Das magimoxische Hexenhotel – Auch Hexen brauchen Urlaub - Ulrike Rylance - E-Book
SONDERANGEBOT

Das magimoxische Hexenhotel – Auch Hexen brauchen Urlaub E-Book

Ulrike Rylance

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Türen auf im Hexenhotel Hexlich willkommen in der ›Lila Fledermaus‹, dem Fünf-Sterne-Erlebnishotel mitten in der geheimnisvollen Menschenwelt! Einem Hotel von Hexen für Hexen, von dem die Menschen natürlich nichts wissen dürfen. Dumm nur, dass die zehnjährige Klara nicht nur Hexanisch versteht, sondern auch noch immun gegen den Vergessenstee der Hexen ist. Zum Glück werden Menschenmädchen Klara und Hexenmädchen Rosalie schnell beste Freundinnen, denn es bedarf der Stärken beider, damit die Eröffnung des Hotels wie geplant stattfinden kann und Rosalie in der Menschenschule nicht auffliegt. Und ganz nebenbei kommen sie auch noch dem Geheimnis auf die Spur, warum Klara Hexanisch versteht.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 136

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cover for EPUB

Klara traut ihren Augen kaum: Ist das etwa ein Mädchen, das auf dem Dach des leicht verfallenen Hotels gegenüber herumturnt? Das muss sie sich unbedingt näher ansehen. Bei einem Besuch im Hotel kommt Klara aus dem Staunen nicht mehr heraus: Eine Fledermaus hängt laut schnarchend von der Decke, ein Kleinkind klatscht in die Hände und ein Feuerwerk geht los – und dann kommt das Mädchen vom Dach mit einem Besen die Treppe heruntergerutscht …

Niemals sollst du etwas verhexen, das du nicht auch enthexen kannst!

Versuche stets, mit deiner Zauberkraft die Welt besser zu machen!

Achte darauf, dass die Menschen nichts von der Existenz der Hexenwelt erfahren!

Menschen zu verhexen ist nicht erlaubt, es sei denn, du bist in Gefahr!

Das Ehepaar Mittelbach stand an diesem Samstag vor seinem extrem ordentlichen Haus im Robinienweg 7 und sorgte für noch mehr Ordnung. Man konnte Gras ja nicht einfach wild draufloswachsen lassen. Herr Mittelbach maß das Rasenstück mit einem Lineal nach und Frau Mittelbach kämmte die Grashalme, damit sie aufrecht standen und nicht umknickten.

Das kleine Mädchen neben ihnen hieß Klara und war ihre Tochter. Ihre Aufgabe war es, die Kieselsteine in der Einfahrt zu polieren. Dabei langweilte sie sich tödlich. Sie hatte es nicht so mit Ordnung wie ihre Eltern. Damit schlug sie völlig aus der Art der Familie. Seit Generationen waren die Mittelbachs die ordentlichsten Leute auf der Welt. Es gab nur einen einzigen Ausrutscher: Tante Cäcilie. Eigentlich Großtante, denn sie war die Schwester von Frau Mittelbachs Mutter. Aber Tante klang flotter. Tante Cäcilie war eine kräftige und liebenswerte Person, die jedes Familienfoto mit ihren närrischen Hüten und ihren falsch zugeknöpften Blusen aufgemischt hatte. Überhaupt rankten sich eine Menge seltsamer Gerüchte um Cäcilie, über die man in der Familie Mittelbach nur sehr ungern sprach.

Als Klara zwei Jahre alt war, verschwand Tante Cäcilie plötzlich nach einem Streit mit Klaras Eltern. Seitdem hatte sie keiner je wiedergesehen.

Das war jetzt sieben Jahre her. Klara wünschte sich immer noch oft, dass Tante Cäcilie wiederkommen würde. Zusammen hätten sie bestimmt eine Menge Spaß gehabt. Und bestimmt keine öden Kieselsteine poliert …

Plötzlich hörte Frau Mittelbach auf zu kämmen.

»Guck mal, da!« Sie stupste ihren Mann an. »Die renovieren das Hotel nebenan. Jemand scheint es gekauft zu haben.«

In der Tat. Das Hotel »Zum Goldenen Anker«, das direkt neben dem Haus der Mittelbachs stand, gammelte schon seit über zwei Jahren ohne Besitzer vor sich hin. Aber jetzt stand plötzlich ein weißhaariger Mann auf einer Leiter vor dem Eingang und hämmerte ein neues Schild an die Hauswand.

»Vielleicht machen die neuen Leute ja was mit Wellness. Sauna oder so«, schwärmte Frau Mittelbach. »Vielleicht eröffnen sie den Pool wieder.«

Klara sah interessiert hoch. Ein Schwimmbad in Hummelstadt? Bauten die neuen Besitzer vielleicht auch einen Spielplatz? Und hatten sie womöglich sogar Kinder? Genau in diesem Moment entdeckte Klara das Gesicht eines kleinen Mädchens an einem Fenster im obersten Stock. Das Mädchen sah direkt zu Klara hinüber und dann war es auf einmal verschwunden.

Herr Mittelbach gab nur ein unbestimmtes Brummen von sich. Wellness war ihm total egal. Aber vielleicht gab es in dem Hotel ja bald eine schöne Kneipe, in die man fliehen konnte, wenn es im eigenen Haus absolut nichts mehr zum Aufräumen gab?

Klara blinzelte überrascht. Das fremde Mädchen kletterte auf dem Dach des Hotels herum. Wahnsinn, was die sich traute. Und was machte sie da eigentlich?

Der weißhaarige Mann war fertig und trat zur Seite, sodass man das Schild lesen konnte:

Frau Mittelbach verzog enttäuscht das Gesicht. Das klang nicht nach Whirlpool und Massage.

Herr Mittelbach verzog ebenfalls das Gesicht, allerdings aus einem anderen Grund. Er hätte nämlich schwören können, dass eben ein kleines Mädchen auf dem Dach des Hotels herumgeklettert und anschließend in den Schornstein gesprungen war. Das durfte ja wohl nicht wahr sein. Wo waren bitte schön die Eltern? Im Robinienweg kletterten keine Kinder auf Dächern herum! Und genau das würde er den neuen Hotelbesitzern jetzt persönlich mitteilen. Energisch setzte er sich in Bewegung. Klara folgte ihm unauffällig. Das würde sie sich einmal näher ansehen.

Im Hotel »Zur lila Fledermaus« lief der weißhaarige Mann jetzt durch die Eingangshalle. »Belinda«, rief er. »Wo steckst du, mein süßes Scheusal?«

Hinter der Empfangstheke regte sich etwas. Dort hing eine Fledermaus kopfüber von der Decke und schnarchte so laut, dass der Schrank in der Ecke wackelte. Die Fledermaus war allerdings nicht lila, sondern dunkelbraun und ziemlich verschrumpelt.

»Wach auf, mein Herzblatt. Ich hab das Schild angebracht«, sagte der Mann zu der Fledermaus.

»Nur noch fünf Minuten dösen«, antwortete die Fledermaus mit verschlafener Stimme. Sie hieß Belinda Krötenbein, war neunundachtzig Jahre alt und eine Hexe. Vor Kurzem hatte Belinda festgestellt, dass es ihrem Rheuma guttat, wenn sie sich in eine Fledermaus verwandelte und kopfüber von der Decke hing, weswegen sie das neuerdings ständig machte.

»Na gut. Ich hänge mich nachher neben dich, mein Engelchen. Aber erst setze ich noch die Kröten in den Pool. Das wird ein wunderbarer Tümpel. Herrlich schlammig und grün.«

»Opa!« Ein kleines Mädchen namens Rosalie kam das Treppen-geländer heruntergesaust. Ihr Gesicht war ein bisschen rußig, weil sie gerade Elfmeterfliegen durch den Schornstein geübt hatte. »Papa sagt, er will keine Kröten im Pool. Er will dort eine Luxus-Suite für Unterwasserhexen einrichten. Aber Mama will ein Schönheitsbad mit Verjüngungsquelle. Kröten will sie auch nicht.«

»Luxus… was? Schönheitsbad?« Der weißhaarige Mann schnaufte verwirrt. »Wozu brauchen wir denn so was? Deine Großmutter hat noch nie in ihrem Leben ein Verjüngungsbad genommen und ist trotzdem wunderschön. Rosalie, sag deinem Vater, dass Hexen gern im Schlamm baden und mit Kröten spielen. Sonst kommt doch kein einziger Gast in unser Hotel.«

Das Mädchen namens Rosalie zuckte mit den Schultern. »Sag’s ihm doch selber. Oma hängt übrigens nur noch an einem Bein und fällt gleich in den Papierkorb.« Damit verschwand Rosalie, um den Rest des Hotels zu erkunden. Ihre Eltern hatten es vor Kurzem günstig gekauft und wollten etwas ganz Besonderes daraus machen, nämlich ein Erlebnishotel Menschenwelt.

Von der Dachterrasse aus würden interessierte Gäste das Treiben der Menschen in der Nachbarschaft aus nächster Nähe bestaunen können. Es würde organisierte Führungen geben, zum Beispiel durch etwas, das »Supermarkt« oder »Fußballstadion« hieß, Ausflüge durch die Menschenstadt und Nachtwanderungen durch den Stadtpark. Dort konnte man die Menschen bei ihren ulkigen Freizeitaktivitäten beobachten, allerdings durfte man sie nicht füttern oder anfassen. Außerdem würde es lustige Kostümfeste im Hotel geben, bei denen sich die Hexen als Polizist oder Krankenschwester verkleiden konnten.

Rosalie hoffte, dass auch jede Menge Hexenkinder zu Besuch kommen würden, damit sie immer jemanden zum Spielen hatte. Ihre Geschwister waren dafür nämlich völlig ungeeignet. Ihre Schwester Miranda war schon sechzehn und hockte nur in ihrem Zimmer, um Mail-Mäuse an ihre Freunde in der Hexenwelt zu senden, in denen sie sich darüber beklagte, wie unfair in ihrem Leben alles war.

Und Rosalies Bruder Vincent war ebenfalls kein Spielkamerad, denn er war erst zwei Jahre alt. Außerdem war es im Moment nicht ganz ungefährlich, sich in Vincents Nähe aufzuhalten. Er hatte gerade entdeckt, dass er zaubern konnte. Jetzt setzte er ständig etwas in Brand, weil er in seine dicken kleinen Händchen klatschte und »Exum, keksum, wawawaksum, papaplaxum! Feuerwerk!« brüllte. Natürlich konnte er die hexanische Formel noch nicht richtig aussprechen. Meist vergaß er sie sogar völlig, weshalb das Ergebnis seiner Zaubersprüche komplett unvorhersehbar war.

Rosalies Großeltern baumelten den größten Teil des Tages an der Decke und ihre Eltern flogen hektisch durch das Haus und legten sich mit den Handwerker-Hexen an, weil diese dauernd Pause machten und sich heimlich Bierflaschen herbeizauberten.

Rosalies Mama hieß Amalia Krötenbein und war eine sportliche Hexe mit kurzen Haaren. Gerade packte sie die Kiste mit Wandschmuck aus, in der sich auch ihre beeindruckende Sammlung von Altmännerohren befand, die sie in Schaukästen im Hotel ausstellen wollte. Im Moment lagen die Ohren verstreut auf dem Boden und ein ausgefranster Besen schob langsam und völlig sinnlos Staub zwischen ihnen hin und her. Der Besen hieß Bertram und stammte noch von Rosalies Uroma. Er trieb Rosalies Mama in den Wahnsinn, weil er total vergesslich und furchtbar schnell beleidigt war, beim Saubermachen ständig einschlief oder nur ein halbes Zimmer auskehrte und dann spurlos verschwand.

Rosalies Mama wünschte sich nichts sehnlicher als einen modernen Staubsauger, wie ihn die Menschen hatten. Aber immer wenn jemand das Wort Staubsauger auch nur erwähnte, war der Besen Bertram eingeschnappt, stellte sich bockig in eine Ecke, zitterte vor Empörung und kam ewig nicht mehr heraus.

Jetzt sah es so aus, als ob Bertram schon wieder eingeschlafen war. Rosalie schnappte sich eins der Ohren vom Fußboden.

»Hexum, Quexum, Vadevexum, Perplexum! Ohr, so klein – werde mein«, flüsterte sie leise. Die ersten vier Worte waren auf Hexanisch, der geheimen alten Sprache des Hexenvolks. Man musste sie vor jedem Zauberspruch aufsagen, um sich an die Hexenregeln zu erinnern. Man durfte etwas nämlich nur verhexen, wenn man es auch wieder enthexen konnte. Außerdem musste man sich immer bemühen, die Welt mit seinen Zauberkünsten besser zu machen, die Hexenwelt geheim zu halten, und auf keinen Fall durfte man Menschen einfach so zum Spaß verhexen. Kein Problem – Rosalie wollte ja nur ein bisschen Spaß mit dem Ohr. Was sollte daran schlecht sein?

Und außerdem war das kein Menschenohr, sondern ein Hexenohr. Genauer gesagt, das von Rosalies Urgroßvater. Ein kostbares Erbstück!

Das Ohr hopste gehorsam hoch und schmiegte sich über Rosalies eigenes rechtes. Rosalie betrachtete sich in dem goldenen Wandspiegel und kicherte. Schade, dass keiner sie sehen konnte.

Halt, ihr fiel ein, dass sie eben ein kleines Mädchen vor einem der Häuser gegenüber entdeckt hatte. Vielleicht konnte sie die ein bisschen erschrecken? Eigentlich durfte Rosalie das nicht – Hexen redeten nur das Nötigste mit Menschen. Es war nämlich furchtbar anstrengend, länger als fünf Minuten so zu tun, als ob man selbst ein Mensch war. Aber sie musste mit dem Mädchen ja nicht reden. Nur ein bisschen an deren Garten vorbeilaufen und mit dem knorpeligen Altmännerohr wackeln.

Als Rosalie die Tür öffnete, stieß sie beinahe mit einem dicken Mann mit Halbglatze zusammen. Ach du lieber Himmel, ein neugieriger Mensch. War das nicht der Mann von gegenüber?

»Mittelbach, vom Komitee für eine ordentliche Nachbarschaft«, grüßte der Mann zackig.

»Verhext sei dein Tag«, grüßte Rosalie zurück.

Herr Mittelbach musterte das seltsame Kind. Frech wurde die auch noch. »Sind deine Eltern zu Hause?«, fragte er streng.

Rosalie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie starrte auf die Schneeflocken, die jetzt auf den Mann herabrieselten, mitten im Juli. Wahrscheinlich hatte Oma die im Traum gezaubert, weil sie Schnee so mochte.

»Liebes, falls deine Mutter immer noch von der Decke hängt, könntest du sie bitte aufwecken«, erklang prompt die Stimme von Rosalies Papa aus dem offenen Fenster im Erdgeschoss. »Sie lässt es schneien.«

Herr Mittelbach riss die Augen auf.

»Also, meine Eltern …«, setzte Rosalie an, doch jetzt erklang die Stimme ihrer Mama.

»Lorenzo, mir fehlt ein Ohr. Hast du eine Ahnung, wo es sein könnte?«

»Vielleicht in der Kiste mit den Hühnerfüßen«, schlug Rosalies Papa vor.

Herrn Mittelbachs Augen wurden noch größer.

»Also, meine Eltern sind beschäftigt«, gelang es Rosalie endlich zu sagen. Das war eine sehr gute Antwort, fand sie. Warum also starrte der Mann sie so an?

Da bemerkte sie es. Das Altmännerohr war nicht mehr an seinem Platz. So ein Mist! Irgendwas an dem Hexenspruch war falsch gewesen. Jetzt kletterte das Ohr über Rosalies Kopf und bewegte sich zielstrebig auf den Menschen zu. Natürlich, es sehnte sich danach, mal wieder an einem passenden Männerkopf zu sitzen.

»Ohr, so klein, bleibe mein«, zischte Rosalie. Ach Mist, jetzt hatte sie die hexanischen Worte vergessen. Das Ohr hielt mitten auf ihrem Kopf an. Herr Mittelbach fing hektisch an zu blinzeln. Plötzlich fiel das Ohr ab und landete auf dem Gehweg zwischen Herrn Mittelbach und Rosalie. »Soll ich meinen Eltern etwas ausrichten?«, erkundigte Rosalie sich höflich.

Herr Mittelbach antwortete nicht. Er starrte auf das Ohr, das auf dem Boden herumtorkelte und immer wieder umfiel. In diesem Moment verdunkelte etwas die Sonne. Rosalie sah nach oben und entdeckte einen riesigen schwarzen Raben, der im Sturzflug auf das Hotel »Zur lila Fledermaus« hinabsauste.

»Vorsicht«, warnte sie. »Ich glaube, es kommt jemand.«

Der Rabe flog direkt durch das offene Fenster in die Hotelrezeption hinein, landete auf dem Kronleuchter, segelte zu Boden und entfaltete sich dort zu einem hageren Mann in einem schwarzen Regenmantel.

Herr Mittelbach gab ein aufgebrachtes kleines Keuchen von sich. »Vom K…K… Komitee für eine ordentliche Nachbarschaft«, stammelte er. Sein Blick flatterte von Rosalie über das Ohr zu dem Rabenmann und dann wieder zurück zu Rosalie. »Ordentlich«, ächzte er ein letztes Mal, dann betrat er das Hotel und ließ er sich ohne Vorwarnung auf einer noch unausgepackten Kiste nieder. Holzbeine, Geschirr, Schneckensirup und Schlangenhautwickel stand darauf.

»Pack mich endlich aus, wie lange soll ich denn noch warten«, nörgelte die Kiste sofort. Herr Mittelbach zuckte zusammen.

Irgendwo in der Nähe kicherte jemand. Rosalie drehte sich um und entdeckte das Mädchen, das sie eigentlich hatte erschrecken wollen. Aber sonderlich erschrocken sah die nicht aus. Ganz und gar nicht. Sie grinste begeistert. Rosalie grinste zurück.

»Hallo«, sagte das Mädchen. »Wohnst du jetzt hier?«

»Ja, uns gehört das Hotel.«

»Kla…«, stammelte Herr Mittelbach. »Kla…Kla… Kla…«

»Klavier?«, riet Rosalie. »Sie möchten gern Klavier spielen?«

»Klara!«, brachte Herr Mittelbach endlich heraus. »Geh sofort nach Hause. Diese Leute sind offenbar aus irgendeiner Anstalt entflohen. Ich rufe die Polizei an.« Er fummelte in seiner Hosentasche herum und holte sein Handy heraus.

»Schnickschnack, Quallenquack, gar nichts wirst du«, mischte sich die Kiste ein. »Du wirst mich sofort auspacken, du Faulpelz. Ich warte schon ewig.«

Klara gluckste. Diese sprechende Kiste war cool. Und so ein wanderndes Ohr hätte sie auch gern gehabt. War das ferngesteuert? »Woher hast du das Ohr?«, fragte sie das Mädchen. »Hast du das online gekauft?«

»Das ist das Ohr meines Urgroßvaters. Er hat es uns vererbt.«

Das Ohr blieb stehen und streckte sich stolz.

»Wir haben insgesamt vierunddreißig Altmännerohren«, fuhr Rosalie fort. »Eine total wertvolle Sammlung. Wie viele habt ihr?«

»Gar keine.« Klara kicherte. Dieses Mädchen war seltsam. Aber auch interessant. Tausendmal interessanter als Lizzy und Izzy, die Zwillinge aus dem Robinienweg 10, die in Klaras Klasse gingen und immer nur mit Klaras Barbiehaus spielen wollten. Dabei interessierte Klara sich überhaupt nicht mehr für die aufgedonnerten Plastikpuppen. »Wie heißt du?«

»Ich bin Rosalie Krötenbein und wir sind aus der Hex… Ach herrje.« Rosalie schlug sich die Hand vor den Mund. Beinahe hätte sie sich verplappert. Das durften diese Menschen doch nicht wissen.

Der Mann redete jetzt ganz aufgeregt mit irgendjemandem am Handy.

»Ist das die Polizei?«, fragte Herr Mittelbach. »Bitte schicken Sie doch einen Streifenwagen in den Robinienweg 8. Hier sind sehr merkwürdige neue Leute aufgetaucht. Sie haben Vögel in Regenmänteln und Minderjährige. Und sprechende Möbel und wandernde Körperteile. Ohren, um genau zu sein.«

Am anderen Ende erklang mehrstimmiges Gelächter.

»Verrückt? Ich? Also was fällt Ihnen ein?«, empörte sich Herr Mittelbach. »Ich werde ja wohl noch wissen, wie ein Ohr aussieht!«

Das Altmännerohr nahm erneut Anlauf und kletterte an Herrn Mittelbachs Hosenbein hinauf bis hoch auf seinen Kopf. Der regte sich immer mehr auf und merkte nichts davon. »Nein, ich habe nichts getrunken! Das Ohr befindet sich vor mir auf dem Boden!« Herr Mittelbach sah sich um. Das Ohr war weg. Die Kiste war still. Vor ihm standen nur seine Tochter und dieses etwas merkwürdige Mädchen.

Rosalie hustete in ihre Hand und flüsterte: »Hexum, Quexum, Vadevexum, Perplexum! Nesselwurz und Kesselknauf – entspann dich und reg dich nicht auf!«

Herr Mittelbach blinzelte. Irgendwie hatte er den Faden verloren. Worüber wollte er sich gerade beschweren? Und warum redete er eigentlich mit diesen unverschämten Leuten am Telefon?

»Ganz offensichtlich sind Sie es, die nicht mehr alle Tassen im Schrank haben«, erklärte er den blöden Leuten am anderen Ende. »Rufen Sie mich nicht noch mal an, sonst melde ich Sie der Polizei.« Er schaltete sein Handy aus und sein Blick fiel auf Rosalie. »Na, du? Dann spiel mal fein mit meiner Klara. Schön, dass endlich so nette Leute in unsere Nachbarschaft einziehen. Wir sind hier alle ganz entspannt. Total entspannt.« Er stand auf und verließ das Hotel etwas unsicheren Schrittes, ohne sich noch einmal umzudrehen. Das Ohr hüpfte von seinem Kopf herunter und kehrte reumütig zu Rosalie zurück.

Klara blickte ihrem Vater erstaunt hinterher. Was ging hier vor? »Was hast du eben leise gesagt?«, fragte sie. »›Hexum, Quexum, Vadevexum, Perplexum‹? Was bedeutet das?«

Rosalie sah hoch. »Das hast du verstanden?«