlossen. Ameres ließ seine Finger behutsam über die Beschriftung gleiten, die Aya in ordentlich gemalten Buchstaben darauf angebracht hatte. Sie hatte ihm einmal erklärt, man müsse vorsichtig mit dem Beruhigungstrank umgehen. Auch wusste sie nicht genau, wie er auf Naësari wirkte, da er eigentlich für Menschen gemacht worden war. Doch dies waren besondere Umstände.
Ameres griff nach einem Krug und einem Becher, die auf einem kleinen Schemel neben seinem Schlaflager standen. Er goss etwas Wasser in den Becher und entkorkte das Fläschchen. Behutsam kippte er es und zählte die Tropfen. Meistens genügten drei oder vier, aber diesmal war die Zeit knapp. Er zögerte kurz, dann fügte er noch zwei weitere Tropfen hinzu und verschloss das Fläschchen wieder. Vorsichtig wickelte er es zurück in das Tuch und verstaute es wieder unter seinem Kissen. Es war besser, wenn Tarelya nichts davon mitbekam. Sie würde nur unnötige Fragen stellen.
Er setzte den Becher an seine Lippen und trank den Inhalt in einem Zug. Dann schlug er die Decke zurück und legte sich auf sein Lager. Die Wirkung setzte normalerweise recht schnell ein.
Wahrscheinlich musste er sich nun auf eine unangenehme Wartezeit vor der Traumtür einstellen. Es war kein Zustand, den man freiwillig suchte. Der Geist befand sich in diesem Moment in einem Stadium zwischen Traum und Erwachen und strebte danach, eines dieser beiden zu erreichen. Dem entgegenzuwirken war anstrengend und konnte sogar schmerzhaft sein, wenn es zu lange dauerte.
Ameres schloss die Augen. Bisher war es ihm noch nicht gelungen zu unterscheiden, aus welchem Grund eine Tür vor ihm verschlossen blieb. Vielleicht konnte er die Wartezeit nutzen, um sich ein wenig auszuprobieren, wie Saelus es vorgeschlagen hatte.
Sein Körper wurde schwerer und er spürte, wie die Welt um ihn herum verblasste. „Laryana Morgentau“, flüsterte er. Es war nicht notwendig, um eine Traumsicht zu beginnen, aber es half. Ihr Gesicht stieg vor seinem inneren Auge auf. Dann hüllte ihn Dunkelheit ein.
Ameres öffnete die Augen. Ein langer, schwarzer Tunnel lag vor ihm. Nebel bedeckte seinen Boden, und seine Wände schienen aus zuckenden Schatten zu bestehen. Immer wieder zogen sie sich zusammen und verschmolzen dann mit dem Nebel, um neuen Schatten Raum zu geben. Es wirkte so, als sei der Tunnel lebendig und kämpfe darum, seine Form zu behalten.
Entschlossen betrat er den flackernden Tunnel. Kleine Funken tanzten um ihn herum und spendeten so etwas wie Licht, aber im Grunde genommen gab es nichts zu sehen außer Schattenfetzen, die nach ihm zu greifen schienen, sich um seine Beine wickelten, ihn dann jedoch sanft wieder gehen ließen, so als wollten sie sich nur vergewissern, wer er war. Noch immer verspürte er ein leichtes Unbehagen an diesem Ort. Inzwischen fiel es ihm allerdings viel leichter als am Anfang. Gedankenfetzen und Erinnerungen blitzten ab und an in dem Tunnel auf, schienen sich ihm aufzudrängen. Er schob sie beiseite. Dies hier war sein Reich. Er entschied.
Der Tunnel weitete sich und die Schatten wallten nach außen. Der Nebel zog zur Seite und gab den Blick frei auf etwas, das wie eine große Tür aussah. Auch die Tür schien aus flackernden Schatten zu bestehen, doch obwohl diese wie der Tunnel ständig in Bewegung waren, behielt sie ihre Form. Schwarzes Holz bildete zwei Flügel, die von starken, aber filigran verzierten Angeln in ihrem Rahmen gehalten wurden – ein Rahmen, der im Nichts schwebte. Leuchtende Schnitzereien zogen sich über das Holz. Sie schienen sich ständig zu verändern. Ameres glaubte, so etwas wie Blütenranken zu erkennen. Manchmal flammten auch andere Dinge auf. Er erkannte ein Schwert, ein kleines Wurfmesser, einen Schmiedehammer und eine Doppelflöte.
Er lächelte. Hier war er definitiv richtig. Dies war der Ort, der seinem Geist Zugang zum Geist einer anderen Person verschaffte. Das Tor war verschlossen, wie erwartet. Bereits jetzt spürte er das Ziehen, so als wolle sein Körper sich in zwei Richtungen gleichzeitig bewegen. „Es ist alles nur in deinem Kopf“, erinnerte er sich selbst. Sein Körper lag friedlich schlafend in seinem Zelt.
Langsam ließ er die Hand über das Tor gleiten. Seine Gewohnheit vermittelte ihm das Gefühl einer rauen, holzigen Oberfläche, und trotzdem fühlte es sich falsch an, wie eine von Tarams Illusionen. Er konzentrierte sich und versuchte, den Gedanken des Holzes aus seinem Geist zu verbannen. Langsam schob er die Hand weiter, bis er an eine der Schnitzereien stieß. Vielleicht konnte er …
Ein gellender Schrei entfuhr ihm, als Hitze seinen Arm durchfuhr und in seinem gesamten Körper drang. Ruckartig zog er die Hand zurück und betrachtete sie. Etwas in ihm erwartete, Brandblasen daran zu sehen, doch sie war natürlich unversehrt. Hier gab es nichts, was ihn verletzen konnte. „Es ist alles nur in deinem Kopf“, sagte er sich noch einmal. Sein Blick wanderte zurück zu den zuckenden Schnitzereien. Täuschte er sich oder waren sie für einen Moment heller geworden?
Wieder streckte er den Arm aus und berührte das Schattenholz. Diesmal gelang es ihm auf Anhieb, die Gewohnheit beiseite zu schieben und die Illusion der hölzernen Oberfläche zu ignorieren. Er zögerte kurz, dann führte er einen Finger an eine der Schnitzereien heran, die so etwas wie eine Knospe darzustellen schien. Als erneut Hitze seinen Arm durchströmte, gab er einen schmerzerfüllten Laut von sich, biss jedoch die Zähne zusammen und rührte sich nicht. Funken tanzten über seinen Arm, schienen in ihn einzudringen, aber die Hitze wurde mit einem Mal gleichmäßiger und erträglich.
Er ließ seinen Atem zischend entweichen. Ein Kribbeln erfüllte ihn, zog sich durch seinen Arm und durchströmte seinen Körper. Mit einem Mal hatte er das Gefühl, als würde etwas in seinem Kopf anklopfen. Wieder spürte er dieses Ziehen, als sein Geist gleichzeitig in Richtung Tür und zurück durch den Tunnel strebte. Er schloss die Augen und lenkte all seine Gedanken auf die Tür und das Kribbeln in ihm.
Alles wurde dunkel.