Ein Date für vier (Neuausgabe) - Ulrike Rylance - E-Book

Ein Date für vier (Neuausgabe) E-Book

Ulrike Rylance

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Beschreibung

It's raining boys and dogs Schlimmer hätte es Marleen nicht treffen können: Statt nach Italien geht es für sie in den Sommerferien nach England – gemeinsam mit ihrer Schwester soll sie dort die Sprachschule besuchen. In Torquay angekommen, bewahrheiten sich Marleens schlimmste Befürchtungen: Sie und ihre Schwester landen bei einer adligen, verwitweten Dame, Mrs White, in einem heruntergekommenen Herrenhaus und dazu regnet es ohne Unterlass. Als Marleen denkt, schlimmer könne es nicht mehr kommen, blamiert sie sich bis auf die Knochen. Der Typ, der plötzlich im Haus auftaucht und den Marleen für einen Handwerker hält, ist Mrs Whites Sohn – und dazu noch verdammt süß. Anders als die Printversion enthält dieses ebook keine Illustrationen.

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Seitenzahl: 189

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Über das Buch

BAD NEWS

Schlimmer hätte es Marleen nicht treffen können: Statt nach Italien geht es für sie in den Sommerferien nach England – gemeinsam mit ihrer Schwester soll sie dort die Sprachschule besuchen. In Torquay angekommen, bewahrheiten sich Marleens schlimmste Befürchtungen: Sie und ihre Schwester landen bei einer adligen, verwitweten Dame, Mrs White, in einem heruntergekommenen Herrenhaus, und dazu regnet es ohne Unterlass. Als Marleen denkt, schlimmer könne es nicht mehr kommen, blamiert sie sich bis auf die Knochen. Der Typ, der plötzlich im Haus auftaucht und den Marleen für einen Handwerker hält, ist Mrs Whites Sohn – und dazu noch verdammt süß.

Von Ulrike Rylance sind außerdem bei dtv lieferbar:

Penny Pepper – Alles kein Problem

Penny Pepper – Alarm auf der Achterbahn

Penny Pepper – Chaos in der Schule

Penny Pepper – Tatort Winterwald

Penny Pepper – Spione am Strand

Penny Pepper auf Klassenfahrt

Penny Pepper – Diebesjagd in London

Penny Pepper – Schurken auf dem Schulhof

Penny Pepper – Hochzeitstorten und Halunken

Penny Pepper ermittelt (Doppelband)

Penny Pepper – Tatort Schule (Doppelband)

Penny Pepper – Detektive auf Reisen (Doppelband)

Das magimoxische Hexenhotel – Auch Hexen brauchen Urlaub

Das magimoxische Hexenhotel – Klassenfahrt auf Knatterbesen

Mein Mathe-Desaster oder der lange Weg zum ersten Kuss

Zweite Pause Zoff und Zucker

Villa des Schweigens

Todesblüten

Eiskaltes Herz

Meine fantastischen Tierfreunde

Hinweis

Bei diesem eBook handelt es sich um die rein textliche Fassung des Buches, die Illustrationen sind nicht Bestandteil des eBook und werden nur in der Print-Ausgabe abgebildet.

BAD NEWS

Unsere Englischlehrerin gebärdet sich, als ob sie gefoltert wird. Immer wieder reißt sie die Hände in die Luft, zeigt auf ihren Mund und verzieht schmerzhaft das Gesicht.

Wir sehen ihr schweigend zu. Ihre pantomimischen Darstellungen sind nichts Neues. Gleich am Anfang des achten Schuljahres hat sie uns erklärt, dass in diesem Raum kein Deutsch mehr geredet wird.

»Sie haben Sprechverbot?«, rät Max.

»Zahnschmerzen?«, kommt es von Lisa.

Frau Kupfer, pardon, Mrs Kupfer, wedelt wild mit ihren Armen und zeigt auf die Tafel.

I suffer from a cold sore, steht da. Wir sollen herausfinden, was das auf Deutsch heißt. Wir wissen es nicht.

Wie immer platzt ihr nach ein paar Minuten der Kragen und sie brüllt uns auf Deutsch an.

»Herrschaften, nun überlegt doch mal! Das haben wir alles schon einmal durchgenommen! Wie wollt ihr denn je im englischsprachigen Ausland zum Arzt gehen?«

Hoffentlich nie, denke ich.

Sie sieht empört aus. »Schlagt im Wörterbuch nach!«

In diesem Raum wird also doch Deutsch geredet.

Ich kritzele eine kleine Sonne auf mein Heft. Mrs Kupfer und ihr Mund sind mir so was von egal! In sechs Wochen sind Ferien und ich werde mit Leonie und ihren Eltern nach Italien fahren. Sie haben da ein Ferienhaus, in dem wir schon letztes Jahr waren. Ob ich Francesco wiedersehen werde? Ich male ein F in die Sonne hinein.

»Marleen?«

Francesco sieht aus wie ein griechischer Gott.

»Marleen? Hättest du vielleicht die Güte, mir zu antworten?«

Mist! Mrs Kupfer steht vor mir, sie ist stinksauer.

Ich schnappe mir das Wörterbuch und fange an, hektisch darin herumzublättern.

Suffer heißt leiden oder dulden. Sore heißt schlimm, entzündet oder auch Wunde. An einer kalten Wunde leiden? Es ergibt keinen Sinn.

Ich hasse Englisch. Deshalb fahre ich auch nach Italien!

Zu Hause herrscht dicke Luft. Meine große Schwester Ella hat wieder irgendwas verzapft. Ich mache es mir in der Küche bequem, um das Drama live mitzuverfolgen. Da mich keiner beachtet, futter ich Nutella mit dem Löffel aus dem Glas.

»Aber ich liebe ihn!«, kreischt Ella gerade.

»Dass ich nicht lache«, erwidert meine Mutter. »Du bist sechzehn Jahre alt. Du hast dich auf die Schule zu konzentrieren! Weißt du eigentlich, was hier drinsteht?« Sie schwenkt kampfeslustig einen Brief hin und her.

Ella sagt nichts. Sie beißt sich auf die Lippe und zieht einen Ring an ihrem Finger an und ab.

»Was ist das denn?«, frage ich neugierig. Ella ignoriert mich, aber meine Mutter ist nur allzu bereit, mich einzuweihen.

»Deine alberne Schwester hat sich verlobt!«

»Etwa mit dem Riesenbaby?« Gelächter steigt in meiner Kehle auf. Sie ist gerade mal zwei Jahre älter als ich!

Ella fährt wütend zu mir herum. »Du sollst Patrick nicht so nennen! Ich weiß nicht, warum alle in diesem Haus glauben, sie könnten sich über meine Gefühle lustig machen! Was geht es euch eigentlich an, ob ich mich verlobe oder nicht?«

»Solange du die Schule vernachlässigst, geht es mich sehr wohl etwas an! Deine Noten in Mathe und Physik sind seit Weihnachten in den Keller gerutscht! Von Englisch ganz zu schweigen!«

Meine Mutter klatscht den Brief auf den Küchentresen.

»Wenn du dich nicht zusammenreißt, fliegst du noch vom Gymnasium!«

Das Lachen bleibt mir im Hals stecken, denn auch ich habe schlechte Nachrichten in meiner Tasche. Schon wieder eine Fünf in Englisch, mit besten Grüßen von Mrs Kupfer …

»Das macht man nicht!« Meine Mutter reißt mir das Nutella-Glas aus der Hand. Hat die Frau Augen am Hinterkopf?

Lautlos wie eine Siamkatze schleiche ich in mein Zimmer. Wenn meine Mutter solche schlechte Laune hat, ist es am besten, aus ihrem Blickfeld zu verschwinden. Ich höre meine Schwester im Nebenzimmer schluchzen. Dann telefoniert sie offenbar mit jemandem. An ihrem gezierten Kleinmädchenlachen erkenne ich, dass es sich dabei um Patrick, das Riesenbaby, handelt. Er ist ein Jahr über ihr, in der elften Klasse, und hat ein rundes Vollmondgesicht, ohne auch nur den Schatten eines Bartwuchses. Er mag ja innere Werte haben, nur werde ich diese nie erfahren, da er nicht mit mir redet.

»Ella da?«, schnappt er mich nur an, wenn er mal an unserer Tür klingelt. Will sie etwa wirklich mit diesem Hampelmann ihr Leben verbringen? Und lauter mondgesichtige Babys in die Welt setzen? Na, mir soll es egal sein.

Ich werde eine Liste von den Dingen machen, die ich noch für Italien brauche. Unbedingt einen neuen Bikini und so eine Retro-Sonnenbrille, wie sie jetzt modern sind. Mit der vom letzten Jahr sehe ich aus wie eine Blinde.

Vor lauter Vorfreude spüre ich schon die warme italienische Sonne auf meinem Gesicht. Ich lege mich auf mein Bett und denke an Francesco, Gelato und bella Italia.

Kaum kommt mein Vater nach Hause, redet meine Mutter auf ihn ein. Er soll ein »Machtwort« sprechen. Er soll dem Riesenbaby den Kontakt zu meiner Schwester verbieten. (Hier schreit Ella entsetzt auf.) Er soll mir Hausarrest erteilen, bis meine Noten besser werden. (Ich musste ihr leider die verpatzte Englischarbeit zeigen.) Er soll endlich seinen Beitrag zur Erziehung leisten, denn meine Mutter hat weiß Gott genug um die Ohren und keine Lust mehr, sich dauernd alleine mit diesen pubertierenden Gören auseinanderzusetzen. (Damit meint sie meine Schwester und mich.)

Mein Vater steht im Flur herum und schielt sehnsüchtig zum Wohnzimmertisch. Dort liegt die Fernbedienung.

»Tja«, sagt er schließlich. Mehr fällt ihm im Moment nicht ein.

Meine Mutter stemmt die Hände in die Hüften.

»Vielleicht kann dir der Peter bei den Hausaufgaben helfen?«, sagt mein Vater schnell zu Ella.

»Patrick!«, verbessert sie ihn verschnupft.

»Das fehlte noch!« Meine Mutter ist kurz vor dem Explodieren. »Dann können wir ja gleich eine Wiege in dein Arbeitszimmer stellen!«

Das wirkt. Vor nichts hat mein Vater mehr Angst als vor dem Altwerden. Der Gedanke, vorzeitig Großvater zu werden, schreckt ihn aus seiner Lethargie auf.

»Wir werden eine Lösung finden!«, verkündet er kraftlos. »Morgen«, sagt er noch leiser und verzieht sich zu seinem Fußballspiel, offensichtlich froh, diesem hormonellen Tollhaus zu entfliehen.

Am nächsten Tag muss er Überstunden machen und am Tag danach hat meine Mutter ihren Yogakurs. Dann kommt meine Tante Ilona zu Besuch und hält einen abendfüllenden Monolog über ihre unmögliche Chefin. So ist schließlich fast eine halbe Woche ins Land gegangen, bis mein Vater wieder auf das Thema zurückkommt.

Ella und ich haben schon gar nicht mehr daran gedacht. Ich zähle die Tage bis zu den Ferien und Ella schickt nonstop Nachrichten an das Riesenbaby, wenn sie nicht sowieso mit ihm zusammen ist und sich von ihm abknutschen lässt.

Meine Eltern sitzen im Wohnzimmer und blättern ein paar Schriftstücke durch. Sie sehen zufrieden aus. Haben sie einen Kredit genehmigt bekommen oder so was? Ich nehme mir ein paar Kartoffelchips aus der Schale vom Tisch und will gerade wieder verschwinden, als mein Vater sich räuspert.

»Marleen«, sagt er. »Wir haben etwas mit dir und deiner Schwester zu bereden.«

Er sieht ernst und entschlossen aus und mir schwant nichts Gutes. Neulich habe ich gehört, wie meine Mutter sich bei Ilona beklagt hat, dass mein Vater ihr mit seinem Fußballfimmel den letzten Nerv raubt.

»Wollt ihr euch scheiden lassen?«, frage ich mit dünner Stimme. Überrascht sehen sie sich an.

»Natürlich nicht, wie kommst du denn auf so was?«, sagt mein Vater. Meine Mutter schüttelt entsetzt den Kopf und legt ihre Hand auf seinen Arm. Ich bin erleichtert, auch wenn ich es mir nicht anmerken lasse. Was aber will er dann von uns?

»Hol mal Ella!«, befiehlt er mir.

Achselzuckend gehe ich hinaus und hämmere an die Zimmertür meiner Schwester.

»Du sollst ins Wohnzimmer kommen!«, rufe ich.

»Muss das sein?«, ruft sie zurück. Sie flüstert etwas.

»Sag dem Riesenbaby, es soll auflegen!«, brülle ich und lausche auf ihre Reaktion.

»Kleine Schwester … Scheusal …«, höre ich.

Grinsend gehe ich weg. Wie gut, dass ich die beiden Turteltäubchen im Sommer nicht um mich herum haben muss.

Ich setze mich in den Sessel im Wohnzimmer und nehme mir noch ein paar Chips. Eigentlich wollte ich den YouTube Kanal von Ben aus unserer Klasse checken, angeblich seilt er sich heute Nachmittag live von einer Brücke ab. Hoffentlich dauert das jetzt nicht so lange.

Ella kommt aus ihrem Zimmer stolziert wie ein Pfau und setzt sich mit einem Viertelhintern auf die Couch. Sie hat nicht vor, hier länger als nötig zu verharren. Um den Hals trägt sie ein kleines Tuch, und als sie sich nach vorn beugt, um sich ein paar Chips zu grapschen, sehen wir alle, was sie zu verbergen versucht. Zwei rote Flecke zieren ihren Hals. Das Riesenbaby als Vampir, ich glaube, ich muss kotzen!

»Mama und ich sind zu einer guten Lösung gekommen!«, sagt mein Vater ohne große Einleitung. »Eure Noten sind eine Katastrophe, besonders in Englisch. Bei Ella besteht sogar die Gefahr, dass sie von der Schule runtermuss.«

Meine Mutter nickt nach jedem Wort. Was haben sie vor? Ich sehe zu Ella, aber die kaut nur Chips und zupft Fussel von ihrer Hose.

»Außerdem«, fährt er fort, »verbringt uns Ella ein bisschen zu viel Zeit mit diesem … äh … Patrick!« Fast sieht mein Vater erleichtert aus, dass er den Namen diesmal nicht verwechselt hat. Schadenfreude erfüllt mich. Werden sie jetzt die Verlobung auflösen?

»Und bei Marleen sind wir uns nicht so sicher, ob es eine gute Idee ist, sie den ganzen Sommer lang Leonies Eltern zu überlassen.«

»Nichts gegen die Frau Tschach«, unterbricht meine Mutter hastig. »Aber wir wissen ja alle, wie Leonies Eltern sind.«

Ja, das wissen wir. Leonies Eltern sind großartig. Sie müssen sich dauernd selbst finden und haben überhaupt keine Zeit, sich zwischen ihren ganzen Töpferkursen und Mondscheinwanderungen um zwei Teenager zu kümmern. Ein ungutes Gefühl kommt in mir auf.

»Deshalb sind wir zu dieser bereits erwähnten guten Lösung gekommen. Ihr zwei fahrt in den Ferien zusammen in einen Sprachurlaub nach England.«

»Italien«, verbessere ich ihn mechanisch. Er hat sich wohl versprochen.

»England. Torquay, um genau zu sein.« Er hält einen Zettel hoch. Ella guckt ihn mit dem leeren Blick einer Kuh an.

»Es hört sich alles sehr gut an«, sagt meine Mutter mit fröhlichem Lächeln. »Herrliche englische Landschaft und Kultur! Ihr werdet die britische Lebensart kennenlernen und wie im Schlaf eure Sprachkenntnisse verbessern. Ich beneide euch!«

»Kommt Patrick mit?«, fragt Ella. Sie war noch nie besonders helle.

»Nein, Patrick kommt natürlich nicht mit«, sagt meine Mutter. Sie richtet sich entschlossen auf. »Das ist ja der Sinn der Sache!«

»Ihr spinnt wohl «, sagt Ella. Sie ist kreidebleich. »Da fahren wir nicht hin, das könnt ihr vergessen.«

»Niemals«, unterstütze ich sie. Ich kann mich nicht erinnern, wann wir je einer Meinung waren.

»Oh doch, ihr werdet nach England fahren. Papa hat die Reise heute früh gebucht. Drei Wochen Südengland – ihr solltet dankbar sein! Wisst ihr eigentlich, wie viele junge Leute gern mal dahin wollen und es sich nicht leisten können?«

Sie können meinen Platz haben! Und mein gesamtes Taschengeld noch dazu! Drei Wochen Nebel, Tee und Miss Marple? Und Francesco flirtet inzwischen mit Leonie am italienischen Strand?

Ich fange tatsächlich an zu heulen. Ella ist aus dem Zimmer gestürmt, Handy in der Hand.

Ich schaue auf die beiden Leute vor mir, die sich meine Eltern nennen. Mitleidslos sitzen sie da, vereint wie schon lange nicht mehr.

»Wie könnt ihr uns das antun?«, frage ich sie fassungslos.

»Stell dich nicht so an! Das ist eine einmalige Gelegenheit, dein Englisch zu verbessern. Von alleine wird es ja wohl kaum besser werden!«

Wie betäubt gehe ich hinaus. Ella tobt in ihrem Zimmer. Kurz denke ich darüber nach, von zu Hause wegzulaufen, aber ich weiß, dass ich dazu zu feige bin.

Werde ich also meinen Sommer in diesem dämlichen Torquay verbringen und kein Wort verstehen? Werde ich bei jedem Gespräch so herumhampeln müssen wie die verhasste Mrs Kupfer?

Ich lehne meine Stirn an die kühle Fensterscheibe. Francesco!

FULL BOARD AND CAVES

»Du Arme!«, wiederholt Leonie zum x-ten Mal. Das sagt sie nun schon seit Wochen. Sie ist überhaupt nicht richtig bei der Sache, wenn ich mich über meine Englandreise beklage! So wie jetzt, als sie die wichtige Entscheidung treffen muss, ob sie den violetten Stringbikini mit nach Italien nimmt oder lieber den dunkelblauen Tankini mit dem faustgroßen Guckloch am Bauch. Nachdenklich hält sie die beiden Teile hoch.

Hört sie mir überhaupt zu? Ich mache einen Test.

»Die Schule ist vorhin abgebrannt«, sage ich zu ihr.

»Du Arme!«

Na bitte!

Leonie entscheidet sich für den itsy-bitsy-violetten. Er bedeckt so wenig Haut, dass sie rundherum braun werden wird. Ich hingegen musste mir auf Anordnung meiner Mutter einen Regenmantel kaufen.

»A raincoat!«, hat sie zu mir gesagt. »Da weißt du gleich, wie das auf Englisch heißt!«

Der raincoat ist braun und hässlich wie die Nacht. Wie eine riesige Motte werde ich über dampfende Moore flattern, während Leonie in ihrem kaum vorhandenen Bikini in der Sonne liegen und italienisches Eis in sich hineinstopfen wird.

Überhaupt hat meine Mutter in den letzten Wochen die unangenehme Eigenschaft entwickelt, ihre Sätze mit englischen Wendungen zu garnieren.

»Enjoy your meal!«, ruft sie widerlich munter bei jeder Mahlzeit. Und meinen Vater hat sie neulich »Honey Bunny« genannt. Er hat vor Überraschung die Glühbirne fallen lassen, die er gerade auswechseln sollte. Danach war er kein Honighäschen mehr, sondern nur noch ein »Meine Güte, Christian!«.

Leonie legt eine Tube Sonnencreme auf den Stapel der Dinge, die sie mitnehmen will. Ich kann sehen, dass es Sonnenschutzfaktor 30 ist, und davon sinkt meine Laune erst recht ins Bodenlose. Die Wettervorhersage für Südengland besteht hauptsächlich aus Regenwolken und mickrigen Temperaturen. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, fiel mir gestern Abend noch etwas Entsetzliches ein: Nicht nur, dass ich Francesco nicht wiedersehen darf, ich bin auch nicht mal im Lande, um Lars Brenner zu beobachten! Lars geht in die Neunte und weiß nichts von meiner Existenz, aber das hätte sich ja in den Sommerferien ändern können! Einmal hat er immerhin schon mit mir geredet. Ich hatte meinen Ohrring in der Schule im Gang verloren und habe beim Suchen nach unten geguckt, sodass ich gegen ihn geprallt bin. Er hat »Hoppla« gesagt, mit dieser wahnsinnig tollen Stimme. Ich habe vor Schreck nur gekeucht – also war es technisch gesehen kein richtiges Gespräch –, aber dieser unvergessliche Moment hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Lars und ich hätten ja eines Tages mal aneinandergekuschelt daran zurückdenken können, wie wir uns damals im Gang kennengelernt hatten. Wenn – ja wenn man mir nicht grausam die Chance genommen hätte, ihm in diesem Sommer näherzukommen! Den Ohrring habe ich übrigens auch nicht wiedergefunden.

»Ich wünsche dir viel Spaß«, sage ich ohne jeglichen Enthusiasmus zu Leonie und stehe auf.

»Ich dir auch!«, strahlt Leonie mich an. »Und wir chatten, okay? Jeden Tag!«

»Ich werd‘s versuchen.« Hoffentlich haben die dort anständiges WLAN. Dann kann ich wenigstens ein paar Filme streamen.

Ich werde mir zu Hause doch noch mal den Brief durchlesen müssen, der erklärt, was in den nächsten Wochen während des Sprachurlaubs auf uns zukommt. Gemeinerweise ist er auf Englisch und meine Eltern weigern sich, ihn uns zu übersetzen. Abgesehen davon, dass mein Vater wahrscheinlich noch weniger verstünde als ich.

Im Leben meiner Schwester spielen sich in den letzten Wochen Szenen ab wie beim Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. Mit dem einzigen Unterschied, dass es Ella und nicht das Riesenbaby ist, die in ferne Länder ziehen wird. Gerade jetzt halten sie sich vor der Haustür fest umklammert und schwören sich ewige Treue. Ab und zu bricht Ella in unkontrolliertes Schluchzen aus.

»Wie soll ich das ohne dich aushalten?«, jammert sie immer wieder.

»Ich werde immer an dich denken, Baby, Tag und Nacht!«, verspricht er ihr. »Beim Fußballspielen, beim Lesen, abends im Club, beim Essen, beim Aufstehen, auf dem Klo …«

»Du wirst auf dem Klo an Ella denken?«, unterbreche ich ihn interessiert, als ich mich vorbeischiebe.

Patrick wird rot.

»Du wirst ohne mich in den Club gehen?«, fragt Ella misstrauisch. Sie hat aufgehört zu heulen.

»Also, ich … was interessiert dich das eigentlich?«, fährt er mich an.

»Ja echt, Marleen, was stehst du hier und lauschst?«, beschwert sich Ella.

»Ich wohne zufälligerweise hier! Allerdings nicht mehr lange, denn schon morgen fahre ich mit dir in ein kaltes, nasses Land, wo du drei Wochen lang ohne deinen Liebsten leben musst.«

Ella macht ein Geräusch wie eine Katze, der man auf den Schwanz tritt. Dann wirft sie sich weinend in Patricks Arme.

Ich lasse die Haustür hinter mir mit einem Knall zufallen.

In meinem Zimmer hole ich den Brief von der Sprachschule heraus. Bislang habe ich mich überhaupt nicht darum gekümmert, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass meine Eltern irgendwann in mein Zimmer kommen und »April, April!« rufen. Aber nichts da – morgen früh um 6.00 Uhr müssen wir am Bahnhof sein und in einen Reisebus einsteigen, in dem schon all die anderen sitzen und ihre Wurstbrote auspacken werden …

Dear students,

We are excited that you will be coming to our wonderful school in Torquay!

Torquay is often called the queen of the Devon seaside and we are certain you will enjoy the beautiful scenery with its magnificent cliffs, palm trees and moors.

Ich lasse den Brief sinken. Es gibt tatsächlich Moore dort, ich wusste es doch! Mein abscheulicher Regenmantel fällt mir ein. Beunruhigt lese ich weiter.

You will stay with host families who are carefully selected. The accommodation includes full board.

Das verstehe ich nicht. Die Unterkunft enthält ein volles Brett? Voll mit was? Panik steigt in mir auf.

… three meals per day.

Das bezieht sich auf das Brett. Wird das Essen auf einem kleinen Holzbrettchen gebracht wie bei Gefangenen?

You will have 20 lessons per week in the morning or afternoon, each lasting 50 minutes.

Na wunderbar. Das wird ja immer besser. Vier Stunden Unterricht jeden Tag, anschließend ein Essen auf einem Holzbrett und eine Wanderung durchs Moor!

Our cricket lessons are a popular weekly event.

Cricket? Ich erinnere mich schwach an weiß gekleidete Männer im Fernsehen, die schweigend in der Sonne standen und auf irgendetwas warteten. Selbst mein Vater, der wahrlich nicht sehr anspruchsvoll ist, wenn es um Sport geht, bezeichnet Cricket als »die sinnloseste Sportart der Welt«.

The evening social program consists of quizzes, karaoke, square or salsa dancing. Or you can catch up on the latest films in English – without subtitles!

Ellas Zimmertür klappt nebenan.

»Ella!«, rufe ich mit letzter Kraft. Ich brauche ihren Beistand, Riesenbaby hin oder her. Quadratisches Tanzen und Quizabende?

Hektisch lese ich weiter.

We even hold a sand sculpture competition, an introduction into rugby and a caving expedition.

Caving? Ich schnappe mir mein Wörterbuch. Cave heißt Höhle!

»Ella!«, kreische ich entsetzt. Sie hört mich nicht. Ich rase, ohne anzuklopfen, in ihr Zimmer.

Ella liegt auf dem Bett und hat ein Patrick-Foto in der Hand. Sein Gesicht darauf ist leicht abgewetzt, so oft hat sie es schon betrachtet und abgeküsst. Wenn sie nicht aufpasst, wird es bald verschwunden sein, wie in dem schrecklichen Horrorfilm, den wir mal zusammen gesehen haben.

»Ella!«, sage ich zum dritten Mal. Sie guckt mich böse an. In ihren Augen glitzern ein paar Tränen.

»Es gibt dort Moore! Und Quizabende! Und Tanz im Quadrat! Und Höhlen, in die wir geschickt werden. Und Sandburgen müssen wir bauen!«

Sie wird blass. Und dann geschieht das Unglaubliche – meine Schwester und ich fallen einander in die Arme. Gemeinsames Leid verbindet eben.

»Shit!«, sagt Ella nach einer Weile.

»Du kannst doch schon gut Englisch!«, sage ich und trotz unserer Wut müssen wir ein kleines bisschen lachen.

WELCOME ABOARD

Am nächsten Tag, als wir total früh am Morgen vorm Bahnhof warten, kommt Patrick. Beinahe hätte ich ihn nicht erkannt. Er hat sich die Haare schneiden lassen und sieht grotesk aus. Auf eine seltsame Weise hat sich mit dem verschwundenen Haar die Größe seiner Ohren vervierfacht.

Meine Schwester sieht ihn erschrocken an.

»Schatz!«, ruft Patrick und breitet seine Arme aus. Ella tritt einen Schritt zurück.

»Wo sind denn deine Haare?«, fragt sie ihn.

»Abrasiert!«, sagt das Riesenbaby stolz. »Jetzt, wo es Sommer wird, muss die Matte runter!«

Er versucht sie zu küssen. Meine Mutter rollt mit den Augen. Ella windet sich schnell weg.

»Deine Ohren!«, sagt sie und wirft ihm einen eigentümlichen Blick zu.

»Was ist denn mit meinen Ohren?«

Trotz meiner miesen Stimmung steigt ein Kichern in mir auf. Er sieht aus wie ein Topf mit Henkeln.

»Deine Ohren«, sagt Ella wieder. Sie klingt leicht hysterisch.

In diesem Moment ruft mein Vater: »Der Bus!«

Und tatsächlich – ein großer weißer Bus biegt um die Ecke. Wengelmann Reisen, steht darauf. Ich erkenne Gesichter, die sich die Nasen an den Scheiben platt drücken und uns anstarren.

»Na endlich!« Meine Mutter sieht erleichtert aus.

Mit einem lauten Quietschen kommt der Bus zum Stehen.

»Hello, hello! Welcome aboard!«, ruft jemand.

Eine untersetzte junge Frau mit kurzen roten Haaren klettert aus dem Bus. In ihrer Hand hält sie eine Liste.

»Ich bin die Silke«, stellt sie sich vor. »Und ihr seid bestimmt Marleen und Ella?«

Wir nicken brav. Auf einmal habe ich einen schrecklichen Kloß im Hals. Am liebsten würde ich mit meinen Eltern wieder nach Hause gehen, ein bisschen rumgammeln, lesen, irgendwas auf Netflix ansehen, später Leonie besuchen. Dann fällt mir ein, dass Leonie gar nicht mehr da ist.

»Mach’s gut, mein Schatz, viel Spaß!« Mein Vater drückt mich an seine Brust. Wir umarmen uns alle und versprechen, uns gleich zu melden. Aus Versehen drücke ich sogar das Riesenbaby. Seine neuen Ohren fühlen sich kalt an.