Das Limit bin nur ich - Jonas Deichmann - E-Book
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Das Limit bin nur ich E-Book

Jonas Deichmann

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Beschreibung

Ein Abenteuer so groß wie die ganze Welt Einmal um die Erde, in den Triathlon-Disziplinen Schwimmen, Laufen und Radfahren. Ganz auf sich allein gestellt hat Jonas Deichmann das Unmögliche möglich gemacht: Während die Welt im Lockdown verharrt, umrundet er sie, in 14 Monaten voller Grenzerfahrungen und Momenten größten Glücks. Deichmann schwimmt durch die Adria, gegen tückische Strömungen und teils in der Dunkelheit, fährt mit dem Fahrrad 20.000 Kilometer von Dubrovnik bis nach Wladiwostok bei klirrender Kälte, und durchläuft Mexiko in 120 Marathons. Begleitet von Menschen, jung und alt, die sich ihm spontan anschließen, um für ein paar Kilometer Teil seines Abenteuers zu werden, und beflügelt von Millionen Fans im Netz. Am Ende steht eine unglaubliche Geschichte von Mut, Zweifel und Motivation, vom Bergeversetzen, von der magischen Kraft von Schokoriegeln und von der Grenzenlosigkeit unserer Welt. "Wenn heute zu mir jemand sagt, das hat noch keiner gemacht, du wirst scheitern, dann sage ich: Ja, super, dann kann ich der Erste sein." Jonas Deichmann, vielfacher Weltrekordhalter und erster Mensch, der die Welt im Triathlon umrundete  

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Seitenzahl: 288

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Impressum

© eBook: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

POLYGLOTT ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Text: Jonas Deichmann, Martin Waller, Carsten Polzin

Redaktion und Projektmanagement: Wilhelm Klemm

Lektorat: Martin Waller, Werkstatt München – Buchproduktion

Covergestaltung: Bettina Arlt, favoritbüro München

eBook-Herstellung: Behzad Terrah

Schlusskorrektur: Chris Tomas

JONAS DEICHMANN, geboren 1987 in Stuttgart, ist freiberuflicher Extremsportler und Abenteurer. Er hat Geschwindigkeitsrekorde mit dem Fahrrad auf den Transkontinentalpassagen aufgestellt: Von Alaskabis Feuerland (97 Tage), von Portugalbis Wladiwostok (64 Tage) und zuletzt vom Nordkap bis ans Kap der Guten Hoffnung (72 Tage). Seine bislanggrößte Herausforderung war der Triathlon um die Welt.

www.jonasdeichmann.com

DAS LIMIT BIN NUR ICH

Wie ich als erster Mensch die Welt im Triathlon umrundete

Vorwort

Über die Alpen

Mit dem Fahrrad ein Katzensprung

Entspannt an den Start zu kommen, scheint mir fast immer der schwierigste Teil einer Challenge zu sein. In den letzten Tagen, bevor es losgeht, ist der Stressfaktor am höchsten. Selbst am Morgen des Aufbruchs muss ich nach einer sowieso sehr kurzen Nacht noch zu meinem Ausstatter, um einen neuen Schlafsack und ein paar andere Sachen abzuholen. Aber jetzt, am Samstag, den 26. September 2020, stehe ich mittags auf dem Odeonsplatz in München und bin abfahrbereit.

Pünktlich zum Startschuss ist das zuvor lange sommerlich schöne Wetter umgeschlagen. Doch trotz klammen zehn Grad und strömendem Regen sind 70 bis 80 Leute gekommen, die den Anfang meiner Weltumrundung miterleben möchten. Dazu haben sich 30 weitere Radfahrer eingefunden, um mich am Anfang ein Stück zu begleiten. RTL ist da für ein Interview und natürlich die Filmcrew, die eine Dokumentation über die Reise drehen wird. Noch ein paar Fragen beantwortet, dann rollen wir los. In etwa einem Jahr möchte ich wieder genau hierher zurückkommen. Die letzten Monate schwirrten tausend Dinge in meinem Kopf, Aufregung und Vorfreude, doch jetzt, da es endlich losgeht, hat all das keine Bedeutung mehr. Es ist nur noch dieses eine großartige Kribbeln in mir – das Gefühl von Freiheit.

Schnee in den Bergen

Raus aus München geht’s auf meiner alten Trainingsstrecke durch den Perlacher Forst. Auf dem Weg Richtung Süden bleiben nach und nach die Begleit-Radler zurück; am Abend sind nur noch mein Bruder Siddy und der Filmemacher Markus Weinberg bei mir. Die erste Routenänderung haben wir da schon vornehmen müssen.

Mein Plan war eigentlich, durch Tirol und über die Großglockner Hochalpenstraße zu fahren – Bergpässe liebe ich, und die Großglocknerstraße wäre ein echtes Juwel: Der Anstieg, lang und anspruchsvoll, ist kaum spürbar angesichts der majestätischen Schönheit der umliegenden Gipfel – nur ist der Pass soeben wegen Schneefalls gesperrt worden. Der Schlechtwettereinbruch wirkt sich aus. Und das Virus setzt noch eins drauf: Wenige Stunden zuvor wurde Tirol zum Covid-Risikogebiet erklärt. Ein Transit ist zwar möglich, aber wer länger als zwölf Stunden bleibt, muss bei der Wiedereinreise nach Deutschland in Quarantäne. Keine Option für meinen Bruder und Markus, die ja nur ein Stück weit mitfahren wollen. Deshalb geht es heute via Bayrischzell und die Tatzelwurmstraße – mit ihren endlosen Kehren ein klassischer Trainingspass für alle auf zwei Rädern – nur bis Nussdorf am Inn, noch auf deutscher Seite, wo wir übernachten. Siddy verabschiedet sich am nächsten Morgen nach München zurück, während Markus und ich die neue Route austüfteln. Kaum unterwegs und schon beginnt das Improvisieren – das kann ja heiter werden.

Apropos heiter: Der Sonntag beginnt vielversprechend sonnig. Frösteln muss ich dennoch, als ich etwas steif von der Nacht aufs Rad steige. Es sind gerade einmal drei Grad plus. Jetzt geht es durch den Pongau nach Radstatt und über die Katschbergstraße hinauf auf den Tauernpass (1738 m), also ein gutes Stück weiter östlich als geplant. Die Straße ist frei, aber daneben liegt hüfthoch Schnee, es wird saukalt. Wir fahren deshalb in der Nacht noch auf die Südseite ab und finden einen Schlafplatz. Allerdings nicht in einem kuscheligen Bett, sondern im Freien hinter einem Tennisplatz. Biwakieren ist angesagt: Schlafsack mit Inlay als Kälteschutz, darüber eine wasserfeste Plane, die liebevoll als Biwaksack bezeichnet wird. Das muss für heute reichen.

Der nächste Tag gibt mir gleich mal einen Vorgeschmack, was mich im russischen Winter erwarten könnte. Dauerregen im Tal, Schneefall in den Bergen. Wir kämpfen uns bei zehn Zentimetern Neuschnee über die fast 1800 m hohe Turracherhöhe, die uns runter nach Kärnten bringt. Hier klettert das Thermometer endlich wieder in Plusgrade. Doch lange währt die Freude darüber nicht: Der Loiblpass hinüber nach Slowenien fordert uns mit 15–16 % steilen Rampen – der Regen läuft unter der Radbrille in die Augen, die Oberschenkel brennen.

Ich hab’ Sie doch grad im Fernsehen g’sehn

Da kommt eine Unterbrechung nicht ganz ungelegen: An der Grenze zwischen Österreich und Slowenien wird kontrolliert, und tatsächlich, als wir uns nähern, springt ein österreichischer Beamter aus seinem Häuschen und hält mich an. Meinen Pass will er allerdings gar nicht sehen. Er weiß ja schon, wer ich bin: Vielleicht eine halbe Stunde zuvor lief ein Bericht über mich im Fernsehen, und da hat er mich sofort erkannt. Er ist neugierig und will ein bisschen quatschen, aber weil es noch immer in Strömen regnet, eisen wir uns nach kurzer Zeit wieder los. Dennoch, eine willkommene Pause. Das Wetter ist inzwischen so mies, dass wir uns für die Nacht ein Hotel suchen. Das zieht sich. Zwei aufgeweichte Radfahrer irren ziellos durch Dörfer mit geschlossenen Läden und dunklen Fenstern. Erst gegen 22 Uhr werden wir fündig. »Tut mir leid, die Küche hat schon zu.« Wir versuchen, der leichten Verzweiflung, die sich breitmacht, nicht die Oberhand zu lassen. Und da wir offenbar so ausgehungert aussehen, wie wir uns fühlen, macht der Wirt eine Ausnahme. Er klappert eine halbe Stunde in der Küche herum und serviert uns schließlich eine Pizza.

Über Nacht sind unsere Kleider getrocknet, und auch das Wetter hat sich wieder gebessert. Wir durchqueren flott Sloweniens Hauptstadt Ljubljana und kommen bereits am Abend an der kroatischen Grenze an. Gerade mal einen Dreivierteltag haben wir durch das kleine Slowenien gebraucht. Eigentlich viel zu kurz für so ein schönes, landschaftlich und kulturell hoch spannendes Land.

Wildwechsel

Kroatien begrüßt uns mit kleinen, einsamen Straßen. Wir haben Glück, dass wir noch ein Restaurant finden, wo wir uns den Bauch mit Ćevapčići vollschlagen können, denn danach gibt es über Stunden erst mal keine Gelegenheit mehr, an Nahrung zu kommen. Corona-Maßnahmen sind hier kaum spürbar. Keine Kontrollen, keine Schilder. Einzig beim Einkaufen tragen wir Masken. Unsere Route führt durch den Nationalpark Risnjak, in den wir direkt nach dem Grenzübergang bei Čabar gelangen. Über 60 km2 beeindruckende Karstlandschaft inmitten des Gebirges.

Wir sehen leider nicht so viel davon, denn es ist bereits dunkel. Plötzlich erkenne ich, wie etwas Großes direkt vor mir auf die Straße tritt. Schrecksekunde, Vollbremsung! Ein Hirsch, der nur drei oder vier Meter entfernt zusammen mit einem Jungtier auftaucht. Bei dem Tempo, das wir draufhatten, hätte das eine böse Kollision gegeben. Immerhin: Es ist »nur« ein Hirsch. Es gibt hier nämlich auch Bären, und da wäre die Kollision nur eins von vielen Problemen gewesen.

Auch an diesem Abend müssen wir lange nach einem Platz zum Schlafen suchen. Einfach in die Wildnis legen möchten wir uns nicht, Bären, wie gesagt, zudem ist es neblig und feucht, auch wenn es im Moment nicht regnet. Der Schlafsack würde trotz Biwaksack sofort nass. Und es dürfte auch nicht viel bringen, jetzt im Dunkeln zu versuchen, das neue Zelt zum ersten Mal aufzubauen. Also fahren wir weiter, bis wir irgendwann in Lokve ankommen, einer kleinen Ortschaft, noch im Hochland, die im Sommer vom Tourismus lebt. Hier finden wir in einer Bushaltestelle einen notdürftig überdachten Unterschlupf. Schön ruhig, denn der erste Bus fährt erst um zehn Uhr morgens.

Am Mittelmeer

Um diese Zeit kurbeln wir schon längst wieder durch die kalte Berglandschaft. Schlagartig wird es angenehm sonnig und warm. Wir spüren es regelrecht, dass wir uns dem Mittelmeer nähern. Die Landschaft wird deutlich mediterran. Nach dem letzten 800-Meter-Pass geht es in Serpentinen runter an die Adria, die wir bei Senj erreichen. Die verbleibenden 65 Kilometer an der herrlichen Küstenstraße bis Karlobag sind der reine Genuss. Wir rollen über trockenen Asphalt dahin wie über eine Landebahn. Dass die Tourismussaison vorbei ist, ist unübersehbar, und Corona hat ein Übriges getan: Kein Verkehr, keine Menschen auf den Straßen. Kein einziges Boot im Wasser. Alles ist wie ausgestorben.

Schwimmrekord an der kroatischen Küste

Die Adria ist keine Badewanne

In Karlobag endet der erste Teil meiner Reise auf dem Fahrrad, und zugleich bedeutet das den vorläufigen Abschied von Markus, der nach Hause fährt und den ich erst in ein paar Wochen wiedersehen werde. Ab jetzt ist Schwimmen angesagt. Zwei Freunde, die ich aus Norwegen kenne, warten im Städtchen mit einer Fahrradbox auf mich. Sie werden mein Rad verpacken und per Post nach Dubrovnik schicken, wo ich nach der 460 Kilometer langen Schwimmstrecke wieder in den Sattel steigen will. Dazu ist ein etwas größerer Umbau nötig: Rad und Radausstattung zu verpacken und die eingetroffene Schwimmausstattung mit Floß und Neoprenanzug fertig zu machen, das braucht seine Zeit. Ich übernachte deswegen noch einmal in Karlobag. Von Nachtruhe kann allerdings keine Rede sein, dazu bin ich zu aufgeregt. Schwimmen ist die Disziplin, mit der ich am wenigsten Erfahrung habe, und nun, da es in wenigen Stunden losgehen soll, werfe ich mich hauptsächlich hin und her oder starre an die Decke.

Am 1. Oktober 2020, Tag sechs meiner Reise, springe ich also noch etwas benommen von der Kaimauer in Karlobag und mache die ersten Armzüge in Richtung Süden. Neben meinem Spezialfloß ziehe ich einen weiteren wasserdichten Sack hinter mir her, in dem ich zusätzliches Essen mitführe. Die nächste Einkaufsmöglichkeit kommt erst in 35 Kilometern, und bei dem, was ich tagtäglich an Kalorien verbrauche, ist eine ausreichende Nahrungszufuhr das A und O.

Nach ein paar Stunden ist die Müdigkeit abgeschüttelt und ich ergebe mich meinem eigenen, ruhigen Rhythmus. Kleine Wellen schwappen um mich herum, die Sonne brennt auf den Neoprenanzug und das Ganze fühlt sich fast wie Urlaub an. Bis gegen Mittag komme ich im Wasser nicht schlecht voran, merke jedoch schnell, dass es an der Küste eine ganze Reihe von Mikroströmungen gibt. Besonders vor den Buchten habe ich damit immer wieder zu kämpfen. Die Adria ist zwar kein Ozean, aber doch ein richtiges Meer, und hier zu schwimmen ist etwas ganz anderes, als ein bisschen im Bodensee zu planschen. Gegen diese Strömungen komme ich kaum an.

Am Nachmittag zieht dann auch noch Gegenwind aus Süd auf, der mir ein weiteres Vorankommen sehr erschwert. Trotzdem muss ich weiterschwimmen, denn ich befinde mich vor einer unwegsamen Steilküste, an der ich nicht einfach so an Land gehen kann. Ich kraule noch bis in die Dämmerung hinein, doch als es richtig dunkel zu werden droht, habe ich keine Wahl. Ich ziehe mich an einem Felsen aus dem Wasser und klettere vorsichtig die steile Böschung hinauf, um mir oben irgendwo eine Schlafgelegenheit zu suchen. In der Dunkelheit ganz allein ohne Begleitboot geht es heute nicht mehr weiter. Ich kauere mich im Schlafsack an einen Felsen und blicke auf das dunkle Meer hinaus. So hatte ich mir den Start der Schwimmstrecke nicht vorgestellt, und doch ist alles richtig hier und jetzt.

Swimpacking – meine Ausrüstung in der Adria

Ortlieb-Floß (wasserdichte und schwimmfähige Packtasche, Spezialanfertigung) Fähnchen, um im Wasser besser gesehen zu werdenZwei Wasserflaschen in offenen Außentaschen, damit ich beim Schwimmen etwas trinken kann, als Reserve eine weitere Wasserflasche im Packsack Verschließbare Außentasche für Snacks Ultraleichter Daunenschlafsack, verpackt in einem weiteren Dry-Bag, denn er darf auf keinen Fall nass werden. Dünne Liegematte, Notfall-BiwaksackZusätzlicher schwimmfähiger Dry-Bag für Nahrungsmittel, falls längere Strecken mit schlechter Versorgungslage zurückzulegen sind. Wird mit einer Leine hinter dem Floß hergezogen und verlangsamt das Vorankommen deutlich. Essschüsselchen aus Silikon, zusammenfaltbar, Titan-Löffel/Gabel-Kombi, kein Kocher, weil zu schwerElektronik in separatem Dry-Bag: kleine Powerbank, Stirnlampe, Handy Lifetracker GoPro mit zwei verschiedenen Handgriffen, einen fürs Wasser, einen fürs LandNeoprenanzug mit kleiner Packtasche, Schwimmmütze und -brille, Reparaturkleber für NeoprenHygieneartikel wie Zahnpasta etc., viel Sonnenschutzcreme, Hautcreme für die Scheuerstellen vom Neopren Ein Satz Kleider: Hose, Reißverschlussshirt, leichte Turnschuhe, Flip-Flops

Gegenwind

Der nächste Morgen beginnt ernüchternd: Heftiger Südwind peitscht die See auf, und laut Wettervorhersage bleibt das erst mal so. Bei diesen Bedingungen zu schwimmen, noch dazu mit dem Floß im Schlepptau, ist unmöglich. Da würde ich eher rückwärts getrieben werden. Ich habe auch kein Trinkwasser mehr, also schleppe ich das Floß mit meiner ganzen Ausrüstung hinauf auf die Küstenstraße. Auf den scharfkantigen Steinen reiße ich mir die Fußsohle auf. Es tut höllisch weh, aber es hilft nichts: Ich muss zurück nach Karlobag laufen, um mich neu einzudecken. Mir bleibt nichts anderes übrig, als auf besseres Wetter zu warten. Ich richte mich am Rand von Karlobag provisorisch unter dem Vordach einer leer stehenden Strandhütte ein. Dass es so losgeht, frustriert mich ziemlich. Ich muss mir eingestehen, dass ich stark unterschätzt habe, was es heißt, im Meer zu schwimmen. Meine Vorbereitung war einmal längs durch dem Bodensee, im Süßwasser, ohne Strömungen, ohne hohe Wellen. Aufs Fahrrad übertragen ist das, als ob man im Flachland bei Rückenwind für eine Alpenüberquerung trainiert. Außerdem habe ich Zeitdruck. Mit jedem Tag, den ich für die Schwimmstrecke brauche, komme ich näher an den Winter heran, wird es kälter und wächst die Gefahr von Stürmen. Ich frage mich, wie das werden soll, wenn es jetzt, am Ende des Sommers, schon so ein Wetter hat.

Nach zwei Tagen Zwangspause geht es endlich weiter. Ich hänge mir das Floß an seinem Tragegurt über die Schulter, laufe wieder zu der Stelle, wo ich das Wasser verlassen hatte, und lasse mich hineingleiten. Jetzt will ich endlich vorankommen. Immer längs der steilen Küstenlinie schwimme ich den Velebit-Kanal entlang, der die Insel Pag vom Festland trennt. Das Wasser ist glasklar, trotzdem sind diese Tage brutal schwer. Es ist ein ständiger Kampf gegen Wind und Strömungen; mehr als acht, höchstens zehn Kilometer pro Tag schaffe ich nicht. Auch Essen und Trinkwasser zu finden ist schwierig. Alles hat zu: Saisonende und coronabedingte Schließungen scheinen sich gegen mich verschworen zu haben. Schlafplätze sind ebenfalls schwer zu finden. Die Küste ist felsig und kahl. Ich schlafe unter freiem Himmel im Schlafsack, ohne Zelt. Jede Nacht von Regen geweckt zu werden zehrt an den Kräften. Einmal lege ich mich in ein Boot, das ich unter einer Brücke finde. Dort ist es wenigstens trocken und ich kann mal wieder durchschlafen. Ein Lichtblick sind die Einheimischen, die ich manchmal am Ufer sehe. Alle sind sehr freundlich; immer wieder geben sie mir Wasser, einmal bekomme ich sogar Essen. Ich vermute, sie haben Mitleid mit diesem armen nassen Mann und seinem merkwürdigen Floß.

Die erste Querung

Ich kann nicht einfach weiter geradeaus schwimmen, sondern muss um die Landzunge herum, auf der die Stadt Zadar liegt. Das bedeutet einen Kurswechsel um 90 Grad nach rechts, die Querung zur vorgelagerten Insel Pag und anschließend eine Passage, die zwischen der Südspitze von Pag und der Nordspitze der Landzunge hindurchführt. Beide, Südspitze wie Landzunge, laufen in mehrere Arme aus, weswegen es zwei Buchten mit etlichen kleineren Inseln zu durchschwimmen gilt. Die versprechen etwas Abwechslung, denn es gibt wenigstens etwas anderes zu sehen als tänzelnde Wellen. Am Ende der zweiten Bucht geht es bei der Insel Vir wieder links herum und längs der Südwestküste der Landzunge in Richtung Zadar.

Am späten Nachmittag des 5. Oktober wage ich die fünf Kilometer breite Überquerung des Kanals zwischen dem Festland und Pag. Sich allein kilometerweit von der sicheren Küste zu entfernen fühlt sich ohnehin schon ungut an. Es verstößt gegen jede Regel des sicheren Freiwasserschwimmens und gegen den gesunden Menschenverstand. Und hier bin ich auch noch zu spät aufgebrochen. Ich lege alle Kraft in meine Arme und arbeite mich mit langen Schwimmzügen voran, doch die Sonne ist schon versunken, und auch die Dämmerung geht viel zu schnell in die Nacht über. Als es ganz dunkel ist, bin ich noch schätzungsweise zwei Kilometer von der Küste entfernt.

Das ist ein furchtbares Gefühl. In stockfinsterer Nacht zu schwimmen liegt eindeutig außerhalb meiner Komfortzone. Wenn ich auf dem Rad bin, ist die Nacht kein besonders Problem – auf meiner Cape-to-Cape-Rekordfahrt war es sogar traumhaft schön, unter dem sternenübersäten Himmel durch die Sahara zu fahren. Im Meer ist die Dunkelheit einfach nur unheimlich. Nicht bloß, weil ich nicht mehr erkennen kann, wie weit das Land tatsächlich entfernt ist und ob ich überhaupt noch vorankomme. Ob ich gerade von einer Strömung abgetrieben werde. Auch die Tiefe unter mir fühlt sich abgründiger an als am Tag. Im Sonnenschein verlasse ich mich auf die Statistiken und habe vor Angriffen durch Meerestiere keine Angst, denn sie kommen einfach sehr selten vor. Aber die Dunkelheit ist eine andere Welt. Sie kümmert sich nicht um Statistiken. In dieser Welt scheint alles möglich. Namenlose Ungeheuer lauern da auf mich. Es fühlt sich definitiv so an, als ob ich nicht hier sein sollte.

Als ich endlich am Ufer ankomme, bin ich völlig fertig. Ohne Licht über die scharfkantigen Felsen unversehrt an Land zu kommen erfordert alle meine noch verbliebenen Kräfte. Über Pag tobt sich regelmäßig die gefürchtete Bora mit bis zu 200 km/h aus. Hier wächst kein Baum und kein Strauch. Einfach nur Steine. Der beste Schlafplatz, den ich auf der Insel finden kann, ist harter, unebener Boden hinter einer Trockensteinmauer. Nachts regnet es wieder, und mein einziger Schutz ist mein Notfall-Biwaksack, den ich über mich ziehe. Eine grässliche Nacht. An Schlaf ist nicht zu denken. Wieder einmal.

Am nächsten Morgen herrscht wieder strahlender Sonnenschein. Ich schwimme unter der Brücke hindurch, die Pag an der engsten Stelle mit dem Festland verbindet, und steuere an der südöstlichen, etwas windgeschützten Inselseite die Ortschaft Vlašići an, wo ich aus dem Wasser klettere und einen geöffneten kleinen Supermarkt finde. Wahrscheinlich kaufen hier nicht so viele Leute im Neoprenanzug ein, dementsprechend groß werden die Augen des Ladeninhabers.

Salzwasser, immer nur Salzwasser

Es geht mir nicht gut. Ich habe die letzten Tage viel zu wenig gegessen, und die Schnittwunde am Fuß meldet sich immer wieder mit heftigem Protest gegen alles, was ihr zugemutet wird. Dazu kommen ein paar Scheuerstellen vom Neoprenanzug. Nichts davon heilt im Wasser richtig, aber, sage ich mir mit pragmatischer medizinischer Analyse, wenigstens wird alles ein bisschen desinfiziert. Was der Haut gut tut, ist für den Magen umso schlimmer: Andauernd schlucke ich Salzwasser. Das alles hinterlässt seine Spuren.

Der folgende Tag beginnt mit einem Unwetter. Ich komme erst am Nachmittag ins Wasser und habe zum ersten Mal starken Rückenwind, der mich zwar voranbringt, dafür muss ich allerdings auch mit einer Strömung und hohen Wellen kämpfen.

Ich möchte durch eine schmale Lücke zwischen zwei vorgelagerten Inseln, kann die Passage aber nicht erkennen, weil hinter ihr wieder andere Inseln liegen, sodass alles wie Land aussieht. Es bleibt mir nichts übrig, als ungefähr die Richtung anzupeilen und mich im Wind hinübertreiben zu lassen. Die Wellen sind so hoch, dass ich beginne, die Kontrolle zu verlieren. Bevor es zu gefährlich wird, gehe ich an der nächsten kleinen Insel lieber an Land, breite Liegematte und Schlafsack aus und verbringe die Nacht dort.

Der nächste Tag lässt sich endlich etwas besser an. Ich gehe schon um acht Uhr ins Wasser, um die günstigen Bedingungen zu nutzen. Laut Vorhersage wird sich gegen Mittag der Wind gegen mich drehen. Bis dahin muss ich unter der großen Brücke zwischen der Insel Vir und dem Festland durch sein, denn ab dort gibt es wieder Siedlungen mit Supermärkten und vielleicht bessere Schlafplätze. Damit ist auch die Querung geschafft, und ich kann wieder der Küstenlinie folgen.

Mein größtes Problem ist nicht das Schwimmen an sich, sondern Essen, Trinken und Schlafen. Da meine Reichweite im Wasser gering ist, macht es einen großen Unterschied, ob ich an der Küste Ortschaften mit Restaurants und Läden finde oder nicht.

Warmes Essen und ein Bett

Am 9. Oktober, Tag 13, erreiche ich die Stadt Zadar, wo ich an Land gehe, um mir ein gutes Restaurant und ein komfortables Hotelzimmer zu gönnen. Nach einer Woche draußen übernachten und unzähligen Litern geschluckten Salzwassers leiste ich mir diesen Luxus ohne einen Funken schlechten Gewissens. Ich vertrete mir die Füße und schaue mir die wunderschöne Altstadt an. Zadar hat mehrere Yachthäfen und einen großen Industriehafen, dazu kommt der Fährverkehr. Ich habe enormen Respekt vor den Schiffen. Besonders die Hafeneinfahrten sind extrem gefährlich für einen Schwimmer.

Viele meinen ja, Feuerquallen und Haie seien eine Gefahr für Schwimmer im Meer, tatsächlich ist das Risiko sehr gering. Ja, selbst im Mittelmeer gibt es Haie, doch die paar Attacken, von denen man – weltweit! – hier und da hört, werden von den Medien aufgebauscht (oder liefern Stoff für Kinofilme). Von einem Boot einfach über den Haufen gefahren zu werden, das ist die viel größere Gefahr, erst recht in Küstennähe.

An den Yachthäfen komme ich am nächsten Tag irgendwie schwimmend vorbei (dem Saisonende sei Dank), aber beim Industriehafen kapituliere ich, klettere an Land und laufe lieber außen herum. Durchs Wasser wäre es eine Schwimmstrecke von vielleicht zehn Minuten gewesen und das reinste Russische Roulette. Von diesen großen Schiffen aus sieht man einen Schwimmer im Meer überhaupt nicht, und sie sind viel zu schnell, als dass ich ihnen ausweichen könnte. Ich könnte zudem Ärger mit der Polizei bekommen, denn es ist natürlich verboten, dort zu schwimmen – vom öligen, verdreckten Wasser ganz abgesehen.

Der Fußmarsch durch das ganze Industriegebiet mit dem Floß über der Schulter kostet mich zwei Stunden. Ich hoffe, dass dies der letzte große Hafen ist, bei dem ich aus dem Wasser muss.

Tagesablauf

Ich suche mir mit Vorliebe Übernachtungsplätze in der Nähe von Ortschaften, wo ich mich unter das Vordach eines Restaurants oder einer Bar am Strand lege, die zurzeit größtenteils geschlossen haben. Morgens decke ich mich im Supermarkt mit Lebensmitteln für den Tag ein. Zum Frühstück gibt’s Müsli, tagsüber Backwaren wie Burek mit Käse oder Croissants, dazu Schokolade und Schokoriegel. Jeden Tag eine Orange für die Vitaminzufuhr.

Ich schwimme, wenn es die Route zulässt, alle zweieinhalb oder drei Stunden an Land, um etwas zu essen. Schokoriegel gehen auch im Wasser, aber nur ohne Wellengang. Abends esse ich, wenn ich denn eins finde, gern im Restaurant, das klappt höchstes jeden zweiten Tag. Sonst geht es noch mal zum Supermarkt. Irgendwo an der rauen Küste zu stranden und nichts zu essen zu haben ist eine Gefahr, die mich ziemlich in Schwierigkeiten bringen kann, da ich jeden Tag viele Kalorien verbrenne.

Wenn es sich anbietet, leiste ich mir auch ein Bett, meist jedoch übernachte ich im Schlafsack am Strand. Die morgendliche Kälte spüre ich sofort, wenn ich aus dem Schlafsack krieche. Ich wache mit der Morgendämmerung auf, esse, noch im Schlafsack, mein Müsli und packe schnell zusammen, um weiterzuschwimmen. Ich habe ja auch keine warmen Kleider dabei.

Der schlimmste Moment ist, in den vom Vortag noch nassen Neoprenanzug zu steigen. Ich muss so schnell wie möglich zu schwimmen beginnen, damit mir wieder warm wird. Den inneren Schweinehund zu überwinden fällt mir relativ leicht, denn was würde es mir bringen, noch länger im Schlafsack sitzen zu bleiben? Dann wäre mir später immer noch kalt, ich müsste immer noch in den nassen Anzug rein, und zusätzlich hätte ich Hunger. Meine Vorräte sind bekanntlich knapp.

Erneute Zwangspause

Langsam finde ich meinen Rhythmus, doch es ist schon wieder schlechtes Wetter vorhergesagt mit viel Wind und Blitz und Donner. Ich schwimme noch zehn Kilometer weiter bis ins Städtchen Sukošan und lege dort wieder einen Ruhetag ein. Die erste Nacht verbringe ich in einem kleinen Park. Es regnet die ganze Nacht. So wird das nichts mit der Erholung, deshalb nehme ich mir am 14. Tag ein kleines Apartment. Draußen ist das Wetter scheußlich, drinnen ruhe ich mich aus, versorge meine abklingenden Wunden und esse mal wieder eine warme Mahlzeit. Mein Magen kann sich so viel Zuneigung gar nicht erklären, aber er nimmt sie mit Genugtuung an.

Am nächsten Morgen gehe ich bei leichtem Rückenwind ins Wasser. In zwei Tagen möchte ich in Biograd sein. Ich habe dort eine Einladung bei Freunden, die ich letztes Jahr auf einer Radtour durch Kroatien kennengelernt habe. Die Bedingungen sind nicht schlecht, ich gebe gut Gas und finde abends auch einen hübschen Schlafplatz unter einer Kiefer. Gut gelaunt hüpfe ich am nächsten Morgen wieder ins Wasser. Der Himmel ist blau, und doch weht ein Wind beständig von der Landseite her.

Schreckmoment

Kurz vor Biograd spüre ich eine ablandige Strömung und stelle erschrocken fest, dass ich immer mehr vom Land wegtreibe. Ich komme kaum gegen diese Strömung an. Fünf Kilometer vor der Küste wäre für den Notfall noch die Insel Pašman, doch da möchte ich auf keinen Fall hin. Nach zehn Minuten volle Kraft voraus schaffe ich es mit Mühe und Not, aus der Strömung rauszukommen und halte mich für den Rest des Tages ganz dicht am Ufer.

»Und wenn dich die Bora aufs offene Meer hinaustreibt«, hatte mich kurz vor dem Start – halb im Ernst, halb im Spaß – in München ein Bekannter gefragt, »was machst du dann?« – »Dann lege ich mich quer über mein Floß und lasse mich bis zur nächsten Insel treiben – oder, wenn es hart auf hart kommt, über die ganze Adria bis nach Italien«, hatte ich geantwortet. So leichthin mit einem Lächeln. Die Wirklichkeit jetzt ist nicht ganz so geil. Wenn man in der Situation drinsteckt, wird einem schon ziemlich anders.

Doch es geht gut aus, ich komme glücklich in Biograd an und werde mit Barbecue und Kuchen sehr herzlich von meinen Freunden Maria und Milan aufgenommen. Der Duft vom Grill hängt mir noch tagelang wie ein süßer Traum nach, besonders wenn ich mal wieder den ganzen Tag von Müsli leben muss.

Es folgen zwei schwere Tage mit Gegenwind, an denen ich nur wenige Kilometer schaffe. Wenigstens ist die Infrastruktur gut. Es kommen immer wieder Ortschaften, in denen ich mich versorgen kann, und abends schwimme ich in eine Bucht, in der ich einen geschlossenen Campingplatz finde. Ich lege mich mit dem Schlafsack in einen verlassenen Pavillon mit herrlichem Blick aufs Meer und fühle mich bei Meeresrauschen wie in einem Fünf-Sterne-Hotel. Das ist es wieder, dieses Glücksgefühl.

Jetzt ändert sich auch das Wetter, es wird schön! Die nächsten Tage erwarten mich beste Bedingungen. Es wird wärmer, 18 Grad, und der Wind weht konstant aus Nord – Rückenwind! Ich komme sehr gut voran, muss jetzt allerdings von Insel zu Insel einige längere Querungen von mehreren Kilometern bewältigen. Dabei ist es schwierig, die Orientierung zu halten, weil hinter jeder Insel wieder eine weitere Insel liegt und die Orientierungspunkte schwer auszumachen sind. Mein Blickpunkt liegt gerade mal zehn Zentimeter über der Wasseroberfläche. Ich navigiere mit der App, kann aber das Handy nur benutzen, wenn ich an Land bin. Deshalb suche ich mir von Land aus jeweils eine Landzunge, auf die ich zuschwimme. Trotzdem verliere ich mehrmals die Orientierung.

Besuch auf der Yacht

Ich passiere den schmalen Kanal im Städtchen Tisno, der das Festland von der Insel Murter trennt. Ich habe es jetzt eilig, denn am kommenden Abend bin ich mit meinem Vater und Markus Weinberg verabredet, die mit einem Segelboot in einer Bucht auf der Insel Zlarin vor Anker liegen wollen. Davor habe noch eine fünf Kilometer breite Querung nach Zlarin zu bewältigen, in der ich den Fährverkehr fürchten muss, der von der Stadt Šibenik kommt. Solange die See glatt ist, bin ich mit meinem Floß mit Fahne ganz gut sichtbar, doch nachmittags kommt Wind auf, und dann habe ich zwischen den Wellen selbst Mühe, die Schiffe zu sehen.

Als ich auf Zlarin an Land krieche, dämmert es bereits. Ich nehme einen Pfad über eine hügelige Landzunge und kämpfe mich in der Dunkelheit durchs Dickicht zu der Bucht, in der schon das Segelboot vor Anker liegt. Ein wunderbarer Anblick. Man kann sich heute ja fast überall auf der Welt per GPS zuverlässig treffen, aber dass das Schiff tatsächlich dort liegt, wo ich es erwartet habe, erscheint mir unwirklich. Die Begrüßung ist herzlich, und ich verbringe die Nacht an Bord. Am Morgen laufe ich samt meinem Floß den Landweg zurück zum Ausgangspunkt, um mich erneut ins Wasser zu lassen. Es ist ein herrlicher Tag mit strahlend blauem Himmel, Traumbedingungen. Markus und mein Vater begleiten mich ein Stück, um vom Boot aus Videoaufnahmen für den Dokumentarfilm zu machen. Ich fühle mich rundum gut.

Die Bedingungen könnten jetzt besser nicht sein. Es herrscht herrlichstes Wetter, das Meer liegt still da wie eine Badewanne. Euphorie erfüllt mich. Was kann es Besseres geben, als genau hier und jetzt zu schwimmen? Dann jedoch folgt eine weitere Sechs-Kilometer-Querung, von Zlarin hinüber zu einer kleinen Insel nahe am Festland. Es ist immer noch kein gutes Gefühl, so weit vom Ufer weg zu sein, denn in dieser Gegend kann ich nie sicher sein, ob nicht plötzlich Wind aufkommt oder ich in eine Strömung gerate. Hier gäbe es im Ernstfall noch nicht mal vorgelagerte Inseln, die mich »auffangen« könnten. Zumindest sind zu dieser Jahreszeit nur wenige Schiffe unterwegs.

Jedenfalls komme ich gut rüber und ruhe mich kurz auf den Felsen aus. Ich muss zusehen, dass ich den Rest der Strecke zum Festland noch schaffe, denn nachmittags frischt der Wind stark auf und beschert mir richtig fiese Wellen. Ich zwinge meine müden Arme hindurch und erreiche abends das Städtchen Primošten, wo ich wieder auf meinen Vater und Markus treffe, die in der Zwischenzeit völlig entspannt hierhergesegelt sind. Ein gutes Essen und eine weiche, warme Koje sind mir für diese Nacht sicher. Ich schlafe mit dem zutiefst befriedigenden Gefühl ein, heute zwölf Kilometer geschafft und damit das erste Drittel der Schwimmstrecke hinter mich gebracht zu haben.

Beste Bedingungen

Die nächsten Tage verwöhnen mich mit gutem Wetter, freundlicher Begleitung und viel Ablenkung. Mein Vater, Markus und drei weitere Gäste begleiten mich die ganze Woche per Segelyacht oder Dingi und machen Aufnahmen für den Dokumentarfilm über meine Reise. Hin und wieder lasse ich mich abends zum Essen oder Schlafen einladen. Wenn ich das Wasser verlasse, steige ich stets genau an derselben Stelle wieder hinein.

Anstrengend sind die Tage trotzdem. Die Küste hier besteht vor allem aus tief eingeschnittenen Buchten, was teils mehrere Kilometer lange Querungen von Landzunge zu Landzunge erfordert. Glücklicherweise sind die Bedingungen insgesamt sehr gut – es ist 18–22 Grad warm, die Sonne scheint, und nachmittags kommt ein Föhnwind auf, was leichten Rückenwind und nur wenig Seegang bedeutet.

Ich komme mit dem Schwimmen im offenen Wasser inzwischen besser zurecht als noch am Anfang. Nur die Quallen, die mir manchmal ins Gesicht schwimmen, sorgen für wirklich unliebsame Begegnungen. Mein Vollbart schützt mich ein wenig, doch die Berührungen an Stirn und Wange brennen heftig. Nun ja, Wunden habe ich schon genug, da kommt es darauf auch nicht mehr an.

Besonders erhebend ist es, abends die Sonnenuntergänge über der Adria zu erleben. Es ist wie eine Belohnung nach einem harten Tag. Man hat mit den Wellen gekämpft, Wasser geschluckt und trotz Neoprenanzug auch gefroren. Abends klettert man aus dem Wasser, zieht trockene Sachen an (ein Hoch auf mein wasserdichtes Floß!) und freut sich darauf, dass es gleich was zu essen gibt. Manchmal kann ich ein kleines Lagerfeuer machen, manchmal wärme ich mich im Schlafsack auf. Und dann geht über dem stahlblauen Meer die Sonne unter. Gänsehaut. Jede Faser meines Körpers genießt diese Momente.

Abschied in Trogir

Ich nähere mich Split, dem nächsten Meilenstein. Die eigentlich geplante Route, die außen an der Insel Čiovo vorbeiführen sollte, ändere ich nochmals spontan. An der Engstelle zwischen dem Festland und der Insel liegt Trogir, von dessen Hafen ein reger Schiffsverkehr ausgeht. Ich weiche lieber näher an die Küste aus, auch wenn die Route länger ist und direkt durch den Hafen führt. Die Schiffe haben hier noch nicht volle Fahrt aufgenommen, außerdem könnte ich notfalls an Land gehen. Hier verabschiede ich mich von der Crew der Segelyacht und werde jetzt bis Dubrovnik wieder allein sein.

Heute zaubere ich zwischen zwei Armzügen ein Lächeln auf meine Lippen. Es gibt etwas zu feiern: Ich habe nach 200 Kilometern den bisherigen Rekord des Briten Sean Conway für die längste Swimpacking-Strecke geknackt, die er 2016 entlang der britischen Küste aufgestellt hatte. Ich bin nicht in erster Linie hier, um Rekorde zu brechen. Das ergibt sich gewissermaßen nebenbei, wenn ich alles so durchziehen kann wie geplant. Dennoch erfüllt mich diese Überlegung mit Freude: Wird es mir gelingen, Marken aufzustellen, die für lange Zeit als Rekorde bestehen können? Das wird sich später zeigen. Im Moment habe ich noch nicht mal die Hälfte meiner Schwimmstrecke hinter mir.

Meine Wunden, die ich mir in den ersten beiden Schwimmwochen zugezogen hatte, sind mittlerweile auf ein tolerierbares Niveau verheilt. Dafür haben sich mein Mund und Rachen durch das viele Salzwasser entzündet. Ich kann nichts Scharfes mehr essen. Der erste Neoprenanzug ist komplett aufgerissen und muss ersetzt werden. Mein Sponsor kümmert sich darum und schickt mir einen neuen.

Halbzeit

Der Tag in Trogir beginnt mit strömendem Regen. Ich gehe trotzdem ins Wasser, doch als nach vier Kilometern die Wellen höher werden, ist an Vorwärtskommen nicht mehr zu denken. Ich schleppe mich zurück ans Ufer und verbringe den Rest des Tages in einer Bar. Zeit für Social-Media-Arbeit.